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Ein Märchen von trauriger Aktualität

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Foto: Bettina Stöß

Ein Märchen von trauriger Aktualität

Humperdincks Oper „Königskinder“

Es ist das Märchen von zwei Außenseitern, das Engelbert Humperdinck in seiner Oper „Königskinder“ vertont hat, und wie in der berühmten Ballade können die beiden nicht zueinander kommen, ist ihnen ein Zusammenleben nicht vergönnt, enden die beiden tragisch. Hier ist es nicht das Wasser, das „viel zu tief“ war, sondern eine empathielose, nicht näher bestimmte Gesellschaft, wie wir sie

überall auf der Welt finden könnten, im Hellabrunn des Librettos ebenso wie in New York (dem Uraufführungsort der Oper), in Berlin oder im Ruhrgebiet.

Im zweiten Akt von Humperdincks viel zu selten gespieltem Hauptwerk werden der Königssohn und die Gänsemagd von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen, weil sie anders sind als

„… und wenn sie nicht gestorben sind“

Märchenopern hatten um die Jahrhundertwende Hochkonjunktur

Überall auf der Welt wachsen junge Menschen mit Märchen auf. In besonderem Maß regt diese Erzählform mit ihren logischen Eigenwilligkeiten unsere Phantasie an. Bei seiner Oper Königskinder“ griff Humperdinck auf einen Text der Dichterin Elsa Bernstein und damit auf ein frei erfundenes Kunstmärchen zurück. Der abgeklärten Weltanschauung des Fin de siècle entspricht das tragische Ende der beiden Liebenden, hier steht am Ende also kein zuversichtliches „so leben sie noch heute“. „Königskinder“ weist das klare Gut-und-Böse-Schema vieler Märchen auf: der Spielmann steht für das Gute (im Menschen), die Hexe für das Böse. Am Ende bleibt jedoch kein Sieger übrig, beide haben verloren.

Märchenstoffe finden sich um die Jahrhundertwende häufig auf der Opernbühne. 1902, also acht Jahre vor „Königskinder“, kam Debussys rätselhaftes Märchenpaar „Pelléas und Mélisande“ auf die Opernbühne. Humperdinck selbst versuchte zeitlebens, den Erfolg, den ihm „Hänsel und Gretel“ beschert hatte, zu übertrumpfen. Doch weder „Dornröschen“ noch „Die sieben Geißlein“ konnten sich im Repertoire halten. Auch „Königskinder“ ist ein eher seltener Gast auf unseren Bühnen geblieben, was aber auch in den immensen musikalisch-szenischen Anforderungen des Werkes selbst begründet liegt.

der Rest der Gesellschaft. Diese marginalisiert sie, ja verstößt sie. Auf erschreckende Weise manifestiert sich genau darin die traurige Aktualität von Humperdincks Oper „Königskinder“. In den letzten Wochen wurde uns vorgeführt, wie Gruppierungen zentrale Begriffe wie Freiheit und Würde für ihre undemokratischen Ideologien missbrauchen und ganze Stadtgesellschaften instrumentalisieren. Nun hat sich eine Initiative gegründet, die sich in Anlehnung an eine bereits länger bestehende Berliner Gruppierung „Die Vielen – NRW“ nennt. Anfang November fiel der Startschuss für ein kulturelles Netzwerk, das sich gegen rechtspopulistische Anfeindungen zur Wehr setzen und – was leider inzwischen nötig zu sein scheint – die Grundregeln unvoreingenommenen gesellschaftlichen Miteinanders wieder in Erinnerung rufen und mit neuem Leben erfüllen will.

Klare Botschaft jenseits der Musik

Das MiR gehört zu den Erstunterzeichnern der „NRW-Erklärung DIE VIELEN“. Auch in diesem Zusammenhang ist die Entscheidung, Humperdincks „Königskinder“ in den Spielplan aufzunehmen, als

eine programmatische anzusehen. Denn hier wird nicht weniger als die Stigmatisierung zweier junger Menschen verhandelt. Mit seiner Musik schildert Humperdinck, was der Gesellschaft der Stadt Hellabrunn fehlt: Wärme, Mitgefühl, Empathie. Über die klare Botschaft, die dahinter steht, kann und will jedoch auch die klangmächtige und farbenprächtige Musik nicht hinwegtäuschen: Auch das Andere, Fremde, ist Teil unserer Gesellschaft.

#mir_koenigskinder mir.ruhr/koenigskinder

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