Lucy's Rausch Nr. 2

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Kapitel

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Nr. 2 / Herbst 2015 / CHF 18.50 / € (D) 14.80 / € (A) 15.30

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

Die Kröte –und Jaguar Ralph Metzner HR Giger Das der grosse Interview Holotropes Atmenim Stanislav Grof et al. – Besuch Val-de-Travers Absinthe Timothy Leary in Harvard Mathias Bröckers – Falsche Perspektiven Legal Highs Kunst: Nana Nauwald / Gerhard Seyfried Welt El Pepe – oder die Verbesserung der Ein neuer Psilocybin-Pilz Jochenmit Gartz – Ein Gespräch Albert Hofmann Progressive Psytrance Roberdo Raval dem LSD-Entdecker

3

H A N F   +   K U N S T   +  PA R T Y  +   E T H N O B O TA N I K



3

Der Gebrauch entheogener Drogen ist in alten Kulturen stets in einen religiös-zeremoniellen Rahmen eingebaut worden. Dann kann das Erlebnis zu dem werden, wonach der Mensch seit jeher im Tiefsten sucht: zur unio mystica und der damit verbundenen Glückseligkeit. ALBERT HOFMANN, 1906  –  2008, LSD-Entdecker


Nana Nauwald: Ars vivendi (Ausschnitt)

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5

Welche Vielfalt, welche Farben, welche Formen ‌

Seite 32


Foto: Werner Arnold / www. awl.ch


7

Ăœber die Kunst des Cannabis-Anbaus

Seite 58


Foto: Raumklang, Z端rich, Oktober 2014 / www. mysticalpics.ch

8


9

Psychedelic Progressive Trance

Seite 74


Foto: Foto: Alexander Alexander Neusius Neusius / www.lophophora-williamsii.de


11

Auf dem Peyote-Weg Auf …

Seite 88 70


1 2   LU C Y ‘ S C O M I C


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Luc y’s Rau sch Nr. 2

INHALT

15 19 20 26 31

Editorial Markus Berger Bewusstseinserweiterung – nüchtern betrachtet Klartext von Roger Liggenstorfer Die Matrix aller Möglichkeiten 5-MeO-DMT Ralph Metzner Timothy Leary – The Harvard Years Mathias Bröckers Ein Appell an die Vereinten Nationen Coustos Psychedelikatessen

KUNST

32

«Welche Vielfalt, welche Farben, welche Formen ... » Interview mit Nana Nauwald

38

Christian Rätsch: Frau O Ein kommentiertes Aquarell Claudia Müller-Ebeling

40

«Eine Art individueller Widerstandskampf» Interview mit Gerhard Seyfried

CANNABIS

46

Cannabis- und Cannabinoid-Medizin Franjo Grotenhermen

48

Cannabidiol (CBD) Cannabinoid mit Potenzial Grotenhermen/Berger/Gebhardt

55

Ein Bollwerk von Hanfgegnern Mischa Hauswirth

58

Über die Kunst des CannabisAnbaus Michael Knodt

SAFERPARTY

70

Safer Use Alex Bücheli

74

Psychedelic Progressive Trance Roberdo Raval

79

Raumlufterfrischer, Badesalze & Co. Kevin Johann

ETHNOBOTANIK

84

Wissenschaftliche Pilzforschung Jochen Gartz

88

Auf dem Peyote-Weg David Jerome Putnam

94

Rausch im Labor, Psychedelika aus dem Arzneischrank Christoph Benner

97

Heilende Selbsterforschung Holotropes Atmen Klaus John, Stanislav & Christina Grof

102

Adi Dittrich: Psychologie veränderter Bewusstseinszustände Michael Schlichting

16 Lucy’s Flashback Leserbriefe und Feedback 17 Lucy’s Mix 66 Lucy’s Medientipps Bücher, CDs und DVD 68 Lucy’s Lifestyle 105 Literatur zu den Artikeln 109 Lucy’s Vorschau / Verkaufsstellen 110 Impressum


BRING ZUSAMMEN, WAS ZUSAMMEN GEHÖRT. GIZEH BLACK. King Size Slim, Rolls Slim und Filter Tips.


Luc y’s Rau sch Nr. 2

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EDITORIAL

Psychedelische Integration aus der Seele «Empfindungen, Gefühle, Einsichten, Einbildungen – sie alle sind etwas Privates und nur durch Symbole und aus zweiter Hand mitteilbar. Wir können Berichte über Erfahrungen austauschen und sammeln, niemals aber die Erfahrungen selbst», schreibt Aldous Huxley in seinen Pforten der Wahrnehmung. Wer könnte diesen Satz besser verstehen als wir Psychonauten? Den Kern der psychedelischen Erfahrung auch nur annähernd in Worte zu kleiden, ist mit den Mitteln unserer Sprache schlicht nicht möglich. Wohl aber die Auswertung des Erlebten, der Austausch mit Gleichgesinnten und Gefährten und die Integration des Erfahrenen ins Leben. Mit  Lucy’s Rausch haben wir den Versuch gewagt, eine disziplinübergreifende Plattform zu schaffen: für den Dialog, die Diskussion, die Weitergabe und die Reflexion von psychedelischen Erfahrungen. Lucy’s Rausch soll informieren und bilden, den wissenschaftlichen Status quo darstellen, die psychoaktive Kultur mit all ihren Facetten beleben und Erfahrungsnetzwerk sein. Wenn positives, ja enthusiastisches Feedback, ein guter Verkauf der Auflage und ein reges Interesse der Zielgruppe die Kriterien für den erfolgreichen Start eines neuen Magazins sind, dürfen wir unseren Versuch als gelungen betrachten. Ich denke, wenn etwas aus der Seele kommt und mit Herzblut erschaffen wurde, dann findet es seinen Platz genau dort, wo dieser ihm gebührt. Und so ist es unserer Lucy ergangen. Sie wurde angenommen. Und nicht nur das: Die Leserinnen und Leser von Lucy’s Rausch sind mehr als bloße Rezipienten unseres Magazins. Sie geben dem Projekt durch ihren Kauf die Möglichkeit zu existieren, und nicht wenige haben uns mit einem Gönnerabonnement oder mit der Bereitschaft, als Lucy’s-Botschafter auf Veranstaltungen aufzutreten, ganz besonderen Support zuteil werden lassen. Euch allen gebührt unsere tiefste Dankbarkeit. Auch in der Nr. 2 haben wir wieder ein psychede­ lisches Sammelsurium quer durch die Bereiche der

Bewusstseinserweiterung zusammengetragen. So präsentiert die Redaktion in dieser Ausgabe interessante Persönlichkeiten aus der psychoaktiven Kultur, unter anderem die Urgesteine Ralph Metzner, Timothy Leary, Stanislav und Christina Grof und Adolf Dittrich, die Künstler Gerhard Seyfried und Nana Nauwald sowie die versierten Fachautoren, Forscher und Sachverständigen Franjo Grotenhermen, Mathias Bröckers und Michael Knodt. Es ist kaum zu übersehen, dass Lucy’s -Leser und -Autoren sich perfekt ergänzen. Wir sind eine Bewegung, die gerade heute stetig größer wird. Trotzdem sind wir im Vergleich zum Mainstream immer noch recht wenige, und nicht nur deshalb sollten wir zusammenhalten. Es kann nicht sein, dass Wirtschaftsbosse und Politiker uns verbieten wollen, unsere Innenwelten, unser Bewusstsein (und damit auch die kollektiven Sphären und Dimensionen) zu erforschen und unsere Leben zu bereichern. Im Idealfall tun dies Psychonauten ohnehin nicht um der Verwirklichung ihres Egos willen, sondern vielmehr – mit der Essenz der psychedelischen Erfahrung vor Augen – zum Wohle allen Lebens und des gesamten Bewusstseinsgeflechts. Auch dafür steht

Lucy’s Rausch. Markus B erger, Chefredak teur


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Kapitel

Leserbriefe & Feedback

Hier eine Auswahl aus den zahlreichen Zuschriften, die uns erreicht haben, gefolgt von ersten Reaktionen aus den Medien. Die Redaktion freut sich auch weiterhin über Leserbriefe, Anregungen, Kritik usw. Aus Gründen der Diskretion veröffentlichen wir lediglich die Initialen der Absender, da die Drogenpolitik die meisten Menschen dazu zwingt, ihre Vorliebe für Psychoaktiva zu verschweigen (ein Umstand, der sich dringend ändern sollte!). Flashbacks bitte an redaktion@lucys-magazin.com.

Heute kam das erste Lucy’s Rausch an. Mit viel Freude halte ich es in meinen Händen! Ein großes Lob auch für die professionelle Verpackung, die einen heilen Versand ermöglicht, gerade, wenn wir in der heutigen Welt noch eine wirkliche Schrift zu schätzen wissen, ist die Freude groß, wenn sie auch heil ankommt. Spitze!  C. A. Mit dem Erscheinen von Lucy’s Rausch ist, wie ich finde, eine neue Ära angebrochen. M. D. Lucy’s gefällt mir wirklich supergut. Das Magazin macht einen solchen Spaß zu lesen und die Inhalte spiegeln wirklich den Geist der psychonautisch-hedonistischen Kultur wider.  J. B. Das beste Magazin ever – da ist wirklich alles drin, was der Psychedeliker zum Leben ... äh ... zum Lesen braucht.  K. M. Großes Lob an die Redaktion, sehr tolle Themenwahl und interessante Artikel.  J. O. Ich freue mich total, dass ihr das Magazin ins Leben gerufen habt und hoffe, es läuft gut, damit es auch bestehen bleibt.  L. S. Das beste Heft zum Thema, hebt sich absolut von allen anderen ab.  F. G. Ich bin von Lucy’s Rausch mehr als begeistert. Meine hohen Erwartungen wurden weit übertroffen. In Wuppertal konnte ich schon einige für diese Zeitschrift begeistern, indem ich sie einfach nur im Park bei anderen Psychonauten auf meinem Rucksack liegen hatte.  M. T.

Basler Zeitung Aufklärung statt Verbote, die ohnehin nur bedingt nützen – diesen Ansatz der Schadensminderung durch Information und Kompetenz verfolgt das neue Schweizer Gesellschaftsmagazin Lucy’s Rausch. Magazin SPUREN Das von Markus Berger betreute ‹Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur› bringt auf gut hundert Seiten Anregendes zu ‹Hanf, Kunst, Party und Ethno­botanik›. Ralph Metzner ist mit einem Grundsatzartikel vertreten, Hans Cousto schreibt über Drug-Checking für Partygänger. Wer in Lucy’s zu Wort kommt, hat echt etwas zu sagen. Der Verlag ist mit den Experten der Psychonautik verbunden und kann aus dem Vollen schöpfen. Tages-Anzeiger «Der Mensch fällt unters Betäubungsmittelgesetz»: Lucy’s-Chef­ redakteur Markus Berger im Interview. www.is.gd/2kFoZV Hanfjournal Das Debüt überzeugte nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich, und die erste, aktuelle Ausgabe steht dem Vorgänger in nichts nach. Das Magazin richtet sich an erfahrene Psychonauten sowie an Neulinge auf dem Gebiet. Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung Ich merkte immer wieder: So fremd ist diese Drogenkultur gar nicht. Sie zieht sich seit Jahrtausenden durch alle Ecken der Welt. Die gut geschriebenen Artikel zu Geschichte, Mythologie, Medizin, Gesellschaft und substanzfreier Bewusstseinsveränderung (!) überzeugten mich, denn sie zeigten mir, dass ekstatischer Rausch und gesunder Verstand sich nicht ausschließen.


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MIX

MDMA-Coffee­ shop in Holland?

Gerade das Thema MDMA/Ecstasy ist der einfachen Streckbarkeit und der zuweilen gefährlichen Misch- und Ersatzstoffe wegen von besonderer Relevanz, weshalb die jungen Politiker fordern, MDMA zu legalisieren. Eine Petition, die 40 000 Unterzeichnende benötigt, wurde gestartet.

Infos: www.mdmja.nl

Der MDMACoffeeshop verkaufte Placebos. Foto: MDMJA

Foto: zvg

MDMJA – das war Slogan und Schlachtruf in einem, als am 18. Mai am Rosmarijnsteeg 10 in Amsterdam ein Fake-Coffeeshop für MDMA eröffnete. Genau einen Tag lang setzte die Jugendvereinigung der linksliberalen holländischen Partei D66 dort ein Zeichen und verkaufte bunte Placebos, die aussahen wie MDMA-Pillen, um auf die verfehlte Drogenpolitik und den damit versagenden Jugendschutz hinzuweisen.

Fantastische Pilze  – Fantastic Fungi Fantastic Fungi ist der Titel eines Films von Louie Schwartzberg über die wunderbare Welt der Pilze und das unfassbare Netzwerk aus Myzelien, das unseren Planeten überzieht und ohne das unsere Welt so nicht existieren könnte, wie es in der Realität der Fall ist. Produziert wird der Film von Lyn Lear, Fachberater und Experte ist kein Geringerer als Paul Stamets, der auch der Psychonautengemeinde ein Begriff ist. Fantastic Fungi wurde per Crowdfunding finanziert, am 11. April erreichte das Filmprojekt mit Hilfe von 1 692 Unterstützern das monetäre Ziel. Zusammengekommen sind über 130 000 US-Dollar. Der Film wird derzeit gedreht.

Infos auf www.fantasticfungi.com

Errata: Tramadol

Strukturformel von Tramadol

In unserer Nullnummer vom Frühjahr

Exemplaren im Süden des Landes

2014 hatten wir die Meldung gebracht,

nachweisbar sind. Die Erklärung ist eine

dass in Afrika das bislang nur als synthe-

Kreuzkontamination der Pflanzen: Die

tisches Opioid bekannte Tramadol in

Farmer Nordkameruns konsumieren, um

der Wurzelrinde des Baums Nauclea

länger arbeiten zu können, Tramal und

latifolia nachgewiesen wurde.

geben den Stoff auch ihrem Vieh und

Produkt einer Biosynthese ist, sondern

Inzwischen haben deutsche und

ihren Pferden. Im Süden des Landes ist

mit den Fäkalien von Mensch und Tier in

kamerunische Forscher herausgefunden,

das Medikament hingegen unbekannt.

den Boden gelangt.

dass Tramadol-Vorkommen lediglich in

Damit kann davon ausgegangen

Bäumen Nordkameruns, nicht aber in

werden, dass hier Tramadol nicht das

Quellen: www.chemistryviews.org; www.is.gd/m9hp8Z


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KLAR TEXT E I N E KO LU M N E VO N

Ro ger Liggenstor fer

Bewusstseins­erweiterung – nüchtern betrachtet Wir reden von Bewusstsein, wir verändern unser Bewusstsein – und im besten Fall erweitern wir es. Das Wort selbst setzt sich aus «Wissen» und «Sein» zusammen, abgeleitet vom lateinischen conscientia, «Mitwissen». Wo aber ist unser Bewusstsein ‹zuhause› und wie integrieren wir es in unser Leben? Von Albert Hofmann, dem LSD-Entdecker, findet sich im Interview in der Lucy’s-Nullnummer folgende Erklärung: ... das Bewusstsein ist der Empfänger. Alles, was wir im Bewusstsein haben, ist irgendwann einmal durch die Sinne hineingekommen – bei der Geburt ist es gleichsam ein leeres Bewusstsein und wird dann durch all das gefüllt. Integration ins Leben Wir können unser Bewusstsein anreichern, verändern und erweitern – durch innere Reisen wie Meditation, entheogene Substanzen und Yoga, aber auch durch Reisen und Erlebnisse im äußeren Raum, eine Weltreise oder eine Wanderung in der Natur zum Beispiel. Durch verschiedene Methoden der Bewusstseinsarbeit sollten wir fähig sein, diese Erfahrungen in unseren Alltag zu integrieren. Durch die vielen gesellschaftlichen Ablenkungen, eine omnipräsente digitale Vereinnahmung sowie durch den Einfluss von Werbung und Medien werden wir zu konditionierten Wesen, welche die Konsequenzen einer selbstschädigenden Lebenshaltung weitgehend ignorieren. Wenn wir in der Geschichte zurückblicken, sehen wir eine Kohärenz zwischen der psychedelischen Geburt der 60er Jahre und der Friedensbewegung (entstanden aus dem Aufstand gegen den Vietnamkrieg sowie dem Woodstock-Festival), der Ökobewegung (u. a. den Anti-AKW-Demos), der Frauenbefreiungsbewegung, dem naturverbundenen, ganzheitlichen Denken und dem Vegetarismus sowie östlichen spirituellen Methoden. Die Flower-Power-Bewegung hat damals zwar kräftig Substanzen konsumiert, hauptsächlich Haschisch und

LSD, aber daraus sind viele nachhaltige Aktivitäten entstanden. Zahlreiche kulturhistorische Fakten belegen, dass es ohne die Einnahme von Psychedelika heute keine derart ausgeprägte spirituelle oder ökologische Bewegung gäbe. Aus der Sicht der Polit-Fundamentalisten dröhnten sich die ‹Druggies› weg von der politischen Arbeit: Drogen waren ihnen wichtiger als Demos. Doch ein psychonautisches Leben schließt die Teilnahme an politischen Prozessen nicht aus – im Gegenteil! Beispiele für unbewusstes Handeln Bedenklich sind Partys, die am Morgen wie eine Müllhalde aussehen. Trotz bewusstseinserweiternder Substanzen führt man dem Körper durch unreflektierten Konsum Schädliches zu: dubiose Drogen (oft in fragwürdigen Kombinationen), ungesundes Essen usw.: Man trinkt aus Plastikbechern und wirft diese ebenso wie die Zigarettenstummel hirnlos weg. Mit dieser ‹Nach mir die Sintflut›-Haltung kommen wir nicht weiter. Wenn ich ein bewusstes Leben führen will, dann sollte ich meine Mitgeschöpfe, Menschen, Tiere und Pflanzen, achten und schätzen. Kann ich dann aber mit klarem Bewusstsein und ruhigem Gewissen Fleisch aus Massentierhaltung essen? Tiere, die nie Tageslicht gesehen haben, die erbärmlich dahinsiechen und angsterfüllt sterben? Ihre Angsthormone und die zuvor verabreichten Antibiotika essen wir dann scheinbar genüsslich mit, ohne uns dessen bewusst zu sein. Eine Ignoranz mit weitreichenden persönlichen wie ökologischen Konsequenzen. Es gäbe noch viele solcher Beispiele. Jeder Einzelne sollte immer wieder seine täglichen Handlungen reflektieren und versuchen, bewusster zu leben. Mehr Achtsamkeit im Alltag - und die bewusstseinserweiternden Erfahrungen hätten damit auch eine Langzeitwirkung.


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Kapitel


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Die Matrix aller Möglichkeiten Erfahrungen mit 5-MeO-DMT TEXT

Luke Brown: Lightspeak (2014) / www.spectraleyes.com

W

Ralph Met zner

ährend der Achtzigerjahre machte ich selbst eine Reihe persönlicher Erfahrungen, üblicherweise in kleinen Erkundungsgruppen mit zwei oder drei Freunden, in denen wir 5-MeO-DMT allein oder in Kombination mit DMT (im Mengenverhältnis 1:5) meist mit einem Verdampfer einnahmen. Wir hatten die kombinierten Mittel die Mayan Twins getauft, weil das plötzliche Einsetzen der Wirkungen der Medizin, wenn sie inhaliert wurde, uns an die gestaltwandelnden, schamanischen Trickster in den Geschichten von den Heldenzwillingen im uralten mexikanischen Popol Vuh erinnerte. In diesen Geschichten sind die Heldenzwillinge in der Lage, die furchterregenden Fürsten der Unterwelt zu besiegen, indem sie sich wiederholt zerstückeln und töten lassen und sich dann in ihre lebende menschliche Form zurückverwandeln. (...) Nachdem wir in den 1980er-Jahren mit der Mayan-Twins-Kombination in Einzel- und Kleingruppen-Erfahrungen experimentiert hatten, gelangten meine Kollegen und ich allmählich zu der Erkenntnis, dass es keinen besonderen Vorteil hatte, DMT zusammen mit 5-MeO-DMT im Verdampfer zu nehmen. Es führte nur zu einem intensiveren plötzlichen Beginn, mit lebhaften dreidimensionalen, sich kaleidoskopartig bewegenden Mustern, die das gesamte Gesichtsfeld ausfüllten oder sogar das gesamte Sein verschlangen. Diese kaleidoskopartigen Muster schienen keine besondere Bedeutung zu haben – es war lediglich eine Art abstraktes Gitter, manchmal begleitet von Bildern eigenartiger, liebloser, nicht-menschlicher Wesenheiten, die Timothy Leary in The Psychedelic Experience als «den Netzhaut-Zirkus» bezeichnete oder Terence McKenna in seinen Schriften als «selbst-transformierende Maschinen-Elfen» schilderte.

Wenn Bilder und Gedankenformen in Bezug auf die gegenwärtige menschliche Existenz einer Person auftauchten, tendierten sie dazu, zu einem späteren Zeitpunkt der Sitzung zu erscheinen – aber nur dann, wenn das Individuum besondere Forschungsoder Heilungsabsichten hatte. Ich erinnere mich, dass ich nach dem Inhalieren der Kombination ein oder zwei Mal ausgeprägt das Gefühl oder den Eindruck hatte, auf das Nachlassen des «Netzhaut-Zirkus» zu warten, als ob er eine Art Film vor meinen Augen wäre, und als er nachließ, öffnete sich eine tiefere Dimension bedeutsamer Szenen mit Personen, Geistern und Landschaften. Aus diesen Gründen, die sich auf den Inhalt der Erfahrung beziehen, und aus dem praktischen Grund, dass die Einnahme einfacher zu handhaben ist, wurden die nachfolgenden Erfahrungen überwiegend mit 5-MeO-DMT gemacht, das durch einen Verdampfer inhaliert wurde. Kontext und Einstellung waren immer meditativ und fokussierten grundsätzlich auf spirituelles Verständnis und Heilung. Viele meiner Erfahrungen schienen kosmologische Visionen und reinkarnatorische Erinnerungen ebenso wie persönliche Heilungsprozesse einzuschließen, wobei zunächst, im höchsten-tiefsten Teil, der kosmische Aspekt dominierte, und der inkarnatorisch-persönliche später, wenn die Intensität nachließ. Vielfarbige Linien aus Licht formten eine Art Kuppel, der von einem facettenreichen, geometrischen Netzwerk aus Juwelen bedeckt war; die ganze Kuppel drehte sich leise. Die edelsteinbesetzte Kuppel schien eine Art Linse zu werden, durch die ich hinüber in andere Welten sehen konnte, wo die Lichtpunkte Sterne und Galaxien waren. Zuerst waren da kleine, schimmernde Funken aus Licht vor einer samtartigen Schwärze. Sie verschmolzen und }


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D I E M AT R I X A L L E R M Ö G L I C H K E I T E N

sich aber ständig verändern, indem sie sich auseinander- und wieder zusammenfalten. Diese Netze bilden meinen Körper, häufen sich in bestimmten Gebieten an und bilden Organe wie meine Augen. Sie bilden auch alle anderen Körper und Formen um mich herum. Jedes Individuum ist eine Art Anhäufung in diesem unendlichen, sich ständig verändernden molekularen Netz. Jeder Gedanke, jedes Gefühl oder Erfahrung ist ebenfalls eine lokale Anhäufung in dieser holografischen Matrix aller Möglichkeiten. Eine Sonne aus purem weißem Licht strahlt aus dem Zentrum dieses wirbelnden, perlenbesetzten kristallinen Netzes. Die Helligkeit Jaguarkopf der Huichol-Indianer Foto: Lara von Däniken

wurden zu einem farbig glänzenden, webenden, fließenden Teppich aus geometrischen Formen, der sich in alle Richtungen unendlich ausdehnte. Dann löste dieses kaleidoskopartige Muster-Feld meinen Körper in sich auf, so dass ich ihn nicht mehr sah – ich war ein Teil davon geworden.   R M

Ein häufiges Motiv in meinen Erfahrungen war das Bewusstsein, zuerst einen funkelnden Teppich oder Gitterwerk aus vielfarbigen Edelsteinen und Juwelen zu sehen und dann darin zu verschmelzen und damit eins zu werden, während es über mich und durch mich rollte, so dass es kein separates Bewusstsein von Körper, von Selbst, von Dingen oder Gefühlen mehr gab. Obwohl keine Empfindung von Selbst da war, schien sich irgendwann eine Art wahrnehmender Fokus zu bilden. Ich nannte diesen gitternetzähnlichen Teppich die «Matrix aller Möglichkeiten». Als ich über solche Erfahrungen im normalen Wachzustand nachdachte, vermutete ich, dass diese Gitternetz-Matrix vielleicht eine Wahrnehmung der Molekülebene der Wirklichkeit sei, wo alles aus Kombinationen und Permutationen von Strukturen und Vernetzungen besteht – keine Dinge, keine Objekte, keine Grenzen zwischen Innen und Außen.

ist mir zu intensiv, um den Fokus der Aufmerksamkeit aufrechterhalten zu können, so dass ich langsam das Bewusstsein davon verliere und aus dieser unendlichen Einheit heraus in meine Körperform zurückkehre.   R M

Für einige lösen sich diese geometrischen Gitterstrukturen möglicherweise in ursprüngliches Licht oder formloses Nichts auf. Oder die Erfahrung kann nach der Inhalation der Medizin synchron mit der Ausatmung in eine Art glückselige Stille übergehen.

Ein Bewusstsein sanfter, sich ausdehnender Ströme von Glückseligkeit … Kosmische Strukturen aus Sternen und Planeten können einander durchdringen oder mit Visionen des formlosen Nichts oszillieren. Hier nun einige Beispiele von Berichten, die Teilnehmer unserer Untersuchungen mit dieser Medizin verfassten. MANN Als ich ausatmete, ging ich hinein. Und fiel noch immer. Der letzte Überrest von Widerstand, ein bloßes Beben der Angst, verebbte. Ich fiel ohne Furcht in ein unglaublich geräumiges, kraftvoll strahlendes, uraltes, aber immer gegenwärtiges Zentrum, zugleich still und sich bewegend, ein Kern,

Das webende, wehende Feld geometrischer Formen

aus dem alle Dinge entstanden, entstehen würden,

und Linien faltet sich und fällt auf mich hinab, oder

entstanden waren. Ich hatte losgelassen und war

ich falle hinein. Ich sehe kleine sphärische Kugeln aus

angekommen. Ich war zu Hause. Das, was ich «Ich»

weißem Licht, wie Perlen, die schimmern, feucht

nannte, hing suspendiert in einem riesigen,

glänzen und perfekt angeordnet und untereinander in

geräumigen und unerschütterlichen Universum. Ich

dreidimensionalen komplexen Netzen verbunden sind,

fühlte mich befreit von meiner üblichen Last aus

an Buckminster Fullers Dymaxion-Strukturen erinnern,

Schmerzen, Spannungen und Ängsten, nicht


Luc y’s Rau sch Nr. 2

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eingeengt, zutiefst entspannt, zu Hause im Leben,

dunkler sternklarer Himmel, eher wie die Abstände

in einem Zustand, in dem es keinen Kampf gibt,

zwischen Allem mit Allem Verbundenen. Das «Ich»

wunderbar, mühelos geheilt.

oder «ich» war fort. Es war eine Erfahrung, in der es

MANN Irgendwie konnte ich meinen Körper in eine liegende Position bringen, obwohl ich ihn kaum wahrnahm. Es schien sich ein tieferes Loslassen einzustellen, indem ich dem Körper erlaubte, ohne Muskelanstrengung auszuruhen. Alles Bewusstsein vom Körper löste sich auf in ein Bewusstsein sanfter, sich ausdehnender Ströme von Glückseligkeit. Selbst das dadurch erzeugte Empfinden von Freude und

keine Individualität gab, und doch hatte ich ein sehr klares Bewusstsein und volle Existenz. Ich sagte: «Ich brauche Hilfe» – und brachte damit ein Verlangen nach der Aufmerksamkeit anderer zum Ausdruck, die mir helfen sollte, mich in einer so unbekannten Dimension zu fokussieren, zu manövrieren und zu steuern. Mit der Gruppenaufmerksamkeit reisten wir zu den «Überresten» Gottes, wie Carlos Castaneda es nannte, oder den äußersten Grenzen Gottes. Dann reisten wir

Ich erkannte, dass der Tod ein Trugschluss war.

gemeinsam darüber hinaus, miteinander gestaltend, gemeinsam erkennend und reisend – sondierten hinaus ins absolute «Nichts» jenseits des Universums und dann in die Etwas-Artigkeit von Form, wie die Energie einer Etwas-Artigkeit auf atomarer oder

Staunen löste sich auf, als Identität in gestaltloses Sein überging. Hier, am Rand zwischen Form und Formlosigkeit, hatte ich das Empfinden, an einer Schwelle zu stehen, die ich nie vorher überschritten hatte. Mit der Freude und ebenso mit den Mühen einer Geburt wurde die getrennte Identität aufgegeben, und alles, was blieb, war Grenzenlosigkeit. Die Erleichterung und das Empfinden, dass die uralte, ursprüngliche Suche schließlich zu Ende war, war vollkommen unbeschreiblich. Da schien es ein Oszillieren zwischen reinem undifferenzierten Sein und dem beobachtenden Ego zu geben, denn ich

molekularer Ebene. Wir begannen, die Evolution in die Form erneut zu durchleben, durchliefen alle Phasen und Reiche in großer Geschwindigkeit – das elementare, das mineralische, das pflanzliche, das tierische … jedes mit einem neu erwachten Bewusstsein, Verständnis und neuer Fähigkeit. Eine erhabene Erfahrung von «Hey, schau, was ich tun kann». Jede Evolution fand sich selbst, erfuhr sich in der Möglichkeit der Absicht – insbesondere in der menschlichen Form, und entzückte sich daran, rauschhaft und hysterisch. Ich zerbarst buchstäblich, durch all die Phasen der Evolution hindurch.

hatte ein Bewusstsein davon, Gestalt anzunehmen,

MANN An diesem Punkt war ich an einem vollkom-

ein Gefühl tiefer Ekstase, Freude, Dankbarkeit und

men leeren Ort, wo das einzige verbliebene Ding

Liebe, und dann wiederum löste ich mich wieder auf,

das Licht selbst war. Da waren keine Merkmale,

hinein in Das, aus dem diese Gefühle flossen. Ich

nicht einmal ein Eindruck von Energiefluss. Der Ort }

spürte, dass ich angekommen war, dass ich endlich das gefunden hatte, was sich so anfühlte, als ob ich es schon lange – seit Äonen – gesucht hätte. Ich begriff, dass es selbstverständlich jenseits von Leben und Tod liegt, wo und wer ich bin. Ein Gedanke an meine sterbende Schwägerin tauchte auf, und Erleichterung breitete sich aus, als ich erkannte, dass der Tod ein Trugschluss war. Ein vager Klang verband sich mit dieser Erleichterung, eine Nässe erinnerte mich an körperliche Existenz und ich merkte, dass ich weinte. FRAU Ich erfuhr etwas, das ich nur als reines Bewusstsein beschreiben kann, allerdings nicht Selbst-identifiziert. Ein Bewusstsein, das auf der Suche nach mehr reist, unaufhörlich wachsend, unaufhörlich sich ausbreitend und nirgends oder Dichte. Es war reines, sich durch Raum

Die Colorado-Kröte Bufo alvarius. Ihr Sekret enthält unter anderem 5-MeO-DMT.

bewegendes Bewusstsein, obgleich nicht wie ein

Foto: Wikimedia

anhaftend – frei von jeder Begrenzung, Bindung


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Luc y’s Rau sch Nr. 2

schien so gefüllt, wie er nur sein konnte, ohne ein einziges Objekt oder eine Struktur zu enthalten. Es kam mir schlicht nicht in den Sinn, mich irgendwo anders hinzubewegen oder auf eine Manifestation zu warten. Der Leiter nannte diesen Raum später das «volle Nichts» – ein Begriff aus dem Mystizismus, der den leeren Raum beschreibt, der alles enthält, eine Art strukturlose Fülle. Grundsätzlich war diese Erfahrung eine Initiation in die strahlende Leere. MANN Diese Medizin schleuderte mich tief in das feurige Firmament, mit augenblicklichem, vollständigen Tod vom Ego, Nicht-Selbst auf der Quanten­ ebene von Bewusstsein-Chaos, Harmonie und Glückseligkeit. Die tiefste, vollständigste Erlösung von den Ketten der Illusion. Dieser große Knall von Gott-Orgasmus, Schöpfung, überwältigender

... umgeben von riesigen Weltraumwesen, die mich still beobachteten. Glückseligkeit, keine Wahl, nur absolute Hingabe an den Urstrom. Dann floss ich zurück ins Bewusstsein, weiterhin völlig bewusst, während der Körper durchlässig und offen für das Eindringen des Urgrunds des Seins war. Der Körper vollständig offen, um durch jedes Atom des Seins glückselige, nicht-anhaftende Wahrheit vom unendlichen, ewig frischen, feurigen Gegenwärtigen zu assimilieren. Es hinterließ ein Empfinden unbegrenzter Freude und ein unbeschreibliches sensorisches Entzücken. MANN Ich flog in einen strahlenden Feuerball, die Sonne – ging in sie ein und tauchte durch sie hindurch, kam an der anderen Seite heraus, prallte am Mond ab, landete auf allen Vieren auf dem Mond, umgeben von riesigen Weltraumwesen, die mich still beobachteten. FRAU Räumliche Strukturen und geometrische

Person ab. James Oroc widmete in The Tryptamine Palace (2009) ein ganzes Buch der Verbindung seiner zutiefst lebensverändernden mystischen Erfahrungen mit dem Rauchen von 5-MeO-DMT, wodurch er von einem «verhärteten Atheisten, der ein geerbtes, zynisches, materialistisch-reduktionistisches Weltbild gehegt hatte» zu jemandem wurde, der «sich der Existenz von Gott unauslöschlich bewusst ist». Er schreibt, dass diese erste Erfahrung «verantwortlich dafür war, mich radikal in ein spirituell inspiriertes und sehr viel hoffnungsvolleres menschliches Wesen zu verwandeln» (OROC, J. OP. CIT. P. 3). Die Erfahrungen, auf die sich Oroc bezieht, schlossen alle Elemente der klassischen mystischen, kosmischen Bewusstseinserfahrung mit ein, die andere ebenfalls im Zusammenhang mit dem Rauchen dieser Substanz beschrieben haben: ein strahlend weißes Licht, das Erkennen von Einheit und Liebe als die organisierende Kraft des Universums, vollständige Auflösung der Ego-Identität, das Einssein mit Gott und eine manchmal abrupte Rückkehr zum normalen Körperbewusstsein. Nach einem Jahr der Selbstversuche, in dem er die Substanz zwei- oder dreimal pro Woche rauchte, machte er unerwarteterweise eine Erfahrung des lebhaften Kontakts und der Kommunikation mit einer geliebten Person, die einige Jahre zuvor gestorben war. Diese Erfahrung weitete seine Weltsicht noch mehr aus, auf vorher ungekannte Überlegungen zum Nachtodleben – und er «entschied, eine Weile lang eine Pause mit dem Rauchen des Tryptamins einzulegen … um über die Möglichkeiten zu reflektieren, die diese Erfahrung eröffnet hatte». Er hörte auf, 5-MeO-DMT als eine «Droge» anzusehen, und betrachtete es stattdessen als «eine Art Sakrament» (OROC, J. OP. CIT. P. 49). Beim vorliegenden Text handelt es sich um einen Auszug aus Ralph Metzners neuem Buch Die Kröte und der Jaguar, das demnächst im Nachtschatten Verlag erscheinen wird.

Muster entfalten sich. Dann ist da ein Vogel, ein Schwan, leicht und groß, der mit mir über die Erde fliegt, und die Erde ist so wunderschön. Die Erde

RALPH METZNER ist ein Urgestein der psyched-

sieht aus, als ob sie mit Perlen besetzt sei, unglaub-

elischen Forschung: Zusammen mit Timothy Leary

lich schön, und ich hatte den Gedanken: «Oh mein

und Richard Alpert war er an einer Studie im

Gott, wie schön ist das.» Ich bin überwältigt von

Rahmen eines Psilocybin-Forschungsprojekts an der

der Schönheit der Erde.

Harvard Universität beteiligt. Er publizierte in den letzten dreißig Jahren zahlreiche Werke zur

Die kosmologischen Visionen, die man mit dieser Substanz erleben kann, hängen zu einem großen Teil von der zuvor vorhandenen Weltsicht der erfahrenden

psychedelischen Bewusstseinsforschung und ist ein profunder Kenner dieser Szene. www.greenearthfound.org


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176 Seiten, gebunden ISBN: 978-3-03800-835-4 € 22,95 / CHF 27.90

• Magie und Zauberworte aus schamanischer Tradition • Stärkende, schützende Worte und Rituale für den Alltag • Mit Beispielen und Inspirationen

www.at-verlag.ch


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Kapitel

Timothy Leary The Harvard Years TEXT

E

Mathias Bröckers

r war der «Staatsfeind Nr. 1» für den US-Präsi- wurde er als «Verderber der Jugend», «LSD-Papst» denten Richard Nixon – und der Hohepriester oder «CIA-Agent» verrufen – denn es war niemand und Lehrmeister für die Gegenkultur der anderes als Leary, der die subversivste Parole des 1960er-Jahre; er wurde gejagt, gefangen und in Ein- Jahrhunderts ausgegeben hatte: Tune in – stimme zelhaft gehalten – und er wurde gefeiert, verehrt und dich ein, werde dir deiner Prägungen bewusst, turn inspirierte die Massen. Er war Provokateur, Politiker on – erweitere dein Bewusstsein, drop out – stelle und Popstar – und er war Psychologe, Philosoph und jede Realität und Autorität in Frage. Pionier der Bewusstseinsforschung. Dies alles und Schon Ende der 50er-Jahre hatten die Schrifteiniges mehr war Timothy Leary. Gäbe es eine Wahl steller Aldous Huxley und Arthur Koestler diskutiert, der schillerndsten und einflussreichsten Persönlich- auf welchem Wege das chemische Wunder der keiten des 20. Jahrhunderts, das 1920 in Springfield/ Bewusstseinserweiterung gesellschaftlich am besten Massachusetts geborene Multitalent gehörte sicher wirksam zu machen sei; als der smarte Harvard-Psychologe Leary zu ihnen stieß, glaubten sie, den richauf einen der vorderen Plätze. tigen Mann für ihre Strategie – die Missionierung der Die Historiker der Zukunft werden seine Person Machteliten und der Intellektuellen – gefunden zu einst als einer der wichtigsten kulturrevolutionären haben. Doch Leary beschränkte die Weitergabe seiKristallisationspunkte des 20. Jahrhunderts einstu- nes Wissens und des (damals noch legalen) LSD nicht fen. Denn nicht umsonst rief die Nixon-Regierung auf Professoren und Führungspersönlichkeiten – er den flüchtigen Ex-Harvard-Professor zum Staats- ermunterte alle Studenten, zum Operator ihres feind Nr. 1 aus, nicht umsonst brummte man ihm für Gehirns zu werden. Deshalb schallt seinem Namen ein paar Gramm Marihuana dreißig Jahre Gefängnis bis heute der Ruf «unverantwortlich» nach, auch auf, von denen er acht Jahre absaß, nicht umsonst wenn Leary niemals vergaß, auf die Grundregeln für


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Ralph Metzner und Tim Leary in Laredo, Texas, im Frühjahr 1966

erfolgreiche psychonautische Reisen – die strenge Beachtung von Set und Setting – zu verweisen. Learys Propaganda für die psychedelische Erfahrung habe eine systematische medizinische und therapeutische Erforschung unmöglich gemacht und überhaupt erst zu den Verboten dieser Substanzen geführt, klagen bis heute manche akademische Vertreter. Auch Albert Hofmann, der Entdecker des LSD, hatte kritisiert, dass Learys Profanisierung dieser «sakralen» Substanz unverantwortlich gewesen sei, verstand sich aber gleichwohl sehr gut mit dem berüchtigten Professor, was bei Learys Intelligenz und Humor kein Wunder war.

Psychoanalyse noch die Reiz-Reaktions-Schemata des seinerzeit führenden amerikanischen Psychologen B. F. Skinner, in denen der Klient als sterile «black box» betrachtet wurde, schienen dem jungen Professor Timothy Leary für das therapeutische Verfahren angemessen. Ähnlich wie die britischen Antipsychiater Ronald Laing und David Cooper plädierte er für eine Reform in der Behandlung von Geisteskrankheiten und für die Aufhebung des traditionellen hierarchischen Verhältnisses zwischen Arzt und Patient. Kommunikation, Kooperation, Interpersonalität, Interaktion waren die Stichworte einer «existenziellen Transaktion», mit denen Leary an den überkommenen Verfahren und Praktiken der klinischen PsyOhne Learys Popularisierung der Bewusstseinser- chologie rüttelte. Sein erstes wissenschaftliches weiterung hätten viele der kulturrevolutionären Werk – The Interpersonal Diagnosis of Personality – Impulse der 60er-Jahre (Summer of Love, ’68) nie- wurde in psychologischen Fachblättern 1957 als mals gezündet, wäre das Sergeant-Pepper-Album «vielleicht wichtigstes klinisches Werk des Jahres» der Beatles, die Keimzelle heutiger Popmusik, so gelobt und brachte ihm Ende 1959 den Ruf an die nicht entstanden, wären Kommunen und Kollektive renommierte Harvard-Universität ein. im insektoiden Mao-Murxismus steckengeblieben und hätten weder die Rainbow Gatherings der 70er Doch schon der erste Urlaub im Frühjahr 1960, als noch ihre Folgeerscheinungen wie Greenpeace und er dem kühlen US-amerikanischen Osten ins sondie Grünen solche Bedeutung erlangt. Als Impulsge- nige Mexiko nach Cuernavaca entfloh, machte dem ber für die (Gegen-)Kultur des ausgehenden 20. aufstrebenden Professor deutlich, dass sein für die Jahrhunderts kann Tim Leary kaum überschätzt damalige Zeit schon sehr radikales Konzept der Perwerden. Dass er auch als Forscher und Wissen- sönlichkeit noch viel zu kurz gegriffen war. Eine Dosis schaftler ein faszinierendes Werk hinterlassen hat, «heiliger Pilze» mit dem Wirkstoff Psilocybin schickte wird jetzt von einem Buch belegt, in dem James Tim Leary auf eine Bewusstseinsreise, die seine wisPenner Learys wissenschaftliche Arbeiten aus den senschaftliche Forschung und sein Leben schlagarfrühen 1960er-Jahren versammelt und kommentiert tig veränderte. Dass das Ich kein abgeschlossener hat: Timothy Leary – The Harvard Years. Psycho-Kasten ist, sondern vielmehr ein interaktives An die psychologische Fakultät der Harvard Spiel sozial konditionierter Rollen, und dass ein IndiUniversity war Leary berufen worden, weil er mit sei- viduum echte Freiheit und Authentizität nur gewinnen Arbeiten und Publikationen als Verhaltenspsy- nen kann, wenn es sich diese Konditionierungen chologe aus den bis dahin gültigen Paradigmen der bewusst macht – zu dieser Erkenntnis war Leary in Psychotherapie ausgebrochen war: Weder die Dis- seiner Arbeit als Verhaltenspsychologe schon tanz von Therapeut und Klient in der Freudschen gekommen. Nach den Einblicken in den Weltraum }

Das Ich ist kein abgeschlossener Psycho-Kasten.


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Leary in Millbrook 1964

Eine Dosis heiliger Pilze schickte Leary auf eine Bewusstseinsreise. seiner eigenen Seele, die ihm dieser erste Pilztrip und weitere Versuche bescherten, glaubte er, nun das Werkzeug gefunden zu haben, um diese Konditionierungen und Prägungen nicht nur erkennen, sondern auch dekonditionieren und umprogrammieren zu können. «In diesen vier Stunden am Pool in Cuernavaca lernte ich mehr über das Bewusstsein, das Gehirn und seine Strukturen als in den fünfzehn Jahren davor als eifriger Psychologe», schrieb er später dazu in seiner Autobiografie Flashbacks. Zurück an der Universität initiierte er in der Überzeugung, dass bewusstseinserweiternde Substanzen die klinische Praxis und das psychologische Verständnis des menschlichen Geistes revolutionieren würden, das «Harvard Psilocybin Project». James Penners Band versammelt die akademischen Schriften, die Leary alleine oder mit seinen Kollegen Richard Alpert und Ralph Metzner von 1960 bis 1965 verfasst hat. Anders als die späteren Schriften, die er als gefallener Engel der Wissenschaft, Politaktivist und Botschafter der Hippies verfasste, richten sich diese Arbeiten an ein akademisches Publikum und machen deutlich, dass die psychedelische Erfahrung für den frühen Leary alles andere als ein Partyspaß war, sondern vielmehr ein mächtiges Werkzeug, um das gesamte Wissen über die menschliche Seele auf eine neue Ebene zu bringen.

Der erste Teil des Buchs versammelt Learys erste Texte über Psilocybin und die Möglichkeit der Neuprägung von Verhaltensmustern, über die Zusammenhänge von psychedelischen Drogen und Kreativität sowie über die ersten Studien zur Theorie von Set und Setting. Mit ihrem Nachweis, dass das Set, die psychische Verfassung und Einstellung des Probanden, und eine unterstützende, angenehme Umgebung – das Setting – ganz entscheidend für den Verlauf einer psychedelischen Erfahrung sind, legten Leary und seine Kollegen einen Grundstein für die Empirie erweiterter Bewusstseinszustände. Den zweiten Teil des Buchs bilden die Arbeiten zum «Concord Prison Project», bei dem Leary und Kollegen erforschten, inwieweit gewalttätige Strafgefangene durch eine Psilocybin-Erfahrung zu neuen Einsichten und nachhaltigen Verhaltensänderungen kommen. Auch wenn diese Experimente später – wegen ihrer geringen Probandenzahl von 32 und methodischer Unzulänglichkeiten – kritisiert wurden und Leary die Erfolge zu euphorisch beurteilte, sind sie als Pionierleistung in den Bereichen von Psychotherapie und Rehabilitation von Bedeutung. Dies gilt auch für das berühmt gewordene «Karfreitags-Experiment», das Leary mit dem Doktoranden Walter Pahnke durchführte und das in einer Doppelblindstudie an einer Gruppe Theologiestudenten, wie Psilocybin religiöse, mystische Erfahrung auslösen kann. Aus der Gruppe, die ein Placebo erhalten hatte, berichtete nach der Karfreitags-Zeremonie in der Universitätskapelle kein einziger von besonderen Empfindungen, während fast alle Probanden, die Psilocybin bekommen hatten, außergewöhnlich intensive Empfindungen von «Heiligkeit», «Göttlichkeit» und «Transzendenz» verspürten. Eindrücke, die nicht nur sechs Monate nach dem Versuch bei einer Befragung bestätigt wurden, sondern auch noch nach 25 Jahren, als Rick Doblin die Versuchspersonen Ende der 1980er-Jahre nochmals interviewte1. Mit Experimenten wie diesem wurden Leary und seine Mitarbeiter zu Pionieren einer empirischen Theologie, der wissenschaftlichen Erforschung mystischer Bewusstseinszustände. Auch wenn sie sich dabei ganz in der Tradition des Gründervaters der amerikanischen Psychologie, William James, sahen, der ebenfalls in Harvard gelehrt hatte, stießen ihre Erkenntnisse beim universitären wie auch beim institutionellen Establish-


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ment auf große Skepsis. Dass Professor Leary und wiederentdeckt. Das Potenzial, das Leary und seine sein Kollege Richard Alpert, die ihre radikalen Thesen Kollegen diesem biochemischen Teleskop in die Dunselbstbewusst, eloquent und euphorisch präsentier- kelkammer des Gehirns vor mehr als einem halben ten, bei den Studierenden riesiges Interesse weckten, Jahrhundert zusprachen, wird heute bestätigt: in der stieß konservativen Kreisen der Fakultät ebenfalls Vorbereitung auf das Sterben, bei der Behandlung sauer auf. Der Grund für ihre Entlassung 1963 war von post-traumatischen Störungen oder von Autisaber dann nur oberflächlich die Tatsache, dass die mus – und ganz grundsätzlich zur therapeutischen Professoren ihre psychedelischen Experimente mit Förderung von Einsichten in das eigene «Selbst». noch nicht graduierten Studenten durchgeführt hatten; in Wirklichkeit störte man sich daran, dass Es ist durchaus an der Zeit, dass sowohl Einsteiger Richard Alpert eine homosexuelle Beziehung mit als auch langjährige Forscher hinter der schillernden einem jüngeren Studenten eingegangen war. Histo- Figur Timothy Leary den ernsthaften Wissenschaftler und Pionier der Bewusstseinsforschung wieder entdecken. Mit James Penners hervorragend kommentierter Edition ist das jetzt möglich. Von dem «wissenschaftlichen» Leary sollte sich dabei niemand abschrecken lassen, denn auch schon diese frühen akademischen Schriften atmen den Geist und die Prinzipien, die seine Existenz geleitet haben. rische Dokumente zu diesem «Harvard Drug In seinem nach seinem Tod 1996 erschienen TotenScandal» bilden den abschließenden Teil des Buchs. buch hatte er es so formuliert: «Bewahren Sie Ihren Davor hat James Penner noch ein Kapitel mit Learys Humor. Befolgen Sie die Gesetze der Leichtfertigkeit. ersten Artikeln über LSD und DMT, seiner Theorie des Denken Sie. Stellen Sie Autorität in Frage. Feiern Sie «Re-Imprinting» und dem nach seinem Rausschmiss das Chaotische. An Erkenntnis und Verständnis entstandenen «Manifest der Internationalen Föde- gewinnen, ist ein Mannschaftssport. Sei es Leben ration für innere Freiheit» eingefügt. oder Sterben ... tun Sie’s immer mit Freude.»

«Denken Sie. Stellen Sie Autorität in Frage. Feiern Sie das Chaotische.»

Hier sehen wir Leary schon auf dem Weg vom konventionellen Wissenschaftler zum radikalen Gesellschaftskritiker und Kämpfer für ein utopisches Ideal. Dem puritanischen Amerika dann 1966 im Playboy zu erzählen, dass es mit LSD ganz einfach sei, «multiple Orgasmen» in sämtlichen Organen zu erleben, war definitiv zu viel – der Stoff wurde verboten und der Professor wegen ein paar Gramm Marihuana zu 33 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine in The Harvard Years versammelten akademischen Schriften machen aber deutlich, dass solche Lappalien nur ein Vorwand waren, um eine Forschung zu unterdrücken, die in jeder Hinsicht grenzüberschreitend und subversiv war. Dass die mit der Kriminalisierung von Psilocybin und LSD in den Untergrund verbannte Erforschung psychedelischer Bewusstseinszustände mittlerweile auch im akademischen und klinischen Bereich wieder eine Renaissance erlebt, macht diese frühen Versuche einer Kartografierung dieses unbekannten Kosmos über ihre historische Bedeutung hinaus wichtig. Die heiligen Pilze und das LSD, die dem Psychologen Dr. Timothy Leary die Augen öffneten, weil sie einen Blick in den Weltraum der Seele ermöglichten, werden von der Wissenschaft vorsichtig

1 Pahnke‘s Good Friday Experiment: A Long-term Follow-up and Methodological Critique; www.erowid.org, www.is.gd/cJIZt0

MATHIAS BRÖCKERS, geboren 1954, ist Redakteur der taz und Kolumnist für Die Zeit und Die Woche. Schrieb mit Jack Herer den bahnbrechenden Bestseller «Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf» (1993). Mitautor von Hanf im Glück (Nachtschatten Verlag). Verfasser von «Cannabis Hanf Hemp Chanvre Canamo» (AT Verlag) und «Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.» (Zweitausendundeins). Jüngstes Werk zur Drogenpolitik: «Keine Angst vor Hanf» (Westend-Verlag). James Penner (Hrsg.): Timothy Leary – The Harvard Years. Early Writings on LSD and Psilocybin with Richard Alpert, Huston Smith, Ralph Metzner and others. Park Street Press, 2014, 400 Seiten.


Der Geldrausch ist am Ende

Die privaten Banken schöpfen Geld, jedes Mal, wenn sie einen Kredit verleihen. Damit entsteht aus dem Nichts ein Guthaben, das gleich bleibt und eine Forderung, die mit dem Zins ständig wächst. Deshalb sind die Schulden weltweit heute so gross, dass sie mit der gesamten vorhandenen Geldmenge nicht mehr bezahlt werden können – eine Art Horrortrip. Der Autor erklärt eingängig und scharf, wo die Systemfehler des Geldes liegen, wie sie in der Geschichte wirkten und wie sie behoben werden können. Die Überwindung des kollektiven Rauschs ist möglich, aber es braucht ein breites Verständnis des Geldes und einen demokratischen Aufbruch. Dieses Buch liefert die Grundlagen.

Das nächste Geld kommt bestimmt. Die Frage ist nur, wer es macht: Wir oder die Andern?

Christoph Pfluger: Das nächste Geld – die zehn Fallgruben des Geldsystems und wie wir sie überwinden. 252 S. € 21.–. ISBN: 978-3-9523955-3-0 edition.zeitpunkt.ch/das-naechste-geld


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Coustos Psychedelikatessen Hans Cousto ist Sachbuchautor, Musikwissenschaftler und Mitbegründer von Eve&Rave Berlin.

Ein Appell an die Vereinten Nationen

D

ie internationale Zusammenarbeit in der Drogenpolitik wird seit 1946 von der Sucht­ stoffkommission (Commission on Narcotic Drugs, CND) der UNO in Wien koordiniert. Grundlage der Zusammenarbeit sind das Einheitsabkommen über Betäubungsmittel von 1961 (Single Convention on Narcotic Drugs), die Konvention über psychotrope Substanzen von 1971 und die Konvention gegen den illegalen Handel mit Narkotika und psychotropen Substanzen von 1988. Diese Vereinbarungen enthalten völkerrechtlich bindende Festlegungen im Kampf gegen Drogen (War on Drugs). Der Internationale Suchtstoffkontrollrat (International Narcotic Control Board, INCB) wurde 1968 in Wien gegründet. Er überwacht die Einhaltung der internationalen UNO-Drogenkontrollverträge über den Anbau, die Produktion und Verwendung von Drogen in allen Staaten der Welt. Seit 2003 vereint das Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung in Wien (UNODC) unter einem Dach das Zentrum für internationale Verbrechensverhütung und das Drogenkontrollprogramm. Es koordiniert alle drogenrelevanten Aktivitäten der UNO, unterstützt die Staaten bei der Einhaltung der Drogenkonventionen und ist verantwortlich für die Drogenbekämpfungsprogramme.

diese Position erneut bekräftigt. Viele Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler und Praktiker kritisierten diese Einschätzung aufs Schärfste. Offenbar litten die Mitarbeiter des UNODC und die Teilnehmer an dieser Sitzung an akuter kognitiver Dissonanz. UNGASS 2016  Die nächste Vollversammlung der UNO zum Thema Drogen (UNGASS 2016) wird in New York vom 19. bis zum 21. April 2016 stattfinden. Dort sollen die Leitlinien für die Drogenpolitik in den nächsten Jahren festgelegt werden. In den letzten Jahren hat die Produktion von Opium und Cannabisprodukten deutlich zugenommen, der durchschnittliche Wirkstoffgehalt in Ecstasy-Pillen hat sich fast verdoppelt, der Reinheitsgrad von Amphetamin und Kokain ist signifikant gestiegen und zudem sind zahlreiche neue psychoaktive Substanzen auf dem Markt aufgetaucht. Offensichtlich ist es nicht gelungen, das Drogenangebot zu reduzieren oder gar zu eliminieren – ein erklärtes Ziel der 20. Sonder-Vollversammlung der UNO. Hingegen haben die Kollateralschäden im internationalen Krieg gegen die Drogen massiv zugenommen. Man denke beispielsweise an die Zehntausende von Opfern allein in Mexiko. Und es werden immer mehr Menschen kriminalisiert, die keinem anderen Menschen einen Schaden zufügen.

UNGASS 1998  Die derzeitige Drogenpolitik beruht ganz wesentlich auf den Beschlüssen der 20. SonderVollversammlung der UNO (United Nations General DER APPELL  Da der Krieg gegen Drogen gescheitert Assembly Special Session, UNGASS), die zum Thema ist, sind die heutigen Drogenkontrollmaßnahmen Drogen 1998 in New York stattfand. Darin setzten ineffizient und nutzlos. Sie behindern die Einführung sich die Staaten das ehrgeizige Ziel, das Drogen­ von neuen Strategien, um das Problem sowohl auf angebot und die Drogennachfrage bis zum Jahre globaler wie auf lokaler Ebene anzugehen. 2008 erheblich zu reduzieren bzw. zu eliminieren. Schadensminderung beim Drogengebrauch Obwohl die Produktion von Kokain, Opium und erzielt man nicht durch Kriminalisierung, sondern Cannabis sich bis 2008 im Vergleich zu 1998 weiter durch Bildung, Wissenschaft und Kultur. Deshalb hier massiv erhöht hatte, zog das UNODC eine positive der Appell an die Vereinten Nationen, das Politikfeld Bilanz. Die Drogenkontrolle habe gegriffen, das «Drogenkontrolle / Umgang mit psychotrop wirkenDrogenproblem habe sich stabilisiert, so das UNODC den Substanzen» der Suchtstoffkommission zu entim Weltdrogenbericht 2008. Bei einer Sitzung der ziehen und der Organisation für Bildung, WissenSuchtstoffkommission im März 2009 in Wien wurde schaft und Kultur (UNESCO) anzuvertrauen.


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FREIE SICHT AUF VISIONEN In der Reihe Freie Sicht auf Visionen präsentieren wir regelmäßig visionäre oder psychonautische Kunstschaffende, die uns Einblicke in ihr Werk gewähren.

«Welche Vielfalt,

welche Farben, welche Formen ...»

Nana Nauwald über Kunst, Schamanismus und das Bewusstseinsgewebe TEXT

Markus Berger

Foto: Bruno Martin

Du hast dich als Künstlerin und ethnografische Forscherin etabliert. Wie kam es, dass du diesen unkonventionellen Weg eingeschlagen hast? Nana Nauwald: Ich bin schon in einem eher ungewöhnlichen Haushalt aufgewachsen, wenn man so will, der einerseits durch wenig Geld und andererseits durch sehr viel Kreativität gekennzeichnet war. Mein Vater war Künstler und hatte damals unter anderem in Berlin in einer Gruppe mit Käthe Kollwitz gearbeitet. Unser Zuhause war eine ausgebaute Scheune, die innen mit seltsamen Dingen bemalt war. Das inspiriert natürlich. Ich sollte eigentlich einen ordentlichen Beruf ergreifen – aber da sind alle Bemühungen meiner Eltern fehlgeschlagen. Ich will lieber 24 Stunden für mich arbeiten, als nur eine einzige Stunde für einen anderen. Das war mir schon immer wichtig. Außerdem war für mich der Umgang mit Farbe schon von Kindheit an von großer Bedeutung. Nana Nauwald ist für die psychedelische Bewegung keine Unbekannte. Ihre Bilder offenbaren lebendige und auf der Erfahrungsebene durchaus nachvollziehbare Farbwelten, welche die eigentlich unbeschreibliche psychedelische Erfahrung visuell auszudrücken vermögen. Wir wollten wissen, welcher Geist hinter dem Werk der visionären Künstlerin aus der Lüneburger Heide steckt – und erhielten verblüffende Antworten.

Und hast du denn einen «ordentlichen» Beruf erlernt? Vor meinem Kunststudium habe ich eine Lehre als Kirchenmalerin gemacht – mein Vater fand es wichtig, dass ich eine Grundlage habe und lerne, was Farbe ist. An der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig habe ich im Rahmen einer längeren Gastprofessur «Rituale der Wahrnehmung» gelehrt,


Weltengeist (Ausschnitt), Mischtechnik, Pigmente auf Leinwand, 50 x 50 cm

Kunst berührt, wenn der Geist spürbar ist. mit Fokus auf die Wirkung von Farben und einen veränderten Blick. Also ist ein Künstler nicht nur Wahrnehmer, sondern auch ein Wahrgeber. Und beides bedingt sich gegenseitig: Wenn ich ein Wahrgeber sein will, muss ich zuerst ein Wahrnehmer sein. Und so ist es bei mir auch mit dem kreativen Prozess: Bis ein Bild sichtbar ist, passiert ganz viel in meinem Gehirngarten. Das ist ein wunderschöner Garten, in dem ganz viele bunte Gewächse gedeihen und sprießen. Was ist dir an einem Kunstwerk wichtig? Was macht ein Bild zum Kunstwerk? Da halte ich es wie mein Lieblingsschamane Goethe: Ich spüre beim Betrachten von Kunstwerken, wes Geistes Kind der Mensch war, der das gemalt hat.

Wenn das Bild keinen Geist hat, der mich berührt, dann kann das Bild zwar trotzdem schön sein, es ist aber für mich nicht interessant. Kunst berührt, wenn der Geist spürbar ist, mit dem jemand das Werk kreiert hat. Das ist mir wichtig zu erspüren: was für ein Geist dahinter steckt. Nach deiner erkenntnisbasierten Philosophie besteht im Grunde alles aus Synästhesien bzw. hat jeder Sinneseindruck seine synästhetischen Entsprechungen. Kannst du das erklären? Es ist mir zum Glück gegeben, die verschiedenen Sinneseindrücke, die ich erlebe, in Farben auszudrücken und visuell wiedergeben zu können. Wenn man sein Bewusstsein öffnet, kann man feststellen, dass auch Klänge, Blicke und Gedanken bestimmte Farben haben, es gibt ja nichts, das farblos ist – zumindest in meiner Wirklichkeit. Diese Synästhesien können wir als Kinder auch noch wahrnehmen, aber spätestens in der Schule }


3 4   W E L C H E V I E L FA LT, W E L C H E FA R B E N , W E L C H E FO R M E N

Mandragora Mischtechnik, Pigmente auf Leinwand, 60 x 70 cm

verlernen wir es häufig. Den indigenen Ethnien ist das aufgrund ihres zumeist noch engen Kontakts zu der sie umgebenden Natur und der geistigen NaturWelt noch besser gegeben; die haben das meist auch als Erwachsene nicht verlernt. Das Erkennen dieser Synästhesien bedingt Rückzug, Stille und geistige Einkehr. Lebensqualitäten, die in unserem Kulturkreis nicht mehr besonders gepflegt werden. Gab es eine Grundintention, dich mit den schamanischen Kulturen zu beschäftigen? Weil mich die Natur in ihrer prächtigen Schönheit definitiv am meisten beeinflusst, inspiriert und auch beeindruckt, bin ich dieser Begeisterung entsprechend in die geistige Heimat des Schamanismus gekommen. Bei den indigenen Kulturen weht der Geist noch freier. Ich traue keiner Hierarchie, keinem Dogma und all dem damit verbundenen Popanz. Das sind nur Machtwerkzeuge, vom Geldwert und Abhängigkeiten bestimmt. Der schamanische Weg, wie er noch von vielen indigenen Ethnien praktiziert wird, kann für uns wichtig und wertvoll sein. Nicht, indem wir alles Indigene nachahmen, Lieder und Rituale übernehmen, die einem anderen geistigen Feld entsprungen sind als dem unsrigen, das ja den Geist unserer Kultur, unserer Ahnen geprägt hat. Schamanismus als eine lebendige Erfahrungswissenschaft kann uns dabei helfen, uns wieder mit unseren eigenen Wurzeln zu verbinden, mit unserer eigenen Vergangenheit.

Inner Cosmos Mischtechnik, Pigmente auf Leinwand, 90 x 90 cm

Gibt es etwas, das dich als Künstlerin antreibt? Ja, vieles. Ich will beispielsweise immer wissen: Was ist eigentlich die Grundinformation des Lebens? Was ist da zu finden, wenn ich immer tiefer und tiefer gehe? Dabei meine ich gar nicht die biochemische Dimension der Dinge, sondern die geistige. Diese einfache Frage, was eigentlich rot ist und was grün – da ist so eine unglaubliche Tiefe, die in dieser Erscheinung Farbe steckt. Das kann man mit dem Verstand nicht erfassen. Hast du in dieser Hinsicht eine Definition von Wahrheit? Für mich ist zum Beispiel das Blatt einer Pflanze, eines Baumes wahr. Es ist, was es ist, das meine ich damit. Und das kannst du auf alle Dinge beziehen, die tatsächlich einfach sind, was sie sind. Das kön-

Man muss sich bewusst mit dem Pflanzengeist verbinden. nen wir Menschen in einer denaturierten Welt nicht immer von uns behaupten. Weil wir doch sehr oft die Verbindung zu unserem eigenen Geist verloren haben. Nochmals: Um den Geschmack des Geistes, der in den Dingen steckt, schmecken zu können, braucht es Stille.


Luc y’s Rau sch Nr. 2

Grüne Fee Mischtechnik, Pigmente auf Leinwand, 60 x 70 cm

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Brainflower, Mischtechnik, Pigmente auf Leinwand, 30 x 30 cm

Können psychedelische Moleküle den Geschmack des Geistes, der in den Dingen steckt, besser schmeckbar oder sogar schmackhafter machen? Manche Menschen brauchen das, um ihn aufzuwecken, man kann ihn verfeinern und man kann Türen zu Räumen öffnen, die man später auch ohne den akuten Gebrauch von Substanzen betreten kann. Deshalb sind entheogene Verbündete so bedeutsam. Aber man muss sich bewusst mit dem Pflanzengeist verbinden, zum Beispiel bei der Ayahuasca, das ist enorm wichtig, sonst ist das alles nichts wert.

Leben der dortigen Menschen und ist keine Feierabendattraktion, die man mal eben zum Spaß adaptiert. Einmal habe ich Don Juan gefragt, was er eigentlich tut, wenn er eine Heilungszeremonie vornehmen soll und keine Ayahuasca zur Verfügung hat. Da hat er mich ausgelacht und mir erklärt, dass er die Ayahuasca doch sowieso immer in sich trägt und sie nicht immer und immer wieder nehmen muss, um mit ihr zu arbeiten. Der Schlüssel ist die innere Absicht, das aufgewachte Bewusstsein und der Kontakt zum Geist der Pflanze – und dann ist das in dir. Punkt. Ich habe zum Beispiel schon lange nicht mehr getrunken. Und dann sitze ich nächtelang neben dem alten Schamanen und gehe ohne zu trinken mit. Und dann sehe ich. Das ist übrigens bei anderen psychedelischen Pflanzen und Pilzen genauso.

Du hast eine Affinität zur Ayahuasca, stimmt das? Ich bin seit 15 Jahren immer wieder in Südamerika, hauptsächlich in Peru. Dort bin ich regelmäßig bei einem alten Ayahuasca-Schamanen, Don Juan, zu Gast. Bei einem echten, noch in der Tradition seines Würde es dann nicht genügen, nur einVolkes verankerten Schamanen. Der wachsende oder zweimal Ayahuasca zu trinken? Ayahuasca-Tourismus ist in meinen Augen etwas Nein, das ist ein langer Erkenntnisprozess und LernErschreckendes und hat mit dem achtvollen weg. Er braucht die Unterstützung der Mutter des Umgang mit der geistigen Welt des Dschungels und Geistes der Ayahuasca. Alles, was ist, hat einen der Pflanzen nichts mehr zu tun. Da fahre ich in ein Geist, und jeder Geist hat eine Mutter, und um HeiTouristen-Zentrum und zahle 2400 Dollar für eine lung in Gang zu setzen, muss man sich bewusst mit Woche – mein Gott, da stehen mir sämtliche Haare dieser verbinden. zu Berge. Don Juan sagt immer so trefflich: «Wie Die Ehrenwerten sagen nie: «Ich heile» oder: willst du etwas von meinem Geist wissen, wenn du «Ich habe geheilt», sondern: «Ich setze Heilung in nichts von meinem täglichen Leben weißt?» Der Gang, ich aktiviere dein Selbstheilungssystem mit Gebrauch der Pflanzen gehört zum alltäglichen Hilfe der Ayahuasca». Das muss man lernen, und }


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Grüngesang Mischtechnik, Pigmente auf Leinwand, 100 x 100 cm

dieser Lernweg dauert eben. Denn erst einmal überflutet einen die psychedelische Erfahrung ja, und man ist fasziniert von den flirrenden Farben und all den Dingen, die wir im alltäglichen Wachbewusstsein nicht sehen können. Und dann muss man erst lernen, das alles zuzuordnen und zu verstehen. Man darf nicht die Interpretationen seiner eigenen Sehnsüchte als endgültige Erkenntnis verstehen, sondern man muss sozusagen lernen, mit einem neuen Sinn umzugehen. Don Juan fragte immer: «Willst du Dschungelkino sehen, oder willst du etwas lernen?» Zunächst muss ich überhaupt eine Ahnung davon bekommen, was Geist eigentlich ist. Wenn ich mehr als nur bunte Bilder sehen will, muss ich lernen, mit den Zuständen umzugehen und die Erkenntnisse in den Alltag mitzubringen. Zum Beispiel die Erkenntnis der All-Einheit. Gibt es trotzdem so etwas wie Individualität? Ja, aber natürlich, das ist die Voraussetzung – sonst wären wir ja wie ein Gemüseeintopf, in dem man

nicht mehr erkennen kann, was alles drin ist. Wir sind alle Geist von Geist: Anteile der Mutter des Geistes der ersten Schöpfung – und deshalb sind wir alle so unterschiedlich – im Geschmack, in der Farbe, in der Erscheinung, denn wir sind Geist von Geist. Das finde ich unglaublich. Es gibt da so einen ganz tollen Schöpfungsmythos, ich glaube aus Polynesien: Der Geist schwebte einst im Weltraum herum, und er war so einsam. Da rief er seine Stimme – das muss man sich mal überlegen –, und aus dem immer lauter werdenden Echo seiner Stimme ist dann die Welt entstanden. Und als dann alles entstanden war, sang der Geist der ersten Schöpfung uns aus sich heraus und anschließend sich in uns hinein. Das finde ich überwältigend! Das heißt: Ich bin Geist von Geist. Bei den Nepali gibt es, wenn eine dringende Heilung zu machen ist, ein bestimmtes Mantra. Das geht ungefähr so: «Hier bin ich, ich bin dein Kind, gib mir was ich brauche, jetzt und sofort.» So etwas traut man sich doch in unserem Kulturkreis gar nicht!


Luc y’s Rau sch Nr. 2

Aber es verändert uns Menschen, wenn wir erkennen: Ich bin ein Kind des Geistes der ersten Schöpfung. Diese Erkenntnis vermittelt mir Geborgenheit. Der bewusste Umgang mit entheogenen Helfern kann hier zum Verstehen führen, aber die alleinige Einnahme der Substanzen macht es nicht. Es gehört dazu, mit allen Sinnen ein Gespür für all das zu bekommen und die Erkenntnis aus der Erfahrung in das Leben zu integrieren. Diese Vielheit, die wir sind, ist wunderschön – wir alle erfüllen im Geflecht des Lebens im Grunde die gleiche Funktion. Deshalb kann ich auch mit Hierarchien nichts anfangen. Wieso gibt es eigentlich in Peru im Vergleich zu den männlichen Schamanen so wenige weibliche? Diese Frage stelle ich den Menschen dort seit 15 Jahren: Wieso gibt es so wenige Schamaninnen? Denn von denen, die sich Schamaninnen nennen, sind sieben Achtel keine echten, sondern geben nur Ayahuasca, um Geld zu verdienen. Das finde ich von ihrer Warte aus auch sehr verständlich. Aber dass wir mit unserem Geld schon wieder die Reste ihrer geistigen Wurzeln zerschlagen, das finde ich gar nicht komisch. Erst nehmen wir ihnen das Land, die Bodenschätze, ihre Identität, und jetzt bringen wir ihnen den Geldwert als Tausch gegen einen Geschmack ihrer geistigen Wirklichkeiten – und zerschlagen mit unserem Geld sehr oft die Gemeinschaften und nehmen ihnen damit ihre letzten Verbindungen zu ihrem Geist und geistigen Feld. Aber zurück zum roten Faden: Wieso gibt es so wenige Schamaninnen? Der Grund ist nicht etwa, dass die Frauen Angst hätten, Ayahuasca zu gebrauchen, wie es viele immer wieder glauben. Der Grund ist, dass die Frauen in ihrer Eigenschaft als Lebensgeber sehr dicht an der Quelle der Erkenntnis, wie ich es nenne, stehen und dass sie solche Türöffner nicht unbedingt benötigen. Männer brauchen das eher, um in die Verbindung mit dem hinter den Erscheinungen stehenden Netz aus Bewusstsein zu kommen. Lass uns über deine Kunst sprechen. Du empfiehlst deinen Rezipienten, beim Betrachten der Werke eine 3D-Brille aufzusetzen. Was bringt das? Oh, die 3D-Brillen sind ein wunderbares Hilfsmittel, in meine Bilder einzutauchen. Dann steht plötzlich das Rot vor dem Blau, und die Menschen sind erstaunt und fasziniert – und das ist ja was ganz Tolles, die Menschen zum Staunen zu bringen. Die Brillen helfen, meine Bilder nicht nur visuell zu durch-

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dringen, sondern quasi auf einer mikrokosmischen Ebene zu verstehen. Ich habe ja sowieso ein Faible für Mikrokosmisches, toll, wenn man so in die verborgenen Welten hineinblickt. Wie es sich bewegt und lebendig ist, einfach wunderbar. Manchmal verstehe ich dann auf eine nicht-intellektuelle Weise etwas von diesem Grundgewebe Bewusstsein, wenn ich mir so Mikrokosmos-Sachen anschaue: Welche Vielfalt, welche Farben, welche Formen da zum Vorschein kommen. Wahnsinn! Und dann die Erkenntnis: Wir tragen das ja auch alles in uns! Zum guten Schluss: Gibt es eine Essenz aus all dem für dich? Ich denke oft an Albert Hofmann und an das, was er gesagt hat – zum Beispiel: «Es geht darum zu erkennen, was wir sind, was wir immer waren und sein werden: Geist. Ein Ausdruck des allem Leben zugrunde liegenden, allumfassenden Geistes». Es ist

Wie es sich bewegt und lebendig ist, einfach wunderbar. ja so: Wir alle können potenziell mit entheogenen Helfern die Räume des Bewusstseins öffnen, aber es ist Sache des Einzelnen, was er dann dort tut und wie er diese Räume betritt und auch, was er davon mit zurückbringt und in sein Leben integriert. Um es nochmals frei nach Albert Hofmann zu sagen: «Die beste Einsicht ist zu nichts nütze, wenn sie nicht in das Leben eingebunden wird.»

NANA NAUWALD, geb. 1947, lebt in der Lüneburger Heide und ist Künstlerin, Buchautorin, Dozentin und Zugvogel durch äußere und innere Welten. Lehre als Kirchenmalerin, Kunststudium, 12 Jahre Atelier für Restaurierungen von alten Gemälden, zweijährige Gastprofessur für Rituale der Wahrnehmung an der Hochschule für Bildende Kunst Braunschweig. Zahlreiche Aufenthalte in Bhutan, Nepal, Nigeria, Nord- und Südamerika und Sibirien, wo sie seit 32 Jahren schamanische Bewusstseinswelten indigener Völker erfährt und erforscht. Seit 18 Jahren lehrt und erforscht sie «Rituelle Körperhaltungen und Ekstatische Trance nach Dr. Felicitas Goodman®».

www.visionary-art.de; www.ekstatische-trance.de


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Kapitel

Christian Rätsch:

Frau O

Aquarell, 48 cm × 36 cm, 2015

TEXT

Claudia Müller-Ebeling

Künstlerische Inspirationen folgen oft verschlungenen Assoziationen. Erfahrungen, Gesehenes und Gedanken stimulieren die Komposition und die Farbgestaltung. Gelegentlich öffnet der Titel ein Fenster zur Vision des Künstlers, die von ihm intendierte Aussage bleibt jedoch meist sein Geheimnis. Unser Blick wandert plan- und ziellos durch das Bild; es gewinnt in unseren Augen ein Eigenleben. So auch hier, angesichts einer abstrakten Komposition in lichten transparenten Rot- und Grüntönen, umrahmt von Violett und Blau. Nähern wir uns schrittweise der mysteriösen Frau O. Was sehen wir? Die grün bewimperte rote Tropfenform im hellsten Gelbbereich oben fällt bildbestimmend ins Auge. Sie ist umgeben von züngelnden, großen und kleinen grünen Tropfen, die rings um das Zentrum einer dynamischen Zentrifugalkraft folgen. Rot schattierte Linien bilden das Gerüst. Zwei Diagonalen kreuzen sich in der Mitte. Die ansteigende Schräge, die das Stundenglas oben durchschneidet, und die beiden Parallelen links unten erzeugen Unruhe und Turbulenz. Einen ruhigen Ausgleich bilden die sich kreuzenden dunkelgrünen Linien oben und die Schräg­linie nach rechts, unterhalb der Mitte. Symbolisiert das rote Auge den Kopf und der Schnittpunkt die Leibesmitte? Sind die Parallelen links unten die Kontur des rechten Beins einer Sitzenden? Die Wimpern suggerieren eine weibliche Figur. Ist die ansteigende grün schattierte Linie rechts unterhalb der Mitte ein erhobener Arm? Und sind die Tropfen Moleküle einer grünenden Lebenskraft, die unser Nervensystem durchflutet? Kann man vom spitz verzerrten Dreieck oberhalb der Mitte auf den Solarplexus und ein «entrücktes» Nervensystem schließen? Der Titel Frau O erinnert an den erotischen Bestseller Geschichte der O. Turbulenz, Dynamik und Ekstase bestimmen das Aquarell. 1993 erwarb Christian Rätsch den Katalog der Ausstellung Figur und Abstraktion in der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums; Hans Spiegels Bild Kubistische Komposition mit Figuren (1919) war die formale Anregung zu den sich kreuzenden Diagonalen. Rätschs Erläuterungen erhellen die Farbwahl und den Titel und bestätigen das vage Schema einer Sitzenden: «Das lichte Grün sowie die Blau- und Violett­töne sind typische Farben meiner Opium­erfahrungen. Opium betrachte ich als eine weibliche Substanz und als Geschenk der Demeter. So widme ich meine Vision der großen Göttin.» www.claudia-mueller-ebeling.de

www.christian-raetsch.de

www.facebook.com/raetsch.muellerebeling


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«Eine Art

individueller

Widerstandskampf» Der Cartoonist Gerhard Seyfried

Foto: David von Becker

im Interview

G

erhard Seyfried lebt in Berlin, ist Cartoonist, Comiczeichner und Roman-Autor. Seyfried ist seit den Siebzigerjahren insbesondere der Hanfszene als Zeichner bekannt, hat seitdem zahlreiche Comicbände veröffentlicht und ein umfangreiches Œuvre an Bildern geschaffen, vor allem gesellschaftskritische Werke. Wir haben den 67-Jährigen besucht und mit ihm über bayerische Polizisten, die No-Future-Generation und die Cannabislegalisierung gesprochen. Das Gespräch führte Roger Liggenstorfer.

Du hast mit deinen Zeichnungen schon ganze Generationen seit den Siebzigern geprägt, zum Beispiel mit der berühmten Polizisten-Karikatur «Wir müssen leider draußen bleiben». Hast du jemals mit der Staatsgewalt Probleme gehabt? Seyfried: Ja, reichlich, in den 70ern und 80ern, und natürlich mit unserer ehemaligen linken Münchner Stadtzeitschrift ‹Blatt›, die immer mal wieder schikaniert und beschlagnahmt wurde. Das ist die Basis, auf der ich bekannt geworden bin.


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Also hat dich die bayerische Justiz sozusagen animiert, gegen das Establishment aufzumucken? Zu einem Teil sicher, meine Münchener Zeit hat mich da schon geprägt. Handelt es sich denn bei den Polizisten auf deinen Cartoons vielleicht um typisch bayerische Polizisten? Wer weiß? Kann schon sein, jedenfalls sind die Polizisten auf meinen Bildern meist recht grobschlächtig. Sind deine Comics, zum Beispiel wegen anarchistischer Inhalte, Zielscheibe der Behörden geworden? Nicht wirklich, allerdings gab es schon hier und da Ermittlungen, Hausdurchsuchungen und Festnahmen. Solche Querelen waren über die Jahre schon dabei. Sind deine Bilder von realen Begebenheiten inspiriert? Ja, jedes Bild und jedes einzelne Wort ist wahr (grinst), das sind einfach alles die üblichen Erfahrungen, die ein Mensch in Deutschland so machen kann.

Früher, so hat es den Anschein, gab es mehr junge Leute, die sich gegen die Missstände der Gesellschaft aufgelehnt haben. Ist die heutige Jugend angepasster als früher? Es gibt da so einen Satz, der immer wieder und über Generationen hinweg zur Anwendung kam und kommt: «Eine feine Jugend, die uns da heran-

Die jungen Leute sind heute geimpft mit Erfolg. wächst». Nicht, dass es heute keine aufmüpfige Jugend mehr gäbe. Aber es ist schon sehr viel weniger als zum Beispiel in den 68ern und den Achtzigern. Die Jugend ist heute deutlich eingeschüchterter als zu unserer Zeit. Oder ist sie vielleicht abgelenkt von den allgegenwärtigen und doch recht einfluss­ reichen Massenmedien? Die jungen Leute sind heutzutage vor allem zu einem guten Teil geimpft. Geimpft mit Erfolgsdruck und mit der Angst vor der Aussichts- und Berufslosigkeit. Daher ist das jetzt für mich die eigentliche }


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No-Future-Generation. Das darf man aber nicht falsch verstehen. Denn auf der anderen Seite kann man das nicht verallgemeinern. «Die Jugend» an sich gibt es ja nicht. Es gibt auch heute solche und solche – wie in jeder Generation. Du hast schon früher von der bevorstehenden Hanflegalisierung gesprochen. Jetzt tut sich in dieser Hinsicht gerade einiges in der Welt. Wie siehst du heute die Chancen für eine Legalisierung bei uns? Man sieht ja, wie es in Amerika vorangeht, da passiert ja wirklich einiges zurzeit. Aber Deutschland wird als letztes den Kurs ändern. Da bin ich sicher. Was hältst du von der Kommerzialisierung, die mit der Legalisierung in den US-Staaten einhergeht? Ich möchte sie als Fortschritt in die falsche Richtung bezeichnen. Es ist natürlich ein kleiner Fortschritt, aber es ist schlicht und ergreifend die falsche Richtung, weil die da drüben nur Geld machen wollen. Die Gefahr dabei ist, dass Verbrecher wie Monsanto in Bälde ihre Finger im Spiel haben werden. Es ist kompletter Irrsinn, eine Pflanze zu verbieten. Widersinnig, unsinnig und krank. Lass uns von deiner Arbeit sprechen: Wie viele Comic-Bände hast du bisher eigentlich gemacht? Bislang insgesamt zwölf Comicbände, davon vier mit Ziska, und zig Plakate, Cartoons und anderes – das kann ich schon lange nicht mehr zählen. Ich

habe die letzten Jahre immer Cartoons gezeichnet, da die aber nur noch selten publiziert werden, veröffentliche ich sie so gut wie nur noch auf Facebook. Du zeichnest und gestaltest sogar politische Plakate. Ja, aber natürlich nicht für alle. Aber ich muss ja von etwas leben. Und so zeichne ich hin und wieder für die Linken, hab aber auch schon für Hans-Christian Ströbele (Die Grünen, Berlin) gearbeitet. Mit den Grünen als Partei kann ich mich aber nicht mehr

Kritisch sind meine Sachen eigentlich immer. anfreunden, seit die sich nicht eindeutig gegen Kriege und Auslandseinsätze stellen, ist bei mir der Ofen aus. Und was die Linken machen, kann ich auch nicht immer gutheißen, aber die haben wenigstens in Teilen ein annehmbares Programm. Früher, als sich gute Cartoons noch besser vermarkten ließen, hast du auch richtige Bestseller produziert. Stimmt! Damals hab ich ne gute halbe Million Auflage gehabt, allein mit zwei, drei Bänden. Wo soll das alles enden? (1978) hat sich weit über 300 000mal verkauft und Freakadellen und Bulletten (1979) mehr als 100 000-mal, das sind aber Zahlen von vor 20 bis 30 Jahren. Und du bist auch Romancier. Ja, ich habe diverse Romane veröffentlicht. Leider sind meine früheren Verlage, Zweitausendeins und Eichborn, heute beide nicht mehr aktiv, das ist für mich natürlich tragisch. Du hast zwei Jahre in der Schweiz gelebt. Wie war das? Wunderbar war das, das waren zwei tolle Jahre. Aber Berlin ist nach wie vor meine «Homebase». Ich brauche allerdings meine regelmäßigen Abstecher ins Ausland, ich war ein Jahr in Mailand, zweimal in Amerika und so weiter. So was tut immer sehr gut, aber dann ist es auch schön, zurückzukommen. Würden sie dich in die USA heute noch reinlassen? Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, man hört so viel von Leuten, die über üble Schikane berichten. Da reichen ja heute schon kritische Postings auf }


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4 4   E I N E A RT I N D I V I D U E L L E R W I D E R S TA N D S K A M P F

Facebook. Und kritisch sind meine Sachen ja eigentlich immer. Kann man denn heute Politiker mit Comics überhaupt noch provozieren? Aber sicher, allemal! Die ärgern sich immer da­rüber (lacht). Und hast du Angela Merkel auch schon mal karikiert? Ja, vor kurzem erst, für das Titelblatt der Linken-Zeitschrift «Clara», die aber nur im Bundestag verteilt wird, die kann man nicht kaufen. Da hab ich mir Merkel zum ersten Mal vorgeknöpft, weil ich gemerkt habe: Die werden wir so schnell nicht los, jetzt kannst du sie mal zeichnen. Natürlich hab ich das so schmeichelhaft wie möglich gemacht (grinst). Was meinst du: Ist mit dem Internet und der schnelllebigen Zeit die Ära der kultigen Comicfiguren, wie etwa der Freak Brothers, vorbei? Ich weiß nicht, ob sich so was abschaffen lässt. Ich verstehe das immer mehr als eine Art individuellen Widerstandskampf gegen die Gesellschaftsform, die wir jetzt haben. Wenn man das überhaupt eine Gesellschaftsform nennen kann. Aber man muss ja höflich sein (grinst verschmitzt).

Der Aufkleber, der zur Legende wurde.

Apropos Freak Brothers: Hast du eigentlich zurzeit Kontakt mit deren Schöpfer Gilbert Shelton? Ja, aber ich hab ihn lange nicht gesehen. Er lebt in Paris, und ich hab ihn vor drei Jahren zuletzt auf dem Comicfest in München getroffen, da war er zusammen mit Robert Crumb – da waren wir zuletzt zusammen. Lass uns ein wenig Werbung für dich machen. Zum Beispiel für deine Ausstellung, die bis Ende Januar 2016 im Caricatura-Museum Frankfurt zu sehen ist. Ja, gerne. Da können alle Lucy‘s-Leserinnen und Leser hinkommen. Das mit den Ausstellungen ist eine sehr gute Sache, denn so kommt man als Künstler mit seinem Publikum in Berührung, was ja an und für sich selten genug der Fall ist. Hast du zum Schluss noch etwas, das du in deinem Leben gern machen würdest? Am liebsten möchte ich als Grenzwächter in der Schweiz arbeiten. Wie kommst du darauf? Weil ich dann schön nah bei Deutschland bin, aber eben nicht in Deutschland.

GERHARD SEYFRIED ist einer der renommiertesten deutschen Cartoonisten und Autor vieler Bücher, Comics, Karikaturen, Drehbücher und journalistischer Arbeiten. Seit 1973 hat er sein Faible für Grünes in jeder Hinsicht ausgelebt: Mit seinen beliebt-berüchtigen Cartoon-Polizisten ebenso wie mit seinen Zeichnungen aus der Kifferszene. 1990 wurde er mit dem Max-und-Moritz-Preis als bester deutscher Zeichner ausgezeichnet. www.gerhardseyfried.de


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Kapitel

Cannabis- und Cannabinoid-Medizin Die politische Lage in Deutschland 2015

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Fra n j o G rote n h e r m e n

Die Verwendung von Dronabinol, Nabilon oder Sativex erfordert entweder eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse, die mit Ausnahme von Sativex bei der Indikation Spastik bei Multipler Sklerose überwiegend verweigert wird, oder eine Selbstfinanzierung des Medikaments. Auch Cannabis aus der Apotheke ist für viele Patienten nicht erschwinglich. Ausnahmegenehmigungen zum preiswerteren Eigenanbau von Cannabis hat die Bundesopiumstelle bisher nicht erteilt. Daher sind vermögende Patienten in Deutschland bei der medizinischen Nutzung von Cannabisprodukten deutlich besser gestellt als weniger vermögende Patienten. Es besteht in die-

sem Bereich eine Zweiklassenmedizin. Dies berücksichtigten bereits auch einige Strafgerichte im Zusammenhang mit dem Vorwurf des illegalen Cannabisbesitzes bzw. Eigenanbaus durch chronisch Kranke: Aus Notstandsgründen sprachen sie bereits einige Patienten vom Vorwurf des illegalen Cannabisanbaus frei, welche sich die verschreibungsfähigen Cannabinoide und auch die Cannabisblüten aus der Apotheke finanziell nicht leisten konnten. Bundesregierung plant Verbesserungen Gemäß einem Artikel in der Zeitung Die Welt vom 3. Februar 2015 will die Bundesregierung Patienten


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den Zugang zu Cannabis zu Therapiezwecken bereits in seinem Interview mit der Welt klar, dass erleichtern. «Mein Ziel ist, dass in Zukunft mehr die Regelung nur für «schwerkranke Menschen, Menschen als bisher Cannabis als Medizin bekom- denen nur durch Medizinhanf geholfen werden men können», erklärte darin die Drogenbeauftragte kann,» gelten soll. Eine solche Regelung gibt es allerder Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU). Bun- dings schon. Patienten, denen nur mit Cannabisprodesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kündigte eine Gesetzesänderung an, welche die Kostenübernahme durch die Kassen klären soll. Mortler zufolge sollen die Krankenkassen in medizinisch begründeten Fällen die Kosten für den Cannabis-Einsatz übernehmen. Das Gesetz solle noch dieses Jahr durch den Bundestag, damit es ab dukten geholfen werden kann, haben bereits heute nächstem Jahr greife. Mortler sagte der Welt, dass die Möglichkeit, eine Ausnahmeerlaubnis zur Veres «nicht ganz einfach» sei, abzugrenzen, wer Can- wendung von Cannabisblüten aus der Apotheke zu nabis tatsächlich dringend als Medikament benö- bekommen. Es ist nicht schwer, aus den bisherigen tige. «Wir wollen, dass schwerkranke Menschen, Informationen die zentralen Punkte des Gesetzes denen nur durch Medizinhanf geholfen werden kann, herauszulesen, das noch für dieses Jahr geplant ist. gut versorgt werden», erklärte Gröhe. Neben der Es ist zu bezweifeln, ob es der Drogenbeauftragten Frage der Kostenerstattung durch die Krankenkas- Marlene Mortler (CSU) tatsächlich darum geht, sen in medizinisch begründeten Fällen müsse man «dass in Zukunft mehr Menschen als bisher Cannaaber auch klären, «wie Missbrauch wirksam verhin- bis als Medizin bekommen können» – obwohl es ohnehin so kommen wird, sogar wenn die Bundesdert werden kann». regierung nichts tun würde. Es ist offensichtlich, dass die aktuelle CharWarum gerade jetzt? In den letzten 15 Jahren haben alle Bundesregierun- meoffensive auf der nun sehr akuten Angst beruht, gen in Bezug auf die Verbesserungen beim Zugang das Bundesverwaltungsgericht könnte der Auffaszu Cannabis für medizinische Zwecke nur das umge- sung des Verwaltungsgerichts Köln (22. Juli 2014, Az: setzt, was unvermeidbar war. 2007 erhielt erstmals 7 K 4447/11) folgen, die besagt, dass Patienten der eine Patientin eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwen- Eigenanbau von Cannabis nicht generell verwehrt dung von Cannabis, weil ein Urteil des Bundesver- werden kann, wenn sie aus finanziellen Gründen fassungsgerichts die Bundesregierung dazu keine Alternative zu einer notwendigen und ausreigezwungen hatte. Für die Behandlung der mittel- chenden Behandlung mit Cannabis haben. Der schweren bis schweren Spastik bei Erwachsenen mit Eigenanbau wäre eine sehr preisgünstige Alternamultipler Sklerose, die auf andere Medikamente tive, den sich die meisten Patienten leisten können. nicht ausreichend ansprechen, wurde 2011 Sativex zugelassen, da eine Ablehnung des Zulassungsan- Warum es nun ganz schnell gehen muss trags nur schwer zu rechtfertigen gewesen wäre. Dieses Urteil muss für die Bundesregierung ein Auch diesmal will die Bundesregierung nur das Schock gewesen sein. In aller Eile engagierte sie umsetzen, was aus ihrer Sicht unvermeidbar ist – einen bekannten Fachanwalt für Verwaltungsrecht und versucht erneut, einen weiteren von den Pati- (Peter Kothe, Stuttgart), der nun für die Verhindeenten hart erkämpften Schritt in die richtige Rich- rung der Eigenanbau-Bedrohung zuständig ist. tung als großen Wurf der Politik zu verkaufen. Zuvor waren die hauseigenen Juristen des BfArM für das Thema zuständig gewesen, doch ihnen traute man offenbar keine optimale Arbeit zu; die BundesBundesregierung in Zugzwang regierung möchte auch juristisch auf Nummer Wie sie selbst sagt, möchte die Bundesregierung sicher gehen. Parallel dazu gab es hektische Überden Zugang zu Cannabis als Medizin erleichtern. Die legungen im Bundesgesundheitsministerium, wie genauen Pläne sind bisher nicht bekannt. Bundes- man mit dieser unliebsamen Situation umgehen gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) stellte könnte. Die Bundesregierung legte gegen das }

Foto : M i ke M oD / S c hw e iz e r I CE Clon e

Der Eigenanbau wäre eine preisgünstige Alternative.


Urteil des Verwaltungs­ gerichts Köln Berufung ein, offenbar vor allem deshalb, weil sie Zeit für geeignete Gegenmaßnahmen gewinnen will. Bereits im Jahr 2016 könnte das Bundesverwaltungsgericht einigen Patienten das Recht zusprechen, Cannabis für den eigenen Bedarf selbst anzubauen – mit weitreichenden Folgen: Die Zahl der Anträge an die Bundesopiumstelle würde massiv ansteigen, und vielen müsste der Antrag auf Eigenanbau genehmigt werden. Das muss aus Sicht der Bundesregierung unbedingt verhindert werden. So treibt Herrn Gröhe nach Presseberichten angesichts des erheblichen juristischen Drucks die Frage um, «wie Missbrauch wirksam verhindert werden kann». Eile ist geboten. Ein Gesetz, das den Anspruch von Patienten auf den Eigenanbau abwenden kann, muss daher noch 2015 durch den Bundestag gebracht werden.

Zehn Jahre Untätigkeit Ein der Bundesregierung missliebiger Richterspruch durch das höchste Verwaltungsgericht der Bundesrepublik würde zudem deutlich machen, dass die Bundesregierung sich seit zehn Jahren weigert, ein Urteil des gleichen Gerichts vom 19. Mai 2005 (BVerwG 3 C 17.0) korrekt umzusetzen. Danach könnte das BfArM Anträge auf die medizinische Verwendung von Cannabis nicht pauschal ablehnen, wie das in den Jahren davor geschehen war. Dieses Urteil ist die Grundlage für die gegenwärtige Möglichkeit der Beantragung von Ausnahmeerlaubnissen, von denen es nach der jüngsten Auskunft der Bundesopiumstelle 358 gibt. Das Bundesverwaltungsgericht betonte damals den hohen Wert des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. In das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann nicht nur dadurch eingegriffen werden, dass staatliche Organe selbst eine Körperverletzung vornehmen oder durch ihr Handeln Schmerzen zufügen. Der Schutzbereich des Grundrechts ist vielmehr auch berührt, wenn der Staat Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens gemildert werden kann und wenn dadurch körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt und aufrechterhalten werden, heißt es im Urteil. Auf das Argument, Patienten könnten sich

Foto : Foto lia

48  CANNABIS- UND CANNABINOID-MEDIZIN

Die Bundesregierung verweigert den Patienten den Eigenanbau. auch vom Arzt Dronabinol verschreiben lassen, auch wenn dieses teuer sei und von den Krankenkassen nicht immer erstattet werde, entgegnete das Bundesverwaltungsgericht unmissverständlich: Der Verweis auf ein Arzneimittel, das weder ohne weiteres verfügbar, noch für den normalen Bürger erschwinglich ist, stellt aber keine Alternative dar, die das öffentliche Interesse am Einsatz von Cannabis zur Krankheitsbekämpfung entfallen lässt. Genau das geschieht aber seit der ersten Ausnahmeerlaubnis: Die Bundesregierung verweigert seit Jahren den Eigenanbau von Cannabis durch Patienten mit dem Hinweis, dass sie sich Medizinal-Cannabisblüten in der Apotheke kaufen können, auch wenn sich viele Patienten den Cannabis nicht im notwendigen Umfang leisten können. Ein Tatsache, die allen Beteiligten – inklusive Bundesopiumstelle, Bundesgesundheitsministerium und Bundeskanzleramt – seit langem bekannt ist. Unterlassene Hilfeleistung Im Klartext bedeutet das: Diese Bundesregierung und die Vorgängerregierungen haben wissentlich unzureichende Maßnahmen ergriffen, um das Leiden vieler Patienten zu lindern. Hätten wir es hier nicht mit Verwaltungsrecht, sondern mit Strafrecht zu tun, so wäre der Regierung eine massenhafte langjährige unterlassene Hilfeleistung sowie ein Verstoß gegen das im Grundgesetz verbriefte Recht auf körperliche Unversehrtheit vorzuwerfen. Bereits 2005 hatte das Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass bei Cannabis eine Erlaubnis zum Eigenanbau in Frage komme. Die Ent-


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scheidung, einem Patienten den Erwerb oder, was insbesondere bei Cannabis in Betracht kommt, etwa den Anbau zu gestatten, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung, hieß es im Urteil vor zehn Jahren. Es ist absehbar, dass die Richter des Bundesverwaltungsgerichts der Bundesregierung dieses Versagen um die Ohren hauen werden, sofern der Bundesregierung keine geeigneten gesetzgeberischen Gegenmaßnahmen einfallen. Ein «Cannabis-Eigenanbau-Verhinderungsgesetz» (CEVEG) muss her. Ein wirksames CEVEG-Gesetz müsste die folgenden drei Punkte enthalten: 1. Die Krankenkassen müssten verpflichtet werden, die Kosten für eine Behandlung mit Dronabinol oder Sativex zu übernehmen, wenn alle anderen Therapieverfahren ausgeschöpft und nicht ausreichend wirksam sind bzw. zu starke Nebenwirkungen verursachen. Diese Anträge für eine Ausnahmeerlaubnis würden nicht mehr von der Bundesopiumstelle, sondern von den Krankenkassen bzw. vom MediziniDie Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) ist ein gemeinnütziger Verein. In ihr haben sich Ärzte, Apotheker, Patienten, Juristen und andere Interessierte aus Deutschland, der Schweiz und Österreich organisiert. Sie tritt für verbesserte Möglichkeiten zur Nutzung von Cannabisprodukten für therapeutische Zwecke ein.

Foto: Foto l i a

www.cannabis-med.org

schen Dienst der Krankenkassen geprüft; in diesem Fall wären dies Anträge auf einen Off-Label-Use bzw. No-Label-Use – also Anträge auf eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen für Medikamente, die für die beantragte Erkrankung bzw. das entsprechende Symptom nicht zugelassen sind. 2. Wenn Dronabinol oder Sativex im konkreten Fall nicht ausreichend wirksam sind, dann und nur dann käme weiterhin eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Medizinal-Cannabisblüten aus der Apotheke durch die Bundesopiumstelle in Frage. In diesen Fällen müsste die zuständige Krankenkasse ebenfalls die Kosten der Behandlung übernehmen. Andernfalls müsste möglicherweise doch in vielen Fällen ein Antrag auf Eigenanbau genehmigt werden. 3. Die deutsche Regelung dürfte im Gegensatz zu Regelungen in anderen Ländern aus Sicht der Bundesregierung keine Liste von Diagnosen enthalten, bei denen die Krankenkassen zur Kostenübernahme verpflichtet werden, sondern der deutsche Gesetzgeber müsste alle Fälle abdecken, die bisher durch Ausnahmeerlaubnisse durch die Bundesopiumstelle abgedeckt werden. Daher wären wie bisher Einzelfallüberprüfungen geboten, diesmal durch die Krankenkassen.

Ein Grund zum Feiern Dass die Kostenerstattung für Dronabinol durch Klagen von Patienten auf den Eigenanbau von }


50  CANNABIS- UND CANNABINOID-MEDIZIN

Cannabisblüten durchgesetzt wurde, ist ein Wendepunkt in der Geschichte der medizinischen Cannabisverwendung in Deutschland. Mehr als 10 Jahre lang hat beispielsweise Ute Köhler aus Thüringen für die Kostenübernahme von Dronabinol durch ihre Krankenkasse AOK gekämpft. Die AOK hat mit aberwitzigen Argumenten diese Kostenübernahme abgelehnt. Wider besseres Wissen hat sie behauptet, Frau Köhler habe mögliche alternative Behandlungsverfahren zur Linderung ihrer Schmerzen nicht ausgeschöpft. Diese Geschichte wird nun ein gutes Ende finden. Frau Köhler hat das mehr als verdient. Andere Patienten, die keine Alternative zu einer Behandlung mit Dronabinol, Sativex oder Cannabisblüten haben, dürfen jetzt hoffen, dass ihre Krankenkasse die Kosten der Behandlung zukünftig erstatten wird. Auch die beiden Firmen, die mit großem Engagement den deutschen Patienten trotz geringer Umsätze weiterhin Dronabinol zur Verfügung gestellt haben – so dass dieses Präparat in Deutschland so preiswert ist wie nach meiner Kenntnis in keinem anderen Land der Welt –, werden für ihre Ausdauer belohnt. Ein weiterer positiver Effekt könnte in der größeren Bereitschaft von Ärzten liegen, Dronabinol und Sativex zu verschreiben, auch wenn sie sich dabei mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen herumschlagen müssen, was dem normalen Arzt immerhin vertrauter ist als die ungewohnte Prozedur bei Anträgen auf eine Ausnahmeerlaubnis für die Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke. Zudem werden die Cannabinoid-Medikamente Dronabinol und Sativex ganz normal auf einem Betäubungsmittelrezept verschrieben. Auch das ist vertrauter als die Begleitung von Pa­tienten im Rahmen einer Selbsttherapie mit Cannabisblüten.

auch wenn Arzt und Patient der Ansicht sind, dass eine Therapie mit Cannabis langfristig weniger Nebenwirkungen hätte. Bei Rheuma und anderen

Es ist nicht beabsichtigt, die Zweiklassenmedizin aufzuheben. schweren chronisch-entzündlichen Erkrankungen müssen sie weiterhin Immunsuppressiva mit schwerwiegenden Langzeitnebenwirkungen (beispielsweise Cortison und Methotrexat) einnehmen, auch wenn Arzt und Patient der Auffassung sind, dass Cannabisprodukte sinnvoller wären. Es ist nicht beabsichtigt, die Zweiklassenmedizin in diesem Bereich aufzuheben. Die zentralen Forderungen von Patienten und Ärzten an einen angemessenen Umgang mit der Thematik werden mit diesem Gesetz nicht erfüllt. Das Thema Cannabis als Medizin erfreut sich aber in allen Fraktionen zunehmender Sympathien, die Probleme der schwerkranken Patienten finden zunehmend Beachtung. Das macht Mut, dass diesem längst fälligen ersten Schritt in der Zukunft noch weitere folgen werden.

FRANJO GROTENHERMEN, geboren 1957, Studium der Medizin in Köln, klinische Tätigkeit in Innerer Medizin, Chirurgie und Naturheilverfahren. Ärztliche Praxis mit Schwerpunkt auf Therapie mit Cannabis und Cannabinoiden. Vorsitzender der 1997 gegründeten Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) und Geschäftsführer der 2000

Weitere Verbesserungen sind möglich Die Ausführungen der Politiker Gröhe und Mortler machen deutlich, dass es auch nach Umsetzung des Gesetzes weiterhin nicht in der Hand von Arzt und Patient liegen soll, ob eine Therapie mit Cannabisprodukten durchgeführt wird oder nicht. Denn eine solche Therapie wird nur bezahlt, wenn keine Behandlungsalternativen bestehen. Darüber hinaus können sich weiterhin nur vermögende Patienten Medikamente auf Cannabisbasis leisten. Die anderen Patienten werden bei chronischen Schmerzen weiterhin gezwungen sein, Opiate einzunehmen,

gegründeten Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente (IACM). Herausgeber der IACM-Informationen und der Zeitschrift CANNABINOIDS. Mitarbeiter des Kölner nova-Instituts in der Abteilung Nachwachsende Rohstoffe und Autor einer Vielzahl von Publikationen zum therapeutischen Potenzial der Hanfpflanze und der Cannabinoide.

Youtube-Kanal von Franjo Grotenhermen: www.is.gd/av9KCY


Ein Bollwerk von Hanfgegnern Zum Status quo der Cannabis-Prohibition TEXT

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Mischa Hauswir th

ie Politik erwacht. Die Frage, ob Cannabis und Kolumbien prüfen neue Wege. Im Juni gab es in legalisiert oder zumindest kontrolliert abge- Kolumbien sogar Debatten über eine Legalisierung geben werden soll, gewinnt an Fahrt. Noch nie oder zumindest über eine kontrollierte Abgabe. in der jahrzehntealten Geschichte des MarihuanaVerbots war die Re-Legalisierung so nah wie heute. In «Die Prohibition ist komplett gescheitert» den USA hat am 1. Juli mit Oregon bereits der vierte Wenn mehrere Länder nach Jahrzehnten des KampBundesstaat Marihuana – mit Auflagen – komplett fes gegen Marihuana, Kokain & Co. plötzlich legalisiert. Auch in zahlreichen weiteren Bundesstaa- umschwenken, so zeigt das in aller Deutlichkeit, wie ten sind die gesetzlichen Hürden für «Medical Mari- sehr jene Erkenntnis wächst, die Ex-UNO-Generaljuana» bereits überwunden oder im Begriff, über- sekretär Kofi Annan bereits 2011 offen ausgesprochen hat: «Global War on Drugs sprungen zu werden. Was nach Medizin und Apotheke klingt, ist has failed – der weltweite Krieg in Wahrheit auch ein Seiteneingegen Drogen ist gescheitert.» In Europa zeichnet gang für den Freizeitgebrauch. Bei Marihuana ist das Scheitern sich allmählich ein am augenfälligsten. Lorenz BölVor Jahren noch wäre dieser Umdenken ab. linger, Bremer Strafrechtler und Wirtschaftszweig in den USA undenkbar gewesen, heute werKritiker der deutschen Drogenden bereits zweistellige Milliopolitik, brachte es in einem Spienenbeträge eingenommen. Die Re-Legalisierung von gel-Interview auf den Punkt, als er sagte: «Viele Hanf in den USA ist deshalb vor allem ein Sinnbild für Leute machen im Augenblick erstmalig die Augen auf. Die allermeisten haben sich noch nicht damit den globalen Wandel in Sachen Hanfpolitik. Die USA sind jedoch nicht die einzigen, die sich befasst und haben die Unlogik des Systems bisher ernsthaft um Alternativen zur Marihuana-Repression nicht wahrgenommen.» Was Böllinger mit «Unlobemühen. Gerade in Lateinamerika tut sich einiges. gik» meint, erklärt Peter Albrecht, ehemaliger Uruguay will legalisieren, obwohl man dort nach dem Strafrechtsprofessor der Universität Basel. «SelbstRegierungswechsel die ursprünglich geplante Legali- schädigung wird in anderen Bereichen auch nicht sierung zurückbuchstabierte und nun wohl eher den bestraft, zum Beispiel beim Rauchen, beim AlkoholAnbau für den Eigengebrauch sowie den Konsum konsum, bis hin zum Suizidversuch. Es entspricht entkriminalisieren dürfte. Aber auch Chile, Mexiko den Freiheitsrechten, so zu leben, wie man will, }


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solange man andere nicht gefährdet. Das müsste Kolumbien sind da augenfällig, wo kriminelle Orgaauch beim Cannabis so sein.» nisationen als Großverteiler agieren und den Markt Dass sich in Europa allmählich ein Umdenken mit Marihuana überschwemmen. Und was haben abzeichnet, lässt sich daran erkennen, wie heftig in diese Beschlagnahmungen und die Repression mit Frankreich über den erleichterten Zugang zu medi- der Anti-Cannabis-Politik zu tun? Sehr viel. Blenden wir zurück, warum die Cannazinischem Cannabis diskutiert wird. Und dass Spitzenökonomen wie der Düsseldorfer Wirtschaftspro- bis-Prohibition – eigentlich ein amerikanisches Steufessor Justus Haucap offen sagen: «Die Prohibition ergesetz – überhaupt in Europa greifen konnte: Harry in Deutschland ist komplett gescheitert.» Auch dass Jacob Anslinger, der Sohn eines Schweizer Einwandedie bürgerliche FDP die Legalisierung in ihr Partei- rers, überzeugte zu Anfang der 1950er Jahre via Uno programm aufgenommen hat, beweist: Der Wandel die Nationen davon, dass Marihuana die Gesundheit hat begonnen. Die d e r B e v ö l ke r u n g Schweizer FDP hat bedroht. Länder wie schon seit Jahren einen Deut schland, die Die Bilanz nach rund 50 Jahren Liberalisierungsflügel, Schweiz und ÖsterHanfrepression: Das Verbot reich verfolgten also zu dem auch Dick hält nicht, was es verspricht. Marty gehört, ein Politimit dem Anti-Cannaker, der zu Beginn seibis-Gesetz zwei ner beruflichen Karriere bestimmte Ziele: Sie Staatsanwalt gewesen war und Hanfkonsumenten wollten die Bevölkerung vor einer Drogenepidemie rigoros verfolgt hatte. Sogar bei der Schweizeri- analog zur weit verbreiteten Alkoholsucht in der zweischen Volkspartei (SVP), die bisher ein Bollwerk von ten Hälfte des 19. Jahrhunderts schützen. Und sie Hanfgegnern war, geben die ersten ihre sture Hal- wollten den illegalen Handel zum Verschwinden brintung auf und diskutieren über eine kontrollierte gen. Gemessen an diesen Zielen lässt sich nach rund Abgabe. Zum Beispiel der Ex-Grenzwächter und fünfzig Jahren Hanfrepression nur eine Bilanz ziehen: basel-städtische Großrat Eduard Rutschmann. Er Das Verbot hält nicht, was es verspricht. sagte bereits 2011: «Wer im Garten für den EigenbeDass Cannabis gesundheitsgefährend sei wie darf ein paar Pflanzen zieht, sollte nicht verfolgt etwa Heroin, dies haben die höchsten Gerichte werden, ebenso wenig der Besitz von bis zu 20 schon vor Jahren als nicht haltbar eingestuft (in der Gramm. Die Polizei hat Besseres zu tun.» Schweiz 1991). Zudem wurden in jüngster Vergangenheit etliche Studien zur gesundheitsschädigenden Wirkung von Marihuana publiziert, und fast alle Politik schützt Dealer und Drogenkartelle Heute sind die internationale Drogenkriminalität relativieren die Gefahr. Der britische Wissenschaftler sowie die damit verbundene Geldwäscherei und Ter- David Nutt hat einen vielbeachteten Vergleich zur rorismusfinanzierung die Hauptprobleme, welche Schädlichkeit vieler Substanzen vorgenommen und westliche Länder mit Cannabis haben. Dazu ein untersucht, was für die Konsumenten respektive die paar Zahlen: In Europa wird der illegale Handel mit Gesellschaft am gefährlichsten ist. Cannabis liegt in Drogen auf 18 bis 30 Milliarden Euro jährlich diesem Gefährlichkeits-Check auf Platz acht, Alkogeschätzt. Da Marihuana und Haschisch die am hol war der Spitzenreiter, und Tabak belegte Platz meisten konsumierten illegalen Substanzen sind, sechs. Dass trotzdem immer noch über Cannabis als dürfte ein Großteil dieses Geldes vom Geschäft mit Auslöser von Schizophrenie oder Psychosen debatCannabis stammen. Wie hoch die Gewinnmarge ist, tiert wird – und nicht über die Auswirkungen der heuzeigt eine Berechnung von spanischen Forschern: In tigen Hanfpolitik auf die Freiheitsrechte, die innere Marokko erhält ein Bauer für ein Kilo Haschisch 80 Sicherheit und die Wirtschaft –, zeigt, wie sehr Polibis 100 Euro. Das gleiche Kilo geht in einem Amster- tikerinnen und Politiker die Prohibitionsargumente verinnerlicht haben. damer Coffeeshop für 8000 Euro über die Theke. Auch das Argument, dass der Konsum steigen Wie sehr die Drogenkartelle und Terrorismusnetzwerke Cannabis als Geldquelle entdeckt haben, würde, sobald man Cannabis legalisiert, erweist sich zeigen immer wieder Zufallsfunde wie etwa jener als falsch: The Lancet Psychiatry veröffentlichte von Anfang Juni in Süditalien: Dort hat die Guardia jüngst eine Studie, die untersuchte, ob die Zulassung di Finanza in einem türkischen Frachter zehn Tonnen von medizinischem Marihuana in den USA zu einem Cannabis sichergestellt. Parallelen zu Mexiko oder Anstieg des Cannabiskonsums unter Minderjährigen


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Ein Soldat im mexikanischen Bundesstaat Sinaloa wirft MarihuanaPflanzen zum Verbrennen auf einen Haufen. Foto: Reuters

führte. Die Antwort lautet nein. Trotzdem werden Politikerinnen und Politiker nicht müde, solche Behauptungen aufzutischen. Stimmen, die auf den durch das Verbot begünstigten Schwarzmarkt hinweisen, werden bis heute von Politikern eisern ignoriert. Zum Beispiel Aussagen wie die von KripoChef Olivier Guéniat aus dem Schweizer Kanton Neuenburg: «Wir können weder mit dem Verbot noch mit einer harten Vorgehensweise das Angebot beeinflussen. Was die Polizei auch tut, die Verfügbarkeit von Cannabis bleibt unverändert.» Repression erhöht THC-Werte Mindestens 7 Milliarden gibt Europa jährlich im Kampf gegen Cannabis aus. Bestraft werden vor allem Konsumenten, Kleindealer und solche, die ein paar Pflanzen anbauen, aber auch Autofahrer, die positiv auf die Abbauprodukte von THC im Blut getestet werden. Bereits Mitte der 1990er-Jahre formulierte der Basler Anwalt und FDP-Politiker Luc Saner einen Satz, der bis heute nichts an Aktualität verloren hat: «Das ursprüngliche Ziel, durch die strafrechtliche Erfassung der Konsumenten zu den Händlern vorzudringen, erwies sich als Illusion.» Die Bilanz fällt für die Politik aber noch viel vernichtender aus, wenn man etwas bedenkt: In den vergangenen zehn Jahren wurde die Repression intensiviert. Erreicht wurde dadurch nicht, dass es weniger Gras oder Haschisch auf dem Markt gibt, im Gegenteil. Noch nie war die Versorgungslage in Europa so gut wie heute. Verdrängt wurde einzig und allein die Hanfproduktion – von den Balkonen und Gärten in die Hinterzimmer, Garagen und Lagerhallen. Auch der Wettstreit um die Züchtung von möglichst THC-haltigen Hanfsorten ist auf die verschärfte Repression zurückzuführen. Warum?

Weil hochpotentes Marihuana mehr Geld einbringt. Mit jedem Jahr, in dem sich die Politik länger an das Hanfverbot klammert, verunmöglicht sie echten Jugendschutz und Produktkontrolle. Denn Gras wird geraucht, ob die Politik will oder nicht, wie der EU-Drogenbericht selber festhält. Der Cannabiskonsum sei seit Jahren mehr oder weniger konstant, heißt es. Zudem fließen die Milliardengewinne unversteuert in die Taschen jener, die in diesem Geschäft mitmischen. In der Schweiz belaufen sich die Schätzungen der potenziellen Steuereinnahmen aus dem illegalen Cannabisgeschäft auf eine Milliarde, in Deutschland auf zwei Milliarden, in Frankreich ebenfalls auf eine Milliarde. Noch ist völlig offen, was passieren wird, wenn im Frühjahr 2016 die UNO-Drogenkommission zusammenkommt, um über die Zukunft der Hanfpolitik zu beraten. Zwar gibt es Stimmen, die fordern, Europa solle aus Solidarität mit Ländern wie Mexiko den Wandel in der Drogenpolitik unterstützen, eine Führungsrolle übernehmen und eine kontrollierte Cannabisabgabe zulassen. Damit dies aber geschieht, brauchen die Politiker mehr Druck. Und dieser kann nur von unten kommen. Von den Wählern. Sonst geht der teure und komplett ineffiziente Irrsinn ewig weiter.

MISCHA HAUSWIRTH, geboren 1971 in Olten, ist Redaktor und Autor bei einer großen Schweizer Tageszeitung und schreibt dort über Gesellschafts­ themen, Drogenpolitik, Kriminalität und Justiz. Hauswirth ist Autor des Buchs «Der CannabisIrrsinn – Warum das Verbot uns schadet» (Nachtschatten Verlag 2015). Er lebt in der Nähe von Basel.


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Kapitel


CBD Luc y’s Rau sch Nr. 2

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Cannabidiol

CBD, Cannabinoid mit Potenzial

TEXT

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Fr a n j o G r o t e n h e r m e n , M a r k u s B e r g e r & Ka t h r i n G e b h a r d t

annabidiol spaltet die Menschen in zwei Lager: die einen, die behaupten, dass CBD ganz und gar nicht psychoaktiv sei, verspüren auch nach Einnahme größerer Mengen keine psychischen Wirkungen. Die andere Seite besteht aber aus jenen, die behaupten, CBD habe sehr wohl eine psychische Effektivität – nämlich eine sedative, also beruhigende Wirkung; sie werden nach der Einnahme von CBD-Präparaten müde und können danach gut schlafen. Cannabidiol ist auf jeden Fall in anderer Art und Weise wirksam als sein Verwandter, das Cannabinoid THC. Die beiden Moleküle sind, was ihre Psychoaktivität angeht, nicht zu vergleichen. Das hat zumindest wohl jeder Patient schon erlebt, wenn er die aus der Apotheke beziehbaren Marijuanasorten miteinander verglichen hat, von denen die eine mit hohem THC-Wert daherkommt – sie heißt Bedrocan und enthält etwa 22 Prozent THC bei weniger als einem Prozent CBD – und die andere, das ist die Sorte Bediol, ganz andere Werte aufweist, nämlich 6,3 bis 6,5 Prozent THC und 8 Prozent CBD. Die Unterschiede in der Wirksamkeit sind enorm. Cannabidiol ist ein pflanzliches Cannabinoid (= Phytocannabinoid). Es kommt im Faserhanf in unterschiedlichen Mengen, aber auch in Marijuanazüchtungen vor und ist ein Hemmer der psychoaktiven Effekte des THC. Franjo Grotenhermen erklärte schon in seinem Buch Die Behandlung mit Cannabis und THC (Nachtschatten Verlag) in kurzen und gut verständlichen Worten, was Cannabidiol, CBD, eigentlich ist: «Die zweitwichtigste Cannabinoidgruppe ist die Cannabidiolgruppe. Cannabidiol (CBD) ist vor allem im Faserhanf und in einigen

Haschischsorten vorhanden. Im Gegensatz zum THC verursacht es keine psychischen Wirkungen und in ausreichend hohen Dosen wirkt es der psychischen Wirkung des THC sogar entgegen. Allerdings kann es die schmerzlindernden Eigenschaften des THC verstärken. Außerdem wirkt Cannabidiol beruhigend, entzündungshemmend, antiepileptisch, angstlösend, antipsychotisch und Augeninnendruck senkend. Im Vergleich zum THC werden diese Wirkungen jedoch erst bei vergleichsweise großen Cannabidiolmengen erzielt.» Schmerzlindernd, entzündungshemmend Der Cannabinoidforscher Dr. Ethan Russo hat ebenfalls eine Definition zu bieten: «[CBD] war früher beispielsweise weit in den Cannabislandrassen aus Afghanistan und Marokko verbreitet, ist jedoch weitgehend aus Cannabis für den Freizeitkonsum }

Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch Cannabidiol  (CBD) von Dr. Franjo Grotenhermen, Markus Berger und Kathrin Gebhardt. Der Band ist soeben im Nachtschatten Verlag erschienen. ISBN: 978-3-03788-369-3 www.cannabidiol-cbd.info


56  CANNABIDIOL

Gras-Speiseöl

aus Medizinalhanfblüten

1 Liter Öl nach Wahl im Wasserbad auf 100 Grad über 90 Minuten erhitzen. 20 g fein gemahlene Grasblüten oder 60 g feingemahlene Knippreste/ Blätter hinzugeben. Zudem lohnt es sich hier, auch die gemahlenen Stängel, die ebenfalls Pflanzenharz enthalten, zu verwenden. Nach dem Kochen die Pflanzenteile absieben. Wenn das Öl ausgekühlt ist, mit Hilfe eines Trichters in eine dunkle Flasche gießen und bei kühler Zimmertemperatur lagern. Kokosöl ist auch sehr gut geeignet, muss aber zuvor verflüssigt werden. Ansonsten ist gleich zu verfahren.

Foto: Mike Rufner

Zutaten 1 Liter Öl 20 g fein gemahlene Grasblüten oder 60 g fein gemahlene Knippreste / Blätter

verschwunden. Es findet sich auch in Faserhanf, im Die Fasern werden als Rohmaterial für industrielle Allgemeinen jedoch in einer geringen Konzentra- und andere Zwecke genutzt, die Hanfsamen dienen tion. CBD hat eine zunehmende Aufmerksamkeit der Gewinnung von Hanfsamenöl, einem Pflanzenöl durch seine verschiedenen medizinischen Eigen- hoher Qualität und anderen Nahrungsmitteln. In den schaften erzielt, darunter schmerzlindernde und letzten Jahren herrscht ein zunehmendes Interesse entzündungshemmende Wirkungen ohne Rausch am therapeutischen Potenzial von CBD. CBD veruroder Sedierung. Es reduziert auch die Nebenwirkun- sacht im Gegensatz zum THC (Delta-9-Tetrahydrogen des THC, wenn sie gemeinsam verabreicht wer- cannabinol) keine psychischen Wirkungen und selbst den, insbesondere Angst und schnelle Herzfrequenz. hochdosiert keine relevanten Nebenwirkungen. Zusammen eingenommen, können die beiden KomDie Sinsemilla-Technik (spanisch sin semilla: ponenten bei vielen Anwendungen synergistisch wir- «ohne Samen»), bei der die männlichen Cannabisken» (Quelle: www.cannabis-med.org). pflanzen vor der Keimung entfernt werden, kann bei CBD-reichem Hanf analog zu THC-reichem angewendet werden und führt ungefähr zu einer VerKeine psychischen Wirkungen Cannabidiol (CBD) ist für gewöhnlich das Cannabi- dopplung des CBD-Gehalts. Sinsemilla bedeutet, noid, welches in Nutzhanf bzw. industriell verwen- dass die weiblichen Blüten ihren Cannabinoidgehalt detem Hanf/Cannabis mit der höchsten und in Medi- in Abwesenheit männlicher Pflanzen und damit zinalhanf mit der zweithöchsten Konzentration einer fehlenden Bestäubung der Blüten erhöhen. vorkommt. In Nutzhanf kommt CBD im oberen DritWie bei anderen Cannabinoiden existieren tel der Pflanze und in den Blüten in Konzentrationen verschiedene Cannabinoide vom CBD-Typ. Meistens von etwa 0,5 bis 2 Prozent vor. In Deutschland und versteht man unter CBD die phenolische Form. Auch vielen anderen Ländern darf Cannabis mit hoher die CBD-Carbonsäure (CBDA) besitzt einige wenige CBD- und niedriger (in der EU unter 0,2 Prozent) pharmakologische Effekte von therapeutischem THC-Konzentration als Nutzhanf angebaut werden. Interesse.


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Über die Kunst des

Cannabis-Anbaus TEXT

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Michael Knodt

annabis ist die wohl am häufigsten genutzte psychedelische Substanz der Gegenwart. Und mittlerweile stammt ein Großteil des bei uns konsumierten Hanfs wieder aus heimischer, wenn auch aus illegaler Produktion. Ursprünglich eine Wildpflanze, wurde Cannabis schon im Altertum von vielen Kulturen als Medizin, Nahrungssowie Kleidungslieferant und als Rauschmittel geschätzt. Bis vor knapp 50 Jahren konnte man Hanf überall unter freiem Himmel anbauen und über Jahrtausende ganzheitlich nutzen; der Hanfanbau wurde in Europa und den USA erst nach dem zweiten Weltkrieg bewusst verdrängt. 1961 wurde die Pflanze im Rahmen des UN-Einheitsabkommens zu Betäubungsmitteln endgültig verboten. Nachdem die Hippies Cannabis wieder entdeckt hatten, lieferten zunächst noch die Bauern in Kolumbien oder in Marokko das Gras für den europäischen und amerikanischen Schwarzmarkt. Doch bald experimentierten in den USA und in Europa die ersten Hobbygärtner mit eigenen Gras-Züchtungen. Anfang der 1980er-Jahre konnten sich in den damals

noch sehr liberalen Niederlanden die ersten Anfänge einer Grower-Szene etablieren. Mit der Gründung der Sensi Seeds Bank 1985 legten die Niederlande die Grundlagen jener Cannabisanbau-Kultur, die heutzutage Millionen europäischer und US-amerikanischer Konsumenten mit Gras versorgt. Mittlerweile setzen Staaten wie Colorado, Kalifornien und Spanien, wo Cannabis legal oder wenigstens geduldet angebaut werden kann, die Trends, denn in den Niederlanden wird der Cannabisanbau inzwischen empfindlich bestraft. Im Prinzip hat sich seit den Pioniertagen in den 1980er- und 1990er-Jahren wenig geändert. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, gutes Gras anzubauen: draußen, im Gewächshaus und unter Kunstlicht. Weil der Anbau unter Kunstlicht den Bedingungen der Prohibition am besten trotzen konnte, ist der sogenannte Indoor-Anbau die für das illegale Growing meistgenutzte Variante. Hier können die Hanf-Damen geschützt vor fremden Blicken reifen und sind bei optimierten Bedingungen innerhalb weniger Wochen erntereif. Zwar erfordern }

Oft der Anfang einer wunderbaren Freundschaft: Cannabis-Samen. Foto: W ik ime dia


6 0   K U N S T D E S C A N N A B I S - A N B AU S

ein paar Pflanzen für den eigenen Bedarf unter Kunstlicht etwas mehr Aufwand als zwei oder drei Graspflanzen im Garten oder auf dem Balkon, dafür haben sie Vorteile gegenüber ihren im Freien lebenden Artgenossinnen.

Der Indoor-Anbau Profis, die aus kommerziellen Gründen Cannabis anbauen, investieren vier- oder fünfstellige Summen, um eine ganze Wohnung oder gar eine Lagerhalle mit Hanfpflanzen zu bestücken. Doch die meisten Growshop-Kundinnen und -Kunden geben ein paar hundert Euro aus, um sich ihr Gras unabhängig vom Schwarzmarkt ergärtnern zu können. Um acht bis zwölf Wochen nach dem Einkauf erfolgreich ernten zu können, muss der Hobbygärtner die natürlichen Gegebenheiten so gut wie möglich nachahmen. Weil Growshops nicht zum Anbau von Cannabis beraten dürfen, ist ein Blick in die Fachliteratur besonders für Einsteiger unumgänglich. Beim Indoor-Anbau übernimmt eine Hochdruck-Dampflampe, die sehr viel Hitze entwickelt, die Rolle der Sonne. Damit es den Pflanzen nicht zu heiß wird, verfügt jeder Indoor-Grow, egal ob groß oder klein, über ein Belüftungssystem, das im Optimalfall für eine Temperatur zwischen 24 und 28 Grad sorgt, während die Lampe brennt. Die Luftfeuchtigkeit sollte während des gesamten Zyklus bei 50 bis 60 Prozent liegen. Cannabis ist eine Kurztag-

Deutsche und Schweizer Grower besorgen sich ihr Saatgut illegal. pflanze und fängt je nach Sorte in der Natur erst an zu blühen, wenn die Tageslänge 13 bis 15 Stunden unterschreitet. Um das indoor zu simulieren, reduziert man die Beleuchtungszeit auf 12 Stunden, sobald die Pflanzen anfangen sollen, psychoaktive Blüten auszubilden. Um den typischen Geruch von Cannabis zu überdecken, reinigt man beim Anbau unter Kunstlicht die ausströmende Luft mit einem Aktivkohlefilter, so dass keine verräterischen Gerüche entstehen. Deutsche und Schweizer Grower besorgen sich ihr Saatgut entweder illegal oder selektieren von Anfang an eine eigene Mutterpflanze. Mutterpflanzen und deren Ableger müssen allerdings min-

destens 18 Stunden beleuchtet werden und deshalb in einem anderen Raum als die blühenden Pflanzen stehen. Ein Regal für Mutterpflanzen und Stecklinge benötigt nicht mehr als 30 x 50 Zentimeter Grundfläche und verursacht 15 Euro Stromkosten im Monat sowie ein wenig mehr Zeit fürs illegale Hobby. Ob Stecklinge oder Samen geeigneter für kleine IndoorGrows sind, ist selbst in den zahlreichen Grow-Communitys umstritten. Für große, kommerzielle Anlagen werden meist Stecklinge bevorzugt, da die Zucht aus Samen mehr Zeit und Geld kostet. Die meisten Hobbygärtner bauen ihr Gras auf Erde an, doch auch Kokossubstrat, Steinwolle oder andere hydroponische Zuchtmedien haben zahlreiche Anhänger unter Hobby- und besonders unter Profigärtnern. Am einfachsten und unkompliziertesten ist sicherlich der Anbau auf Erde. Alle anderen erwähnten Medien oder gar die substratlose Zucht (Aeroponik) können den Ertrag und die Effektivität steigern, funktionieren allerdings nur mit Erfahrung sowie den richtigen Messgeräten für den pH- und den EC-Wert (den elektronischen Leitwert, der den Nährstoffgehalt des Wassers definiert).

Bio-Spezialdünger. Ist alles aufgebaut, unterscheidet sich der Anbau nicht groß von dem der Tomaten auf dem Fensterbrett. Die Pflanzen müssen regelmäßig gedüngt, gepflegt und auf Schädlingsbefall und Schimmel kontrolliert werden. Sobald man den Lichtzyklus mit Hilfe einer Zeitschaltuhr von 18 auf 12 Stunden reduziert hat, schießen die Hanfpflanzen in den ersten beiden Wochen ihres Blütezyklus immens in die Höhe. Die ersten Blütenansätze erscheinen ungefähr am zehnten Blütetag; allerdings widmen sich die Pflanzen noch mindestens zwei Wochen dem Längenwachstum, ohne viel Blütenmasse auszubilden. Die meisten Indoor-Sorten sind nach acht bis neun Wochen Blütezeit reif, einige Sorten brauchen nur sieben, andere zehn oder gar elf Wochen. Sobald das Längenwachstum zwischen der vierten und sechsten Blütewoche eingestellt ist, wachsen und reifen die Blüten aus. Echte Indoor-Freaks messen den pH- und den elektronischen Leitwert ihres Gießwassers, um eine optimale Versorgung mit Nährstoffen zu gewährleisten. Doch auch wer nach der Anweisung auf der Düngerflasche düngt, ohne in Messgeräte zu investieren, wird meist mit schönen Blüten belohnt. Da Cannabis schnell wächst und dabei viele Nährstoffe


Mutterpflanzenraum. Foto: Mike MoD

benötigt, ist eine Nährstoffzufuhr von außen auch bei gut vorgedüngter Erde während der Blütephase auf jeden Fall notwendig. Seit ein paar Jahren gibt es Spezialdünger in zertifizierter Bio-Qualität. Die Stromkosten für ein Einsteigerset sind mit 40 bis 60 Euro im Monat durchaus überschaubar, die Anschaffungskosten liegen bei ungefähr 400 bis 600 Euro. Erfahrene Indoor-Gärtner ernten nicht selten bis zu einem Gramm pro Watt, also 250 Gramm Gras beim Einsatz eines 250-Watt-Leuchtmittels. Wem die Erfahrung oder die Sorgfalt fehlt, der ist aber auch mit 0,5 Gramm pro Watt immer noch viel besser bedient als auf dem Schwarzmarkt. In den letzten Jahren haben sich LED-Leuchtmittel immer mehr verbreitet. Die Liebhaber dieser Technik schwören auf das angeblich einzigartige Aroma von «LEDGras» – die niedrigeren Temperaturen einer LEDLampe sollen das Verdampfen der aromatischen Terpene verhindern. Weil der Hanfanbau unter Kunstlicht insgesamt aber doch ziemlich zeit- und kostenaufwendig ist, entscheiden sich viele Selbstversorger immer noch für die traditionelle Anbaumethode in der freien Natur.

Der Outdoor-Anbau In unseren Breiten ist Outdoor-Anbau für kommerzielle Zwecke ziemlich ungeeignet, weil größere Anpflanzungen sehr leicht entdeckt werden. Wer

Cannabis draußen anbaut, stellt im Frühjahr meist ein paar Pflänzchen in die Natur und hofft, zumindest noch einige davon im Herbst in voller Blütenpracht anzutreffen und ernten zu können. Obwohl Cannabis zu Rauschzwecken in südlichen Breitengraden zunehmend potenter wird, haben zahlreiche Samenbanken Sorten für den mitteleuropäischen Raum in Angebot, die durchaus ordentliche THCGehalte von über 10 Prozent aufweisen.

Zeigerpflanzen. Um Ende April oder Anfang Mai ein paar gut vorgewachsene und somit robuste Pflanzen einpflanzen zu können, bringen Hanfgärtner die Samen bereits im Februar oder im März zum Keimen und ziehen sie am Fensterbrett oder unter einer kleinen 50-Watt-Energiesparlampe vor. Je größer sie beim Umzug nach draußen sind, um so höher ist ihre Überlebenschance. Samen, die im März oder April direkt in die Erde gepflanzt werden, haben kaum eine Chance, sich gegenüber den Wildpflanzen durchzusetzen. Wildpflanzen sind als optische Ablenkung unabdingbar, eine alleinstehende Hanfpflanze zieht unnötig Blicke auf sich. Erfahrene Gärtner sorgen deshalb für eine optische und olfaktorische Tarnung, egal ob in freier Natur oder im eigenen Garten. Gut vorgewachsene Setzlinge stellt man mit anderen Pflanzen, die als sogenannte Zeigerpflanzen und/oder als Blickfang }


62

Kapitel

Vielgestaltiger Hanf

Hanfblüte (Nebula Strain). Foto: Paradise Seeds

dienen, zusammen. Brennnesseln zeigen, dass ausreichend Phosphor und Stickstoff vorhanden sind. Allerdings brauchen sie nur wenig Licht und verdrängen gerne andere Pflanzen. Holunder braucht viel Licht und Kalium. Also ist eine Stelle, wo Brennnesseln und Holunder wachsen, meist gut geeignet.

Guano und Ehrenpreis. Auf kargen Böden benötigt Hanf schon beim Einpflanzen von außen zugeführte Nährstoffe. Erfahrene Hanfgärtner füllen das Aushubloch mit ein wenig Regenwurmhumus und Guano-Dünger. Regenwurmhumus ist eine ausgezeichnete organische Stickstoffquelle, Guano enthält Kalium und Phosphor für die Blütenbildung. Wichtig ist, bei der Wahl des Platzes darauf zu achten, dass er zu Trockenzeiten über ausreichend Feuchtigkeit im Boden verfügt. Hierzu nutzen Outdoor-Begeisterte bei der Platzwahl umstehende Pflanzen wie den Ehrenpreis, der es nicht trocken mag, als Zeigerpflanzen. Zudem ist eine Grabenlage, zum Beispiel hinter einem Damm oder in einer natürlichen Grube, in zweierlei Hinsicht von Nutzen: Sie verhindert neugierige Blicke, und abfließendes Regenwasser sammelt sich dort. Wer über einen geeigneten Garten, eine Terrasse oder einen Balkon verfügt, muss sich zwar

über die Tarnung und den intensiven Geruch ebenfalls Sorgen machen, kann das jedoch selbst ein wenig beeinflussen: Je größer und gelber die Sonnenblume, desto unauffälliger wirkt ein Hanf-Pflänzchen nebenan. Außerdem scheidet die Sonnenblume Saponine ab, die der Hanfpflanze die Nährstoffaufnahme erleichtern. Auch Ringelblume, Basilikum oder Topinambur eignen sich zur Mischkultur mit Hanf, wobei beim Basilikum der gewünschte Tarneffekt nicht sehr hoch ist. Mit der Ringelblume können aufgrund ihrer geringen Höhe nur kleinwüchsige Sorten gut getarnt werden. Der intensive Geruch lässt sich durch die Kombination mit ebenfalls intensiv riechenden Pflanzen, die zur selben Zeit blühen, überdecken oder zumindest reduzieren. Eine Geranienart, der Stinkende Storchenschnabel (Geranium robertianum), blüht von Juli bis Oktober und wird von Gartenfreunden gepflanzt, um mit ihrem penetranten Geruch tierische und menschliche Schädlinge fernzuhalten. Auch Rauke (besser bekannt als Rucola) und Ysop oder der Stinkende Nieswurz überdecken den Geruch von Hanf vorzüglich.

Kurze Reifezeit. Für den Outdoor-Anbau sind selbstblühende Sorten seit drei oder vier Jahren sehr


Luc y’s Rau sch Nr. 2

populär. Diese «Automatic»-Sorten blühen unabhängig vom Lichtzyklus und sind bereits acht bis zwölf Wochen nach dem Einpflanzen ausgereift. Ihr Ertrag ist zwar geringer als der von regulären oder feminisierten Samen, doch aufgrund der extrem

Automatik-Sorten blühen unabhängig vom Lichtzyklus. verkürzten Reifezeit finden «Automatic»-Sorten im Outdoor-Bereich immer mehr Anhänger. Ihre veränderten Blüheigenschaften wurden mit dem Einkreuzen von Cannabis-ruderalis-Sorten erreicht, welche die Fähigkeit besitzen, unabhängig von der Photoperiode zu blühen, sobald sie ihre vorbestimmte Größe erreicht haben. Sie sind selbstblühend («autoflowering»). Da ursprüngliche Ruderalis-Sorten nicht sehr potent sind, hat es ein paar Jahre gedauert, bis findige Züchter die beliebtesten Cannabis-Sorten auch als stabile und potente Autoflower-Sorten anbieten konnten. Mittlerweile ist das Angebot fast so groß und unüberschaubar wie bei den regulären oder feminisierten Samen.

Der Anbau im Gewächshaus Der Gewächshausanbau wäre eigentlich die effektivste Methode, in Mitteleuropa potenten Hanf zu kultivieren. Denn hier kann man die Vorteile des Indoor-Anbaus nutzen, ohne viel Strom zu verbrauchen. Natürliches Sonnenlicht ist stärker als jede Hochdruck-Dampflampe, und Gewächshäuser halten zugleich die durch die Sonneneinstrahlung entstehende thermische Energie fest. Doch aufgrund der aktuellen Gesetzeslage wird Cannabis nur dort großflächig im Gewächshaus angebaut, wo es dafür eine legale Möglichkeit gibt. Viele spanische und uruguayische Cannabis Social Clubs nutzen diese effektive und energiesparende Art des Anbaus. Auch in den Niederlanden wurde in den 1990er-Jahren noch viel Coffeeshop-Gras auf diese Art und Weise produziert. Selbst in Mitteleuropa könnte man also auch im Winter gutes Cannabis im Gewächshaus produzieren. Sobald das Sonnenlicht nicht mehr ausreicht, werden genau wie beim Gemüseanbau automatisch HochdruckDampflampen zugeschaltet, deren Abwärme gleichzeitig das Gewächshaus aufwärmt.

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Wird ein Gewächshaus mit einer speziellen Verdunkelungstechnik versehen, sind bis zu sechs Ernten im Jahr möglich. Das ist genauso effektiv wie der Anbau unter Kunstlicht, nur ressourcenschonender. In den USA gibt es bereits Anbaukollektive für medizinisches Cannabis, die solche Gewächshäuser nutzen und produzieren. Mit einer einfachen mechanischen Vorrichtung verdunkelt man das ganze Gewächshaus täglich zwölf Stunden lang. Durch den Einsatz von automatischen Rollläden können die Mitglieder eines Anbaukollektivs in Mendocino County (Kalifornien) beispielsweise bis zu sechsmal im Jahr medizinisches Cannabis ernten. Genau wie unter Kunstlicht. Auch können im Gewächshaus lange blühende Haze-Sorten, die in Mitteleuropa aufgrund des zu feuchten Klimas im Herbst sonst nicht reif würden, problemlos unter natürlichem Licht ausreifen. Die Zucht im Gewächshaus ist eine Mischung aus Indoor- und Outdoortechnik. Da Gewächshäuser vorrangig für den kommerziellen Anbau interessant sind, ist zur Cannabiszucht im Gewächshaus fast ebenso viel Technik wie für den Anbau unter Kunstlicht erforderlich. Ohne spezielle Anbaumedien, Be- und Entlüftung, ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, Düngecomputer sowie hochmoderne Erntemaschinen zum Verarbeiten der Blüten funktioniert der Anbau im Glashaus kaum, es sei denn, wir reden hier vom Mini-Gewächshaus in Großmutters Garten. Hier stellen Hanfliebhaber gerne mal ein paar Pflanzen zwischen Sonnenblumen, Paprika und Tomaten. Sollten es zu viele werden oder die umstehenden Pflanzen über zu wenig Tarneffekt verfügen, nutzen erfahrene Grower spezielle Gewächshaus-Milchglasscheiben. Diese absorbieren zwar wertvolles Sonnenlicht, schützen dafür aber vor neugierigen Blicken. Aber egal, ob Outdoor, Indoor oder unter Glas: Dieser Artikel soll nur aufklären, nicht anstiften. Denn vorerst ist der Anbau von Cannabis in Deutschland, der Schweiz und in Österreich (dort lediglich der zu Rauschzwecken) noch immer verboten.

MICHAEL KNODT, geboren 1968, in Dillenburg/ Hessen, ist freier Journalist und Moderator. Seit 2004 Autor für das Hanf Journal, von 2005 bis 2013 Chefredakteur. Seit 2007 Moderator des Videomagazins Exzessiv TV. Seit 2014 freier Autor. www.youtube.com/ExzessivDasMagazin


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MEDIATHEK

Psychedelische Renaissance

Neues von der anderen Seite Die Wiederentdeckung des Psychedelischen Von Paul-Philipp Hanske und Benedikt Sarreiter edition suhrkamp SV

Paul-Philipp Hanske, Benedikt Sarreiter: Neues von der anderen Seite. Die Wiederentdeckung des Psychedelischen. 327 Seiten, Broschur, Edition Suhrkamp, Berlin 2015.

Nicht schlecht, dass ein renommierter literarischer Verlag wie Suhrkamp ein Buch zur weltweiten psychedelischen Renaissance herausbringt – und sich damit auf ein Terrain wagt, das von den Massenmedien nach wie vor eher selten vorurteilsfrei behandelt wird. Die Autoren liefern mit dem Band eine Art Bestandsaufnahme der psychedelischen Kultur – von den Anfängen bis heute und mit Ausblick auf eine mögliche Zukunft, in der Bewusstseinserweiterung eine bedeutende Rolle spielen sollte. Der Text ist gut recherchiert, wie man es von professionellen Journalisten erwarten darf. Der erfahrene Psychonaut dürfte beim Lesen jedoch bemerken, dass Hanske und Sarreiter selbst nicht so sehr im Thema sind, was sich in Form von zahlreichen kleinen Ungenauigkeiten bemerkbar macht, etwa wenn von «Benzodiazepam» die Rede ist (gemeint ist das Benzodiazepin-Derivat Diazepam) und wenn die Autoren den Nachtschattenrausch in eine Kiste mit Tryptamin- und Phenethylamin-Trips werfen. Trotzdem ein schönes aufklärendes Buch, nicht bahnbrechend, aber sehr nett zu lesen.

ISBN: 978-3-518-07121-2

LSD-Forschung

Spirituelle Ökologie

Auf dieses Buch hat die Fachwelt gewartet! Es dokumentiert und kommentiert die nach 40 Jahren weltweit erste Studie über LSD-unterstützte Psychotherapie, durchgeführt vom Schweizer Psychiater Peter Gasser «bei Personen mit Angstsymptomatik in Verbindung mit fortgeschrittenen lebensbedrohenden Krankheiten». Rick Doblin, Präsident der US-amerikanischen Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS), nennt das Werk in seinem Vorwort «eine Geschichte der Hoffnung». Mit einem Beitrag von Peter Gasser.

Diese erhellende Anthologie, herausgegeben von Llewellyn Vaughan-Lee, trägt den Untertitel Der Ruf der Erde und enthält Texte und Abhandlungen von Bewusstseinsforschern, Wissenschaftlern, Schamanen und spirituellen Meisterinnen und Meistern wie Thich Nhat Hanh, Vandana Shiva, Brian Swimme und Bill Plotkin. Der Name des Buches ist Programm: In 20 Beiträgen plus Einleitung und Nachwort geht es um unseren Lebensraum, unsere eigentliche Geistesnatur, um die All-Einheit und um die Veränderung des Bewusstseins und die Bewahrung unseres Planeten. Ein Werk mit klugen Worten von weisen Menschen. Tipp der Redaktion!

Matthias K. Diesch:

Spirituelle Ökologie.

LSD – Rückkehr in die

288 Seiten. Neue Erde Verlag,

klinische Forschung.

Saarbrücken 2015.

228 Seiten, Format A5,

ISBN: 978-3-89060-654-5

Broschur, Nachtschatten Verlag, Solothurn 2015. ISBN: 978-3-03788-702-8


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D er Kl as si ke r

Christian Rätsch und Jonathan Ott: Coca und Kokain. 288 Seiten. AT Verlag, Aarau 2003. ISBN: 978-3-85502-707-1

AyahuascaGesänge CD

Dieses CD-Doppelalbum enthält rituelle AyahuascaGesänge des kolumbianischen Ayahuasqueros Kajuyali Tsamani. CD 1 enthält sieben Gesänge, u.a. den Segen «Mother Ayahuasca», Gesänge an die Wassergeister und das Herz des Kosmos, CD 2 enthält 14 Gesänge – an den Wind, die Friedenspfeife, die Berggeister u.a. Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf des Albums geht an das Projekt Nabi Nunhue in Kolumbien, eine Organisation zum Erhalt indigenen Wissens. Kajuyali Tsamani: Rituelle Ayahuasca-Gesänge. Doppel-CD, Andreas Ruft, Berlin 2014, Vertrieb über www.nachtschatten.ch

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Alles über Kokain Die bekannten Psychedelik-Autoren Christian Rätsch und Jonathan Ott haben mit diesem Klassiker ein echtes Meisterwerk hingelegt. Auf 288 Seiten findet man alles über Botanik, Pharmakologie und Kulturgeschichte des Cocastrauchs Erythroxylum coca und dessen Hauptwirkstoff Kokain. Informationen, die man in der ohnehin kargen Landschaft Coca-bezogener Fachliteratur schmerzlich vermisste. Das Werk ist nicht nur ein wissenschaftlicher Rechercheband, sondern auch ein Lese- und Bilderbuch für die Freizeit mit vielen unterhaltsamen Storys, sei es die Geschichte von Coca Cola oder das Intermezzo zu McKoks-Löffeln. Das Buch gibt wirklich alles her: Von der Chemie und Anwendung der Coca-Blätter und des Kokains über Coca-Rituale und die traditionellen Zubereitungen bis hin zu Coca-inspirierter Kunst, der medizinischen Verwendung und der politischen Lage findet der Leser das verfügbare Wissen übersichtlich, unterhaltsam und lehrreich zusammengefasst.

Psychoaktive THC-Tunings CD

Dying to Know: Leary & Ram Dass DV D

Der Film über Ram Dass (Richard Alpert) und Timothy Leary und ihre gemeinsame Zeit in Harvard, Millbrook und darüber hinaus dokumentiert die psychedelische Kultur in den 60er-Jahren und zeigt seltene, unveröffentlichte Bilder aus einer historischen Ära. Im Mit diesem Sound wachsen Hanfpflanzen besser. Denn die THC-Tunings (die Vertonung des THC-Moleküls) auf dieser CD sollen Cannabispflanzen im Wachstum unterstützen. Grower bestätigen: Es funktioniert. Interessant ist, dass die Tunings offenbar auch beim Menschen stimulatorische Reize übermitteln können. Der Herausgeber warnt auf der Rückseite des Covers davor, die CD während des Autofahrens zu hören. Eine psychoaktive CD also. Für die Pflanzen und auf die Ohren. B. Ashra (Bert Olke): Music for Growing. Klangwirkstoff Records, Berlin 2014, www.klangwirkstoff.de

Original ist Robert Redford der Erzähler, eine deutsche Version gibt es noch nicht. Auf der Internetseite zum Film gibt es einen gut 2-minütigen Trailer, eine Bildergalerie und zahlreiche Hintergrundinformationen. www.dyingtoknowmovie.com


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LIFESTYLE

«Traditionen der indigenen Völker stärken» Schamanisches von Sensatonics nen Völker. Das Wiederbeleben dieser Weisheit ist unserer Meinung nach ein Schlüssel für einen wirklichen Bewusstseinswandel hin zu Liebe, Verantwortung und Nachhaltigkeit.

Sensatonics aus Berlin ist eines der wenigen Unternehmen, die sich voll und ganz dem Themenkreis der Psychonautik /Psychedelik und Ethnobotanik verschrieben haben. Wir haben uns mit Jörg Happe und Ralf Güthe über ihre Firma unterhalten. Wie lange gibt es eure Firma schon, und was war die Motivation, Sensatonics zu gründen? Unsere Firma gibt es nun schon seit mehr als 20 Jahren. Mit Sensatonics möchten wir der westlichen Gesellschaft den reichen Schatz an körper- und geistbewegenden Pflanzen wieder näher bringen. Wie wir alle wissen, ging gerade in Europa viel von diesem Wissen durch Christianisierung und Inquisition verloren. Mit unserer Arbeit bieten wir eine genuss­ volle Brücke zur Natur und zur traditionellen Weisheit der indigeA RT W O R K

in Peru, das mittlerweile 20 Näherinnen ein Einkommen bietet. Mit dem Verkauf dieser Handwerkskunst möchten wir die Traditionen der indigenen Völker stärken und bewahren helfen.

Ihr vertreibt schamanische Ihr habt außerdem selbst Ethno-Artikel, wie z.B. kreierte exquisite Liköre und Handwerkskunst und RitualKräutertonics im Programm, bedarf der Shipibo, der wie z.B. euren Waldmeister­ Huichol und anderer Ethnien. likör, ein echtes Legal High Wie kommt ihr an die Ware mit spürbarer Wirkung. heran? Welches Produkt empfehlt ihr Die Verbindungen zu Schamanen ganz besonders? und Handwerkskünstlern haben Ralf: Mein persönlicher Favorit ist wir auf unseren Reisen geknüpft. gerade Venuswave. Ein wunderWir suchen in den Ländern nach volles Aphrodisiakum. Ich nutze unterstützenswerten Projekten, es zur sinnlichen Erquickung auf zu denen wir eine persönliche Partys, aber auch gerne für den Beziehung aufbauen, und suchen Abend zu zweit. uns dann vertrauenswürdige Jörg: Mein Geheimtipp für euch Menschen vor Ort, die uns die ist Edena, mit einer geheimnisvolWaren zusenden. len Wurzel aus Brasilien – dieser Likör erweitert und verzaubert die Sinne. Unterstützt ihr mit dem Verkauf dieser Artikel Habt ihr eine Botschaft für die indigenen Handwerksdie Lucy‘s-Leserschaft? künstler? Unser Ziel ist es immer, möglichst Das Sensatonics-Motto ist «Natur direkte Handelswege aufzubauen, respektieren, Natur genießen». damit der Erlös wirklich bei den Gemeinsam schaffen wir den Kunstschaffenden ankommt. So Wandel hin zu einem respektvolstammt unsere Shipibo-Kunst len Umgang miteinander und mit beispielsweise aus einem Projekt unserer Erde. www.sensatonics.de

Symbolika – Made in Trance

Das Motto «Made in Trance» der kleinen psychedelischen Textilmanufaktur Symbolika aus Ibiza ist Programm. Eine kleine Gruppe von Psychonauten betreibt die Firma, deren Grundlage exquisite psychoaktive Kunstwerke bilden. Die werden dann auf T-Shirts, Tops, Kleider, Lampen und andere Artikel gedruckt oder in der klassischen Form des Kunstdrucks für die Wand aufbereitet. Symbolika ist ein echter Geheimtipp für Psychedeliker – wer häufiger auf Festivals im europäischen Raum zu Besuch ist, hat den bunten Stand des kleinen Unternehwww.symbolika.com mens sicherlich schon einmal gesehen.


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MUSIK

Koan

Psychedelische Chill-Out-Klänge, die mal anmutig und behäbig, mal etwas flippiger und massiv pumpend und ab und zu auch ziemlich durchgeknallt sein können, psychonautische Audiokunst, die den Hörer in psychoaktive Welten zu befördern in der Lage ist – all das kennzeichnet die Musik des russischen Duos Koan. Daniel Roeth und William Grey Foto: Eclipse

A K T I V I ST E N - I N FO

Eclipse e.V.

Wenn in Deutschland ein psychonautisches Gathering ansteht, stehen die Chancen gut, dass die Besucher auf den Infostand und die Lounge des Eclipse e. V. aufmerksam werden. Die «psychedelische Ambulanz», wie die Eclipse-Aktivisten sich nennen, ist eine Non-Profit-Organisation, die sich der Betreuung von Psychonauten und Partypeople verschrieben hat. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter von Eclipse e. V. beraten auf Festivals, Konzerten, Partys, Kongressen und anderen szenerelevanten Veranstaltungen die psychedelische Gemeinde, verteilen Infomaterial, sind Anlaufstelle und Auffangstation für Verirrte, Verwirrte und Hilfe- bzw. Ratsuchende, betreuen Notfallpatienten bis zur eventuellen Übergabe an ein Rettungsteam und so weiter und so fort. Kurz: Die psychedelische Ambulanz Eclipse versorgt die psychonautische Gemeinde mit kostenlosen Dienstleistungen rund um Aufklärung, Bildung, Prävention und Notfallversorgung. www.eclipse-online.de

aus Moskau jammen, komponieren, arrangieren und musizieren seit den frühen 90er-Jahren zusammen und spielen als Formation Koan auf den psychedelischen Festivals der Welt. Anspieltipp der Redaktion: das Album When the Silence is Speaking Koan auf der Website des Labels Blue Tunes: www.bluetunes-records.com/ engine/artist-koan

SOUNDCLOUD TIPP Sirikit aus Tübingen gehört zu den wenigen ElektroDJanes, die es verstehen, auf geschickte und vor allem harmonische Weise psychedelische Vibes mit groovy Rhy thmik zu kombinieren. Insbesondere für die gepflegte Afterhour sind die Sets von Sirikit eine Offenbarung und ein warmer Tipp der Lucy‘s-Redaktion. www.soundcloud.com/sirikit Anspieltipp: www.soundcloud.com/sirikit /hypnotamborin


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Safer Use Foto: Thomas Vogel / istockphoto.com

Ein Ratgeber zu risikoarmem Verhalten

TEXT

Alex Bücheli

D

er Konsum psychoaktiver Substanzen ist Bestandteil unseres menschlichen Daseins. Man spricht heute von einem menschlichen Bedürfnis nach Rausch, egal ob dieser durch die Einnahme psychoaktiver Substanzen, sportliche Aktivitäten oder andere rauschauslösende Tätigkeiten hervorgerufen wird. Psychoaktive Substanzen weisen ein breites Spektrum an positiven Effekten auf. Sie bereichern, schimmern farbig, machen Spaß, eröffnen neue Perspektiven und können das Bewusstsein erweitern. Ihr Konsum bringt immer auch mit Risiken mit sich. Wo sich eine Wirkung entfaltet, treten zuweilen auch Nebenwirkungen auf, und es stellt sich die Frage, ob sich die Erfahrung lohnt, wenn man die Risiken bedenkt. Obwohl das Internet viele Informationen zu psychoaktiven Substanzen bereithält, lässt sich nur schwer eine individuelle Risikoeinschätzung erstellen. Denn im Info-Dschungel ist es nicht leicht, zu bestimmen, welche Informationen für das individuelle Risikoverhalten relevant sind.

Risikoarme Haltung Zahlreiche heute gebräuchliche psychoaktive Substanzen wurden früher in religiösen und schamani-

schen Riten eingesetzt. Schon damals wendete man wohl schadensmindernde Strategien an, beispielsweise schamanische Settings als Ritualisierung des Konsums. Heute dagegen folgt der Konsum psychoaktiver Substanzen meist einem funktionalen Prinzip (Amendt 2003). Das heißt, psychoaktive Substanzen werden konsumiert, um eine spezifische Wirkung zu erleben. Der Konsum soll möglichst gut in die Lebenswelt integrierbar sein und relativ wenig Nebenwirkungen aufweisen. Eine Ritualisierung des Konsums stellt deshalb für die wenigsten Konsumenten eine schadensmindernde Strategie dar. Eine risikoarme Haltung, die zum Ziel hat, potentielle Sekundärschäden aufgrund des Konsums psychoaktiver Substanzen zu vermindern, lässt sich hingegen viel eher in individuelle Lebenswelten integrieren. Eine risikoarme Haltung zielt nicht nur auf die Reduktion möglicher Schäden, welche man sich selbst zufügt, sondern auch auf solche, die man dem Umfeld oder anderen Personen zufügen könnte. Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer risikoarmen Haltung nimmt das Konzept von Drug, Set und Setting ein. Da es durch seine Einfachheit und seine Substanzneutralität überzeugt, kommt es in diesem Ratgeber zur Anwendung.


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Drug, Set und Setting Das Konzept von Drug, Set und Setting orientiert sich an den Zusammenhängen zwischen der psychoaktiven Substanz (Drug), der Person (Set), dem Ort und den Personen, mit welchen man konsumiert (Setting). Die Zusammenhänge zwischen Set und Setting in Bezug auf die Drogenwirkung wurde erstmals von Timothy Leary in den 60er-Jahren beschrieben (Leary, T., et al. 1969). Norman E. Zinnberg entwickelte Mitte der 80er-Jahre den Begriff Set und Setting auf sozialwissenschaftlicher Basis weiter, indem er Regeln für Viele «Freizeitdrogenkonsumenten» halten Regeln unbewusst die Umstände des Konsums bei sozial integrierten ein. Foto: Fotolia Konsumierenden untersuchte. Er kam in seiner Untersuchung zum Schluss, dass viele der «Freizeitdrogenkonsumenten» Regeln unbewusst einhalten scheidet man zwischen positiven und negativen und dadurch einen kontrollierten Drogenkonsum Motiven, das heißt, die Suche nach Entspannung erreichen (Z innberg , N. E., 1984). Doch erst die oder Bewusstseinserweiterung gilt als weniger proBewusstmachung von Regeln mittels Handlungs- blematisch als der Versuch, durch den Konsum anweisungen und Erfahrungen innerhalb der Struk- Stress abzubauen oder Probleme zu verdrängen. In tur von Drug, Set und Setting lässt eine risikoarme der Realität lassen sich die Motive weniger stark trennen, nicht selten werden dem Konsum wohl verHaltung entstehen. Bei geplantem Konsum kann anhand von Set, schiedene Motive zugrunde liegen. Es gibt nicht das Drug und Setting eine Kosten-Nutzen-Rechnung «risikoärmste» Motiv, Substanzen zu konsumieren. gemacht werden. Der Nutzen ergibt sich beispiels- Wichtig ist, dass man sich seiner persönlichen Motiweise aus den gewünschten Effekten respektive vation bewusst ist. dem Ziel, welches mit der Einnahme der Substanz verfolgt wird. Die Kosten umfassen potenzielle uner- Geschlecht, Alter und Körpergewicht wünschte Sekundäreffekte, wie Nebenwirkungen In jungen Jahren fehlen bestimmte Abbauenzyme der Substanz (körperlich und psychisch), dem Risi- noch gänzlich oder sind nur in kleineren Mengen vorkoverhalten unter Substanzeinfluss, aber auch aus handen (z.B. Alkoholdehydrogenase). Zudem sind dem finanziellen Aufwand und dem Erholungsbe- gewisse Hirnregionen erst ab Mitte des 20. Lebensdarf nach dem Konsum. Eine ausgeglichene Kos- jahres fertig entwickelt. Deshalb sollten Jugendliche ten-Nutzen-Rechnung ist nicht gleichzusetzen mit generell niedriger dosieren. Dieselbe Empfehlung (ca. einem risikoarmen Konsum, hilft aber dabei, sich 10 bis 20 Prozent weniger als ein erwachsener Mann) möglichst reflektiert mit Rauscherlebnissen ausein- gilt für Frauen, weil der Wasseranteil im Körper bei anderzusetzen. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, eine Frauen niedriger ist als beim Mann; da Substanzen Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen, auch wenn im Körper verdünnt werden, spielt das Körpergewicht der Substanzkonsum nicht geplant, sondern spon- eine zentrale Rolle bei der Dosierung. Grundsätzlich tan erfolgt. Dies gilt umso mehr, wenn man Subs- gilt: Je geringer das Körpergewicht, desto niedriger tanzen kombiniert (Mischkonsum). sollte die Dosis ausfallen. Psychoaktive Substanzen sollte man generell an Alter, Geschlecht und KörperDas Set gewicht angepasst dosieren. Beim Set steht die Person im Vordergrund: ihre Konsummotivation, die psychischen und körperlichen Körperliche und psychische Verfassung Voraussetzungen, ihr aktueller Gesundheitszustand Bluthochdruck, Kreislaufprobleme, Herzfehler, und weitere individuelle Eigenschaften. Je besser Schwindel, Asthma, Epilepsie und Narkolepsie sind man sich selbst kennt, desto umfassender lässt sich nur einige körperliche Einschränkungen, die das Risiko abschätzen. Die Motive für den Konsum das Risiko beim Drogenkonsum erhöhen können. psychoaktiver Substanzen sind vielfältig. Oft unter- Derartige körperliche Beeinträchtigungen sind im }


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Vorfeld nicht immer bekannt, was die Risikoeinschätzung erschwert. Der regelmäßige Konsum psychoaktiver Substanzen kann zudem körperliche Beeinträchtigungen herbeiführen. Je regelmäßiger man konsumiert, desto häufiger sollte man einen medizinischen Check-Up durchführen lassen. Ein weiterer Risikofaktor sind chronische Erkrankungen (zum Beispiel HIV), weil der Körper dann tendenziell geschwächt ist und die zur Therapie benötigten Medikamente das Risiko zusätzlich erhöhen. Ähnliches gilt für die psychische Gesundheit. Vor allem bei der Einnahme von Psychopharmaka ist besondere Vorsicht geboten; es ist nicht ratsam, die Medikation einfach zu unterbrechen, da beispielsweise Psychopharmaka relativ aufwendig individuell eingestellt werden müssen. Befindet man sich in medizinischer und/oder therapeutischer Behandlung, sollte man einen beabsichtigten Dro-

Es ist wichtig, auf die psychischen Signale während und nach dem Konsum zu achten.

Safer Use Bei der Vorbereitung und während des Konsums sollte man einige allgemeine Strategien zur Schadensminderung im Bewusstsein behalten. • H20 statt K.O.: Man sollte pro Stunde ungefähr 0,5 Liter Wasser zu sich nehmen. Mehr Wasser zu trinken, kann gefährlich sein, da das Wasserlassen oft eingeschränkt ist. Zuviel Wasser führt zu Osmose, das heißt, es werden dem Blut lebenswichtige Mineralstoffe entzogen, insbesondere Salze, was lebensbedrohliche Folgen nach sich ziehen kann. • Chill out, cool down: Da die Körper­ temperatur sich durch die Einnahme psychoaktiver Substanzen erhöht, sollten immer wieder Pausen an der frischen Luft oder in einem kühleren Raum eingelegt werden. Dabei sollte man Pullover oder Jacke nicht vergessen, da sonst die Gefahr besteht, sich zu erkälten. Auf Kopfbedeckungen sollte man generell verzichten, da ein Großteil des Wärmeaustauschs über den Kopf erfolgt.

genkonsum im Vorfeld mit dem Arzt absprechen. Unter gewissen Umständen können Rauscherfahrungen psychische Erkrankungen auslösen, vor • Nahrung statt Erschöpfung: Stimulanallem dann, wenn eine Person trotz unangenehmer zien unterdrücken Durst und Hunger. Da Rauscherfahrung weiter konsumiert. Man spricht man sich im Rausch meist mehr und hier von vulnerablen Psychosen. Deshalb ist es wichintensiver bewegt, sollte man vor dem tig, auf die psychischen Signale während und nach Konsum und während des Rauscherlebnisses dem Konsum zu achten. Wenn sich die Drogenwirwiederholt Nährstoffe zu sich nehmen. kung schlecht anfühlt und/oder wenn während oder nach dem Rausch Paranoia, Angstzustände oder Depressionen auftreten, sollte man auf den weite- unterschätzt. Das optimale Setting für einen ren Konsum dieser Substanz verzichten. risikoarmen Konsum gibt es natürlich nicht. Doch Zum Set gehört auch der körperliche und psy- viele kennen das Gefühl, auf der richtigen Substanz chische Zustand am Tag des Konsums. Generell lässt im falschen Setting zu sein. Ausschlaggebend für sich das ganze Wirkungsspektrum psychoaktiver die Wahl des Settings sind die Substanz, die man Substanzen nur psychisch stabil, erholt und ohne konsumieren will, und die Konsumerfahrungen Hunger- und Durstgefühl erfahren; der Zeitpunkt (Erfahrungen mit verschiedenen Substanzen in der Nahrungsaufnahme vor dem Konsum kann den unterschiedlichen Settings). Je größer der ErfahBeginn der Wirkung beeinflussen. rungsschatz einer Person ist, desto leichter findet sie sich berauscht in einem Setting zurecht. Damit hat Das Setting sie die Möglichkeit, in einer kritischen Situation – Bevor die psychonautische Reise beginnt, sollte man zum Beispiel bei Unwohl­sein oder psychischer Übersich des Reiseorts bewusst sein, denn der Einfluss forderung – so zu reagieren, dass das Rauscherlebnis des Settings auf Rausch und Risiko wird nicht selten nicht zum Bad Trip wird.


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Ecstasy-Pillen im Herbst 2015. Fotos: Saferparty

Die Substanz (Drug) Rauschzustände werden nicht durch die Substanz selbst, sondern durch ein komplexes Blut-, Hirn- und Botenstoffsystem hervorgerufen. Damit Substanzen eine Wirkung erzeugen, müssen diese Stoffe zuerst ins Blut, über dieses in den Kopf und dort über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gelangen (www.jellinek.nl/brain/start.htm); sie nutzen also unser biologisches System, um zu wirken. Grundsätzlich handelt es sich bei psychoaktiven Substanzen um potentielle Gifte. Die Dosis beeinflusst nicht nur die Wirkung, sie entscheidet auch darüber, wie giftig eine Substanzeinnahme tatsächlich ist. Risikoarm ist ein Konsum, bei dem man die Dosierung an die Zusammensetzung der Substanz, die Einnahmeart und das persönliche Set anpasst. Vor dem Konsum bedarf es spezifischer Informationen zu Wirkung, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen einer bestimmten Substanz; diese findet man heute leicht im Internet, wobei Wikipedia durchaus brauchbare, aber eher allgemeine Informationen zur Verfügung stellt (eine Liste von Websites mit vertiefenden, spezifischen Informationen ist am Schluss dieses Artikels aufgeführt). Im Smartphone-Zeitalter ist es möglich geworden, sich auch mobil über Substanzen zu informieren. Dies ist besonders bei spontanem oder ungeplantem (Misch-)Konsum sinnvoll. Mischkonsum bedeutet immer ein höheres Risiko, da verschiedene psychoaktive Substanzen, auch Medikamente, Wechselwirkungen hervorrufen können. Eine interessante Aufstellung zu den Risiken verschiedenster Substanzkombinationen findet sich auf www.is.gd/JEyVSr .

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Das größte Substanzwissen bringt jedoch nichts, wenn die Zusammensetzung der Substanz unbekannt ist. Denn der Reinheitsgrad sowie allfällig enthaltene Streckmittel können das Risiko beim Konsum stark beeinflussen und eventuell zu ungewollten Überdosierungen führen. Für legale Stoffe wie Tabak und insbesondere Alkohol wird die Reinheit und die genaue Zusammensetzung auf dem Produkt von Gesetzes wegen deklariert; bei illegalen Substanzen fehlt eine solche Deklaration. In Holland und in einigen Regionen der Schweiz sowie in Spanien, Portugal, Frankreich und Österreich kann man im Rahmen von Drug-Checking-Angeboten psychoaktive Substanzen zur Analyse abgeben. In der Schweiz und in Österreich werden diese Resultate zumindest teilweise veröffentlicht (checkyourdrugs.at, saferparty.ch). Die Zusammensetzung der Substanz zu kennen, ist eine elementare Voraussetzung für den risikoarmen Konsum. Lässt sich diese nicht in Erfahrung bringen, sollte man mit einer kleinen Menge beginnen und mindestens zwei Stunden warten, bevor man nachdosiert. Quellen: Amendt, G. (2003) No Drugs. No Future: Drogen im Zeitalter der Globalisierung. Hamburg; ∙ Leary, T., Metzner, R. and Alpert, R. (1969) The Psychedelic Experience: A Manual Based on the Tibetan Book of the Dead. London; ∙ Zinberg, N., E. (1984) Drug, Set, and Setting: The Basis for Controlled Intoxicant Use. New Heaven

LINKS ZUM THEMA saferparty.ch raveitsafe.ch eve-rave.ch know-drugs.ch

checkyourdrugs.at drogenarbeitz6.at drugscouts.de erowid.org dancesafe.org

ALEX BÜCHELI (M.A.) arbeitet seit 2001 in der Prävention und Schadensminderung im Freizeitdrogenbereich. Von 2001 bis Frühjahr 2015 zuständig für die Nightlife-Präventionsangebote von saferparty.ch. Aktuell aktiv für die Netzwerke Safer Dance Swiss, Safer Nightlife Schweiz und Safer Clubbing Schweiz sowie als freischaffender Berater für Prävention und Schadensminderung. www.a-buecheli.ch


Raumklang, Zürich, Oktober 2014 / Foto: mysticalpics.ch

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Psychedelic Progressive

Trance

Wie sich Psytrance und Progressive Trance verkrachten – und sich zur Freude der Psychonauten wieder versöhnten. TEXT

GOA

Rob erdo Rav al

Drei Buchstaben sind genug, um ein farbenfrohes Repertoire von Assoziationen zu wecken. Szenefremde mögen sich nun dreadlockige Hippies in quietschebunten Klamotten vorstellen, von Hasch und Räucherstäbchen geschwängerte Partyluft und vor allem einen ziemlich durchgeknallten Sound. Anhänger der Goa-Szene sind sich zudem darüber im Klaren, dass dieser ziemlich durchgeknallte Sound heutzutage recht differenziert ist. Von hyperaktiv-psychotischen 180 Einschlägen pro Minute bis zu poppigem Arschwackel-Groove ist auf einem Goa-Festival so ziemlich alles möglich.

Zwischen diesen Extremen hat sich ein Genre entwickelt, welches das Beste aus den psychedelischen Klangwelten von Goa vereint: Progressive Trance. Lebensfrohe Delfine hüpfen vor der Kulisse eines tropischen Sonnenuntergangs aus dem Meer. Im glühenden Abendhimmel über ihnen öffnen sich transdimensionale Wurmlöcher, aus denen außer­ irdische Wesen strömen. Dieses Klangbild bestimmte bis Mitte oder Ende der Neunziger den Sound von Goa Trance. Der Name kommt nicht von ungefähr: Das indische Goa gilt seit Beginn der HippieBewegung als Paradies für Aussteiger aus aller


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Trance war eine Reise in den Sound, hatte eine warme Botschaft aus erdachten und erträumten Welten und eine Geschwindigkeit, die sich auf den menschlichen Herzschlag bezog.

Welt. Irgendwann schwappte die Technowelle an seine palmengesäumten Strände, und elektronische Tanzmusik wurde aufgrund ihres subkulturellen und überaus psychedelischen Potenzials begierig aufgesogen. Als jene Welle schließlich gebrochen war, rollte sie zurück nach Europa. Doch dort wurde man der überbordenden Melodien, der ekstatischen AcidKaskaden und des an Hysterie grenzenden Frohsinns des nun als «Psytrance» bezeichneten Sounds nach und nach überdrüssig. Stattdessen entdeckte man die psychedelischen Qualitäten von minimal gehaltenen Arrangements, die sich auf Rhythmus und einzelne Sounds konzentrierten. «Es gab so ein generelles Gefühl, wegzukommen vom verschwurbelten, hippiesken, Sonne- und LSD-getränkten Psytrance hin zu einer technoiden, ernsthafteren, europäischeren Variante», erinnert sich Mario Reinsch, der mit seinem Projekt

Haldolium zu den Pionieren von Progressive Trance zählt. Ein nicht weniger einflussreicher Produzenten-Kollege, Atmos aus Schweden, fasste die Situation im Interview um die Jahrtausendwende so zusammen: «Progressive Musik wurde für viele DJs und Musiker ein Ausweg, als ihnen klar wurde, dass klassische Trance-Musik immer weniger ihren Sinn erfüllte, weil sie tatsächlich nicht mehr trancig genug war. Sie wurde lediglich immer schneller und schneller, hysterisch, lärmend und beliebig. Zuvor, von 1990–1995, war Trance eine Reise in den Sound. Trance hatte eine warme Botschaft aus erdachten und erträumten Welten und eine Geschwindigkeit, die sich auf den menschlichen Herzschlag bezog. Trance war eine Lebensauffassung, ein Bewusstseinszustand – anstelle der späteren Einbahnstraße in die Hölle, bei der es nur noch }


7 6   P S YC H E D E L I C P R O G R E S S I V E T R A N C E

PROGRESSIVE PROTAGONISTEN Progressive Psytrance

Hamburg Sound

} Atmos }  Ace Ventura } Aerospace }  Captain Hook } Gaudium } Haldolium }  Liquid Soul }  Son Kite } Zyce

}  Fabio & Moon }  Interactive Noise }  Morten Granau }  Neelix } Phaxe } Vice

Dark Progressive } Grouch }  Kliment } Merkaba } Sensient } Pspiralife

um den größtmöglich hysterischen Wirbel und Messages geht, wieviel Mikrogramm wovon ein menschlicher Kopf vertragen kann, ohne zu explodieren.» Interessanterweise sind insbesondere das klimatisch eher kühle Skandinavien sowie die deutschsprachigen Länder der Innovationsmotor für jene neue Spielart von Trance. Im Jahre 1999 legte ein Duo aus Malmö den wegweisenden Titel «Knob Adjustment» vor. Der trocken abgemischte, gezielt auf Rhythmik reduzierte, von trippigen Percussions und einzelnen Soundeffekten bestimmte Titel kommt ohne vordergründige Melodien aus, ist aber trotzdem extrem hypnotisch und psychedelisch. Son Kite, so der Projektname der beiden Jungs, gelten bis heute als Wegbereiter von Progressive Trance. Das Gleiche gilt für ihren schwedischen Landsmann

Richtungsweisende Psy-Prog-Platten

Atmos, den wir oben bereits zitiert haben. Ebenfalls im Jahre 1999 veröffentlichte er einen Track, der von manchen als der Grundstein des Genres schlechthin betrachtet wird: «Klein Aber Doctor». Auf einem extrem fett produziertem Offbeat-Bass wandern knarzige Synthesizer-Sounds durchs aufgeräumte Stereopanorama, die verschachtelte Rhythmik spielt sich scheinbar im Hintergrund ab, erst zur Mitte des Titels kommt eine entrückte Melodie dazu. Bis heute ist das gute Stück immer wieder mal auf einer Party oder einem Festival zu hören. In der Schweiz machte das Projekt Sonnen­ vakuum mit funktional-minimalistischen Produk­ tionen von sich reden. Und in Deutschland stellte sich insbesondere der Hamburger Raum als Brennpunkt der aufkeimenden Progressive-Trance-Szene heraus: Mit dem Album Supply From Below legten Intact Instinct einen berauschenden Techno-Trance-Hybriden vor, und der bereits etablierte Produzent Shiva Chandra reduzierte seinen Sound auf knarzige Rhythmuskonstruktionen. Auch Mario Reinsch kommt aus der Hansestadt. Im Jahr 2000 setzte er mit seinem Projekt Haldolium einen echten Meilenstein, nämlich das düster-organische Album H2. Zurückblickend sinniert er über die Entstehung des Genres: «Bevor Progressive eigentlich definiert wurde, sprachen viele DJs im norddeutschen Raum auch gerne von Tribal, und versuchten, mehr schlecht als recht, in diesem Sinne Stücke zu finden und in ihre Sets einzubauen. Aus meiner Sicht gab es ungefähr 1998 den entscheidenden Bruch. Was man 1996/97 vorgefunden hatte, konnte man stilistisch entweder wunderbar minimalisieren, mehr Betonung auf die Bässe legen, den Tiefbass-Bereich ausloten ... daraus wurde Progressive.


Oder aber man machte es krasser. Das kann man sehr schön hören, wenn man zum Beispiel X-Dream‘s We Created Our Own Happiness mit ihrem späteren Werk Radio vergleicht: Das erste liebte ich, das zweite gefiel mir gar nicht mehr, weil es zeitgleich zu Radio dann zum Beispiel auch schon Atmos und uns gab, die sich alle klar für die andere Richtung entschieden hatten.» Der angesprochene Bruch vollzog sich übrigens auch optisch: Beim Gang in den Plattenladen fielen neben den kunterbunten Covern mit Fraktalmustern, psychedelischer Kunst und indischen Gottheiten nun immer mehr solche mit klaren Linien, modernen Grafikdesigns und einer ganz anderen Ästhetik ins Auge. So kann man auf den ersten Blick unterscheiden, ob es sich um eine Progressive-Trance- oder Psytrance-Veröffentlichung handelt, und schon bald gab es auch entsprechend getrennte Fächer. Im Lexikon wird der Begriff «progressiv» mit «fortschrittlich, sich allmählich steigernd, sich entwickelnd» erklärt. Es liegt wohl in der Natur eines Genres, das mit diesem Attribut versehen ist, nicht einfach stehenzubleiben. Von seinem Aufkommen in den späten Neunzigern bis heute hat Progressive Trance viele verschiedene Entwicklungsstadien durchlaufen und dabei diverse Subgenres ausgebildet (siehe Box links). Um es kurz zu machen: Die ursprüngliche Begeisterung für Minimales und Technoides wurde ab einem gewissen Punkt zu weit getrieben. Die Grenzen zu Progressive House und Techno verblassten, was wiederum zu einer Identitätskrise der Szene führte: Warum auf eine GoaParty gehen, wenn dort praktisch der gleiche Sound gespielt wird wie auf anderen Events? Einige wanderten in benachbarte Genres ab, wo sie bis heute glücklich und zufrieden feiern. Andere wollten den Spirit von Goa nicht vollends aufgeben und sind seitdem bemüht, Progressive wieder mehr in Richtung Trance zu manövrieren. Herausgekommen sind dabei mindestens drei Subgenres: Hamburg Sound wird zwar nicht nur in der norddeutschen Hansestadt produziert, hat dort aber seinen Ursprung. Es handelt sich um eine mehr oder weniger clubbige Variante von Progressive Trance. Der Akzent liegt auf trocken-minimalen Arrangements, auf ultra-fetten Bässen, die typi-

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Foto: Pierre Ekman

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«Bei Progressive Trance geht‘s um Struktur und Atmosphäre. Weniger ist mehr. Wenn die Atmosphäre stimmt, nimmt dich der Groove gefangen, ohne dass du davon etwas mitbekommst.» Ace Ventura scherweise im Offbeat-Rhythmus pumpen, auf eingängigen Melodien und einer ausgeprägten Break-Kultur, gerne werden auch mal Vocals verwendet. Das zweite Subgenre nennt sich Dark Progressive: Wenig Melodie, dafür aber jede Menge hochgradig halluzinogene Sounds und verpeilte Samples treffen auf reduzierte, latent technoide Grooves im gemäßigten Tempo-Bereich. Erinnert atmosphärisch mitunter deutlich an Progressive Trance der ersten Stunden, ist in Sachen Soundqualität allerdings auf dem Stand der modernen Studiotechnologie. Und dann ist da noch das unter Psychonauten aus aller Welt extrem beliebte Subgenre Nummer drei, dem wir uns hier etwas genauer widmen wollen: Progressive Psytrance oder Psy Prog. Wie der Name erahnen lässt, handelt es sich dabei um die Versöhnung von Progressive Trance und Psytrance, die sich im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends immer weiter auseinanderbewegt hatten. Besonders gut gelingt sie beispielsweise dem israelischen Produzenten Ace Ventura: «Vor ein paar Jahren war Progressive so um die 135 BPM und typischer Psytrance so um die 145 BPM. Aber die Zeiten ändern sich ... Für mich sind 138 bis 140 BPM }


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One Love Festival, Filisur, Juli 2015. Foto: mysticalpics.ch

die perfekte Geschwindigkeit. Das ist energetisch und nicht zu lahm, aber eben auch nicht zu schnell. Offenbar trifft es den Nerv von Progressive-Tranceund Psytrance-Freaks gleichermaßen, es ist halt

«Klangebenen, die mit psychedelischen Sounds, Leads und Effekten deine Neuronen kitzeln ...» genau zwischen diesen beiden Richtungen.» Deshalb wird sein Stil mitunter eben auch als Progressive Psytrance oder Psy Prog beschrieben. Ist es nicht wunderbar? Die Kreise schließen sich, und die Begriffsverwirrung ist perfekt! Jedenfalls ist nicht zu überhören, dass der mittlerweile in der Schweiz ansässige Produzent einen deutlichen Akzent auf psychedelische Elemente setzt, wobei er grundsätzlich aber einen durchaus traditionellen Ansatz verfolgt: «Bei Progressive Trance geht‘s um Struktur und Atmosphäre. Für einen progressiven Aufbau, ein sich schrittweise entwickelndes Arrangement gilt: Weniger ist mehr. Alles ist ein bisschen minimaler gehalten als im handelsüblichen Psytrance-Track, die Dinge nehmen ihren Lauf, steigern sich allmählich zu einem Crescendo. Perkussive Elemente geben dem Groove eine tribalistische, urzeitliche Energie. Und dann sind da noch verschiedene Klangebenen, die sich mit psychedelischen Sounds, Leads und Effekten um deine Hirnwindungen wickeln und deine Neuronen kitzeln.

Wenn die Atmosphäre stimmt, nimmt dich der Groove gefangen, ohne dass du davon etwas mitbekommst. Leider wurde Psytrance in den letzten 15 Jahren fast ausschließlich von SechzehntelBasslines dominiert. Triplet-Rhythmen wurden in den letzten Jahren für Effekthascherei missbraucht, um möglichst schnell und viel Feedback von der Tanzfläche zu kriegen. Und Offbeat wird häufig mit trockenem Sound assoziiert, der eher wie Disco oder Pop funktioniert. Aber wie dem auch sei – ich benutze alle drei Rhythmusformen, denn jede einzelne kann einen ganz besonderen Vibe heraufbeschwören.» Mit dieser Formel gelingt Ace Ventura eine ziemlich eingängige Mischung von Progressive Trance und Psytrance – und er ist natürlich nicht der einzige Produzent auf diesem Gebiet. Haldolium hat sich nach musikalischen Ausflügen in viele verschiedene Stilrichtungen ebenfalls wieder auf eine deutlich psychedelische Note besonnen: «Hypnotisch im Arrangement. Im Sound so klar, präzise und gestochen scharf wie nur möglich. Weit und tief und räumlich im Mix.» Eine durchaus treffliche Selbstbeschreibung für sein mittlerweile zehntes Album, Hx, dessen Name nicht ohne Grund an seinen weiter oben erwähnten Meilenstein erinnert. Und auch die Jungs von Son Kite haben sich Ende 2014 mit dem Album Prisma zurückgemeldet, nachdem sie während der letzten Jahre unter dem Namen Minilogue im Techno-Bereich umtriebig waren. Es handelt sich um ein schlankes, minimalistisches Werk, dessen psychedelische Brillanz in seinen psychoakustischen Details liegt. Die aufwändigen Live-Auftritte des schwedischen Duos sind übrigens nicht nur eine Abfolge von Titeln, sondern vielmehr eine fortlaufende, organische Modulation, die sich auf den subtilen Aufbau einzelner Sounds und Melodien konzentriert. In anderen Worten: so psychedelisch, wie sie nur sein kann – und progressiv im ursprünglichsten Sinne des Wortes.

ROBERDO RAVAL ist freischaffender Journalist und Werbetexter sowie DJ und Kenner der PsyTrance- bzw. Techno- und Elektro-Szene und -Kultur. Roberdo Raval schreibt unter anderem für das Mushroom Magazine und bereist, nicht nur als Reporter, Festivals auf der ganzen Welt. textfinesse.de


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Foto: Fotolia

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Raumlufterfrischer, Badesalze & Co. Research Chemicals – Produkte einer verfehlten Drogenpolitik TEXT

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Kev i n J o h a n n

as Phänomen der Research Chemicals (RC) Tag zu Tag und wird für den potenziellen Verbraucher ist nicht neu. Bereits in den 1980er- und zunehmend unüberschaubar. Denn es stehen Sub1990er-Jahren wurden synthetische Rein- stanzen zur Auswahl, deren Wirkprofile das gesamte substanzen hergestellt, die bis zu ihrem Verbot als Spektrum an denkbaren Rauschwirkungen ab­legale Ersatzstoffe für bereits illegalisierte Substan- decken – von euphorisierend, entaktogen, stimuliezen verkauft wurden, beispielsweise DOM und 2C-B. rend bis hin zu dissoziativ und psychedelisch, abhänDie enorme Ausbreitung dieses Phänomens in den gig von der jeweiligen Stoffgruppe. letzten Jahren ist hingegen völlig neu. Allein im Jahr 2014 wurden dem EU-Frühwarnsystem 101 neue Was sind Research Chemicals? Substanzen gemeldet*, was bedeutet, dass im Research Chemicals sind synthetische ReinsubstanDurchschnitt pro Woche zwei neue Substanzen auf zen, die ursprünglich im Rahmen der Pharmaforden Markt gelangen, die zunächst einmal legal schung entwickelt wurden – daher die Bezeichnung erworben werden können, bis sie vom Gesetz erfasst «Forschungschemikalien» – und über das Internet werden. unter ihren tatsächlichen chemischen Namen Der Markt für Research Chemicals, der sich in vertrieben werden; häufig unter der Bezeichnung erster Linie auf das Internet beschränkt und dadurch «nur für Forschungszwecke» bzw. «Research use über eine enorme Reichweite verfügt, wächst von only». Gleichzeitig handelt es sich um die psycho­ aktiv wirksamen Inhaltsstoffe diverser «Legal } * Europäischer Drogenbericht 2015: S. 32.


8 0   R AU M LU F T E R F R I S C H E R , B A D E S A L Z E & C O .

High»-Produkte, etwa von «Räuchermischungen» oder «Badesalzen». Dabei fungieren sie meistens als legale und ähnlich wirkende Ersatzstoffe für bereits illegalisierte Substanzen. Mangelndes Forschungswissen Ein wesentliches Merkmal von Research Chemicals ist es, dass die meisten dieser Stoffe – im Gegensatz zu ihren illegalen Pendants (z. B. Amphetamin, Cannabis, DMT, Kokain, LSD, MDMA, Meskalin und Psilocybin) – bisher kaum pharmakologisch erforscht wurden. So lassen sich über ihren genauen Wirkmechanismus, ihre Toxizität, ihre Wechselwirkungen mit anderen Stoffen sowie über Langzeitfolgen und die letale Dosis keine zuverlässigen Angaben machen. Der Gebrauch von Research Chemicals ist somit in der Regel mit deutlich höheren Risiken verknüpft als die Einnahme klassischer illegalisierter Substanzen.

5-MeO-DIPT aus einem RC-Shop

Rechtliche Situation Was ihren rechtlichen Status betrifft, sind Research Chemicals zum Zeitpunkt ihrer Markteinführung legal – zumindest solange, bis sie erfasst und ins gen getroffen werden können. Genau dies ist bei den BtMG aufgenommen wurden. Doch sobald dies RC aber nicht der Fall, was diese Substanzen – geschehen ist, modifizieren findige «Drogendesig- zumindest solange sie unerforscht bleiben – so unbener» einfach das chemische Grundgerüst, sodass rechenbar macht. Ein mündiger und risikoarmer eine neue Verbindung entsteht, welche dann erst Umgang fällt mit den gut erforschten, jedoch illeeinmal wieder legal verkauft werden kann: ein stän- galisierten Klassikern deshalb wesentlich leichter als diges Katz- und Maus-Spiel. Gemäß einem Urteil mit den RC. Ein grundlegender drogenpolitischer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Paradigmenwechsel hin zu einer generellen EntkriJahr 2014 ist es nicht möglich, den Verkauf von minalisierung von Drogen – unter Einbezug von Research Chemicals über die Anwendung des Harm Reduction (Schadensminimierung), Safer Use Arzneimittelgesetzes (AMG) zu verbieten, Das (Risikominimierung) sowie der Vermittlung von DroGericht begründet dies damit, dass die neuen psy- genkompetenz – erscheint als die einzig logische choaktiven Substanzen im Sinne des Gesetzes keine Maßnahme, um dem Phänomen der RC adäquat zu bzw. nicht per se Arzneimittel seien. begegnen. Ein Paradigmenwechsel ist nötig Das Phänomen der Research Chemicals ist ohne Zweifel das Produkt einer verfehlten Drogenpolitik. Denn es zeigt, dass Drogenverbote nicht schützen, sondern letztlich nur dafür sorgen, dass immer mehr neue Substanzen auf den Markt gebracht werden, deren Einnahme viel risikobehafteter ist als jene der illegalisierten «Klassiker». Über die klassischen Drogen, wie zum Beispiel Cannabis, DMT, LSD, MDMA usw., wurden inzwischen umfassende Forschungsarbeiten initiiert, sodass über ihre Wirkungen, Nebenwirkungen und Dosierung qualitative Aussa-

KEVIN JOHANN, geboren 1987, ist Erzieher, Sozialpädagoge/Sozialarbeiter sowie freischaffender Autor zu den Themenbereichen Selbsterfahrung, geistbewegendes Wissen und Ethnobotanik. Diese Interessen führten ihn auch ins Ausland, unter anderem nach Indien und Marokko. Derzeit lebt er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin im Rheintal.


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Stoffgruppen-Typologie Hier ein kurzer Einblick in die wichtigsten Stoffgruppen (eine Liste einzelner Substanzen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen).

Aminoindane  Substanzen aus der Stoffgruppe der Amino­ indane, beispielsweise 2-AI (2-Aminoindane), MDAI (5,6Methylendioxy-2-aminoindan), MDMAI (5,6-Methylendioxy-N-methyl-2-aminoindan), MMAI (5-Methoxy-6-methyl-2aminoindan) und TAI (5-Trifluormethyl-2-aminoindan), chemisch strukturell mit Amphetamin und MDMA (Ecstasy) verwandt. Wirkung: sti-

MDMAI

mulierend bis hin zu entaktogen (die inneren Gefühle betonend). Die meisten dieser Substanzen wurden von dem amerikanischen Chemiker David E. Nichols entwickelt.

Amphetamine Derivate von Amphetamin («Speed») gehören, genau, wie die synthetischen Cathinone, zur Gruppe der Pheny­lethylamine. Ihre Wirkeigenschaften reichen von stimulierend und entaktogen bis hin zu halluzinogen. Bekannte und als Research Chemicals verkaufte Substanzen aus dieser Stoffgruppe sind unter anderem 2-FA (2-Fluoramphetamin), 3-FA (3-Fluoramphetamin), DOB (2,5-Dimethoxy-4-bromam­ phetamin), 4-FA (4-Fluoramphe-

tamine), PMA (Para-Methoxyam­phetamin) sowie 2-FMA (2-Fluormethamphetamin). Die letzten vier genannten Stoffe unterstehen bereits dem BtMG und dürfen nicht mehr legal verkauft und erworben werden. Eingenommen werden sie meist nasal oder oral. Mögliche unangenehme Nebenwirkungen sind Schweißausbrüche, Muskelkräm­pfe sowie eine Erhöhung des Herzschlags, bei hohen Dosierungen auch depressive Verstimmungen sowie leichte Kopfschmerzen nach dem Konsum.

Research das am fünfthäufigsten konsumierte RC.1

Benzodiazepine «Benzos» weisen ein dämpfendes und beruhigendes Wirkprofil auf und werden in der Medizin deshalb zur Therapie von Angststörungen und Schlaflosigkeit eingesetzt, so zum Beispiel die Substanz Diazepam. Einige Vertreter dieser Stoffgruppe werden online als

Arylcyclohexylamine Diese Stoffgruppe umfasst alle Ketamin- und Phencyclidin-(PCP)-Derivate. Diese Substanzen führen über ihre Anbindung an die NDMA-Rezeptoren einen dissoziativen Rausch sowie bei höherer Dosierung eine Narkose herbei. Die bekanntesten

Methoxetamin

Arylcyclohexylamine sind Esketamin ((S)-Ketamin), Gacyclidin, Ketamin («K»), Methoxetamin (MXE), PCC, PCDEA, PCE, PCM, PCP, TCM, TCP und Tiletamin. Das dissoziativ wirkende Ketaminderivat Methoxetamin wurde bis zur Aufnahme ins BtMG 2013 als Research Chemical vertrieben und war gemäß einer OnlineBefragung des Centre for Drug

Das RC Phenazepam

Research Chemicals vertrieben, etwa Diclazepam, Flubroma­ zepam und Phenazepam. Risiken bei regelmäßiger Einnahme sind einerseits Nebenwirkungen wie Benommenheit, Müdigkeit oder Konzentrationsstörungen, andererseits die Entstehung einer Sucht. Der andauernde Konsum führt nämlich zu einer raschen Toleranzentwicklung mit erhöhtem Abhängigkeitspotenzial. Daher sollte man Benzodiazepine lediglich über kurze Zeiträume einnehmen.

Cannabinoide Aus dieser Stoffgruppe wurde in den letzten Jahren die meisten neuen psychoaktiver Substanzen ermittelt – allein im Jahre 2013 waren es 29. 2 Aufgetaucht sind die synthetischen Cannabinoide zuerst als Inhaltsstoffe der Räuchermischung «Spice»; }


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R AU M LU F T E R F R I S C H E R , B A D E S A L Z E & C O .

Cathinone Hierbei handelt es

JWH-018 («Spice»)

heute werden sie im Internet auch als Reinsubstanzen angeboten. Genau wie die Wirkstoffe des natürlichen Cannabis docken sie an den Cannabinoid-Rezeptoren an und entfalten dadurch ihre Wirkung. Da sie schon bei minimalsten Dosierungen hochwirksam sind, können – im Gegensatz zum «Original» – versehentliche Überdosierungen mit unangenehmen Nebenwirkungen schnell eintreten. Eingeteilt werden die synthetischen Cannabinoide in sieben Hauptgruppen:     Naphthoylindole z.B.  JWH-018, JWH-073, JWH-398   Naphthylmethylindole z.B.  JWH-175   Naphthoylpyrrole z.B. JWH-030   Naphthylmethylindene z.B.  CRA-13   Phenylacetylindole z.B. JWH-250.   Cyclohexylphe­nole z.B. CP 47, CP 497 und Homologe     Klassische Cannabinoide z.B. HU-210, AM-906, O-1184. Die Substanzkürzel geben oft Aufschluss über die «Erfinder». Beispielsweise steht JWH für John William Huffmann, CP für Cannabinoid Pfitzer, HU ist das Kürzel für Hebräische Universität Jerusalem, und AM steht für Alexandros Makriyannis.

sich um sogenannte bk-Amphetamine (β-keto-α-methylphenylalkylamine). Ihre ursprüngliche Stammverbindung ist das in der Khat-Pflanze identifizierte Cathinon. Insgesamt wurden in den letzten Jahren über 50 verschiedene Cathinonderivate ermittelt.3 Ihre Synthese und Abfüllung erfolgt meist in China oder Indien. Das erste Cathinon auf dem RC-Markt war Meth­ cathinon (Ephedron, «CAT»), das oral oder nasal eingenommen stimulierend, entaktogen, vigilanzsteigernd und euphorisierend wirkt. Weitere substituierte Cathinonderivate, die als Research Chemicals oder deklariert als «Raumlufterfrischer» und «Badesalz» vertrieben wurden, sind unter anderem Methylon (MDMC, «Explosion», «Ease» etc.), Mephedron (4-MMC, «Meow»), Methylen­ dioxypyrovaleron (MDPV) und Pentedron – alles Substanzen, die inzwischen dem BtMG unterstellt sind. Bisher noch legal erhältlich ist dagegen 4-Methylethcathinon (4-MEC). Nebenwirkungen, die nach der Einnahme von Cathinonderivaten auftreten können, sind unter anderem Tachykardie, Brustschmerzen, Kopfschmerzen, Unruhe sowie aggressive Verstimmungen.

Kokainderivate Diese Stoffgruppe umfasst Substanzen, deren Struktur sich vom Psychostimulans Kokain ableitet. Sie werden aufgrund ihrer lokalanästhetischen Wirkeigen-

schaften als Arzneistoffe untersucht. Als RC oder «Bade­ salze» sind drei der bekannten Kokainderivate von Bedeutung, nämlich 3-(p-Fluorbenzoyloxy) tropan (pFBT), Dimethocain sowie Nitracain. Bei Dimethocain überwiegt allerdings die anästhetische Komponente; es wird bezweifelt, ob dieser Stoff

Kokainderivate. Foto: Fotolia

überhaupt stimulative Effekte hervorruft. Substanzen dieser Stoffgruppe werden nasal konsumiert. Nebenwirkungen sind ein erhöhter Herzschlag bis hin zu Herzrasen sowie eine Hemmung des Appetits.

Opioide Synthetisch hergestellte Opioide, etwa Tilidine sowie Fentanyl- oder Morphin­ derivate, wirken über ihre Anbindung an den sogenannten Opioidrezeptoren und werden in der Medizin aufgrund der stark schmerzlindernden Wirkung meist als Analgetika (Schmerzstiller) eingesetzt. Vereinzelt werden sie inzwischen aber auch im Internet als Research Chemicals vertrieben, etwa ButyrFentanyl, AH-7291 und MT-45. Viele Opioide wirken euphorisierend und narkotisierend, allerdings verfügen sie, vergleichbar mit Heroin, über ein relativ hohes Abhängigkeits­potenzial.


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Phenylethylamine Neben den Amphetaminen und Cathinonen gehören zu den Phenylethylaminen eine Vielzahl weiterer Substanzen, deren jeweilige Wirkspektren von euphorisierend, entaktogen, stimulierend bis hin zu halluzinogen reichen, so zum Beispiel die psychoaktiven Naturstoffe Ephedrin und Meskalin. Wichtige Substanzen dieser Stoffgruppe, die inzwischen dem BtMG unterstellt wurden, sind zum Beispiel zahlreiche Amphetamin­ derivate (siehe Amphetamine), 2C-Verbindungen sowie NBO­ Me-Derivate (z. B. 25I-NBOMe). Letztere werden häufig als LSD-Ersatz verkauft, als RC in Reinform, aber auch in Form eines kleinen Filzpapiers, genau

Bromo-DragonFLY

Literatur

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wie das derzeitig noch legale psychedelische Phenethylamin Bromo-DragonFLY (8-bromo-­4(2-aminopropyl)benzodifuran).

Piperazine Zur Stoffgruppe der Piperazine gehören jene Substanzen, die aus der Ausgangsverbindung Piperazin entwickelt werden, beispielsweise BZP (1-Benzylpiperazin), mCPP (1-3-Chlorphenylpiperazin) und TFMPP (Trifluoromethylphenyl­ piperazin). Die Pharmakologie der Piperazinderivate (in der Humanmedizin häufig als Antidepressiva oder Antihistaminika und in der Veterinärmedizin z.B. als Entwurmungsmittel eingesetzt) basiert primär auf einer verstärkten Freisetzung der endogenen Botenmoleküle Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Sie haben meist stimulierende und euphorisierende Effekte; Konsumenten beschreiben ihre Wirkung häufig als MDMA-ähnlich. Nach einer hohen Dosis TFMPP kann es auch zu Wahrnehmungsveränderungen kommen. Mögliche Neben-

wirkungen sind Kopfschmerzen, Übelkeit und Ruhelosigkeit. Beim Mischkonsum von Piperazinen und Alkohol kann es aufgrund der Wechselwirkung zu schweren gesundheitlichen Komplikationen kommen. Verkauft werden Piperazinderivate meist in Pulver- oder in Tablettenform.

Tryptamine Zu den bekanntesten Vertretern dieser Stoffgruppe gehören DMT (Dimethyltryptamin), 5-MeODMT (5-Methoxydimethyltryptamin) und Psilocybin/Psilocin. Kennzeichnend für diese Moleküle ist, dass sie ein psychedelisches Wirkprofil aufweisen. Tryptaminderivate, die als «Forschungs­ chemikalien» über das Internet vertrieben werden, sind zum Beispiel 5-MeO-DALT, 5-MeODIPT sowie 5-MeO- MIPT. 1  Werse, Bernd/Cornelia Morgenstern: Online-Befragung zum Thema «Legal Highs», Frankfurt: Goethe-Universität, Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung, Centre for Drug Research 2011: S. 23. 2 Europäischer Drogenbericht – Trends und Entwicklungen 2014: S. 28. 3  Ebd.: S. 28.

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30 Jahre Pilzforschung Neue Arten, Wirkstoffe und viele Artikel TEXT

Jochen Gartz

V

or etwa 60 Jahren entdeckte der berühmte Ethnobotaniker R. G. Wasson (1898 bis 1986) zusammen mit seiner Frau einen alten Pilzkult in Oaxaca, Mexiko. Aus der Erforschung resultierte die Beschreibung neuer Arten durch Roger Heim (1900 bis 1979) in Frankreich, und Albert Hofmann (1906 bis 2008) berichtete im Januar 1958 über die Entdeckung des Wirkstoffes Psilocybin und dann bald der instabilen Vorstufe Psilocin (GARTZ 1999, 2014A). Die frühen Berichte über Expeditionen nach Mexiko mit verschiedenen Erwartungen und Erfahrungen sind auch heute noch spannend zu lesen (GARTZ 2014B) . Die Faszination dieser klassischen Erforschung ist bis heute ungebrochen: So hat sogar der afrikanische Staat Togo eindrucksvolle Briefmarken zur Erinnerung an Wasson in heutiger Zeit herausgegeben. Meine eigenen Untersuchungen wurden durch Berichte über eigenartige psychoaktive Wirkungen bei Risspilzen wesentlich mit beeinflusst, die sonst immer nur Vergiftungen mit Muscarin verursacht hatten (GARTZ 2011): Aus heutiger Sicht war es ein Glücksfall, dass der Pionierartikel von Gerhard Drewitz (1921 bis 2001) erschien, kurz nachdem ich begann, Pilze von der Weide zu untersuchen. So konnte erstmalig in der Inocybe aeruginascens

Babos Psilocybin nachgewiesen werden, was im Februar 1985 publiziert wurde. Als besonders «wertvolles Nebenprodukt» konnte eine neue analoge Substanz zum Psilocybin gefunden werden, die der Wissenschaft auch bezüglich der chemischen Synthese noch unbekannt war und nur in der Inocybe aeruginascens vorkommt (GARTZ 1999, 2011, 2014A). Die exakte Isolation dieses Aeruginascins aus Pilzmaterial und nachfolgender Synthese wurde mehrmals beschrieben (GARTZ 2014B) . Dieser Stoff scheint modifizierend bei der psychoaktiven Wirkung der Pilze zu wirken und ist bisher nicht gesetzlich erfasst (GARTZ 2011, GARTZ 2014B). Neben dieser spektakulären Entdeckung konnte ich im Rahmen meiner Habilitationsarbeit und den idyllischen Bedingungen in der DDR bezüglich der Erforschung dieser Pilze auch umfangreiche Arbeiten zur Kultivierung durchführen. So konnten erstmalig in vitro Fruchtkörper von Gymnopilus purpuratus (Cooke & Massee) Singer und Psilocybe bohemica Sebek erhalten werden, und verschiedene Anzuchtverfahren zeigten auch bei der bekannten europäischen Art Psilocybe semilanceata (Fr.) Kummer Erfolg (GARTZ 1999, 2014A). Besonders erfolgreich waren auch Versuche zur Biotransformation von Fremdsubstanzen, die den Kulturmedien für Psilocybe cubensis (Earle) Singer zugesetzt wurden. Die ohnehin als einfachster Zuchtpilz seit 40 Jahren

Psilocybe bohemica (links), P. cyanescens (Mitte) und P. azurescens (rechts). Alle Fotos: Jochen Gartz


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Exemplare des «neuen» Psilocybe germanica

bekannte Spezies tolerierte nicht nur hohe Dosen an Tryptamin, sondern auch von Stoffen mit Ethylund Propylgruppierungen, die in der Natur nicht vorkommen. Hier entstanden erstmalig biotechnologisch im Pilz die psychoaktiven Diethylanalogen des Psilocybins und Psilocins, die Albert Hofmann 1959 synthetisch hergestellt hatte. Dabei konnte auch erstmalig eine grünblaue Verfärbung der Psilocybe cubensis bei Druck beobachtet werden. In Analogie zur Oxydation des Psilocins, die zu blauen bis tiefblauen Verfärbungen führt, verfärbt die Diethylverbindung, so wie diese speziellen Pilze, bei Einwirkung von Sauerstoff. Die resultierenden sechs DDR-Patente zur Pilzkultur wurden im Original abgedruckt (Gartz 2014b): Faszinierend für den Mykologen ist die Auffindung von neuen Arten, die bisher noch nicht beschrieben wurden. Mit neuen Arten meine ich im klassischen Sinne die Abgrenzung der schon bekannten Pilze von Aufsammlungen mit konstanten, differenten Merkmalen. Heute gibt es auch Mykologen, z. B. aus Mexiko, die, allein sammelnd, dann winzige Details zur Artdifferenzierung aufwerten. Das ist unseriös, man sollte nur mal zum Vergleich die unterschiedlichen Typen von Menschen (eine Art, Homo sapiens) betrachten. Wir hatten das große Glück, mit viel Zeit für die Feldmykologie verknüpft, neue Arten mit eindeutiger Abgrenzung zu finden. So wurde die erste blauende und psychoaktive Pilzart Südafrikas im Januar 1994, im Hochsommer in 1500 Metern Höhe im Gras gefunden, das interessanterweise mit Kunstdünger

behandelt worden war. Diese Psilocybe natalensis Gartz, Reid, Smith & Eicker taucht mittlerweile als gültige Art auf (GARTZ 1995, STAMETS 1999) und wurde in Herbarien der Universitäten Leipzig, Berlin und Pretoria hinterlegt. Schon seit Beginn meiner Forschung haben mich Pilze von Holzresten besonders fasziniert. Im November 1986 hatte ich die Möglichkeit, mit Hilfe kompetenter Mykologen aus der damaligen CSSR, die Psilocybe bohemica bei Sazava in einer großen Anzahl von Pilzen zu studieren: Auf Seite 84 wird ein typischer Pilz mit feuchtem braunem, streifigem Hut gezeigt, der dann nach weiß

Die Ausbreitung der Pilze erfolgt durch Mulch-Holzreste. mit blauen Flecken abtrocknet.Besonders interessant ist die Verbreitung der Psilocybe cyanescens Wakefield mit ihren im Alter typischen gewellten Hüten seit etwa 1990 in Europa: Sie wurde bereits vor 70 Jahren aus den Kew Gärten in England beschrieben. Allerdings kommt bei solchen isolierten Standorten in Botanischen Gärten mit Recht sofort der Verdacht auf, dass eine Einschleppung des Pflanzenmaterials aus anderen Teilen der Welt erfolgte. 1962 wurde die Art aus dem Nordwesten der USA beschrieben, die identisch ist, wie ich selbst feststellen konnte. So glauben die Amerikaner an eine europäische Herkunft, die Europäer ebenfalls an eine Einschleppung der Art, vielleicht aus Nord­ amerika. Jedenfalls erfolgt die nun stürmische }


8 6   3 0 J A H R E P I L Z FO R S C H U N G

Ausbreitung der Pilze durch die neuartige Verwendung von Holzresten als dekorativem Mulch, auch zur Vermeidung von Unkraut (GARTZ 1999, 2014 A, 2014C, STAMETS 1999). Auf diesen speziellen Standorten können auch große Hexenringe des Pilzes vorkommen. Interessanterweise bilden sich die dicken Mycelien an der Stielbasis kaum aus, wenn der Pilz sie nicht braucht, weil er feine Holzreste oder sogar Holzkompost und Grasreste besiedelt. Man beobachtet diese Mycelien, wenn Holzstücke umschlossen werden. Biochemische Unterschiede bei den Holzbewohnern sind interessant. So bildet Psilocybe bohemica nur Psilocybin mit sehr wenig Nebenalkaloiden aus, während die Psilocybe cyanescens zusätzlich noch große Mengen Psilocin bildet (GARTZ 1999, 2014A, 2014C). Wir hatten ebenfalls das Glück, die ungewöhnlich große und sehr potente neue Art Psilocybe azurescens Stamets & Gartz 1995 zu beschreiben (Abb. S. 84), nachdem sie schon 20 Jahre alternativ als «Psilocybe astoriensis» – nach dem Fundort in Oregon – ohne gültige wissenschaftliche Beschreibung herumgeisterte (STAMETS & GARTZ 1995).

Sehr eindrucksvoll war, als ich im Oktober 1991 spät am Tag im Gebüsch des Hafengebiets von Astoria erstmalig riesenhafte Pilze der Art im Licht der Taschenlampe gezeigt bekam (GARTZ 2014C) . Die Unterschiede im Habitus der drei Arten sind schon von Laien zu bemerken. Biochemisch ist besonders interessant, dass die Psilocybe azurescens auch große Mengen an Baeocystin enthält, der biochemischen Vorstufe des Psilocybins – in Analogie zu Psilocybe semilanceata. Aber im Gegensatz zu dieser, auch noch große Mengen an Psilocin. Das Glück setzte sich 2013 und 2014 fort. Diese außergewöhnlichen Jahre brachten frische Pilze der drei Arten zur selben Zeit und von Mulch in Sachsen eine weitere, neue Art: Psilocybe germanica Gartz & Wiedemann, die bereits im größten deutschen Herbarium in Berlin (Dahlem) hinterlegt wurde (GARTZ & WIEDEMANN 2015). Sie wurde benannt nach den Elbgermanen, die vor 2000 Jahren dort siedelten. Die Online-Publikation ist erschienen, die Printversion der Erstbeschreibung steht noch aus. Daher zitiere ich hier die dortige englische Beschreibung (GARTZ & WIEDEMANN 2015) im Original (siehe Box).

Psilocybe germanica Gartz & Wiedemann Pileus 1-4 cm in diameter, always broadly umbonate,

the cap then drops, dry, white, not very hard, not

rarely flattering to a little turn up in age with a

flexuous, always curved, often multiple times,

persistent broad umbo, no traces of a veil at any

without traces of a veil, not fine mycelia on it,

stages, hygrophanous, moist deep brown, lacking a

sometimes solid lumps visible as a rub, easily staining

separable pellicle. Margin not wavy, not striate, not

deep blue when touched at all parts, at first touch

translucent when moist, fading in drying to whitish,

sometimes green discoloring until a very fast-moving

during development soon a spontaneous gray-bluish

to deep blue, the wood – like layer in the thickening

colouration on the umbo occurs, at age an additional

shows no blueing at all, stuffed with white mycelia at

strong blueing develops, particularly after rains and

first, later hollow, rhizomorphs on the base, keeping

during freezing, bruising of the white flesh also yields

wood subtrate together.

a strong blue colour, odour pleasantly aromatic.

Microscopic features spores : 9 – 12 × 5,5 – 7,5 micro

Lamellae at first brownish then dark purple-brown,

metres, with a clear germ pore, cheilocystia lageni-

closely set, alternating adnexed to alternate.

form, numerous, 25 – 33 / 6,0 – 8,3 micro metres,

Stipes 5 – 9 × 0,3 – 0,7 cm, characteristic enlarged at

pleurocystia absent.

the pileus, sometimes the

Habit and distribution Gregarious to cespitose on

thickening often

deciduous on wood chips from various plants, also on

impressed as a joint,

bark in mixture with soil and other wood debris.

in which the upper

Observed growing is from September to December.

end of the handle with

Psilocybe germanica mit typischer Stielverdickung


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Anzumerken ist noch, dass technisch bedingt in der Mykologie meist nur Exsikkate aus verschiedenen Herbarien vergleichend untersucht werden können. So offenbaren diese «Pilzmumien» in Analogie zu den anderen Mumien nur sehr begrenzte Hinweise auf das Leben. Man vergleiche nur die ein-

Psilocybe germanica ist auch biochemisch sehr interessant. drucksvollen Verdickungen der neuen Art bei den Frischpilzen nach Art eines Gelenks, wobei bei älteren Pilzen tatsächlich der Hut ab dieser Stelle nach vorn knickte. Jedenfalls war es großes Glück, von allen relevanten Arten die Frischpilze vergleichen zu können. Zu bemerken ist noch, dass diese Arten mikroskopisch alle sehr ähnlich sind, sonst ein Königsweg der Abgrenzung in der Mykologie. Psilocybe germanica ist auch biochemisch sehr interessant. Ihr Alkaloidmuster mit Psilocybin und Baeocystin erscheint völlig identisch zu Psilocybe semilanceata und daher von den anderen Holzbewohnern völlig abgetrennt! Auch hier fungierten als Standorte künstlich geschaffene Mulchflächen, im Gegensatz zu Psilocybe bohemica auf Holz- und anderen Pflanzenresten im Wald. Hier muss noch erwähnt werden, dass die Möglichkeit des Vorkommens von Psilocybin in Flechten (SCHMULL et al., 2014) noch nicht bewiesen wurde. Die Autoren schreiben, dass es durch das Fehlen von Vergleichssubstanz nicht möglich war. Nun gibt es diese im Handel durch die sehr geringe

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Konzentration auch legal ohne Restriktionen für Forscher. Durch das sehr ungewöhnliche Verhalten bei der Dünnschichtchromatographie reicht es auch, vergleichend bekannte Pilze als Extrakt auf die Analysenfolie aufzutragen, wie ich es in der Anfangszeit tat. Offensichtlich haben SCHMULL et al. bisher noch keine Analysen des Psilocybins, Baeocystins und des Psilocins durchgeführt. Ein gemeinsames Vorkommen mit DMT und 5-Methoxy-DMT wäre natürlich interessant, da bisher nur in Düngerlingsarten (Panaeolus-Species) Psilocybin zusammen mit Serotonin und 5-Hydroxy tryptophan bekannt geworden ist (GARTZ 1999, 2014A ). Der Bericht gibt aber keine konkreten Beweise, um dieses Vorkommen in Flechten anzunehmen. Die auf einem Keramikge- Unterer Teil eines fäss der his­torischen Moche aus Steigbügelgefässes der Moche (Archiv Gartz) Peru (1. bis 7. Jahrhundert) eindrucksvoll dargestellte Ekstase ließe sich mit den berichteten Pilzvorkommen (GARTZ 1999, 2014A) erklären (Abb. oben). In dieser Gegend sind noch tausend Jahre später psychoaktive Baumpilze beschrieben worden (GARTZ 1999, 2014A).

JOCHEN GARTZ,

geboren 1953 in Mansfeld, Harzvor-

land. Chemiestudium an der Technischen Hochschule, Merseburg. Arzneimittelforschung in Leipzig. 1984 bis 1991 Akademie der Wissenschaften, Mykologie, Chemie und Kultur von Pilzen, vor allem Psilocybinbildner. Autor zahlreicher Bücher und Artikel zu psychoaktiven Pilzen und anderen halluzinogenen Pflanzen und Substanzen.

blauenden Psilocybe-Arten von Holzresten in Europa. Südwestdeutsche Pilzrundschau 50 (1): 339.; | Gartz, J., Reid, D., Eicker, A. & Smith, M. T. (1995): Psilocybe natalensis sp. nov. – the first indigenous blueing member of the Agaricales of South Africa. Integration 6: 2934.; | Gartz, J. & Wiedemann, G. (2015). Discovery of a new caerulescent Psilocybe mushroom in Germany: Psilocybe germanica sp. nov. Drug Testing and Analysis (3th March, 2015).; | (www.drugtestinganalysis.com) DOI 10.1002/dta. 1795.;

| Schmull, M., Dal-Forno, M., Lücking, R., Cao, S., Clardy, J. & Lawrey, J. D. (2014): Dictyonema huaorani (Agaricales: Hygrophoraceaae), a new lichenized basidio­ mycete from Amazonian Ecuador with presumed hallucinogenic properties. The Bryologist 117 (4): 386394.; | Stamets, P. (1999): Psilocybepilze der Welt. Ein praktischer Führer zur sicheren Bestimmung. Aarau: AT-Verlag.; | Stamets, P. & Gartz, J. (1995): A new caerulescens Psilocybe from the Pacific Coast of North­ western America. Integration 6: 2127.


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Psilocybin und Zen-Meditation Eine neuartige Studie mit Pilzen in ungewöhnlichem Setting TEXT

Va n j a Pa l m e r s

Im Dezember 2014 und im März 2015 fanden im Meditationszentrum Felsentor, abseits der Touristenströme auf der Südseite der Rigi gelegen, zwei traditionelle Zen-Sesshins im Schweigen statt. Ein Sesshin ist auch für erfahrene Meditierende immer wieder eine Herausforderung, es dauert in der Regel eine Woche und umfasst täglich viele Stunden formeller Sitz- und Gehpraxis, Rezitationen und Niederwerfungen. Das ist an und für sich nichts Neues. Wir bieten diese Art intensiver Meditation seit der Gründung der Stiftung Felsentor vor gut 15 Jahren an; ich selber praktiziere sie seit über 40 und leite sie seit über 30 Jahren an. Und seit über 700 Jahren haben Menschen in Asien diesen Übungsstil in ziemlich genau der gleichen Form praktiziert. Sogar die Roben, welche einige von uns tragen, haben sich, wie alte Stiche und Gemälde zeigen, im Laufe der Jahrhunderte nicht wesentlich geändert. Neu – auch für mich – war der Umstand, dass am vierten Tag die Hälfte der jeweils 20 Teilnehmer Psilocybin, die andere Hälfte ein Placebo einnahm. Wir waren Teil einer offiziellen Studie der Universität Zürich. Auch für Franz Vollenweider, den für diese Studie verantwortlichen Professor, war dieses Setting neu. Er ist zwar einer der weltweit erfahrensten Wissenschaftler im Bereich Brain Imaging und Psilocybin und forscht seit über 20 Jahren auf diesem Gebiet, aber bisher waren das immer Einzelsitzungen gewesen, die alle in der Klinik stattgefunden hatten. Kein Wunder also, dass wir alle sehr gespannt und hoch motiviert waren. Im Tempelgebäude wurde ein Raum für mögliche medizinische Zwischenfälle eingerichtet; Ärzte, Psychologen und Betreuer standen bereit. Psilocybin ist aus medi­z inisch-toxikologischer Sicht als sehr sichere Substanz bekannt, außer einem möglichen leichten Anstieg des Blutdrucks sind eigentlich keine Nebenwirkungen üblich. Außerdem wurden nur gesunde und emotional stabile Perso-

Das Zendo im Felsentor. Foto: Nina Seiler

nen zur Studie zugelassen. Eine weitere Bedingung zur Teilnahme war eine jahrelange Erfahrung in Meditation und ein gewisses Vertrautsein mit dem Format eines Zen-Sesshins. Die wissenschaftliche Auswertung sowie die Langzeitbeobachtungen und -befragungen werden noch eine Weile dauern. Soviel kann ich aber als Leiter des Sesshins heute schon sagen: Von den 20 Teilnehmern, die das Psilocybin und nicht das Placebo bekommen haben, hatten alle eine positive und tiefe Erfahrung, und niemand hatte ernsthafte Verwirrungs- oder Angstzustände. Und soweit ich das aus persönlichen Rückmeldungen beurteilen kann, üben diese transformativen Erfahrungen weiterhin einen willkommenen Einfluss auf die Meditationspraxis und die Lebensführung aus. Es erfüllt mich mit großer Freude und Dankbarkeit, dass diese Studie stattgefunden hat; ich hoffe, dass ein weiteres Forschen in dieser Richtung möglich sein wird. Das Zusammenbringen einer soliden Meditationspraxis mit Psychedelika scheint mir vielversprechend, sowohl was die persönliche Entwicklung als auch das globale Geschehen betrifft. Mögen alle Wesen glücklich sein.

VANJA PALMERS, geboren 1948 in Wien, verheiratet. Hippie-Boutique/Label Vanja Palmers in Zürich. Drop-out, Wander- und Yogi-/Saddhu-Jahre. 1972–1982 Zen Center of San Francisco (Tassajara & Green Gulch). Seit 1978 Tierschutzaktivist. Gründer des Hauses der Stille Puregg, Salzburg, und der Stiftung Felsentor, Rigi. Seit 2010 Landwirt.


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Sakrales Stickbild der Huichol. Foto: Roger Liggenstorfer

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Auf dem Peyote-Weg TEXT

W

David Jerome Putnam

enn wir den bewährten Weg der psychedelischen (seelenenthüllenden) oder entheogenen (das Göttliche erweckenden) Katalysatoren im zeremoniellen Kontext betrachten, finden wir Halt in einer uralten, reichhaltigen Kulturgeschichte, die mehrere Jahrtausende zurückreicht und die von den monotheistischen und materialistischen Ideologien erst vor relativ kurzer Zeit begraben wurde. Wir versuchen in diesem einführenden Text, einen Einblick in die spirituelle Partnerschaft zu gewinnen, welche die Stammesgemeinschaften mit den heilenden Lehrerpflanzen pflegten. Die Native

American Church kann dazu inspirieren, selber auf die Suche nach eigenen schamanischen Vorfahren zu gehen. So kann man beispielsweise Zeugnisse eines weit verbreiteten religiösen Pilzkults auch in den jahrtausendealten Höhlenmalereien von Südfrankreich (Mont Bégo), Spanien (Villar del Humo) und Algerien (Tassili n‘Ajjer) entdecken. Die Native American Church. Wir befinden uns irgendwo im US-amerikanischen Staat Oklahoma, wo es heute um die 20 anerkannte Glaubensgemeinschaften der Native American Church gibt, die alle regelmäßig Peyote-Zeremonien abhalten. }


9 0   AU F D E M P E YOT E - W E G

Peyote (Lophophora williamsii) ist ein knopfartiger Kaktus, der hohe Konzentrationen von psychoaktiven Alkaloiden wie Meskalin enthält. Das amerikanische Gesetz stuft ihn daher als «Class A Drug» ein, also in die gefährlichste Drogenkategorie; «gefährlich» heißt aus der Sicht des Gesetzgebers, dass der Peyote-Kaktus und seine Inhaltsstoffe angeblich keinen nachweisbaren medizinischen Nutzen haben und obendrein noch süchtig machen. Davon unbeeindruckt hielten die Indianer an ihrer Tradition fest und kämpften für eine Legalisie-

Esst Peyote, und ihr werdet Jesus begegnen. rung zu rituellen Zwecken, was ihnen 1918 mit den ersten registrierten Native American Churches in Oklahoma auch gelang. Doch der Legalitätsstatus von Peyote befindet sich nach wie vor in einer rechtlichen Grauzone. Das Mainstream-Mantra in den USA lautet immer noch: «Alle Drogen sind schlecht, aber Religion ist OK». Der erste Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung besagt, dass die Religionsfreiheit – neben Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit – unangetastet

Der Peyote-Kaktus Lophophora williamsii in Blüte. Foto: Pick him! /Flickr CC 2.0

bleiben soll und alle Religionen gleichberechtigt behandelt werden müssen. Dank dieses Schlupflochs im Gesetz konnten sich die indianischen Religionsgemeinschaften samt allen notwendigen Ritualpflanzen über ganz Nordamerika bis nach Kanada ausbreiten. Innere Reise. Der Peyote-Kult soll vor mehr als 5000 Jahren bei mexikanischen Stämmen entstanden sein. Der nordmexikanische Stamm der Huicholen existiert noch heute, und sie unternehmen jährlich eine Pilgerreise zu den Wüsten, wo ihre heiligen Kakteen wachsen. Die nordamerikanischen Stämme Kiowa und Comanche importierten den Peyote-Kult im 19. Jahrhundert und schufen eine synkretistische Synthese zwischen ihren eigenen indianischen Traditionen und dem neu eingeführten (oder eher aufgezwungenen) Christentum. Die Christen interpretierten die unheimlichen Peyote-Visionen als Teufelszeug. Doch die indianischen Kirchengründer setzten einfach elegant ihren Großen Geist mit Gott gleich und den kleinen Geist, der dem Peyote innewohnt, mit Jesus: Esst Peyote, und ihr werdet Jesus begegnen, ihm Fragen stellen können und Antworten erhalten. Der ursprüngliche Name von Peyote lautet Hikuli und bezeichnet den Geist, der neben Vater Sonne sitzt. Peyote hat auch den Übernamen Vater Peyote oder Häuptling Peyote (Chief Peyote). Hikuli heißt auch der ekstatische Gruppenkreistanz der Huicholen und der Tarahumara, den sie im November nach der Peyote-Ernte veranstalten. Diese jährlichen Zeremonien haben die Aufgabe, den Gruppenzusammenhalt zu erneuern sowie Harmonie und Frieden zu schaffen; die Teilnehmenden zeigen Dankbarkeit und beichten ihre Verfehlungen in der Gruppe, man feiert die Geburtstage der Kinder und ehrt die Verstorbenen. Die Peyote-Zeremonie fängt bei den Huicholen schon bei den Vorbereitungen für die Pilgerreise an. Unterwegs zelebriert man immer wieder Reinigungsrituale und deutet Zeichen in der Natur. Die Suche nach den Hikuli in der Wüste wird so zu einer mythologischen inneren Reise. Steigen wir nun aber direkt in eine PeyoteZeremonie der nordamerikanischen Kiowa-Indianer ein, um ein Gefühl für die wichtige Einstimmungsphase vor der Einnahme des magischen Kaktus zu bekommen. Bekanntlich ist das Setting (wie es unzählige wissenschaftliche Studien belegen) ein nicht zu unterschätzender Faktor für die psychede-


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Peyote-Zeremonie: Niemand verlässt das Tipi, während gesungen, gebetet oder Peyote gegessen wird. Foto: nativeamericanchurches.org

lische Reise. Die Raumgestaltung, der Einsatz von Musikinstrumenten und das Einhalten eines gewohnten Ritualablaufs können die potenziell chaotische Seelenerfahrung in sichere Bahnen lenken. Das Peyote-Ritual. Zwischen 19 und 20 Uhr treffen sich die Teilnehmer entweder in einem Haus, einem Hogan (Lehmhütte) oder in einem Tipi; die Sitzungen werden nie im Freien abgehalten. Vorzugsweise tragen alle Teilnehmer traditionelle indianische Kleidung und haben vor der Teilnahme ein Bad genommen. Der Fire Chief ist verantwortlich für das zentrale Feuer im Tipi, das angezündet wird, bevor die Zeremonie beginnt. Seine Aufgabe ist es, das Feuer in Gang zu halten und Gebete aufzusagen. Er ist ebenfalls dafür verantwortlich, die Personen in den Zeremonienraum und wieder hinaus zu führen. Die Reihenfolge, in der die Teilnehmer den heiligen Raum betreten, ist genau festgelegt. Als erster tritt der Chief ein, gefolgt vom Chief Drummer und dem Cedar Man, dann alle Männer, alle Frauen und Kinder – und zum Schluss der Fire Chief. Männer und Frauen sitzen getrennt in einer kreisförmigen Sitzordnung. Sobald jeder sitzt, in

der Regel auf einer Decke, beginnt die Zeremonie mit einem Gebet oder einer Rede oder beidem. Zusammen mit dem Tabak werden Salbeibündel im Uhrzeigersinn herumgereicht. Diese werden aber nicht verbrannt, sondern zwischen den Händen gerieben und dann gekaut. Nach der Rede und dem Gebet legt der Chief die Utensilien zwischen Gastgeber und Altar auf den Boden. Zu diesem Zeitpunkt wird das erste Stück Zedernholz ins Feuer geworfen. Die Peyote-Buttons werden nun beweih-

Die Peyote-Gesänge loben Hikuli für den Schutz und für den schönen Rausch. räuchert und danach im Uhrzeigersinn herumgereicht. Sobald alle das Sakrament eingenommen haben, setzt die Musik ein. Der Gastgeber beginnt den Gesang mit vier festgelegten Eröffnungsliedern und hält den Stab vor sich. Der Chief Drummer begleitet ihn dabei. Nach den vier Eröffnungsliedern werden die Wassertrommel, die Rassel, der Stab }


9 2   AU F D E M P E YOT E - W E G

Mary Crow Dog: Die Peyote-Aktivistin Eine wichtige Stimme unter den Aktivisten der

In den 70er Jahren inspirierte der Geist der

nordamerikanischen Indianerstämme war Mary

Bürgerrechtsbewegungen auch die Aktivisten des

Crow Dog (später Mary Brave Bird, 1954 – 2013). In

American Indian Movement (AIM). Mary Crow Dog

ihrem Bestseller Lakota Woman (1990/1998) erzählt

schloss sich der Bewegung an, hingerissen von einer

sie, wie sie in den 1970er-Jahren für die Rechte der

leidenschaftlichen Rede des spirituellen Anführers

Indianer und das Recht auf Peyote-Zeremonien

der AIM, des Schamanen Leonard Crow Dog. Er

kämpfte.

wurde später ihr Ehemann.

Als Tochter eines Weißen und einer Indianerin

1973 brachte Mary während der 71 Tage

war Mary durch ihren Großvater Dick Fool Bull in die

dauernden Besetzung von Wounded Knee ihr erstes

heiligen Zeremonien initiiert worden. In ihrem Buch

Kind Pedro zur Welt. Wounded Knee in South Dakota,

schildert sie die Peyote-Zeremonien als eine

ein heiliger Ort für die Oglala-Lakota und alle Sioux.

vereinigende Kraft in der Gruppe, als Weg zu einem

ist die Gedenkstätte für das historische Massaker an

wirklichen Verständnis seiner selbst, der Welt und

den Sioux im Jahr 1890; rund 350 Lakota, darunter

Mary Crow Dog. Foto: Ulf Andersen

der Stammesge-

auch viele Frauen und Kinder, wurden dort in einem

schichte. Peyote

Massengrab beerdigt. Auf Peyote hatte Mary immer

war für sie «der

wieder schreckliche Visionen vom historischen

beste Psychiater

Massaker an den Sioux-Indianern in Wounded Knee

und die beste

im Jahr 1890 erlebt, die sie nur um so mehr dazu

Medizin in einem»

motivierten, für ihren Stamm zu kämpfen.

und verlieh ihr

Marys ehemaliger Ehemann Leonard Crow

«übernatürliche

Dog erwähnt in Joan Halifax’ Buch Die andere

Kräfte» im

Wirklichkeit der Schamanen die Bedeutung seines

Widerstand gegen

eigentlichen indianischen Namens: «Der seine

den Rassismus und

Medizin verteidigt».Er bewahrt bis heute nicht nur

all die Ungerech-

die Peyote-Zeremonie, sondern ist auch als

tigkeiten, die sie

Erneuerer des Sun Dance, des Ghost Dance und

erfahren hatte.

der Peyote-Lieder bekannt.

und der Fächer im Uhrzeigersinn weitergegeben. Von jeder Person im Kreis wird erwartet, vier Lieder zu singen, und jedes Lied wird vier Mal wiederholt. Niemand verlässt das Tipi, während gesungen, gebetet oder Peyote gegessen wird. Der Leiter der Zeremonie (Chief Medicine Man) nennt sich auch Road Man, weil er die Gruppe durch das Labyrinth der Peyote-Wege führt. Alle konzentrieren sich auf Reinigung, auf das Loslassen von Problemen, von Ängsten und Sorgen, auf das Finden von Lösungen oder auf das Empfangen von Botschaften oder Visionen aus der anderen Welt. Die Peyote-Gesänge loben Hikuli für den Schutz und für den schönen Rausch. Alle sind offen und sitzen im Kreis; das heilige Feuer brennt in der Mitte. Gegen neun Uhr morgens verlassen alle das Tipi, um die Sonne zu begrüßen. Danach sitzen sie

zusammen, rauchen und unterhalten sich im Tipi. Zum Schluss wird das Tipi abgebaut, und der Altar wird zerstört. Die ursprüngliche englische Version dieses Artikels ist im Internet verfügbar: http://vortexcourage.me/2014/07/14/four-drug-culture-visions /

DAVID JEROME PUTNAM, geboren 1976 in Kyoto/Japan, aufgewachsen in der Schweiz. Universitätsstudium von Psychologie, Japanologie, Film und Kunst. Arbeitet zurzeit an einem Projekt des modernisierten Schamanismus, der westliche (Psychoanalyse, Hypnose) und östliche Heil­ praktiken (TCM, Zen) kombiniert.


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Rausch im Labor, Psychedelika aus dem Arzneischrank

Zur Zukunft psychedelischer Medizin TEXT

D

Christoph Benner

epression ist eine Erkrankung, die für Patienten und Angehörige unermessliches seelisches Leid verursacht und bei Nichtbehandlung zum Tod durch Suizid führen kann. Zudem belastet sie die europäischen Sozialwerke durch Arbeitsausfälle der Betroffenen in dreistelliger Milliardenhöhe 1 . Der Staat ist demnach daran interessiert, die Entwicklung einer wirkungsvollen Therapie gegen Depression durch Forschungsmittel zu unterstützen. Leider hat er sich und seinem Souverän, der Bevölkerung, mit der derzeitigen Gesetzgebung und der Ökonomisierung des Gesundheitssystems eine pharmazeutische Grube gegraben, die nur durch einen grundlegenden Kurswechsel umgangen werden kann. Für einen solchen Kurswechsel müssen folgende drei Eigenschaften in Politik und Forschung mehr an Bedeutung gewinnen:

gleicht diese Behandlung mehr einer Art Topfschlagen auf Porzellan als einer sicheren Heilmethode. Man erschlägt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Symptome; Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, Gewichtszunahme, Libidoverlust oder emotionale Gleichgültigkeit treten dabei allerdings unverhältnismäßig oft auf3. Hinzu kommt, dass bis zu 30 Prozent der Patienten nicht auf SSRI ansprechen4, sie werden deshalb in den Statistiken als sogenannte Non-Responder geführt. In den letzten 30 Jahren kam keine grundlegend neue Wirksubstanz gegen Depression auf den Markt5. Die bestehenden Medikamente wurden lediglich ein wenig in ihrer chemischen Struktur verändert und von der Pharmaindustrie gewinnbringend als Neuheiten vermarktet. Das in der BRD am häufigsten verschriebene Antidepressivum, Citalopram, wurde bereits im Jahr 1980 zugelassen6. Der Philosoph Thomas Kuhn veröffentlichte Anfang der 1960er ein Buch über wissenschaftliche Revolutionen7, das sich seiner detaillierten Analyse 1. Unvoreingenommenheit wegen noch heute großer Beliebtheit erfreut. oder: Die Wissenschaft von der Wissenschaft Gemäß Kuhns Theorie vollzieht sich immer dann ein Lange Zeit hat sich die Depressionsforschung – im Paradigmenwechsel in der Forschungspraxis, wenn Rahmen der sogenannten Monoamin-Hypothese – sich die Beweislast einer bestehenden Hypothese auf die Modulation des Neurotransmitters Serotonin zugunsten einer anderen erweicht. Bezogen auf die fokussiert2. Ohne Zweifel wurden so herausragende Depressionsforschung heißt das: Die Einflussnahme Erkenntnisse über grundlegende physiologische Pro- auf den Serotoninhaushalt mit SSRI hat sich bei zesse im Gehirn gewonnen. Es ist auch unbestritten, Depressiven als oftmals notwendig herausgestellt, dass zur Behandlung einer schweren Depression teil- ist allerdings nur bedingt wirksam. Die aktuelle weise selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hem- Beweislage deutet immer mehr darauf hin, dass mer (SSRI) eingesetzt werden müssen. Allerdings Glutamat, ein anderer Neurotransmitter, in der }


9 6   Z U R Z U K U N F T P S YC H E D E L I S C H E R M E D I Z I N

Ätiologie von neuropsychiatrischen Erkrankungen LSD und MDMA. Obwohl diese Definition der wissensignifikant beteiligt ist8. schaftlichen Beweislast nicht standhält, wird eine Tatsächlich gibt es zur Zeit einige Forschungs- unvoreingenommene Psychedelika-Erforschung labore, die sich mit der Anwendung des Anästheti- vom Staat unterbunden. kums und Dissoziativums Ketamin befassen, das pharmakologisch als Antagonist auf einen Gluta2. Neugier mat-Rezeptor einwirkt9. Das Wirkprofil von Ketamin oder: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! ist in zweierlei Hinsicht dem der SSRI überlegen: Patienten zeigen bereits nach wenigen Stunden eine MDMA ist den meisten als Wirksubstanz von Ecstasy verbesserte Symptomatik (im Vergleich zu mehre- bekannt. Weniger geläufig dürfte die Tatsache sein, ren Wochen bei herkömmlichen SSRI), und auch dass MDMA-assistierte Psychotherapie erfolgreich Non-Responder sprechen auf diese Behandlung an. gegen die Posttraumatische Belastungsstörung Auch die Forschung mit dem Indolalkaloid Psilocybin (PTBS) eingesetzt wird11, eine häufige Folgeerkran(bzw. Psilocin) ergab Hinweise darauf, wie eine kung von Kriegseinsätzen, sexuellem Missbrauch Depression mit neuartigen Therapieansätzen behandelt werden könnte10. Eine neue Forschungslandschaft schien erschlossen. Doch das Problem bestand und besteht darin, dass Psilocybin seit dem unter Präsident Nixon 1970 in Kraft getretenen Controlled Substance Act als eine illegale Substanz behandelt wird. Es weist also nach offiziellen Angaben ein hohes Abhängigkeitsrisiko auf, besitzt keinen anerkannten medizini- oder sonstigen traumatischen Erlebnissen. MDMA schen Nutzen und stellt auch unter professioneller löst im Gehirn eine erhöhte Ausschüttung des HorBetreuung ein hohes Sicherheitsrisiko für den Kon­ mons Oxytocin aus, begleitet von einer Hemmung sumenten dar. In diese Klasse fallen ebenfalls DMT, des sogenannten Mandelkerns. Dies ermöglicht die emotionale Öffnung des Patienten gegenüber dem Psychiater und vermindert seine Angst, die traumatischen Erinnerungen aufzuarbeiten. In einer Pilotstudie zeigten 83 Prozent(!) der Patienten, die mit dieser Therapie behandelt wurden, keinerlei PTBS-Symptome mehr12. Die NachfolMAPS Die Multidisciplinary Association for geuntersuchungen laufen. Die Multidisciplinary Psychedelic Studies (MAPS) mit Sitz in Santa Association for Psychedelic Studies (MAPS) will Cruz/Kalifornien wurde 1986 von Rick Doblin ins MDMA mit einem Forschungsetat von 20 Millionen Leben gerufen und hat es sich zur Aufgabe Dollar bis 2021 zu einem legalen Medikament gemacht, die therapeutisch nutzbaren Psyche­ machen. Und am Imperial College London wurde delika zurück in die Forschung und in den kürzlich ein Artikel veröffentlicht, der nicht nur klinischen Alltag zu holen. Dabei richtet sich der medizinische, sondern auch metaphysische ImpliFokus der MAPS insbesondere auf Substanzen wie kationen in Bezug auf Psychedelika offenlegt13. LSD und MDMA, aber auch auf die AnwendungsPsilocybin hemmt im Gehirn der Probanden gebiete von Ketamin und anderen psychedeliein bestimmtes Netzwerk in seiner Aktivität, das für schen Molekülen. Die MAPS ist Initiatorin und nach innen gerichtete Gedanken, Selbstreflexion Fördererin wissenschaftlicher Studien zu den und kontemplative Aktivitäten zuständig ist. Damit Psychedelika, Organisatorin entsprechender lässt sich die subjektiv empfundene Egoauflösung Kongresse, Symposien und Veranstaltungen, nach Einnahme von Psilocybe-Pilzen erklären. Einer Gründerin der psychedelischen Ambulanz Zendo, der Studienleiter spekuliert, dass dieses Netzwerk Herausgeberin der Zeitschrift MAPS Bulletin, der Sitz des «Ego» ist. Gemäß den Erkenntnissen der zahlreicher Bücher, DVDs sowie vielem mehr. Studie wäre Psilocybin medizinisch anwendbar bei www.maps.org depressiv Erkrankten mit negativen, auf das Ego

MDMA ermöglicht die emotionale Öffnung des Patienten.


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OPEN Die OPEN Foundation aus den Nieder­ landen (holländisch: Stichting OPEN) ist eine Vereinigung mit Sitz in Amsterdam und der US-amerikanischen MAPS recht ähnlich. Ziel der 2006 gegründeten OPEN (der Name ist keine Abkürzung) ist es, die psychedelische Erfahrung in der modernen Gesellschaftsstruktur wieder zu etablieren, besonders im therapeutischen und

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wo soziale Netzwerke Revolutionen regelrecht mitbeeinflussen können, kann auch die Gemeinschaft der engagierten Individuen dazu beitragen. Für eine im April dieses Jahres durch Crowdfunding ermöglichte Studie beispielsweise, die erstmals die Darstellung des Einflusses von LSD auf das menschliche Gehirn durch moderne Bildgebung ermöglicht, wurde das Sammelziel von 25 000 Pfund Sterling innerhalb kürzester Zeit erreicht, am Ende war sogar mehr als das Doppelte auf dem Spendenkonto14. Es ist viel möglich, wenn jeder sich für sein Ziel aktiv einsetzt.

klinischen Rahmen. Und gleichzeitig Aufklärungsarbeit zu leisten, um die Bevölkerung für die potentiellen klinischen Anwendungsmöglichkeiten psychoaktiver Substanzen zu sensibilisieren. Zu diesem Zweck initiiert und unterstützt die OPEN wissenschaftliche Studien, verlegt Publikationen und organisiert Veranstaltungen. www.stichtingopen.nl

fixierten Gedanken, die eine stark erhöhte Aktivität in diesem Netzwerk aufweisen. Im weiteren befassen sich angesehene Wissenschaftler, wie beispielsweise Franz X. Vollenweider an der ETH Zürich, Malek Bajbouj an der Charité Berlin und Torsten Passie von der medizinischen Hochschule in Hannover, mit der Grundlagenforschung zu Halluzinogenen. Bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema gibt es aufgrund der Gesetzeslage allerdings eine Hemmschwelle für viele frischgebackene Akademiker; allen voran mangelndes Geld und Angst spielen hier eine Rolle. Das Geld fehlt, weil die Pharmaindustrie wegen der ausgelaufenen Patente für LSD, MDMA und Psilocybin keinen ökonomischen Nutzen in dieser Branche sieht und deshalb finanzielle Zuschüsse ausfallen. Zudem fehlt die Akzeptanz akademischer Kreise gegenüber der Seriosität der Forschung mit Halluzinogenen. Damit laufen diejenigen, die sich dieser Tätigkeit trotzdem verschreiben, Gefahr, ihr universitäres Ansehen zu verlieren.

3. Mut oder: Engagiert euch! Es liegt nicht allein in den Händen der Wissenschaftler, ob die Forschung mit Psychedelika den Zenit ihres Potentials erreichen kann. Heutzutage,

Fazit Es wird Zeit für ein Umdenken. Anstatt psychoaktive Substanzen als «böse Drogen» abzuwerten, ist es notwendig, an eine wissenschaftlich orientierte und differenzierte Sichtweise anzuknüpfen. Psychedelika wie Psilocybin sind keine Wundermittel; jedoch liefern die bisherigen Forschungsergebnisse genügend Hinweise darauf, dass die gesetzliche Klassifizierung dieser Moleküle eine Fehleinschätzung ist. Stattdessen sollten Psychedelika mit Unvoreingenommenheit, Neugier und Mut eingesetzt werden – als wertvolle Werkzeuge zur Erkundung des gesunden und zur Behandlung des erkrankten menschlichen Geistes. Quellen

1   Greenberg, P.; Kessler, R.; Birnbaum, H.: Clin. Psychiatry. 2005; 64. 1465 – 1475. 2   Delgado, P.; J.: Clin. Psychiatry. 2000; 61 Suppl 6:7 – 1 1. 3   Trivedi, M.; Rush, AJ; Wisniewski, SR.: Am. J. Psychiatry. 2006; 164. 28 – 40. 4   Rush, A.; Trivedi, M.; Nierenberg, A.; Am. J. Psychiatry. 2006; 163. 1905 –1917. 5 www.3sat.de, http://is.gd/o5K51s 6   www.depression-heute.de, www.is.gd/ L5DNPZ 7 en.wikipedia.org, http://is.gd/8gYAnY  8   apt.rcpsych.org/content /8/3/189 9   psychiatrie.charite.de, www.is.gd/INXGjC 10   Tagliazucchi, E.; Carhart-Harris, R.; Leech, R.: Wiley Periodicals. 2014. 11   www.mdmaptsd.org/ infographic.html 12 Mithoefer, M.; Wagner, M.; Mithoefer, A.: Journal of Psychopharmacology. 2011; 25. 439 – 452. 13   Tagliazucchi, E.; Carhart-Harris, R.; Leech, R.: Wiley Periodicals. 2014. 14   www.walacea.com/campaigns /lsd/

CHRISTOPH BENNER, geboren 1991 in Berlin, ist Neurowissenschaftler (Studium in Regensburg, Maastricht und Kopenhagen) und Mitarbeiter der niederländischen Organisation Stichting OPEN, die sich für den medizinischen Einsatz von Psyche­ delika engagiert.


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Heilende Selbsterforschung Holotropes Atmen nach Christina & Stanislav Grof

TEXT

Klaus John

Das Holotrope Atmen ist eine substanzunabhängige Methode der Selbsterforschung und Selbstheilung, die das spontane Heilungs- und Transformationspotenzial der Psyche in außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen mobilisiert – mit begleitender Musik, unterstützender Körperarbeit, Mandala-Malen und Erzählrunden. Die bedingungslose Unterstützung der Erfahrung führt zu Heilung und Integration. Das theoretische Fundament des Holotropen Atmens bildet eine erweiterte Landkarte der menschlichen Psyche, die über die individuelle Biographie und das Freudsche Unbewusste hinausreicht (siehe Seite 100). Der Begriff «holotrop» (von griech. holos = das Ganze, und trepein = sich in die Richtung von etwas bewegen) bedeutet «sich zur Ganzheit hinbewegen» und erinnert an das menschliche Grundbedürfnis nach Spiritualität ebenso, wie «holo» Assoziationen von «heil» (engl. whole), «holistisch», «heilig» (engl. holy) oder «heilsam» wecken kann. Set und Setting entstammen der LSD-Psychotherapie, wurden aber von Stanislav und Christina Grof weiterentwickelt. Die Entdeckung der Rolle des Atmens Weil die Patienten in der LSD-Therapie zu einem Zeitpunkt, als das LSD schon nicht mehr wirkte, heftiger atmeten, wenn noch einmal starke Emotionen auftauchten, untersuchte man die Rolle des Atmens und stellte fest, dass unterdrückte Emotion mit einem unterdrückten Atemmuster und einer muskulären Panzerung, wie sie schon Wilhelm Reich beschrieben hat, zusammenhängt. Durch intensi-

veres Atmen wurden Emotionen und Verspannungen sowie die damit verbundenen Erfahrungen frei und konnten sich lösen. In der LSD-Psychotherapie lagen die Patienten mit geschlossenen Augen, hörten unterstützende Musik, drückten ihre Erfahrungen aus und bekamen unterstützende Körperarbeit. Sie verarbeiteten ihre Erfahrungen schöpferisch in Mandalas

Das Atmen ist nicht ein Ersatz für das LSD, sondern ein eigenständiges Werkzeug. und Bildern. Alle diese Elemente wurden bei der Entwicklung des Holotropen Atmens übernommen. Da das Atmen genauso wie das LSD nur eine katalytische Rolle für die Erfahrung spielt, ist es nachvollziehbar, dass dadurch die gleichen psychischen Räume erfahrbar werden. Dabei ist das Atmen keineswegs nur ein Ersatz für das LSD, sondern ein eigenständiges Werkzeug. Gruppentherapien entwickeln bei der Holotropen Atemarbeit erfahrungsgemäß mehr Dynamik und Tiefe. Wochenend-Workshops eignen sich dafür am besten, da die Erfahrung Zeit zur Integration braucht. Am Freitagabend trifft sich die Gruppe zum gemeinsamen Abendessen und Kennenlernen. Anschließend ist genügend Zeit, um Fragen zu klären, das Vorgehen zu besprechen und Arbeitspaare


Luc y’s Rau sch Nr. 2

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Die abgebildeten Zeichnungen entstanden als Reflexionen holotroper Atem­ sitzungen.

zu bilden. Am Samstag macht man in wechselnden und Badewannen, ein Schwimmbad, ein (Gemüse-) Rollen die Erfahrung als «Atmender» und als «Sit- Garten, gesunde Nahrung, Obst und Blumen wären ter». Beide Sitzungen dauern je etwa drei Stunden. wichtig. Es gäbe Möglichkeiten zum Joggen im Park Durch Mandala-Malen und in Nachbereitungsge- oder zur Gartenarbeit. Es gäbe gut ausgebildete sprächen am Sonntag werden die Erfahrungen ver- Mitarbeiter und Helfer, Profis und Laien. Alle Beteiligten – vom Koch bis zum Arzt – hätten eigene holovollständigt und integriert. Da durch den Atem starke Spannungsmuster trope Erfahrung. Es gäbe individuelle Behandlungsund heftige Emotionen erlebt werden können, sind pläne mit Gruppen- und Einzelsitzungen sowie Kontraindikationen zu beachten: Personen mit Körperarbeit, Akupunktur, Malen, Töpfern usw. Die schweren Herz-Kreislaufstörungen, starkem Wahl zwischen dem Einsatz diverser Substanzen Asthma, akuten Infektionskrankheiten, Glaukom, (LSD, Psilocybin, MDMA usw.) und Holotropem Epilepsie oder ernsthaften psychischen Problemen Atmen wäre prozessabhängig. sowie Frischoperierte und Schwangere sollten nicht Solche Zentren gab es zu Hippokrates‘ Zeiten an holotropen Atemsitzungen teilnehmen, ebenso in der ganzen Welt, und es wird sie in einer helleren Menschen, die Psychopharmaka einnehmen. Zukunft auch wieder geben. } Grofs Zukunftsvision Mit einem sicherem Set und Setting ist eine kompetente Begleitung durch biographische, perinatale und transpersonale Bereiche möglich – mit unterstützender Körperarbeit und Krisenintervention, Integration und Nachsorge. Grof stellt sich dafür – sofern das Gesetz dies einst ermöglichen sollte – ein Sanktuarium mit 24-stündiger Betreuung in natürlicher Umgebung vor. Diverse Gruppenräume, gepolsterte Räume für die Atemarbeit, Schlafräume, Küche, Whirlpools

KLAUS JOHN, geboren 1958 in Lüneburg, betreibt seit 1985 seine eigene Naturheilpraxis und absolvierte seine Ausbildung in Transpersonaler Psychologie mit Abschluss 1990 bei Stanislav Grof. Er leitet Workshops und Einzelsitzungen mit Holotropem Atmen seit 1988. Seit 1990 studierte er Farbtherapie bei Douglas Leber und entwickelt Software zu den Themen Elektroakupunktur, Medikamententest, Farbtherapie und Auraanalyse.

www.klaus-john.de


1 0 0   H E I L E N D E S E L B S T E R FO R S C H U N G : H O L OT R O P E S AT M E N

Dimensionen

der menschlichen Psyche TEXT

D

Stanislav und Christina Grof

ie traditionelle akademische Psychiatrie und Psychologie benutzen ein Modell der menschlichen Psyche, das auf die nachgeburtliche Biografie und das von Sigmund Freud beschriebene individuelle Unbewusste beschränkt ist. Nach Freud beginnt unsere psychische Geschichte nach unserer Geburt; das Neugeborene wird als Tabula rasa, ein unbeschriebenes Blatt, angesehen. Unsere psychische Funktionsweise wird angeblich determiniert von einem Wechselspiel zwischen biologischen Trieben und Einflüssen, die unser Leben seit unserer Geburt geprägt haben – wie gut wir gestillt wurden, wie unsere Sauberkeitserziehung ablief, welche psychosexuellen Traumata wir erlebten, wie sich unser Über-Ich entwickelte, wie wir auf das ödipale Dreieck reagierten und welche Konflikte und Traumata wir später in unserem Leben erfahren haben. Der Mensch, zu dem wir werden, sowie unsere psychische Funktionsweise werden nach dieser Anschauung von unserer persönlichen Geschichte nach unserer Geburt sowie von der Geschichte unserer zwischenmenschlichen Beziehungen determiniert. Auch das individuelle Unbewusste ist nach Freud im Wesentlichen aus unserer postnatalen Geschichte abgeleitet. Es ist ein Speicher dessen, was wir vergessen, als unannehmbar zurückgewiesen und verdrängt haben. Diese Unterwelt der Psy-

che, das Es, wie Freud es genannt hat, ist ein Reich, das von primitiven Triebkräften beherrscht wird. Freud beschrieb die Beziehung zwischen der bewussten Psyche und dem Unbewussten mit seinem berühmten Bild eines Eisberges. Was wir für die Gesamtheit unserer Psyche gehalten haben, ist tatsächlich nur ein kleiner Teil davon – dem Teil eines Eisberges vergleichbar, der über der Wasseroberfläche sichtbar ist. Die Psychoanalyse entdeckte, dass ein sehr viel größerer Teil der Psyche – dem unter der Wasseroberfläche liegenden Teil eines Eisberges vergleichbar – unbewusst ist. Wir wissen nichts davon, aber er regiert unsere Denkprozesse und unser Verhalten. Dieses Modell ist in modifizierter und verfeinerter Form von der etablierten Psychologie und Psychiatrie übernommen worden. Bei der Arbeit mit holotropen Bewusstseinszuständen, die entweder durch Psychedelika oder ohne Drogen durch verschiedene andere Methoden hervorgerufen werden, die aber auch spontan auftreten können, erweist sich dieses Modell als unzulänglich. Um all jene Phänomene erklären zu können, die in diesen Zuständen auftreten, müssen wir unser Verständnis der Dimensionen der menschlichen Psyche drastisch revidieren. Neben der Ebene der postnatalen Biografie, welche die neue, umfassendere


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Landkarte des menschlichen Geistes mit dem traditionellen Modell gemeinsam hat, umfasst sie noch zwei weitere große Bereiche. Den ersten dieser beiden Bereiche nennen wir perinatal, weil er eng mit dem Trauma der biologischen Geburt verbunden ist. Diese Region des Unbewussten enthält die Erinnerungen an das, was der

Die Leerheit ist paradoxer Natur. Fötus in den aufeinanderfolgenden Stadien des Geburtsprozesses erfahren hat, einschließlich all der Gefühle und körperlichen Empfindungen, die dieser Prozess mit sich gebracht hat. Diese Erinnerungen bilden vier unterscheidbare Erfahrungskonstellationen, die jeweils einem Stadium des Geburtsprozesses entsprechen. Wir können sie als Perinatale Grundmatrizen (PGM I – IV) bezeichnen. Die PGM I besteht aus Erinnerungen an den Spätstatus des Fötus kurz vor der Geburt. Die PGM II hängt mit dem ersten Stadium der Geburt zusammen, wenn die Gebärmutter sich zusammenzieht, der Muttermund aber noch nicht offen ist. Die PGM III spiegelt den Kampf um das Geborenwerden wider, nachdem der Muttermund sich geöffnet hat. Und die PGM IV enthält die Erinnerung an das Hinaustreten in die Welt, die eigentliche Geburt. Der Inhalt dieser Matrizen ist allerdings nicht auf die Erinnerungen des Fötus beschränkt; jede von ihnen repräsentiert auch eine ganz bestimmte Öffnung für Bereiche des historischen und archetypischen kollektiven Unbewussten, das Motive ähnlicher Erfahrungseigenschaften enthält. (...) Den zweiten über die Biografie des Individuums hinausgehenden Bereich der neuen Landkarte des Bewusstseins nennt man am besten transpersonal, weil er Matrizen für ein breites Spektrum an Erfahrungen enthält, in denen das Bewusstsein die Grenzen von Körper/Ego sowie die gewöhnlichen Begrenzungen von linearer Zeit und dreidimensionalem Raum transzendiert. Dies führt zu einer Erfahrung der Identifikation mit anderen Menschen, mit Gruppen von Menschen, mit anderen Lebensformen und sogar mit Elementen der anorganischen Welt. Die Überschreitung der Zeit verschafft der Erfahrung Zugang zu Erinnerungen von Ahnen, Rasse und Kollektiv, zu phylogenetischen und karmischen Erinnerungen.

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Noch eine weitere Kategorie von transpersonalen Erfahrungen kann uns in den Bereich des kollektiven Unbewussten führen, den der Schweizer Psychiater C. G. Jung den archetypischen Bereich genannt hat. Diese Region beherbergt mythische Gestalten, Themen und Bereiche sämtlicher Kulturen und Zeitalter, auch solche, über die wir keinerlei intellektuelle Kenntnisse besitzen (Jung 1959). In seiner größten Ausdehnung kann sich das individuelle Bewusstsein mit dem universellen Geist oder kosmischen Bewusstsein identifizieren, mit dem schöpferischen Prinzip des Universums. Die wahrscheinlich tiefste Erfahrung, die in holotropen Zuständen unmittelbar zugänglich ist, ist die Identifikation mit der überkosmischen und metakosmischen Leere, der ursprünglichen Leerheit und dem Nichtsein, das sich seiner selbst bewusst ist. Diese Leerheit ist paradoxer Natur: Sie ist eine Leere, weil sie keinerlei konkrete Formen enthält, aber sie ist auch eine Fülle, weil sie die gesamte Schöpfung in potenzieller Form zu enthalten scheint. Angesichts dieses enorm erweiterten Modells der Psyche wollen wir Freuds Gleichnis von der Psyche als Eisberg neu formulieren. Wir könnten sagen, dass alles, was die freudsche Analyse über die Psyche herausgefunden hat, nur den Gipfel des Eisbergs darstellt, der über der Wasseroberfläche sichtbar ist. Die Erforschung holotroper Zustände hat es ermöglicht, auch den riesigen Rest des Eisbergs zu erkunden, der unter Wasser verborgen liegt. Dieser Text ist ein leicht gekürzter Auszug aus Holotropes Atmen. Eine neue Methode der Selbsterforschung und Therapie von Stanislav und Christina Grof (Nachtschatten Verlag, Solothurn 2014). Eine ausführliche Erläuterung der perinatalen Matrizen finden interessierte Leser in mehreren früheren Publikationen von Stanislav Grof. www.stanislavgrof.com

Christina und Stanislav Grof 2013 in Gruyères (Schweiz). Foto: Roger Liggenstorfer


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GESCHICHTE

In dieser Rubrik werfen wir einen Blick zurück auf die Geschichte der multidisziplinären Forschung auf dem Gebiet der Bewusstseins­ veränderung und der psychoaktiven Substanzen.

In jeder Lucy‘s-Ausgabe rufen wir einen bedeu­ tenden psychonautischen Experten in Erinne­ rung und würdigen ihn, indem wir auszugsweise einen grundlegenden Text nachdrucken.

Psychologie veränderter Bewusstseinszustände Erinnerung an Adi Dittrich (1941–2013) TEXT

A

Michael Schlichting

dolf Erhardt Dittrich – von seinen Freunden wissenschaftlichen Veröffentlichungen grundleAdi genannt – wurde am 11. August 1941 im gende Erkenntnisse auf dem Gebiet der differentiSudetenland (heute: Tschechien) geboren, ellen Psychologie veränderter Bewusstseinszuvon wo seine Familie 1946 nach Wuppertal übersie- stände. Mit der Entwicklung des aus drei Skalen delte. Dort machte Dittrich 1961 sein naturwissen- bestehenden Fragebogens (APZ) lieferte er einen schaftliches Abitur und studierte anschließend an wichtigen Beitrag zur qualitativen und vor allem der Universität Köln Psychologie. Nach einer ersten auch quantitativen Erfassung des individuellen ErleAnstellung in der Pharmaindustrie und danach als bens in veränderten Wachbewusstseinszuständen. erster Psychologe an der Psychiatrischen Universi- Die drei Skalen «Ozeanische Selbstentgrenzung» tätsklinik Zürich (damals «Burghölzli»), wo er von (OSE), «Angstvolle Ich-Auflösung» (AIA) und 1970 bis 1985 in der Forschungsabteilung als Metho- «Visionäre Umstrukturierung» (VUS), die Adi Dittrich diker und Statistiker arbeitete, unter anderem auch auch einmal als «Himmel, Hölle und Visionen» bezeichnete, beschreiben Grunddimensionen veränin einem Projekt über Cannabis. Dies war der Beginn seiner wissenschaftlichen derter Bewusstseinszustände, wie sie unter dem EinArbeiten über veränderte Bewusstseinszustände, die fluss halluzinogener psychoaktiver Substanzen wie durch den Einfluss psychoaktiver Substanzen oder auch bei sensorischer Deprivation (z. B. im Samadurch psychologische Auslöser hervorgerufen wer- dhi-Tank), Schlafentzug, Hyperventilation, in hypnaden. 1972 wurde er Lehrbeauftragter für Klinische gogen Zuständen oder nach Reizüberflutung auftrePsychologie an der Universität Zürich und habili- ten können. Hierüber berichteten Adi Dittrich und tierte sich 1983 mit seinem Grundlagenwerk Mitarbeiter seiner Arbeitsgruppe auf dem 1. InternaÄtiologieunabhängige Strukturen veränderter Wach- tionalen Kongress des ECBS, «Welten des Bewusstbewusstseinszustände. 1990 wurde er Privatdozent seins», 1992 in Göttingen. und Titularprofessor und gründete sein eigenes Psychologisches Institut für Forschung und Beratung (PSIN). 1985 war er neben Hanscarl Leuner und Der nebenstehend dokumentierte Text entspricht Teil 1 des Albert Hofmann Gründungsmitglied – und viele Jahre Beitrags von I. Bodmer, A. Dittrich und D. Lamparter: «AußergeVizepräsident – des Europäischen Collegiums für wöhnliche Bewusstseinszustände – Ihre gemeinsame Struktur und Messung» in: Welten des Bewusstseins. Hrsg. A. Dittrich, A. Bewusstseinsstudien (ECBS). Hofmann und H. Leuner. Bd. 3, Experimentelle Psychologie, NeuAdi Dittrich starb am 22. Oktober 2013 in robiologie und Chemie. Verlag für Wissenschaft und Bildung Zürich. Er hinterlässt uns in seinen mehr als hundert (VWB), Berlin 1994, Seiten 45-48.


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Adolf Dittrich Außergewöhnliche Bewusstseinszustände und ihre gemeinsame Struktur

Außergewöhnliche Bewusstseinszustände (ABZ) können durch mannigfaltige Reize ausgelöst werden. Versucht man, diese Reize in eine Systematik zu bringen, so liegt zunächst eine Einteilung in zwei große Gruppen nahe, nämlich die pharmakologischen und die psychologischen Auslöser. 1.1  Pharmakologische Auslöser Die wichtigsten pharmakologischen Auslöser sind die Halluzinogene. Zumindest im deutschen Sprachbereich ist die Einteilung von LEUNER (1981) gebräuchlich, welcher nach der psychischen Wirkung Halluzinogene I. Ordnung von solchen II. Ordnung unterscheidet. Halluzinogene I. Ordnung führen häufiger zu optischen Phänomenen, während die Halluzinogene II. Ordnung eine stärkere Bewusstseinstrübung bewirken. Zu den Halluzinogenen I. Ordnung gehören u. a. LSD, Meskalin, N,NDimethyltryptamin (DMT), Psilocybin oder auch Delta-9-THC. Zu den Halluzinogenen II. Ordnung werden u. a. Scopolamin, Muscimol oder Stickoxydul (Lachgas) gezählt.

falls zu dieser Gruppe gehören die sogenannten hypnagogen und hypnopompen Phänomene sowie manche hetero- und autohypnotische Techniken. Die zweite Gruppe von psychologischen Auslösern ist durch die Erhöhung der Umweltstimulation bzw. des Umweltkontaktes, d. h. durch Reizüberflutung charakterisiert. Dabei sind im Wesentlichen zwei Formen zu unterscheiden, nämlich eine intensive rhythmisch-monotone Stimulation verschiedener Sinnesorgane (z. B. beim Voodoo-Kult auf Haiti) und eine Überflutung durch sehr variable Reize, wie sie unter nicht-experimentellen Bedingungen vielleicht am ehesten in gewissen Discotheken anzutreffen sind. Schwer in diese Systematik einzuordnen sind der Schlafentzug, das Fasten oder die Hyperventilation. Häufig werden Kombinationen der genannten Techniken verwendet.

1.3  Hypothese des gemeinsamen Kerns Schon früh war die Vermutung geäußert worden, dass ABZ, unabhängig davon, wie sie erzeugt werden, im Kern etwas Gemeinsames haben, was sie gleichzeitig vom normalen Wachbewusstsein 1.2  Psychologische Auslöser Es lassen sich zwei Arten von psychologischen Aus- (NBW) unterscheidet. Diese Hypothese wurde von lösern von ABZ unterscheiden: DITTRICH (1985) experimentell an 29 (resp. 393 inkl. Die erste große Gruppe ist gekennzeichnet Kontrollgruppe) freiwilligen gesunden Versuchsperdurch eine Verringerung der Umweltstimulation sonen (Vpn) untersucht. bzw. des Umweltkontaktes. Hierzu wird der ReizentZur Erzeugung von ABZ in der Experimentalzug (sensorische Deprivation) gezählt, wie er im gruppe dienten je ungefähr zur Hälfte pharmakolosogenannten Samadhi-Tank angestrebt wird. Eben- gische und psychologische Auslöser. Unter den }


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Halluzinogenen I. Ordnung figurierten die Substanzen Delta-9-THC, DMT und Psilocybin; als Halluzinogen II. Ordnung wurde Stickoxydul verwendet. Aus der Gruppe der psychologischen Auslöser wurden die folgenden Verfahren untersucht: sensorische Deprivation, hypnagoge Zustände, Hypnose und autogenes Training. 1.4  Die Erfassung von ABZ durch den Fragebogen APZ Zur Erfassung der Effekte diente der 1975 entwickelte Fragebogen APZ. Dieser Fragebogen war mit dem Ziel konstruiert worden, ein Untersuchungsinstrument zu entwickeln, das sowohl absichtlich als auch unabsichtlich herbeigeführte Bewusstseinsveränderungen bei Gesunden wie auch entsprechende Zustände bei endogenen Psychosen retrospektiv messen soll. Der Fragebogen enthielt die – wegen der implizierten fragwürdigen Normvorstellung etwas unglücklich gewählte – Bezeichnung «APZ» als Abkürzung für «Abnorme Psychische Zustände». Der APZ bestand ursprünglich aus 158 Items mit der dichotomen Antwortmöglichkeit «ja» oder «nein», wobei «ja» stets als symptomatische Antwort definiert war. Von diesen 158 APZ-Items erwiesen sich nach festgelegten Kriterien 72 sowohl als ätiologie-unabhängig als auch zwischen normalem Wachbewusstsein (NBW) und verändertem Wachbewusstsein (VWB) differenzierend. 1.5 Ergebnisse Die durchgeführte vielschichtige statistische Auswertung mit multivariaten Verfahren konnte die Hypothese vom «archetypischen gemeinsamen

Kern» von ABZ nicht falsifizieren, d. h. sie bewährte sich. Verschiedene dimensionsanalytische Untersuchungen über die erwähnten 72 entstehungsunabhängigen Items ergaben drei Dimensionen, welche folgendermaßen benannt wurden:    1. Ozeanische Selbstentgrenzung (OSE)    2. Angstvolle Ichauflösung (AIA)    3. Visionäre Umstrukturierung (VUS) Die erste Dimension beschreibt angenehme, beglückende Aspekte eines ABZ. Dazu gehören u. a. Erfahrungen des Einsseins mit sich und der Welt, der Befreiung von den Beschränkungen von Raum und

Erfahrungen des Einsseins mit sich und der Welt ... Zeit, die Ahnung einer höheren Wirklichkeit. Die Skala weist auf etwas hin, was bei starker Ausprägung als Keim mystischer Erfahrung bezeichnet werden kann (vgl. unten). Aus der Sicht des Alltagsbewusstseins steht in einem scheinbaren Gegensatz zur «Ozeanischen Selbstentgrenzung (OSE)» der zweite Aspekt des gemeinsamen Kerns von ABZ: die «Angstvolle Ichauflösung (AIA)». Diese zweite Dimension beschreibt ein Erleben, das gemeinhin als «horror trip» oder «bad trip» bezeichnet wird. In der gewählten Bezeichnung ist die Angst als zentrales Moment enthalten, eine Angst, die sich v. a. auf den Verlust sonst mehr oder weniger verfügbarer Fähigkeiten wie Selbstkontrolle, Urteilsfähigkeit, Realitätskontrolle u. a. bezieht. In der Diskussion über die

Von links nach rechts: Hartmut Laatsch, Richard Yensen, Albert Hofmann, Constanze Weigle, Jochen Gartz, Milan Hausner, Hanscarl Leuner und Adi Dittrich 1988 in Freiburg i. Br. Copyright: ECBS-Archiv


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Adi Dittrich, der Psychonaut, beim realen Tauchen.

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1.6 Felduntersuchungen Die externe Validität der experimentellen Befunde wurde in der «Internationalen Studie über veränderte Wachbewusstseinszustände (ISASC)» überprüft (DITTRICH, VON ARX, STRAUB, 1985). Diese Untersuchung wurde mit 14 Mitarbeitern in der Schweiz, in der damaligen BRD, in Italien, in Portugal, in Großbritannien und in den USA durchgeführt. Insgesamt N = 1133 Personen wurden über ihren zuletzt erlebten ABZ befragt. Als auslösende Bedingungen nannten die Vpn dieser Studie v. a. Marihuana, Haschisch, LSD und Meditation. Die Auswertung zeigte, dass der experimentell gefundene gemeinsame Kern von ABZ in allen untersuchten Ländern zufriedenstellend reproduziert werden konnte. Die Internationale Studie ergab psychome-

Ähnlichkeit von schizophrenen mit experimentell induzierter ABZ werden denn auch v. a. die Parallelen in der jeweils erlebten Angst betont. Die dritte Dimension, die «Visionäre Umstrukturierung (VUS)», ist die vielschichtigste. Die verschiedenen Einzelaspekte können global als «Veränderungen der visuell-kognitiven Funktionen» zusammengefasst werden. Diese Dimension wird im APZ vor allem durch Items erfasst, welche Visionen bzw. optisch halluzinatorische Phänomene, Synästhesien und Veränderungen des Bedeutungs- trisch weitgehend äquivalente Versionen des APZ erlebens beschreiben. auf Deutsch, Italienisch, Englisch (USA), Englisch Diese drei Dimensionen, welche in Anlehnung (Großbritannien) und Portugiesisch. Darüber hinaus an HUXLEY (1959) auch als Himmel, Hölle und Visio- existieren bisher methodisch noch unüberprüfte nen interpretiert werden können, korrelieren positiv Übersetzungen auf Finnisch, Französisch, Griemiteinander. Eine derartige Korrelation zwischen chisch, Holländisch und Russisch. den beiden Skalen OSE und AIA überrascht, da sie scheinbar inhaltlich gegensätzliche Erlebniswelten

... die Ahnung einer höheren Wirklichkeit.

... der Befreiung von den Beschränkungen von Raum und Zeit ... umfassen. Demnach treten glücksvolle Erfahrungen in ABZ gleichzeitig oder abwechselnd mit angsteinflößenden auf. Ein solcher Zusammenhang ist in den Religionswissenschaften seit langem bekannt. So schreibt OTTO (1936), dass das Numinose, zu dem ausgeprägte ABZ sicherlich gehören, gleichzeitig «tremendum et fascinans» (furchteinflößend und verzückend; Anm. der Red.) sei. Die Angst in der Dimension AIA ebenso wie das Glück oder die Verzückung in der Dimension OSE sind eingebettet in die zur Dimension VUS gehörenden Wahrnehmungs- und Bedeutungsumstrukturierungen. Die drei Skalen lassen sich zu einem Gesamtwert zusammenfassen, der die Intensität eines ABZ beschreibt.

Das Buch von Adi Dittrich umfasst die Resultate einer zehnjährigen Forschungstätigkeit über veränderte Wachbewusstseinszustände. 2. überarbeitete Auflage, 1996, 262 Seiten, ISBN 978-3-86135-456-7

MICHAEL SCHLICHTING studierte Medizin, Philosophie und medizinische Anthropo­logie, absolvierte seine Psychotherapie-Ausbildung an der Universität und war Gründungsmitglied und langjähriges Vorstandsmitglied des Europäischen Collegiums für Bewusstseinsstudien (ECBS). Michael Schlichting lebt heute in der Schweiz, ist dort als forensischer Psychiater tätig und u.a. Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Nachtschatten Verlags. www.nachtschatten-science.ch


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Impressum Lucy’s Rausch Nr. 2 Oktober 2015 Druckauflage 10 000 Ex. Lucy‘s Rausch erscheint zweimal jährlich nächste Ausgabe: Frühjahr 2016 Herausgeber Roger Liggenstorfer Nachtschatten Verlag AG Kronengasse 11 CH-4500 Solothurn Fon: +41 32 621 89 49 info@nachtschatten.ch www.nachtschatten.ch www.lucys-magazin.com Chefredaktion Markus Berger markus@lucys-magazin.com Redaktion Roger Liggenstorfer roger@lucys-magazin.com Mitarbeiter dieser Ausgabe Christoph Benner, Mathias Bröckers, Alex Bücheli, Hans Cousto, Jochen Gartz, Stanislav und Christina Grof, Franjo Grotenhermen, Mischa Hauswirth, Kevin Johann, Klaus John, Michael Knodt, Ralph Metzner, Claudia Müller-Ebeling, David Jerome Putnam, Christian Rätsch, Roberdo Raval, Michael Schlichting, Steve Stoned

Layout Nina Seiler nina@nachtschatten.ch Tom Hänsel www.tintenfrisch.net Umschlaggestaltung: Sven Sannwald sven@nachtschatten.ch Layoutkonzept Studio Roth&Maerchy www.rothmaerchy.com Bild- und Textredaktion Nina Seiler http://about.me/ninaseiler Anzeigen werbung@lucys-magazin.com Administration Barbara Blankart barbara@nachtschatten.ch Abo-Verwaltung Lukas Emmenegger lukas@nachtschatten.ch Bankverbindungen Schweiz Regiobank Solothurn Konto-Nr.: 443.213.16.114 IBAN CH2008785044321316108 BIC RSOSCH22 Deutschland Postbank Hamburg Kontonr.: 969 792 202 IBAN: DE35 2001 0020 0969 7922 02 BIC: PBNKDEFF Vermerk: Lucys Rausch

Druck Druckerei & Verlag Steinmeier, Deiningen. Printed in Germany. Vertriebe Pressevertrieb (Kioske, Supermärkte, Bahnhofs- & Flughafenbuchhandlungen) UMS Pressevertrieb Ltd., D-51545 Waldbröl, www.umspress.de Buchhandel Schweiz AVA Verlagsauslieferung, Affoltern a.A. Head- & Hanfshops Schweiz Nachtschatten Versand versand@nachtschatten.ch Buchhandel, Head- & Hanfshops Deutschland und Österreich LKG, Espenhain/Leipzig christine.falk@lkg-service.de www.lkg-va.de Namentlich gekennzeichnete Texte geben nicht unbedingt die Meinung von Redaktion und Herausgeber wieder. Bitte beachten Sie unsere «Charta für eine Kultur des Rausches» auf www.lucys-magazin.com/charta Bitte beachten Sie auch die Inserate unserer Werbepartner und gleichzeitig das geltende Recht Ihres Landes. Der Verlag ruft weder zu illegalem Drogenkonsum auf, noch beabsichtigt er, diesen zu fördern.

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Steve Stoned im Gespräch Auf dem Peyote-Weg

El Pepe – oder die Verbesserung der Welt

Christian Rätsch, Claudia Wolfgang Bauer, Jochen Gartz er, Hans Cousto, Tina Loosli mer, Claudia Möckel, Klaus John

Gesellschaftsmagazin für psychoaktive Kultur

112 Seiten, Format 20x26,5 cm

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Fr. 12.50 / € 10.–

Fr. 18.50 / € 14.80

Auszug: issuu.com/nachtschatten

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21.02.14 10:05

Infos auf www.lucys-magazin.com/merchandise


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Lucy’s Blotter Für Sammler (LSD-frei!) Format 18x22,5 cm

Buch: Albert Hofmann und die Entdeckung des LSD

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