Tantepaul ausgabe10

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TantePaul

Wer iß

Editorial

t eigentich Paul ? Inhalt Wir sehen TantePaul als Versuch, das schreckliche Grau der Bremer Uni ein wenig zu durchbrechen und ein wenig Farbe in den Uni-Alltag zu bringen. Farbe? Mit einem Schwarz-Weiß-Druck? Wir möchten mit dieser Zeitung das Farbspektrum jenseits von Zementgrau und Perldunkelgrau erreichen, indem wir selbstorganisiert, unkommerziell, unabhängig ein Medium ins Leben rufen, indem eine Kritik an Bestehendem möglich ist. Wir wollen weder unseren Lebenslauf erweitern, noch die Position irgendeiner Institution oder Partei einnehmen. Abgesehen davon haben wir in

dieser Zeitung keinen Platz für Sexismus, Rassismus oder andere Arten der Diskriminierung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stellt sich für den ein oder anderen Menschen die Frage, warum denn nun alles so grau ist an dieser Uni. Solange sich die Uni zu einer wirtschaftstreuen Ausbildungsmaschine entwickelt, in der freie und kritische Bildung nicht einmal mehr Anspruch sein soll, helfen auch keine schnieken Boulevard-Umbauten, Farben in den Uni-Alltag zu bringen. Auch die „liebevoll“ gestalteten Werbebanner der Hochschulwerbung auf dem Campus machen die Uni nicht bunter. Im Gegenteil.

Editorial, Impressum..............................02 Studiproteste 2013 ................................03 Kurzgefasst.............................................03 Taktlose Todessymbolik.........................05 Aufruf zum Bildungsstreik 2014...........06 Schmeckt nach aufgewärmten Tee...... 07 Bildungsstreik 2014? .............................08 Was heißt hier eigentlich Streik?..........08 Sparpolitik und Solidarität..................... 12 Das bisschen Haushalt.......................... 13 AStA aus dem AStA jagen..................... 15 Zerstörung studentischer Strukturen. 16 Kampf um Lehrauftrag.......................... 17

Editorial

Ahoi, Mit der Ausgabe, die ihr gerade in Händen haltet, geht eure Tante in die mittlerweile zehnte Runde. Doch trotz Jubiläum blicken wir noch nicht zurück. Obwohl in einer Hinsicht schon. Denn wie schon in der ersten Ausgabe vor knapp über zwei Jahren beschäftigen wir uns in dieser Ausgabe mit den Haushaltsplänen des AStA, mit einem Statement und einem Kommentar. In einem weiteren Beitrag widmen wir uns einer längst überfälligen öffentlichen Reflexion der Kürzungsproteste des letzten Semesters. Wie diese weitergehen ist die Frage. Auch in anderen Städten gab es Proteste gegen Kürzungen im Bildungsbereich. Mancherorts soll der Bildungsstreik wieder hervorgekramt werden. So findet ihr hier auch die nicht unkommentierte Resolution zum Bildungsstreik 2014.

Kontakt tantepaul@allesfüralle.de www.tantepaul.allesfüralle.de

Herausgeber_innen Offene TantePaul Redaktion

Unterstützer_innen Aktive der Uni und Hochschule Bremen und LiSA (Liste der Studiengangsaktiven)

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Stellungnahme einer Studentin............ 18 Mit der Kürzungspolitik einher geht wie schon Brief von Frieder Nake........................... 19 immer auch die EinZum Tod von Johannes Beck.................20 schränkung kritischer Wissenschaft. Das kritiJohannes Beck Unzeitgemäßes............ 21 sche Seminar von Fritz Forschen für's Pentagon. .....................24 Storim wird von den Verantwortlichen des StudiDemoaufruf: Take back the night......... 27 engangs PolitikwissenLaye Condé ein Denkmal setzen...........29 schaften als nicht mehr Termine....................................................32 zeitgemäß empfunden und soll weichen. Einige Teilnehmer*innen seines Seminars haben ihrem Ärger schon in Nachruf auf den vor einigen Monaten der letzten Sitzung des Fachbereisrats leider verstorbenen Johannes Beck. In der Sozialwissenschaften geäußert. Wir Erinnerung an ein Gründungsmitglied haben einen der Redebeiträge doku- der Uni Bremen dokumentieren wir eimentiert und geben einen Einblick, wie nen seiner Beiträge zum Bildungsbegriff von seiten des Instituts mit Fritz umge- an Universitäten. Eure Tanten wünschen viel Spaß beim gangen wurde. Der kritischen Wissenschaft widmet Lesen der ersten zweistelligen Ausgabe. sich die aktuelle Tante auch in einem Auf die nächsten Zehn!

Eigentumsvorbehalt Redaktionstreffen Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist diese Zeitung solange Eigentum des_ der Absender_in, bis sie den Gefangenen ausgehändigt worden ist. „Zur-Habe-Nahme“ ist keine Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Wird die Zeitung den Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, ist sie der_dem Absender_in mit dem Grund der Nichaushändigung zurückzuschicken.

Auflage

Personen, die...

1500 Stück, gedruckt in der AStA-Druckerei

...diese Zeitung verteilen sind nicht verantwortlich für deren Inhalt.

Die offene TantePaul Redaktion trifft sich monatlich jeden 1. Donnerstag um 18 Uhr im GW3 am Mensasee.

Verpflichtende Erklärung „Die Materialkosten und der Druck dieser Publikation werden aus Studierendenbeiträgen gefördert. Mehr Informationen findet ihr unter http://sr.uni-bremen.de/ wiki/Presseförderung.“


Proteste gegen Kürzungsmaßnahmen

TantePaul

Studiproteste 2013 Bunt, Laut, Erfolgreich? Dieser Artikel soll einen kurzen Überblick über die Proteste im letzten Wintersemester bieten. Der Studierendenprotest richtete sich gegen die geplanten Kürzungsmaßnahmen an der Uni und im gesamten Bildungsbereich. Ein subjektiver Rundumschlag über Individuen, Strukturen und Perspektiven dieser Protestzeit. Wo erfährt man in der Uni am ehesten über seine Personalsituation? Richtig, aus der Zeitung. So oder so ähnlich klang es im Frühjahr 2013 in den Gängen der Bremer Uni. Die Presse schrieb von 80 Stellen, die im Bereich des wissenschaftlichen Mittelbaus gekürzt werden sollen. Jenen, die einen Überblick über die prekäre Situation der befristet Beschäftigten auf dieser Gehaltsebene haben, wird sofort klar, dass die Einsparung drastische Konsequenzen haben wird. Allein über 320 Semesterwochenstunden, also Vorlesungs- oder Seminarstunden in der Lehre, die im Semester wöchentlich angeboten werden, ständen laut den kritischen Stimmen auf dem Spiel.

80 Stellen im Mittelbau sind in aller Munde. Plus 50 gefährdete Stellen in der Verwaltung. Ein wichtiger struktureller Mittelpunkt der Protestwoche ist das Protestcafè auf dem Boulevard. Bunte Aktionen und viel Informationsmaterial holen die Studierenden aus ihrem tristen Alltag und bewirken, dass auf dem zentralen Aktivenplenum über 150 Studierende auf den GW2-Treppen beratschlagen, wie die Kürzungen verhindert werden können. Es folgen eine von studentischen Aktiven initiierte Vollversammlung und eine Bildungsdemo, bei der über 2.500 Kürzungsgegner*innen die Innenstadt unsicher machen. In aufopferungsvollen Frühverteilungen wurden zu-

»Eine Vollversammlung mit 1.800 Menschen,

eine laute und kreative Demo, viele Aktionen aus einem überraschend großen Aktivenkreis.«

Mit ein wenig Anlaufzeit formiert sich im Sommer ein Aktionsbündnis aus betroffenen WiMis, Verwaltungsangestellten und Studierenden. Allen ist klar: Die Kürzungen werden auf keinen Fall unkommentiert hingenommen. Das bunte Campusday"Wir sind eine Super-Uni"-Logo wird satirisch umgewidmet und weist uniweit auf eine Protestwoche hin, die neben vielen Resolutionen und Grundlagenarbeit vom Aktionsbündnis auf die Beine gestellt wird. Ein großer Beitrag dazu kommt vom engagierten Aktivenplenum, das sich jeden Donnerstag öffentlichkeitswirksam auf den GW2-Haupttreppen trifft. In der Novemberwoche, in der alles stattfindet, führen medial wirksame Flashmobs und kreative Fotoaktionen sowie unzählige Workshops und Diskussionen dazu, dass niemand mehr behaupten kann, nichts von den Kürzungen gehört zu haben. Die

vor über Wochen ganze Hörsäle mit Aufrufen zur VV und zur Demo gepflastert. Der Protest ist bunt und medial sehr präsent, sofern es Pressemitteilungen gab. Stugen organisieren gemeinsam einen sehr gut besuchten 24-Stunden-Protestmarathon, bei dem Dozierende aus fast allen Fachbereichen offensiv produktive Vorträge halten. Andere brechen das Gesetz des schnöden parlamentarischen Alltags, indem sie Kürzungsscheren in der Bürgerschaft entblößen und die Politiker*innen mit Papier-Geldscheinen bewerfen. Gegen Weihnachten schmälert sich der Aktivenkreis und das Protestcafè verliert an regelmäßigen Besucher*innen. Das liegt nicht nur daran, dass viele der Beteiligten sich verausgabt haben, sondern dass Zugeständnisse der Bremer Landespolitik und Geldspritzen vom Bund die Kürzungssituation zu entschärfen scheinen. Für

Kurzgefasst. Exzellente Tierquälerei auch an deiner Uni Experimente an den MakakenAffen sind seit Februar an der Uni Bremen wieder „ethisch vertretbar“. Das Bundesverwaltungsgericht erlaubt dem Hirnforscher Andreas Kreiter weiterhin seine Experimente mit „mäßigen Belastungen“ für die Makaken-Affen fortzusetzen. Sie werden lediglich stundenlang fixiert, bekommen Messelektroden ins Gehirn gepflanzt und werden durch Flüssigkeitsentzug dazu gebracht, das zu tun, was die Forscher*innen von ihnen verlangen. Die Bremer Gesundheitsbehörde hatte diese Affenexperimente 2008 erstmals untersagt, dann zog die Uni vor Gericht und gewann. Aber Recht zu kriegen bedeutet nicht Recht zu haben! Wie der Prostest weitergehen wird, wird sich zeigen. Step 2020 Seit dem letztem Jahr schwebt das Kürzungspaket Step2020 über der Hochschule Bremen (siehe Tante Paul letzte Ausgabe). Inzwischen kriechen erste Gerüchte über die Flure, welche Studiengänge es erwischen wird. Wird Politikmanagement von den Sozialwissenschaften weg in die Wirtschaftswissenschaften eingegliedert? Bisher gibt es noch keinen offiziellen Informationen, weder von Seiten der Hochschulleitung noch den Fakultäten. Wahrscheinlich kommt erst mit Beginn des SoSe 2014 Bewegung in den Prozess. Bis dahin hat sich hoffentlich auch die neu gewählte Studierendenvertretung eingearbeitet und ist bereit, sich mit dem Step2020 auseinanderzusetzen. Der Protest der alten Vertretung war seit der Winterpause nachhaltig eingeschlafen. Im Gesamten scheinen in Bremen die Zeiten vorbei zu sein als Kürzungen noch massiv bekämpft wurden. Schade eigentlich.

alle Protestierenden ist klar: Das haben Wir erreicht! Für einen kleineren Teil der Protestierenden ist jedoch auch klar: Es ist kaum etwas besser geworden. Die finanziellen Trostpflaster der Regierenden verdecken nur die

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Proteste gegen Kürzungsmaßnahmen strukturellen Zugkräfte, die den Bildungsbereich einer bestimmten Ideologie entlang ausrichten: Verwertung von Humankapital. Außerdem wurde Teile der Finanzmittel aus wichtigen sozialen Bereichen abgezweigt, wo sie auch dringend benötigt werden. Was die Proteste also nicht geschafft haben, ist eine generelle Kritik an der Bildungspolitik und an dem Konzept der unternehmerischen Hochschule anzubringen. Knappe Finanzen werden weiterhin als Ausreden für mangelndes Engagement im sozialen und Bildungsbereich dienen können. Strukturelle Fragen, wie unter anderem der Zusammenhang zwischen mangelnder Verteilungsgerechtigkeit und Kürzungen bei den öffentlichen Dienstleistungen konnten

Klüngeleien unter Technokrat*innen: dunkle Machenschaften der Liste „Die PARTEI“ „Wir geben 30% Satire ab, wenn wir 30% Macht bekommen“. Dies war sinngemäß die Antwort des Listen-Verantwortlichen „der PARTEI“ nach der Studierendratswahl 2012 auf die Frage, wie „Die PARTEI“ ihre Mitwirkung am AStA rechtfertigt. Der Widerspruch entstand, als der Bremer Uni Ableger der PARTEI, die sonst satirische Kritik an der parlamentarischen Demokratie übt, auf einmal in der Lage war, mitzuspielen im parlamentarischen Zirkus. Dies war 2013. Von der restlichen 70% Satire konnten wir seither wenig bis gar nichts sehen. Dafür hat die Uni-PARTEI anscheinend ihre Machtgelüste ausgebaut. Anders ist es kaum erklärbar, dass der PARTEI-Chef von seinen Anhänger_innen zum Präsident des Studierendenrats (SR) gewählt wurde. An sich schon ein Politikum. Schließlich soll der Studierendenrat u. a. den AStA kontrollieren. Zusätzlich hat der jetzige SR-Präsident auch zwei Jobs im AStA, als Öffentlichkeits-und als EDV-Beauftragter des AStA. Abgesehen davon, dass wir uns fragen, wie mensch neben seinem Studium noch zwei Jobs und einen Gremienposten gerecht werden kann, stellen wir fest: Unser PARTEI-Held ist also angestellt, dabei sein eigener Chef und kontrolliert sich darüber hinaus gleich noch selbst. Realsatire unter lupenreinen Demokraten Technokrat*inen.

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nicht in den Vordergrund gestellt werden. Die politische Nachhaltigkeit des Protestes wird dadurch infrage gestellt. Aber trotz allem: Diese Proteste sind mehr, als seit vier Jahren - also seit den bundesweiten Bildungsprotesten 2009 - an der Uni ging. Eine Vollversammlung mit 1.800 Menschen, eine laute und kreative Demo, viele Aktionen aus einem überraschend großen Aktivenkreis. Es gibt aber auch viele Aspekte, die konkret verbesserungswürdig sind. Aus den Reflexionen des Aktivenkreises ergeben sich essentielle Erfahrungen, die bei weiteren Aktionen helfen werden, zum Beispiel nicht auszubrennen:

TantePaul Mehr Aktive pro Protest Wir haben mehr gemacht, als eigentlich mit so vielen Aktiven möglich war. Das ist nicht nur dadurch sichtbar, dass wir alle gegen Ende ziemlich ausgebrannt waren. Es gibt viele strukturelle Maßnahmen, die verhindern, dass einzelne Leute sich übernehmen. Einerseits müssen Alle sich ihren Grenzen bewusst sein und mitteilen, wenn gerade etwas zu viel ist. Reflexion am Anfang von Aktionsplanungen ergeben, wie viel Zeit die Beteiligten in die Aktionen investieren und können. Bei mangelnden Ressourcen müssen Aktionen im Umfang gekürzt werden. Es gilt, die Protestlast, das Flyermachen und -verteilen, Demo- und VV-Orga, Öffnungszeiten so zu verteilen,

VV - Beschlüsse Folgende Beschlüsse fasste die Studierendenschaft der Uni Bremen auf ihrer Vollversammlung vom 28.11.2013

ent zu machen, die Kürzungen nicht umzusetzen und sich für die Schaffung neuer Stellen einzusetzen.

1. Die Studierendenschaft lehnt die Kürzungen im wissenschaftlichen Mittelbau und im Verwaltungsbereich in jeglicher Form ab. Stattdessen fordern wir eine ausreichende Grundfinanzierung, um den prekären Arbeitsverhältnissen im Mittelbau und der weiteren Schließung von Studiengängen entgegenzuwirken. Die gleichzeitige Streichung von Mitteln aus sozialen Bereichen, wie der Stadtteilförderung lehnen wir entschieden ab.

3. Wir verurteilen die allgemeine Unterfinanzierung des gesamten Bildungsbereichs und fordern einen freien Zugang zu allen Bildungsebenen für alle Menschen unserer Gesellschaft. In diesem Sinne lehnen wir sowohl ein sozial selektierendes Schulsystem ab, als auch Hochschulzulassungsbeschränkungen, Studiengebühren und eine wirtschaftsorientierte Hochschulpolitik.

2. Wir fordern das Rektorat der Universität Bremen auf, seiner angeblichen Ablehnung der Kürzungen auch klare Handlungen folgen zu lassen, die Verhandlungen mit dem Senat transpar-

4. Wir rufen alle direkt und indirekt Betroffenen zur friedlichen Teilnahme an der Großdemonstration am 04. Dezember 2013 gegen die angekündigten Kürzungsmaßnahmen im Bremer Bildungsbereich auf.

✗✗ Nach der Vollversammlung trafen sich ca. 300 Student*innen zu einer 15min. symbolischen Blockade am Stern. Mit Flyern für die Autofahrer*innen brachten sie hre Forderungen lautstark zum Ausdruck


TantePaul dass viele Schultern und Hirne die Verantwortung und die Mühe tragen. Mehr politische Bildung Inwieweit ist es gelungen, neue Aktive zu gewinnen? War genug Zeit, sich in Problematiken reinzulesen und über die Wirkmechanismen unserer Gesellschaft Einblicke zu gewinnen? Von Aktion zu Aktion gehetzt, sind emanzipatorische Inhalte in diesem Protest wieder zu kurz gekommen. In der langfristigen Perspektive ist es wichtig, Mitstudierende aus dem karrierefixierten Scheuklappenalltag zu wecken und Bauchlinke zu aktivieren. Kürzungsproteste sollten immer auch mit Basisarbeit verbunden werden, denn nach der herrschenden Marktideologie sind die Rahmenbedingungen all des Kürzungswahn absolut legitim. Dem unkritischen Konformismus kann nicht mit vulgärmarxistischen Parolen beigekommen werden, sondern es erfordert

Proteste gegen Kürzungsmaßnahmen sorgfältige Argumentation und intelligente Debatte. Auch wenn es frustrierend ist, dass die meisten Menschen denken, alles sei ganz gut so wie es ist: Vorleben und Mitreden bei emanzipatorischen Inhalten ist die Grundlage für breite Veränderung und für Verstehen. Politische Bildung? In diesem Protest leider eher zu kurz gekommen. Organisation entspricht Problemstellung Ein kritischer Umgang mit informellen Hierarchien ist bei der Organisation von Plena genauso wichtig wie die Reflexion darüber, welche Organisationsstruktur für welches Problem am besten passt. Zum Teil haben wir in diesen Protesten den Fehler gemacht, dass entweder zu viele oder zu wenige Leute über bestimmte Sachen entschieden haben. Aufgrund der unzähligen Möglichkeiten, wie Menschen gemeinsam Lösungen finden können, müssen wir uns keine Sorgen machen, dass der basisdemokra-

tische Ansatz ineffizient ist. Also: Doppelstrukturen verhindern, transparente und problemorientierte Strukturen bilden, die Wichtigkeit des Informationsflusses nicht unterschätzen. Darüber hinaus sollten wir noch daran arbeiten, die Plenastruktur für neue Leute und Ex-Unbeteiligte zu öffnen. Klar, Menschen sind schüchtern, aber Strukturen dürfen nicht einschüchtern. mehr: lisa-bremen.de/kuerzungen LiSA

Taktlose Todessymbolik An dieses Stelle dokumentieren wir eine Mail einiger Studierender, die im Januar 2013 an die Aktiven des Aktionsbündnisses verschickt wurde. Auf die Mail hin trafen sich einige Aktive mit den Verfasser*innen. Sie tauschten sich aus, reflektieren miteinander und die Kritik wurde angenommen. Liebe Aktive des Aktionsbündnisses, Wir sind eine Gruppe von Studierenden, die in den letzten Wochen die Proteste zu den Stellenkürzungen an der Universität teils aktiv, teils solidarisch begleitet haben. Wir halten es für wichtig und richtig, die Stellenkürzungen in vielfältiger Form zu kritisieren und zu bekämpfen. Allerdings stören wir uns schon seit einige Zeit an der teilweise beiden Protesten verwendeten "Todes-Symbolik". Immer wieder wurde die Kürzung von Stellen mit dem Tod von Menschen gleichgesetzt. Dies geschah beispielsweise beim sogenannten "DeathMob" vor dem St. Petri-Dom oder auch bei den theatralischen Aktionen, die die Informationsveranstaltung des Rektorats am 18.12.2013 begleiteten. Wir halten diese Gleichsetzung für falsch und zynisch. Es geht um den Verlust eines Arbeitsplatzes für einige Personen und massive Einschränkungen der Lehre für uns Studierende, zu Tode kommt dabei aber niemand. Gleichzeitig zu den Kürzungsprotesten fanden in Hamburg und bundesweit di-

verse Aktionen und Proteste geflüchteter Menschen, die um ein dauerhaftes Bleiberecht kämpfen, statt. Auch in Bremen wurde durch diverse Aktionen auf das Thema aufmerksam gemacht und dies auch medial begleitet. Während an Europas Außengrenzen tatsächlich tausende Menschen sterben, kämpfen Student_innen der Universität mit einem inszenierten Sterben vor dem Dom in der Innenstadt gegen Stellenkürzungen. Die "Henker", die bei der Informationsveranstaltung des Rektorats Menschen aus dem Publikum einen Sack über den Kopf stülpten und sie anschließend wegtrugen, lösten bei uns die Assoziation von Deportation aus. Auch wenn dies sicherlich nicht die Absicht des Aktionsbündnisses war, möchten wir darauf hinweisen, welche Art von Bildern durch derartige Aktionen (ungewollt) ins Bewusstsein gerufen werden können, die dem Protestinhalt vollkommen unangemessen sind. Die Aktionen stellen dabei nicht ein abstraktes symbolisches Sterben der "Bildung", des "selbstbestimmten Lernens" oder ähnlichem dar, sondern machen sich

tatsächlich an der Darstellung des Todes einzelner Personen fest. Die Darstellung ließe sich in eine kapitalistische Logik einreihen, die Menschen in "nützlich" und "unnütz" einteilt und dies mit dem Innehaben eines Arbeitsplatzes verknüpft, auch wenn wir davon ausgehen, dass dies von den Protestierenden nicht intendiert ist, Wer nicht arbeitet, ist nichts wert, ist gesellschaftlich "tot". Gerade eine Kritik an einer derartigen "Verwertungslogik", die bei weitem nicht nur die Menschen, die an der Universität beschäftigt sind, betrifft, sollte unserer Meinung nachTeil der Proteste sein und nicht von ihnen reproduziert werden. Wir möchten hier nur einige unserer Kritikpunkte anreißen und kurz darstellen, weshalb wir uns mit der bei den Protesten verwendeten "Todes-Symbolik" sehr unwohl fühlen. Wir würden uns freuen, wenn ihr diese Kritik in euer Bündnis tragt, dort diskutiert und in Zukunft von der Gleichstellung von Stellenkürzungen mit dem Tod von Menschen absehen würdet. Solidarische Grüße einige Studierende der Uni Bremen

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Bildungsstreik 2014

Aufruf zum Bildungsstreik 2014 Studierende gegen die Kürzungspläne im Bildungsbereich Folgende Resolution wurde auf der "Bundesweiten Konferenz gegen Hochschulkürzungen und Unterfinanzierung" am 04.-06.04.2014 in Halle von einigen Teilnehmer*innen verabschiedet. In vielen Bundesländern sind die Hochschulen von massiven Kürzungen bedroht. Wenn die Kürzungen kommen, kann das dramatische Auswirkungen auf die ohnehin desolat finanzierte deutsche Hochschullandschaft haben. Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen ist kein Zufall, sondern ein politischer Prozess, der bereits seit Jahren vorangetrieben wird. Aus kritischen Wissenschaftseinrichtungen sollen Dienstleistungsunternehmen gemacht werden. Aber dieser Prozess ist umkehrbar. Studierendenproteste wie zum Beispiel frühere Bildungsstreiks haben bewirkt, dass allgemeine Studiengebühren derzeit flächendeckend abgeschafft sind. Es kann noch mehr erreicht werden: Eine Ausfinanzierung des Hochschulbereichs ist möglich! Der Reichtum in Deutschland ist so groß wie nie zuvor. Den 2,2 Billionen Euro Staatsverschuldung stehen 10 Billionen Euro Privatvermögen gegenüber. Der Spitzensteuersatz ist seit Jahren von den Regierungskoalitionen immer weiter abgesenkt worden. Geld für Bildung wäre also genug da. Es ist nur ungerecht verteilt. Bildung im Allgemeinen und Hochschulbildung und -forschung im Besonderen fördern nachhaltige und solidarische Formen des Zusammenlebens. Die Hochschulen haben deswegen die Aufgabe, die aktuellen Verhältnisse kritisch zu reflektieren und für friedliche Lösungsvorschläge zu forschen. Um das zu unterbinden, wurden Marktmechanismen in die Hochschulen eingebracht. Beispiele dafür sind die leistungsorientierte Mittelvergabe oder der Zwang zur Einwerbung von Drittmitteln, durch die Hochschulen, Fakultäten und Hochschulmitglieder in ein Konkurrenzverhältnis zueinander gesetzt werden sollen. In Konkurrenzverhältnissen können die Hochschulen ihrer eigentlichen Aufgabe nicht nachkommen, da es nicht um den Erkenntnisgegenstand sondern um Gewinnmaximierung geht. Kritische Wissenschaft dagegen gedeiht nur in Kooperation. Mit der kooperativen Hochschule und der Ausfinanzierung aller

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Bildungsinstitutionen kann das Konkurrenzverhältnis überwunden werden. Statt einer „unternehmerischen Hochschule“ wollen wir für eine demokratische Hochschule kämpfen. Das schließt eine soziale Öffnung der Hochschulen und die Abschaffung prekärer Arbeitsbedingungen mit ein. Die Bedingungen für kritische Wissenschaft werden durch unbefristete Beschäftigungsverhältnisse, gute Bezahlung und infrastrukturelle Ausstattung der Hochschulen verbessert. Die kritische Wissenschaft muss über die Hochschule hinaus für ihre Grundlage wirken. Dafür müssen unter anderem auch Kindertagesstätten und Schulen ausfinanziert werden und hierarchiefrei gestaltet werden. Wir kämpfen für die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen. Erreichen können wir das durch Inklusion, günstige Wohnungen und die Demokratisierung aller Lebensbereiche. Deswegen ist die finanzielle Stärkung der sozialen Infrastruktur von großer Bedeutung. Es wäre fatal die derzeitigen Kürzungen im Bildungsbereich für sich genommen zu betrachten. Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen. Es ist der gemeinsame Kampf von allen, die sich gegen Abbau des Sozialstaats, Unterdrückung und für eine solidarische Gesellschaft einsetzen. Bildung braucht die Ausfinanzierung als zentrale Aufgabe des Staates! Diese Aufgabe darf nicht auf die Privatwirtschaft, Stifter*innen oder die Bildungssubjekte abgewälzt werden. Wir wollen deshalb eine flächendeckende, plurale Bildungslandschaft ausbauen und setzen uns für eine vollständige Ausfinanzierung aller Hochschulen ein. Deswegen kämpfen wir für: 1. Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern für Bildung und Wissenschaft Der Konkurrenzföderalismus, den die Föderalismusreformen I + II vertieft haben, ist insbesondere in der Bildungs- und der Wissenschaftspolitik gescheitert. Das Ko-

operationsverbot muss aufgehoben und durch eine Regelung ersetzt werden, die es Bund und Ländern ermöglicht, bei der Grundfinanzierung und darüber hinausgehenden Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie der Studierendenwerke verbindlich zusammenwirken zu können. Die gemeinsame Bildungsplanung ist als verpflichtender Auftrag wieder in das Grundgesetz aufzunehmen. 2. Vermögen umverteilen für notwendige Investitionen in die Zukunft Geld ist genug da – es muss anders verteilt werden. Das Steuersystem muss so umgestaltet werden, dass der private Reichtum der Gesellschaft zu gute kommen kann. Die Prioritätensetzung der Mittelverteilung ist zu ändern. 3. Schuldenbremse abschaffen Die Schuldenbremse verstärkt und institutionalisiert den Druck, den Rotstift vor allem im Bildungs- und Sozialbereich anzusetzen. Wir setzen uns für die Forderung ein, dass der Bund die öffentliche Hochschullandschaft stärker kofinanziert. Zu geringe Staatseinnahmen gepaart mit der Schuldenbremse sind die Ursachen von Kürzungen im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich. Wir fordern die Abschaffung der Schuldenbremse! 4. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse auflösen Für die gleichberechtigte Teilhabe am Wissenschaftsprozess muss es allen Mitgliedern der Hochschulen ermöglicht werden, unbedrängt von Befristung, schlechter Bezahlung und aufgezwungenen Arbeitszeitmodellen zu arbeiten. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz muss abgeschafft werden. 5. BAföG für alle Damit alle Menschen ein Studium aufnehmen können, wenn sie dies wollen, muss es eine elternunabhängige Finanzierung als


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Vollzuschuss für alle geben. Einschränkungen oder Sanktionen sind abzuschaffen. 6. Demokratie an der Hochschule Das Bild der „unternehmerischen Hochschule“, in der die Hochschule zu einem Dienstleistungsunternehmen umfunktioniert werden soll, muss zugunsten der allumfassenden Demokratisierung verdrängt werden. Alle Hochschulmitglieder müssen gleichberechtigt am Wissenschaftsprozess mitwirken können. Das bedeutet auch, dass die Hochschulen nicht durch Hochschulräte geleitet werden können, sondern aus sich selbst heraus demokratisch bestimmt sein müssen.

Bildungsstreik 2014

7. Für Breitenförderung – Wider Exzellenz Der Zwang, sich stets im Wettbewerb mit anderen Fachbereichen und Forscher*Innen zu sehen, muss aufgelöst werden. Statt der Exzellenzinitiative muss eine Breitenfinanzierung etabliert werden, die die Bedingungen für alle verbessert. Gegen Kürzungen und Unterfinanzierung auf die Strasse! Wir rufen zu bundesweiten Protesten in den kommenden Monaten zu einem Bildungsstreik 2014 auf. Nur wenn wir gemeinsam auf die Straße gehen, können wir Druck gegen das Kürzungsdiktat aufbau-

en. Der Mai wird zu einem Aktionsmonat mit einem dezentralen Aktionstag am 20. Mai. An diesem Tag wollen wir mit kreativen Aktionen und zivilem Ungehorsam auf Kürzungen und Unterfinanzierung aufmerksam machen. Für den 25. Juni wird zu überregionalen Demonstrationen aufgerufen um dann im Herbst alle gemeinsam in Form einer bundesweiten zentralen Demonstration gegen Kürzungen, Kooperationsverbot und Schuldenbremse und für eine grundsätzlich andere Hochschule, nämlich eine demokratische, zivile und kritische, auf die Straße zu gehen.

Schmeckt nach aufgewärmten Tee Kommentar zur Bildungsstreik-Konferenz Am Wochenende 04.-06.04.2014 fand in Halle eine „Bundesweite Konferenz gegen Hochschulkürzungen und Unterfinanzierung“ statt. Eingeladen hatte das „Aktionsbündnis Martin Luther Universität - Perspektiven gestalten“. Auch einige Menschen aus Bremen nahmen an der Konferenz teil, z.B. Leute aus dem Aktiventreffens der Uni Bremen, Aktive von der Hochschule Bremen oder von LiSA. Ähnlich wie in Bremen gab es während der letzten Monate auch in anderen Städten – z.B. Halle, Magdeburg, Jena - Proteste gegen Kürzungen, Einsparungen und Unterfinanzierung. Schuld daran sind auch anderorts sogenannte Hochschulentwicklungspläne, die Stellenkürzungen bedeuten, aber auch die Einstampfung ganzer Studiengänge oder Institute mit sich ziehen - mit Vorliebe alles nicht-verwertbare, wie z.B. geisteswissenschaftliche Fächer. Die verschiedenen Proteste zu vernetzen war Anliegen der Einladenden. Einige der Teilnehmer*innen verabschiedeten eine Resolution und rufen jetzt zu einem dreiteiligen Aktionsplan für Bildungsproteste auf. Mich reizte es, dass es nach langer Zeit mal wieder eine bundesweite Vernetzung gab. Leider wurde meine Vorfreude insgesamt durch das Wochenende getrübt. Mir lief es kalt den Rücken

runter, als ich hörte, dass das Wochenende dazu dienen sollte, den Bildungsstreik 2014 auszurufen (Eine Kritik zu den bisherigen Bildungsstreiks, findet ihr auf S. 08, Anm. der Redaxion). Hier einige fragmentarische Stichpunkte, die mir an diesem Wochenende aufstießen: * Leider wenig Teilnehmer*innen. 60 Menschen sind für ein bundesweites Treffen nicht viel, gerade wenn bedacht wird, dass aus Bremen allein 8-9 Leute anreisten. Auffällig war die hohe Anzahl männlich sozialisierter Menschen. * Die Zusammensetzung war leider sehr verbands- und parteilastig, plus einiger gewählte Stellvertreter*innen der Studierendenschaften. Dominiert wurde das Wochenende vom Dachverband fzs1 und vom sds, die sich darum schlugen „alle Studis mitnehmen zu wollen, also bloß kein Gerede von Kapitalismus abschaffen“ (fzs) oder „die Schuldenbremse als verfassungsrechtliche Festschreibung der deutschen Austeritätspolitik abschaffen zu wollen“ (sds). * zu starker Fokus auf staatstragende Forderungen; der Staat muss dies und das, u.a. mit dem Fokus auf die kommenden Landtagswahlen (z.B. Sachsen, Thüringen, Brandenburg). Dagegen würde ich setzen: Wenn mensch was verän-

dern will, muss er*sie es selber machen * Kaum Aktive von den Unis und Hochschulen, kaum Menschen von der Basis der Proteste. Anspruch ist bundesweite Vernetzung, nur von was? Wo sind die Unis, die brennen? Dadurch wirkt der Protestaufruf für mich ein wenig aufgesetzt und von oben herab verordnet: „Wir sagen, ihr macht!“ * Sehr starker Konferenzcharakter, alles wird durchstrukturiert. Gewünscht hätte ich mir mehr Selbstorganisierung. Bewegungen auch daran messen, wie die Aktiven miteinander umgehen und sich organisieren. * Wenig Verknüpfung zu anderen sozialen Protesten. Zugespitzt: Während in anderen europäischen Ländern Widerstand gegen die Troika ausgeübt wird, kümmern sich die deutschen Studis nur um ihre Ausbildung. * Positiv gewendet: Impulse aus anderen Städten, Bekanntschaften mit anderen Aktiven, Halle gesehen, … Maze von LiSA 1 Der fzs ist ein abgehobener, geldverschwendender Dachverband einiger Studierendenschaften, und agiert als parteipolitische Studi-Lobby. 2 Der sds ist der Studierenverband "Der Linken".

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„Bildungsstreik“ & Kritik

Bildungsstreik 2014? Was war das nochmal und was könnte mensch daraus gelernt haben. Im Bezug auf den Aufruf zum Bildungsstreik 2014 möchten wir an dieser Stelle auf einige Auseinandersetzungen mit vergangenen Bildungsstreikwellen aufmerksam machen. Es geht uns darum aus vergangenen Protesten zu lernen und mit der Geschichtslosigkeit hochschulpolitischer Events zu brechen. Der jetzige Aufruf zum Bildungsstreik wird unserer Meinung nach alte Konzepte reproduzieren und stellt für uns in erster Line eine kampangenartige, Wahlkampforientierte Politik dar, die von oben herab auf einen bundesweite Studierendenschaft wirkt. Im Folgenden wird hier noch einmal ein Text von 2009 abgedruckt, der als Kritik am Aufruf zum Bildungsstreik 2009 formuliert wurde und in der „Drucksache" veröffentlicht wurde. Wir denken, dass dieser Text

von ungebrochener Aktualität ist und in eine Reflexion der jüngsten Bremer Bildungsproteste einfließen sollte. Für besonders wichtig, aber aus Platz und Zeitmangel leider nicht abgedruckt, möchten wir auf die alte Internetseite der „Vernetzten Organisierung“ (VO) verweisen, die in mehreren Ausgaben ihrer „Drucksache“ Reflexionen zum Bildungsstreik veröffentlichte und vor allem strukturelle und strategische Defizite und Überlegungen zur Sprache brachte.

In der Hoffnung das diese Reflexionen für eine Weiterentwicklung von kommenden Protesten genutzt wird und dass aus Fehlern gelernt, weiterhin, vehement für eine emanzipatorische und kritische Universität und Gesellschaft gestritten wird. www.vo.bildung-schadet-nicht.de/drucksache.html Interessensgemeinschaft "Oh nein, schon wieder ein Bildungsstreik?"

Was heißt hier eigentlich Streik? Reflexionen zum "Bildungsstreik" im Juni 2009 in Bremen Vorbereitung Im Januar 2009 diskutierten wir auf dem VO-Treffen in Braunschweig mit verschiedenen anderen Gruppen und Einzelpersonen über die "Einladung zum Projekttreffen 'Bildungsstreik 2009'" und den "Aufruf zum Bildungsstreik 2009". Diese Auseinandersetzung mündete in einer von einigen Diskussionsteilnehmer_innen formulierten Stellungnahme, die auf dem folgenden "Bildungsstreik"-Vorbereitungstreffen in Berlin verteilt wurde. Ebenso war sie in der 3. Drucksache vom April 20091 und in der Dokumentation über "Organisationsprozesse im Bildungsstreik 2009"2 zu lesen. Wir konnten nicht nachvollziehen, daß das Konzept des "Bildungsstreiks" eine Reflexion der Fehler vergangener Studiengebührenproteste sei. Auch waren wir der Auffassung, daß das massenhafte Mobilisierungspotential unterhalb der "Misserfolge" aus dieser Zeit liegen würde. Außerdem spielte eine langfristige Perspektive von systemkritischer Politisierung

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und Handlungsfähigkeit über die geplante, zeitlich klar begrenzte Protestwoche hinaus, keinerlei Rolle. Statt dessen überwog der passend zum Bundestagswahlkampf geplante appellative Protestcharakter und die Ausrichtung auf eine Präsenz in den Massenmedien. Hierzu beschränkte sich der frühe Aufruf auf reformistische Forderungen nach einem öffentlich finanzierten Bildungswesen einer Demokratisierung der bestehenden Bildungsinstitutionen. Systemkritik war Fehlanzeige. Dazu paßte natürlich die Ausrichtung auf ein breites papiernes Bündnis mit anerkannten Organisation/Institutionen. Aber es fehlte jeder inhaltliche Anknüpfungspunkt für praktische Bündnisse mit anderen linken/linksradikalen Teilbereichsbewegungen. Den Begriff Streik für all das Geplante und auch letztendlich Durchgeführte fanden wir von Anfang an ziemlich daneben. Er ist natürlich geschickt gewählt, weil er als Label eine gewisse Radikalität und damit Bedeutung der eigenen politischen Praxis vorgibt, auf

die jedoch möglicherweise irgendwann nicht mehr nur die Medien hereinfallen, sondern auch die "Streikenden" selbst. Quintessenz für fast alle in Braunschweig an der Diskussion Beteiligten war es deshalb, sich nicht an Aktivitäten unter Konzept und Label "Bildungsstreik" beteiligen zu wollen. Die Möglichkeit eigener Aktionen und Aktionsformen ließen wir uns aber bewusst offen. Die Kapazität, nun selbst etwas aus unserer Sicht angemessenes zu entwickeln, ist dann jedoch über das gesamte Frühjahr nie vorhanden gewesen. Ebensowenig fand in der VO eine auf eigene Praxis ausgerichtete weitere Auseinandersetzung mit dem "Bildungsstreik" statt. Zwar gab es interventionsorientierte Gruppen/Menschen, die sich in die lokalen Vorbereitungsprozesse einbrachten. Eine gemeinsame Koordinierung einer möglichst radikalisierenden Intervention hat jedoch nicht stattgefunden. In Bremen gab es darüber hinaus keinerlei "Notwendigkeit" auf irgendetwas in dieser


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Hinsicht zu reagieren. An der Uni und der Hochschule regte sich nichts und auch die GSV (GesamtschülerInnenvertretung), die ein halbes Jahr vorher noch den Schulstreik organisiert hatte, hielt sich diesmal zurück. Erst Anfang Mai - also ca. 1,5 Monate vor der Bildungsstreik-Protestwoche lud an der Uni plötzlich der SDS zu einem Vorbereitungtreffen ein, um "Druck für eine bessere Uni zu erzeugen". Außer uns kamen noch avanti-bremen und vier oder fünf einzelne Studis. Wir äußerten unsere Monate vorher aufgestellte Kritik und schlugen die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem kaum bekannten Protestwochen-Konzept vor, um gemeinsam eine eigene lokale Praxis und Perspektive zu entwickeln. Avanti berichtete von ihrem Bestreben um eine längerfristig handlungsfähige bildungspolitische Opposition in Bremen und ließen offen, ob sie sich in diesem Rahmen am "Bildungsstreik" beteiligen würden. Der SDS wollte schlicht eine Demo, die mindestens so groß sein sollte, wie die des Schulstreiks zuvor (5.0008.000). Die wenigen anderen anwesenden Studis fanden daran Gefallen, da bereits mit dieser Intention vom SDS eingeladen worden war. Nach diesem Treffen sind wir davon ausgegangen, daß sich in Bremen nicht viel und wenn dann nur sehr "realpolitisch" etwas bewegen würde. Wir beschlossen deshalb, den Prozess lediglich kritisch zu begleiten und wo möglich radikalisierenden zu intervenieren. Unter dem Einfluß vom SDS und auch von Avanti entstanden innerhalb der folgenden Wochen Pläne für eine Vollversammlung am Montag, den 15.6.09, eine Informationsveranstaltung am Dienstag und eine Großdemonstration am Mittwoch. Unsere Einwände, daß die Vorbereitung eines solchen "Programmes" für die wenigen Aktivgewordenen, absolut größenwahnsinnig sei, wurde auf den Vorbereitungstreffen nur von einigen nicht organisierten Studis aufgenommen. Interessanterweise von denen, an denen auch die meiste Arbeit hängen blieb. Auf den wöchentlichen Treffen kam es vor allem immer wieder zu dem ganz praktischen Problem, wie und von wem das alles bewältigt werden solle. Die Organisation und Koordinierung gestaltete sich entsprechend und die teilweise kreative aber dennoch geringe Mobilisierung ging im Trubel des Unialltags und des AStAWahlkampfes weitgehend unter. Wenige Tage vor der VV, die von kaum mehr als

„Bildungsstreik“ & Kritik 2-3 Personen vorbereitet wurde, gab es noch keinen Plan bzw. keine Einigkeit darüber, wie diese überhaupt ablaufen solle und warum überhaupt. Für die Demo war ein EA als überflüssig abgetan worden und von dem Schülerbündnis, das unter einem anderem Motto zu der gleichen Demo aufrief, wußte das Unibündnis nur aus Erzählungen des SDS. Obwohl es der SDS und Avanti waren, die die Aktivitäten und die Ausrichtung des Unibündnisses bestimmten, übernahmen sie dafür nach unserer Wahrnehmung nur begrenzt oder nur in Form von Einzelpersonen Verantwortung. Sie brachten bei weitem nicht die hochschulpolitische Erfahrung ein, die sie teilweise gemeinsam mit uns gesammelt haben. In wichtigen Teilen ließen sie die ins Rollen gebrachten Aktivitäten einfach laufen, auch wenn lange absehbar war, daß sie nicht erfolgreich oder wenigstens zufriedenstellend ausgehen würden. Wir empfanden das bisweilen als Instrumentalisierung der restlichen Studis im Vorbereitungsbündnis. Woche selbst Die "Bildungsstreik"-Protestwoche selbst läßt sich am Besten mit der häufig etwas verständnislos gestellten Frage beschreiben, wo denn gestreikt werde, oder ob nicht wenigstens irgendwo irgendetwas "los" wäre. Allumfassend herrschte der alltägliche Unibetrieb. Vollversammlung Ihrem Namen nach war die Vollversammlung ein Desaster. Gerade einmal 300 Studis waren um 15h in der Mensa erschienen, um sich von studentischen GEW Vertretern anzuhören, daß der Bologna-Prozeß lieber gestaltet als rückgängig gemacht werden solle. Wie immer auf solchen Veranstaltungen existierte das Phänomen, daß die selben Menschen völlig gegensätzlichen Positionen ihren Beifall zollten.

Inhaltlich kontrovers wurde es nur einmal aus dem Anlaß, daß eine Studentin sich über das Transparent "Freie Bildung für Alle - Kapitalismus abschaffen" direkt an der "Redner_innenbühne" beschwerte. Neben einigem Heckmeck, wollte ein Vertreter der Liberalen Hochschulgruppe die ausgelöste Situation gleich nutzten, um den AStA für das Transpi zu beschimpfen und ein SDSVertreter bemühte sich gleich darauf hinzuweisen, daß die inhaltliche Aussage nicht repräsentativ für das Bremer Bildungsstreikbündnis sei und das Transpi nicht die Demo anführen werde. Ausdruck des Chaos "hinter den Kulissen" war vor allem, daß noch während der VV selbst die Frage aufkam "Wie machen wir gleich weiter?" Denn außer den "einleitenden" Redebeiträgen gab es vom UniBündnis keinen wirklich festgelegten Plan wie diskutiert und ob etwas bestimmtes beschlossen werden sollte. Erst kurz vor knapp war sich überhaupt auf ein Schwerpunktthema für die VV geeinigt worden, daß geeignet erschien, die Studis massenweise hinterm Berg hervorzulocken. Allerdings war es dann weder der Schwerpunkt, noch mobilisierte es die Studis. Und da ein von 300 Studis getragener Beschluss sowieso irrelevant ist, ging es am Ende der VV lediglich noch um Schadensbegrenzung, damit das Gefühl auf dem Nachhauseweg, was das Ganze eigentlich soll, nicht unnötig groß würde. Die hinterher teilweise wahrnehmbare Position, daß die VV mehr oder weniger erfolgreich war, teilen wir nicht. Denn dies interpretierte die VV nicht als solche, sondern begriff sie lediglich als Mobilisierungsveranstaltung für die Demo zwei Tage später. Info-VA Nach dem VV-Debakel war niemand von uns motiviert an der Info-Veranstaltung am darauf folgenden Tag teilzunehmen. Rund 40 Studis diskutierten teilweise wei-

✗✗ Bildungsstreik im Sommer 2009 in Bremen

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„Bildungsstreik“ & Kritik ter über das kapitalismuskritische Transpi, wobei sich nur eine kleine Minderheit positiv darauf bezog. Demo An der Demo nahmen rund 2.000 Menschen teil, die überwiegende Mehrheit von ihnen Schüler_innen. Die verschiedenen Schätzungen, wie viele Studis mit auf der Straße waren, liegen grob zwischen 50 und 200. Wir tendieren zu der kleineren Zahl. Damit war die Demo aus studentischer Sicht ein Fiasko, aber auch aus Sicht der Schüler_innen eine deutliche Verschlechterung um mehrere 1.000 Teilnehmer_innen gegenüber dem Schulstreik von November 2008. Die Atmosphäre entsprach einer großen politischen Klassenfahrt und wurde wurde von einem Euromayday typischem Schilderwald (z.B. Sprechblase mit "Wir sind mehr Wert als Opel") begleitet. Gleich zu Beginn kam es im Hintergrund zu einem Konflikt um die Hoheit auf der Demo. Das "Freie Bildung für alle - Kapitalismus abschaffen"-Transpi gesellte sich neben das offizielle Fronttranspi mit dem Spruch "Für Solidarität und freie Bildung". Platz für beide Transpis gab es allemal, auch wenn sich die 2000 Demoteilnehmer_ innen nur sehr zögerlich über die gesamte Straßenbreite verteilten. Die Träger_innen verstanden sich zudem auf Anhieb so gut, daß sie ihre beiden Transpis zusammenknoteten. Trotzdem reagierte die SDS Demoorga recht aggressiv und verwies aufgebracht auf einen angeblichen Bündnisbeschluß, daß das kapitalismuskritische Transpi nicht in der Nähe der Demospitze zu sehen sein sollte. Aber auch sonst hatte die Orga gut zu kämpfen. Die Technik war für die Demogröße hoffnungslos überfordert und als die Schüler_innen mit vorschreitender Zeit zunehmend konsumfreudig in die Innenstadt drängten, waren sie auch von den Fronttranspis oder von Zwischenkundgebungen nicht mehr zu stoppen. Unsere VAs Wir selbst haben aus dem Anspruch heraus radikaler Kritik Raum zu verschaffen zwei Veranstaltungen in der Zeit des "Bildungsstreiks" organisiert. Auf Unmut stieß dabei teilweise, daß sie auch auf dem Flugblatt des Uni-Bündnisses angekündigt wurden. Befördert hatten wir das blöderweise sogar noch selber, indem wir die Termine erst im letzten Moment vor der Fertigstellung des Flugblattes kommunizierten und sie deshalb auf dem Bünd-

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nistreffen nicht diskutiert worden waren. Einige fanden die Titel unserer Veranstaltungen zu radikal und deshalb für ein so auf Masse schielendes Bündnis ungeeignet, andere ärgerten sich darüber, daß wir uns mit eigenen Veranstaltungen hervortun würden. Die erste Veranstaltung fand in Kooperation mit der Maus-Bremen (Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz e.V.3) unter dem Titel "Wissen(schaft), (Aus)Bildung und Herrschaft" am Tag nach der Demo statt. 25 Personen zumeist aus dem Umfeld des Bildungsstreik-Bündnisses diskutierten bei schönem Wetter am GW3 stellenweise recht schwerfällig, ob tatsächlich "alles" in Frage gestellt werden müsse. Eine Woche später versuchten wir unter dem Titel "Was heißt hier eigentlich Streik?" einen Ort der Reflexion und Perspektive für diejenigen des kleinen Aktivist_innenkreises zu bieten, die sich nicht einfach mit dem Kampagnenende des Bildungsstreiks zufrieden geben wollten. Spontan hatte der SDS noch parallel zu einer Grillparty zur Feier der erfolgreichen Demo eingeladen. Aber immerhin noch einmal 20 Menschen hörten sich unsere Eindrücke und Kritik an, diskutierten lebhaft und gar nicht mehr so kontrovers darüber, zerbrachen sich den Kopf über die "Perspektiven linksradikaler und emanzipatorischer Hochschulpolitik" und überlegten wie es deshalb gemeinsam weitergehen könnte. Unsere Rolle/Verhalten Nach unserem Entschluss aus dem Frühjahr, lieber etwas eigenes anstatt den Bildungsstreik zu machen, fehlten uns dafür nicht nur die Kapazitäten, sondern irgendwie auch die durchschlagende Motivation. Trotz eines generell auch bewegungspolitischen Politikansatzes sind wir uns nie darüber einig geworden, ob wir den Bildungsstreik radikalisieren oder doch lieber ignorieren sollten/wollten. Der spätere Entschluß im Uni-Bündnis dann nur "mitzuschwimmen" lag auch neben der pessimistischen Einschätzung des Möglichen auch mit daran, daß wir uns nach langem Ringen gerade entschlossen hatten, uns erneut an den parallel zum Bildungsstreik stattfindenden AStA-Wahlen zu beteiligen. Kraft fanden wir daher gerade für die beschriebenen inhaltlichen Interventionen. Eigene Aktionen, für die es einige Ideen gab, konnten wir deshalb nicht umsetzen. Vor allem während der Vorbereitungs- und Mobilisierungsphase hatten wir selbst den Eindruck teilweise nur zu nörgeln und dar-

über möglicherweise destruktiv zu wirken. Vor allem den gerade aktiv gewordenen Studis gegenüber haben wir uns deshalb unwohl gefühlt. Bereits vor der Protestwoche hatten wir häufiger ins GW3 eingeladen und in kleinerem Rahmen einige Gespräche und Diskussionen zur hochschulpolitischen Perspektiven geführt. Als es in der Protestwoche selbst nicht einmal mehr ein Treffen des Uni-Bündnisses gab haben wir uns um spontane Nachbereitungen bemüht, damit nicht alle mit ihren Eindrücken alleine blieben. Unsere VA in der Woche danach verfolgte den gleichen Zweck. Wir finden, daß es uns damit insgesamt recht gut gelungen ist, einen Teil der Aktivist_innen aufzufangen und ihnen Reflexionsorte zu geben, die das Uni-Bündnis selbst nicht vorgesehen hatte. Das wir uns in diesem Sinne nicht im Bündnis selbst engagiert haben, lag daran, daß uns dort keine konstruktive und vorurteilsfreie inhaltliche Auseinandersetzung möglich erschien. Dies war aber auch der Grund, warum der SDS und Avanti unseren Veranstaltungen weitgehend fern blieben. Perspektive Der Verlauf der Bremer BildungsstreikAktivitäten, hat gezeigt, wie schwer es gegenwärtig an Unis und vielleicht speziell in Bremen ist Bewegungsarbeit zu betreiben. Diese Einschätzung wird auch noch von der parallelen Entwicklung gestützt, daß es in diesem Moment nicht die Studis, sondern die Unileitung versucht, die erst vor Jahren von ihr selbst eingeführten Anwesenheitslisten an der ganzen Uni wieder abzuschaffen. Ebenso hat auch die Abschaffung der uniweiten Mittagspause zu wenig mehr als dem üblichen Motzen geführt. Generell ist zu diagnostizieren, daß BA/MA in wenigen Jahren die Einstellung der Studis zur Universität massiv verändert hat und linksradikale / herrschaftskritische Positionen, Aktionen und Strukturen sich immer weiter auf dem Rückzug befinden. Die Uni, als Ort des kritischen und deshalb befreienden Ausbrechens aus den eigenen ökonomischen und ideologischen Zwängen ist im Moment nicht mehr. Ganz im Gegenteil, sie betreibt die Reproduktion dieser Zwänge mehr den je und die Studierenden gehen voll und ganz darin auf. Natürlich: Ausnahmen inklusive. Denn es gibt sie weiterhin, die Kreise der Unbeugsamen und ewig Renitenten. Jeden Tag stellen Studis fest, daß ihre Situation zum Kotzen ist. Jedes Jahr kommen neue Menschen an die Unis, und nicht alle hören auf zu fragen, wo sie


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„Bildungsstreik“ & Kritik

denn da bitte sehr gelandet sind. Wenn es scheinbar gerade weitgehend unmöglich ist, diesem Zustand mit einer breiten, nicht nur auf sich selbst bezogen argumentierenden, Masse zu begegnen, dann ist es das doch - und das zeigen viele Beispiele weiterhin im Kleinen (ob zu Anwesenheitslisten, Stundenplänen, Prüfungsstreß, Plakatierverboten oder sonst was) - nicht ereignisbezogen, sondern Ereignisse nutzend um gemeinsame Schlüsselerlebnisse zu erzeugen, Austausch herzustellen und Erfahrungen weiterzugeben. Das aber geht nur, indem wir unsere argumentative und praktische Radikalität beibehalten und weiterentwickeln. Wir wollen hier keineswegs für ein politisches Einigeln in linksradikale Argumentationsmuster und Identitäten plädieren, sondern fordern einen offensiven, nach außen gerichteten Umgang damit ein. Denn versuchen wir uns in Zeiten fehlender Bewegung allzu sehr den herrschenden Diskursen anzunähern, um möglichst viele Menschen "dort abzu-

holen, wo sie stehen", verlieren wir gleichzeitig auch tendenziell unsere eigenen Positionen und Erfahrungen, die wir anderen überhaupt noch mitteilen können. Für die Art und Weise, mit der wir uns in den Bildungsstreik eingebracht haben, finden wir, daß es einigermaßen gelungen ist, aus herrschaftskritischer Perspektive in die Aktivitäten zu intervenieren. Sei es über einfache Gespräche im Aktist_innenkreis, über Transpis, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort aufgetaucht sind, oder über unsere Veranstaltungen. Dennoch bleibt uns der fade Beigeschmack, teilweise nur gemeckert und uns nicht stärker konstruktiv in den Vorbereitungs- und Diskussionsprozess eingebracht zu haben. Vor allem vor einer breiteren Diskussion unserer Argumente etwa auf der VV und der Info-Veranstaltung haben wir uns ziemlich gedrückt. Hier war es statt dessen meist Avanti, die dann letztlich für eine inhaltliche Dimension sorgten. Trotzdem resultierte aus unseren bei-

den Veranstaltungen eine bis weit in die Semesterferien hineinreichende regelmäßige inhaltliche und praktische Auseinandersetzung zwischen uns und anderen Aktivist_innen mit dem existierenden Bildungssystem. Das hat uns bewiesen, daß linksradikale Basisarbeit an den Uni im Moment nicht nur strategisch notwendiger den je, sondern nach wie vor auch möglich ist. von noch einer autonomen Gruppe

1 http://www.vo.bildung-schadet-nicht.de/attachments/049_drucksache_09_01.pdf 2 http://de.indymedia.org/2009/04/246332.shtml 3 www.maus-bremen.de

Ankündigung WarStartsHere-Camp am GÜZ vom 17.-24.08.2014 Der Widerstand gegen das GÜZ geht weiter! Auch in diesem Jahr werden wir unseren Protest und antimilitaristische Diskussionen in die Region ums und auf das GÜZ tragen. Im GefechtsÜbungsZentrum des Heeres in der Altmark (unweit von Magdeburg) bündeln sich viele Facetten von Krieg und Militarisierung. Mit der Baustelle der gigantischen Geisterstadt ‘Schnöggersburg’, die der Erprobung städtischer Aufstandsbekämpfung dienen soll, gewinnt der Truppenübungsplatz immer mehr an zentralere Bedeutung für die NATO und künftige Kriege. Hier beginnt Krieg, unser Widerstand erst recht! Vom 17. bis 24. August 2014 möchten wir den Kriegstreiber_innen einen dicken (pinken) Strich durch die Rechnung machen und mit euch zusammen erneut ein Camp beleben, dass uns Raum für Diskussion und Aktion bieten wird. Es gibt viel zu tun und einiges, an das wir anknüpfen

können. Wir wollen weiterhin viel diskutieren, Analysen vertiefen und kollektive Gegenstrategien spinnen. Im Vordergrund steht in diesem Jahr noch stärker der Aspekt spektrenübergreifend gegen das anzugehen, was uns alle ankotzt: Krieg, Militär und die lebenfeindliche Herrschaft, die dies produziert. So werden wir den Raum noch stärker nutzen, unsere Widersprüche zu benennen und eine gemeinsamen Stärke zu finden. Im Vorfeld wird es weitere ‘Ratschläge’ geben, die wir als Plattform für eine breite Vernetzung, Austausch und die Möglichkeit, gegenseitiger Unterstützung sehen. Für einen starken Antimilitarismus! Gegen jeden Krieg! Baustopp für Schnöggersburg! Weitere Infos: warstartsherecamp.org

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Zur Sparpolitik der Uni Bremen

Sparpolitik und Solidarität Kürzungen, Informationspolitik, Viertelparität Die Sparpolitik, die zu den Kürzungen an der Uni führt, ist systembedingt! Wie alles in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem ist Bildung eine Ware. Daran führen nur wenige Wege vorbei, daher sind Kritiken an bösen Politiker_innen auf der personalisierten Ebene grundsätzlich abzulehnen! Was kritisiert werden kann, sind politische Entscheidungen, die zu einem höheren Druck auf das System und eben diesem Sparzwang führen. Was gerade an der Uni Bremen passiert, die Schließung und der krasse Umbau von mehr als 7 Arbeitsbereichen, hat wenig mit diesen politischen Entscheidungen im Bremer Senat zu tun. Sie sind zwar teilweise direkte Folgen der Einsparungen, die sich auch durch kurzfristige Finanzspritzen von Land und Bund nicht abwenden lassen, allerdings liegt die Entscheidungsgewalt und die Ausgestaltung der Situation bei den Menschen, die die Uni auf höchster Ebene verwalten. Und hier liegt das Problem: der Kanzler hat sich – ähnlich übrigens wie rechtsnational gerichtete Kräfte gerne ihre Ansichten rechtfertigen – auf der letzten Mitarbeiterversammlung der Metapher des „vollen Bootes“ bedient und somit seine Absicht bekundet, die Uni zu verkleinern. Im Boot ist halt nicht genug Platz für alle. Gleichzeitig macht er klar, dass er diese Pläne unabhängig von den Mitteln, die gerade in die Uni investiert wurden, verwirklichen will. Konkret nennt er Sport, Arbeitslehre, ästhetische Bildung, das Zentrum für Humangenetik, das Institut für Arbeit und Wirtschaft, das Institut für Technik und Bildung sowie das Zentrum für Sozialpolitik, bei denen er „Veränderungen“ anstrebt. Dazu kommen Gerüchte über die komplette Schließung der Kunst, nachdem diese im letzten Jahr schon auf die Hälfte an Mitteln heruntergefahren wurde, sowie der gesamten Psychologie. Das Problem an dieser Kürzungsorgie ist die Informationspolitik. Ohne Information keine Mitbestimmung. Die Aussagen, dass der Uni“umbau“ unabhängig von Mitteln stattfinden soll, zeigt doch gerade, dass da gewisse Menschen einen ziemlich genauen Plan im Kopf haben, wie die „Uni von Morgen“ oder „Uni der Zukunft“ auszusehen hat. Diese Pläne sind aber nirgends verschriftlicht, kaum jemand weiß, wie die Uni in 10 Jahren aussieht,

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dementsprechend sind auch Protest und Kritik schwer zu realisieren. Die Entscheidung, in welche Richtung die Uni steuert hängt zu diesem Zeitpunkt von ca. 2 bis 10 Menschen ab. Für eine Uni mit 20.000 Studierenden und über 3.000 Beschäftigten ist das eine miese Mitbestimmungsquote. Dazu kommt, dass mensch sich nicht einmal grundsätzlich darüber geeinigt hat, ob es sich um eine fachlich breit aufgestellte Hochschule mit niedrigschwelligem Zugang handeln soll oder eine fachlich begrenzte Eliteschmiede, die eher nach Effizienz- und Marktkriterien funktioniert. Welche Interessen hinter den Handlungen der rektoralen Ebene stecken mögen, sei dahin gestellt, ein Dialog, der im Sinne einer demokratischen und partizipativen Uni geführt werden müsste, findet nicht statt. Daran zeigt sich der Stellenwert, den einerseits Studierende, andererseits über 3000 Mitarbeiter_innen in diesem System einnehmen. Davon abgesehen geht es hier nicht nur um Jobs und Studienplätze, sondern um eine gesellschaftliche Aufgabe, der erste Auftrag einer Universität: Bildung und Forschung! Kürzungen an der Uni bedeuten Kürzungen an gesellschaftlichen Ressourcen und dem Zugang zu selbigen. Um die Vorgänge an der Uni in den nächsten Jahren sichtbar zu machen braucht es mehr basisdemokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten! Denn es ist auch offenkundig, dass das Rektorat nicht willens ist, irgendeine Art von Information preiszugeben. Das zeigt sich nicht nur an der wirklich groben Strategie der regelmäßigen „Informationstreffen“, sondern auch an der Tatsache, dass sich aktive Gruppen die Mühe machen, zwei Seiten mit konkreten Fragen zum Umbau an das Rektorat zu schicken und außer einem „wir reden mit allen Statusgruppen“ nichts zurück kommt.

In einem System also, in dem Interessen durch Repräsentant_innen gegeneinander durchgesetzt werden, wird es Zeit, wieder einmal die studentische Viertelparität, also den gleichen Stimmanteil im akademischen Senat zu fordern, wie ihn alle Statusgruppen haben. Wäre das der Fall, könnten Studierende und Mitarbeiter_innen, deren Interessen hier am stärksten bedroht sind, zumindest einen offenen Informationsfluss erzwingen. Dass diese Forderung nötig ist, zeigt gleichzeitig die ideologische Verblendung der rektoralen Ebene: das Interesse der Studierenden, Professor_innen und Mitarbeiter_innen sollte sich eigentlich mit ihrem Interesse decken: Gemeinsam an einem Konzept zu Arbeiten, wie möglichst wenig an der Uni verändert oder gekürzt werden kann und gleichzeitig den Einfluss zu nutzen, den eine solidarisch und statusübergreifend agierende Uni hättte. Stattdessen wird hier aktiv Mangelverwaltung betrieben, die Kürzungs- und Sparlogik akzeptiert und dann doppelzüngig der Protest der Studierenden gelobt und mit dem Attribut „sehr wichtig“ gelabelt. Es stellt sich die Frage, ob ein Kanzler und ein Rektor, die entweder nicht in der Lage oder nicht gewillt sind, die Interessen aller Statusgruppen an der Uni zu vertreten oder diese einfach ignorieren, die nötige Kompetenz im Sinne von Weit- und Überblick mitbringen. Zu der Zeit, als die Uni Bremen noch als linke Kaderschmiede verschrien war, wäre eine nicht tragbare Situation wie diese, in der es um radikale Kürzungen und radikalen Abbau geht, ein Grund zum Rücktritt von entsprechenden Ämtern gewesen; das wurde auch das ein- oder andere mal so praktiziert. Im politischen System der gegenseitigen Interessendurchsetzung ist Solidarität die wichtigste Ware! Liselotte Meier


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AStA aus dem AStA jagen

Das bisschen Haushalt... Während der Semesterferien beschloss der Studierendenrat (SR) mit knapper Mehrheit den Haushaltsplan des aktuellen AStA für das kommende Jahr. Dieser sieht unter anderem die faktische Abschaffung und Privatisierung des AStA-eigenen Kfz-Referats und eine massive Gefährdung des Fortbestehens der AStA-Druckerei vor. Es dauerte mehrere Sitzungen bis der AStA durch einige Enthaltungen innerhalb der Opposition im SR eine Mehrheit für den Haushalt finden konnte. Der hochschulweiten Öffentlichkeit blieb der Ablauf der Auseinandersetzungen um den Haushalt weitgehend verborgen, mit Ausnahme einiger interessierter Stugen. Im nachfolgenden Artikel wollen wir versuchen etwas Licht ins intransparente Dunkel der Hochschulpolitik zu bringen und und dabei unseren Standpunkt über die unzureichende Arbeit des derzeitigen AStA darlegen. Auf der letzten Sitzung des Studierendenrats (SR) am 26.März gelang es dem derzeitigen Minderheiten-AStA bestehend aus den Listen AStA für Alle (AfA), Hochschulpirat*innen und der Hochschulgruppe der PARTEI eine Mehrheit für ihren Haushaltsplan für das kommende Jahr zu finden. Vorausgegangen waren dem Beschluss mehrere außerordentliche Sitzungen, in denen der Haushaltsplan gescheitert ist und damit eine zeitweise Lahmlegung der AStA-Arbeit. Wir als Liste der StudiengangsAktiven (LiSA) haben durchgehend gegen den Haushalt gestimmt, da er für uns weiterhin untragbar ist. Doch erstmal alles der Reihe nach. Der Haushalt an sich und wie es soweit kommen konnte Der AStA als Institution finanziert sich aus einem Teil der Semestergebühren – derzeit 12,00 € pro Studierendem. Wie er diese Mittel einsetzt, stellt er in seinem Haushaltsplan dar, den er dem SR zum Beschluss per einfacher Mehrheit vorlegen muss. Aus diesen Mitteln werden neben der AStA-Arbeit auch die Angestellten des AStA, die Arbeit der Stugen und Hochschulgruppen sowie Anträge aus der Studischaft bezahlt. Wird 30 Tage vor Ablauf eines Haushaltsjahres – am 1. April bzw. 30. März – kein Haushalt verabschiedet, kann der AStA erst einmal nur absolut notwendige Ausgaben tätigen, wie die eigenen Angestellten zu bezahlen. An dieser Stelle beginnt bereits ein Teil des Dramas. Denn aus den Koalitionsverhandlungen infolge der letzten SR-Wahl im Sommer 2013 ging lediglich eine AStA-Koalition ohne klare Mehrheit im SR hervor, da die PARTEI und die Hochschulpirat*innen eine Zusammenarbeit mit dem SDS, Campus Grün (CG) und uns ausgeschlagen hatten.1 Somit war der amtierende AStA schon zum Amtsantritt auf das Wohlwollen oder die Enthaltung der restlichen Listen angewiesen, die Wahl

des AStA-Vorstands auf der konstituierenden Sitzung des SR eingeschlossen. Was sagt der neue Haushaltsplan politisch über den derzeitigen AStA aus? Wesentliche Merkmale des Haushalts sind die faktische Abschaffung des eigenen Kfz-Referats und eine massive Gefährdung des Weiterbestehens der AStA-Druckerei. Die Rücklagen von ca. 90.000€, die die Druckerei in der Vergangenheit selbst erwirtschaftet hat und bisher in einem eigenen Teilhaushalt führen konnte, werden in den Haupthaushalt des AStA überführt. Verbleiben sollen diese Rücklagen dabei nicht bei der Druckerei. Dies kommt einer faktischen Abschaffung der studentisch verwalteten Druckerei gleich. Und obwohl dies in einer offenen Stellungnahme vom jetzigen AStA-Finanzer dementiert wurde, gestand dies der AStA dem Studierendenrat gegenüber ein, indem er auf die Möglichkeit verwies, zukünfig doch die Druckerei der Uni nutzen zu können. Die selbsterwirtschafteten Rücklagen für auftragsschwächere Zeiten werden im neuen Haushalt

wurde ignoriert. Die oft in dieser Debatte getätigte Aussage, das Kfz-Referat sei nicht rentabel, wird somit zum schlechten Scherz. Während so der Abwicklung der AStADruckerei vorschub geleistet wird, indem sie ihrer Rücklagen beraubt wird, will der AStA zugleich die eigene Autovermietung an den kommerziellen Autoverleih "Cambio" abgeben. Ziel dieser Maßnahmen ist: sparen, sparen, sparen. Denn, so argumentierte ein Mitglied des AStA-Vorstands auf der außerordentlichen SR-Sitzung am 12. März, es sollen Mittel frei werden für politische Arbeit und es gebe einen Unterschied zwischen "politischem" und "Service"-AStA. Dabei ist es natürlich eine politische Entscheidung, ob mit den finanziellen Mitteln der Studierendenschaft eine Institution wie ein eigener Autoverleih für die Studis geschaffen wird, um unkompliziert beispielsweise Umzüge zu organisieren, bei dem gleichzeitig auch die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen unter Kontrolle der Studierendenschaft stehen. Mit den jetzigen Plänen gibt der AStA diese Mit-

»Diese Äußerung ist jedoch nur

symbolisch für die beschissene Arbeitgeber*innenpolitik des AStA.«

größtenteils verwendet um die Schulden des Kfz-Referats aufzufangen. Diese Schulden ergaben sich wesentlich aus den steigenden Betriebskosten des Kfz-Referats. Denn schon seit langem weigert sich der derzeitige AStA die mittlerweile verschlissenen und schadensanfälligen alten Fahrzeuge, durch Neue zu ersetzen. Damit stiegen auch die laufenden Kosten. Selbst ein entsprechender Beschluss des SR zum Kauf neuer Fahrzeuge vom Dezember 2013

bestimmungsmöglichkeiten aus der Hand und subventioniert ein privates Unternehmen, obwohl arbeitsfähige Strukturen im AStA verfügbar sind bzw. waren. Und während an dieser Stelle gespart werden soll, wird das pseudounpolitische Magazin "Scheinwerfer" weiterhin mit 13.000€ pro Jahr gefördert.2 Von der angestreben "politischen" Arbeit des AStA ist des Weiteren weit und breit nichts zu sehen. In die studentischen Pro-

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AStA aus dem AStA jagen testen des vergangenen Wintersemesters war symptomatisch lediglich eine Minderheit der am AStA beteiligten Studis involviert. Das Verhältnis zu den eigenen Angestellten Mitte März twitterte ein Mitglied der Hochschulpirat*innen, der AStA bräuchte keinen Personalrat bzw. sollte erst gar nicht so viele Angestellte haben, dass er überhaupt einen bräuchte. Diese Äußerung ist jedoch nur symbolisch für die beschissene Arbeitgeber*innenpolitik des AStA. Die Personalpolitik auf der AStA-Etage ist geprägt von ständiger Kontrolle, Misstrauen und Entscheidungsfindung über die Köpfe der Mitarbeiter*innen hinweg. Und das obwohl viele Mitarbeiter*innen des AStA (z. B. der BaföG- und Sozialberatung sowie der AStA-Druckerei) teilweise schon Jahrzehnte beschäftigt sind und von ihrem Metier weitaus mehr verstehen als ein AStA-Vorstand, der seit eineinhalb Jahren an der Uni Bremen ist. Der Nachricht vorausgegangen sind monatelange Auseinandersetzungen zwischen Personalrat und AStA. Nun ist es in unserer derzeitigen Gesellschaft zwangsläufig, dass es zu Konflikten zwischen Arbeitgeber*innen und

Arbeitnehmer*innen kommt. Trotzdem ist es schon eine Leistung scheinbar alle eigenen Angestellten gegen sich aufzubringen. Angedeutet hat sich diese Entwicklung bereits Anfang des letzten Wintersemesters als die komplette Belegschaft des Kfz-Referats die eigenen Arbeitsverträge kündigte.3 In einer u. a. an die Stugen adressierten Stellungnahme des Personalrats des AStA wird deutlich, dass sich an dem Verhalten des AStA gegenüber seinen Angestellten nichts geändert hat und sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern wird. Wer blockiert eigentlich wen? Bereits nachdem der Haushaltsplan das erste Mal im SR gescheitert ist, warf der Minderheiten-AStA den relevanten oppositionellen Listen SDS, CG und uns vor die Arbeitsfähigkeit der Verfassten Studierendenschaft willentlich zu gefährden und eine stumpfe Blockadehaltung an den Tag zu legen. Doch eigentlich ist es der derzeitige AStA, der ohne eine sichere eigene Mehrheit versucht hat einen Haushalt vorzulegen, der in absehbarer Weise keine Zustimmung im SR finden würde, und das ganze gleich in mehreren Sitzungen hintereinander. Zwischen den SR-Sitzungen wurden keine Schritte unternommen auf

die Opposition zuzugehen, obwohl die Kritikpunkte am Haushalt klar waren. So ist es nicht verwunderlich, dass ein und derselbe Haushaltsentwurf gleich mehrfach scheiterte. Letztendlich enthielt sich auf der letzten SR-Sitzung ein Teil der Opposition, mit der Perspektive die eigene Energie lieber in die nächste SR-Wahl im Sommer zu stecken und neue Mehrheitsverhältnisse zu schaffen. Diesen AStA abwählen! Die Zerstörung und Privatisierung studentischer Strukturen, ein untragbarer Umgang mit den eigenen Angestellten und fehlende politische Arbeit sind mehr als gute Gründe dem Hochschulpirat*innen-, PARTEI- und AfA-AStA kein weiteres Jahr zuzugestehen. Dieser AStA muss abgewählt werden! LiSA

1 Siehe auch "Wählen bis das Ergebnis stimmt" in TantePaul#9 abrufbar unter tantepaul.allesfueralle.org 2 Zum "Scheinwerfer" siehe "Universitäre Öffentlichkeit – Eine Streitschrift" in TantePaul#8,5 3 Siehe "Stellungnahme der Angestellten des KfzReferats in TantePaul#9

AStA aus dem AStA jagen Gründe gegen die momentane AStA-Herrschaft Was macht der jetzige AStA überhaupt? Diese Frage als Grundlage für diesen Text zu nehmen, wäre sehr einfach, denn dann könnte ich hier schon aufhören: Nichts, wäre nämlich die Antwort und der Text wäre vorbei. Nichts wofür es sich lohnen würde die Schreibmaschine rauszuholen. Dennoch sorgte der AStA in den letzten Monaten für Aufsehen. Schauen wir uns deshalb einige Aspekte an, die für uns Grund genug sind, den jetzigen AStA von der AStA-Etage zu jagen zu wollen. Minderheiten-AStA Der momentane AStA ist ein Minderheiten-AStA. Das heißt, die Listen, die den AStA stellen, haben keine eigene Mehrheit und wurden auf der konstituierenden Sitzung zumindest vom RCDS geduldet. Das heißt, die momentane Regierung der Studierendenschaft ist noch nicht einmal demokratisch legitimiert, freut sich daher aber über die Zustimmung der konservativ-rechten CDU-Liste. Ein Minderheiten-AStA hat es nicht leicht. Schließlich gelingt es ihm nicht einmal eine einfache Mehrheit zu stellen und ist so stets auf die Stimmen anderer Listen

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angewiesen. Zu dumm nur, wenn mensch dennoch versucht ständig sein „Ding“ durchzuziehen und keinerlei Kooperationsbereitschaft gegenüber der Opposition signalisiert. Zuletzt setzte der AStA dadurch die Handlungsfähigkeit der gesamten Studierendenschaft der Uni Bremen aufs Spiel. Denn der im Studierendenrat zu beschließende Haushalt für das kommende Jahr stieß im Februar/März bei keiner der oppositionellen Listen auf Zustimmung – nicht einmal bei den heimlichen Verehrer*innen vom RCDS – Die AStA-Listen, nämlich AfA (Jusos), Hochschulpiraten (HOPIS) und Die Uni-PARTEI, sahen es aber bis auf eine

Ausnahme als unnötig, auf die Opposition zuzugehen. Diese lehnt(e) den Entwurf des AStA ab, weil er massive Einschnitte in die Strukturen der Studierendenschaft vorsieht. Zudem bestätigen sich immer mehr Gerüchte, dass es zwischen den AStA-Listen selbst kriselt: Die Sozialdemokrat*innen können nicht mehr mit den Techokrat*innen der Hochschulpiraten. Die PARTEI ist faktisch nicht existent, als das sich jemand aktiv an ihnen stören könnte. Die letzten Abstimmungen im Studierendenrat unterstreichen dies noch einmal. Die PARTEI konnte für ihren Antrag


TantePaul „zur Einführung einer hochschulpolitischen Phrase des Monats“ nur 5 Stimmen gewinnen – bei 18 Gegenstimmen, was bei so einem Antrag aber auch nicht wirklich verwundert. Ebenso die HOPIS die einen Antrag stellten, um den Studierendenrat noch formalistischer auszubauen (dabei ist der Bürokratieausbau der Studierendenschaft gerade die Lieblingsaufgabe der sozialdemokratischen AfAs), dieser wurde ebenfalls mit 18 Gegenstimmen abgelehnt. Der jetztige AStA steht also massiv auf wackligen Beinen und ist keineswegs in der Lage, sich im Namen der Verfassten Studierendenschaft aktiv für eine so notwendige verbesserte Studien- und Lehrsituation (hochschul-)politisch zu engagieren. Als abgehobener Wasserkopf beschäftigt sich der AStA ausschließlich mit sich selbst. AStA & Protest – nach außen hui, nach innen pfui! Zugegeben, der AStA hat sich während der Kürzungsproteste im vergangenen Wintersemester auch ein klein wenig beteilig: ganze zwei Personen haben sich engagiert. Da fragen wir uns doch zu Recht, was der verbleibende Rest gemacht hat – wohlgemerkt in seiner gut honorierten „Arbeitszeit“? Oder gibt es momentan gar keine aktiven Menschen im AStA, die Hochschulpolitik machen? Warum sind diese dann zur Studierendenratswahl überhaupt angetretetn? Und was aber macht ein AStA dann, der seinem hochschulpolitischen Auftrag nicht nach kommt und dem es zu lächerlich erscheint, studentischen Protest aktiv sowohl personell wie finanziell zu unterstützen? Sich profilieren. Trotz mangelhaften Engagement und solidarischer Unterstützung aller aktiven Studierenden und (wissenschaftlichen) Mitarbeiter*innen sowie der Verwaltungsangestellten der Bremer Uni gegen den massiven Kürzungswahn der Unileitung und gegenwärtigen Bildungspolitik hatte der AStA keine Skrupel sich wider aller Tatsachen nach außen als tatkräftige*n Akteur*in darzustellen. Sobald die Möglichkeit besteht, sich massenoder medienwirksam inszenieren zu können, bequemt sich auch mal ein Hochschulpirat von seiner politischen Totenkopf-Insel. Nach dem Halten einer wortreichen Rede verschwindet er jedoch danach recht schell wieder, um auf Schatzsuche zu gehen und seine eigenen Angestellten weiter zu tyrannisieren. So geschehen auf der von studentischen Aktivenplenum organisierten Bildungsde-

AStA aus dem AStA jagen mo am 04. Dezember 2013. Der AStA versuchte bei den Protest-Plena anwesend zu sein. Aber wie oft mussten Aktive dem AStA hinter gemachten Zusagen herlaufen? Sei es weil das notwendige „Go“ für den Druckauftrag für dringende Flyer fehlte. Sei es, weil Protest-

AStA & Personalpolitik Als AStA ist mensch immer auch Arbeitgeber*in von den AStA-Beschäftigen. Dies sind unter anderem die Menschen in der EDV, der BaföG- und Sozialberatung, im KfZ-Referat, die Bürokräfte, die Druckerei-Beauftragten, dem Kinderland, der Fahrrad-Selbsthilfe-

»Dass es nicht einfach ist, mit einem SPD-AStA gegen die Politik der SPD-Landesregierung zu protestieren, war ebenfalls gut sichtbar.«

material (Stoffe für Transparente, Farben, etc.) nicht vorrätig war und der AStA nach zwei Wochen feststellte, dass er es nicht schaffte, die gebrauchten Dinge zu besorgen und zu den Aktiven meinte, sie können sich ja selbst drum kümmern. Sei es, weil der AStA, der zwar Protestkohle bereitstellte, diese aber nicht immer bereitwillig rausrückte. So wollte die Presse-AG einen UMTS-Stick abrechnen, mit der z. B. auf der Demo Pressemitteilungen verschickt wurden oder per Twitter kommuniziert wurde. Für den Stick, knapp 20€ aber gab es keine Kohle. Begründung: Heutzutage hat doch jede*r ein Smartphone. Aber nicht jede ist bereit, ihre Daten während einer Demonstration herzugeben. Doch dies vergisst der ja so auf Datenschutz bedachte AStAFinanzer von den Hochschulpiraten dann auch mal schnell. Böse gesagt, könnten alle Aktiven dem AStA auch die Verhinderung der doch recht erfolgreichen Proteste durch Verschleppung, Faulheit und dem Nicht-Einhalten von Zusagen vorwerfen. Dass es außerdem nicht einfach ist, mit einem SPD-dominierten AStA gegen die Bildungs- und Wissenschaftspolitik der SPD Landesregierung zu protestieren, war ebenfalls gut sichtbar. Denn in Situationen, in denen es mit den an den Kürzungsmaßnahmen beteiligten konfrontativ wurde, war der „engagierte“ AStA nicht sichtbar. Dieses Verhalten ist mehr als politisch schizophren. Es impliziert keine feste politische Position, sondern wirkt aufgesetzt und angepasst – abhängig davon, welchen der beteiligten Akteur*innen der AStA gerade gegenübersteht.

werkstatt und weitere Beauftragte, also Arbeitnehmer*innen. Dass es zu Reibereien zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen kommen kann, liegt solange auf der Hand, als es dieses Verhältnis gibt. Doch wie die AfA-PARTEIHopis Personalpolitik betreiben kann nur als überheblich und arrogant beschrieben werden. Von der kollektiven Kündigung der Angestellten im KfZ-Referat, die nicht den Scherbenhaufen verwalten wollten - die der AStA aufgrund von Verschleppungen und Nichtstun zu verschulden hat - erfuhrt ihr z. B. in der Stellungnahme (TantePaul #9). Vielleicht liegt es ja aber auch daran, dass die ein bis zwei aktiven Menschen im AStA mit der ganzen Arbeit, die zwangsweise auf ihren Schultern lastet, so überfordert sind, dass ein fairer Umgang mit den Beschäftigten unmöglich ist. Egal jedoch ob es Arroganz ist oder Überforderung, beides sind keine Entschuldigungen für ein solches an der Tag gelegtes Arschloch-Verhalten, dass sie über die gesamte Legislatur präsentieren. Mein Fazit: Einen AStA, der die Zerstörung studentischer Strukturen vorantreibt; der personell so schlecht aufgestellt ist, dass nur sehr wenige Leute überhaupt aktiv etwas tun; der keine Mehrheiten für sich im Studierendenrat gewinnen kann; der Protest verschleppt, braucht kein Studi! Dagegen hilft nur eins: den jetzigen Asta aus dem AStA jagen. AStA abwählen! Im Sommer ist wieder Gelegenheit dazu. MEC, stellver. Generalbevollmächtigter für Abwasserfragen und Schließfachsicherheit bei AStA-Watch

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AStA aus dem AStA jagen

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Zerstörung studentischer Strukturen Hochschulpolitik à la AStA Zerstörung studentischer Strukturen - Hochschulpolitik à la AStA Kaum haben die Semesterferien begonnen, wägt sich der AStA in Sicherheit und stellt dem SR einen Haushaltsplanentwurf vor, der deutlich zeigt, dass in diesem AStA endgültig kein Wert mehr auf studentische Infrastruktur und Serviceleistungen gelegt wird. Doch so muss sich ein AStA nicht verhalten, er unterliegt in diesem Fall nicht etwa irgendwelchen Sachzwängen. Ein AStA wird von Studierenden gewählt, verfügt im Jahr über eine große Summe studentischer Beiträge und hat die Aufgabe, diese für studentische Belange einzusetzen. Ein AStA steht damit für studentische Selbstverwaltung, er hat die Mittel, studentische Strukturen zu schaffen, die die Studierendenschaft unabhängig von der Universität und kommerziellen Unternehmen handlungsfähig machen. Ein AStA kann mehr tun, als bestehende Verhältnisse von außen zu kopieren, sondern kann eigene politische Ideale vertreten. Das haben in den letzten Jahrzehnten auch ASten in Bremen gelebt, indem das Kfz-Referat, die AStA-Druckerei und die Bafög- und Sozialberatung geschaffen und erhalten wurden, in denen Arbeitsverhältnisse auf gegenseitigem Vertrauen und Respekt beruhten. Anders als in kommerziellen Unternehmen standen die Serviceangebote ausnahmslos allen Studierenden zu Verfügung. Beispielsweise musste mensch nicht 21 sein, um ein Auto zu leihen, konnte sich unabhängig vom Bafög-Amt beraten lassen und hatte die Möglichkeit vor Ort für Stugen und Listen kommerziell drucken zu lassen. Doch im AfA-Partei-Pirat*innen-Minderheits-AStA scheint das Ideal eines funktionierenden AStAs ein anderes zu sein. Wirtschaftlichkeit geht in diesem AStA vor unabhängigen studentischen Strukturen und Kommunikation mit Angestellten bleibt hinter einer arroganten Arbeitgeber*innenpolitik zurück. Ein prominentes Beispiel dafür ist die verschleppte Zerstörung des Kfz-Referats, da der jetzige AStA die routinemäßige Neuanschaffung von Autos über Monate blockierte, Mahnungen und konstruktive Vorschläge der Angestellten ignorierte und das Kfz-Referat in seinem herkömmlichen Angebot stark einschränkte. Die sechs Angestellten im Kfz-Referats erklärten darauf hin zum Oktober vergangenen Jahres ihre kollektive Kündigung. Der Hauptgrund war für sie das respektlose Verhalten des amtierenden AStA. Eine Zusammenarbeit mit einem AStA, der ein vertrauensvolles Arbeitgeber*innen-Arbeitnehmer*innen-Verhältnis mit Füßen tritt, war für sie nicht mehr vorstellbar. Mit diesem Empfinden waren und sind sie auf der AStA-Etage nicht alleine. Die Arbeitsatmosphäre ist weiterhin mies, es herrscht noch immer Resistenz gegenüber Gesprächsangeboten von Seiten der Mitarbeitenden, Kontrollwahn und generelles Misstrauen des AStA-Vorstandes gegenüber seinen Angestellten. Diese verschleppte Zerstörung manifestiert sich letztlich im neuen Haushaltsentwurf. Es sind keine Neuanschaffungen für den Kfz-Bereich geplant. Stattdessen erklären AStA-Mitglieder, dass die Leistungen in Zukunft durch einen privaten Anbieter erbracht werden sollen. Ähnliches kann man in den Haushaltsposten für die AStA-Druckerei lesen, wenn man hört wie der AStA von den günstigen Angeboten externer, kommerzieller Anbieter schwärmt. Am wichtigsten ist für den jetzigen AStA offenbar die Wirtschaftlichkeit der Service-Leistungen. Vergangene Woche wurde der Haushalt noch erfolgreich verhindert, sollte er jedoch im nächsten SR beschlossen werden, droht die Zerstörung von studentischen Service-Strukturen. Ist das ein studentischer AStA oder haben wir aus Versehen eine Rationalisierungskommission ins Studierendenparlament gewählt? Um Kfz-Referat, Service und Druckerei zu retten heißt es wohl im Sommer: AStA selber machen! Fürs Erste wird es darum gehen, den jetzigen Haushaltsentwurfs möglichst lange zu blockieren. Für den Erhalt selbstverwalteter studentischer Strukturen – Kein Bock auf Technokraten-AstA! Umzüge und Druckaufträge sind vor dem nächsten SR am 12.03. um 18.00 Uhr abzuwickeln. Beschwerden sind im Raum GW2 B2880 einzureichen. campus grün, LiSA, SDS und Bali

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Kritische Wissenschaft: Fritz muss bleiben!

Kampf um Lehrauftrag Studierende stehen zu Fritz Storim Was 2014 von der Studienkomission der Politikwissenschaften als reine "Formalität" bezeichnet wird, ist aus der Sicht der Seminarteilnehmer*innen ein politischer Maulkorb. Fritz Storim [Siehe Kasten] bietet seit 1992 ein gutbesuchtes Seminar an der Uni Bremen an. Das Seminar, was im Sommersemester 2013 noch "Neue Technologien, Menschenbild und Ethik vor dem Hintergrund der Liberalisierungs- und Globalisierungsinitiative" hieß, soll im SoSe 2014 nun nicht mehr im FB 08 aufzufinden sein. Bei der Betrachtung dieser Tatsache gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen der offiziellen Darstellung der Fachbereichsverantwortlichen und den Seminarteilnehmer*innen und der linken studentischen Öffentlichkeit. Laut der Studienkommissionsvorsitzenden Susanne K. Schmidt wird der Lehrauftrag nicht wie gewohnt verlängert, weil ein Formfehler übersehen wurde. In einem Beschluss der Studienkommission von 2009 sei festgelegt worden, dass im Studiengang Politikwissenschaft nur promovierte Politikwissenschaftler*innen dozieren dürften. Da Fritz Storim diesen Anforderungen nicht entspreche, werde das Seminar ab dem Sommersemester 2014 nicht mehr vom Studiengang getragen. Die Tatsache, dass die Politikwissenschaft seit 2010 Heimat des Seminars ist, sei dadurch zu erklären, dass die Qualifikationen des Dozenten nicht überprüft worden seien. Soweit die offizielle Darstellung. Was Fritz selbst und auch allen anderen, die sich mit dem Fall befassen, übel aufstößt, ist die Tatsache, dass es um diesen scheinbar simplen formalen Fehler eine Reihe von schweren Denunziationen und Verleumdungen gibt. Während Susanne K. Schmidt in der Fachbereichssitzung gesagt hat, dass Herr Storim schon sehr früh fristgerecht eine Mail erhalten habe, die ihn

von der Beendigung des Lehrauftrages unterrichtet hätte. Fritz, dem diese Mail nicht bekannt war, erfuhr von seiner Kündigung erst am 06. November, als er sich routinemäßig nach seinem Lehrauftrag erkundete. Überrascht erfuhr er, dass das Seminar nicht mehr in die "neuen Planungen der Politikwissenschaften" passe dass es "schon

Umgang mit Fritz Storim ließ nicht lange auf sich warten. Unterschriftenlisten und Flyer wurden unter die Leute gebracht, Seminarteilnehmer*innen und Aktive von LiSA und Avanti nahmen sich des Falles an. Der hochangesehene und emerierte Hochschullehrer Frieder Nake schrieb einen Unterstützungsbrief, der das Verhalten des

»Das passt nicht in das Profil der Politikwissenschaft an der Uni Bremen«

seit längerem mit dem Seminar Probleme" gäbe und das eine Beschwerde einer Studentin vorliege. Vom Institutsleiter Philip Manow ist bekannt, dass er davon ausgeht, dass Fritz Seminar nur von einem "fast sektenmäßigen Kreis" von Leuten besucht wird. Ohne das je ein Wort mit Fritz gewechselt wurde, stellt er außerdem fest, dass es mit "diesem Dozenten [Fritz] tatsächlich ein Problem" gibt und dass das Seminar "den an der Uni und an unserem Institut [Politikwissenschaft] herrschenden Standards ganz offensichtlich nicht" entspreche. In einem taz-Artikel vom 07.02.14 spricht Manow von seinem "Zweifel an der Qualität der Lehrveranstaltung", die für ihn Grund genug sind, "Storim ab dem Sommersemester nicht mehr zu beschäftigen". Der empörte Widerstand gegen diesen

Fritz und die MAUS Fritz Storim ist Diplomphysiker und seit den 1970er Jahren Aktivist der Anti-Atomkraft-Bewegung. Außerdem arbeitet Fritz Storim seit den Anfangstagen in der MAUS e.V. mit, der Bremer Meßstelle für Arbeits- und Umweltschutz, die sich durch ihre kritische Auseinandersetzungen mit Wissenschafts- und Technologieentwicklungen bemerkbar macht. U.a. trug die MAUS zur wissenschaftlichen Begründung der Atomkritik bei (www.maus-bremen.de). Fritz wäre wahrscheinlich heute Professor an der Uni, hätte es gegen ihn nicht 2 Berufsverbotsverfahren aufgrund seiner herrschaftskritischen Haltung gegeben. Ironischerweise war Fritz Gast bei der Veranstaltung "Unbequeme Fragen stellen?! Zum Umgang mit kritischer Wissenschaft in der Vergangenheit und Gegenwart der Uni Bremen", bei der er über das Berufsverbot des Wissenschaftler Jens Scheer erzählte. Nun ist er selbst betroffen. Der Beitrag ist hörbar unter www.lisa-bremen.de/ein-schritt-vor-zwei-zuruck. Unter lisa-bremen.de findet weiteres zum Kampf um Fritz' Lehrauftrag.

Instituts ermahnend kritisiert. Über 25 Studierende tauchten bei der Sitzung des Fachbereichs 8 26.02. auf und forderten, dass Fritz Storim zum Haupttagesordnungspunkt gemacht wird. Anstatt die Grundsatzfragen aufzugreifen, wurde sich hinter Formalia verschanzt und immerhin das Zugeständnis gemacht, dass die Studienkomission den Fall noch einmal aufrollt. Was ist eigentlich der normale Weg, wenn eine Student*in sich über ein Seminar beschwert? Was macht man mit Dozierenden, über die es Gerüchte gibt, dass etwas an ihrem Seminar nicht gut läuft? Na klar: Es wird sich mit den Vorwürfen auseinandergesetzt, Kommissionmitglieder besuchen das Seminar, Verantwortliche suchen den Dialog mit dem Dozierenden und anderen Kursteilnehmer*innen. Rein gar nichts davon ist passiert. Der Fachbereich hat sich Fritz Storim würdelos entledigt. Wie in der Rede von Miriam Strunge, einer Studentin und ehemaligen Seminarteilnehmerin, war Fritz Storims Seminar eine inspirierende und wertvolle Veranstaltung. Mit dem denunziatorischen Verhalten hat die Institutsleitung also gleich doppelt verloren: Ihre Integrität und ein wirklich wertvolles, kritisches Seminar. ein Haufen ehemaliger Seminarteilnehmer*innen

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Kritische Wissenschaft: Fritz muss bleiben!

Stellungnahme einer Studentin Einblick in eine Fachbereichssitzung des FB8 Miriam ist eine von über 25 Studierenden und Fritz-Unterstützer*innen, die am 26.02. die Fachbereichsratssitzung des FB 08 besuchten. Vor einem motivierenden Beifall hielt sie diese Rede:

Guten Tag, mein Name ist Miriam Strunge, ich bin Studentin an der Uni Bremen und spreche heute nicht im Namen von LiSA, sondern für alle Studierenden, die es für absolut notwendig erachten, dass der Lehrauftrag von Herrn Fritz Storim erhalten bleibt.

wesenden darüber informiert sind, um welches Seminar es sich handelt, möchte ich kurz darstellen wie das Seminar aufgebaut ist. Für mich war das Seminar von Fritz Storim eines der wichtigsten Seminare in meinem Bachelorstudium. Fritz Storim hat

»Aber nicht nur die Studierenden, die heute

hier sind, fordern dass der Lehrauftrag von Fritz Storim erhalten bleibt.«

Das Seminar von Fritz Storim ist im Fachbereich 8 angesiedelt, ist aber für alle Studiengänge geöffnet. In seinem Seminar können wir uns mit Studierenden aus verschiedenen Fachrichtungen mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen beschäftigen und diese kritisch hinterfragen. Um zu verdeutlichen, dass die Erhaltung dieses Seminars ein wirklich wichtiges Anliegen in der Studierendenschaft ist, bin ich heute nicht alleine gekommen, sondern gemeinsam mit anderen Studierenden. Aber nicht nur die, die heute hier sind, fordern dass der Lehrauftrag von Fritz Storim erhalten bleibt. Wir haben Unterschriften gesammelt von vielen weitere Studierenden, die sich auch dafür einsetzen. Deshalb bringen wir heute einen Dringlichkeitsantrag in dieses Fachbereichratssitzung ein, in der wir einerseits fordern, dass über den Lehrauftrag von Fritz Storim hier öffentlich diskutiert wird und sich der Fachbereichsrat dazu positioniert. Außerdem fordern wir, dass der Lehrauftrag im Sommersemester 2014 und darüber hinaus weiter fortgeführt wird. Da ich nicht weiß, inwieweit die hier An-

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uns die Möglichkeit gegeben, uns mit den Themen auseinanderzusetzen, die uns bewegen, die wir für gesellschaftlich relevant halten. In seinem Seminar sollten wir eine 90minutige Sitzung selbstständig vorbereiten und moderieren, für mich im zweiten Semester eine ganz schöne Herausforderung. In keinem anderen Seminar an der Uni habe ich mich so intensiv in ein Referatsthema eingearbeitet. Einerseits, weil ich in keinem anderen Seminar die Möglichkeit hatte, eine ganze Sitzung zu gestalten, andererseits weil mich mein Thema ernsthaft interessiert hat und ich mich nicht nur damit beschäftigt habe, weil es in irgendeinem Lehrplan stand. Jetzt fragen Sie sich vielleicht, was hat dann Fritz Storim gemacht, wenn die Studierenden selbst die Sitzungen moderiert haben? Er hat die unterschiedlichen Themen immer wieder in einem Gesamtzusammenhang gestellt. Er hat gefragt, was ist denn eigentlich die Ursache für die Probleme, die wir hier gerade diskutieren. Und ja, Fritz Storim hat die Profitlogik der Märkte kritisiert. Er hat kritisiert, dass der Mensch in erster Linie als Ware und nicht

als Mensch angesehen wird. Ja Fritz Storim hat den Kapitalismus kritisiert. Aber ist das wirklich ein Grund in einer pluralistischen Uni ein Seminar abzusetzen? Es würde ja auch keiner auf die Idee kommen den Papst abzusetzen, obwohl das vielleicht mal eine sinnvolle Maßnahme wäre. Kann man in dieser Uni kein einziges Seminar vertragen, das sich kritischen mit dem Bestehenden auseinandersetzt? Wer wirklich will, dass Studierende an der Uni Bremen selbstständig denken lernen, kritisch analysieren und sich mit verschiedenen Meinungen auseinandersetzen, der oder die muss sich für die Beibehaltung dieses Seminars an der Uni Bremen einsetzen! Einen Punkt möchte ich noch machen zum Vorgehen. In einem intransparenten Verfahren wurde ohne Einbeziehung der Betroffenen entschieden, dass dieses Seminar, das seit 1992 an der der Uni stattfindet, einfach abgesetzt wird. Fritz Storim wusste selbst nichts davon. Er hat es erst durch einen Telefonanruf erfahren, als er sich um die Verlängerung des Lehrauftrags im Sommersemester kümmern wollte. Er wurde nicht diese Entscheidung mit einbezogen und er konnte sich nicht zu den Unterstellungen, die ihm vorgeworfen wurden, äußern. Auch wir Studierende wurden nicht mit einbezogen, obwohl wir wesentlich besser als Phillip Manow und Frau da Rocha beurteilen können, ob dieses Seminar einer guten Lehre entspricht oder nicht. Wir Studierende halten es für absolut notwendig, dass dieses Seminar erhalten bleibt! Miriam Strunge


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Kritische Wissenschaft: Fritz muss bleiben!

Unterst端tzungsbrief von Frieder Nake

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Abschied von Johannes Beck

Zum Tod von Johannes Beck Erinnerungen an einen, den an der Bremer Uni keiner mehr kennt Am 2. Dezember 2013 ist überraschend und an der Uni weitgehend unbemerkt der ehemalige Pädagogikprofessor Johannes Beck gestorben. Ich erinnere mich gar nicht mehr, wann ich seinem Namen zum ersten mal begegnet bin. Immerhin lagen 9 Fachbereiche zwischen uns. Und als ich im Jahr 2001 begann, mit der Universität ein neues Universum für mich zu entdecken, da stand Johannes schon kurz vor seiner Pensionierung. Vielleicht war es 2002, als Frieder Nake im Fachbereich 3 seine Veranstaltung ausfallen ließ, um auf einer Trauerfeier sprechen zu können. Damals auch an einem 2. Dezember - war ein mir bis dato gänzlich unbekannter Ivan Illich in Bremen gestorben. Johannes war ihm seit seinem eigenen Studium eng verbunden, nannte ihn einen seiner "wichtigsten akademischen Lehrer". Ein paar Jahre später lasen wir ihrer beider Texte. Nicht etwa, weil wir auch Pädagog_innen werden wollten, sondern, weil wir den geheimen Lehrplan unserer Universität nicht mehr widerspruchslos ertragen konnten. Meine Begegnungen mit Johannes lassen sich seither wahrscheinlich an wenigen Händen abzählen. Mal folgten wir einer Einladung zu seinen Veranstaltungen, mal luden wir ihn als Studierende

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zu einer der unseren ein. Einmal saßen wir anschließend noch mit ihm und Gerd Vinnai im Wienerhof-Café zusammen, ereiferten uns gemeinsam über die neoliberale Zerstörung der Universität und tauschten hochschulpolitische Erfahrungen und Analysen aus ganz verschiedenen Jahrzehnten aus. Auch wenn an der Bremer Uni heute wohl kaum mehr jemand Johannes Namen kennt, ist er doch eine ihrer ganz zentralen Persönlichkeiten. Wichtiger als all die Schaumschläger_innen, deren Exzellenz heute darin besteht, sich wie im Wahn dem gesellschaftlichen Mainstream anzubiedern. Diese geistige Insolvenz, mit der auch die Geschichte der Bremer Uni auf die letzten 15 Jahre beschränkt wird, hat auch Johannes zutiefst erbost. Denn er war beteiligt an einem der weitreichendsten Experimente der bundesdeutschen Hochschulreform der ausgehenden 1960er und der 1970er Jahre. Er war beteiligt am Aufbau der Bremer Universität in dem Versuch Bildung und Wissenschaft nicht mehr gegen, sondern für die große Mehrheit der Menschen zu organisieren. Und auch wenn diese Utopie in Bremen vorerst grandios gescheitert ist, so war

doch das bemerkenswerte in allen meinen Begegnungen mit Johannes, daß die Kraft ihrer Idee niemals aus seinen Gedanken verschwunden ist. Im Gegenteil er hatte das wunderbare Talent eine Atmosphäre zu schaffen, aus der heraus zahlreiche Wünsche nach einer emanzipatorischen Entwicklung unserer Gesellschaft entspringen und zu Kräften gelangen konnten. Ohne sich aufzudrängen, nahm er auch nach seiner Pensionierung weiter regen Anteil an (gesellschafts-)politischen Konflikten. Als wir uns im Wienerhof-Café voneinander verabschiedeten waren seine Worte: "Also, wenn ihr mal wieder etwas plant, sagt Bescheid!" Anstatt, wie viele seiner ehemaligen Kolleg_innen und Zeitgenoss_innen, seinen Frieden mit den herrschenden Weisheiten zu machen, blieb Johannes in einer kritischen Suchbewegung - seine Worte für das große Motto der zapatistischen Revolution: Fragend schreiten wir voran. Lieber Johannes, an einer Universität nach deinen Vorstellungen hätte ich gerne studiert. Wir kämpfen weiter darum, daß andere es einmal können. Jan Bönkost (für die Liste LiSA)


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"Unzeitgemäßes" von Johannes Beck

Unzeitgemäßes: Über die Bildung der Universität von Johannes Beck Der Text entstammt dem "Theaterbrief Nr. 4"1. Er wurde auf dem Gedenkabend für Johannes, am 01.04.2014 im Teerhof, als Reminiszenz von drei Menschen des Theaters der Versammlung auszugsweise dargeboten. Die Universitäten und Hochschulen sind ins Gerede gekommen. Das ist für sie vielleicht besser, als wenn sie gleich totgeschwiegen worden wären. Sie sind sogar ins Reden gekommen, wie mir mitgeteilt wurde. Das scheint schon sehr viel zu sein für einen Ort, an dem die Sprache traditionsgemäß zur Verständigung vorgekommen sein soll. Aber was ist das für ein Gerede? Erstaunlich finde ich, daß es beinah ohne jeden inhaltlichen Gedanken auskommt. Gerade dadurch scheint es so gewichtig, bedrohlich und beflügelnd zu sein, je nachdem, wer es zu hören oder wer etwas zu sagen hat. Kurz - es handelt sich um ein Gerede von hoher Relevanz. Das Gerede redet über Leistungen, Kapazitäten, Investitionen, Universitätsranglisten, Wissenschaftstransfer, Studentenschwemmen, Straffung und des Studiums, Innovation in der Lehre, Kosten-NutzenRelation und Bedeutung. Aber was bedeutet die Bedeutung, was die Leistung, was und lehrte wen eine gute Lehre, worin besteht der Nutzen von den Kosten, wer will welchen Nutzen von wem und wofür? Die Stimmen solcher Fragen nur leise zu hören, und die Antworten wären notwendig kontrovers. Das Gerede aber ist ein Konsens, auch ein minimaler. Also bleibt das Gerede formal bei der Form. Und da hat es auch nicht ganz unrecht. Die Form bestimmt den Inhalt – zumindest in seiner Form. Wer die Universitäten nur als Qualifikationskanalsystem mit eingebauter Examensschleuse zur der Studentenschwemme unter Abschöpfung der Elitereserven begreifen kann, darf mit seinem Gerede über Hochschulreform einverstanden sein. Was das für die Bildung bedeutet - aber wie komme ich im Zusammenhang mit dem Gerede überhaupt auf Bildung? Vielleicht weil die jetzt noch mehr werden soll?

Wahrscheinlich habe ich das anstößige Wort in letzter Zeit zu oft vernehmen müssen. Ob seine Nutzer es ganz abschaffen wollen mit seinem Verbrauch im Gerede? Bildungsreform, Bildungsetat, Bildungsdefizit, Bildungsminister, HumankapitalBildung, überhaupt die Bildung des Kapitals (sie geht als Gespenst um, in Europa), Bildungsgewinner und Bildungsverlierer, Bildungswerk, Bildungsentzug, Bildungstalsohle. Leicht ließe sich in einer genaueren Untersuchung der Sprache der Wissenschaften zeigen – gerade auch derjenigen, welche die Worte „Geist“ und „Sozial“ nur noch mit halbem Recht vor sich setzen - wie es um die Bildung ihrer Sprecher bestellt ist. Die mögen mit ihrer einfältigen Herrschaftssprache sich selbst und ihre Angst beherrschen. Doch die Sprache ist es, die es "vor ihren Sprechern voraus hat, sich nicht beherrschen zu lassen" (Karl Kraus). Sprachlos: Jargon der Bescheidwissenschaft Wissenschaftler, die sich unter dem Schleier der Nützlichkeit ihrer eigenen Verwertung verschrieben, verwenden heute eine Sprache, die genauer sagt, als sie selbst es wissen, was es mit ihrem Treiben auf sich hat. Sie verbergen ihre Gefühle, also auch Ängste, Wünsche und mögliche Erkenntnisse in Sprachgebilden, die neutral und objektiv zu sein scheinen, es aber ganz und gar nicht sind: In der didaktischen Pädagogik von Studiengängen und „Leistungskursen“ zum Beispiel geht es um Kontrolle und Beherrschung, wenn jemand der „Lernprozeß zur Erreichung operationalisierter Lernziele nach einheitlichen Lernund Kontrollverfahren zur Optimierung des Ausbildungsstandards und der Erfolgsquote“ gemacht werden soll. Das klingt nicht nur nach Straf- oder Produktionsprozeß,

das könnte auch einer sein. Von Eigensinn, Erkenntnis und Freiheit kaum eine Spur. Nur als Widerspruch bleibt sie noch erhalten und denkbar. Die militärisch deutsche Rede von den „ABC-Schützen“, denen die Unter-Richter an der „pädagogischen Front“ gegenüber stehen, um sie in „ordentlichen Lernprozessen“ durch die Zensur zu einer Position im „Lebenskampf“ zu verurteilen oder zu berechtigen, ist schon schlimm genug. Es gibt an nichts zu „verteidigen“. Sie hat allerdings einen sinnlichen Gehalt im richtigen Ausdruck für eine falsche Angelegenheit. Wer diese Sprache kritisieren will, kommt an der Kritik der kriegerischen Zustände, die sie anspricht, nicht vorbei. Die neuen aufgeblähten Plastik- oder Nullwörter tragen entsinnlichte „Intersubjektivität“ als subjektlose Sachlichkeit vor, die nichts von sich weiß. Sie werden auch da noch eingesetzt, wo es um das Leiden und die Hoffnungen der fürsorgerisch entmündigt und verwalteten „Adressaten, Patienten, Klienten und Rezipienten in diversen Zielgruppen“ zu gehen nur scheint. Wir alle sind verzielgruppt worden. Was soll man beispielsweise darunter verstehen, wenn wissenschaftlich sich anerkennende Kapazitäten in dunkler Überlastprogrammatik von kapazitätsrelevanten Curricularnormwerten, klientenorientierter Praxisrelevanz, prüfungabschichtender Leistungskontrolle, von Transferbilanzen oder vom internationalen Standard ihres Forschung- und Qualifikationsniveaus faseln? Welcher handlungsbedürftige Planungsstreß wird in omnipotenzphantastischem Gerede verborgen, wenn auf der demokratischen Schiene dieses oder jenes Programm rauf- und runtergefahren oder einfach durchgezogen werden soll, um es flächendeckend abzuwickeln und bei uns

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"Unzeitgemäßes" von Johannes Beck

Stimmbürgern zur Akzeptanz zu bringen, indem es sozial abgefedert wird? Diese „Entsorgungssprache“ der Macher macht mir Sorge, weil sie verspricht, was ihre Sprecher und deren Auftraggeber zu halten drohen: Alles plan- und plattmachen, und zwar methodisch sauber und systemartig abgearbeitet.

Wo die Vorstellung über das Machbare und seine Folgen verschwindet, schwindet auch dessen Verantwortbarkeit durch die Macher. Sie wissen dann weder was sie tun, noch was sie sagen (Günther Anders). Da helfen auch keine Ethikkommissionen. Nur die unbegriffene Wirklichkeit kann einem Fortschritt geopfert werden, der von

»Die Furchtsamen suchen Sicherheit in autoritären Systemen und betreiben die Abtötung des bedrohlich Lebendigen auf dem Standard des gerade erreichten, trostlosen Weltniveaus.«

Die Sprache verfügbarer Wissenschaft gibt sich universell. Sie läßt ihre propädeutischen Niederschläge auch in die Institutionen verschulter Bildung tröpfeln. Dort treiben sie im Wasser des Gleichgültigen traurige Blüten. Auch in die Sprache des Umgangs und der Politik ist das destillierte Sprachwasser eingesickert. Es dient dort der Glaubwürdigmachung des Unglaublichen mit Hilfe des wahrsagerischen Mythos, den Wissenschaft inzwischen umgibt. Ihm wollte sie einst vernünftig begegnen. Erschreckend an dieser Sprache ist ihr Verlust an sinnlicher Vorstellung der Dinge, über die nur noch unbegriffen verhandelt wird, und zwar in einem positiven Jargon der Unvermeidlichkeit: „Alle Ähnlichkeiten mit wirklichen Vorgängen sind tatsächlich rein zufällig - und das ist wirklich beabsichtigt“. So müßte der Vorspruch mancher humanwissenschaftlichen Abhandlung lauten, in der das humanum nur noch als intersubjektive Leiche zu irgendeinem variablen Faktor verwest. in diesem Jargon zeigt sich eine auf das Konkrete nur zielende mimetische Metaphorik - also Ähnlichkeit - welche die sinnliche Dürre des Gedankens zu verbergen sucht, mit der sie ihre Gegenstände überzieht. In den sozial abgefederten NullLösungen werden Projekte durchgezogen, denen sich die rasanten Wissenschaftler im wörtlichen Sinne verschrieben haben. Sie sind Teil des Unvorstellbaren, das mit dem fortschreitend Bestehenden identisch ist.

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der Kritik, die das Wort „fort-schreiten“ noch enthält, nichts mehr weiß. Die Rückholung der Vorstellung, also auch die Wiedergewinnung der sinnlichen Wahrnehmungs- und Vorstellungskraft, wäre heute revolutionär. Sie erlaubte die Erkenntnis des Interesses für das eigene Tun und die Ablehnung der Verantwortung für das unvorstellbare, verletzende Treiben der riskanten Gesellschafter im Hier und Jetzt ihres allseitig beschränkten Welthorizontes. Nekrophilie - Verliebtheit in das Leichenhafte – so nannte Erich Fromm eine Haltung, die in der Furcht vor der Freiheit einen Grund haben könnte. Die Furchtsamen suchen Sicherheit in autoritären Systemen und betreiben die Abtötung des bedrohlich Lebendigen auf dem Standard des gerade erreichten, trostlosen Weltniveaus. „Keine Experimente!“ wollen diese Autoritäten im kulturellen und intellektuellen Leben der Universität zulassen. Aber sie haben keinerlei Hemmungen, Millionen für Crashexperimente auszugeben. Bildung bleibt den Lernprozeßmachern vorenthalten, solange sie nicht wenigstens beginnen, ihre Sprache zu begreifen. Dabei müßten sie sich auch kritisch dem zuwenden, was sie betreiben, was in ihrem Bereich möglich gewesen wäre, und was sein könnte. Gäbe es nicht den Widerspruch der Objekte ihrer Schulungen, der sich nur allzu oft in Resignation, Gewalt, Enttäuschung und Selbstzensur äußert oder manchmal in ra-

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santen, kurzatmigen Gegenläufen - mein eigener Widerspruch wäre in keiner Weise spruchreif. Vielleicht ist es kein Zufall, daß immer, wenn ich Genaueres und Geistvolleres über die Gesellschaft und ihre Menschen erfahren will, an die Künstler mich wenden muß, an deren Romane, Theaterspiele, Bilder, Essays, Gedichte und Melodien. Sie enthalten mehr Weisheit als viele soziologische, psychologische oder pädagogische Texte. Es könnte ja sein, daß vor allem die Dichter und Schauspieler noch etwas zusammenhalten konnten, was die Wissenschaften spezialistisch zerlegt und verdrängt haben: eine Vorstellung von der Welt, vom geschundenen und möglichen Leben. ln Deutschland dürfte es um 1848 herum passiert sein, daß der Zusammenhang von Bildung, Wissenschaft und Kunst, Natur, Körper, Geist und Seele in der Sprache endgültig auseinander gebrochen worden ist. Für eine philosophierende Pädagogik waren die wichtigen Werke vor dieser Zeit Kunst und zugleich. Über sie wird immer noch geredet. Und heute? Wer so forschte und schrieb wie im Lob der Torheit, der böhmische Bruder Comenius im Labyrinth der Welt, Rousseau im Emile, Sankt Pestalozzi in Gertruds Kinderlehren, Goethe im Wilhelm Meister, Keller im Grünen Heinrich oder Kleist beim Verfertigen der Gedanken von des großen Engländers Zähmung der Widerspenstigen ganz zu schweigen - wer so schriebe, würde heute vielleicht in einer Talk-show vorgeführt werden. An einer antiquierten Reformuniversität würde er von den Gremien, die über die Philosophie hinter dem Doktor (phil.) zu befinden haben, wohl kaum zu einer Promotion zugelassen werden – die wir übrigens besser "Promouschen" nennen sollten. Und doch zehrt die ganze Geisteswissenschaft von jenem lebendigen Stoff der Dichtung und des Theaters, den sie heute verdrängt; der nur noch als Zitat einigen ihrer Sätze den Glanz philosophisch-literarischer Bildung verleihen soll, der ihr aus eigenem Verschulden so völlig abhanden gekommen ist. Aber es gibt Gegenbewegungen. Wenn die Sprache in den hohen Schulen kein Zuhause mehr findet, sucht sie sich andere Orte. Die Klügeren gehen fremd. Die Künst-


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ler treiben quer. Sie alle mischen sich ein. In öffentlichen Debatten, Schauspielen, in Freundeskreisen und Bürgerbewegungen wird - wenn auch leise - über sich und die Welt gesprochen. Standard: „Ist das denn Wissenschaft?“ Die Frage gerät zur prominenten Form der Zensur des Denkens auf den Wegen der Forschung und des Studiums - also bis in die Inhalte hinein: „Sie sind nicht hier um zu denken, sondern um zu studieren.“ „Wer die allgemein anerkannten Standards der Wissenschaft nicht akzeptiern will, hat hier nichts zu suchen.“ ( Als ob solche Sprecher etwas suchten.) Mit derartigen Sätzen wird der Geist verabschiedet und den vorausgesetzten Gegebenheiten unterstellt. Die hat er zu reproduzieren statt zu reflektieren, um Tatsache ihrer Veränderung werden zu können. Was einst Disziplin genannt wurde, wird zum disziplinierenden Tabu gegenüber allem, was dem „Geschäft“ der Wissenschaftler und damit dem bestehenden Zustand zu widersprechen droht. Solches Tabu verdinglicht den Geist in ein Bewußtsein, das bewußtes Sein, also auch den Widerspruch, verdrängt. Repressiv im ideologischen Apparat der Wissenschaften ist heute vor allem, was sich selbst als Standard begreift, weil es zu Besserem und Schönerem nicht zu greifen wagt. Wer im Standarddenken sich den als Luxus erscheinenden freien Geist versagt, will auch keinen anderen darüber hinausdenken lassen. Alles was sich vor der Kontrolle der zur eigenen Fesselung errichteten Norm nicht verbeugen will, gilt als Bedrohung des nun endlich erreichten „Niveaus“ der sich auf Kongressen schulterklopfenden Fachkollegen. Wenn solche Wissenschaftler die Infragestellung ihrer Standards als unwissenschaftlich denunzieren, schließt ihre Behauptung eine doppelte Lüge ein: Erstens in der Sache und zweitens, weil sie sich für wahr hält. Jede bedeutende Erkenntnis setzt die Kritik und Verletzung der Normen voraus, die das Denken im Bestehenden fesseln sollten. „Wissenschaftlichkeit“ als Zensurbegriff bedroht die freie Möglichkeit des Geistes. Gerade in der reflektiert eigenwilligen Haltung gegenüber befremdlichen „Objekten“, also im Umgang mit den Phä-

"Unzeitgemäßes" von Johannes Beck

nomenen der Welt, kann Erkenntnis und Wissen erschaffen werden. Wo dagegen Methode und Verfahren kontrolleurhaft die Bewegungen des Gegenstandes triumphieren, wo das „lntersubjekt“ zum Fetisch einer vermeintlichen Objektivität erklärt wird, geraten gerade die Subjekte selbst unter die Räder. Sie werden in den Apparat

Mehrheit selbst-bestimmt und selbstverwaltet, manchmal sogar beantragt. Von dieser Mehrheit darf allerdings verlangt werden, daß sie zumindest die verfassungsmäßigen Rechte einer Minderheit akzeptiert, die eigene Fragen aufwirft und eigene Wege in Forschung, Studium und Lehre gehen will. Es geht dabei um nicht

»Wer die allgemein anerkannten Standards

der Wissenschaft nicht akzeptiern will, hat hier nichts zu suchen.«

eines Betriebes verdinglicht, der um seiner selbst willen läuft. Dies ist mit dem, was er dienstbeflissen reproduziert, identisch. Wie diese Praxis funktioniert, wäre leicht an der Behandlung unbotmäßiger Forschungsprojekte durch Kommissionen und etablierte Gutachter zu zeigen. Auch die Anerkennungspraxis durch fach-kollegiale Studiengangskommissionen gegenüber Lehrveranstaltungen, die in Thematik, Arbeitsweise und Fragestellungen den bornierten Rahmen angeblicher Fachstandards und Prüfungsvorhaben sprengen könnten, gibt zu denken. Nicht selten ist vorbeugende Selbstzensur bei Lehrenden und Studierenden, die sich noch anderes als das Gegebene wünschen, die Folge und Wirkung zugleich. Sie wollen den Behinderungen des Geistes aus dem Wege gehen, indem sie die Zensur schweigend, also akzeptierend, verfestigen. Erkenntnis und Bildung der Universität können nur gelingen, wenn die organisierte Mißtrauenserklärung durch Bevormundung und jegliche Form der Erziehung unterbleiben, wenn sich die Studierenden ihre Lehrenden selbst wählen können, wenn die unzensierte Auseinandersetzung um die Inhalte in eigenwilligen, auch künstlerischen Ausdrucksformen das Klima einer Akademie prägen. Solange die an der Universität Beteiligten ihre Freiheit in Forschung, Lehre und Ausdruck nicht in Anspruch nehmen, also verteidigen, ist alles Klagen über eine Fremdbestimmung gegenstandslos. Diese Fremdbestimmung wird gegenwärtig durch eine

weniger als um die Freiheit der Bildung, Wissenschaft und Kunst. Da ich annehme, daß wir uns auf diese sehr allgemeine Formel einigen könnten was immer jeder darunter verstehen mag - mache ich noch einen versöhnlichen Vorschlag zur Hochschulreform. Er wäre völlig "kostenneutral" zu verwirklichen und steht in unserer Verfassung gleich am Anfang: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Ich schlage weiterhin vor, sie durch gegenseitige Kritik und Lehre zu ersetzen.

1 Theater der Versammlung. Bremer Versuchsbühne zwischen Bildung, Wissenschaft und Kunst. Theaterbrief Nr. 4, Sommer 1994 (Universität Bremen, Fachbereich 09).

Weiterlesen und -hören •

Wer weiterlesen möchten, der*dem empfehlen wir Johannes Essaysammlung "Der Bildungswahn", erschienen bei Rowohlt. Der Titel ist antiquarisch erhältlich oder als PDF-Datei unter www.beck-johannes.de zu finden. Zusammen mit Gerhard Vinnai und Gert Sautermeister organisierte Johannes die langjährige Veranstaltungsreihe "Kritische Suchbewegungen". Die Reihe wird fortgeführt. Für Ankündigungen siehe www.johannes-beck.de. Johannes war außerdem Teilnehmer bei der Podiumsdiskussion "Ein Schritt vor, zwei zurück - Schafft sich die Uni selber ab? - Zum Wandel der Wissenschaftsverständnisse an der Uni Bremen" (2011). Der Audiomitschnitt (17 min) von seinem Beitrag findet sich unter: www.lisabremen.de/ein-schritt-vor-zwei-zuruck.

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Rüstungsforschung an der Uni

Forschen für's Pentagon. Zu verurteilen? Nein. Einfach nur logisch! Ein weiterer Fall von konkreter Rüstungsforschung an der Uni Bremen und seine Einordnung. Im November 2013 wurde bekannt, dass die Universität Bremen zusammen mit 21 anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen für das US-amerikanische Verteidigungsministerium geforscht hat. Seit 2003 sind insgesamt 7,4 Millionen Euro an 22 deutsche Hochschulen in Deutschland geflossen. Nach Berichten des Norddeutschen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung wurden seit dem Jahr 2000 mindestens 19 Universitäten und vier außeruniversitäre Großforschungseinrichtungen direkt oder indirekt vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium und dessen angegliederten Behörden und Unterabteilungen für verschiedenste Projekte in dem Zeitraum von 2003-2013 finanziert. Die Liste reicht von der LMU München, über die Uni Bochum und Uni Dresden bis an die Universität Bremen. Die geförderten Projekte reichen von der Erforschung von Spracherkennungsmodellen bis zur Untersuchung von Erdbeben im Iran oder der Weiterentwicklung von Sprengstoff. Darunter sind Fälle wie an der Uni Marburg wo die Flugeigenschaften von Insekten erforscht wurden um Microdrohnen und "präzisionsgelenkte Munition" zu verbessern Oder es sind Projekte wie in Bremerhaven, die nicht sofort als militärische Forschung auffallen. Dort forschte das Alfred Wegener Institut zum Schutz von Walen vor Unterwasserlärm, der bei Marineeinsätzen entsteht und zur Strandung der Tiere führen kann. In einem anderen Vorhaben seien arktisweite Messungen der Bodentemperaturen in Dauerfrostgebieten vorgenommen worden.1 In einer Stellungnahme streitet das Institut den militärischen Nutzen der Forschungsergebnisse vehement ab.

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Auch in Bremen möchte man von militärischer Forschung nichts wissen. Wie der Weser-Kurier berichtete, wurden zwei Doktoranden am Institut für Umweltphysik aus US-amerikanischen Geldern finanziert. Von 2003 bis 2007 flossen nach Angaben des Instituts für Umwelttechnik 96000 Euro, von 2009 bis Anfang 2013 weitere 88000 Euro. Erforscht worden sei mithilfe dieser Gelder, welche Stoffe Meteoriten in die Erdatmosphäre transportieren und welche geophysikalischen Prozesse sich dort in 70 bis 140 Kilometern Höhe abspielen. Konkret hätten Wissenschaftler für zwei Dissertationen am Institut für Umweltphysik Gelder beim European Office of Aerospace Research and Developement (EOARD) beantragt. Das EOARD gehört zur Forschungsabteilung der amerikanischen Luftwaffe. Das Projekte tauchte im Rechenschaftsbericht der Hochschule nur unter dem Oberbegriff "Drittmittel" auf. Weder Universitätsleitung noch Dekane oder das Kultusministerium sollen von den genauen Geldgebern gewusst haben. Die Uni Bremen hätte mit dem PentagonAuftrag allerdings ohnehin kein Problem gehabt: Es sei nur Grundlagenforschung betrieben worden, heißt es von der Universitätsleitung. Der Verweis auf Grundlagenforschung oder die Dual-Use Problematik ziehen sich bei vielen der Statements von verantwortlichen Forschern und Universitätsleitungen. Dass Geld vom US-Militär verwendet wird ist für sie erst mal kein Grund für die

Zivilklausel Die Universität Bremen wiederum hat unter dem Eindruck des amerikanischen Raketenabwehrprogramms SDI und des Rüstungswettlaufs im Weltraum 1986 eine Zivilklausel eingeführt, die vor allem die Weltraumforschung auf friedliche Ziele festlegen sollte. In dem Beschluss heißt es: „Der Akademische Senat lehnt jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab und fordert die Mitglieder der Universität auf, Forschungsthemen und -mittel abzulehnen, die Rüstungszwecken dienen können.“ Ähnliche Klauseln gibt es heute an Hochschulen in Berlin, Dortmund, Konstanz, Oldenburg und Tübingen. In Niedersachsen war eine Zivilklausel sogar von 1993 bis 2002 Teil des Landeshochschulgesetzes. Trotzdem lehnen viele Hochschulen eine Zivilklausel als Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft ab. Nicht alle deutschen Hochschulen haben einer sogenannten Zivilklausel zugestimmt. Meist auf öffentlichen oder studentischen Druck verpflichten sich die Wissenschaftler_Innen darin, auf militärische Forschung zu verzichten. Jedoch ist die Frage, wie zwischen zivilen und militärischen Anwendungen unterschieden werden soll. Ablehnung eines Forschungsantrages. An der Uni Bremen die Geld vom USMilitär bekommt, existiert jedoch eine Zivilklausel. Mit ihr hat sich die Uni Bremen eigentlich die Selbstverpflichtung gegeben


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Rüstungsforschung an der Uni

nicht für Rüstungszwecke zu forschen. Die Zivilklausel wird an der Bremer Uni hoch gelobt und es wird sich regelmäßig dazu bekannt. Bei strittigem Bekanntwerden, dass doch Gelder von Rüstungsunternehmen oder Militärs flossen, wird dann allerdings auf den fehlenden militärischen Nutzen der Projekte verwiesen. Anzumerken ist, dass natürlich nicht nur das US-amerikanische Verteidigungsministerium hier Rüstungsforschung betreibt. Von der Öffentlichkeit wenig beachtet sind die vom Bundesverteidigungsministerium jährlichen vergebenen Aufträge im Werte von rund 10 Millionen Euro an deutsche Hochschulen. Dabei sind diese Rüstungsforschungsprojekte auch keine Ausnahme. Beispielsweise liegt dem NDR eine Liste aus dem niedersächsischen Wissenschaftsministerium vor, die insgesamt 100 Projekte mit sicherheitstechnischen und militärischen Forschungsaufträge niedersächsischer Universitäten seit dem Jahr 2000 umfasst, deren öffentliche oder private Auftraggeber militärische Interessen nahelegen. Insgesamt geht es um Aufträge im Wert von 25 Millionen Euro. Ein erklecklicher Anteil ist offensichtliche Militärforschung.2 Geld vom Pentagon - ja. Rüstungsforschung – nein. Die Zivilklausel wurde in den vergangenen Jahren vielfach diskutiert. 2012 wurde ein prominenter Fall debattiert, in dem eine Stiftungsprofessur für Raumfahrttechnik durch den Satellitenhersteller und Bundeswehrzulieferer OHB teil-finanziert wurde. Wenig später musste das Bremer Rektorat zugeben, dass allein in den vergangenen zehn Jahren die Uni mindestens ein Dutzend Aufträge aus der Wehrindustrie annahm und fast eine halbe Million Euro dafür bekam. Die Bremer Institute und Forscher_innen nahmen trotz Zivilklausel Hunderttausende Euro von bekannten Firmen wie dem Rüstungskonzern Rheinmetall Defense und dem Torpedo-Hersteller Atlas Elektronik. Für den Satellitenhersteller OHB arbeitete sie an einem System zur Datenübertragung bei hohen Geschwindigkeiten, einsetzbar in Kampfflugzeugen. Das Geld dafür kam aus dem Verteidigungsministerium. Nun steht die Satellitenforschung wieder in der Kritik. Die Bremer Universitätsleitung hat im vergangenen November bestätigt, dass sie Geld aus dem US-Verteidigungs-Minis-

✗✗ Macht es überhaupt einen Unterschied, aus welchem Land das Geld für Rüstungsforschung fließt?

terium für ein Satelliten-Forschungsprojekt bekommen hat – und zwar mehr als 200.000 Dollar in den vergangenen Jahren. Zwar sprechen sich viel Studierende, Professoren und Universitätsleitung oft und gerne für den Erhalt der Zivilklausel aus, bei bekannt gewordenen Projekten, wird aber der direkte militärische Nutzen abgestritten. Der offensichtliche Widerspruch von der öffentlichen Zustimmung zur Zivilklausel und der praktischen Inkonsequenz wirft die Frage auf, was die Zivilklauselbefürworter_innen überhaupt unter der Klausel verstehen, was für sie an militärischer Forschung, Militär und Krieg abzulehnen und was offensichtlich auch ausnahmsweise toleriert werden kann. Klar formuliert ist in vielen Zivilklauseln das Bekenntnis zum Frieden. Eine Erklärung für die breite Zustimmung zu den Klauseln - denn wer ist schon für Krieg. Die Debatte bei konkreten „Verstößen“ gegen die Zivilklausel, wird auch nicht über den Sinn und Unsinn von Krieg debattiert. Vielmehr beschränkt sich die Debatte da-

rüber, ob die Forschung nun auch konkret militärische Anwendung findet. Oft steht das Argument im Vordergrund, dass die konkreten Projekte nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der militärischen Nutzung stehen. Denn an der Zielsetzung vieler Projekte kann zuerst nichts militärisches Erkannt werden. In einem werden Wale vor dem Stranden gerettet in einem anderen Projekt in München wird Sprengstoff weiterentwickelt, damit dieser weniger schädlich für die Umwelt ist. Die Gemeinsamkeit besteht in dem Geldgeber, in diesem Fall dem amerikanischen Verteidigungsministerium. Zwar sind viele Forschungsergebnisse dual einsetzbar, doch der Geldgeber ist weiterhin ein militärischer Akteur. Anzunehmen das ein militärischer Akteur mit seiner Finanzierung keine primär militärischen Interessen verfolgt, scheint mehr als fraglich. Doch über diese Argumentation wird häufig hinweggesehen. Es scheint trotz der Zusprüche zur Zivilklausel eine hohe Akzeptanz für militärische Forschung zu geben, solange nicht die militärische Nut-

Zivilklausel verfassungswidrig Die universitätsinternen Zivilklauseln haben keine rechtliche Bindung und sind nur Selbstverpflichtungen. Sie dienen eher der Darstellung einer Universität, denn einer ernsthaften Verweigerung für militärische Forschung. Gesetzliche Verankerungen im Hochschulgesetz werden von Kritikern der Zivilklausel häufig als verfassungswidrig bezeichnet, da sie in das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit rechtswidrig eingreifen. Der Rechtsprofessor Erhard Denninger kommt allerdings in seinem Gutachten für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung zu dem Ergebnis, dass durch Zivilklauseln die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz nicht gefährdet ist. Der Wissenschaftler sei in seinen Forschungen zwar frei, schreibt Denninger, welche Mittel wofür aufgewendet werden, sei aber Sache der zuständigen Organe.

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Rüstungsforschung an der Uni

Satellitenforschung, Dual-Use und militärische Nutzung Gerade im Bereich von Satellitentechnologie ist es vielfach unmöglich zwischen militärischer und ziviler Nutzung zu unterscheiden : So wird zum Beispiel das Synthetic Apertur-Radarsysteme (SAR) vom Bremer Unternehmen OHB gleichermaßen benutzt, um das Schmelzen der Polkappen zu dokumentieren oder in Auslandseinsätzen Aufklärungsmissionen durchzuführen. Auch die Europäische Union verfolgtmit "Global Monitoring of Environment and Security" (mittlerweile umbenannt in "Copernicus") ein derartig mächtiges Forschungsvorhaben. Die Plattform entsteht parallel zum Satellitenpositionierungsdienst Galileo und soll die bereits existierende Satellitenaufklärung einiger Mitgliedsstaaten um ein eigenes EU-System erweitern. "Copernicus" dient einer "Bekämpfung von Terrorismus und Klimawandel". zung offensichtlich ist. Ehrliche Worte findet einer der Forscher für das US-Verteidigungsministerium selber. Der Chemiker Klapötke, der in München an dem fraglichen Sprengstoffprojekt beteiligt ist, antwortet auf die Nachfragen der Presse wie er sein militärtechnisches Engagement rechtfertige: „Ich brauche mich gar nicht zu rechtfertigen. Deutschland hat die Bundeswehr und ist Mitglied in der Nato. Also ist es nur logisch, seine eigenen Streitkräfte und die unserer Bündnispartner wo immer es geht zu unterstützen, auch durch erstklassige Forschung!“3 In einem Gespräch mit der lokalen Presse wird es noch deutlicher: "Entweder man ist Pazifist und schafft die Armee ab", sagt der

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Chemiker, "oder man hat eine Armee. Und dann finde ich es unmoralisch, ihr nicht mit der besten Ausrüstung zu helfen."4 Über diese Haltung kann und sollte mensch streiten. Doch eins ist an ihr zu Befürworten, ihre Konsequenz. Der Staat BRD hat seit 1955 ein deutsches Militär. Die Universitäten in Deutschland sind mehrheitlich staatlich Grundfinanziert. Es ist absurd von der Vermeidung von Rüstungsforschung zu sprechen und von der Abschaffung der Bundeswehr zu schweigen. Das Einfordern von Zivilklauseln und die Empörung darüber, dass die Selbstverpflichtungen nicht eingehalten werden, ist widersinnig. Solange die BRD ein eigenes

Militär unterhält, wird die logische Konsequenz daraus sich auch auf die Universitäten in Form von Rüstungsforschung niederschlagen. Eine Zivilklausel allein wird daran nicht viel ändern. Die Debatte sollte daher nicht bei der Implementierung und Bestmöglichen Kontrolle der Zivilklausel stehen bleiben, sondern um die Legitimation von Militär und Kriegen geführt werden und ob es tatsächlich einen Unterschied macht, dass es sich um das amerikanische, französische oder deutsche Militär handelt, das die Gelder vergibt. A.Miller

1 Vollständige Liste unter http://www.ndr.de/geheimer_krieg/geheimerkrieg251.pdf 2 http://www.ndr.de/geheimer_krieg/geheimerkrieg359.html 3 http://www.tagesspiegel.de/politik/millionenus-dollar-fliessen-an-deutsche-hochschulendeutsche-wissenschaftler-forschen-fuer-dieamerikanische-ruestungsindustrie/9126356. html 4 http://www.sueddeutsche.de/muenchen/ wehrtechnik-an-der-lmu-die-gruene-bombedes-professors-klapoetke-1.994523


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Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte

Kennzeichen für Polizist*innen Erklärung des AKJ Bremen zu den Plänen eine Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte bei Großlagen im Land Bremen einzuführen, vom 24.11.2013 Bremen Im Rahmen einer Anfrage an die beiden Regierungsparteien des Landes Bremen haben wir erfahren, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kennzeichnungspflicht in absehbarer Zeit umgesetzt werden soll. Laut Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass Polizeikräfte bei so genannten Großlagen anonym gekennzeichnet werden. Wir begrüßen die Pläne der Landesregierung als ein Signal, die faktische Straffreiheit von Menschen, die für die Polizei arbeiten, zu beenden. Hierbei geht es uns nicht um einen generellen Vorwurf gegenüber allen. Es besteht jedoch ein Aufklärungsdefizit, das eine faktische Straffreiheit für die Anwendung nicht gerechtfertigter Polizeigewalt zur Folge hat. Derzeit ist es gerade bei Demonstrationen und Fußballspielen für Opfer häufig unmöglich, die Menschen hinter den Helmen und Uniformen zu erkennen. Werden dazu noch, wie jüngst bei der „Pro Deutschland-Tour“ durch Bremen, Sturmhauben getragen, ist eine Identifikation nahezu unmöglich. Die Aufklärung solcher Straftaten, derer sich die beiden großen Polizeigewerkschaften, GdP und DPolG, noch immer verwehrt, ist hingegen unerlässlich. Gerade die Polizei, der vom Staat ein weitreichender Katalog aus Befugnissen, Material und Einsatzmitteln, also Waffen, zur Verfügung

gestellt wird, muss verschärfter Kontrolle unterliegen. Die Anwendung von Gewalt seitens der staatlichen Autorität hat für die Opfer häufig traumatische Folgen, die weit über die physischen Einwirkungen hinausreichen. Dass Strafverfolgung genau in diesem Bereich aufgrund institutioneller Hürden praktisch nicht stattfindet, ist ein unhaltbarer Zustand. Lange Zeit galt eine Kennzeichnung als unnötig, da die Vorstellung vorherrschte, ausserrechtliche Polizeigewalt finde nicht statt. Diejenigen, die es dann eben trifft, die werden es schon verdient haben. Doch spätestens seit des heftigen Polizeieinsatzes in Stuttgart im Rahmen der Stuttgart 21 Proteste bröckelt dieses Bild. Als die Polizei bei der Blockupy-Demonstration in Frankfurt dieses Jahr etwa 1000 Menschen einkesselte und kontrollierte, wurde diese Vorstellung auch von der konservativen Presse in Frage gestellt. Wir befürworten, dass diese neue Sensibilität auch in der Bremer Politik angekommen ist. Unklar ist derzeit, wie die Kennzeichnungspflicht ausgestaltet werden soll. Insbesondere die Größe, Position und Art der Befestigung der Kennzeichnung, sowie die Komplexität, sind vitale Punkte. Zudem dürfte für den Erfolg entscheidend sein, welche Folgen diejenigen zu erwarten ha-

ben, die die Kennzeichen entfernen oder verdecken. Die Kennzeichnungspflicht kann allerdings nur ein erster Schritt sein, um rechtswidrige Polizeigewalt zu bekämpfen. Selbst wenn die Person, die rechtswidrig gehandelt hat, namentlich bekannt wird, bedeutet das noch lange keine Aufklärung. In Deutschland ermittelt immer noch die Polizei gegen die eigenen Angehörigen. Auch die Anklage wird noch immer von einer Staatsanwaltschaft vertreten, die grundsätzlich auf die Zusammenarbeit mit der Polizei angewiesen ist. Wohin die enge Verbundenheit von Polizei und Staatsanwaltschaft führen kann, wird in den Fällen Oury Jalloh und Lothar König erschreckend deutlich. Auch abseits von diesen recht bekannten Fällen, haben betroffene Personen immer wieder mit Korpsgeist und Gegenanzeigen wegen angeblichen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu kämpfen, wie auch das Verfahren im Anschluss an die ChristivalProteste in Bremen zeigt. Wir unterstützen deswegen diesen ersten Schritt der Landesregierung, illegale Polizeigewalt zu bekämpfen und fordern weitere Schritte zur Aufklärung und Opferschutz. Arbeitskreis kritischer Jurist_innen

Seminar-Empfehlung für's SoSe 2014 - Nr.1 Der Kunst-Stuga und die freie Klasse. Die Freie Klasse ist eine studentisch organisierte Veranstaltung, in der künstlerische Arbeit nicht als genie- oder talentbasierte Praxis verstanden wird. Die Studierenden können den ergebnisoffenen Rahmen nutzen, um sich über ihr künstlerisches Schaffen auszutauschen, neue Projekte gemeinsam zu organisieren und künstlerische Techniken und Strategien auf Augenhöhe mit allen Teilnehmenden von einander zu erlernen.In gemeinsamen Plenen wird über theoretische Themen diskutiert, die dann in die künstlerische Praxis einfließen- hierbei werden wir mit der Methode des „Open Space“ arbeiten. Außerdem besteht die Möglichkeit, zusammen auf Exkursionen in die Kulturlandschaft zu ge-

hen und das Erlebte gemeinsam zu reflektieren. Der Schwerpunkt wird also auf der Kooperation der Teilnehmenden liegen. Die gemeinsamen Treffen gestalten sich wie in einer offenen Ateliergemeinschaft als strukturierender Rahmen. Wie genau unser Seminar stattfindet, wird also von euch abhängig sein. Wir hoffen darauf, autoritäre, hierarchische Strukturen aufbrechen zu können und gegenseitiger Reflexion und Inspiration Raum zu geben. Die Veranstaltung ist auch für Nicht-Kunststudierende offen, so dass ein interdisziplinärer Austausch möglich wird. Wir freuen uns schon auf spannende Stunden mit euch! Ein paar Aktive des Studiengangs

Dienstags 18:00 - 22:00, Ort: GW 2 B 3800 (kleines Atelier)

Seminar-Empfehlung für's SoSe 2014 - Nr.2 Einführung in die kritische Aktionsforschung Von der Reflexion der Kürzungsproteste zur wiederständigen Praxis. Die kritische Aktionsforschung ist Teil eines emanzipatorisch gedachten praktischen Denkens, das fast vergessen worden ist, zumal an deutschen Universitäten. Ihr Vergessen ist kein Zufall. Die Reflexion und das Erinnern auf das notwendige Scheitern bilden den Ausgangspunkt

des Seminars. Daraus hervorgehend soll gemeinsam statt einsam eine kritische Praxis entwickelt werden, deren Reflexion bestenfalls gelänge. Als Anlass dafür bietet sich der gegenwärtig geplante Stellenabbau und der als Umbau gewertete Vorgang (Vorsicht Jargon der Eigentlichkeit!) der Universität Bremen im Zuge der restaurativen Initiierung von Exzellenz an. Ziel des Seminars ist es, hierzu eine widerständige Praxis zu entwickeln.

Till Kathman, Freitags 10:00 - 12:00, Ort: SFG 2080

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Take back the night!

Demoaufruf: Take back the night Queer-feministische Take back the night Demo 2014 Bremen Wir laden euch, FrauenLesbenInterTrans* ein, am 30.04.2014 nach Bremen zur queer-feministischen Take back the night Demo zu kommen. Gemeinsam wollen wir uns den öffentlichen Raum (wieder)aneignen und queer-feministische Positionen sichtbar machen. Warum wollen wir auf die Straße gehen? Die Gesellschaft, in der wir leben, ist durch verschiedene Unterdrückungsverhältnisse strukturiert, wie zum Beispiel patriarchale, rassistische, sexistische, um nur einige zu nennen. Das finden wir scheiße und wollen dem eine queer-feministische, laute, kraftvolle Demonstration entgegensetzen, um unserer Wut auf diese Strukturen Ausdruck zu verleihen. In unserer Gesellschaft wird von uns erwartet, dass wir eindeutig als Frauen* oder Männer* erkennbar sind und den jeweiligen Ein Cis-Mann ist ein Mensch, der bei der Geburt als Junge eingeordnet wurde, als Mann wahrgenommen werden und auch so leben möchte.

Rollen- und Identitätsbildern entsprechen. Diese zwei Geschlechtsidentitäten werden als "normal" gehandelt und als Norm gesetzt. Alle Identitäten, die nicht in diese zwei Kategorien passen, wie z.B. Trans*und Inter-Positionen, werden als abweichend gekennzeichnet. Uneindeutigkeiten gelten so als etwas "Unnormales" und werden damit - oft gewaltvoll - diskriminiert. Wie wirkmächtig diese Konstruktionen sind, zeigt sich in dem alltäglichen Zwang, sich permanent in eine der beiden Kategorien einordnen zu müssen, sei es bei Identitätsdokumenten oder beim Gang

take back the night - 30. 04. 2014

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auf eine öffentliche Toilette. Wir fordern das Recht auf Uneindeutigkeit! Wir wollen diese Kategorien nicht nur als Konstruktionen entlarven, sondern darüber hinaus einen gesellschaftlichen Umgang fern einer vermeintlichen Zweigeschlechtlichkeit denkbar machen. Außerdem fordern wir einen selbstbestimmten Zugang zu medizinischen Behandlungen ohne von anderen, sogenannten Expert_innen, als krank diagnostiziert zu werden. Das beinhaltet auch die klare Absage an willkürliche (geschlechtszuweisende) Zwangsoperationen direkt nach der Geburt. Wir sind ständig konfrontiert mit sexisti-

Frauen* und Männer*: Das Sternchen weist darauf hin, dass die Kategorien „Frau“ und „Mann“ nicht natürlich, sondern gesellschaftlich konstruiert sind. Das Sternchen soll sichtbar machen, dass es kein einheitliches Bild gibt, sondern unterschiedliche Entwürfe als „Frau“ oder „Mann“ zu leben

scher Werbung und der allgegenwärtigen Vermarktung von vor allem weiblichen* Körpern. Diese tragen dazu bei, Frauen* als Objekte darzustellen und erzeugen „Schönheits“ideale, die mit realen menschlichen Körpern wenig zu tun haben, aber trotzdem starken Druck ausüben, diesen zu entsprechen. Wir wollen nicht auf unsere Körper reduziert werden und dass diese ständig begutachtet, beurteilt und sexualisiert werden. Wir wollen selbst über unsere Sexualität und unsere Körper bestimmen. Dazu gehört auch das Recht und die Möglichkeit, eine Schwangerschaft abbrechen zu können. Wir wollen unsere körperlichen Grenzen selbst definieren und dass diese respektiert werden. Sexualisierte Gewalt wird vor allem durch Cis-Männer ausgeübt. Circa jede 3. Frau* und jeder 3. Trans*mensch ist in ihrem*seinem Leben davon betroffen. Dabei bleibt ein großer Teil der ausgeüb-

ten sexualisierten Gewalt unsichtbar und ungehört und findet in den vermeintlich „guten“ und sicheren Familien, Ehen, Beziehungen und Bekanntschaften statt. Aber auch in der Öffentlichkeit, auf der Straße oder in Kneipen sind wir mit der Gefahr sexualisierter Gewalt, mit Sexismus und diskriminierender Gewalt konfrontiert. Wer kann sich wann wo ohne Angst bewegen? Wer kann sich wie verhalten? Wer kann mit wem wo sorglos knutschen oder Händchen halten? Angestarrt werden… abgescannt werden… blöde Anmachen… abwertende Sprüche… angefasst werden… belächelt werden… Aarrrgh! STOP!!! Wir werden am 30.4. gemeinsam auf die Straße gehen und uns den Raum, der an Abenden wie diesen von feiernden Cis-Männern dominiert wird, zurückholen. Wir wollen uns frei und selbstbestimmt bewegen können – wann, wo und wie wir wollen!

Inter* ist eine Bezeichnung für Menschen, bei denen die Geschlechts-Merkmale (zum Beispiel Genitalien) nicht eindeutig „männlich“ oder „weiblich“ sind.

Die absurde Idee, dass es nur zwei Geschlechter gibt, setzt sich fort in der Annahme, dass Heterosexualität das Natürlichste auf der Welt sei. Wen sollen wir begehren? Heterosexualität gilt als unsichtbare Norm, die eine Benennung von homo-, bi-, a-, queeren, poly- usw. Sexualitäten erzwingt. Wir wollen lieben, begehren, mögen wen wir wollen. Wir wollen nicht, dass uns von vornherein eine Sexualität zugesprochen wird, sondern wollen diese eigenmächtig bestimmen und leben können. Wir wollen öffentlich knutschen, mit wem wir wollen, wann wir wollen und wo wir wollen. Es ist unsere Entscheidung, ob wir gerade viele Menschen, einen Menschen oder keinen begehren und was wir mit unserem Begehren wie anfangen wollen. Die beiden anerkannten Geschlechter


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„Frau“ und „Mann“ sind als gegensätzliche Gesamtpakete konstruiert. Hier werden den jeweiligen Identitäten bestimmte Eigenschaften, Verhaltensweisen, Aussehen, Fähigkeiten, Zuständigkeitsbereiche zugeschrieben. Diese stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander. „Männlichkeit“ gilt in dieser Gesellschaft als Norm, vermeintlich „männliche“ Eigenschaften“ werden positiv bewertet, vermeintlich „weibliche“ abgewertet. Dies zeigt sich auch in der Verschränkung von patriarchalen Strukturen und Kapitalismus: Frauen* wurde und wird immer noch der Bereich der Reproduktion zugewiesen, das heißt, vor allem Frauen* sollen verantwortlich sein für Kindererziehung, Haushalt, Fürsorge. Reproduktionsarbeit wird meist abgewertet und dazu auch nicht bezahlt. Für die meisten Frauen* gibt es also eine Doppelbelastung aus Lohnarbeit und Reproduktionsarbeit. Wir haben keinen Bock mehr auf niedrigere Löhne und die Nichtanerkennung von Reproduktionsarbeit, im Öffentlichen wie im Privaten. Wir wollen andere

able-bodied ist eine Bezeichnung für Menschen, die in unserer Gesellschaft als nicht behindert gelten.

Arbeits-, Familien- und Beziehungsmodelle, in denen wir und unsere Bedürfnisse sichtbar werden. Aber… Frauen* können doch auch Karriere machen?! Einige privilegierte Frauen* können es sich leisten, das Problem der Reproduktionsarbeit für sich im Privaten zu lösen. Oft werden diese Tätigkeiten dann an mehrfach diskriminierte Frauen* abgegeben. Am System ändert sich dadurch nichts, die Problematik wird verschoben von einer sexistischen Struktur hin zu einer Struktur, in der sich Sexismus und Rassismus überschneiden. Deutlich wird an diesem Beispiel: Die Unterdrückungsverhältnisse sind eng miteinander verwoben, sie können sich gegenseitig stabilisieren oder

Take back the night!

gegeneinander ausgespielt werden. Ein solidarischer Feminismus muss den Kampf gegen jede Form von Unterdrückung und Herrschaft beinhalten. In unserer Gesellschaft gibt es ein ganzes Netz von unterschiedlichen Machtlinien, in dem Menschen unterschiedlich positioniert und betroffen sind. Die verschiedenen Unterdrückungsverhältnisse existieren nicht nur nebeneinander, sondern sind miteinander verschränkt und schaffen eigene Formen der Diskriminierung. Während also einige Personen oder Personengruppen mehrfach diskriminiert werden, gibt es andere, die in mehrfacher Hinsicht privilegiert sind, also konkrete Vorteile daraus genießen. In unserer Gesellschaft sind mittelständisch-akademische, ablebodied, weiße, deutsche, heterosexuelle, cis-Männer die Personengruppe, die potenziell die meisten Privilegien hat. Sie hat einen leichteren Zugang zu allen gesellschaftlichen Bereichen, zu wichtigen Positionen in Politik, Wissenschaft, Industrie und wird auch medial am vielschichtigsten dargestellt. Das bedeutet also nicht, dass alle Männlichkeiten in gleicher Weise privilegiert sind. Genauso kann nicht

Trans* bezeichnet alle Menschen, die die Grenzen der ihnen zugewiesenen Geschlechtsidentität überschreiten.

davon ausgegangen werden, dass alle FrauenLesbenInterTrans*-Personen gleiche Diskriminierungserfahrungen teilen. Wir sind uns bewusst, dass auch in unserer Vorbereitungsgruppe die Verteilung von Privilegien ungleich ist und wir von unterschiedlichen Machtverhältnissen negativ und positiv betroffen sind. Das kann dazu führen, dass auch auf der Demo bestimmte Positionierungen mehr vertreten sind als andere. Wir wollen versuchen, einen bestärkenden, empowernenden Schutzraum für alle zu schaffen; wir sind uns aber bewusst, dass dieser möglicherweise nicht

Ablauf & Infos * * * *

Workshops ab 15 Uhr Essen 18 Uhr Plenum 19 Uhr Demo 20 Uhr - Treffpunkt: Mädchenkulturhaus, Heinrichstraße 21 * weitere Infos: tbtn2014bremen. blogsport.de * Take back the night - Queerfeministische Inhalte auf die Straße tragen * für Schlafplatzbörse und Kinderbetreuung schreibt an: takebackthenight2014@riseup.net

für alle FLIT* verschiedener Positionierungen gleichermaßen gilt. Sowohl in der Vorbereitung als auch in der Durchführung der Demo wollen wir einen Raum schaffen, in dem wir uns austauschen, ausprobieren und andere politische FrauenLesbenInterTrans* kennenlernen können. Wir wünschen uns, dass hier viele Entwürfe von Geschlecht und Begehren ausgelebt werden können abseits von einer Aufgabenverteilung, die Frauen* in die Küche und Männer* an den Lautsprecher und in die erste Reihe der Demo verweist. Zu anderen Gelegenheiten freuen wir uns auf gemischte feministische Zusammenhänge und solidarische Aktionen in Zusammenarbeit mit cis-Männern. Aber an diesem Tag wollen wir FrauenLesbenInterTrans* unsere negative Betroffenheit von patriarchalen, sexistischen, trans- und homofeindlichen Verhältnissen selbstermächtigend umkehren und wütend und kämpferisch ohne cis-Männer auf die Straße gehen!! Dieser Tag soll uns gehören! Lasst uns die Straßen verqueeren und die herrschenden Verhältnisse ins Wanken bringen - für eine Welt ohne Unterdrückung und für ein selbstbestimmtes Leben für alle! "Take back the night 2014" Vorbereitungsplenum

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TantePaul

Rassismus tötet !

Laye Condé ein Denkmal setzen Rede auf der Demonstration am 07.01.14, am 9. provisorischen Denkmal für Laye Condé Das Denkmal, vor dem wir hier stehen, ist das 9. Denkmal für Laye Condé, das wir an dieser Stelle aufstellen und das nach einer Weile von der Stadt wieder abgeräumt wird. 9 Jahre nach Laye-Alamas Tod ist keiner der Täter zur Rechenschaft gezogen worden – und wird es auch niemals werden. Der Prozess gegen den Polizeiarzt ist eingestellt worden – eine gerichtliche Fest-

Rassismus tötet "Wir erinnern an Laye-Alama Condé, gestorben am 7.1.2005, getötet im Bremer Polizeigewahrsam durch einen zwangsweise durchgeführten Brechmitteleinsatz. Ende Dezember 2004 wurde Laye-Alama Condé aus Sierra Leone, der seit Jahren hier in Bremen lebte, am Sielwalleck von Zivilpolizisten verhaftet und unter Verdacht des Drogenbesitzes in das Polizeirevier Vahr verbracht. An Armen und Beinen gefesselt, wurde ihm von dem Arzt Igor Volz gewaltsam Brechmittel verabreicht und über eine Nasensonde so viel Wasser in den Magen gepumpt, dass seine Lungen überfluteten und er erstickte. Laye-Alama Condé ist in den Räumen der Bremer Polizei grausam gequält und ertränkt worden. Er wurde 35 Jahre alt." ("Rassimus tötet", Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé,

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stellung der Schuld wird es niemals geben. 9 lange Jahre hat nicht einer der politisch Verantwortlichen öffentlich auch nur ein Wort des Bedauerns oder der Trauer über die polizeiliche Tötung Laye-Alama Condés geäußert. Laye-Alamas Tötung hat sich nicht nur in unsere Köpfe und Herzen eingeschrieben, sondern auch in die Stadtgeschichte Bremens. Unser Ziel ist deshalb die Errichtung eines künstlerisch gestalteten, dauerhaften Denkmals an dieser Stelle. Der Tod von Laye-Alama Condé begann mit seiner polizeilichen Verschleppung aus dem öffentlichen Raum. Deswegen soll hier, in der Mitte der Stadt, an Laye-Alama Condé und an die Umstände seines Todes erinnert werden. Und zwar öffentlich, ununterbrochen und deutlich sichtbar. Heute, im Jahr 2014, hat sich etwas verändert im Blick staatlicher Vertreter auf den Tod Laye Condés. Vor vier Tagen hat sich der Polizeipräsident in einer Pressekonferenz für die Tötung entschuldigt. Dezenter und auch nur in persönlichen Briefen an uns, die Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé, äußern sich einzelne Politiker der SPD: Es sei ein „Fehler“ gewesen, „die zwangsweise Vergabe von Brechmittel nicht früher beendet zu haben“. – Das sind Stimmen, die sich von dem „Weiter so“ unterscheiden, das die harte und unnachgiebige, die körper- und menschenrechtsverletzende Brechmittelpraxis über 13 Jahre lang in Bremen geprägt hat. Dennoch bis heute: Kein öffentliches Wort des Fehlereingeständnisses einer tödlichen Politik. Keinerlei Beitrag der Verantwortli-

chen zur politisch-gesellschaftlichen Aufarbeitung staatlich angewandter Folter. Ganz im Gegenteil: Der politisch Hauptverantwortliche für die Brechmittel-Politik, Altbürgermeister Henning Scherf, hat sein „Weiter so“ vor Gericht im September quasi erneuert, indem er beteuerte, es sei alles immer problemlos gelaufen und er habe sich nichts vorzuwerfen. Apropos Gericht. Die Justiz hat in all den Jahren niemals Einspruch erhoben gegen diese gewaltvolle Behandlung von Menschen. Kein Richter, keine Richterin hat sich in Bremen jemals dagegen ausgesprochen, die Beweismittel, die sich aus der erniedrigenden Brechmittelpraxis ergaben, vor Gericht zuzulassen. Beschwerden von Betroffenen wurden dagegen regelmäßig abgelehnt. Dass sich der Ton dennoch leicht gewandelt hat, das ist sicherlich auch ein Erfolg von uns, wie wir hier stehen. Hier aber ist zu sagen: Das ist noch lange nicht genug! Die politisch Verantwortlichen würden sich heute gerne stillschweigend von der Zeit der Brechmittelpraxis distanzieren – und das auch nur aus dem Grund, weil diese Praxis katastrophal schief gegangen ist. Wir hingegen fordern ein grundsätzliches Eingeständnis, dass die Brechmittelfolter an sich falsch war, von Anfang an falsch, über 1000. Mal falsch – und jedes Mal gewaltvoll, erniedrigend. Falsch nicht nur, weil dabei zwei Menschen getötet wurden. Falsch nicht nur, weil es nach dem Tod von Achidi John in Hamburg 2001 nur eine Frage der Zeit war, wann sich der nächste Todesfall ereignen würde.


TantePaul

Rassismus tötet !

Solidarisch gegen Rassismus Kein Frieden mit der deutschen Normalität

demo 26. april 2014 / 15 uhr treffpunkt goetheplatz / bremen Die Brechmittelfolter war falsch, weil sie rassistisch war und weil sie Folter war. Für das ‘System’ Brechmittel mag es Erklärungen geben, aber es gibt keine Rechtfertigung. Staatliche Vertreter haben gefoltert, sie haben getötet. Dafür erwarten wir die Übernahme der Verantwortung durch alle beteiligten Akteure – also Politik, Justiz, Polizei und Ärzteschaft. Wir erwarten von diesen Akteuren, dass sie sich an einer gesellschaftlichen und politischen Aufarbeitung beteiligen und öffentlich Stellung zu ihrer Rolle beziehen. Stattdessen gibt es hier seit vielen Jahren nur: Schweigen. Die Person Laye Condés ist auch Stellvertreter. Stellvertreter für die über 1.000 Menschen, die in Bremen der Brechmittelfolter unterzogen wurden. Auch diese Menschen sind in eine öffentliche Entschuldigung miteinzubeziehen. Laye Condé ist aber auch Stellvertreter für all diejenigen, die nach wie vor Opfer rassistischer staatlicher Gewalt werden – gleichgültig, ob vor 9 Jahren, heute oder in

✗✗ Provisorisches Denkmal am Sielwalleck

der Zukunft. Die Person Laye Condé erinnert auch an gewaltvolle und diskriminierende Verfolgungspraxen, wie sie heute noch gang und gäbe sind. Denn die rassistischen Polizeikontrollen, das »Racial Profiling« und die gewalttätigen Übergriffe durch Polizistinnen und Polizisten gehen überall weiter. Laye Condés Schicksal ist auf Engste verbunden mit dem am selben Tag, also genau heute vor 9 Jahren, ermordeten Oury Jalloh aus Dessau und mit allen anderen, derer wir soeben gedacht haben und die durch Polizeigewalt getötet wurden. Ohne staatliches Zutun würde Laye Condé heute wohl noch leben. Und weil dies so ist, weil hinter dem Schicksal Laye Condé an allen Ecken und Enden tiefergehende Strukturen staatlicher Gewalt und rassistischer Grundhaltungen auftauchen, fordern wir ein deutliches Zeichen. Ein Zeichen, das öffentlich bekennt: »Ja, hier ist ein Mensch durch staatliches Handeln um sein Recht auf Leben gebracht worden«. Ein Zeichen, das von dem Wissen getragen ist, dass Bremen über ein Jahrzehnt die Hauptstadt der Brechmittelfolter gewesen ist. Ein Zeichen, das für dieses Wissen die politische Verantwortung übernimmt: Ein Denkmal für Laye Condé ist in unseren Augen ein solches Zeichen. Klar – ein solches Denkmal wird ein Symbol bleiben. Denn die über 13 Jahre andauernde alltägliche Realität der Brechmittelfolter mit ihren gesundheitsschädlichen, mit ihren traumatisierenden und mit ihren tödlichen Folgen kann nie mehr zurück-

www.antifabremen.blogsport.de

genommen werden. Aber ein Denkmal ist nicht mehr weg zu diskutieren. Ein Denkmal räumt ein – ein Denkmal gibt zu, dass es das tödliche ‘System Brechmittel’ gegeben hat und dass es falsch war. Ein solches Denkmal zeigt das Wissen, dass es staatliche Übergriffe gibt, dass es Rassismus gibt, und es verweist darauf, dass der Kampf gegen Rassismus, gegen Polizeigewalt und gegen staatliche Unterdrückung notwendig und richtig ist. Die Bremer Politik ist Laye Condé und seinen Hinterbliebenen sowie allen Betroffenen der über 1.000 Brechmitteleinsätze etwas schuldig. Wir fordern daher von den politisch Verantwortlichen: * eine öffentliche Entschuldigung bei den Hinterbliebenen Laye Condés – in würdevollem Rahmen und in der Anwesenheit der Familie Condé hier in Bremen * eine öffentliche Erklärung, dass die Praxis der Brechmittelvergabe von Anfang an rassistische Folter und damit ein Fehler war * ein Denkmal, das an Laye Condé und an die Zeit der Brechmittelfolter erinnert. Brechmittel hat getötet, aber dies ist nun zu Ende. Rassismus tötet noch immer. Das werden wir niemals hinnehmen. Initiative in Gedenken an Laye-Alama Condé www.initiativelayeconde.noblogs.org

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Termine. April MI 30.04. Queerfeministische "Take Back the night" - Demo Treffpunkt: Mädchenkulturhaus, Workshops ab 15 Uhr, Essen 18 Uhr, Plenum 19 Uhr Demo 20 Uhr

Selbstorganisierung in Perama Griechenland Torhaus / Kultur Vor Ort, (Liegnitzstr. 63), 19h Das Nachbarschafts- und Arbeitslosenzentrum stellt sich vor. Die Stadt Perama liegt zwischen Athen und Piräus und hat mit die höchste Arbeitslosenquote (ca 70 %) in Griechenland. Das unabhängige Arbeitslosenzentrum aus Perama wurde 2011 gegründet. Ziel dieser Vernetzung und des Zentrums war es, die Grundbedürfnisse der Nachbarschaft gemeinsam zu organisieren. 2 AktivistInnen von dem Zentrum werden über ihre Aktivitäten und Selbstorganisierung berichten und laden ein, zu einer gemeinsamen Diskussion über Möglichkeiten, Schwierigkeiten und Notwendigkeiten von Selbstorganisierung von unten, gerade in Zeiten der Krise. Veranstaltet von Bremen macht Feierabend und der Freien ArbeiterInnen Union Bremen (FAU).

MAI MI 07.05 Gelem, gelem - Balkan Cinema Ort: Kulturbunker, 19:30h Perspektiven des Widerstands: In keinem anderen Land wurde mit solch einer Kontinuität Unrecht jeglicher Art an Roma und Sinti geübt wie in Deutschland. Der Film „Gelem, Gelem“ dokumentiert den Bleiberechtskampf der Roma in den 1990er Jahren und ist damit nicht nur ein historisches Dokument sondern auch eine Mahnung an die heutigen politischen Akteure. Anschließende Diskussion mit Roma-AktivistInnen.

Aktivenverteiler

Der Aktiven-Verteiler wird von LiSA verwaltet und ist eine über die Universität hinausgehende politische E-Mail-Plattform, die einen Versuch der Vernetzung und des Austausches darstellt. Der Aktivenverteiler dient zur Verbreitung von Informationen über linke, emanzipatorische Projekte, Veranstaltungen,

DO 08.05 "Hunderte solcher Helden" Ort: Infoladen Bremen, 20h Der Aufstand jüdischer Gefangener im NS-Vernichtungslager Sobibór. Buchvorstellung und Diskussion mit der Autorin Franziska Bruder (Berlin). Veranstaltet von AGB. DO. 15.05 Greift nach den Sternen Teil 1 Ort: Paradox, 19:30h Strategien und Strukturen des europäischen Sicherheitsapparates und wi e politischer Widerstand trotzdem möglich ist, mit geladenem Referenten. Teil der VA-Reihe .wir.müssen.reden., veranstaltet von neag. FR 16.05. Protestauftaktsparty: Reclaim your brain Ort: GW2 B 3009, ab 19h 19h Fahrraddemo (Start Hochschule), 20h Infoabend, 21:30h Konzert, 23h Party SA 17.05 Regionale Blockupy-Großdemonstration Ort: Hamburg, checkt blockupy.​org DO 22.05 Beschäftigungsträger wie BRAS, ALZ und co. abschaffen?!? Ort: “Resonanz”, Hohentorsheerstr. 24, 19h Land auf und ab gelten Beschäftigungsträger als erhaltenswerte Bereicherungen, bieten sie nicht nur soziale und kulturelle Einrichtungen wie Cafés, Tischlereien und „LeseMobile“ an, sondern auch „Beschäftigung“ für Erwerbslose. Tatsächlich handelt es sich aber um, in Teilen höchst profitable, Unternehmen deren „Angestellte“ zwangsweise für einen Hungerlohn schuften müssen. Veranstaltet vom Bremer Erwerbslosenverband (BEV).

Juni 23. - 27. 07 Wahlen zum Studierendenrat 2014/15 Ort: Uni Bremen

Ereignissen, Aktionen jenseits von etablierten Institutionen wie Parteien, NGOs und anderen. Wenn ihr also wissen wollt „Was geht” oder eure Veranstaltungen ankündigen möchtet, könnt ihr eure Emailadresse hier eintragen: http://www.lisa-bremen.de/ aktiven.html


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