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AUGUST / SEPTEMBER 07 AUSGABE 9 - JAHRGANG 2

LACRIMOSA PRIDE AND FALL SALTATIO MORTIS ORANGE SECTOR WELTENBRAND DE/VISION WITT SPECIAL: TIKWAS KLEINE LEINE GRUFTSCHLAMPE

PRIDE

AND

FALL

SALTATIO MORTIS

G M RA IT T N IS EH Z M UM EN

NEU: HORRORSKOP



INHALT

EDITORIAL Der Sommer tobt noch nicht wirklich und die Festivalsaison bräuchte ein wenig mehr Sonnenschein, aber was noch nicht ist, kann ja noch werden! Dafür hat sich im NEGAtief viel getan. Neben den neuen ausgewählten Plattenrezensionen, unserem Soundcheck – denn wer braucht schon einen Rezensionsfriedhof – gibt es jetzt auch ein augenzwinkerndes Horrorskop und eine neue Rubrik mit dem klangvollen Namen „Myspace Gothic Community“. Wir werden Euch Monat für Monat interessante Profile und Bilder von Szenemitgliedern vorstellen. Vielleicht ergibt sich ja so auch die ein oder andere neue Freundschaft. Solltet ihr Lust haben, in den kommenden Ausgaben mit Eurem Styling zu erscheinen, könnt Ihr uns an kontakt@NEGAtief.de mailen. Übrigens gibt es neuerdings auch die Möglichkeit, ältere Ausgaben des NEGAtief gegen Rückporto zu bestellen. Um auch in Zukunft sicher keine Ausgabe des NEGAtief zu verpassen, könnt ihr natürlich das Heft bei uns abonnieren – auch in diesem Fall kostet Euch das nur das Porto. Ans Herz legen möchten wir Euch unsere NEGAtief Partys, sowie die von uns präsentierten Festivals. Nun wünschen wir Euch viel Spaß mit dem neuen Heft, denn neben den hochinteressanten Titelstorys Lacrimosa und Die kleine Gruftschlampe gibt es wieder eine Menge Informatives aus dem lebendigen Kosmos des schwarzen Treibens. Und ja, bevor wir es vergessen: Nur mit eurem Feedback und eurer Mithilfe kann das NEGAtief weiter wachsen. Also schreibt uns an kontakt@NEGAtief.de. Eure Redaktion

Schloss Cottenau – 95339 Wirsberg Tel. 09227/940000

www.negatief.de Herausgeber: Danse Media, Inh.: Bruno Kramm, Schloss Cottenau, 95339 Wirsberg Chefredaktion: Ringo Müller (V.i.S.d.P.), Bruno Kramm Redaktion: Eve Cooper, Delest, Gert Drexl, Tina Kramm, Daniel Friedrich Layout: Stefan Siegl Anzeigenberatung: Martin Söffker, Tel.: 0511-33899751 Lektorat: Ringo Müller Internet: Horatio C. Luvcraft

38 42 44 36 13 10 40 32 14 16 15 18 30 21

De/Vision Diablo Swing Orchestra Eyes of Eden Feuerschwanz FrightDoll Lacrimosa mind.in.a.box Orange Sector Otto Dix Pride and Fall Rozencrantz Saltatio Mortis Weltenbrand Witt

6 7 9 22 24 26 34 35 45 46

Myspace Gothic Community Horrorskop Rezensionen Labelreport: Infacted Clubreport: La Nuit Obscure Tikwas kleine Gruftschlampe Dark Area Festival Studioreport: Eisheilig Miroque Festival Syn Promotion

Vervielfältigung oder auszugsweise Verwendung benötigt der schriftlichen Genehmigung. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Informations- und Datenträger. Die Artikel geben nur die Meinung der jeweiligen Verfasser wieder. Nach dem deutschen Pressegesetz Art.9 sind wir verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, dass für sämtliche redaktionellen Beiträge in unserem Heft eine Unkostenpauschale für Vertrieb an den Auftraggeber berechnet wurde. Trotz dieses Geschäftsverhältnisses entsprechen jedoch sämtliche Textbeiträge der persönlichen Meinung des jeweiligen, unentgeltlichen Verfassers und seiner Interviewpartner. Das NEGAtief versteht sich als eine, im Sinne der allgemeinen Verbreitung der alternativen Musikszene dienenden Publikation, die gerade kleinere Firmen durch eine preisbewusste aber alternative und flächendeckende Publikation ihrer vertriebenen Künstler unterstützt.

....in diesen Läden gibt es das NEGAtief Media Markt: Aschaffenburg, Augsburg, Bad Dürrheim, Bochum, Braunschweig, Chemnitz, Dessau, Dresden-Mickten, Dresden-Nickern, Duisburg, Flensburg, Goslar, Greifswald, Groß Gaglow, Günthersdorf, Herzogenrath, Heide, Heilbronn, Hildesheim, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz, Limburg, Magdeburg, Memmingen, München, Neubrandenburg, Nürnberg-Kleinreuth, Oldenburg, Pforzheim, Porta Westfalica, Potsdam, Reutlingen, RostockBrinkmanns-dorf/Sievershagen, Saarbrücken, Sindelfingen, Stralsund, Stuttgart, Trier, Viernheim, Weiterstadt, Wiesbaden, Berlin: Biesdorf, Hohenschönhausen, Schönefeld, Neukölln, Schöneweide, Spandau, Steglitz, Wedding Saturn: Augsburg, Bad Oyenhausen, BergischGladbach, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Düsseldorf, Erfurt, Essen, Euskirchen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Göttingen, Hagen, Hamm, Hanau, Hannover, Ingolstadt, Kassel, Kleve, Krefeld, Köln-Hürth, KölnPorz, Leverkusen, Magdeburg, Mainz, Moers, München (Stachus), Münster, Neuss, Oberhausen, Reutlingen, Röhrsdorf, Rostock, Weimar, Berlin: Hellersdorf, Spandau, Steglitz, Treptow, Wedding Zoff Records, Bremen Cover Schallplatten, Berlin Best Music World, Münster Pressezentrum Rostock

...in diesen Clubs gibt es das NEGAtief: Capitol, Base, Kir, Club Pavillon, Topact, K17, Darkflower, Kuz, Come-In, Ringlokschuppen, Nachtcantine, Musikbunker, Kulturbahnhof Kato, Vauban Insel, Dominion, Factory, RPL, Schützenparkbunker, Nerodom, Markthalle, Forellenhof, Shadow, Meyer, Freeze Frame, Zentrum Zoo, X, Beatclub, Rockfabrik, Uni 1, Südbahnhof, Unix, Underground, Musiktheater, Unikum, Sonic, Crash, Melodrom, Komplex, Loop, Mau Club, Nachtwerk, Dark Dance

... und über Xtra-X oder per Abonnement by www.NEGAtief.de 3


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AUSGEWÄHLTE TOURDATEN Miroque Festival Osterburken, Adventon, 01.09 Dark Area Festival Kassel, Nachthallen, 02.10 Generation Gothic Nürnberg, Z-Bau, 11.08. De/Vision 22.09. Erfurt, HSD (Gewerkschaftshaus) 23.09. Köln, Prime Club 24.09. Essen, Zeche Carl 25.09. Bielefeld, Stereo 27.09. Dresden, Röschenhof 28.09. Hamburg, Markthalle 29.09. Magdeburg, Factory 30.09. Rostock, Mau Club 02.10. Leipzig, Anker 03.10. Frankfurt, Batschkapp 04.10. Stuttgart, Röhre 05.10. Hannover, Capitol 06.10. Lodz (PL), Dekompresja

07.10. Berlin, Columbia Club Saltatio Mortis 21.07. Neuhaus, Burg Veldenstein 22.07. Köln, Amphifestival 27.07. Glauchau, Schloss 28.07. Bückeburg, Mittelalterlich Spectaculum 01.-03.08. Brokeloh, Conquest 04.08. Köln, Mittelalterlich Spectaculum 11.08. Singen, Mittelalterlich Spectaculum 18.08. Höchstadt, Schlosshof Festival 19.08. Telgte, Mittelalterlich Spectaculum 25.08. Wuppertal, Feuertal Festival In The Nursery 20.09. Krefeld, Kulturfabrik 21.09. Rüsselsheim, Das Rind 22.09. Lahr, Universal DOG 23.09. Augsburg, Kantine 24.09. Erfurt, Unikum 25.09. Leipzig, Moritzbastei 26.09. Berlin, K17 27.09. Hannover, Musikzentrum 28.09. NL-Dordrecht, Bibelot

Diabolo Swing Orchestra 18.9.07 München, Backstage Club 19.9.07 Berlin, Knaack IAMX 10.08. AT-Feldkirch, Poolbar Festival

11.08. Saalburg, Festival 12.08. Hildesheim, Mera Luna 13.09. Berlin, Magnet 03.10. Hamburg, Übel & Gefährlich 10.10. München, Backstage 12.10. Frankfurt, O25

NEGATIEF ABO ALBUM WEEK 17 1 Eat Me, Drink Me – Marilyn Manson 2 1023 – Rotersand 3 Rotten To The Core – X-Fusion 4 The Beauty Of Destruction – Noisuf-X 5 And End Has A Start – Editors 6 Let‘s Go Dark – God Module 7 Optics – I:scintilla 8 Last Crusade – Star Industry 9 Aphelia – Scream Silence 10 We Are The Night – The Chemical Brothers

Schon wieder ist das NEGAtief in Eurem Club vergriffen? Mediamark und Saturn haben auch keine mehr? Holt Euch das NEGAtief nach Hause! Ihr zahlt lediglich einen Jahresbetrag von 10 Euro für Porto und Verpackung und habt sechs Mal im Jahr noch vor dem Streetdate das NEGAtief in Eurem Brie asten. Schickt eine E-Mail mit dem Betreff „Abo“ und Eurer Postadresse an redaktion@negatief.de.

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Ab dieser Ausgabe werden wir Euch regelmäßig interessante Szenepersönlichkeiten mit ihren Myspace-Profilen vorstellen. Besucht die Adressen und tragt Euch in der Freundesliste der www. myspace.com/gothiccommunity ein. Natürlich freuen wir uns auch über Eure Bewerbungen für die nächste Ausgabe an kontakt@NEGAtief.de. Es können sich auch gerne ein paar nette Jungs melden.

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21.3. bis 20.4. Auf „Schwarzes Glück“ und Myspace finden sich keine Freunde? Vielleicht liegt es daran, dass deine Selbstdarstellung einfach schlecht ist. Übertreibung und visuelles Upgrade sind die Stichworte. Wen interessiert schon die Realität, wenn man als virtueller Avatar der Star der eigenen Bühne sein kann. Also ran an die Photoshop-Paletten und aufgebohrt, was das Zeug hält.

22.6. bis 22.7. Falls du ein neues Piercing möchtest, solltest du dich jetzt lochen lassen, denn du belohnst dich viel zu selten. Danach vielleicht in den Darkroom oder auf die nächstgelegene NEGAtief Party, denn die Liebe dieses Lebensabschnittes lauert hinter der nächsten schmutzigen Hauswand mit noch unbekannten SM-Spielchen. Danach wirst du dich übel fühlen, aber was solls: Das Leben ist ein Jammertal.

24.10. bis 22.11. Nur wer sich selbst genug verachtet, kann des anderen Glück ruinieren. Im Umkehrschluss solltest du dir vielleicht mal Gutes tun, die Seiten rasieren, eine neue Haarfarbe ausprobieren oder neue, neonfarbene Dreads kaufen. Kleider machen Leute und deine könnten vielleicht den ein oder anderen Farbtupfer vertragen.

22.12. bis 20.1. Mit dem Kopf durch die Wand? Die nächsten beiden Monate könnten sich als perfekt erweisen. Nein, kein Amoklauf, aber wie wäre es, den Job zu kündigen, die Schule hinzuschmeißen und eine HellelectroBand zu gründen? Jedenfalls stehen deine Sterne für den Erfolg ideal.

21.4. bis 20.5. Vegetarier zu werden steht zwar schon eine Weile auf deinem Plan, aber eigentlich willst du eher dem barocken Hedonismus frönen. Also geh einfach auf das Miroque Mittelalterfestival und gönn’ dir eine Schweinskeule und ein paar Hörner voller Met. Wenn du dann zum schrillsten Dudelsacksolo kotzen musst und dich mies fühlst, kannst du ja noch einmal über deinen alten Plan nachdenken.

21.5. bis 21.6. Es ist an der Zeit, die Szene zu verlassen und die Karriere zu starten, von der deine Eltern immer geträumt haben. Mit deiner bisherigen Lebenseinstellung und Optik wäre das nicht möglich. Also raus aus dem Lack, hinein in den Zweireiher und in wenigen Jahrzehnten wirst du dank deiner nihilistischen Grundeinstellung zum neuen Diktator Europas. Wenn man dich dann fragt: „Warum nur?”, kannst du noch immer sagen „Es lag am NEGAtief Horrorskop.”

23.7. bis 23.8. Die nächsten zwei Wochen solltest du vor allem in dich gehen, um dich für eine neue Dimension vorzubereiten, vielleicht Sir LaVeys Biografie lesen. Nein, es ist noch nicht an der Zeit zu gehen, aber der Kosmos hat einen guten Tipp: Die Löwen unter deinen verstorbenen Urahnen würden sich gerne beim Gläserrücken zeigen und haben für dich den ein oder anderen Tipp aus dem Jenseits. Danach aber unbedingt eine reinigende Räucherung vornehmen, sonst bleibt der Gevatter.

23.11. bis 21.12. Dir fehlt der Spießrutenlauf von früher. Damals, als man als Junggrufti noch alleine war und man gegen den Strom schwimmen musste, noch nicht so perfekt als Klischee des Schwarzseins durchging. Es gibt zwei Auswege aus dieser Gleichförmigkeit: Geh in deinem heißesten Outfit in die prollige Hip-Hop-Disco um die Ecke oder gönn’ dir mal einen Aufenthalt auf der nächsten La Nuit Obscure mit Goldkettchen, rosafarbenem Trainingsanzug und Tommi Hilfiger Basecap.

Sterne lügen nicht, heißt es. Doch zwischen Sternen gibt es auch Schwarze Löcher. Das Horrorskop wird von einem anonymen Wahrsager eines deutschen Shoppingkanals erstellt, der in seiner Freizeit als Veranstalter okkulter Messen auch gerne mal die Zukunft aus frischen Schweinskaldauen liest, weshalb seine Seite auch ein bisschen blutiger daherkommt.

24.8. bis 23.9. Dein Starrsinn macht dich viel zu unnahbar. Lass ein bisschen Emogoth in dein Leben. Das Outfit ist auch nicht so teuer, wie die aktuellen Cybertrends. Das übrige Geld könntest du auch mal wieder für eine CD ausgeben. Nein, keine Rohlinge! Eine Original CD. Darauf ist bei deinem Händchen zwar nur ein Song gut , aber dafür kannst du dich bei deinen Freunden wieder als Moralapostel aufspielen.

21.1. bis 19.2. Trübsal blasen ist eine deiner Optionen. Ein kleines bisschen Depression und im Oktober wird wieder alles aufwärtsgehen. Arme ritzen hilft aber auf keinen Fall, besser hemmungslos besaufen. Der Kater danach kann auch gut weh tun.

24.9. bis 23.10. Eigentlich heißt es ja, Ausgewogenheit und Gerechtigkeitssinn seien deine Tugenden. Da hat sich wohl jemand in deinem Sternzeichen geirrt. Falsch! Du bist der Ausgleich für die viel zu fade Langeweile der Alltagsgesellschaft, die dich umgibt. Und deshalb hau mal wieder kräftig auf den Putz, gönn dir eine Dose Haarspray und sage: „Fuck Off Klimaschutz!“

20.2. bis 20.3. Willst du wirklich allein sein oder liegt es am Patchouli? Werde dir klar über deine Ziele, denn Einsamkeit ist eine Weile ganz cool, aber wirklich zurück zur Wurzel deiner Übel bringt sie dich nicht. Ja, wir alle müssen unser Bündel tragen. Umso besser, wenn du das mit einem neuen Ausdruckstanz auf der nächsten Batcaveparty zur Geltung bringst. 7


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durch die finstersten Sümpfe des Ambient-Dschungels und das Thema „Abschaum der Gesellschaft”. Das ist nicht nur ungemein spannend, ambitioniert und albträumerisch, sondern bestimmt auch anstrengend für den kommerziellen Freund des „formatierten Undergrounds” und das ist gut so. Wer es trotzdem wagt, kann an diesem Album wachsen und hier die wahre Größe musikalischen Grenzgängertums erleben.

das Thema des Albums scheint sich ausnahmslos um das Leben, Lieben und Sterben des Spielmannes zu handeln, da wäre bestimmt noch mehr möglich gewesen. Wer aber schon die Vorgänger mochte, wird dieses druckvoll produzierte Album lieben.

Pride and Fall „In My Time Of Dying“ (Dependent)

mind.in.a.box „Crossroads“ (Dependent) Orange Sector „Profound“ (Infacted)

Tiefgründig – so die Übersetzung des Albumtitels, ist eher irreführend, denn die wiedererwachten Orange Sector bieten nicht mehr und nicht weniger als geradlinigen Oldschool-EBM. Das ist auf der Tanzfläche extrem ansteckend und schweißtreibend, funktioniert zu Hause dann aber nur mit dem entsprechenden Subwoofer. Die musikalischen Vorbilder der alten Schule lassen sich klar bei Nitzer Ebb, den frühen Krupps und den Großmeistern Front 242 finden. Textlichen Feingeist wird man kaum finden, doch wer erwartet das von EBM? Zehn Songs und drei Remixe auf 41:59 Minuten Länge versprechen eine stilechte Zeitreise zurück zum Bürstenlook und Männerschweiß in Feinripp.

Mind.in.a.box stehen an einem Scheideweg. Einerseits ist die musikalische Substanz hinter der klanglichen Fassade immer wieder an den Eurotechno der 90er angelegt, andererseits bietet man groß angelegte Demonstrationen des technisch Möglichen der Klangmanipulation im weiten Feld des Intelligent und Drum und Base. Statt Vocoder, Autotune und Cher-Effekten würde auch manchmal eine menschliche Note nicht schaden. Der visuellen Fassade des Ingo Römling gelingt es, das Gesamtkonzept in einen intensiven und spannenden Spacetrip zu verwandeln und Titel, wie die geniale Ballade „The Place“ versöhnt gegenüber einigen Schwachpunkten.

Ein Narr, der nicht erkennt, dass der Titel hier auch Pate für das baldige Aus des renommierten Dependent Labels steht. Am Anfang ihrer Karriere wurde ihnen viel zu oft der VNVPlagiatsvorwurf zuteil, der auf dem neuen Longplayer komplett deplatziert ist. Sicher, man bedient gemeinsam die elektronische und futurepoppige Tanzfläche, aber darüber hinaus haben die Schweden weit mehr zu bieten. Die zutiefst melancholische Stimmung des Sängers trifft auf das skandinavische Gespür für Harmonie und Dramaturgie. So entstand ein extrem tanzbares Album, das gleichermaßen im Club und Zuhause funktioniert.

Hearts Of Black Science „The Ghost You Left Behind“ (Club AC30)

Saltatio Mortis „Aus der Asche“ (Napalm Records)

TIPP DER REDAKTION

Recoil „Subhuman“ (Mute)

Alan Wilder galt schon seit jeher als das stille Wasser bei Depeche Mode, und jene sind bekanntlich tiefer. So auch sein radikal-geniales Soloprojekt Recoil, mit welchem er seit über 15 Jahren stetig die musikalische Twighlightzone abseits der kommerziellen Pfade seiner ehemaligen Hauptformation durchleuchtet. „Subhuman“ bleibt dieser Linie treu. Zwei begnadete Gastsänger, einer davon die düsterste Blues-Stimme dieser Galaxis, eine Geisterbahnfahrt

Erstaunlich, wie schnell die Band trotz massiver Umbesetzungen zu ihrem routiniert vorgetragenen Sound zurückgefunden hat. Natürlich erfinden Saltatio Mortis das Mittelalterrockrad nicht neu, aber der Abwechslungsreichtum sucht seinesgleichen unter den Spielmännern. Wer die Band noch dazu live erlebt hat, kennt die wahre Bedeutung von schweißtreibend. Neben den sicheren Tanzflächenfegern wie „Spielmannsschwur“ und „Prometheus“ gibt es besinnlich-balladeskes wie „Nichts bleibt mehr“, altdeutsche Halftemponummern wie „Vaulfen“ oder auch höfische Tanzaufforderungen im authentischen Klangkostüm seiner Zeit wie „Choix des Dames“. Alleine

Wieso haben immer wieder Skandinavier das Händchen für melancholische Ohrwürmer? Die „Herzen der schwarzen Wissenschaft“ betören mit verspielten, abwechslungsreichen und luftigen Arrangements, die streckenweise entfernt an 80er Größen wie Twice a Men und Blancmange erinnern. Schwebende Keyboardflächen, sphärische Stakkato-Gitarren, New Wave Drumgrooves und Loops werden von unkonventionellen Keyboards und Samplesolos unterbrochen, während die vorwiegend ruhigen Gesänge ein paar Etagen höher in Hall- und Echowolken davon schweben. Der good „old“ New Wave wurde bereits vor einer Weile als hippe Wiederentdeckung reanimiert. So gesehen ist dieses Album ein zeitgemäßer Einstieg für die zu spät geborenen Emowaver von heute. Wer jedoch im Besitz einer großen 4 AD Diskographie ist, kann sich gepflegt zurücklehnen und eine alte Cocteau Twins Scheibe auflegen. 9


Ein Lichtreisender Bis kurz vor dem Interview saß Tilo im Schneideraum, um das große Finale seiner Weltreise in Bild und Ton mit den Aufnahmen der Uraufführung im Leipziger Cinestar zu komplettieren. Die Aufnahmen sind eindrucksvoll, dokumentieren sie doch den Stellenwert des weltweit als Fahnenträger der Schwarzen Szene agierenden Künstlers. So gibt es kaum einen Kontinent, der noch nicht von Lacrimosa seine Taufe in die Gothicwelt erfuhr. Die Filmaufnahmen der aktuellen DVD „Lichtjahre“, sowie die akustische Darbietung der gleichnamigen Doppel-CD bescheinigen eindrucksvoll die klangliche Entwicklung der Songs seit ihren Ursprüngen. Was bleibt als Erinnerung eines solchen Mammutprojektes? Vor allem die finanzielle Last oder eher doch die positiven Momente? 10

Tilo: Aus kommerzieller Sicht ist so ein Unternehmen desaströs aber dafür war es emotional ein wirklich schönes Unterfangen. Die Bilder aus dem Film sind mittlerweile natürlich sehr dominant, da ich sie schon so oft wiederholt gesehen habe. Trotzdem gehen die Geschichten der Zeitausschnitte, die sie repräsentieren ja auch weiter und dann oft weit über das hinaus, was sie im Film darstellen. Was sind Lichtjahre für dich? Beziehen sich die Lichtjahre auf die lichtdurchfluteten und erfolgreichen Jahre oder den physikalischen Begriff? Für mich sind das die Momente für die Ewigkeit meines Daseins und Bewusstseins. Der Film fasst einen wichtigen Teil meines Lebens zusammen und dokumentiert ihn für die Ewigkeit. Auch wenn ich jetzt nie wieder eine

„Die Musik muss dem Gefühl dienen und darf nie einem Wunschgedanken folgen.“ Platte machen sollte, so hat diese DVD ihren Bestand. Ganz konkret sind es die zwei Jahre im Scheinwerferlicht ausgehend von dem Album „Lichtgestalt“. Ein Stückchen weiter gedacht steht es für mich auch für das Bewusstsein, dass jeder Lichtkegel auch einen Schatten wirft, der Menschen verdeckt. Ich möchte mich nicht in dem Licht meiner selbst wegen sonnen, ohne etwas davon an andere abzugeben. Als du mit deinen ersten Songs Anfang der 90er die Szene betreten hattest, gab es nur wenig Deutschsprachiges abseits von Schla-


ger und Volksmusik. Damals unter dem Etikett Neue Deutsche Todeskunst angetreten, hat sich deine Musik innerhalb fast zweier Dekaden stark verändert. Was ist für dich gleich geblieben? Das waren damals vor allem die drei Bands Das Ich, Goethes Erben und Lacrimosa. Wir hatten damals auch noch keinen Kontakt und ich kannte auch noch nicht ihre Musik. Mein Hintergrund bezog sich damals vor allem auf Bauhaus und Joy Division und ich war dann ziemlich überrascht, als ich in diesem Genre gelandet war, der als Begriff von einem Musikjournalisten spaßeshalber im Zillo etabliert wurde. Ich bin jedoch nach wie vor sehr stolz mit den erstgenannten Bands damals eine neue Musikrichtung und ein neues Gefühl für die deutsche Sprache begründet zu haben. Mir war es jedoch nie wirklich wichtig, krampfhaft etwas Neues zu erschaffen, denn zu allererst steht für mich immer der Ausdruck eines Gefühls. Die Musik muss dem Gefühl dienen und darf nie einem Wunschgedanken folgen. War Gothic Metal bei Lacrimosa eine logische Konsequenz? Damals bezeichnete man so etwas noch nicht als Gothic Metal. Die Metal- und die Gothicszene waren noch sehr isoliert. Vieles, was man heute als Gothic Metal etikettiert, war damals Doom- und Death Metal. Viele dieser Bands haben bestimmt Bezüge zu Gruppen wie Sisters of Mercy, die sich wiederum eher auf Leonard Cohen beziehen, der wiederum nicht so viel mit Gothic gemein hat. Rückblickend finde ich die Entstehung des Begriffes Gothic Metal sehr verwunderlich. Hat vielleicht auch etwas mit den jungen Jahren vieler Redakteure zu tun. Damals hatte ich neben vielen traditionellen Gothicbands auch viel Metal von Paradise Lost, Guns N’ Roses, Pantera, Iron Maiden und Metallica gehört. Am Metal habe ich vor allem die Tiefe und die Schwermut vermisst, während

dem Gothic es immer an Härte gefehlt hat. Untergattungen. Fehlt dir der ZusammenSo war für mich die logische Konsequenz die halt von früher? Mischung aus beidem. 1994 hatten wir dann Aber auf jeden Fall. Es ist todtraurig, sich das die „Schakal“ veröffentlicht. Die Kritik wies heute anzusehen. Damals hat man auf Konuns damals bei Metallern als zu „Gothic“ aus zerten und Veranstaltungen zusammengeund im Gothicbereich als zu metallisch und halten und sich von der ersten bis zur letzten man hat es in den Clubs Minute über die geignoriert. 1996 hatten meinsamen Momente „Das irdische Leben ist für gefreut. Heute fehlt ich dann ein Festival mit Bands wie Depressive diese Toleranz gänzmich eher eine VorbereiAge, The Gathering und Der Begriff einer tungszeit für die Seele, die lich. Lacrimosa veranstaltet, gemeinsamen Familie weiterleben wird.“ um diese beiden Szenen ist leider total verlozusammenzuführen. Es ren gegangen. Hat gab dann leider sogar Schlägereien zwischen bestimmt auch mit dem egoistischen Zeitgeist Metallern und Gothics. Als ich dann jedoch der hemmungslosen Selbstverwirklichung zu das erste Gothmädel mit einem Metalshirt tun. sah, wusste ich, das sich da etwas bewegen lässt. Du lebst ein relativ zurückgezogenes Leben in der Schweiz. Früher warst du noch öfter Die Szene selbst hat einen unglaublichen in der Freiburger Szene unterwegs. Gibt es weltweiten Aufschwung erlebt, den man neue Freizeitfelder für den privaten Tilo? in den Anfangstagen bestimmt nicht hätte Eigentlich nicht. Mein Rückzug hat bestimmt erwarten können. Gleichzeitig zerfließt sie mit meinem Arbeitspensum zu tun. Wenn ich in mehr und mehr teilweise unversöhnliche mich dann entspanne, bin ich schon gerne alleine. Ich gehe natürlich gerne mal weg und genieße z. B. meine Releasepartys, aber meine Einsamkeit ist mir sehr wichtig. Ist die Doppeldeutigkeit des Harlekins, den Menschen im Scheinwerferlicht fröhlich den Spiegel vorzuhalten und hinter der Maske unverstanden seine Einsamkeit zu fristen, nach wie vor das Alter Ego des Tilo Wolff? Ja, das ist der Grundgedanke. Diese Dinge kann man nicht wie eine Grippe auskurieren, denn es sind deine eigenen Seelenbeschaffenheiten, die du bis zum Ende deiner Tage mit dir trägst. Der Name Lacrimosa leitet sich aus der Liturgie Dies Irae, der Totensequenz ab. Du selbst giltst als ein sehr christlicher Mensch. Lässt sich das mit dem größtenteils nihilistischen aber doch friedfertigen Weltbild der Szene vereinen? Für mich gibt es viele Übereinstimmungen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Seele, sich selbst durchleuchten und erfühlen sind Dinge, die sich im Christentum und im Gothicsein überschneiden. Ich muss dazusagen, dass ich kein Katholik bin, denn dort 11


gäbe es kaum Überschneidungen. Der Glaube und die Lehre Jesu haben jedoch viele Übereinstimmungen. Religion ist wieder ein großes Thema seit dem Wiedererstarken der christlichen Kirche aber auch den Gewalttaten des fundamentalistischen Islam, der letztendlich all das wiederholt, was die Kirche bereits hinter

sich hat. Ist der Verzicht, den alle Religionen predigen, nicht der Schlüssel zur Gewalt, die aus Neid und irdischer Missgunst entstehen? Ist es nicht Zeit, Religion generell als gewalttätig aus dem öffentlichen Leben zu verbannen? Ganz im Gegenteil. All das ist menschgemacht. All die Fokusion auf Güter und Materialismus steht im krassen Gegensatz zur

Lacrimosa – Lichtjahre einer Band 1990: Lacrimosa wird vom heutigen Wahlschweizer Tilo Wolff (geb. am 10. Juli 1972 in Frankfurt/Main) als musikalisches Ein-Mann-Unternehmen gegründet. Der Bandname leitet sich von den lateinischen Begriffen lacrima = Träne und mosa = fließend ab, ist angelehnt an die bekannteste Passage aus Mozarts „Missa di Requiem“ und steht für Schwermütigkeit, Einsamkeit und Suche nach Geborgenheit in der kalten Gesellschaft, welche Wolff zum Hauptbestandteil seiner lyrischen Songtexte macht. Die von Anbeginn stets von der Klassik beeinflussten getragenen, zunächst dem Darkwave zuzuordnenden Songs werden ebenso wie das Symbol des traurigen Harlekins zum Markenzeichen von Lacrimosa. Nachdem Wolff mit seinem ersten Demotape „Clamor“ keine Plattenfirma von sich überzeugen kann, gründet er kurzerhand sein eigenes Label unter dem Namen „Hall Of Sermon“, was ihm auch zukünftig dazu verhilft, seine künstlerische Eigenständigkeit zu wahren. 1991: Lacrimosa veröffentlicht sein Debütalbum mit dem Titel „Angst“, das sehr gute Kritiken erhält. 1992: Das Nachfolgealbum „Einsamkeit“ erscheint. 1993: Mit dem zunächst eigentlich nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Song „Alles Lüge“ gelingt Lacrimosa der Durchbruch. Im selben Jahr erscheint das dritte Album „Satura“, das durch deutlich härteren Sound besticht und erstmals die Charts erobert. Wolff lässt von nun an jedes Album mit der Endmelodie des Vorherigen beginnen, so dass die Alben an die fortlaufenden Kapitel eines Buches erinnern. Lacrimosa geht mit den finnischen Gothic-Rockern Two Witches auf Tournee. Deren Sängerin Anne Nurmi wechselt daraufhin zu Lacrimosa und wird festes Bandmitglied. 1995: Erstmalig hörbar ist Nurmi auf der Single „Schakal“, die das bald darauf erscheinende Album „Inferno“ ankündigt. Nun wagt sich die Band endgültig in Richtung Goth-Metal und auch an zum Teil englischsprachige Texte. Mit Titeln wie „Der Kelch des Lebens“,

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bei dem das Barmbeker Symphonie Orchester mitwirkt, bleibt Wolff jedoch auch weiterhin seiner Liebe zur Klassik treu. 1997: Das Album „Stille“ erscheint. Darin enthalten ist mit der Single „Stolzes Herz“ (Platz 9 in den deutschsprachigen Singlecharts) der bislang größte Charterfolg der Band. 1999: Nach dem 1998 veröffentlichten ersten LiveDoppelalbum erscheint mit „Elodia“ das aufwendigste und innerhalb der Bandgeschichte erfolgreichste Album, das zusammen mit dem London Symphony Orchestra im berühmten Londoner Abbey Road Studio eingespielt wird. 2000: Zum 10-jährigen Bandjubiläum erscheint die Videosammlung „The Live History“. 2001: Das Album „Fassade“ mit der darin enthaltenen Single „Der Morgen danach”, eingespielt mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg, erscheint. 2003: Mit „Echos“ veröffentlichen Lacrimosa erneut ein stark an klassische Einflüsse angelehntes Werk, mit dem Wolff seine Stellung als Ausnahmekünstler an der Schnittstelle zwischen Rock, Pop und Klassik bestätigt. Das Album steigt bis auf Platz 13 der Deutschen Charts. 2005: Nach ausverkauften Tourneen in Europa, Mittel- und Südamerika kommt passend zum 15-jährigen Bandjubiläum das Album „Lichtgestalt“ auf den Markt, auf dem Wolff nun unter anderem einen Bibeltext vertont. 2007: Nach der durch zwölf Länder auf vier Kontinenten führenden Lichtgestalt-Tournee mit über 150.000 Zuschauern erscheint Ende Juni der Konzertfilm „Lichtjahre“ auf DVD. Zeitgleich wird der dazu passende Soundtrack in Form der zweiten Lacrimosa Live-DoppelCD veröffentlicht.

tephanie riechelmann

Religion, die dich auffordert, von all dieser irdischen Raffgier abzusehen. Gerade dieser Materialismus, diese Gier hat die großen Konflikte ausgelöst. Wenn dann auch noch die Religion dafür verantwortlich gemacht wird, ist das falsch. Sich jedoch wegen des Glaubens zu bekriegen, ist ein schrecklicher Unsinn, der von der Religion verboten wird. Wie ist deine persönliche spirituelle Sicht der Dinge? Glaubst du an ein Leben nach dem Tod? Gibt es eine Erlösung? Ist dieser Freispruch nicht zu einfach, anstelle sich jederzeit der Konsequenz seines Tuns bewusst zu sein? Daran glaube ich. Das verbinde ich aber nicht mit Erlösung. Wenn man stirbt, ist damit nicht alles automatisch gut oder schlimm. Das Fegefeuer ist eine Erfindung der katholischen Kirche. Das irdische Leben ist für mich eher eine Vorbereitungszeit für die Seele, die weiterleben wird. Was ich in meiner irdischen Zeit aus meiner Seele mache, das obliegt mir und damit muss ich dann auch zur nächsten Stufe eigenverantwortlich treten. Wirst du dann die Träne von Lacrimosa mit dir nehmen? Ich hoffe, dass ich von Lacrimosa den Seelenbalsam, der er immer war, mitnehmen darf. ert re l www.lacrimosa.ch


PHOTO BY HEIDI @ WRETCHED BEAUTY, PHOTO ARTWORK BY STEREO SISTER

Wer hat Angst vor... Frauen an die Front. Was FrightDoll aus dem heißen Südstaat Florida produziert, ist der weitere lebende Beweis neben Diva Destruction, dass Frauen und düstere Elektronik keine Ausnahme vom Klischee sein müssen. Treibende Grooves, subtile, teils dissonante Keyboardlines und eine verführende Stimme am seelischen Abgrund, können auf dem Debütalbum „Reference Version” der Rothaarigen, die sämtliche Arbeiten in Personalunion ausführt, mehr als überzeugen. Deine Musik wurde schnell als Futurepop etikettiert. Ist dies eine Kategorisierung, mit der du glücklich sein kannst? Bei näherem Hinhören kann man schließlich auch deutliche Einflüsse aus dem Dark Wave und Gothic-Bereich erkennen. Ich würde meine Musik persönlich nicht als Futurepop bezeichnen. „Reference Version” ist für mich ein Album, das sich am besten in die Ränge des Dark-Elektro einreihen lässt. Auch bin ich der Überzeugung, dass es wesentlich sinnvoller ist, einzelne Alben eines Künstlers zu betrachten, und diese zu kategorisieren, als zu versuchen gleich den ganzen Künstler in einer Schublade verschwinden zu lassen. Das kann schnell dazu führen, das ein Künstler mit Schranken zu kämpfen hat, die ihm von außen auferlegt wurden. Nichts desto trotz bin ich nicht zu besorgt, dass meine Musik in eine vermeintlich falsche Kategorie einsortiert wird, denn letztendlich spricht die Musik für sich und lässt sich nicht durch Schubladendenken einschränken. An vielen Stellen deines Albums erzeugst du durch dissonante Melodien eine großartig schaurige Atmosphäre. Wie entscheidest du, wann diese Elemente eingesetzt werden? Die angesprochene Dissonanz in meinen Stücken sehe ich als Metapher für wiederkehrende Lebenserfahrungen, die sich häufig in sehr verdrehten Mustern darstellen, oder in Spannungen, die es zu lösen gilt. Die geplante Dissonanz ist für mich eine subtile und doch direkte Form des Ausdrucks und für mich die Ausdrucksform, mit der ich mich am dichtesten an die künstlerische Darstellung von Gefühlen herantasten kann.

Was sind für dich die leitenden Einflüsse? Meine Einflüsse sind die innere Suche nach Zweck und Bedeutung in allem, die Suche nach Balance, das Hinterfragen von eingefahrenen Strukturen in Systemen, das Nutzen von Symbolen, um abstrakte Konzepte darzustellen, die Suche nach dem Kern der Wahrheit und die Verbindung zwischen unserem Bewusstsein und der Realität. All diese Dinge sind meine konstanten persönlichen Einflüsse, die im Gegenzug meine Musik immer wieder auf die eine oder andere Art und Weise beeinflussen. Wenn wir einmal die Texte betrachten: Was ist das tragende Thema deines Debütalbums?

„Reference Version” behandelt die Interaktion zwischen Bewusstsein und Technologie und stellt die Suche nach dem Selbst in einem Medium dar, dass die Grenzen zwischen menschlichem Bewusstsein und den digitalen Prozessen bereits verschwimmen lässt. Oft scheint es, dass wir als Individuen entweder unsere eigenen Programme ablaufen lassen oder Programmen folgen, die andere für uns geschrieben haben. Dabei vergessen wir oft, die Essenz unseres Seins und unserer Bestimmung zu hinterfragen. Gerade dies ist ein Thema, das ich häufig in meinen Texten aufgreife. mariu mar www.myspace.com/frightdoll www.frightdoll.com www.nmmv.de 13


Stalker Goths aus Russland Eine sowjetische Stadt. Die Maschine des Sozialismus verschluckt die menschliche Persönlichkeit und zerfrisst die Infrastruktur. Doch was passiert mit den Menschen, wenn die Stadt ausgestorben ist? Zeit für eine neue Generation von Goths. Stalker Goths, Poeten der vergessenen Städte der einstigen Sowjetunion. Das Duo Otto Dix, gegründet von Marie Slip (Musik) und Michael Draw (Texte, Gesang), hat es bereits zu einer beachtlichen Popularität in der russischen Gothicszene gebracht und bedient sich genau dieser Thematik, der traurigen Realität der russischen Städte, die heute nur noch Namen auf der Landkarte sind. Willkommen in der hoffnungslosen Zukunft von Michael Draw. Bitte stell doch eure Band vor. Welchem Konzept folgt ihr und was sind eure Einflüsse? Gibt es schon Veröffentlichungen? Michael Draw: Die Band wurde 2004 in Khabarovsk (Ostrussland) gegründet. Ich habe den Namen Otto Dix gewählt, weil mich der gleichnamige deutsche Expressionist sehr beeindruckt hat. Wie seine Kunst ist auch unsere Musik anders, variabel und auf gewisse Weise düster. Wir haben bereits zwei Alben, „Ego“ und „City“ und unser neues Album ist für Herbst geplant. Du hast eine sehr außergewöhnliche Stimmlage für einen Mann, du bist Countertenor. Hast du Gesang studiert? Ja, ich habe zwei Jahre privat studiert. Das einzige Problem dabei ist, dass ich mich auf der Bühne bewegen muss. Es ist schwer, die Stimme während des Tanzens zu kontrollieren. Wie bist du auf dein Bühnenoutfit gekommen und was drückst du damit aus? Es ist eine Art Image der „gebrochenen Marionette“, ein misanthropischer Cyborg, der 14

Geist der Seele, ein melancholischer aber romantischer Vampir, alles in einem. Wir haben uns auch schon als Blumenkinder mit Gasmasken fotografieren lassen. Mein Keyboarder Marie Slip bevorzugt eher das unauffällige Image.

Ihr seid in den letzten zwei Jahren zu Idolen für tausende Gothics in eurem Land geworden. Habt ihr eine Erklärung dafür? Nicht wirklich. Auf jeden Fall spielte das Internet eine große Rolle. Ich war vor der Band schon als Autor im Netz bekannt. Marie war Programmierer von Spielen für alte Computer und unter den Spielern bekannt. Wahrscheinlich kamen unsere ersten Fans aus

diesen Communities. Unsere Popularität ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass wir in Russisch singen und die Leute uns einfach verstehen. Außerdem legen wir viel Wert aufs Visuelle auf der Bühne. Das scheint den Leuten zu gefallen. Ihr seid die einzige Gothic-Band, die schon Konzerte in ganz Russland gespielt hat. Wie erklärt ihr euch den Erfolg? Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir keine Angst vor der Arbeit haben. Es ist schwer für viele Bands, alles zurückzulassen und einfach auf Tour zu gehen. Es gibt ja Unsicherheitsfaktoren und man braucht auch Abenteuerlust. Wir haben schon durch ganz Russland getourt, von Ost nach West, dabei haben wir sieben Zeitzonen durchschritten. Von Khabarovsk (wo wir herkommen) nach St. Petersburg (unserer jetzigen Heimat), wo wir niemanden kannten. Nach so einem Trip haben wir keine Angst mehr, auf Tour zu gehen. Dazu arbeiten wir auch mit der exzellenten und professionellen Booking Firma „SYN Promotion“ zusammen, die solche Touren für Bands in Russland erst möglich macht. Natürlich hoffen wir, bald auch in Deutschland zu spielen. ale e flop www.ottodix.ru www.myspace.com/ottodixx


Innere Erlösung Es ist ein wenig langweilig geworden da oben im Olymp der Goth-Rock-Götter. Seit Jahren fallen immer dieselben Namen, wenn es um düstere Gitarren und leuchtende Mädchenaugen geht. Das könnte sich demnächst ändern. Schon seit einiger Zeit wispern es tausende Stimmen auf Myspace, im Stillen gründeten sich bereits internationale Fansites, und neugierig mischen sich immer mehr Journalisten und Pressevertreter unter die Anhängerschaft einer Band, die als Geheimtipp begann, und sich anschickt, die Herzen ihrer Fans mit ihrem für Oktober angekündigten Album „Salvation” im Sturm zu erobern. Die Rede ist von Rozencrantz, dem neuen Stern am Goth-Rock-Himmel. Das Quartett um den charismatischen Sänger Skye, der mit wehend langen Haaren, elegantem Style und Gänsehaut-Stimme die Mädchenherzen höher schlagen lässt, hat die letzten Monate damit verbracht, mit jeder Menge Herzblut ein Album zu erschaffen, das an Tiefe, Vielseitigkeit und Power für mich zum Besten gehört, was ich seit Langem gehört habe. In den Studios von Danse-Macabre-Chef Bruno Kramm, in denen „Salvation” momentan sein finales Mastering erhält, hatte ich Gelegenheit, in einige Stücke hineinzuhören und war sofort hin und weg. Von Balladen, wie dem wunderschönen „Her Walk Gets Slower”, für welches im Übrigen Carsten Klatte (Wolfsheim, Project Pitchfork, Lacasa del Cid) zusätzliche Gitarren beisteuerte, über krachende Rocksongs wie „Forsaken” oder „Sweet Desire”, ist die Bandbreite der Musik enorm. 13 Stücke wird „Salvation” letztend-

lich umfassen, den Abschluss der Platte bilden die zwei Gewinner-Remixe des internationalen Remix-Contests, den Rozencrantz über die Internet-Plattform Myspace ausgerufen haben, und der auf eine unglaublich gute Resonanz gestoßen ist. Überhaupt ist es beeindruckend, wie Rozencrantz die Eigendynamik des Mediums Internet, und von Myspace im Besonderen zu nutzen wissen. Täglich wächst die Fanschar der Band und mittlerweile sind die vier Jungs Objekt der Begierde nicht nur für deutsche Fans, sondern weltweit. Neben den Audiotracks wird „Salvation” auch einen Multimedia-Teil inklusive zweier Videos beinhalten. Hier zeigt sich erneut, wie viel Kraft und Energie Rozencrantz in ihr Projekt investieren: Die Videos zu „Sweet Desire” und „Her Walk Gets Slower” entstanden komplett auf Initiative und unter Eigenregie der Band und die Ergebnisse können sich mehr als sehen lassen. Kein Wunder also, dass etwa „Her Walk Gets Slower”, noch bevor das komplette Album überhaupt das Licht der Welt erblickt, auf dem dritten Teil des Samplers des Pay-TV-Kanals 13th Street gefeatured wird. Eine Erwähnung aufgrund seiner einzigartigen Ausarbeitung verdient meines Erachtens nach auch das Artwork von

„Salvation”, welches zum Zeitpunkt dieses Artikels bereits fertiggestellt war. Für die ungemein detailverliebten Illustrationen im zwölfseitigen Booklet zeichnet sich die russische Künstlerin Aminess verantwortlich, die mit ihren Werken das Booklet selbst zum Kunstobjekt stilisiert und die Atmosphäre der Songs wunderbar einfängt. Rozencrantz sind unglaublich ambitioniert und haben mit großer Aufmerksamkeit fürs Detail ihre musikalische Vision Wirklichkeit werden lassen. Die Stücke des Albums berühren, begeistern und reißen mit, und das auf allen Ebenen – anspruchsvolle Lyrics, ausgefeilte Arrangements und liebevoll ausgearbeitete Melodien, „Salvation” lässt in Bezug auf seine musikalischen Qualitäten keine Wünsche offen. Ob „Salvation” die Erlösung von der momentan vorherrschenden Eintönigkeit im Goth Rock ist, das müssen selbstverständlich die Fans entscheiden. Doch angesichts der euphorischen Gefolgschaft der Band bin ich mir sicher: Im Oktober kommt etwas ganz Großes auf uns zu. Ich jedenfalls kann es kaum erwarten, das fertiggestellte Album in den Händen zu halten und mich erneut in den Klängen der vier Jungs zu verlieren. can ice www.myspace.com/rozencrantz 15


Pride and Fall Der Tod ist ein Neuanfang

Norwegens internationaler Output zum Underground beschränkt sich größtenteils auf die härteste Spielart des Metals, den Death Metal. Die Parallelen zur melancholischen und harmoniegeprägten Elektroformation Pride and Fall sind auf den ersten Blick kaum auszumachen und doch gibt es Querverbindungen, wie uns Per und Sigve versichern können. Das neue Album mit dem vielsagenden Titel „In My Time Of Dying” kann aber auch mit seiner schwermütigen Endzeitstimmung punkten, die es so auf den vergangenen Alben nur ansatzweise zu bewundern gab. Die Entstehungsgeschichte des Albums klingt aber auch alles andere als “rosig”. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Titel des Albums und der Tatsache, das euer Label die Pforten schließen muss? Wie lange wusstet ihr schon davon? Sigve: Stefan Herwig überbrachte uns die schlechte Nachricht von der Labelschließung (wir berichteten im NEGAtief 8) schon vor ein paar Monaten, und es fühlt sich an, als ob wir einen Krieg verloren hätten. Und auf gewisse Art und Weise ist das auch so. Es ist einfach ein mieses Gefühl, zu wissen, dass das, was man

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liebt, vorübergeht. Ich steln dann mit Ideen und „Religion ist Mist. Die meine damit den TeamGedanken herum und Wurzel allen Übels. Es geist, den wir bei unseren versuchen so, langsam Freunden bei Dependent schränkt die Weltsicht ein.” eine Skizze des Songs Records immer gefunden zu erstellen. Von dieser haben. Das einzig Positive, das uns bleibt, ist, ersten Skizze bis zur Fertigstellung ändert ein dass uns all die positiven Erinnerungen an di- Song noch häufig sein Gesicht. Wir feilen halt ese Zeit auch in Zukunft erhalten bleiben wer- so lange herum, bis alles passt. den. Der Titel „In My Time Of Dying” steht somit stellvertretend sowohl für Stefans harte Auch wenn ihr ausschließlich elektronische Entscheidung, sein Label zu schließen als auch Musik macht, so finden sich doch immer wiefür den Inhalt des Albums, der eine Menge per- der Elemente traditioneller Rockmusik. Was sind eure Einflüsse da draußen im elektrosönlicher Tragödien behandelt. nischen Dschungel? Wie lange habt ihr an diesem Album gearbei- Sigve: Oh ja, wir haben jede Menge Elemente tet? Gab es ein durchgezogenes Konzept oder aus der Rockmusik, oder mehr noch dem Metal entliehen. Wie haben alle eine lange ist es ein Sammlung einzeln stehender Songs? Sigve: Wir haben die Arbeit an diesem Album Beziehung mit dem Metal und haben lange in direkt nach dem Release von „Elements of Si- Metalbands gespielt. Daher ist es für uns nur lence” begonnen. Natürlich haben wir nicht natürlich, eine Menge aus diesem Musikstil ununterbrochen an diesem Album gearbeitet, zu ziehen. Wenn man die elektronische Musik denn es galt ja auch live präsent zu sein, und betrachtet, gibt es da nicht so vieles, das wir so verbrachten wir auch eine Menge Zeit im als Einfluss bezeichnen würden, außer vielProberaum, um das Live-Programm zu verfei- leicht Depeche Mode, Dead can Dance und NIN. Es gibt jedoch eine Menge Bands in der nern. Per: Ich finde das Songwriting bei Pride and Elektro-Szene, die wir für ihr überragendes Fall läuft wie eh und je. Manchmal geht es ganz Talent und ihre Songwriter-Qualitäten beeinfach von der Hand und passiert sehr natür- wundern. Ich denke, unsere Musik hat mehr lich. Manchmal ist es aber auch wie das müh- Einflüsse aus dem Rock und Metal als aus same Zusammensetzen eines Puzzles. Wir ba- dem Industrial. Ich denke dabei besonders an


Der rote Faden des Albums führt von „The Painful Regret” zur “Time Of Dying”. Gibt es nie einen Entscheidungspunkt, an dem das Schicksal geändert werden kann? Oder glaubst du an Vorherbestimmung? Per: Ich bin schon davon überzeugt, dass du selbst dein Leben gestaltest. Nichts ist vorherbestimmt. Ich denke, du musst aus deinen Fehlern lernen und dich selbst erkennen. Es gibt immer eine Möglichkeit, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Es gibt zu viele Menschen, die ihr Leben auf „Autopilot” leben und gar nicht begreifen, was sie alles tun könnten. Warum sollte man sein Leben verschwenden? Ich kenne Menschen mit tiefem Wissen, das sie sich in Jahren erarbeitet haben, die ihr Leben an der Supermarktkasse fristen. Aber was mich am meisten in Rage versetzt, ist, wenn Menschen sich durch Religion einschränken lassen. Verdammt. Religion ist Mist. Die Wurzel allen Übels. Es schränkt die Weltsicht ein und davon bin ich kein Fan. die Art und Weise, wie wir unsere Melodien und Punch Lines erzeugen. Dort werden Verbindungen zwischen unserer Musik und dem Metal offensichtlich. Gibt es nach Jahren als Liveband eine Veränderung in der Herangehensweise ans Songwriting? Per: Nun, es ist schon wichtig, dass unsere Songs live genauso gut oder sogar besser als auf der CD funktionieren. Ich denke, dass die Tatsache, dass wir alle über große LiveErfahrung mit verschiedensten Bands verfügen, uns sehr hilft. Wir wissen alle, wie man einen guten Live-Song schreibt und wir haben dieses Wissen im Hinterkopf, wenn wir neue Songs im Studio konzipieren.

Was sind deine persönlichen Dämonen? Hattest du je die Gelegenheit, einige davon zu besiegen? Per: Ja, ich denke schon. Wir sprachen ja schon von Wendepunkten. Einen solchen hatte ich vor Jahren, als ich nicht realisierte, dass ich das, was Andere können, auch kann. Ich habe dieses Paradigma in abgewandelter Weise in meinen Alltag eingebaut und lebe nun in einer „Ich kann es tun!” Perspektive. Das funktioniert gut und hat mir im Geschäftsleben und bei der Produktion von Musik sehr geholfen.

wenn du 16 Jahre alt bist. Viele Bands, die ich kenne, sind vor einem solchen Hintergrund entstanden. Ich habe ein Interview mit Morbid Angel gelesen, in denen sie eine ganz ähnliche Meinung vertreten haben. Es gibt viele gute und sehr bekannte Bands in Norwegen, aber die EBM/Futurepop/Dark Electro Szene ist sehr begrenzt. Es gibt für so etwas nur drei oder vier Clubs im ganzen Land. Eine GothicSzene gibt es im Grunde gar nicht. Die Black Metal Szene ist viel größer als die des Elektro. Das ist aber meiner Meinung nach ganz natürlich, denn Black Metal hat eine lange Tradition in Norwegen. Länger als irgendwo sonst auf dem Europäischen Kontinent. Diese Tradition inspiriert nach wie vor Bands auf der ganzen Welt. Wie seht ihr die Zukunft von Pride and Fall nach den Jahren bei Dependent? Werdet ihr versuchen, euren eigenen Weg in die Industrie zu suchen? Per: Unsere Zukunft ist in keiner Weise vorbestimmt. Ich denke, es hängt alles davon ab, dass wir das tun, was wir tun mögen, und dass es für uns eine persönliche Bedeutung hat. So lange das gegeben ist, werden wir weiter Musik machen. Auch wenn es jetzt ohne die gute Kooperation mit Dependent Records um einiges schwieriger werden wird. ert re l www.prideandfall.com VÖ „In My Time Of Dying”: 17.08.07

Norwegen ist für viele musikalische Projekte aus den verschiedensten Bereichen von Black Metal über Futurepop bis zum EBM bekannt. Welches Bereuen sprecht Ihr mit „The Painful Worin liegt das Geheimnis der Kreativität Regret” an? dieses Landes? Sigve: All deine Aktionen erzeugen Reakti- Per: Ich weiß nicht genau, wo diese Kreativionen und wenn der Schaden erst entstanden tät herkommt. Ich denke, es hat damit zu tun, ist, kannst du dich nur noch zurücklehnen dass hier Talenten schon in der frühen Jugend und den Sturm über die Gelegenheit gegeben dich ergehen lassen. Du wird, in kleinen Clubs, kannst nicht für alles um „Du kannst nicht für alles in deren Nähe auch Vergebung bitten. Einige ihre Proberäume sind, um Vergebung bitten. Dinge können nicht verihre Musik zu testen. Einige Dinge können geben werden. Davon Ich denke so etwas innicht vergeben werden.“ spiriert dich schon sehr, handelt dieser Song. 17


Foto: Annette Günter

Auf seinen Schwingen Der Phoenix aus der Asche wurde bereits des Öfteren wiedergeboren, doch selten erhebt er sich so strahlend, wie auf dem Cover des neuen Saltatio Mortis Album. Nach der „Heavy Rotation“ des Personalkarussells haben sich die Spielleute auf ihre traditionelle Stärke, griffige Rockschemen mit orchestral anmutenden Mittelalterelementen zu paaren, besonnen und überstrahlen mit ihrem imposanten Dauerfeuerwerk den Horizont der oft so limitierten Szene. Selten wurde das Spielmannsleben textlich so ausgelassen und vielschichtig beleuchtet, während die musikalische Umsetzung sicher zwischen den Polen eines modernen Rocksongs und archaischer Schönheit alter Instrumente wandelt. 18

Saltatio Mortis bewegen sich in zwei Welten. Einerseits auf großen Rockfestivals, andererseits als Spielleute auf diversen Mittelaltermärkten. Wo fühlt ihr euch wirklich zu Hause? Für uns sind diese Welten nicht soweit voneinander entfernt. Wir verstehen uns als Spielleute der Moderne, wir vereinen den Lebensentwurf eines mittelalterlichen Spielmanns mit unserem Leben als moderner Mensch des 21. Jahrhunderts. Dabei ist es egal, von welcher Bühne aus man sein Publikum zum Tanzen bringt, Geschichten erzählt, Menschen zum Lachen oder auch mal zum Weinen bringt. Die Bühne ist nur ein Medium, ein Ort oder auch ein Rahmen. Was zählt, sind

wir als Band, unsere Musik und das Leben, das wir leben. Auf den Rockbühnen erreichen wir Menschen, die sich auf den Märkten nicht wohl fühlen, oder sie noch gar nicht kennen. Auf den mittelalterlichen Märkten liegen unsere Wurzeln und es tut uns immer wieder gut, zu diesen zurückzukehren. Richtig zu Hause sind wir somit auf jeder Bühne, ganz gleich ob auf dem Tisch in einer Mittelaltertaverne oder auf der Mainstage eines großen Rockfestivals. Das ist alles ein Teil von Saltatio Mortis. Zum neuen Album gab es eine große Umbesetzung innerhalb der Band. Hat sich das auf


die Chemie beim Songschreiben ausgewirkt? Das hatte in der Tat große Auswirkungen, da ja mit Mik einer der beiden Songwriter einer der Neuen war. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Konstanten, wie die Texte von Lasterbalk und der deutlichen Handschrift von Alea, der ja bereits auf der „Königs Henker“ einen großen Teil der Songs geschrieben hat. Der größte und vielleicht auch wichtigste Effekt war aber, dass wir alle an einem Strang gezogen haben und viele unnötige Diskussionen der letzten Platten weggefallen sind. Wir wussten sehr genau, was wir erreichen wollten und das haben wir auch gescha . Im Übrigen sind es ja nicht nur Texter und Songwriter, die ein Album zu dem machen, was es ist. Einen wesentlichen Anteil hat die gesamte Band, die mit tausend Ideen scheinbar fertige Songs immer weiter entwickelt und nicht zuletzt auch der Produzent, der auch dieses Mal wieder Thomas Heimann-Trosien war, der mit In Extremo und Schandmaul ja schon so manches Schwergewicht gestemmt hat. Die Einigkeit und die neuen Einflüsse hört man dem Album auch an, da es nach den ersten Kritiken „frisch“ und „abwechslungsreich“ klingt, ohne seine Durchgängigkeit zu verlieren. Der Phoenix „Aus der Asche“ steht sicher für eure Neubesetzung. Gibt es auch noch andere Querverweise? Klar, der offensichtlichste Verweis geht auf die neue Besetzung. Aber es ist mehr, als nur ein paar neue Kollegen gefunden zu haben. Wir ziehen wieder an einem Strang! Es ist klar, was wir wollen, wie wir leben wollen und welche Musik wir in uns hören. Für uns hat das Leben als Spielmann nun endlich wieder mehr Bedeutung, da wir von unseren neuen Mitstreitern dabei unterstützt und mitgetragen werden. Es sind eben nicht nur neue Kollegen, sondern Spielmänner. Das neue Album vereinigt alle Tugenden der Band. Treibende Rockgranaten, Balladeskes und sogar historisch Inspiriertes und archaisch Instrumentiertes. Hattet ihr keine Angst, zu viele Stile auf einem Album zu vereinen? Nein, gar nicht. Wenn man einen Sound im Ohr

hat und weiß, was man will und wie man klingen möchte, dann ist das schon die halbe Miete! Zumal archaische Instrumente und Rockgranaten ja eigentlich keine Widersprüche sind. Hör dir mal einen unserer Dudelsäcke an, die sind laut, brachial und treibend. Thematisch handeln die meisten Songs vom mittelalterlichen Spielmannsleben. Was reizt euch spezifisch an diesem Zeitalter? Die Idee von einer Welt, die noch kein Telefon und Internet kennt, ist für uns moderne Menschen des Informationszeitalters natürlich zunächst furchtbar erschreckend, doch auf der anderen Seite hat dies auch seinen Reiz. Die Welt wird wieder kleiner und überschaubarer. Genau in so einer Welt sind fahrende Spielleute die Menschen, die über den Tellerrand schauen. Sie finden sich mit der kleinen beschränkten Welt nicht ab und sammeln Eindrücke, erleben Abenteuer und singen von ihren Erlebnissen und Eindrücken. Dieses Selbstverständnis von Freiheit ist uns wichtig, auch und gerade heute noch, wo jede Information auf Knopfdruck verfügbar ist, aber eben nur scheinbar.

Die Liste des genutzten Instrumentariums ist lang und lässt bei so manchem Interessierten ein großes Fragezeichen zurück. Deshalb haben wir mal bei Saltatio Mortis nachgefragt.

Schalmei:

Auch bekannt unter dem Namen Pommer ist die Schalmei ein Holzblasinstrument mit Doppelrohrblatt und meistens sieben Löchern. Die Schalmei ist sehr laut und scharf im mittleren und hohen Bereich, dagegen klingt sie im unteren Tonbereich nasal. Ursprünglich kommt die Schalmei aus dem Orient.

Nyckelharpa:

Sie stammt ursprünglich aus Schweden und heißt in Deutschland auch Schlüsselgeige. Ähnlich wie bei der Drehleier kommen Tasten zum Einsatz, um die Tonhöhe zu bestimmen, während ein gestrichener Bogen den Ton erzeugt. Die Nyckelharpa ist traditionell ein Soloinstrument.

Tin Whistle :

In der Instrumentenkunde zu den Schabelpfeifen eingeordnet, finden sich die Ursprünge dieser hellen Pfeife in Irland. Da es im Unterschied zur Blockflöte kein Daumenloch gibt, wird die Oktave durch Überblasen erzeugt. Die Tin Whistle wird meistens aus Metall gefertigt. Eine Sonderform ist die Low Whistle, die deutlich tiefer gestimmt ist.

Kann man diesem Zeitalter und dem dazugehörigen Lebensgefühl überhaupt mit dem heutigen Wissensballast gerecht werden? Deshalb sehen wir uns auch als moderne Spielleute. Wir müssen heute nicht mehr vom Krieg im Heiligen Land erzählen, weil jeder zu Hause ein Radio hat oder fern sieht. Jeder weiß um den Krieg im Irak und inzwischen wissen auch die meisten Leute, wo Afghanistan liegt! Aber dieses oftmals unreflektierte „Medienwissen“ zu kommentieren oder in ein anderes Licht zu setzten, könnte zum Beispiel die Aufgabe von modernen Spielleuten sein. Doch viel wichtiger ist uns eigentlich noch eine andere Funktion der Spielleute, die damals wie heute unverändert geblieben ist: Wir wollen Freude unter die Menschen bringen, denn wer tanzt stirbt nicht.

Im übertragenen Sinne: Was ist heute und damals für fahrende Spielleute gleich geblieben? Ich denke der Geschmack von Freiheit und Abenteuer ist damals wie heute da. Dazu die Liebe zum Wein, Tavernen und tanzenden Frauen. Zu den ernsteren Themen habe ich schon genug gesagt. (lacht) Woher kommt eurer Meinung nach der über die Jahre gleichbleibende Boom der Mittelaltermusik? Ich glaube, dass jeder in sich verwurzelt die Liebe zu seinen Wurzeln in sich trägt. Das beginnt bei der Musik, dem Klang alter, mächtiger Instrumente und hört bei der klaren Struktur und Einfachheit der alten Welt auf. Es ist doch 19


schön, in eine Zeit abtauchen zu können, in der es klare Regeln gibt, in der die Welt überschaubar ist. Dort gibt es noch Gut und Böse, da ist die Welt eben schwarz oder weiß und nicht nur grau, wie sie heute meist ist. „Choix des Dames“, die Damenwahl ist ein herrlich umgesetztes Stück mittelalterlichen Treibens. Hat dieses Stück einen historischen Hintergrund? Dieser Song wurde von Cordoban und Falk angeschleppt und ist von einem bretonischen Traditionell inspiriert. Das Besondere ist, dass hier nicht die Dudelsäcke, sondern die Schalmeien im Vordergrund stehen und mit der Maultrommel ganz besondere Klangfarben eingesetzt wurden. Zudem ist der Leadgesang bei diesem Stück von Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelstein. Der Chor stammt von Cordoban und Alea. Warum Falk und Cordoban die Thematik so interessant fanden und Alea ebenfalls Feuer und Flamme war. „Nichts bleibt mehr“ ist der melancholische Abschluss des Albums. Sind diese besinnlichen Momente euer Gegengewicht zum ausgelassenen Spielmannsleben? Dieser Song stammt zur Gänze aus der Feder von Alea. Er ist weniger die Gegenseite zum ausgelassenen Spielmannsleben, sondern war eine Art persönlicher Ansporn, weiter zu machen. Mit den

Sackpfeife, Dudelsack:

drei Altsaltaten, die die Band verließen, gingen ja auch zwei der Songwriterkollegen. Zudem erlebt man auch im Spielmannsalltag nicht immer nur Schönes. Auch hier ist der Song eher als Motivation zu sehen, Schwierigkeiten zu überwinden, um überhaupt zum ausgelassenen Spielmannsleben zurückfinden zu können. Wer euch Live erlebt hat, kennt euch als ein hochprofessionelles Schauspiel mit großem Unterhaltungsfaktor. Braucht eure Musik vor allem die Bühne und die große Geste? Ganz im Gegenteil. Unlängst standen wir 2,5 Stunden auf den schweren Eichentischen einer Kneipe in Regensburg und auch da springt der Funke über. Ganz ohne Bühne und große Gesten. Das testen wir auch regelmäßig, indem wir einfach aus dem Bus springen und eine Fußgängerzone erobern. Auch da beginnen die Leute zu Tanzen und zu Feiern.

Der laute Dauerton des Dudelsacks wird Bei der großen Zahl der Instrudurch eben dessen konstante Luftzufuhr gehalten. mente, die ihr benutzt: Gibt es Der Spieler kann relativ unkompliziert den Sack manchmal die Qual der Wahl, aufblasen, während die Pfeifen weiterklingen. Die Töne in welcher Besetzung eine der Pfeifen werden durch Rohblätter erzeugt. Neben der Songidee ausgeschmückt Spielpfeife, auf der Melodien gespielt werden, gibt es eine wird oder ergibt sich das oder mehrere Bordunpfeifen oder Brummer, die den stehenden von selbst? Grundton liefern. Ursprünglich stammt der Dudelsack laut Vieles ergibt sich von einigen Wissenschaftlern sogar aus Asien und fand dann seine selbst, allein durch den schnelle Verbreitung. Die Sackpfeife findet sogar schon im Buch beschränkten TonumDaniel der Bibel eine Erwähnung.

Binjou: Eine bretonische Variante des Dudelsacks Mandola:

Die Mandola gehört zu den Mandolinen, hat einen größeren Korpus und ist eine Oktave tiefer gestimmt. Sie wird wie die Mandoline vor allem gezupft.

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fang mancher mittelalterlichen Instrumente. Aber manchmal ist es schwer, gerade wenn es um Flöten oder Saiteninstrumente geht, da es oftmals eine Geschmacks-

frage ist, ob man eine irische oder französische Flöte, eine Nickelharpa oder die Drehleier einsetzen möchte. Wofür stehen eigentlich die Fantasienamen der Mitglieder? Steckt hinter den Namen auch immer ein bisschen Wahrheit oder Ironie? Spielmannsnamen sind mehr als Künstlernamen, besonders die Beinamen. Sie stammen meist von anderen Marktleuten, Tavernenwirten oder Badern und sind fast so was wie ein Ehrentitel. Die Doppeldeutigkeit, die hinter vielen der Namen steckt, ist dabei schon Absicht und enthält meist beides. Ein wenig Wahrheit und ein wenig Ironie. Wann werdet ihr euer Album dem Publikum live vorstellen? Wird es wieder Marktauftritte in der mittelalterlichen Besetzung geben? Einige Songs spielen wir schon jetzt in unseren Programmen. Vorbeikommen und überraschen lassen! Ab Oktober sind wir mit dem neuen Album auf Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Natürlich sind wir auch weiterhin auf Märkten unterwegs und spielen dort in mittelalterlicher Besetzung. Aber über den Winter sind jetzt erstmal die Clubs der Nation fällig. ele t www.saltatio-mortis.com


„Auf Ewig“ – Meisterwerke Selten ist sie geworden, diese ganz spezielle Gattung deutscher Künstler, die es durch die Jahrzehnte hinweg schaffen, der Musiklandschaft immer wieder – und immer neu – ihren Stempel aufzudrücken. Joachim Witt darf sich mit Fug und Recht zu diesen Ausnahmekünstlern zählen. War seine „erste“ Karriere als einer der führenden Köpfe der Neuen Deutschen Welle schon bemerkenswert, so ist seine Rückkehr in die heiligen Hallen der deutschen Pop-Charts 1998 im Duett mit Peter Heppner schon ein bewundernswerter Geniestreich. Die Werkreihe Bayreuth, dessen erster CD „Bayreuth 1“ eben dieses Duett entstammt, spannt über drei Werke einen weitreichenden musikalischen Bogen der von bodenständigen, stark rockbetonten Stücken bis zu naturromantischen Motiven reicht. Mit den Nachfolgewerken „Eisenherz“ und „Pop“ unterstreicht Witt sein Engagement, indem er immer wieder kontroverse Themen, die ihm auf der Seele brennen, konsequent behandelt. Diese Alben werden stark von Ironie geprägt, und doch sind es immer wieder musikalische Kleinode, die den Weg in die Zukunft aufzeigen. Zukunft ist ein gutes Stichwort, das gerade in Hinblick auf die Tatsache, dass es sich bei Witts neuester Veröffentlichung um eine Best-Of-Zusammenstellung handelt, verwundern mag. Denn diese Zusammenstellung der Höhepunkte seines Schaffens ist mehr als eine plumpe Sammlung beliebter Stücke der letzten fünf Alben! Witt hat alle enthaltenen Stücke neu abgemischt. Viele Stücke beka-

men gar ein komplett neues Arrangement. Abgerundet wird diese Werkschau von zwei nagelneuen Stücken „Weh Oh Weh“ und „Unsere Welt“, die exklusiv im Rahmen dieser Zusammenstellung erscheinen werden. Diese neuen Werke entstanden in einer erneuten Zusammenarbeit mit der legendären Ost-Band Silly, die nach dem gemeinsamen Touren mit Witt nun auch den Weg auf diesen Tonträger gefunden haben. Die Retrospektive zieht jedoch noch größere Kreise: „Auf Ewig“ enthält erstmals auf Tonträger gebannte Neuauflagen der beiden großen Hits aus Joachim Witts erster Karriere. In ihrem neuen Gewand fügen sich „Tri Tra Trullala (Herbergsvater)“ und der unvergessene Klassiker „Goldener Reiter“ harmonisch in das Gesamtbild der Kompilation ein. Hiermit erfüllt Witt einen Wunsch seiner Fans, auch diese Titel als Neufassungen endlich auf der heimischen Stereoanlage konsumieren zu können.

Für Fans des Künstlers ist dieses Set VÖ „Auf Ewig“: 31.08.07 mit seiner gewohnt künstlerischen Verpackung sicherlich ein Muss. Schließlich ist dies keine Zusammenstellung von Songs, die der Fan eh schon auf anderen Platten in seinem Regal stehen hat, sondern ein neuer, ein frischer Blick auf das Werk dieses Ausnahmekünstlers. Aber auch für den „Witt-Anfänger“ ist diese Zusammenstellung eine spannende Reise durch das Schaffen eines ganz besonderen Künstlers. Ein Ende und zugleich ein Neuanfang, der Abschluss eines Kapitels und das Aufschlagen einer neuen Seite. So darf man diese Veröffentlichung sicherlich resümieren. Der rote Vorhang ist gefallen…und dort wo sein Herz ertrank, wird aus seidenen Schleiern ein Kleid. hc luvcraft www.joachimwitt.de

Und nicht nur die Stereoanlage wird von „Auf Ewig“ bedient, denn neben der CD ersteht der geneigte Fan auch die streng limitierte BonusDVD, und somit Futter für den Fernseher. Spätestens jetzt erhält man tiefe Einblicke in eine Ausnahmekarriere. Ausführliche Interviews runden die gelungene Zusammenstellung aller Videoclips der Ära ab, und als ganz besonderes Bonbon wurde ein brandneues Video zu Witts erstem NDW-Hit gedreht! Natürlich ist auch dieser Videoclip zusammen mit seinem Making Of in Witts außergewöhnlicher Werkschau enthalten. 21


“Ich werde mich sicher auch nie wieder für Leute einsetzen, die einem als Dankeschön das Messer in den Rücken stoßen.“ Virusinfektion garantiert Das Siechtum der Labellandschaft ist mittlerweile ein tägliches Thema in den einschlägigen Branchenpublikationen und der Tagespresse. Diese negativen Hiobsbotschaften im Sinn, ist es umso erstaunlicher, wenn kleine Undergroundplattenfirmen Erfolgsmeldungen und Neusignings bekannt geben und mit erstaunlicher Geradlinigkeit ihrem Idealismus frönen. Einer, der den elektronischen Underground seit seiner Kinderstube begleitet, ist Torben Schmidt, seines Zeichens Chef von Infacted Records, DJ, Musiker und Veranstalter in Personalunion. Fünf Jahre als Label im schnelllebigen Underground sind bereits eine beträchtliche Biografie. Dein Label konnte sich schnell zu einem der führenden Elektro- und EBMHäuser entwickeln. Bist du mit eurer aktuellen Situation glücklich? Erstmal danke natürlich für das Kompliment, ob wir führend sind, sollen mal andere entscheiden. Aber natürlich hast du ein Stück weit Recht. Die Labellandschaft ist ja leider doch recht überschaubar geworden. Glücklich? Hm, wie definiert man glücklich in Bezug auf ein Label? Fakt ist, dass wir uns in der immer schwieriger werdenden Gesamtsituation der „Szene” recht ordentlich behaupten und platzieren konnten. Nach wie vor ist die Maxime des Labels die, dass ich mache, was mir musikalisch 22

gefällt und mir von niemandem dazwischen pfuschen lasse, natürlich immer ohne dabei den Bezug zu verlieren. Infacted steht für Vielseitigkeit, wir wollen uns nicht nur einer elektronischen Musiksparte zuordnen sondern vielseitig sein. Da wir uns eine solide wirtschaftliche Unabhängigkeit erarbeitet haben, kann man also irgendwie schon von „glücklich” sprechen. Du hast bereits einen langen Zeitraum vor Infacted in der Branche gearbeitet. Was sind im Rückblick die wichtigsten Stationen deiner Karriere? Also sicherlich hat mich meine Arbeit für Music Research/Zoth Ommog damals geprägt. Es war eine prima Zeit, in der man viel gelernt hat, sowohl Positives als auch Negatives. Rückblickend hat ganz klar das Positive überwogen, auch wenn es unschön endete. Gelernt habe ich dadurch jedenfalls, mehr auf mich selbst zu hören und mich vor falschen Freunden in Acht zu nehmen. Ich werde mich sicher auch nie wieder für Leute einsetzen, die einem als Dankeschön das Messer in den Rücken stoßen. Immerhin habe ich durch die Arbeit dort Dennis Ostermann kennengelernt, mit dem ich nach wie vor gut zusammenarbeite und das war´s ja dann irgendwie wert. Wofür steht der Name Infacted? Gute Frage, als ich mein Label gestartet habe, wollte ich einen Namen haben, der einprägsam, zugleich doppeldeutig und inter-

pretierbar ist. Infacted steht für mich für „anstecken” im Sinne von „jemanden infizieren“, sich mit unserer Musik zu beschäftigen, aber auch für „Fakten schaffen”, also nicht immer nur große Reden halten, was möglich wäre, Luftschlösser bauen etc., sondern zu handeln und präsent zu sein. Aber man kann sicher noch viel mehr in den Namen hineininterpretieren. Wieviel Personen arbeiten eigentlich bei Infacted? Also primär bin das Label ich (lacht), also ich bin ein Label, dazu kommen ein Steuerberater, ein Anwalt, ein Grafiker, Mastering Studio, Vertriebe, Mailorder und Promo-Agentur. Ich habe viel nach außerhalb verlagert, um mich auf die wesentlichen Sachen der Labelarbeit konzentrieren zu können. Da muss man Leute haben, auf die man sich 120% verlassen kann und die habe ich! Wie betrachtest du die Zukunft der Branche? Verliert Musik ihren Stellenwert angesichts der rückgängigen Verkaufszahlen?


So merkwürdig sich das anhören mag, aber derzeit habe ich eigentlich nicht wirklich Grund zum Klagen. Die Ve r k a u f s zahlen stimmen, sind sicher nicht mehr so hoch wie „früher”, aber wir haben in der Szene doch eine wirklich hohe Anzahl von echten Fans, die die Arbeit ihrer Bands und der Labels zu schätzen wissen (natürlich gibt es Ausnahmen), das haben wir anderen Musikbereichen voraus. Das legale Downloadaufkommen wächst auch von Quartal zu Quartal und besonders im Ausland tut sich derzeit Einiges im Bereich Lizenzen und Vertrieb. Sicher bin ich nicht der glühendste Optimist, was die Entwicklung des Musikmarktes angeht, aber ich denke, die Labels haben es ein Stück weit selbst in der Hand, was sie ihren Fans so anbieten. Wir legen immens viel Wert auf gutes Artwork, Livepräsenz unserer Bands und der Club ist nach wie vor ein großer Schlüssel für den Erfolg unserer Bands. Was sind die Schwerpunkte der zukünftigen Labelarbeit? Gibt es interessante Neusignings? Derzeit entwickeln sich einige Künstler sehr gut, da sind beispielsweise Frozen Plasma, Reaper, Heimataerde, Iris, Michigan, Conetik, Obscenity Trial oder Menticide, die alle als No-Names begonnen haben und mittlerweile etabliert sind, oder auf dem besten Wege dazu. Dann natürlich Namen wie Grendel (die das bisher erfolgreichste Album der Bandgeschichte bei uns veröffentlich haben), Soman oder Orange Sector, die ihren Weg gehen. Neusignings, ja, natürlich

Releases 2007 Menticide - N.M.E. Suicidal Romance - Love Beyond reach Orange Sector - Profound Grendel - Harsh Generation norm. edition Soman - Mask Obscenity Trial - Daydream EP Grendel - Harsh Generation Ltd. Syrian - Alien Nation Liquid Divine - Black Box Various Artists - Electro Lounge Volume One Modulate - Skullf**k EP Reaper - Hell starts with an H

2006 Babylonia - Later Tonight V.2.0 Orange Sector - Bassprodukt V.A. - Infact1on Vol. 1 Tom Wax - A New Life Militant Cheerleaders on the Move - Strike One PreEmptive Strike 0.1. - Lethal Defense Systems Frozen Plasma - Artificial Heimataerde - Unter der Linden V.A. - Infactious Volume 2 Orange Sector - Für immer kalt wie Stahl V.A. - Infacted Vol. 3 Frozen Plasma - Irony (ltd. MCD)

Obscenity Trial - Here and Now Heimataerde - Kadavergehorsam Tom Wax - Waxworx - Collaborations & Remixes Nvmph - Diod Man Frozen Plasma - Irony (ltd. 12” Vinyl) Frozen Plasma - Emphasize Conetik - Kube Musik V.A. - Infaction Volume 2 Les Anges de la Nuit - Under God´s Name

2005 Syrian - Enforcer E.P Les Anges de la Nuit - Ruins of Victory NamNamBulu - Alone Heimataerde - Gotteskrieger Syrian - Kosmonauta Orange Sector - Here we are [back again] Liquid Divine - Interface NamNamBulu - Blinded! V.A. - Infacted Vol. 2 Conetik - Carbon Electriq Soman - Unleash Michigan - Ultimate Sky (german version) State of the Union - Black City Lights 2.0. V.A. - Infactious Reaper - Angst E.P. Iris - Wrath Endanger - Eternalizer V.2. XP8 - Hrs:Min:Sec Portland - The Eyes of a stranger Frozen Plasma - Hypocrite

die gibt es, sogar sehr interessante, aber da möchte ich noch nicht allzu viel verraten, weil derzeit einige Verhandlungen laufen, oder die Tinte unter den Verträgen noch nicht mal trocken ist. Neben deinen Labelaktivitäten widmest du auch noch einen Teil deiner Zeit der Band Light of Euphoria, seit sieben Jahren der Tätigkeit als Livekeyboarder bei Suicide Commando, sowie deiner Tätigkeit als DJ und Veranstalter. Kommt bei diesem Arbeitspensum nicht zwangsläufig irgend etwas zu kurz? Derzeit leidet meine eigene Band LOE tatsächlich leider etwas unter der „Mehrfachbelastung”, aber das wird auch wieder besser, versprochen. Ansonsten lassen sich die

Muscle and Hate - A Tribute to Nitzer Ebb Retractor - Edge of Incision Iris - Disconnect

2004 Iris - Unknow (* DJ ONLY!) The Azoic - Forward + Conflict NamNamBulu - Expansion The Azoic - Illuminate Monofader - Frost Vox Celesta - Mandorla State of the Union - Timerunner State of the Union - Inpendum V.A. - Infacted Vol. 1 Syrian - De-Synchronized V.A. - Synthetic Pleasures Vol. 1 Blind Faith And Envy - The Charming Factor Endanger - Addicted to the Masses V.A. - deCODEr V.2. Heimataerde - Ich hab die nacht getraeumet The Echoing Green - The Winter of Our Discontent

2003 NamNamBulu - Memories ( DJ ONLY!) NamNamBulu - Distances Lights of Euphoria - Querschnitt Endanger - Motion:Reloaded NamNamBulu / Lights of Euphoria - Split 7” Iris - Awakening

genannten Tätigkeiten durch gute Agenturen doch prima unter einen Hut bekommen/lenken, haben ja auch irgendwie alle etwas miteinander zu tun. Suicide Commando ist so etwas wie Ausgleich in der Freizeit und macht mir irre viel Spaß, mit Johan und unserer ganzen Crew unterwegs zu sein. Meine DJ- und Veranstaltertätigkeit ist z. B. ein ideales Tool am Puls der Clubszene zu bleiben und immer ein offenes Ohr für Trends und Entwicklungen zu haben. ert re l Webseite: www.infacted-recordings.de Forum: www.infacted-recordings.de/ phpBB/index.php Shop: stores.ebay.de/infacted-recordings 23


La Nuit Obscure TOTGEKLAGTE LEBEN LÄNGER

Lange sah es aus, als ob die traditionell vernachlässigte Region Oberfranken ihr schwarzes Mekka verlieren könnte. Der Angstschweiß stand so gut wie jedem fränkischen Goten auf der weiß geschminkten Stirn, galten für viele doch die Zapfendorfer Nächte als ihr persönlicher schwarzer Initiationsritus. Mit noch viel mehr Schweiß haben Uli und Tom – das Herz und die Seele des Topacts – ihre Hochburg retten können und versprechen mit einem neuen Programm eine formidable Auferstehung aus Ruinen. Die Gerüchteküche hat ja einiges zutage gefördert. Sind jetzt alle Probleme und Nachbarn beseitigt? Die Nachbarn leben noch, sie sind nett und tolerant, wie immer und der eine, dem es zu laut war, bekommt seinen Schallschutz. Ja, hurra, in letzter Minute eröffnete sich eine Möglichkeit, mit einem erschwinglicheren, neuen Verfahren das Dach des Top Act Zapfendorf zu isolieren. Bis dato scheiterte das an den immensen Kosten. Wir haben uns mit dem Vermieter über deren Verteilung geeinigt und können jetzt sagen: Die Obscuren Nächte sind auferstanden! Zapfendorf ist über ein Jahrzehnt weit über die Grenzen Oberfrankens zu einer Szenehochburg herangewachsen. Wie erklärt man sich das bei dieser abseitigen Lage? Stimmt. Das Top Act ist wie ein Las Vegas in Oberfranken. Der Dark Wave Club inmitten der katholischen Wüste. Aus Zapfendorf sind vielleicht fünf Leute und der Rest fährt zuweilen dreistellige Kilometer. Wir haben zu einer Zeit angefangen, als es noch nicht an jeder Ecke einen Club gab, der ein bisschen Gothic machte. Und selbst jetzt, da jeder vom angeblichen Hype profitieren will, ziehen wir einfach unser Ding durch, mit Leib und Seele. Wir wollen immer noch eine freie, 24

selbstbestimmende, alternative Kultur machen und das eben professionell, nicht kommerziell. Das wird sehr oft verwechselt. Gerade die La Nuit Obscure, Göttertanz und Sexbeat sind die institutionellen Events der fränkischen Region. Wird es diese Partys weiterhin geben? „Never touch a running system.” Im Wesentlichen bleiben diese erfolgreichen Partys so, wie sie sind. Wir werden sie etwas optimieren. Der Göttertanz hat bereits auf www.goettertanz. de ein neues Gesicht bekommen. Dort wird in Zukunft verstärkt über musikalische, spirituelle und mythologische Hintergründe dieser Zusammenkunft informiert. Gibt es bereits neue Partykonzepte oder DJs? Eine wesentliche Änderung ist, dass wir die Minimal- Electronic verstärken in unserem

doch bunten musikalischen Cocktail. Außerdem wird der Electroindustrial wieder eine eigene Party bekommen und mein langjähriger DJ-Partner Markus S. auf den vierten Samstag umziehen. Das Top Act Team sucht aber immer noch Frischfleisch. Junge, engagierte Leute, die sich gern für eine Sache aufarbeiten wollen. Steht für auswärtige Gäste weiterhin die Nachbarpension zu Verfügung? Natürlich. Die Gastfreundschaft unseres Nachbargasthofs bleibt unseren Gästen ebenso erhalten, wie den auftretenden Künstlern, die das Zimmer in Kriechweite immer schon sehr toll fanden. Dieser doch familiäre Aspekt trägt nicht unwesentlich zur einzigartigen Atmosphäre der Obscuren Nächte bei. Werdet Ihr auch in Zukunft Bands in das fränkische Niemandsland einladen? Klar. Das Top Act Publikum ist auf dem neuen

Combichrist-Video zu sehen und bei einigen Liveaufnahmen von ASP zu hören. Omnia wollen unbedingt wiederkommen und Faun wohnen ja schon fast im Top Act! Diary Of Dreams haben die letzten beiden Tourneen bei uns in Zapfendorf gestartet. Ohne uns geht also nichts. Der Club ist in Musikerkreisen Kult, auch wenn die Besucherzahlen bei Livekonzerten manchmal schwer abschätzbar sind – auch im Positiven, wie wir es bei Combichrist, Qntal, Umbra Et Imago, Eisregen und vielen andere Acts erleben durften. Du hast deinen Hauptsitz nach Berlin verlegt. Wurde es dir in Oberfranken doch zu eng? Ja, insbesondere Bayreuth wurde nach 15 Jahren Kulturkampf zu einem Mühlstein. Ich habe dennoch viel erreicht und zumeist gute Erinnerungen an eine sehr intensive Zeit. Dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit uLI, der vor Ort die Geschicke im Top Act leitet, konnte ich meiner Freundin in die Hauptstadt folgen. Berlin gibt mir unendlich viel und das kommt auch meiner Arbeit für das Top Act zu Gute, denn Programmgestaltung ist ja ein kreativer Job. Und hier ist auch der Stoff, aus dem meine Geschichten entstehen.


Was macht die Schreiberei und das eigene Musizieren? Mein Pamphlet „Ich war ein Grufti” ist ein voller Erfolg und ich bin drauf und dran, damit so etwas wie ein Szene-Autor zu werden. Aber das Schreiben mit all den anderen Dingen unter einen Hut zu bringen, ist sehr schwer, denn es braucht Zeit. Dieses Jahr wird dennoch die obskure Geschichtensammlung „Morbus Dei“ herauskommen. Und da ist ja auch noch subHUMAN. Unser neues Industrial Dance Album ist dreiviertel fertig und wartet auf seine Vollendung. Zu alldem habe ich nun mit Hörbuchproduktionen angefangen. Wie war dein Gastauftritt auf dem WGT? Großartig. Die Agra tobte und tanzte. Das war ein tolles Gefühl. Auch die Lesung im Cinestar war sehr gut besucht, obwohl zu Beginn des Festivals viele gerade erst anreisten. Die Betreuung hinter den Kulissen war aber ziemlich bescheiden. Ich habe mich in meinem Blog auf myspace.com/manegold ausführlich darüber ausgelassen und möchte diese Vorwürfe ausdrücklich nicht personalisieren, da ich weiß, wie schwer ein Event zu organisieren ist. Aber am WGT ist einiges ändernswert und es besteht dringender Handlungsbedarf, sonst hat die schwarze Gemeinde bald ein Festival weniger. Schlusswort? Nicht ganz uneigennützig rufe ich die Szene zu Geschlossenheit und zu Toleranz untereinander auf. Die Obscuren Nächte sind genau von diesem Aspekt abhängig, von ein bisschen Feuer, Patriotismus und Zusammenhalt. Denn ihr seit die Obscuren Nächte, nicht ich alter Mann, der nicht erwachsen werden will. Ich habe von Wien bis Hannover sehr viel Szene mitbekommen und selbst im überfüllten, satten Berlin nicht mal ansatzweise etwas entdecken können, was an die Obscuren Nächte herankommt. ert re l www.lanuitobscure.de www.manegold.de 25


TIKWAS KLEINE GRUFTSCHLAMPE Verdammt und Spaß dabei Bereits zwei Comicbände, unzählige Comicstrips im Zillo und NEGAtief, Liveauftritte und SM-Performances: Trotzdem ist die Gruftschlampe für einen Vampir noch ziemlich jung und ihr Alter Ego und Schöpfer Tikwa sprudelt nur so vor vampiralen Ideen und Visionen. Der dritte Band der Gruftschlampensaga entwickelt den beliebten Charakter weit über den bisherigen Umfang hinaus zu einer biografischen Persönlichkeit. Tikwa spendiert ihr und ihrem Gefolge jetzt sogar den Aufstieg zum Rockstar. Die Gruftschlampe ist bald zehn Jahre alt. Im Comiczeitalter ist das schon ein beachtliches Alter, als Vampir eher noch die Kinderstube. War dir

von Anfang an klar, dass sich dieser Charakter weiterentwickeln würde? Im neuen Band feiert Vampiri eigentlich schon ihren 230. Geburtstag. Sie entwächst gerade ihrer vampirellen Fabelwesen-Pubertät und erlebt nun ihre Reifezeremonie. Die Serie selber entwickelt sich natürlich weiter und wird immer komplexer. Ich kann das gar nicht anders. In meinem Kopf erleben die Figuren jeden Tag neue Abenteuer. Die Comicerzählungen sind nur die Quintessenz dessen. Würde das Comiczeichnen schneller gehen, hätte ich schon viel mehr Abenteuer mit der unheiligen Bande aus der kleinen Gruft aufgezeichnet. Wieviel steckt in der Gruftschlampe von dir selbst? Oder sind das alles eher fantastische Projektionen einer Turbofrau gepaart mit deiner eigenen Sexgöttin? Ich liebe diese unheilige Eleganz und boshafte Verderbtheit von Gothic und Fetishgirls. Das ist mein Fetisch. Und wenn ich schon jahrelang an einer Comicserie arbeite, dann doch an einer, in der ich jeden Tag meine dunklen Traumgirls ins Papier ritzen kann. Aber auch die anderen Figuren verkörpern Teile meines Egos. Engeli meine Naivität und Tollpatschigkeit, Ludwig meine Leidenschaft und Eitelkeit und Teufli meinen Hang zu riskanten Abenteuern und pervers guten Sex. Die SM- und Gothicszene scheint dich maßgeblich zu beeinflussen. Bewegst du dich auch in diesen Kreisen?

„Bram Stokers Dracula war ja schon nichts mehr als ein verkappter Porno-Roman.“ 26

Na klar. Ich lebe und atme diese Subkultur. Seit den Achtzigern. Damals war ich noch Plattenverkäufer und DJ. Ich legte als einer der ersten Sachen wie Skinny Puppy, Front 242 und Klinik auf. Nicht weil es schon eine Szene dazu gab, sondern weil ich mich in den Sound damals einfach verliebt hatte. Fetish und SM lernte ich zuerst im privaten Kreis kennen. Für die Gothicszene gab ich dann ab 1997 erste „Go-

thic meets SM”-Partys. Die berüchtigten Black Obsessions im Frankfurter Raum. Ich glaube, dort haben wir eine menge reiner Herzen versaut. Was macht das Vampirklischee nach so vielen Filmen, Romanen und Erzählungen noch immer lebendig? Was versinnbildlicht für dich der Vampir? Lust. Unser ewiger Lebensantrieb. Bram Stokers Dracula war ja schon nichts mehr als ein verkappter Porno-Roman. Die Ur-Vampire, die es davor gab, faszinieren uns nicht so, weil sie eher wie ekliges und rattiges Ungeziefer beschrieben werden. Wenn dann aber ein blondgelockter Lestat aus dem Nachtnebel


auftaucht und ein scheues Mädchen mit seinen faszinierend funkelnden Augen hypnotisiert, ihren Widerstand bricht, um sich dann tief in ihr Fleisch zu bohren, dann werden doch die geheimsten Wünsche erfüllt. Lust, Sex, Vernichtung. Die Gruftschlampe ist in deinem neuen Bildband mittlerweile ein Rockstar geworden. Arbeitet dein Fleisch gewordenes Double auch an der eigenen Rockkarriere? Ja. Ich will Vampiri musikalisch auf die Bühne bringen. Ich habe da eine Vision. Das ganze soll eine Art gotisches Rockmusical-Theater werden, an dem sich auch viele Music-Stars aus der Gothicszene beteiligen sollen. Ist ein neues Experiment und ich habe keine Ahnung, ob das alles wirklich so funktioniert, aber die ersten Proben sahen schon sehr cool aus. Ich selber arbeite auch an einem eigenen neuen Musik-Album. Die zwei ersten DemoSongs „Vater im Himmel“ und „RacheTod“ könnt ihr auf meiner Webpage www.tikwacomics.de downloaden.

sich mal nicht an Bram Stoker oder Anne Rice anlehnt, sondern einen ganz eigenen faszinierenden, geheimnisvollen Kosmos darstellt.

inzwischen auch am PC fertig. Es ist so besser für meine Verlage, die das alles bestmöglich abdrucken wollen. Ich trauere meinem Aquarellkasten aber schon nach.

Wie wird sich die Liveshow der Gruftschlampe entwickeln? Hast du eine neue Liveperformance geplant? Die neue Show ist in Arbeit und wird ab nächstes Jahr aufgeführt. Ihr Titel lautet „Mörderherz” wie das neue Buch. Was da genau passieren wird, kann ich noch nicht sagen. Bis dahin lege ich aber ab Herbst wieder regelmäßig als DJ auf. „Tikwas kleine Gruft” ist eine postmoderne Gothic/Fetish-Party und wird wieder in verschiedenen Nachtclubs abgefeiert. Wer auch so eine kleine Gruft in seinem Club will, sollte mich und meine Girls auf meiner Webpage schnell buchen.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben? Gibt es Vorbilder in der Comicbranche? Ich liebe Zeichner wie Moebius, Manara, Miller und Otomo aber mein Stil ist einfach der Tikwa-Stil. Ich folge keinen Vorbildern, das habe ich schon als Kind schnell abgelegt. Ich finde es schade, dass es hierzulande nur wenige Zeichner gibt, die einen eigenen Stil verfolgen wollen. Es werden immer nur gängige Trends aus anderen Kulturen kopiert. Zu viel Manga, zu viel Frankobelgisch, zu viel Marvel.

Wie stehst du zu dem langjährigen Mangaboom aus Fernost? Mangas sind tolle Bilderwerke. Sie sind klasse gezeichnet und erzählen wunderbare Geschichten. Allerdings Arbeitest du mit bin ich froh, dass es „Ich beneide Japan um seine dem Computer noch Alan Moore hohe Comickultur, Deutschland auch oder bist du strikund Frank Miller Coter Verfechter der ist leider ein Comichasserland.“ mics gibt. Ich war Handarbeit? damals zu Gast beim Meine Grundlagen habe ich gelernt, bevor es Carlsen Verlag, als Joachim Kaps mir sein PCs gab. Ich liebe es, mit Pinsel, Kreide und neuestes Ding präsentierte: „Dragon Ball”. nasser Farbe zu arbeiten. Das ist soviel kre- Seine Idee, japanische Comics zu importieren ativer. PCs machen es einem zu einfach. So und sie dann auch in japanischer Leserichtung killt man schnell sein inneres Feuer, das ei- zu produzieren war da noch ganz neu. Und gentlich erst aus Entbehrung und Begrenzung schlug wenige Wochen später ein wie eine entwächst. Aber dennoch: Nachdem ich alles Bombe ein. Das war auch nötig, da die Comicper Hand gezeichnet habe, färbe ich die Strips branche hierzulande auf dem Boden lag. Ich

Zum ersten Mal erzählst du eine komplette Story anstelle kurzer Slapsticks. War es einfach Zeit für eine größere Dramaturgie? Die Saga der kleinen Gruftschlampe ist an sich ein sehr komplexes Universum. Die witzigen Kurzstrips sollen nur zum Einstieg dienen. Ich arbeite sehr stark daran, den Figuren der Serie eine tiefe Charakterbildung zu geben. Nur so werden sie richtig lebendig. Mein Grundgedanke war es immer, eine eigene Mythologie um verlorene Vampirseelen zu erfinden, die 27


beneide Japan um seine hohe Comickultur, Deutschland ist leider ein Comichasserland. Du bist hauptberuflich Zeichner. Welche anderen Charaktere hast du entwickelt? In welchen Publikationen erscheinen diese? Ich mache das ja nun schon eine Ewigkeit und weiß gar nicht mehr, was ich so alles entworfen habe. Es sind aber schon bestimmt um die hundert Charaktere. Selbst mein Name Tikwa wurde von meinem ersten FantasyromanHelden „Tikwa Felspirat” abgeleitet. Meine bekanntesten Serien sind „Space-Rat”, ein Sci-

Fi Comics um eine kleine fiese, sadistische Weltraumratte. Die Serie wurde in den bekanntesten Computermagazinen abgedruckt und landete auch im Fernsehen bei Giga Games. Dann gibt es noch „Moderne Zeiten”, ein Lifestyle-Comic das zum Beispiel auf Spiegel Online, Web.de und auf Yahoo.de läuft. Dann sind da noch meine Kindercomics. Das neueste heißt „Anime Kids” und wird von Nintendo und dem Magazin „Kids Zone” veröffentlicht. Ein erstes Buch dazu kommt nächstes Jahr bei Tokyopop raus. Schließlich arbeite ich momentan an der gotischen Artworkserie „Tikwas Night Angels”, in der ich Mädchen aus der Szene mit meinem magischen Stift zu Fabelwesen verwandele. Ich suche dafür übrigens immer wieder neue Models. Bewerben könnt ihr euch auf meiner Homepage. Wie verlief deine Entwicklung? Seit wann zeichnest du? Ich zeichne, seit ich

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laufen kann. Mein Vater hat es mir beigebracht, denn er war selber ein Comiczeichner und hat sich mit gemalten Fabelgeschichten als „Arno Arnold” im Zweiten Weltkrieg Essensmarken verdient. Als ich dann 1988 meinen ersten Scheck für mein erstes veröffentlichtes Comic bekam, schmiss ich alles hin und wurde hauptberuflich Comiczeichner. Das führte erstmal dazu, dass ich jahrelang ohne Strom, Heizung und Telefon leben musste. War mir aber egal, ich konnte nicht anders. Ich musste meine Welten und Gedanken aufzeichnen, im Papier ausleben, mich dafür selbst zerstören. Egal, ob das nun einer lesen will, oder nicht. Ich glaube, ich erzähle meine Geschichten einfach für mich selber. Ich lebe in meiner Welt. Dass das alles so verdammt gut ankommt, verwundert und begeistert mich immer wieder. Ich liebe euch dafür. Was würdest du jungen Zeichnern auf den Weg mitgeben? Vollkommen egal, ob euch einer will oder nicht, zeichnet weiter! Wenn ihr es wirklich wollt, scha ihr es. Aber dazu müsst ihr genau einen Strich mehr machen, als alle die, die es nicht gescha haben. So hab ich das gelernt. So bin ich geworden, was ich bin. Und denkt immer dran: Es gibt nichts cooleres, als ein Comickünstler zu sein! mariu mar www.tikwacomics.de


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der letzten Hexen behandeln, was aber leider keine Sage, sondern die nackte und schockierende Wahrheit ist!

Liechtensteiner Sagenwelten Je lauter der technische Fortschritt den Marschbefehl in eine vermeintlich unbeschwerte Zukunft ruft, umso schwächer der Widerhall der Zauber- und Fabelwesen, deren Abbilder nur noch in der nebelhaften Unschärfe der Mythen und Sagenwelten zu existieren scheinen. Eine der wenigen DarkWave-Bands, die sich inhaltlich seit fünf Alben ausnahmslos jener fernen und träumerischen Welten bedient, ist die Formation Weltenbrand aus dem kleinen Stadtstaat Liechtenstein. Auch das neue Album „The End of the Wizard“ macht da keinen Unterschied und betört mit der Welt entschwundener Klänge ferner Äonen. „The End of the Wizard” verspricht eine bezaubernde Reise in die mythische Welt Liechtensteins, mit ihren unzähligen Legenden und Sagen. Welche sind das? Hat das kleine Liechtenstein einen so reichen Schatz an Legenden? Dina: Auf den bisherigen fünf Alben wurden wirklich ausschließlich Sagen aus dem „Liechtensteiner Sagenbuch” von Dr. Otto Seger verwendet und ins Englische übersetzt. Ich war selber überrascht, als ich den Umfang an Liechtensteiner Sagen gesehen habe! Und auch nach fünf Alben sind tatsächlich noch ein paar davon übrig, die Weltenbrand noch nicht verwendet hat. Wir werden ebenfalls die Hinrichtung einer 30

Wie ist der Stand in Liechtenstein für eine Gothicband? Ihr seid bestimmt die einzige. Gibt es Clubs und eine Szene? Von einer Gothicszene ist leider weit und breit noch keine Spur. Musikszene allgemein gibt es, aber eine Kunst wird leider immer noch als „nichts Handfestes” gesehen und auch so behandelt. Neben Weltenbrand haben Olli und ich aber noch ein weiteres Düsterprojekt namens Erben der Schöpfung, das wir wieder am Au auen sind. Clubs und Szene gibt es leider auch nur vereinzelt in der Schweiz. Divus Modus ist da einer der führenden Veranstalter, der auch außer Haus geht und mit verschiedenen Lokalitäten arbeitet. Ist der Titel „The End of the Wizard” auch ein Gleichnis für die moderne technisierte Welt von heute? Kein Platz mehr für Zauberer? Ist die Wissenschaft die Zauberei von heute? In der Sage, die in diesem Stück behandelt wird, geht es eigentlich um Betrug. Ein Holzfäller versucht den Teufel übers Ohr zu hauen und rechnet nicht mit dessen Macht. Der Holzfäller wart darauf nie mehr gesehen. Im übertragenden Sinne wird Zauber und die Ebene der Gefühle und des Übersinnlichen laufend übergangen. Für Gefühle ist kein Platz mehr, der Kopf oder sogar die Technik entscheidet, wo früher das Bauchgefühl, der siebte Sinn oder der Instinkt entschieden hat. Gier siegt heutzutage ganz klar über Bescheidenheit. Genau so


wie der Zauber geht auch das Gefühl für unsere natürliche Umgebung immer mehr verloren. Das heißt nicht, dass ich glaube, dass Natur und Technik nicht nebeneinander bestehen können, aber man darf das eine nicht neben dem anderen vergessen. Auf Technik können wir verzichten, aber auf die Natur nicht!

the Wizard” freie Hand über die weiblichen Gesanglinien gewährt hat, haben wir bemerkt, dass ich Ollis Musik voll und ganz verstehe und mich hineinfühlen kann. Er hat mich ermutigt, selber zu komponieren, was völliges Neuland war für mich. Aber dadurch habe ich in kürzester Zeit sehr viel gelernt. Wenn Olli irgendwo nicht mehr weiter kommt, setzte ich mich hin und arrangiere seine Sachen fertig, oder mixe sie mit eigenen Kompositionen. Und umgekehrt.

Der Weltenbrand ist die vierstufige Ragnarök der nordischen Mythologie. Wo befinden wir uns gerade? Meines Erachtens nicht Zu Ritchie und Dina ist mehr weit weg von der „Genau so wie der Zauber jetzt Manja als zusätzEndstufe! Wir sollten uns liche Sängerin getreten. geht auch das Gefühl wirklich etwas einfallen Was kann man von dem lassen, aber dieses Mal gesanglichen Triumvirat für unsere natürliche vielleicht etwas, dass weerwarten? Umgebung immer mehr niger selbstsüchtig ist. Dazu muss ich sagen, verloren.“ Vielleicht sollten wir aufdass das nächste Album hören, immer mehr zu ohne Ritchie aufgenomwollen! Es sollte uns bewusst sein, dass die men wird. Leider haben sein Engagement Welt uns nicht braucht und dass sie sich jeder- und die Liebe zum Projekt in den letzten zwei zeit einfach reinigen kann. Es ist das Natür- Jahren derart nachgelassen, dass das Ganze lichste überhaupt, dass etwas, das Störungen untragbar geworden ist. Manja und ich beverursacht, entfernt wird. Und im Moment mühen uns aber sehr, Weltenbrand weiterhin stören wir die Erde! zu beleben an der Front! Zwischen uns hat’s auf Anhieb gefunkt und wir haben schon taEuer Sound ist eine breitangelegte Vision gelang die Köpfe zusammen gesteckt, um zwischen sakral-sinfonischer Klangdich- mit neuen Ideen aufzuwarten. Ich freue mich tung und der Dark Wave Tradition. Wie schon mit ihr zu performen. Den Hang zum würdet ihr eure Nische definieren? Fühlt ihr Theatralischen und Dramatischen können wir euch mit dem Titel Gothicband wohl? jetzt voll ausleben, da wir beide Musical- und Der Titel Gothicband wurde uns gegeben. Theatererfahrung haben, was auch perfekt zu Weltenbrand ist sehr schwer zu definieren. den Lyrics passt. Trotzdem soll es nicht aufAber da es manchen leichter fällt, sich auf uns gesetzt sondern authentisch wirken – ja, wir einzulassen, wenn sie eine Definition haben, sind beide gerne dramatisch. bezeichnen wir uns sehr gerne als düstere Perfekt ist auch, dass wir uns in den Höhen Filmmusik mit Gesang oder als Neoklassik ergänzen. Außerdem spielen wir mit dem GeDark Wave Band. Klar gehören wir damit in danken bei einem Song noch Christina, Sänden Grundgedanken der Gothicszene und gerin von Die Verbannten Kinder Evas, hinda fühlen wir uns auch wohl, aber wir haben zuzuziehen, die noch eine dritte einzigartige ebenfalls sehr viele Mittelalter- oder Klassik- Stimmfärbung mitbringt. Mal sehen, was uns und eben Filmmusikfans. alles einfällt. Wie entstehen die Songs? Patchworkarbeit, Teamarbeit oder klare Vision von Anfang an? Bisher hat Olli alles im Alleingang komponiert. Seit dem großen Memberwechsel in 2005 haben sich aber neue Möglichkeiten aufgetan. Dadurch, dass mir Olli bei „The End of

es eigentlich genau dasselbe, aber ich hole mir das Gefühl eher bei Filmsoundtracks als bei Black Metal und ich lasse mich von unseren Kompositionen „aufstacheln”, werde also während dem Komponieren und Arrangieren wieder inspiriert. Gegründet im Jahre 1995 habt ihr die Szene lang begleitet. Was hat sich für euch verändert? Was ist geblieben? Ollis Erfahrung ist, dass Kunst immer mehr zur Ware degradiert wird. Die liebe zur Musik als Kunst ist aber bei ihm immer geblieben! Jedes Stück ist ein Teil von ihm und ein Teil seiner Lebensgeschichte. Deshalb schmerzt es manchmal zu sehen, wie schnelllebig das Business geworden ist. Aber die lange Lebensdauer von Weltenbrand bestätigt, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind und dass es noch Leute gibt, die Kunst der Ware vorziehen! Es ist wahnsinnig schön zu hören, dass Weltenbrand für einige Leute zu einem Art Begleiter im Leben geworden ist. Es ist das schönste aller Komplimente, wenn man erfährt, dass man einem Menschen mit seiner Musik geholfen hat. An der Stelle möchte ich allen, die Weltenbrand all die Jahre unterstützt haben von Herzen danken! Ihr macht es wert, weiter zu machen! ele t www.weltenbrand.li

Nach mittlerweile fünf Alben und einem unverwechselbaren Stil: Gibt es noch Bands, die euch inspirieren können? Eventuell irgendwelche Soundtracks? Olli lässt sich abstrakterweise sehr viel von Black Metal inspirieren, hat aber keine Einflüsse oder Vorbilder jeglicher Art. Bei mir ist 31


orange sector Bereits vor einem Jahr sorgte man für kräftigen Wirbel auf den Tanzflächen der Republik. Harte, schnörkellose Beats, verpackt in der klaren Message „Bassprodukt“ gaben der wiedererstarkten EBM-Szene einen kräftigen Ruck zurück ins Rampenlicht. Die Altmeister der elektronischen Körperkultur besinnen sich auch auf „Profound“ ihrer alten Tugenden der frühen 90er und liefern einen kantigen und durchweg tanzbaren Nachfolger ab. Nach subtilen Sounds und dem allgemeinen Wohlklang sucht man hier vergeblich, denn die minimalistischen Beats fungieren gerade mal als Gerüst für die geschrienen Verbalattacken des Drillinstructors. Das kommt der Tanzflächentauglichkeit zugute und die Message bleibt trotzdem nicht auf der Strecke, denn die Parolen haben so manche versteckte Botschaft parat. Seit eurem „Bassprodukt” hat EBM aus deutschen Landen wieder ein großes Comeback gefeiert. Wie erklärt ihr euch überhaupt das lange Schattendasein des EBM nach den frühen 90ern? Martin: Gegenüber anderen Elektroversuchen ist EBM ein ausdrucksvoller und dabei extrem tanzbarer Musikstil. Er besitzt einen Kultstatus über mehrere Generationen. Die harten Beats und auch die deutschen Texte haben einen hohen Wiedererkennungswert. Die Fans sind heiß darauf und sie sorgen dafür, dass er nicht ausstirbt. Sie verwandeln Konzerte in wahre Tanzflächenkriege! Bevor wir uns der Gegenwart widmen, ein kurzer Blick in die Vergangenheit. Ihr nahmt euren Anfang im sagenumwobenen Index Hannovers, das auch so einige andere Vertreter der Szene gerne zitieren. Was vermisst ihr aus dieser Zeit, wenn ihr euch heute in der Szene bewegt? Lars: Eigentlich bin ich ein Mensch, der nicht zurückblickt. Die Zeit damals war toll, aber im Laufe der Zeit verändert sich alles. In unserer Heimatstadt Hannover ist eine Szene ei32

arbeiten „feiner“ und „besser“ als früher, aber haben genauso viel Spaß dabei, sonst würden wir es auch nicht mehr tun. Wir empfinden die Dinge heute intensiver und ganz anders als früher, ohne den Spaß dabei verloren zu haben.

„EBM Konzerte sind wahre

gentlich nicht wirklich Tanzflächenkriege.“ Euer Promofoto zeigt vorhanden. Wir selbst euch beim Armdrütragen auch nicht mehr dieselben Klamotten wie vor 15 Jahren. Von cken. Entspricht das eurer Arbeitsweise? daher vermisse ich nicht wirklich etwas. Au- Martin: Nein, wir harmonieren alle sehr posißerdem haben die Oldschooler bei unseren tiv miteinander. Wir haben um Orange Sector Shows auch nichts vermissen lassen. Es war ein ganzes Projekt aufgebaut. Musik, Texte, Fotos, Cover, Merchandising, etc. – alles wird wie eine Zeitreise. im Team besprochen und bearbeitet. Das ProWas ist aus der frühen Zusammenarbeit mit dem X marks the Pedmark Produzenten geworden? Gibt es noch Kontakte zu anderen aus der Zoth Ommog Zeit? Martin: Leider gibt es keine Zusammenarbeit mehr mit Sevren Ni-arb. Er ist musikalisch und charakterlich eine Granate. Er hat sich zurückgezogen und kümmert sich um Beruf und Familie. Der einzige Vorteil daran ist, dass wir dadurch eigenständiger klingen und unser eigentliches Vorhaben anders verwirklichen können. Wir haben noch Kontakt zu den Armageddon Dildos, mit denen wir am 06. Oktober im Kölner Yard-Club ein Oldschoolkonzert geben werden. Euer deutschsprachiger Ausflug scheint wieder vermehrt den englischen Vocals zu weichen. Was steckt hinter dieser Kurskorrektur? Martin: Da wir schon immer deutsche und englische Texte auf unseren Alben verwendet haben, kann man nicht von einer Kurskorrektur sprechen. Das einzige rein deutschsprachige Album war das „Bassprodukt“. Manche Lyrics kann man besser in der eigenen Sprache wiedergeben. Was unterscheidet die Arbeit heute zu früher. Tritt die Feinarbeit in den Vordergrund, oder ist der Spaß nach wie vor an erster Stelle? Lars: Interessanter Weise beides, wir


found-Tattoo am Arm von Lars ist echt und hat für ihn eine besondere Bedeutung. Wir hatten keine Lust auf diese typischen Fotos. Provokation und politisch-gesellschaftliche Aussagen waren immer ein Teil von Orange Sector. Ist das nach wie vor so? Lars: Aber sicher, ich empfinde die Texte heute noch deutlicher und offener als früher. Meine Sichtweise hat sich im Laufe der Jahre mit Sicherheit verändert, aber mein Interesse, sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen, ist nach wie vor da. Ich kann über diesen Weg Dinge verarbeiten und verbal mal ordentlich Luft ablassen.

Musikalische Härte ist auch auf dem aktuellen Album der vorherrschende Grundton. Eure Inhalte beziehen sich oft auf den alltäglichen Wahnsinn in den Medien. Aber wie sieht es im inneren von Orange Sector aus? Beschäftigen das einzelne Individuum nicht eher die eigenen Emotionen, die in unserer behüteten Welt nicht zwangsläufig negativer Natur sind? Lars: Natürlich sind die eigenen Emotionen und Probleme die Dinge, die einen als erstes und am intensivsten beschäftigen. Dies ist auf „Profound“ auch zum Ausdruck gekommen. Das Album ist für mich sehr persönlich, da während der Zeit der Aufnahmen einige turbulente Dinge in meinem Leben abgelaufen sind. Die alles drückt sich im Titel, im Artwork und in den Texten aus. Deshalb bin ich auch besonders stolz auf das Album und habe eine ganz andere Bindung zu den Songs. Für mich unser bestes Album. Nun, nach Erscheinen der CD haben sich meine privaten Dinge beruhigt und alles läuft wieder sehr positiv. „Invasion” ist der Boomerang der Natur, die zurückschlägt und sich revanchiert. Sind Visionen dieser Art, dem schlechten Gewissen der Natur gegenüber zu verdanken? Martin: Es ist keine Rache und keine Revanche der Natur, aber es sind viele Dinge, an denen wir selbst Schuld sind. Wir sind dagegen machtlos und leider sind es keine Visionen. Ist „Bibelhammer” eure Retourkutsche für den Hexenhammer der Kirche, der als Leitfaden für den hunderttausendfachen Tod auf dem Scheiterhaufen verantwortlich war? Lars: Der „Bibelhammer“ beschreibt den Umgang vieler Menschen mit der Kirche, der mir regelrecht in’s Gesicht schlägt! Menschen, die sich selbst belügen und meiner Meinung nach alles an Konsequenz vermissen lassen. Ein Problem unserer Gesellschaft, das zu dem Übel dieser Welt beiträgt. Ich kenne Leute, die nie in die Kirche gehen, aber einmal im Jahr, an Weihnachten.

VÖ „Profound“: bereits erhältlich

Warum? Weil das dazugehört? Bullshit! Menschen, die permanent über die Kirche schimpfen, aber in “weiß” heiraten – sorry aber dafür habe ich null Verständnis. „Life’s A Bitch“ steht im englischsprachigen Raum für sämtliche Schicksalsschäge. Was ist eure Interpretation? Lars: Dies ist ein sehr persönlicher Text aus dem Zeitraum, wo es mir echt mies ging. Dieser Satz braucht eigentlich keine Interpretation. Er sagt alles aus, „Das Leben ist ungerecht zu dir…und dann stirbst du”. Na klar kommen immer bessere Zeiten und ich bin auch ein sehr positiver Mensch. Aber es gibt immer wieder Zeiträume, in denen das Schicksal vermehrt zuschlägt. Und in diesen Zeiten kommt die Frage nach dem warum. Und darum: Jetzt Leben!!! Auf dem diesjährigen WGT habt ihr mit Front 242, den Großmeistern des EBM zusammen gespielt. Wie war das Aufeinandertreffen? Martin: Ohne Front 242 sähe die Szene heute nicht so aus, wie sie ist. Kaum eine Band hat diese Musikrichtung so geprägt. Wir sind schon stolz darauf, sie mal näher erlebt zu haben. Die Entwicklung vom netten Mann zur Bühnensau ist bei denen schon sehr extrem. Aber nicht nur Front 242, sondern auch das WGT war für uns ein Erlebnis, für das sich unser Comeback sehr gelohnt hat. ie mar o t www.orange-sector.de 33


Die Dark Area ist der einzige nordhessische Club, in dem wöchentlich freitags und samstags ein regelmäßiges dunkles Musikprogramm geboten wird. Die etwa 250 Gäste fassende, stilvoll mit gotisch anmutenden Torbögen ausgestattete und in dunklen Farben gehaltene Location ist Teil des aus zahlreichen Areas bestehenden, insgesamt 2600 m² großen Veranstaltungskomplexes Nachthallen.

Hier findet am 2. Oktober 2007 auf 2 Bühnen und 2 Party-Floors das vom Dark Area Team initiierte und organisierte Dark Area Festival statt. Dessen Line Up kann sich mit Größen wie Covenant als Headliner und Das Ich als Co-Headliner sowie den Industrial-Formationen Agonoize und This Morn’ Omina sehen lassen. Zusätzlich zur Hauptbühne wird es in der Dark Area einen Live-Auftritt der kultbehafteten Formation Der Fluch zu sehen geben, an den sich eine Goth-Party anschließen wird. Parallel dazu gibt es die gesamte Nacht lang die Möglichkeit, in der Großen Halle der Nachthallen auf die angesagtesten Szene-Hits abzutanzen. Unabhängig davon lockt die Dark Area jeden Freitag mit einem rein elektronischen Abend, bei dem Future-Pop, EBM und Industrial das Hauptaugenmerk der DJs ist. Samstags gibt es einen Mix aus elektronischer Kost und Material aus den Bereichen Darkwave, Gothic-Rock, Mittelalter und Wave-Klassikern.

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Beginn ist jeweils um 21:00 Uhr, der Eintritt kostet 4,- Euro, Studenten, Azubis und Schüler erhalten 50% Ermäßigung. Alle Infos zur Dark Area und allen Sonderveranstaltungen wie dem Goth-Classix-Special „Sleepwalking“, der „Mittelalterlichen Tanznacht“, der „A Tribute To Depeche Mode“ Party und Einzelkonzerten gibt es auf der häufig geupdateten Internetseite des Clubs. marco ch ier www.darkarea-kassel.de www.dark-area-festival.de


Dark Rock vs. Gothic Metal Die Wittener Goth-Metaller luden zum Vorab-Lauschen ihres neuen Albums. NEGAtief folgte dem Ruf nach Bochum, wo neben Erdbeertörtchen und Kaffee eine musikalische Überraschung wartete.

Gesang vielseitiger geworden ist. Die Melodien umspannen nun ein breiteres Tonspektrum, zusätzlich zu den gewohnt tief-monotonen Vocals bedient sich Sänger Dennis Mikus jetzt auch höherer Stimmlagen. GeDie Spannung auf den Sound des vierten Al- schriene Parts wie in „Elysium“ tauchen allerbums war groß. Nachdem das zweite Album dings nicht auf. Ebenso vergebens sucht man „Die Gärten des Herrn“ musikalisch schon die brachialen Gothic-Metal-Gitarrenwände um einiges vielschichtiger und auch härter des Vorgängeralbums. Stattdessen dominieren gewesen war, als das melancholisch-schwere rockige Riffs. In „Wir leben“ treibt die Gitarre Debüt „Eisheilig“, hatte die Band 2006 mit in guter Rockmanier nach vorne, in „Gold“ „Elysium“ noch einen draufgesetzt und mit spielt sie gar eine Melodie, die aus einem Roeinem deutlich brachialeren Sound über- bert-Rodriguez-Film stammen könnte. Dazu zeugt. Bezüglich des Sounds ihres vierten Al- gesellen sich neben den dunklen, typischen bums verkündete Eisheilig dann, es habe sich Eisheilig-Synthies hier und da auch Sounds, erneut „viel getan“. Erschöpft von der Stu- die z. B. an eine Hammond-Orgel erinnern. dioarbeit und sichtlich zufrieden, gewährten Es gibt eine von Klavier und Akustikgitarre uns die Wittener nun einen kleinen Einblick in getragene Ballade („Die dunkelste Stunde“), diese Neuerungen in Gedie mir persönlich zu stalt von vier Songs. poppig ist und zum „Irgendwann liegst du Abschluss noch das Und in der Tat ist einiges grandios mitreißende dann in der Kiste und anders als erwartet. Be„Steht auf“, das von ärgerst dich, dass du an reits im ersten Stück „Wir einem unkonventinichts Spaß gehabt hast.“ onellen Gitarrenriff leben“ fällt auf, dass der

weiter und weiter nach oben geschraubt wird. Regelrecht zu kreiseln fängt der Song an, als im Refrain eine rasante Keyboardmelodie den Karusselleffekt noch potenziert und Mikus’ aufwiegelndes „Steht auf und schreit!“ ertönt. Hier handelt es sich ganz klar um Eisheilig, noch melancholisch aber nicht mehr so schwer. Vorbei die harten Metal-Anleihen, stattdessen rockige Untertöne und organische Sounds. Wie kommt es zu dieser musikalischen Veränderung? Während die Arbeit am Mischpult schon wieder weiter geht, steht zwei Räume entfernt Gitarrist Till Maiwald Rede und Antwort: „Wir haben angefangen, neue Songs zu schreiben und gemerkt, dass sie in eine andere Richtung gehen. Da musst du halt mitgehen, sonst bist du irgendwann nicht mehr authentisch. Wir hören viel unterschiedliche Musik, von Opeth über Kreator bis zu Muse oder Sigur Ros. Irgendwann kriegt man Bock, solche Sounds auszuprobieren. Zu sehen, ob das passt, ob man das mit Eisheilig verbinden kann. Dadurch ergibt sich auch, dass das neue Material in sich komplexer ist.“ Neben der musikalischen Entwicklung fällt auch auf, dass die Texte, so weit man sie in einem Durchlauf erfassen kann, sehr viel lebensbejahender wirken, als von Eisheilig gewohnt. „Ihr seid Lichter dieser Welt!“ heißt es in einem Song, „Ja, ich lebe! Ja, ich fühle noch!“ in einem anderen. Till stimmt zu und resümiert: „Wir haben uns als Menschen weiterentwickelt und das merkt man natürlich auch an den Texten. Sie sind persönlicher geworden. So ein Lied wird nicht die Welt verändern aber es kann Anstöße geben. Vielen Leuten könnte es viel besser gehen, wenn sie nur nicht so gleichgültig wären. Irgendwann liegst du dann in der Kiste und ärgerst dich, dass du an nichts Spaß gehabt hast.“ Am neuen Eisheilig-Album „Auf dem Weg in Deine Welt“ werden sicher so einige Leute Spaß haben. Veröffentlicht wird im Herbst. lar ittrich www.eisheilig.de VÖ „Auf dem Weg in Deine Welt“: 28.09.07 35


Ritter der

s Kokosnus

Vergeistigtes Mittelalter und asketische Ritterlichkeit sind kaum Prädikate, die sich mit dem Mittelalterbild der Truppe um den Hauptmann Feuerschwanz vereinen ließen. Eher schon die Ritter der frivolen Kokosnuss. Und so ist das Mittelalterbild der fränkischen Haudegen von feuchtfröhlicher Natur, auch wenn hier und da das deutsche Sagentum au litzt. So wirkt das mittelalterliche Treiben auf ihrer zweiten CD hemmungsloser als es uns die christlichen Sittenwächter der alten Geschichtsschreibung je zu vermitteln fähig waren. Hauptmann: Wir von Feuerschwanz bemühen uns, das Mittelalter so bunt und lebendig wie möglich darzustellen. In einem (leider noch unveröffentlichten) Liedlein haben wir uns speziell dem Tun und Treiben der christlichen Sittenwächter in Form eines Mönches gewidmet (lacht anzüglich).

Knappe Latte: Aber auch das „Gaudete“ der Bande von Potentia Animi gibt da tolle Erkenntnisse über die Frivolität des Mittelalters. Dem traditionellen Mittelaltersound sagt man vorwiegend pathetische, martialische oder romantische Einschläge nach. Geht euch die permanente Ernsthaftigkeit der Szene auf den Sack? Hauptmann: Überhaupt nicht. Nicht auszudenken, wenn alle so wären wie wir. Knappe Latte: Dann hätten wir ja niemanden mehr, dem wir den Narrenspiegel vorhalten könnten. Hauptmann: Wir sehen uns als Gegenpol zu den bestehenden Mittelalter-Strömungen. Feuerschwanz betont das Närrische und Gauklerische und überzeichnet bewusst. Die Lust am Leben zu verehren: Met und Miezen! Wird man einer Band wie Feuerschwanz mit einer CD überhaupt gerecht? Ist das Livefeeling und der optische Klamauk nicht Teil des Ganzen? Hauptmann: (ganz aufgeregt) Das hast du genau erkannt. Auch bei der Arbeit an „Met und Miezen“ war uns bald die CD nicht lebendig genug. Und so stellten wir uns vor, wenn es im Jahre 1281 einen mittelalterlichen Radiosender Namens „Radio-Ritterrock“ gegeben hätte, wie da wohl die Werbe-Jingles geklungen hätten. „Des Hauptmanns Geiler Haufen“ – Sperren die Mütter unschuldiger junger Gothicgirls ihre Töchter nicht automatisch weg, wenn Ihr euch ankündigt? Oder ist der Name Schall und Rauch? Hauptmann: Oft sind es die Mütter selbst, die das Tanzbein schwingen. Knappe Latte: Dann kommen die Töchter von ganz alleine (lächelt vielsagend). Hauptmann: Das Tolle an unserer Bande ist ja, dass wir für jedes Geschlecht und Alter etwas „Leckeres“

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dabei haben (gestikuliert stolz). Am zeitlosesten ist da natürlich unser Eysye mit der „eisernen Maske“. Knappe Latte: Obwohl oder vielleicht gerade weil seine Lanze am weitesten spritzen kann (lacht giggernd). Nach dem Met gibt es meistens einen furchtbaren Kater. Gibt es für Feuerschwanz auch bedrückende Momente? Macht man dann auch Musik? Hauptmann: Die bedrückendsten Momente sind immer, wenn die Metschänke schließt. Knappe Latte: Oder wenn die Dudelzwerge vor uns da waren (schaut sehr traurig). Hauptmann: Doch nur nach dem „falschen Met“ gibt es einen Kater und Reiherei. Wir als „Verteidiger des wahren Mets“ haben natürlich den Trichter zum garantiert „katerfreien“ Besäufnis gefunden. Knappe Latte: Wir helfen auch gerne allen Ratsuchenden weiter. Schreibt an unsere Säufertochter Ronja, das ist unsere Met- und Schnapsexpertin. Ronja ist die einzige Frau zwischen dem Oberschwanz, dem Mann von der Vögelweide, Lanzeflott und dem Knappen. Nymphoman oder masochistisch veranlagt? Knappe Latte: Sie bläst in jedem Fall wie keine Zweite (lacht sabbernd). Hauptmann: Der riesige Unterschied ist, dass Ronja im Gegensatz zum Vater das Blasen auch fleißig übt (lacht verschmitzt). Aber ein Riesen-Kompliment an Ronja, sie hat sich in einem halben Jahr in die Herzen der Zuschauer gespielt und ist aus dem Haufen nicht mehr wegzudenken. Live sind wir sogar besser als jemals zuvor. Knappe Latte: Wie Pech und Schwefel (grinst dümmlich). www.feuerschwanz.de


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KEINE NEULINGE Nach der letzten Veröffentlichung in Form einer Best Of im letzten Jahr bahnte es sich schon an, die Neuerung bei DE/VISION. Exklusiv und als Aushängeschild für diese Doppel-CD schrieben DE/VISION den Song „Love will find a way“. Nicht allein, sondern zusammen mit dem Produzentenduo Schumann und Bach erarbeitet und produziert, war dies sozusagen auch der erste Song des nun erscheinenden aktuellen Longplayers „NOOB“. Der Name trügt also, denn Neulinge sind alle vier Beteiligten nicht, nur die Konstellation beim Songwriting ist das Novum. Gut so, denn die 13 Songs des neuen Albums sind wiederum beeindruckend. „NOOB“ ist eine moderne Reise zurück in die experimentellen 80er, wo die Band ihre Wurzeln hat, und ist wieder einmal eine Ansammlung von Pop-Perlen, die in der Electroszene ihresgleichen sucht. DE/VISION haben es nach nunmehr fast 20 Jahren keineswegs verlernt, ein Album zu produzieren, was voller Ohrwürmer steckt. Ihr habt Ende Juni zum ersten Mal in Mexiko gespielt. Wie war diese Erfahrung? Wie haben euch Land und Leute gefallen? Gibt es interessante Anekdoten? Steffen Keth: Natürlich waren wir sehr froh darüber, dass es nach fast 20 Jahren Bandgeschichte endlich mal geklappt hat. Verhandlungen wurden schon all die Jahre geführt, aber es hatte bis dato nie geklappt. Es ist immer wieder faszinierend, in einem neuen Land zu spielen, und die Tatsache, dass wir dort auch einen gewissen Status haben, freut uns natürlich sehr. Die Menschen dort waren sehr nett und hilfsbereit. Wir haben selten eine solch tolle Gastfreundschaft erlebt. Vom Land bzw. Mexico City haben wir natürlich nur einen Bruchteil mitbekommen, ein paar Leute sind z. B. zu den Pyramiden gefahren (Sonnen- und Mondpyramide). Gemeinsam wurde es uns sogar ermöglicht das Aztekenstadion zu besichtigen (inkl. Führung). Es gibt schon ein paar Fußballverrückte ins unserer Crew. Das Konzert selbst verlief etwas chaotisch, da uns unsere beiden Laptops ein wenig im Stich gelassen haben, die Fans waren aber fantas38

tisch und haben es geduldig ertragen. Wir werden auf alle Fälle versuchen, im kommenden Jahr eine weitere Show dort zu spielen, die Planungen laufen bereits. Der Begriff „NOOB“ bezeichnet einen ignoranten, nicht lernwilligen Computerzocker oder einen Profi, der hin und wieder Anfängerfehler macht. Wie kann man euren Albumtitel verstehen? Wie seid ihr darauf gekommen? Da ich sehr oft im Internet unterwegs bin und auch ab und an ein Rollenspiel zocke, bin ich eher zufällig auf diesen Begriff gestoßen. Den Klang des Wortes und dessen Schreibweise fand ich sehr interessant, ohne wirklich zu wissen, was „NOOB“ bedeutet. Durch kurzes

„Du findest dadurch auf der ganzen Welt statt, und merkst auf einmal, dass es jede Menge Fans auf der ganzen weiten Welt gibt.“ Eingeben des Wortes bei diversen Suchmaschinen und Wikipedia, fand ich heraus, dass es erst einmal eine Abkürzung für das Wort „Newbie“-Neuling ist und oft für Computerzocker benutzt wird. Da wir mit unserer Produktion neue Ufer beschreiten wollten, denn zum ersten Mal haben wir gemeinsam mit unserem Produzententeam Schumann&Bach ein Album komplett geschrieben und produziert,


fand ich den Ausdruck „NOOB“ als Abkürzung für Neuling irgendwie passend. Mal davon abgesehen, dass dir die Last des alleine Schreibens von den Schultern genommen wurde: Wie gestaltete sich das Songwriting im Quartett? Habt ihr gejammt? Solch eine Arbeitsweise verlangt natürlich eine höhere Kompromissbereitschaft, als wenn nur ich die Songs komponiert habe. Es funktioniert eigentlich wie in einer normalen Band auch, du entwickelst die Songs gemeinsam und entscheidest alles gleichberechtigt. Natürlich hat auch hier jeder diverse Bereiche, die er sehr gut kann. Thomas war z. B. für das Schreiben fast aller Texte verantwortlich, das Musikalische wurde überwiegend von unseren Produzenten und mir erledigt. Es wurde sehr viel parallel gearbeitet, Schumann&Bach haben z. B. an diversen Programmings gearbeitet, während ich z. B. nach Gesangslinien gesucht habe und Thomas Texte geschrieben hat. Gejammt haben wir deswegen nur ganz selten, aber es kam schon mal vor! Über dem Album schwebt von Anfang an ein Retrofeeling, eine Art moderner Achtzigersound, eingängig und gleichzeitig experimentell. Bestimmt auch manchmal der Klang den Song oder diktiert der Song die Klangelemente? Es ist nicht immer das gleiche Schema, manchmal wird durch eine Songidee die weitere Produktion bestimmt. Man redet im Vorfeld ja darüber, wie man sich die Soundästhetik vorstellt. Es kommt aber auch vor, dass ein einzelnes Klangelement den weiteren Verlauf vorgibt. Manchmal sind wir von dem Ergebnis bzw. der Entwicklung selbst überrascht. Ihr habt bis jetzt schon mehrere Songs des neuen Albums online veröffentlicht. Welche Absicht steckt dahinter? Natürlich wollen wir damit im Vorfeld Aufmerksamkeit erzielen. Myspace ist für uns, neben der eigenen Homepage, zu der wich-

tigsten Plattform geworden. Du kannst mit sehr einfachen Mitteln deine Songs präsentieren, kannst mit den Leuten sehr locker aber auch sehr intensiv kommunizieren, und triffst laufend neue Leute, die deine Musik gut finden. Du findest dadurch auf der ganzen Welt statt, und merkst auf einmal, dass es jede Menge Fans auf der ganzen weiten Welt gibt. Es sei noch anzumerken, dass ich mich persönlich um die Kommunikation kümmere, das Label ist für diverse Inhalte und das Layout zuständig. Auf der Promo-CD fehlt „Love will find a way“. Werkelt ihr noch an diesem Song? Der Song ist mittlerweile fertig und gemastert. Da der Song ja schon bekannt war, musste er nicht unbedingt auf die Promo. Ihr habt eure Webseiten dem NOOB-Style angepasst. Wie werdet ihr ihn auf die Bühne transportieren? Wir sammeln gerade diverse Ideen und schauen am Ende, was wir davon umsetzen können. Letztendlich ist es ja auch immer eine Frage des Geldes. Es wird aber auf alle Fälle eine visuelle Umsetzung stattfinden, denn mit dem neuen „NOOB-Style“ bietet sich dies einfach an.

Die Release-Party zum „NOOB“-Album wird wieder im Darkflower in Leipzig stattfinden. Habt ihr eine besondere Beziehung zu diesem Club? Ja, wir haben schon eine besondere Beziehung zu dem Club, den Menschen, die dort arbeiten und natürlich zu den Fans, die sich zu jeder Party dort einfinden. Das Darkflower war und ist einer der wenigen Clubs, die unsere Musik als festen Bestandteil ihres Programms ansehen, und die sich auch bei den Release-Partys ins Zeug legen. Natürlich muss man auch dazu sagen, dass wir eine fantastische Fangemeinde in und um Leipzig haben. Ihr werdet im September auf Deutschlandtour gehen. Wer wird euch begleiten? Sind Auslandsgigs geplant? In etwas mehr als zwei Monaten geht es endlich los. Auch wenn noch eine Menge an Vorbereitungen zu erledigen ist, freuen wir uns sehr wieder auf Tour zu sein. Unser Support steht bis dato noch nicht fest, wir führen diese Woche aber die letzten Gespräche. Wo siehst du DE/VISION in zehn Jahren? Keine Ahnung! Zu viel kann passieren, aber natürlich hoffen wir, auch noch in 10 Jahren musikalisch unterwegs zu sein. rin o m ller www.devision-music.de www.myspace.com/devisionmusic

VÖ „NOOB“: 24.08.07 39


mind.in.a.box Allein unter Einem

Sind wir alleine? Eine zentrale Frage der Erkenntnistheorie, die im Solipsismus das Individuum zum einzigen Ich der Wirklichkeit reduziert. Die wahrgenommene Welt und andere fremde Ichs stellen nur Bewusstseinsinhalte ohne eigene Existenz dar, welche im besten Fall eingebildet sind. Eine erschreckende und einsame Vision, aus welcher mind.in.a.box Mastermind Stefan Poiss schon immer Inspiration beziehen konnte, versinnbildlicht nicht zuletzt der Name mind. in.a.box - Die Isolation des Individuums. Auch das neue Albums „Crossroads“ lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass dieser isolierte, kreative Wahnsinn in konzentrierter Fassung zu Schade wäre, um ungehört zu bleiben. So stellen wir dieses ambitionierte Werk nur zu gerne einem an elektronischen Grenzerfahrungen interessierten Publikum vor. Musikalisch bewegst du dich im weiten Feld von EBM, Techno bis Drum and Base. Kann moderne elektronische Musik überhaupt innerhalb von stilistischen Grenzen existieren? Ich denke, man darf diese Grenzen vor allem als Musiker nicht so eng sehen, und ich habe dem bisher eigentlich auch keine große Bedeutung beigemessen. Wir wussten lange Zeit selber nicht, welche Art von Musik wir machten, bis man uns sagte, es sei Electro oder Technopop. Diese Einteilung in Musiksparten können Musikjournalisten ohnehin besser. Die Musiker sollten nicht nach Stilgrenzen Musik machen, denn dann wäre sie wahrscheinlich nicht mehr ehrlich. Mit welcher Musik bist du selbst groß geworden? In welcher Tradition siehst du dich? Angefangen hat alles mit dem Commodore 64. Der hatte für Computer, behaupte ich mal, den besten Soundchip. Das war damals neu und furchtbar aufregend. Ich schaute ständig irgendwelche Demos. Das sind mit Musik untermalte, programmierte grafische Abläufe in 40

Echtzeit. Mit dem C64 begann ich dann, am Computer Musik zu machen, das war vor mehr als 20 Jahren, und seitdem ließ mich die elektronische Musik nicht mehr los. Ich hatte damals gar nicht das Geld, mir sündteure Synthesizer zu kaufen, und so versuchte ich, alles aus den Soundchips der Computer herauszuholen. Irgendwann begannen wir schließlich, selbst Spiele zu entwickeln. Markus programmierte, ich steuerte die Musik bei. Unser größtes Projekt hieß „Parsec“, an dem wir etwa fünf Jahre lang arbeiteten. Ich kannte die meisten Electrobands in dieser Szene vor fünf bis sechs Jahren gar nicht. Markus war da mehr involviert als ich.

Dein neues Album heißt „Crossroads”. Was sind für dich die wichtigen künstlerischen Weggabelungen gewesen? Die größte war sicherlich der Sprung aus der Computermusik-Ecke in die professionelle elektronische Musik mit dem ersten mind. in.a.box-Album. Ich behaupte mal, kompositorisch war das weniger ein Problem als produktionstechnisch, und so dauerte es wohl ein Jahr länger, bis alles wirklich klangtechnisch auf dem Stand der Zeit war. Ich stieg von dem reinen textbasierten Midi-Sequenzer, den Markus eigens für mich schrieb, auf einen aktuellen Sequenzer um und produzierte im Prinzip alles neu. Aus künstlerischer Sicht ist unser neues Album auch ein sehr großer Sprung gewesen, und ich bin persönlich mit „Crossroads“ zufrieden wie noch nie. Da steckt wirklich sehr, sehr viel Arbeit drin. In Anzeigen deiner Plattenfirma, aber auch im Booklet und in den Songs wird

eine zusammenhängende Story erzählt. Lüfte doch einmal ein paar der Geheimnisse. Wir wollten dieses Mal unbedingt eine erzählte, geschriebene Story im Booklet haben, wo wir mehr Details erzählen können, als in den Lyrics. Der Protagonist aus dem letzten Album steht auch diesmal im Mittelpunkt. Verfolgte er auf „Dreamweb“ noch die Sleepwalkers, hat sich das Blatt aber nun scheinbar gewendet und er hat Zweifel, auf wessen Seite er eigentlich steht. Mehr will ich hier nicht verraten. Wer ist für die weibliche Stimme verantwortlich? Unser Autor für die Story im Booklet, Andreas Gruber, ein guter Freund von uns, war furchtbar enttäuscht, als er die Wahrheit über diese Stimme erfuhr. Er stellte sich wohl eine unglaublich gut aussehende Frau vor, die nackt eingesungen hat. Ich musste ihn leider damit enttäuschen, dass es meine eigene, mit einem Gerät verfremdete Stimme ist. Es tut mir echt leid! „The Place” transferiert Pianoklänge in jenseitige Flächen und stellt eine Art Bruchkante im Album dar. Wie würdest du die Dramaturgie von „Crossroads“ in wenigen Zeilen skizzieren? Das Album empfinde ich als sehr dicht, ohne Songfüller oder dergleichen. Und ich kann auch kaum einen Song einzeln hervorheben. „Amnesia“ und „Fear“ sind zwei ruhigere Songs im Stil wie z. B. „Change“ oder „Lament for Lost Dreams“ aus den vorherigen Alben. Hef-


tiger wird es bei „Into the Night“, „Identity“ oder gegen Ende der Song „Crossroads“. „What Used To Be“ ist für mich eine Art Opus und künstlerisch sehr wichtig. Der Song dauert fast acht Leuten, denen unsere Musik Minuten und baut sich bis geholfen hat, ihrer Einsamzum Ende hin immer mehr keit zu entfliehen, und das ist auf. Prinzipiell versuchen für uns dann schon ein sehr wir immer, die Trackliste großes Kompliment. You are auch unserer Storyline annot the only one, lost alone in zupassen. Der Song „Amthis world. nesia“ muss beispielsweise zeitlich vor „Into the Liegt die große AnonymiNight“ kommen. Beide tät und Sprachlosigkeit von Songs sind auch für die heute nicht zum größten Teil Story sehr wichtig. „The an dem Medium, mit dem du Place“ ist wirklich als eine VÖ „Crossroads“: 31.08.07 selbst Musik machst? Art musikalische TrennliEinerseits stimmt das, andenie gedacht und leitet das rerseits habe ich damit sehr letzte Drittel des Albums ein, wobei der letzte viele Leute kennengelernt. Anonymität schätze Track thematisch wiederum schon eine Über- ich sehr, doch ich benutze lieber das Telefon, leitung zum nächsten Album darstellt. bevor ich eine SMS tippen muss. Ich denke, es kommt darauf an, wie man die Mittel der TechDer Name mind.in.a.box spiegelt die Einsam- nik einsetzt. keit und das Eingesperrtsein der einzelnen Seele wider. Fühlst du dich selbst eingesperrt? Lässt sich dieses fundamentale Alleinsein Gibt es Abstufungen? nicht durch das Erlernen der KommunikatiEs gibt viele Dinge, bei denen man sich ein- on au rechen? Ist Emotionalität nicht eine gesperrt fühlen kann. Ich habe mich immer weitaus effektivere Kommunikation als die schwer getan, aus mir selbst herauszukommen, verbale? und insofern fühle ich mich eingesperrt. Hier Das ist wohl für viele leichter gesagt als getan. war immer die Musik mein Ventil, und das mit Klar, ich denke auch, dass Emotion die ehrdiesem Projekt zu vereinbaren, ist eigentlich lichere Art der Kommunikation ist, da es ja eine perfekt. Wir bekommen sehr oft E-Mails von spontane Reaktion ist. Eine Kommunikation über Emotionen ist besonders gut in der Kunst möglich, aber Musik ruft zuhörerbedingt ja unterschiedliche Reaktionen hervor. Deine Plattenfirma wird bald ihre Pforten schließen. Wie wird es dann weitergehen? Was möchtest du den unzähligen Kopierern entgegnen? Es ist sehr schade, dass Dependent Records beschlossen haben, aufzuhören, nichts desto trotz muss man die Entscheidung respektieren. Wir haben dem Label und Stefan Herwig sehr viel zu verdanken und haben sehr viel zusammen erreicht. Mit dem Debütalbum auf Platz 1 in den DAC Charts und dem Folgealbum auf Platz 2, das kann sich, glaube ich, sehen lassen. Wir werden sicherlich weiterhin Musik machen

und veröffentlichen. Wo wissen wir noch nicht, aber bis dahin ist ja noch Zeit. Es ist wohl eine schwierige Zeit, um mit Musik noch Geld verdienen zu können, und ich fürchte es wird in Zukunft auch nicht einfacher werden. Ich kann nur hoffen, dass Musik ihre Wertigkeit und den Respekt der Hörer zurückbekommt. Vielleicht bin ich selbst schon zu alt, um dieses Raubkopierproblem komplett zu verstehen. Ich kaufe mir einfach lieber ein physikalisches Medium, als ein mp3-file. Schon alleine deswegen, um nicht nach einem Festplattencrash ohne Musik dazustehen, denn dafür sollte einem die Musik, die einem den CD-Kauf wert sein sollte, zu wichtig sein. ert re l www.mindinabox.com

Ingo Römling zum Coverartwork von „Crossroads“ Wie kam es zur Zusammenarbeit? Ich kenne mind.in.a.box schon seit dem Debütalbum. Ich mochte den Sound auf Anhieb. Ich hab mich sehr gefreut, als mich das Label Dependent für „Certainty“ anfragte. So kam es auch, dass ich für das aktuelle Album ein paar Zeichnungen beisteuerte. Die Vision des Coverkonzepts? Wir stützten uns hier auf die Hauptcharaktere und wollten sie „In Action” zeigen, also so, als seien die Illustrationen Standbilder aus einem Film. Welche Technik hast du benutzt? Komplett digital. Zum Teil 3D-Grafik, zum Teil per Hand gezeichnet, auf einem Grafiktablett. Was hat dich hier inspiriert? Ganz klar, ich gebe es offen zu: Der Film „Renaissance”, eine französische Science-Fiction-Kiste in einem recht krassen Schwarzweiß-Comic-Look. Wir waren beide total geflasht von der Optik und wollten was in der Richtung probieren, ohne den Stil eins zu eins zu kopieren. Hörst du die Musik, wenn du ein Cover entwirfst? Es ist irre wichtig für mich, die Musik zu hören. Ich muss mich in die Ideenwelt des Künstlers begeben können.

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Diablo Swing Orchestra Der Teufel swingt Was ist denn in der Hölle los? Ist der Teufel auf den Geschmack gekommen? Funk, und Swing haben sich breitgemacht in der sonst so dämonischen Metalwelt Skandinaviens. Diablo Swing Orchestra aus Schweden vereinen auf ihrem Debütalbum „The Butcher’s Ballroom“ ganz ungewohnte Töne. Klassik tri auf Jazz, Trompete und Saxophon gesellen sich beinahe gleichberechtigt zu gewohnten Stromgitarren und Doublebass. Dazu noch eine Opernsängerin und die anfängliche Verwirrung ist perfekt. Doch es funktioniert. Hat man sich erst einmal darauf eingelassen, bekommt man 13 Songs um die Ohren gehauen, die nur so vor Spielfreude strotzen und Schubladendenker zum Wahnsinn treiben. Gitarrist Daniel Håkansson spricht unter anderem über die originelle Bandgeschichte der sechs Schweden. Erzählt doch mal die spannende Hintergrundgeschichte eurer Band und ihrer Ahnen. Die Kurzversion ist folgende: Während des 16. Jahrhunderts gab es in Schweden ein Orchester, das Musik spielte, die den damaligen Machthabern überhaupt nicht passte. Es gab unbegründete Mordbeschuldigungen und das Urteil Tod durch den Strang. Doch kurz vorher unterzeichneten sie einen Vertrag, der durch ihre Nachkommen weitergegeben wurde, in dem ihnen die Möglichkeit gegeben wird, das Orchester 500 Jahre später wiederzuvereinigen. Die Zeit verging, wir alle fanden die Aufzeichnungen und uns. So brachten wir das Orchester wieder zusammen und fingen an, zu komponieren. Aus welchen musikalischen Richtungen kommt ihr und was ist euer gemeinsamer Nenner? Wir kommen alle aus verschiedenen Richtungen. Annloice (Gesang) ist eine professi42

onelle Opernsängerin hier in Schweden und hat jahrelange Erfahrung. Johannes (Cello) hat auch einen klassischen Background und unzählige Erfahrungen in etlichen Bands gemacht, von Lounge Metal bis arabischer FolkMusic. Andy (Bass) hat seinen Wurzeln im Funk und auch sein eigenes Projekt (Pledge), wo er Funk-inspirierte Laid-Back-Music

schreibt. Andreas (Drums) kommt aus der 70er Rock Richtung. Pontus (Gitarre, FX) hat in einigen Rockbands gespielt, schreibt aber auch tanzorientierte Musik. Ich (Gitarre, Gesang) komme aus einem klassisch geprägten Elternhaus. Meine Mutter war in ihrer Jugend Opernsängerin. Ich habe viel Opern und Chorgesänge gehört. Später kam ich dann


auch zur Rockmusik. Man könnte sagen, unser gemeinsamer Nenner ist, dass wir alle einen Drang haben, einzigartige Musik zu machen und offen für alles sind.

für uns eine Art Therapie. Es sind Reflektionen unserer Lebensweisen. Sie behandeln tendenziell die dunklen Seiten des Lebens, wie Wut, Verlust und Missstände. Es sind Gedanken, die wir alle haben, in der einen und in der anderen Richtung.

Was war euer Konzept für „The Butcher’s Ballroom“? Ein musikalisches Werk quer durch alle Genres? Wie erfolgreich war eure selbst produzierte Als allererstes wollten wir ein Album kreie- Veröffentlichung in Skandinavien und wie ren, was mehr ist, als nur eine Ansammlung seid ihr zu Candlelight Records gekomvon einzelnen Songs. Um das zu erreichen, men? erarbeiteten wir es als eine Art komplexe Per- Wenn man bedenkt, dass wir es selbst und formance oder Show. Außerdem haben wir es ohne Budget veröffentlicht haben, war es sehr in zwei Geschichten geteilt. Wir haben dieses erfolgreich. Die Erstpressung war schnell Konzept auch benutzt, ausverkauft. Die Reakum Pausen und Aptionen waren überwäl„Wir machen uns keine plaus einzufügen. Der tigend, sowohl von der Gedanken darüber, wo uns Presse als auch von den Zeitdruck beim Produzieren führte aber Fans. Zu Candlelight die Leute einordnen. dazu, dass wir nicht all Records sind wir durch unsere Ideen umsetzen Genres sind uninteressant.“ Lee Barret (Bassist bei konnten. Wir haben so To-Mera) gekommen, viele Genres miteinander vermischt, weil wir der unsere Musik im Internet gehört hat. Als der Meinung sind, dass es noch viele unent- er später bei Candlelight arbeitete, hat er sich deckte Kombinationen gibt, mit denen man für uns eingesetzt. spannende Musik konstruieren kann. Doch nutzen wir die Genres nicht um der Genre „The Butcher’s Ballroom“ wird nun auch in Willen, auch nicht, weil wir unbedingt anders Europa veröffentlicht. Ist es die Originalaufsein wollen. Wir wurden schon von vielen als nahme von 2006 oder habt ihr noch einmal Avantgarde bezeichnet, doch verglichen mit daran gearbeitet? Was erwartet ihr? unserer Definition von Avantgarde sind wir Es ist die gleiche Aufnahme, nur mit neuem eigentlich Easy Listening. Coverartwork. Wir sind recht zufrieden damit und fanden es nicht nötig, noch mal etwas neu Es gibt eine Menge natürliche Instrumente aufzunehmen oder zu verändern. Wir hoffen auf eurem Album, wie Trompete, Flöte, Gei- und glauben einfach, etwas mehr Leute auge und Cello. Wie wichtig war das für euch, ßerhalb des Internets zu erreichen. ihr hättet ja auch Synthesizer verwenden können? Wie seht ihr die Zukunftschancen für DSO Wir glauben, dass man eine Dimension ver- und für andere Bands, die sich wenig um liert, wenn man Synthesizer benutzt. Es fehlt Genres kümmern. Zurzeit werdet ihr als einfach die Eigenheit des jeweiligen Instru- Synfonic Metal mit weiblichem Gesang rementalisten, der die jeweilige Melodie oder zipert. Könnt ihr damit leben? den Riff spielt. Für uns war es essenziell, Wir machen uns keine Gedanken darüber, natürliche Instrumente zu spielen. Wir ha- wo uns die Leute einordnen. Genres sind ben auch Synthesizer benutzt, aber nur für uninteressant. Sie sind vielleicht eine gute Sounds, die mit akustischen Instrumenten Orientierung, Bands und deren Sounds zu nichts zu tun haben. beschreiben. Aber beim Schreiben von Musik behindert es eher, Songs im Hinblick auf beEure Texte behandeln komplexe Ideologien. stimmte Genregrenzen zu komponieren. Ich Was ist die Hauptaussage auf „The Butcher’s finde, jede Band sollte ihre Musik in ihrem Ballroom“? eigens geschaffenem Rahmen machen, der Wie für viele andere Musiker sind Texte auch sich von Zeit zu Zeit verändert, aber nicht die

Kreativität einer Band verändert. Man kann auch Einflüsse aus anderen Genres auf ganz andere Art und Weise verwenden. Sie müssen nicht immer offensichtlich sein. Im Song „Wedding March For A Bullet” verwenden wir zum Beispiel einen Bossanova Beat. Doch klingt er beim ersten Hören anders, als man sich ihn vorstellt. Wie kann man sich ein Livekonzert von DSO vorstellen? Wie transportiert ihr die Energie eurer Musik auf die Bühne? Ich glaube, wir sind live noch rauher und energetischer als auf CD. Wir benutzen keine Backing Tracks, sodass wir so chaotisch spielen können, wie wir wollen. Wir wollen auch gar nicht technisch perfekt spielen und haben keine Angst, auch Fehler zu machen. Wenn ich uns mit anderen Live-Bands vergleichen sollte, sind wir eher wie Nirvana und Muse als Nightwish oder ähnliche Bands. Nicht, dass wir wie die klingen würden, es soll einfach beschreiben, wie wir auf der Bühne klingen und aussehen. Wann werdet ihr in Europa spielen? Gibt es schon Tourpläne für Deutschland? Ja, wir haben Pläne, etwas Chaos in Deutschland zu stiften, im September. Im Moment steht die gesamte Tour noch nicht fest aber es sieht ziemlich gut aus bis jetzt. rin o m ller www.diabloswing.com

VÖ „The Butcher’s Ballroom“: 13.08.07 43


Gothic Metal ohne Klischees Waldemar Sorychta ist wahrlich kein Unbekannter und wem die Produktionen des Gitarristen, wie z.B. Lacuna Coil, Moonspell, The Gathering, Sentenced oder auch Tiamat noch in den Ohren klingen, hängt die Messlatte für dieses Debüt entsprechend hoch. Wenn sich dann ein Ausnahmedrummer wie Gas Lipstick von HIM und die begnadete, gerade mal 21 Lenze alte Sängerin Franziska Huth zum Lineup gesellen, kann man von einer garantierten Gothic Rock Erfolgsstory ausgehen. Doch im Vergleich zu vielen Stereotypen des Genres nimmt sich die Scheibe „Faith“ erstaunlich klischeefrei aus und verzichtet gänzlich auf den Opernarienappeal der Kollegen. Wie lange habt ihr an den Songs gearbeitet? Wie lange arbeitet ihr bereits als Band zusammen? Waldemar: Das Entstehen der Songs kann in die unterschiedlichsten Zeiträume zurückgeführt werden. Die ältesten existieren schon etliche Jahre. Daher kommt auch die Idee, diese Band zu gründen. Da ich bei vielen Produktionen auch beim Songwriting mitbeteiligt war, gibt es viele Lieder aus jener Zeit, die bei meiner Band Grip Inc. keine Verwendung fanden. Jedem, den ich wiederum diese Lieder vorgespielt hatte, war der Meinung, diese müsste ich veröffentlichen. Einer der Befürworter war auch Gas Lipstick. Das war der Grundstein. Fehlte nur noch die richtige Stimme. Diese fand man am Anfang in Sandra Schleret und später in Franziska Huth. Erst dann fing ich an, Lieder auf die Stimme zu schreiben. Ab 2002-2003 gab es konkrete Pläne und auch Ambitionen, es nicht als eine einmalige Sache ruhen zu lassen. Der Name „Eyes of Eden“ assoziiert viele Bilder. Zum Beispiel: Im Garten Eden wirst du von einem Big Brother beobachtet. Was ist eure Interpretation? Zuerst war der Name „East of Eden“ vorgesehen. Vor allem die Verbindung mit den fern44

östlichen Elementen in der Musik passte perfekt dazu. Diesen Namen gab es aber schon hundertfach. Man könnte meinen: Was für ein Kunststück von East of Eden auf Eyes of Eden zu kommen. Ich kann aber versichern, dies kam keinem der Beteiligten in den Sinn. Mit dem Big Brother hat es aber gar nichts zu tun. Augen sind in diesem Fall als Sinnesorgan gemeint, also als die Sinne von Eden was meiner Meinung nach die Musik auf irgendeine Art und Weise widerspiegelt. Franziska, du bist jetzt gerade mal 21 Jahre alt und singst wie die „Grand Dames“ des Genres. Woher kommt die Erfahrung? Wie bist du zum Gothic Metal gekommen? Franziska: Tatsächlich bin ich erst durch Waldemar zum Gothic Metal gekommen. Seine Arbeit und die Musik von Eyes of Eden hatten mich schnell überzeugt, obwohl es meine erste Berührung mit dem Genre ist. Gesungen habe ich allerdings schon fast mein ganzes Leben lang und mich dabei auch in so ziemlich jeder Stilistik ausprobiert. Aus jeder konnte ich etwas für mich lernen und ich merke, dass gerade diese verschiedenen Arten von Gesang und die Erfahrungen, die ich mit ihnen gemacht habe, mir auch jetzt nützlich sind. Waldemar hat einen legendären Namen in der Szene als Produzent. Wurde es Zeit, die eigene Vision mit eigenen

Songs zu kompromisslos zu verwirklichen? Es ist immer die richtige Zeit, das Richtige zu machen. Ich meine hier ganz klar Musik. Bei allem anderen müsste man jetzt eine unendliche Diskussion starten. „Was ist richtig?“ Ist schon eine Tournee in Planung? Eine Tournee wird es sicherlich geben. September und Oktober sehen gut aus. Genaue Termine sind aber bald in allen Magazinen oder unter myspace.com/eyesofedenband eyesofeden.de zu erfahren. ele t www.eyesofeden.de


ter!

Vorwärts ins Mittelal Bereits seit vielen Jahren und zwölf Veröffentlichungen (NEGAtief berichtete) hat sich die Miroque Sampler Reihe als der umfassendste akustische Almanach der mittelalterlichen Musikstile etabliert. Dieses Jahr gehen die Macher einen Schritt weiter und veranstalten das dunkle Mittelalterevent des Jahres.

Die musikalischen Headliner sind alt bekannte Größen des Genres. Corvus Corax, die erste deutsche Szene-Mittelalterband wird neben Cultus Ferox, den Meistern der „wilden Lebensart“ und Estampie, den Akademikern der Szene um die bezaubernde Stimme Sigrid Hausens den Höhepunkt des musikalischen Programms bestreiten. Aber auch mit Omnia, Veitstanz, Versengold und L´Ham de Foc wird das Lineup nach unten hin geschmackvoll und abwechslungsreich abgerundet. Eine stilechte Novität stellt auch bestimmt die eigens für das Festival installierte Fachwerkbühne dar. Zur späten Stunde wird dann ein

Team um den erfahrenen Mittelalter DJ Peter Sailer den nächtlichen Tanzreigen eröffnen. Natürlich wird das Festival von einem großen Mittelaltermarkt begleitet, der den Rahmen der üblichen Events sprengt, denn der Veranstaltungsort ist ein besonderer. „Adventon“, eingedeutscht „Stadtgründung“ ist ein lebendiger und im Wachstum begriffener Museumspark für lebendige Geschichtsdarstellung. Dieses sogenannte Histotainment will dem Besucher das Mittelalter auf besonders eindrucksvolle Weise veranschaulichen. Jahr für Jahr wächst das mittelalterliche Dorf um weitere Attraktionen und bietet neben traditionellen Gilden und Berufsständen dieser Zeit das perfekte und lebendige Ambiente mittelalterlichen Treibens. „Adventon“ liegt übrigens zwischen Würzburg und Heilbronn an der A81. Natürlich ist aber auch für ausreichend Parkplätze und Campingmöglichkeiten gesorgt. Also Rüstung angelegt, Methorn angeschnallt und zum Gelage des Jahres. ie mar o t www.miroque-festival.de

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SYN Promotion Family Die Russen kommen!

An dieser Stelle möchten wir euch anhand der Syn Promotion Familie einen kleinen Einblick in die stetig wachsende Gothicszene von Mutter Russland geben. Die erste „düstere“ Konzertagentur Russlands vereint die

Elite der russischen Darkwave/ Industrial/Electronic-Szene, wie z.B. Otto Dix, Doppelgänger und Purple Fog Side, gibt hoffnungsvollen Nachwuchsbands, wie z.B. Rozenrot oder Recently Deceased ein Podium und ist nicht

zuletzt für zahlreiche Russlandtouren europäischer Szenevertreter verantwortlich. Nicht immer die dankbarste Aufgabe im Land des praktisch nicht vorhandenen Urheberrechts. Ein Grund mehr für das NEGAtief, die viel

versprechende Entwicklung der russischen Schwarzen Szene näher zu beleuchten. Besucht die Internetseiten der Bands! Auf Frieden und Freundschaft. poloni melni ov www.myspace.com/synthezis

PURPLE FOG SIDE ist das Projekt von Pavel Zolin aus Samara, eine der ersten Dark Wave/ElectroBands aus Russland mit weiblichem Gesang. www.myspace.com/purplefogside

MOON FAR AWAY kommen aus Arkhangelsk und machen sich auf, mit mystischen Soundtracks aus Gothic und Neofolk die Grenzen von Raum, Zeit und Gesellschaft aufzubrechen. www.myspace.com/mfaofficial

EMPLOSIA Electro/Dance-Pop mit weiblichen Vocals, beeinflusst von den frühen Depeche Mode und Kraftwerk. - www.emplosia.com

BLEEDING NATURE – Kummer und Sorgen abgelegt auf ein schneebedecktes Feld, wiedergeboren im romantischen Dark Wave, führen Bleeding Nature in die wunderbare Welt des Winters. - www.bleedingnature.com

T.3.R sind ein gutes Beispiel für den russischen Military-EBM. Extrem tanzbar mit energetisch-pulsierenden Melodien. Funker Vogt Fans werden die Moskauer lieben. www.myspace.com/t3rmusic

REQUIEM FOR FM – Moskauer Synthpop Act mit Techno- und Trance-Elementen. Einschmeichelnde Melodien treffen auf witzige Texte. www.myspace.com/requiem4fm

SLEETGROUT – ist eine Dark/Electro/Industrial-Band aus Rostov mit der herzzerreißenden Stimme des Sängers Fridrich. Fans von Terminal Choice wärmstens zu empfehlen. www.myspace.com/sleetgrout

RECENTLY DECEASED – kommen aus dem sibirischen Omsk. Der einzige Electroindustrial Act mit einem Release in Europa (Mental Ulcer Forges). Die Band supportete Das Ich auf einigen Shows ihrer Russlandtour 2006. www.myspace.com/recdecmusic

NEXUS VI kommen aus Tomsk, dem Herzen Sibiriens und machen Dark Electro in Velvet Acid Christ Manier. Einer der viel versprechendsten Newcomer der russischen Electroszene. www.myspace.com/nexusvirus

ROZENROT – Technoindustrial aus der Baschkirischen Hauptstadt Ufa. Der Alptraum von Silent Hill ausgeschmückt mit Industrial/Trance-Elementen. www.myspace.com/rozenrote

DOPPELGÄNGER – Die dienstälteste GothicRock-Band Russlands mit großer Fanbase. Die Moskauer sind auch über die Grenzen Russlands bekannt. www.doppelganger.ru

ROMAN RAIN – Mysteriöses und Charm gepaart mit der Eleganz von Dark Romance. Extravaganter Sänger aus dem fernen Vladivostok, der neue Stern am russischen schwarzen Himmel. www.myspace.com/romanrain

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AUGUST / SEPTEMBER 07 AUSGABE 9 - JAHRGANG 2

TIKWAS KLEINE GRUFTSCHLAMPE LACRIMOSA PRIDE AND FALL SALTATIO MORTIS ORANGE SECTOR DE/VISION WELTENBRAND MIND.IN.A.BOX

ORANGE SECTOR

WELTENBRAND

G M RA IT T N IS EH Z M UM EN

NEU: HORRORSKOP


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