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OKTOBER / NOVEMBER 08 AUSGABE 16 - JAHRGANG 3

VELJANOV

DAS ICH

QNTAL

ILLUMINATE

G M RA IT T N IS EH Z M UM EN

UNHEILIG DAS ICH IMATEM JACK FROST QNTAL ILLUMINATE SCREAM SILENCE WHISPERS IN THE SHADOW SOUL IN SADNESS KONTRAST


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INHALT

EDITORIAL Die letzte „ganze“ Ausgabe unseres dritten Jahrgangs und wir reiben uns verwundert die Augen: Schon wieder wird der Underground ein Jahr älter, die Nächte länger und der Sprit teurer. Trotzdem bleiben wir weiterhin das einzige Gratismagazin der Szene und an uns macht man sich die Finger nicht schmutzig. Wir haben mit Veljanov und Spilles zwei der dienstältesten und verdientesten Frontmänner dieser Szene aufs Titelblatt geholt. Sowohl Alexander Veljanovs als auch Peter Spilles’ Soloprojekt spenden Mut und beweisen eindrucksvoll: Man kann sich auch von übergroßen Schatten befreien und bleibt sich trotzdem treu. Und was gibt es sonst noch: Interessante Bücher, Communities, Veranstaltungen und Veröffentlichungen, die uns allen die kalte Jahreszeit versüßen. Und wer während der kalten und regnerischen Tage nicht in den Club möchte, um sein NEGAtief zu holen, dem sei gesagt: Du kannst das NEGAtief auch abonnieren und es ist trotzdem gratis! Eure Redaktion

NEGATIEF ABO Schon wieder ist das NEGAtief in Eurem Club vergriffen? Media Markt und Saturn haben auch keine mehr? Holt Euch das NEGAtief nach Hause! Ihr zahlt lediglich einen Jahresbetrag von 12 Euro für Porto und Verpackung und habt sechs Mal im Jahr noch vor dem Streetdate das NEGAtief in Eurem Briefkasten. Schickt eine E-Mail mit dem Betreff „Abo“ und Eurer Postadresse an redaktion@negatief.de.

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Tourdaten Kolumne Schementhemen Soundcheck Buchcheck Gothic-Family.net

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Alexander Veljanov Atomic Neon Bacio di Tosca The Beauty of Gemina Chapeau Claque Das Ich Eisschock Elane Elvenking Feuerschwanz Felix Marc Gothika Heavy Current Illuminate Imatem Jack Frost Körperschall Kontrast Magica Modulate Noblesse Oblige Philosopher‘s Point Qntal Rozencrantz Scarelett Scream Silence Soul in Sadness Timecut Unheilig Vic Anselmo Whispers in the Shadow

Schloss Cottenau – 95339 Wirsberg Tel. 09227/940000 kontakt@negatief.de www.negatief.de

Herausgeber: Danse Macabre, Inh.: Bruno Kramm, Schloss Cottenau, 95339 Wirsberg Chefredaktion: Ringo Müller (V.i.S.d.P.), Bruno Kramm Redaktion: Gert Drexl, Marius Marx, Norma Hillemann, Poloni Melnikov, Maria Mortifera, Siegmar Ost, Ina Reeg, Stephanie Riechelmann, Diana Schlinke Layout: Stefan Siegl Lektorat: Ringo Müller

Vervielfältigung oder auszugsweise Verwendung benötigt der schriftlichen Genehmigung. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Informations- und Datenträger. Die Artikel geben nur die Meinung der jeweiligen Verfasser wieder. Nach dem deutschen Pressegesetz Art.9 sind wir verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, dass für sämtliche redaktionellen Beiträge in unserem Heft eine Unkostenpauschale für Vertrieb an den Auftraggeber berechnet wurde. Trotz dieses Geschäftsverhältnisses entsprechen jedoch sämtliche Textbeiträge der persönlichen Meinung des jeweiligen, unentgeltlichen Verfassers und seiner Interviewpartner. Das NEGAtief versteht sich als eine, im Sinne der allgemeinen Verbreitung der alternativen Musikszene dienenden Publikation, die gerade kleinere Firmen durch eine preisbewusste aber alternative und flächendeckende Publikation ihrer vertriebenen Künstler unterstützt.

....in diesen Läden gibt es das NEGAtief Media Markt: Aschaffenburg, Augsburg, Bad Dürrheim, Bochum, Chemnitz, Dessau, Dresden-Nickern, Duisburg, Flensburg, Goslar, Groß Gaglow, Günthersdorf, Heide, Heilbronn, Herzogenrath, Hildesheim, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz, Krems, Leoben, Limburg, Linz, Magdeburg, Memmingen, München, Nürnberg-Kleinreuth, Oldenburg, Pforzheim, Porta Westfalica, Reutlingen, Saarbrücken ,Sindelfingen, Stuttgart, Trier, Viernheim, Vössendorf, Weiterstadt, Wien, Wien Hietzing, Wiesbaden Saturn: Augsburg, Bad Oeynhausen, Bergisch Gladbach, Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Essen, Euskirchen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Gelsenkirchen, Göttingen, Graz, Hagen, Halle, Hamburg, Hamm, Hanau, Hannover, Ingolstadt, Kaiserslautern, Karlsruhe, Kassel, Klagenfurth, Kleve, Köln, Köln-Hürth, Köln-Porz, Krefeld, Leipzig, Leverkusen, Linz, Magdeburg, Mainz, Moers, München (Stachus), Münster, Neuss, Oberhausen, Reutlingen, Röhrsdorf, Saarbrücken, Stuttgart, Vössendorf, Weimar, Wien Millennium City Expert: Bad Kreuznach, Burbach, Dillenburg, Friedberg, Gießen, Hachenburg, Koblenz, Mainaschaff, Nastätten, Neuwied, Siegen, Waldbröl, Wetzlar, Wiesbaden Best Music World GmbH Münster Cover Schallplatten Berlin Unger Sound & Vision GmbH Paderborn Zoff Records H.-J- Pitzke Bremen

...in diesen Clubs gibt es das NEGAtief: Capitol, Kir, Club Pavillon, Topact, K17, Darkflower, Kuz, Come-In, Ringlokschuppen, Nachtcantine, Musikbunker, Kulturbahnhof Kato, Kufa / SB, Dominion, Factory, RPL, Schützenparkbunker, Nerodom, Markthalle, Forellenhof, Shadow, Meyer, Freeze Frame, Zentrum Zoo, X, Beatclub, Rockfabrik, Uni 1, Südbahnhof, Kulthallen, Underground, Musiktheater, Unikum, Sonic, Crash, Melodrom, Komplex, Loop, Mau Club, Nachtwerk, Dark Dance, Boiler Room, Matrix, Club Trafo, Meier Music Hall, Musiktheater, Archiv, Alchimistenfalle, Bloodline, Shadow, Eleganz / Bigstone, Nachtwerk Musikklub, Extrem und tanzbar, Loop, Koma

... und über Xtra-X oder per Abonnement bei www.NEGAtief.de

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AUSGEWÄHLTE TOURDATEN DAS ICH 03.10. Rostock, Mau Club 04.10. Herford, X 06.10. Wuppertal, Pavillion 07.10. Frankfurt, Nachtleben 08.10. Wien, Viper Room

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ALBUM WEEK 38 Eisbrecher - Sünde Oomph! - Monster Suicide Booth - Terror from the sky Ellipse vs. Industriegebiet Körperschall Inline.Sex.Terror - 11:11 ASP - Zaubererbruder (Krabat Zyklus) Ionic Vision- Bitter Isolation The Beauty of Gemina A Stranger To Tears Felix Marc - Pathways The Chemical Brothers - Brotherhood

09.10. Würzburg, AKW 27.11. München, Metropolis EISBRECHER 18.10. München, Albamahalle 22.11. Adelsheim, M.O.D.E.

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ALBUM WEEK 39 1 Imatem - Journey 2 Felix Marc - Pathways 3 Santa Hates - You You‘re On The Naughty List 4 Front 242 - Moments ... 5 V. A. - The Remix Assault Vol.1 6 Leaether Strip - Civil Disobedience 7 Wynardtage - The Forgotten Sins 8 Midnight Resistance - Remote 9 Neon Insect - Enigma 10 Miss Construction - Kunstprodukt

Myk Jung durchleuchtet die Schatten Der Augenblick von Inspiration zu erschaffen – und ich frage mich un„Ausgangspunkt, Kern und Herz all entwegt: Wieso fühlen sie diesen Drang? dessen, womit wir uns, speziell auf die- (Neben der Motivation, als Rockstar sen Seiten, wie auch in der gesamten Gold und Ruhm zu sammeln, natürlich.) Schwarzen Szene, beschäftigen, ist im- Die Antwort mag lauten: Es bleibt ihnen mer noch das musikalische Konstrukt.“ gar nichts anderes übrig! Sie gehorchen Vielleicht erinnert ihr euch an dieses en- einem inneren Kommando, das sie auform wichtige Theorem der letzten Aus- fordert, gemäß ihrer ureigenen Begagabe. Das musikalische Konstrukt – es bung tätig zu werden; und diese ist in soll ruhig ein weiteres Mal Sujet sein! ihrem Falle nicht das Zusammenfriemeln Denn dauernd muss ich mich über jenes von milliardenschweren Fusionen, sonPhänomen verwundern, zum Beispiel: dern das Songwriting. Was mich indes wie es überhaupt zunoch mehr fasziniert, Lesungstermine: stande kommt! Es gibt ist die Frage nach dem 08.10. Essen, Panoptikum Menschen, die aus Wie: Auf welche Weise 14.10. Düsseldorf, Abraxas sich heraus den Drang kommt der Song zu ihfühlen, etwas, welches 24.10. Karlsruhe, Kulturruine nen? Es ist womöglich 26.10. Velbert, Flux bislang nicht existierte, nicht profundes musi12.11. Essen, Panoptikum auf unsere Daseinsekalisches Wissen, was bene zu hieven, noch 08.11. Aachen, Café Einstein die Früchte gelungener 23.11. Velbert, Flux nicht Dagewesenes Kompositionen gebiert

SOUL IN SADNESS 18.10 Regensburg, Boiler Room QNTAL 02.10. Kassel, Nachthallen (Dark Area Festival) 20.11. CH-Zürich, Abart* 21.11. Zapfendorf, Top Act* 22.11. Augsburg, Kantine (ElfenFolk-Festival III) 23.11. Leipzig, Moritzbastei* 24.11. Bochum, Christuskirche* 25.11. Karlsruhe, Culteum* 27.11. Bremen, Aladin* 28.11. Berlin, K17* * = Support: Elane RABENSCHREY 03.10. Bonn, Maritim-Hotel (Ring*Con 2008) 04.10. Schüttdorf, Komplex 05.10. Augsburg, Kantine 11.10. Hamburg, Ballroom

– denn selbst die versiertesten Harmonielehrekenner hadern nicht selten mit ihren Ergüssen; es ist offenkundig auch nicht Disziplin: Denn der Vorsatz, sich jetzt wacker hinzusetzen und ad hoc einen guten Song zu schreiben, ist in den meisten Fällen von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Die großartigsten künstlerischen Schöpfungen, wage ich hier zu behaupten, sind jene, die der plötzlichen und unvorhergesehenen Intuition entspringen, einem Moment unforcierter Inspiration, der sich nur dann und wann über den Künstler schwingt. Es ist allein jener nie und nimmer zu erzwingende Augenblick, der machtvoll und ohne das Zutun des Sterblichen, der sich da Künstler nennt, hervortritt – und fopp! Ewiges hervorbringt. Klingt pathe-

15.11. CH-Pratteln, Z7 (+ Schelmish) 28.11. Wuppertal, LCB 29.11. Gera, Sächsischer Bahnhof LACRIMAS PROFUNDERE 10.10. Chemnitz, Bunker 11.10. Gera, Festival 12.10. Bruchsal, Fabrik 23.10. München, Backstage Club 24.10. Hamburg, Logo 25.10. Ottweiler, Club Schulz* 26.10. Ludwigsburg, Dark Sins Festival 01.11. CH-Schaffhausen, Kammgarn 08.11. Berlin, Knaack Club 09.11. Frankfurt, Nachtleben 12.11. A-Wien, Szene 16.11. München, 59 to 1 17.11. CH-Zürich, Rohstofflager 18.11. Chemnitz, AJZ Talschock 13.12. Laufen, Festival

tisch und obendrein nach Plattitüde, hm? Is’ aber so. Demnächst mehr dazu. Zu diesem Thema fällt mir nämlich gerade eine abgedrehte These ein. Doch weh! Das Zeichenkontingent ist erschöpft. schementhemen.de 5


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REDAKTION The Beauty Of Gemina „A Stranger To Tears“ Man kann nur dankbar sein, dass einem im Musik-SpamZeitalter auch ab und zu die Alben erreichen, die wirklich berühren. So auch das zweite Album „A Stranger To Tears“ der Ausnahmeband The Beauty Of Gemina, das die konsequente Weiterentwicklung ihres Erstlings „Diary Of A Lost“ darstellt, welches schon vor eineinhalb Jahren unser Albumtipp war. Die Schweizer um Sänger Michael Sele zeigen erneut, dass sie ein goldenes Händchen fürs Songwriting haben und Brücken zwischen Musikwelten bauen können, die so manch einem unvereinbar scheinen. Sie verbinden eine steife Brise Cold Wave mit Dark Wave und treibendem Dark Rock. Dazu gesellen sie einfache elektronische und sinfonische Elemente, gepaart mit der unverwechselbar eigenständigen und wandelbaren Stimme von Michael Sele, die hier und da an charismatische Kollegen wie Bowie, Veljanov und Eldritch erinnert. Kurzum: Ein musikalisches Meisterwerk, das auf eine große Zukunft dieser Band RINGO MÜLLER hoffen lässt. TIPP DER

Soul in Sadness „ZwischenWelt“ Soul in Sadness melden sich nach vier Jahren mit „ZwischenWelt“ zurück. Die Seelen rund um Stefan Siegl präsentieren Dark Rock vom Feinsten. Der Prolog führt hinein in die „ZwischenWelt“, welche aus rockigen, klassisch angehauchten Songs und einem Wechsel von englischen und deutschen Lyrics, die verschiedene Seelenzustände beschreiben, besteht. Mit „Childhood“ gibt es – abgesehen vom Prolog – auch ein sehr ruhiges Instrumentalstück. Man wird wahrlich hineingerissen in die „Zwi-

schenWelt“. Immer und immer wieder will man sich in diese Welt hineinhören. Und jedes Mal nimmt man wieder eine neue Textzeile wahr, die einen nachdenklich stimmt, oder hört eine Melodie, die berührt. Trotz der Tiefgründigkeit der Texte, schafften es Soul in Sadness, die meisten Stücke clubtauglich zu machen. Vor allem die am Schluss befindlichen drei Remixe, unter anderem „Deadnettlepan“ geremixt von P.A.L. und „Der Zweite DIANA SCHLINKE Weg“ geremixt von Transit Poetry. Imatem – „Journey“ Mit seinem zweiten Soloalbum weiß Mastermind Peter Spilles von Project Pitchfork wirklich zu begeistern. Nachdem er es mit „Home“ zunächst heimisch angehen ließ, nimmt er uns mit „Journey“ auf eine musikalische Reise. Und wie schon beim Erstlingswerk hat er wieder interessante Gastsänger am Start. Die Stücke mit Ronan Harris und Sven Friedrich sind sicherlich die Highlights der Scheibe mit absolutem Ohrwurmcharakter und werden sich sicherlich bald auf den Dancefloors wiederfinden. „Haven“ besticht durch Ronans unverkennbare Handschrift und „Escape to Follow“ wird getragen durch Svens ruhig markante Stimme. Erwähnenswert ist vor allem noch das Duett mit Stefan Grossmann von Absurd Minds, da Stefans Stimme ja schon in der Vergangenheit durch die ähnliche Klangfarbe mit Peter aufgefallen war. So entsteht mit „Flat Lux“ ein Duett der perfekten Symbiose. Nicht zu vergessen ist natürlich das Stück „Down to the sea“ mit Sara Noxx, die wieder durch ihren unverwechselbaren Sprechgesang, dem Stück ihren Stempel aufdrückt. Fazit: Ein rundum gelungenes Werk, welches durch die neun Gast-Auftritte eine Einzigartigkeit erhält und somit für jeden was an Bord hat. HEIKO NOLTING Veljanov „Porta Macedonia“ Ganz ohne Anstrengung scheint der Fluss der Musik seinen Lauf durch steiles Bergland oder assoziierte Jahrmarktsatmosphäre zu nehmen. „Porta Macedonia“, so der Name des dritten Soloalbums des Ausnahmevocalisten und Hälfte

des Duos Deine Lakaien, besticht durch ungewöhnliche Alltagstauglichkeit und macht dabei auch vor Anleihen am Kabarett oder Brecht und Weill nicht halt. Eine spannende Reise für alle jene, die Veljanovs Werke kennen und lieben, und prima Einstiegsmaterial für unbedarfte Neulinge auf dem Gebiet Veljanov. TYVES OBEN Jack Frost „My Own Private Hell“ „My Own Private Hell“ ist das mittlerweile siebte Album der Gloom Rocker aus Österreich. Nach mehreren Labelwechseln ist das Linzer Quartett nun beim emsigen Label Silverdust Records gelandet. Jack Frost (der Name ist an einen Songtitel von Saint Vitus angelehnt) haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie trotz aller Melancholie und Traurigkeit auf ihren Alben Hedonisten geblieben sind und schaffen es mit jedem Album aufs Neue, ihre Hörer zu packen und mit ihren schwerfällig melancholischen Hymnen in ihren Bann zu ziehen. Musikalisch bewegt sich ihr neuer Gloom Rock Bastard im Dunstkreis von Doom-Göttern wie Cathedral, alten Danzig-Alben, Gothic Heroen wie Fields of the Nephilim und erinnert auch manchmal an Großmeister Johnny Cash, was dem Timbre von Sänger Phred Phinster zu verdanken ist. Auch ihre Liebe zu den 60er und 70er Jahren ist unverkennbar, z.B. an der Coverversion von John Denvers „Leaving On A Jetplane“. POLONI MELNIKOV Willkommen in der Hölle. Illuminate „Zeit der Wölfe“ Eines der traurigsten und zugleich schönsten Alben des Herbstes kommt von Illuminate. Das Konzeptalbum „Zeit der Wölfe“ ist das nunmehr elfte Werk und widmet sich der Thematik der Märchen; die Symbol tragenden Figuren des Wolfes und des jungen, schönen Mädchens stehen textlich im Vordergrund. Die Eigenschaften dieser Symbolfiguren wurden gesanglich durch Johannes und Sylvia Berthold perfekt umgesetzt – ob solo oder im Duett. Illuminate bleiben ihrem typischen Sound und der deutschen Sprache treu, sie verbinden romantische, rockige und klassische Elemente mit märchenhaften Lyrics. So klingen die Lieder mal verträumt, mal bedrohlich. Ein schaurig-schönes Musik-Märchen, das einem die Gänsehaut über den Rücken jagt und im nächsten Moment zum Träumen verleitet. Genau das Richtige für DIANA SCHLINKE dunkle Herbstabende. 7


ALEXANDER VELJANOV Tor zwischen zwei Welten Alexander Veljanov ist unmittelbar mit einem der größten Szenenamen schlechthin verbunden: Deine Lakaien. Doch im Schatten des überlebensgroßen Projektes wusste der Sänger mazedonischer Herkunft auch immer wieder mit höchst eigenwilligen und interessanten Seitenprojekten zu überzeugen. Sei es das sehr Oldschool-wavige Run Run Vanguard oder die sehr glamlastige Variante des „Secrets of the Silver Tongue“: Alexander Veljanov ruhte sich nie auf seinen Lorbeeren aus. Der Ausnahmesänger erzählt überraschend freimütig über seine Erfahrungen im Musikbusiness, über mazedonische Aufbauarbeit, über Vergangenes und natürlich über sein neuestes Sammelsurium musikalischer Gedanken. „Porta Macedonia“ ist wohl Alexander Veljanovs experimentellstes und ungewöhnlichstes Album. Es gab viel Neues zu entdecken in seiner Zweitheimat Mazedonien und somit auch zu besingen. „Porta Macedonia“ ist abwechslungsreich, eingängig, ja sogar poppig und sehr experimentell. Wieso eigentlich der Titel „Porta Macedonia“? Ist das für dich gleichzusetzen mit einem Tor zu einer anderen Welt? Ich habe sehr lange überlegt, wie ich das Album nennen soll und letztendlich trifft es das mit dem Tor zwischen zwei Welten ganz gut. Welten, die ich beide kenne. Das Album soll die Verbindung zwischen Deutschland und Mazedonien darstellen. Ich glaube, dass in dem Album sehr viel von beiden Welten drin steckt und versucht, den Leuten einiges nahe zu bringen. Es ist nicht gerade homogen, aber ich denke, genau darin liegt die Spannung, dass so viele überraschende und unterschiedliche Dinge aufeinander folgen und ineinandergreifen. Jörg Grosse Geldermann/NEXT

Hast du dir dein, mittlerweile drittes Soloalbum genauso vorgestellt, wie es jetzt auf dem Album vorliegt? Nein, eigentlich überhaupt nicht. Es liegen ja doch viele Jahre und sehr viele andere Produktionen mit Deine Lakaien dazwischen. Ich habe mir ganz einfach keinen Zeitplan gesetzt, für ein Veljanov-Album Nummer drei. Ich hatte ja auch keine Abgabetermine 8


und keinen Druck vonseiten einer Plattenfirma. Ich habe einfach versucht, das erste Mal in Mazedonien zu arbeiten und mich in einem Land, das in den letzten zwanzig Jahren sehr viele Veränderungen erlebt hat, zu orientieren. In den neunziger Jahren konnte ich ja nicht so viel Zeit dort verbringen wie früher, und am Ende überfiel mich eine Fülle von Infusionen, die sich letztendlich auch in der Zusammenarbeit mit den Kollegen dort, in der Musik und den Texten niedergeschlagen hat.

Theaterbezug haben. „Lily B.“ zählt sicherlich dazu, das Eröffnungsstück „Der Kongress“ oder auch das letzte „Zwei vor drei zurück“. Es war mir auch ein Wunsch, meiner Liebe zur Musik der zwanziger und dreißiger Jahre aus Deutschland, (Stichwort Brecht, Weill, Kabarett) ein bisschen in meine Experimente einzubauen und die deutsche Sprache eignet sich ja hervorragend für diese Art von Musik und gerade „Lily B.“ und „Der Kongress“ sind, glaube ich, Titel, die du jetzt mit Jahrmarktsmusik assoziierst. Natürlich auch wegen der Instrumente, die darin auftauGibt es eine Art roten Faden in „Porta Macedo- chen. Das hat vielleicht auch mit Filmmusik zu tun. nia“, eine Geschichte, die sich durch das ganze Auf jeden Fall mit Musik aus vergangenen Dekaden. Album zieht? Ich hoffe, dass es eine ganz gute Mischung geworEinen roten Faden in dem Sinne gibt es nicht. Ich bin den ist. Es handelt sich ja nicht um ein reines Zitat halb deutsch und halb mazedosolcher Art von Musik, sondern „Es ist nicht gerade ich kombiniere sie ja mit vernisch und bin mit zwei Kulturen groß geworden, was ein sehr homogen, aber ich schiedensten anderen Aspekten großer Reichtum für einen Menund Richtungen. denke genau darin schen sein kann. In den Jahren der Arbeit, an diesem Album, liegt die Spannung.“ Hast du in deinen Songs auch waren für mich natürlich die Samples verarbeitet? Im erwichtigsten Einflüsse erstmal in der direkten Zusam- sten Song „Der Kongress“ klingt es manchmal, menarbeit mit meinem Partner Goran Trajkoski, mit als hättet ihr ein Hühnchen gesampelt. Oder ist dem ich die Lieder geschrieben habe. Dann natürlich es gar ein geschicktes Spiel der Instrumente? auch der für mich neue, häufige Gebrauch der deut- Ja, das sind ganz viele verschiedene Klangquellen. schen Sprache. Erstaunlicherweise bin ich gerade in Aber Samples eher wenige. Wir haben sehr viel mit Mazedonien dazu gekommen, mich mehr mit der Instrumenten, Klängen, Stimmen und Lauten expedeutschen Sprache und dem Singen in deutscher rimentiert. Es kann schon sein, dass da irgendwo Sprache auseinanderzusetzen und das ist nach so ein paar Tierlaute mit eingeflossen sind, aber wir vielen Jahren, die ich ja nun schon als Musiker aktiv haben solange daran gearbeitet, gefiltert und neu bin, für mich auch ein interessanter und wichtiger gemischt, dass dabei ganz neue KlangkombinatiWeiterentwicklungsschritt. Ich bin sehr gespannt, onen entstanden, die dann beim Hören Assoziatiwie das Album von den Leuten, die mich und meine onen hervorrufen, dass da vielleicht sogar ein Huhn Arbeiten ja teilweise schon seit vielen Jahren ken- vorkommt. Aber bewusst haben wir so etwas nicht nen, aufgenommen wird, weil es eine sehr weite eingesetzt. Das entsteht einfach in der Mischung, im Spanne an Stilen und Einflüssen in sich birgt. Prozess der Sound- und Klangentwicklung. Auf dem ganzen Album wurde auch sehr viel mit Stimmen Zeitweise klingen deine experimentiert, jetzt nicht Tracks etwas wie Jahr- „In Mazedonien bin ich nur als Hauptgesangsstimmarktsmusik. Bitte nicht dazu gekommen, mich me, sondern eben auch ohne falsch verstehen, ich meizur Klangerzeugung, um mehr mit dem Singen Text ne hierbei den Aspekt, damit das ganze Klangspekin deutscher Sprache wenn man über diese Art trum noch zu erweitern. Das von Markt schlendert und auseinanderzusetzen.“ ist ja das Spannende, dass von links und rechts von man das Gefühl hat, nach unterschiedlichsten Tönen, Geräuschen, Lie- mehrmaligem Hören immer noch mehr entdecken zu dern in verschiedenen Geschwindigkeiten um- können, anstatt zu sagen: „Das Album kenne ich!“ garnt wird, dass einem fast schwindlig dabei und gut ist es. Das ist das größte und beste Ziel, was wird. Gerade „Lily B.“ ist einer dieser Vertreter. man sich setzen kann, dass man dem Hörer etwas Was genau hat dich gerade zu dieser Art von anbietet, das er mit viel Muse, Ruhe und Interesse Stilistik angestachelt? entdecken kann. Wie ein Buch, das man ließt, über Ich denke, dass es Lieder gibt, die einen gewissen viele Seiten hinweg.

Der Titel „Zwei vor und drei zurück“ klingt nach jemandem, der viel bewegt aber damit auf keinen grünen Zweig kommt. Worum genau geht es in diesem Song? Ja, das trifft es sicherlich schon ganz gut. Man tritt auf der Stelle, obwohl man sehr viel tut. Ich muss ehrlich sagen, dass das auch mit der gesellschaftlichen Situation in dem jungen Land Mazedonien, das ja noch nicht einmal 20 Jahre eigenständiger Staat ist, zusammenhängt. Stichwort europäische Integration, auch Natointegration, also einer Gesellschaft, die wirklich enorm bemüht und fleißig ist, eine Selbstständigkeit souverän aufzubauen, um sich in ein modernes Europa zu integrieren, ohne die eigene Identität aufzugeben. Das ist tatsächlich die Grundidee dieses Liedes. Da ja Deine Lakaien in der Szene zu Hause sind, würdest du dann das Projekt Veljanov eher als eine Art Ausgleich dazu sehen? Nein, ich habe mit Deine Lakaien in all den Jahren soviel erlebt. Von den Anfängen, als noch völlig unbekanntes Elektroprojekt, das von den frühen, dun-

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klen Elektronikbands beeinflusst war, bis hin zu dem mehr so ernst. Es wird auch ganz selbstverständlich, doch sehr aufsehenerregenden Orchesterprojekt, dass man gewisse Dinge einfach tun muss, die zur zum zwanzigjährigen Jubiläum. In all dieser Zeit hat Arbeit gehören, also jetzt nicht zur primär künstleman viele Leute erreichen können, die sich jenseits rischen Arbeit, sondern zur Arbeit, wenn es darum von Jugendszenen bewegen, aber sich natürlich geht, zum Beispiel Interviews zu geben zu einer Veröffentlichung hin, oder sich eben auch immer den Bezug zu einer sogeauch mit musikgeschäftlichen nannten dunklen Szene erhalten kön„Man soll sich auseinanderzusetzen. nen. Ich sehe meine Soloprojekte nicht überhaupt von Belangen Ich persönlich bin sehr zufrieden wirklich als Ausgleich, sondern einfach damit, wie ich den Weg geganals ein Kapitel, ein Teil meiner künstniemandem gen bin. Sowohl mit Deine Lalerischen Arbeit. Und das gilt auch für etwas sagen kaien als auch außerhalb der Laalle Kollegen, mit denen ich zusamlassen. Das kaien. Weil ich nicht das Gefühl menarbeite. Man kann und will sich habe, mich durch die manchmal nicht auf ein einziges Projekt ein Leben Einzige was etwas anstrengenden Umstände, lang verlassen oder einlassen, weil es zählt, ist die die das Musikgeschäft so mit viel spannender ist, sich auszutauschen und zu sehen, wie man in anderen Kon- innere Stimme.“ sich bringt, verbraucht zu haben oder meinen Idealismus und stellationen an sich selber neue Dinge entdecken kann. Das ist ja das Schöne, dass man das meine kindliche Neugier auf das Musikmachen und alles miteinander zu einem Gesamtlebenswerk ver- alles, was damit zusammenhängt, verloren hätte. Ich weben kann. Wenn man ein Jahr mit einem Projekt bin da sehr mit mir im Reinen und hoffe, dass ich zusammengearbeitet hat, auf Tournee war, wie es bei nicht all zu viele Fehler begangen habe. Es ist schon der Lakaien Orchestertournee war, ist es wunderbar, so, dass ich mich gerne mit gerade jungen Musikern wenn man die Chance hat, sich dann in einem anderen Umfeld, mit anderen Konstellationen auszutauschen, um etwas zu erarbeiten. Dann kann man auch wieder mit neuer Energie und mit einem gewissen objektiven Blick zu einem anderen Projekt zurückfinden. Das ist in etwa so, als ob man nicht nur ein Zuhause hat, sondern mehrere. Das definiere ich jetzt nicht im familiären Sinne, sondern Zuhause ist da, wo man sich wohl fühlt. Wo Menschen sind, die einem etwas bedeuten und denen man etwas bedeutet. Wenn man da eine Auswahl hat, dann ist das doch eines der schönsten Geschenke im Leben. Du machst jetzt bereits seit 20 Jahren Musik. Denkst du, dass die Musik oder das Musikbusiness deine Person an sich, im positiven oder auch negativen Sinn geprägt, verändert oder geschliffen hat? Was würdest du beispielsweise ganz jungen Künstlern oder Bands, deiner eigenen Erfahrung nach, raten bzw. wovon unbedingt abraten? Geprägt sicherlich, geschliffen auch an gewissen Stellen. Man wird gelassener, man nimmt bestimmte Dinge nicht 10

austausche. Wenn sie an irgendwelchen Fragen verzweifeln oder nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, wo sie gar nicht die Zusammenhänge kennen können, dann bin ich gerne Ratgeber und bin dann auch deutlich parteiisch. Ich habe meine Meinung, was gewisse Mechanismen im Musikgeschäft betrifft. Ich warne immer davor, dass man zu schnell zu viel erreicht im Musikgeschäft, weil doch die meisten Beispiele eher abschreckend sind, von Leuten, die zu viel, zu schnell zu sehr ausgebeutet wurden. Stichwort natürlich Castingshows, wo junge Talente einfach verschlissen werden, und als scheinbar nicht marktkonform den Mut verlieren können, an sich zu glauben. Das geht ja dann auch oft bis hin zu unverschämten Beleidigungen über Menschen. Man soll sich überhaupt von niemandem etwas sagen lassen. Das Einzige, was zählt, ist die innere Stimme und wenn man wirklich den Drang hat, etwas zu tun, sollte man das tun. Und wenn man nur aus einer Attitüde heraus versucht, der coole Musiker zu sein, weil man, sagen wir tolle Fans bekommt und bewundert wird, dann ist das sicher nicht der richtige Ansatz. Denn eine Musiker- oder Künstlerlaufbahn, die einen auch ein Leben lang zufrieden stellen soll, egal wie viel Geld man damit verdient, sollte schon eher darauf beruhen, dass man versucht, einen langen Weg anzupeilen und sich nicht rumschieben lässt. Da gibt es ganz praktische Sachen, dass man sagt: „Hey, gehe erstmal nicht zu einer großen Firma, versuche erstmal, dass du dir auch einfach Erfahrung erarbeitest, indem du ganz viele, kleine Clubkonzerte spielst und wie die Reaktionen darauf sind, wie sich das anfühlt, ob du das überhaupt möchtest. Ob du nicht immer vor dem Auftritt soviel Angst hast, dass du eigentlich gar nicht auf die Bühne gehst.“ Man muss sich einfach austesten. Wenn man von irgendwelchen Geschäftsleuten alles gesagt und gemacht bekommt, dann wird man schnell zur Marionette und das kann natürlich im schlimmsten Fall auch in Abstürzen enden, die dann auch oft mit Drogen und anderen Dingen Hand in Hand gehen. Was war das Ungewöhnlichste, das dich je zum Schreiben eines Songs inspiriert hat?


Manchmal sind es wirklich ganz absonderliche Dinge, die einem auffallen und einen dann tatsächlich auf eine Idee bringen. „Der Kongress“ ist sicherlich ein Beispiel dafür, dass mich eine sehr absurde Situation inspiriert hat, als ich Geschäftsleute beobachtet habe, in einer beruflichen Situation, die für mich ausgestrahlt haben, dass sie sich nur selbst Wert schätzen und ihren Lebenssinn scheinbar nur darin finden, indem sie mit wichtigen Akten durch die Gegend laufen und glauben, sie wären irgendwelche besonders wichtigen Geheimnisträger oder Entscheider. Solche Menschen strahlen leider oft eine absolut emotionale Leere aus. Das ist eigentlich schon fast Mitleid erregend. Im schlimmsten Fall sind solche Menschen natürlich leider auch gefährlich, weil sie selbst gar kein emotionales Gleichgewicht haben und durch diese Karrieredominanz, die ihr Leben bestimmt, teilweise auch Dinge tun, die anderen Menschen schaden können. Oder sie sehen nicht mehr, was sie in diesem Kontext eigentlich alles anrichten, weil sie nur ganz engstirnig ihren Bereich im Blick haben, wie man vorwärtskommen kann und die Karriereleiter hochsteigt. Und deswegen heißt es ja auch: „Es macht keinen Sinn, außer auf dem Kongress.“ Denn es geht dann tatsächlich um Menschen, die außerhalb dieses Kongresses kein Leben haben. Du hast Filmwissenschaften studiert. Hast du schon über die Möglichkeit nachgedacht, selbst einen Film zu machen? Ja, da gibt es immer wieder Gedanken, dass man sich in ein Filmprojekt einbringt. Es ist ja oft eine Zeitfrage, denn die Arbeit als Musiker, Sänger und Texter nimmt sehr viel Platz in Anspruch und ich bin nicht derjenige, der sein komplettes Leben seinem Beruf widmet. Ich brauche ein Privatleben, welches sich glücklicherweise oft mit dem Beruf vermischt. Genuss und Arbeit vermischen sich so öfter. Was den Film betrifft, gibt es immer wieder Ansätze, wo man dann mitwirkt. Dokumentarfilme über die eigene Arbeit zum Beispiel, wie die Arbeit mit dem Orchester. Wird es auch Videos zum neuen Album geben? Da ist gerade so ein experimentelles Video in Arbeit, das gegen jegliche MTV- und Viva-Konfektionen angeht und sich widersetzt. Es ist ganz pur und einfach gehalten, um der Musik genug Platz zu verschaffen, ohne durch Effekte künstlich zu glänzen. TYVES OBEN

www.veljanov.de www.myspace.com/veljanov VÖ „Porta Macedonia“: 07.11.08 11


SCARELETT Cancer Barrack reloaded Noch vor einer Weile wusste keiner so recht, wer eigentlich hinter Scarelett steckt. Zurecht titelten wir vor ein paar Ausgaben: „Who the fuck is Scarelett?“. Jetzt ist es raus. Scarelett sind die legitimen Nachfolger der 80er Jahre Darkwave Legende Cancer Barrack. Dass die Jungs um den erfolgreichen Fetischfotografen Thomas van de Scheck darüber hinaus noch mehr zu bieten haben, verraten uns die gut aufgelegten und aus dem Schatten getretenen Musiker. TvdS: Scarelett steht für innovative, zeitlose und szeneübergreifende Musik, genauso wie es Cancer Barrack einst tat und auch heute noch immer tut. Stiff: Ja, mit einem großen Unterschied

Jeanine Krock „Die Sternseherin“ Ein packender Roman über Vampire, Elfen und ein geheimnisvolles Buch. Hauptprotagonistin ist Feentochter Estelle, die Hals über Kopf Paris verlassen muss und von Freunden im rauen Schottland versteckt wird. Dort treiben Elfen und Vampire ihr Unwesen und bald erkennt sie, dass alle fieberhaft nach einem geheimnisvollen alten Buch, dem Grimoire, suchen, das unglaubliche Kräfte verleiht. Als Estelle sich an der Suche beteiligt, gerät sie in einen Strudel der Leidenschaft und steht letztendlich vor der Entscheidung: Elf oder Vampir? Oder vielleicht haben die Göttinnen des Schicksals auch etwas ganz anderes im Sinn? Jeanine Krock hat ihre Leidenschaft für 12

allerdings. Cancer Barrack war ein Flaggschiff der deutschen Gothic-Bewegung, was Text und Sound anging. Scarelett ist da in jeder Hinsicht definitiv mehr Rock’n’Roll. Euer Line up ist alles andere als zu klein geraten. Man munkelt über illustre Musiker? Stellt mal vor. TvdS: Da braucht man nicht zu munkeln, es ist in der Tat so! Zum einen befinden sich bei Scarelett bekannte, kreative Köpfe aus der Gotic/Fetish/ SM-Szene und zum anderen echte Vollblutmusiker, die bereits mit Joe Cocker auf der Bühne standen oder Mitglied von Guildo Horns „Orthopädischen Strümpfe“ sind.

wenn du meinst. Jeder, wie er will. TvdS: Natürlich steckt hinter dem Titel „Versus You“ auch eine Kampfansage. Es gibt heutzutage tausend gute Gründe, um abgefuckt zu sein. Außerdem ist es ein Titel, der offen für jede Interpretation ist. Stell dir alles, was du Scheiße findest, an einem Fleck oder in einer Person vor. Das oder der ist dann dein persönliches „Versus You“.

Das Artwork ist provokant und sexistisch zugleich. Ist das die Breitseite gegen alle Moralapostel, einfach „Versus You“? Stiff: Ich persönlich finde es nicht so sehr provokant und sexistisch, sondern eher künstlerisch anspruchsvoll. Aber

Ihr habt hochkarätige Remixe auf eurem Debüt. Wie kam es dazu? TvdS: Als bekannt wurde, dass wir nun doch, nach all den Jahren, ein Debüt veröffentlichen werden, boten sich einige unserer befreundeten Bands und Musiker an, ihren Remix beizusteuern. Stiff: Ja, vor der Abgabe-Deadline ging es heiß her, und einige Remixe von echten musikalischen Schwergewichten konnten wir leider nicht mehr berücksichtigen. Das wird dann aber irgendwann vielleicht mal als Bonusmaterial das Licht der Welt erblicken. TvdS: Prinzipiell haben wir das jedoch

Vampire in der Post-Punk-Szene der frühen Achtziger entdeckt. Vampire stehen für sie ganz oben auf der Favoritenliste paranormaler Geschöpfe. Mit „Die Sternseherin“ hat sie eine weitere wunderbare Geschichte erschaffen. Dabei versteht sie es meisterlich, unsere Welt mit dem Übersinnlichen zu verbinden. Ein Must-have für alle Fans von Vampirgeschichten, die gleich noch eine großartige LiebesgeTONI IMMEL schichte bekommen.

lich wieder in seiner Abschiedsshow als Joker in „The Dark Knight“ gewahr und erinnert zugleich auch an das tragische Ableben seines Kollegen Brandon Lee, der bei den Dreharbeiten zu „The Crow“ starb. Über das Privatleben Ledgers war bis heute nur wenig bekannt. Brian J. Robb zeigt in seiner Biografie nicht nur den Schauspieler, sondern auch den Menschen Heath Ledger. Er begleitet ihn von seiner Jugend im australischen Perth bis zu seinem Tod in seiner New Yorker Wohnung. Dabei lässt er Weggefährten und Freunde wie Naomi Watts, Mel Gibson oder Heather Graham ebenso zu Wort kommen wie seine Eltern und beleuchtet

Brian J. Robb „Heath Ledger“ Heath Ledger war ein begnadeter Schauspieler. Sein plötzlicher und tragischer Tod mit 28 Jahren wurde uns erst kürz-

Foto: Heile Mania nicht geplant. Es hat sich einfach so ergeben. Das Geile allerdings ist, dass sämtliche Remixe nicht inflationär sind. Heute wird ja Hinz und Kunz geremixt und alles hört sich gleich an. Stiff: Gleich Scheiße, meinte er natürlich. Die Remixe unserer Songs aber haben alle ihren eigenen Charakter. Besonders stolz sind wir auf die „Maggots“-Version von Das Ich Mastermind Bruno Kramm und die „Hurt’n Bleed“Version von Frankreichs Vorzeigeindustrialmetallern Treponem Pal. Die hauen beide voll rein und sparen an nichts. GERT DREXL

www.myspace.com/scarelettt VÖ „Versus You“: 10.10.08

so die unbekannte Seite des HollywoodPOLONI MELNIKOV Stars. Annie Bertram „Wahre Märchen“ Der neue Bildband einer beeindruckenden Fotokünstlerin. Mit ihrem einzigartigen Stil fängt Annie Bertram Märchen, u.a. Dornröschen, Rapunzel, Rotkäppchen und Hänsel und Gretel auf spezielle düstere Weise ein. Unterstützt wurde die Fotografin von namhaften Autoren wie z.B. Dirk Bernemann und Jeanine Krock, die sich bei ihren Märchen-Versionen von den Bildern inspirieren ließen. Als Models agierten Szenegrößen wie Chris Pohl oder Marion Altwegg von den Metallspürhunden. So entstand ein traumhaft fotografisches Kunstwerk mit teilweise einzigartigen literarischen Interpretationen in ganz besonderem „gotischen“ Zauber. Ein Pflichtkauf für alle düsteren Märchenliebhaber und perfekt für die romantischen Herbsttage. RAINER SCHWARTZ


Elektronische Kunstlieder Die niedersächsische Sängerin Dörthe Flemming ließ bereits vor einem Jahr mit ihrem an das klassische Kunstlied angelehnte Debüt aufhorchen. Selten wurde bisher so gekonnt das klassische Paradigma mit gotischem Elektrominimalismus gepaart. Und gerade wegen des stilsicher intonierten Arienstils konnte der Erstling eine große Fanschaar aus gotisch und elektronisch interessierten Hörern hinter sich scharen. Tod und Verlust thematisierend, war das erste Album ein schwermütiges und tieftrauriges Werk, das im Vergleich zur eindimensionalen Tanzbarkeit vieler Szenehits erhebliche Aufmerksamkeit des Hörers verlangte. Seit einigen Monaten tüfteln Dörthe und ihr kongenialer Partner Jörg Knieschewski am Nach-

Dörthe Flemming: Die Thematik des letzten Albums war ja Tod und Verlust, im neuen Album dreht sich alles um die Liebe. Da kann es auch schon mal etwas temperamentvoller zugehen. Aber auch die ruhigen, besinnlichen Momente werden nicht zu kurz kommen.

Gerade im Kunstlied werden oft romantische Momente sehr intensiv verkörpert. Fehlt in unserer heutigen Gesellschaft der Platz für diese stillen und tiefen Momente? Auf jeden Fall! Die heutige Gesellschaft ist sehr schnelllebig und materialistisch – das spiegelt sich leider auch in Liebesbeziehungen wider.

Gibt es direkte Bezüge zu klassischer Musik oder Lyrik? Musikalisch orientiert sich auch dieses Album wieder an der Form des Kunstliedes. Auch ein von mir umarrangiertes Kunstlied von Schumann wird sich dort wiederfinden, sowie eigene Vertonungen von größtenteils romantischen Gedichten.

Wie arbeitest du an neuen Songs? Mit der Vertonung eines Gedichtes beginne ich zunächst mal am Klavier. Dort entstehen erste Entwürfe für die Gesangsmelodie und die dazu passenden Harmonien. Wenn dieses Grundgerüst feststeht, geht es ins Studio, wo dann die Mehrspuraufnahmen entstehen.

folger, welcher laut unseren ersten Höreindrücken weit tanzbarer und geradliniger daherkommt, ohne jedoch den künstlerischen Tiefgang zu vernachlässigen.

Welchen musikalischen Hintergrund hast du? Kommst du aus der Klassik? Ja, ich habe ein abgeschlossenes klassisches Gesangstudium mit Schwerpunkt Musiktheater und habe auch einige Jahre am Theater gearbeitet. Im nächsten Heft werden wir auf das Konzept des Albums, sowie die einzelnen Songs näher eingehen. SIEGMAR OST

www.bacio-di-tosca.de

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Fremder der Tränen

Schon das Debüt der Schweizer Dark Wave Band war bereits vor über einem Jahr unser Albumtipp des Monats. Die alptraumhaften Seelenbilder der schweizer Ausnahmestimme Michael Sele haben eine Dimension, die man in heutigen Produktionen leider allzu selten findet. So bauen The Beauty Of Gemina Brücken aus der Vergangenheit des frühen Cold Wave in die chromglänzende Welt moderner Synthesizersounds und vereinen so Genres, die bisher unvereinbar schienen. Während sich Michael im finalen Masteringprozess befand, gab er uns ein paar erste Eindrücke zum neuen Album mit dem kryptischen Titel „A Stranger To Tears“. Wie lange und wo habt ihr euer neues Album produziert? Hat sich die Besetzung geändert? Michael Sele: Wir haben mehr als ein Jahr am neuen Album gearbeitet und wie schon beim Debüt „Diary 14

of a Lost“ habe ich alles in meinem eigenen Tonstudio auf dem Album etwas Raum zu lassen und alles in aufgenommen, abgemischt und selber produziert. An allem ist somit fast ein kleines Orchester zusammen der Besetzung hat sich grundsätzlich nichts geändert, gekommen. Mac Vinzens am Schlagzeug Euer zweites Album verbindet und Martin Luzio am Bass „Das Lied ist all moderne elektronische Elebilden das Fundament des den DJs gewidmet, mente, klassischen Coldwave Sounds. Zusätzlich habe ich aber diesmal noch vermehrt welche bereit sind, und teilweise sinfonische Elemente noch weit homogener als Gastmusiker in die Proihre Ideale zu leben euer Erstling. Wie konntet ihr duktion miteinbezogen. So habe ich bei zwei Songs ein und die unbändige das noch erreichen? wirklich tollen Reaktionen auf Streichquartett eingesetzt, Freude an der Musik Die das erste Album haben mich nabei der Ballade „Into Black“ nicht zu verlieren.“ türlich gestärkt in meiner Art des zusätzlich eine Oboistin Songwritings und ich wollte den integriert und beim letzten Track einen befreundeten Jazzmusiker und wunder- angefangenen Weg konsequent weiter verfolgen. baren Kontrabassisten aufgenommen. Dennis Mungo, Natürlich lernt man auch mit jeder Produktion dazu, der im letzten Jahr als Livegitarrist mit uns auf Tour macht wichtige Erfahrungen, gewinnt Erkenntnisse war, hat bei einigen Stücken noch zusätzliche Gitar- und entwickelt seinen musikalischen Instinkt und die ren eingespielt. Es war mir wichtig, seinem Spiel auch persönlichen Fähigkeiten zunehmend weiter.


Hat euch der Erfolgsdruck nach eurem letzten Album während der Arbeit zugesetzt? Das zweite Album ist ja bekanntlich oft eines der schwierigsten, da einerseits ganz andere Erwartungen da sind und man vielleicht in der Versuchung ist, sich selbst beweisen zu müssen, noch bessere Songs zu schreiben wie beim ersten Mal und dies birgt dann die Gefahr in sich, dass man sich zu verzetteln beginnt oder versucht, etwas zu erzwingen. Das Wichtigste für mich war, meinen Stil ohne Kompromisse weiterzuführen, mir dabei selber treu zu bleiben, ohne mich aber selbst zu kopieren. Die Reaktionen werden zeigen, ob mir diese, sicher nicht immer einfache, Gratwanderung geglückt ist. Du hast stimmlich noch einmal gewaltig zugelegt. Gab es persönliche Einschnitte, die in dir einen neuen Leidensdruck erzeugt haben? Ich würde es weniger als Leidensdruck bezeichnen, sondern denke, dass das gewonnene Selbstvertrauen durch den Erfolg des ersten Albums mir geholfen hat, die persönlichen Grenzen noch mehr auszuloten. Dann konnte ich bei den vielen Livekonzerten wertvolle Erfahrungen sammeln, welche mich inspiriert und motiviert haben. „The Lonesome Death Of A Goth DJ“ – Was bedeutet dieser Song für euer Szenegefühl? In einer Welt des Mainstreams, der Verkaufszahlen und Einschaltquoten, einer Welt, die von ausbeutenden und nach immer mehr Profit und Umsatz strebenden Wirtschaftskonzernen diktiert wird, sind sie vielleicht eine der letzten Kämpfer und Individualisten. Doch spürt man gerade auch in der Szene

VÖ „A Stranger To Tears“: 26.09.08

immer mehr die latente Frustration und stetig wachsende Resignation. Das Lied ist all den DJs gewidmet, welche bereit sind, ihre Ideale zu leben und die unbändige Freude an der Musik nicht zu verlieren. Wofür steht der Titel „A Stranger To Tears“ – Fühlst du dich als solcher? Diese berechtigte Frage begleitet mich schon lange, denn die Idee zum Titel des Albums ist mir schon ganz am Anfang des ganzen Arbeitsprozesses gekommen. Diese vier Worte fanden immer wieder den Weg in meine Gedanken und begleiteten mich durch die ganze Zeit meiner monatelangen Arbeit. Sie setzten sich in meinem Kopf fest, wurden zum steten Vertrauten und unbekannten Freund, versteckten sich von Zeit zu Zeit, kamen wieder zum Vorschein, manchmal überraschend und meist unangemeldet und sollten mich schließlich bis zum Abschluss der ganzen Produktion nicht mehr loslassen. Wer war oder ist dieser geheimnisvolle Fremde, der sich mir nicht zeigen wollte? Immer war er da und doch eigentlich nicht. Ich wusste, dass ich mich aufmachen wollte, ihn zu suchen, ihn zu finden, zu verstehen – herauszufinden, warum er ein Fremder der Tränen wurde. Das Cover zeigt eine fast schon erschreckend in der Zeit stehen gebliebene Wohnung. Wo habt ihr die Bilder aufgenommen? In diesem Fall haben wir in einem etwas ungewöhnlichen und ziemlich außergewöhnlichen Hotelzimmer die perfekte Location gefunden, um die Songs und die Stimmung von „A Stranger To Tears“ optimal zu visualisieren. Im Booklet wandeln wir durch die verlassenen Gänge, finden uns wieder in engsten Räumen, haben den Blick auf all die Details gerichtet. Haben wir bei „Diary Of A Lost“ alles von außen betrachtet, ein verlassenes Haus auf dem Frontcover, der Videoclip in einer imposanten und wilden Berglandschaft, Bilder von Naturgewalten als Visuals bei Livekonzerten, war es diesmal von Anfang an Konzept und auch logischer Schritt der Weiterführung, die neue visuelle Welt im Drinnen aufzubauen. In dem Hotel, wo wir schließlich alle Fotos gemacht haben, waren wir übrigens bei einem Konzert einmal einquartiert gewesen und die spezielle Atmosphäre hatte mich vom ersten Augenblick an fasziniert und regelrecht gepackt. Gerade aus der Schweiz erscheinen in der letzten Zeit mehr und mehr interessante neue Darkbands. Wie erklärst du dir diese aktuelle Strömung?

Das ist eine schwierige Frage und weiß nicht, ob es dafür eine Erklärung geben könnte. Es ist aber sicher so, dass es in der Schweiz sehr schwierig ist, mit etwas unkonventionelleren Songs und dunkleren, schwereren Klängen ein breites Publikum zu finden. Auch gibt es leider kaum Magazine oder Special Sendungen bei Radiosendern, welche dieser Art von Musik eine Plattform bieten würden. Vielleicht müssen wir uns einfach deshalb besonders anstrengen. GERT DREXL

www.gemina.ch 15


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war zweifelsohne die Wiedervereinigung 2008 – die Geschichte geht voran. Oder zu- Deutschlands, denn rück? Ich erinnere mich an ein kleines Festi- wir stammen hälftig val in Magdeburg namens „That Spring“. Der aus den alten und Hauptact des Abends waren die inzwischen den neuen Bundesaufgelösten Ghosting und davor war eine ländern und hätten Band, die mir schon lange ein Begriff war, andernfalls wohl allerdings unter dem Namen Isecs. Die Band nie unsere Kapelle nannte sich um und hieß fortan Kontrast, und gründen können. sie bietet Kontrast zum Einheitsbrei, der sonst Und man sollte sich gerne zu hören ist. Wem Kontrast bis dato kein in Erinnerung rufen, Begriff ist, kann sich das Lied, das oft genug in mit welch schrägen Clubs gespielt wird, ins Gedächtnis rufen: Der Songs man damals Platz „Einheitsschritt“. Kontrast haben natürlich viel 1 der deutschen Charts mehr zu bieten als den einheitlichen Schritt – erreichen konnte („G-g-g-gsiehe das neue Album „Vision geil“) – das hatund Tradition“. „Den Durchbruch te was! Wahrscheinlich jedoch neigt wohl so ziemlich jeder planen wir Mensch dazu, diejenigen Werte, die Wortwitz und wunderbare elektronische Kompositionen eigentlich schon er in seiner Kindheit aufgenommen hat, zum Maßstab zu erheben und – so kennt man Kontrast. Was seit mehr als zu glorifizieren. Aber natürlich war bewegte euch zum genialen Song „80er Jahre“? zehn Jahren.“ auch in den 80er Jahren längst nicht Roberto: Wir sind allesamt in den 80er Jahren groß geworden. Vielen unserer Songs hört man unmissverständlich an, dass uns die klangliche Ästhetik dieser Dekade schon immer fasziniert und maßgeblich beeinflusst hat. Da sich unser neues Album mit „Vision und Tradition“ auseinandersetzt, war es nur logisch, auch den 80er Jahren endlich unser musikalisches Denkmal zu setzen. Natürlich mit dem Kontrast-typischen Augenzwinkern im Text, für den wir einfach unsere Kindheitserinnerungen zusammengetragen haben.

Lass uns Brause trinken, Baby!

Hand aufs Herz: Wie sehr hängt ihr an den 80er Jahren? Ein für Kontrast sehr wichtiges Ereignis

alles Gold, was glänzte. Deshalb fragen wir am Ende des Songs schließlich auch, ob der „Becher der Erinnerung halb voll oder halb leer“ ist. „Durchbruch“ – so heißt einer eurer neuen Songs. Plant ihr diesen tatsächlich? Wie würde ein typischer BackstageBereich dann aussehen, wenn ihr es schafft? Den Durchbruch planen wir eigentlich schon seit mehr als zehn Jahren; leider ist es bisher bei der Planung geblieben. Nichtsdestotrotz hätten wir natürlich nichts dagegen, wenn sich unser neues Album gut verkaufen würde. Dann könnten wir von Konzertveranstaltern endlich auch einmal verlangen, dass sie uns mehrere große Schalen Gummibärchen in den Umkleideraum stellen. Aber bitteschön manuell nach Farben sortiert! Ist eine Tour oder eine Konzertreihe zum neuen Album geplant? Wenn ja, was wird das Publikum erwarten? Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Show stetig optimiert und halten zu jedem Song eine entsprechende visuelle Untermalung bereit. Neonlicht und ein neuer Bühnen-Roboter spielen dabei eine große Rolle; wer ein Kontrast-Konzert besucht, bekommt also weit mehr geboten als ein Vollplayback vom MD-Recorder. Selbstverständlich wollen wir unser neues Album im Winter auch live vorstellen, und sobald die Flügel des Schicksals diesbezüglich konkrete Termine für uns abgemacht haben, werden wir die Daten natürlich umgehend auf unserer Homepage bekannt geben. DANIEL FRIEDRICH

www.einheitsschritt.de VÖ „Vision und Tradition”: 24.10.08 17


20 Jahre sind eine wirklich lange Zeit. Viele der jüngeren Szenegänger können sich gar nicht mehr an die Anfangstage von Qntal erinnern, als noch Ernst Horn gemeinsam mit Michael Popp und Syrah die erste Symbiose aus dem vermeintlichen Gegensatzpaar Elektronik und Mittelaltermusik in Form gossen. Die Werkschau der Band ist zugleich eine Zäsur, um innezuhalten, zurückzublicken, um dann zu neuen Ufern zu schreiten, denn die musikalische Lebensgeschichte des Michael Popp und seinen Mitstreitern hat doch erst begonnen.

Am Anfang klang Qntal archaischer und trockener als heute. Mittlerweile ist Qntal metaphysischer, schwebender geworden. War das ein Ziel? Wohin geht die Reise noch? Die ganze Soundlandschaft hat sich verändert. Das liegt schon mal am Equipment: In den frühen 90ern waren wir ja alle „Homerecorder“, ein Begriff, den es heute gar nicht mehr gibt. Das bedeutete: Low budget, vergleichsweise billiges Equipment, trashigerer Sound. Heutzutage werden sogenannte Lo-Fi-Produktionen mit mehr technischem und finanziellem Aufwand hergestellt als „amtliche“ Produktionen. Diese Entwicklung verändert natürlich auch die HörWenn ihr die Best Of überblickt: In welche stili- gewohnheiten, nicht zuletzt von uns Musikern selbst. stischen „Epochen“ würdet ihr Qntals Schaffen Es ist eben leicht, alle Ecken und Kanten auszubüunterteilen? Welche Songs beschreiben einen geln. Ich gebe aber zu, dass das schon manchmal Umbruch? ein Problem ist, weil der Sound „In den Anfängen eben sehr leicht glatt und unverMichael Popp: In stilistischer Hinsicht sind wir von Anfang an bindlich daherkommt. Da muss war alles mehr mehrgleisig gefahren. Da gibt man schon aufpassen. Im letzten es Musik für Clubs, lyrische oder selbst gemacht und Album haben wir mal wieder hymnische Songs, Songs mit selbst organisiert.“ versucht, den ganzen Aufwand starkem mittelalterlichen Touch, zurückzufahren. Das hat aber neExperimentelles usw. Aus diesen musikalischen ben viel Zustimmung auch einige kritische Stimmen „Pools“ bedienen wir uns nach wie vor, sodass man eingebracht. Hören ist ein ziemlich unbewusster Voreigentlich nicht von verschiedenen Epochen spre- gang und man kann das Rad der Geschichte nicht chen kann. Aber natürlich hat der Ausstieg von Ernst so einfach zurückdrehen. Insgesamt würde ich das Horn einen großen Einschnitt bedeutet und uns wie- schon als Dilemma bezeichnen. der zu neuen Ufern geführt. Es ist wichtig, dass man so einen Cut nicht nur als Verlust, sondern auch als Die persönliche Biografie formt auch das Chance begreift. Das ist wie im wirklichen Leben bei Schöpferische in der Musik. Wie würdet ihr eure heutige Arbeitsweise im Vergleich zu früTrennungen. her beschreiben? Im Info huldigen euch viele Kollegen, Künstler Die Arbeitsweise hat sich nicht so sehr verändert. und Musiker. Inwieweit glaubt ihr, die heutige Syrah schlägt Texte vor, ich komponiere und Fil proMusiklandschaft selbst verändert zu haben? duziert. Und alles greift irgendwie ineinander und Gibt es Nachwuchskünstler, die gerne euren ist nicht strikt getrennt. Die Biografie verändert eher Rat einholen? den Background, sie verändert die Motivation, MuDie Musiklandschaft hat sich natürlich verändert. Es sik zu machen. Man dringt eben immer tiefer in die ist alles mehr durchorganisiert und kommerzialisiert. Dinge und auch in seine eigene Persönlichkeit ein. In den Anfängen war alles mehr selbst gemacht und selbst organisiert. Da hatte man vielmehr Kontrolle, Ist man weniger radikal, dafür sanfter geworoder besser gesagt, Kontakt zum ganzen Umfeld. In den – wie das Alter im Allgemeinen? dieser Hinsicht können wir keinen Rat geben, die Für mich trifft das nur zum Teil zu. Wenn ich über Zeiten sind einfach nicht mehr so, aber Erfahrungen die gesellschaftliche Situation im Allgemeinen und die des Musikgeschäftes im Besonderen nachdenke, weitergeben, das machen wir gerne und häufig. 18

sind meine Ansichten eher noch radikaler geworden, aber im persönlichen Umgang bin ich viel konzilianter und weicher geworden. „Purpurea“ - Wofür steht dieser Name? Purpur – das ist die Farbe, die im Altertum aus dem Sekret einer Schnecke gewonnen wurde. Eine äußerst kostbare, schöne und kräftige Farbe, die Farbe der Edlen, die Farbe der Leidenschaft und des Blutes. Sind das nicht alles Gründe, sein Werk so zu nennen?


Wie ist heute die Beziehung zu dem früheren Gründungsmitglied Ernst Horn? Gibt es noch einen Austausch? Es gibt wieder Austausch. Wir treffen uns hin und wieder in München. Es gibt keine Probleme zwischen uns. Wer weiß, vielleicht machen wir ja eines Tages wieder einmal etwas zusammen. Man sollte auf jeden Fall nie „nie“ sagen. Inwieweit konnte Fil, als spät eingestiegenes Mitglied, der Band eine eigene Facette ab-

gewinnen bzw. bei- ganz gute Chancen, dass das einmal – hoffentlich in steuern? weiter Ferne – so sein wird. Er hat den Sound in eine andere Richtung Gibt es musikalische Ideen, welche sich nicht gebracht. Er hat auch so mit Qntal verwirklichen lassen? aufgrund seines ju- Natürlich! Obwohl wir schon eine ganz schöne Bandgendlichen Alters eine breite abdecken können. Aber eine Band ist auch andere musikalische immer die Entscheidung gegen ganz viele andere Geschichte und andere musikalische Möglichkeiten. Deshalb mache ich imErfahrungen. Er geht die mer wieder gerne Ausflüge in unbekanntes Terrain. Dinge mehr mit einem Vor ein paar Wochen habe ich z.B. bei einem KonBauchgefühl an, Ernst zert in Polen mitgespielt, das „Mozart meets India“ hieß. Da gab es klassische Musiker und ich sind ja „Jedes und Sänger und indische Musik in schon irgendeinem. Eine tolle Erfahrung! wie intellektuLeben hat eller. Die Zuein Ende, ob Was sind die wichtigsten Mosammenarbeit mit Fil ist in es damit ein mente im Rückblick seit den Sentimental wie jedem Fall sehr Ziel erreicht Anfängen? rational? fruchtbar und hat, weiß Es ist ein Staunen, eine Verwunauch interesderung. Erstens, dass die Band so sant für mich. ich nicht.“ lange durchgehalten hat. Dafür Die Szene hat sich übrigens ein riesiges Danke an die Fans, ohne die es stark verändert. Gibt sicherlich nicht funktioniert hätte. Zweitens wundere es bei euch einen ich mich immer, was einem so musikalisch einfällt, Austausch mit der wenn man es aus der Distanz betrachtet. Das bin ich Szene oder lebt ihr und doch nicht ich, weil ich ja schon ein anderer bin. bewusst in eurer mu- Vielleicht ist das so ähnlich, wie wenn man sich Kinsikalischen Gegen- derbilder von sich selbst ansieht. Man erkennt sich, welt? aber so richtig kann man es mit der gegenwärtigen Eher Letzteres. Wir ha- Person nicht zusammenkriegen. GERT DREXL ben schon Kontakte, aber wir wollten und www.qntal.de wollen nie eine „Szeneband“ sein. Dafür ist unsere Arbeit zu ernsthaft. Nur Spaß zu haben, ist nicht so mein Ding, aber Austausch Fotos: Severin Schweiger gibt es schon. Wir haben erst vor kurzem beim Comeback von The Eternal Afflict ein bisschen was beigesteuert. Auch auf der Remix-Ebene gibt es einige Kontakte. Wo seht ihr Qntal in 20 Jahren? Hat diese Reise ein Ziel? Jedes Leben hat ein Ende, ob es damit ein Ziel erreicht hat, weiß ich nicht. So ist es auch mit Qntal: Der Weg ist das Ziel, wenn es einmal zu Ende sein wird, hoffe ich auf eine fruchtbare, inspirierte und erfüllte Zeit zurückblicken zu können. Da sehe ich

VÖ „Purpurea“: 31.10.08

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Wesen im Schatten des Waldes

Als ich euer Factsheet in die Hand bekam und „Atmosphärischer Dark-Folk“ las, dachte ich: „Uiuiui, da wird man bestimmt wieder schön in den Schlaf geflötet und gezupft!“ Um so angenehmer überrascht war ich dann, als ich „The Silver Falls“ hörte. Ab und an tauchen hier und da sogar mal verzerrte Gitarren, oder sogar leichte Elektronik auf, sodass euer neues Album eine richtig hübsche, runde Sache ergibt und nicht langweilig oder gar einschläfernd wird. Was bedeutet es für euch, Musik machen zu können und sie anderen Leuten zu präsentieren? Nico: Mir war es vom ersten Demo-Tape an wichtig (damals noch mit einer anderen Band), das Publikum zu erreichen. Ich habe mich immer sehr über Feedbacks gefreut und den Kontakt zum Hörer gesucht. Heute ist das mit Elane nicht anders. Ob der Kontakt nun über Internet-Foren, in Chaträumen oder nach Konzerten entsteht: Ich freue mich sehr, wenn wir Feedbacks erhalten und im Dialog zu unserem Publikum stehen. Ich mag den kuscheligen, verträumten Dark-WaveTrack namens „Silverleaf“. Gibt es zu dem eine schöne Geschichte zu erzählen? Joran: Vielleicht ist es ein geheimes Treffen zweier Wesen im Schatten des Waldes. Das Silberblatt symbolisiert ihre Liebe und Verbundenheit. Ein Moment unsagbarer Liebe und Sehnsucht. Ähnlich wie bei „Tears And The 20

Foto Andreas Walter N Fleczok Artwork Glenvore-art

Man braucht, Goth sei Dank, gar nicht sehr weit über den Teich zu Labels wie Projekt zu schauen, um weiche, romantische Musik zu finden. Also warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Deutschland selbst bringt solche Babys auch hervor und Elane mit ihrem neuen Album „The Silver Falls“ gehören ganz eindeutig dazu. Anlass genug für mich, da mal etwas tiefer nachzubohren.

Perfect Light” (The Fire of Glenvore) und „My Brightest Star” (Lore of Nén). Auf dem Album stellt dieses Lied einen Moment der Ruhe dar.

Was verbindet euch speziell mit der Mittelalter- und Folkmusik? Steht sowas bei euch Zuhause hauptsächlich im CD-Schrank? Nico: Ehrlich gesagt: nein. Ich habe zwar einige wenige Bands des Genres auf CD im Regal stehen (u.a. Faun, Unto Ashes oder Neun Welten), aber das erst seit gemeinsamen Konzerten, weil ich die Musik teilweise dort erst kennen gelernt habe. Als wir mit unserem ersten Album (The Fire of Glenvore) auf den Markt gingen, besaß ich nur die ersten beiden Blackmore’s Night-Alben, und wenn man einige Dead Can Dance-Stücke auch zum VÖ „The Silver Falls“ 24.10.08 mittelalterlichen Liedgut zäh-

len mag, dann auch diese. Und das war’s. Ich habe viele Weltmusik-CDs in meinem Regal stehen (vor allem skandinavische Folklore). Ansonsten höre ich eher ganz andere Musik als die, die wir selbst spielen. Um einige meiner Lieblingskünstler zu nennen: Anathema, Paul Roland, Peter Murphy, Danzig, Skyclad, John Barry, Deine Lakaien, Chris Hülsbeck, Tiamat, Rachael Sage usw. Joran: Ich liebe schöne und sehnsuchtsvolle Folkmusik, wie man sie z. B. bei Clannad findet. Belanglosen Folk mag ich nicht. Ruhigere oder gefühlvolle Mittelaltermusik kann ich mir auch ab und an anhören. Dudelsackterror, mit dem die Szene überschwemmt wird, eher weniger. Ich mag z. B. die reinen Folkalben von Clannad. Daneben hab‘ ich den Conan-Soundtrack oder höre auch Sachen wie Neun Welten, Carved in Stone, Narsilion, manche ausgewählte Irish-Celtic Folkmusik oder Loreena McKennitt. Ansonsten auch viele andere Genres. Das eine oder andere Mal klingen eure Gitarren wie die von Mike Oldfield. Hat der Altmeister irgendeine Art Relevanz für euch oder seid ihr jetzt geschockt? Joran: Wir nehmen es eher als Kompliment an, danke. Ich glaube die Stimmung ist teilweise ähnlich. Schwebend. Songs wie „To France” z. B. finde ich ja auch nach wie vor gut. Eigentlich würde ich den auch mal ganz gerne covern. Irgendwann mal. Nico: Mike Oldfield hat brillante Songs geschrieben, immer aber auch ein paar schwache Momente in seiner Schaffensphase gehabt. Dennoch: bei solch unfassbar großartigen Liedern wie „Moonlight Shadow”, „Family Man” oder das schon genannte „To France” freut man sich richtig, wenn sie mal im Radio laufen. Und Oldfields Beitrag zum „Exorzisten” („Tubular Bells”) ist unvergessen. „Moonlight Shadow” hatten wir ja für unser Debüt-Album bereits gecovert. Insofern sind wir natürlich nicht geschockt über die Frage. TYVES OBEN

www.elane-music.de www.myspace.com/elanemusic


Vic

Anselmo

Baltische Träume Osteuropa meldet sich szenetechnisch auch wieder mal zu Wort. Und manchmal schafft es immer mal eine Perle zum großen Sprung, über den geschmolzenen Eisernen Vorhang, in die westliche Welt anzusetzen, um dort gut zu landen. So wie die lettische Formation Vic Anselmo, deren Debütalbum „Trapped In A Dream“ in Kürze erscheinen wird. Musikalisch ist von Rock-Pop über Alternative-Indie bis hin zu klassischen Elementen alles vertreten. Bitte erzähle mir etwas über deine Wurzeln, was die Musik angeht? Ich liebe Musik schon seit Kindesbeinen an. Im Grunde höre ich bis heute alles querbeet. Von Led Zeppelin, Black Sabbath und Pink Floyd bis zu Alice In Chains, Pantera oder auch Dead Can Dance. Meine erste Ressource für Inspirationen sind jedoch Träume. Ich fühle mich in meinen Träumen wie Zuhause. Sie sind eine Fluchtstätte, in der ich mich frei bewegen und mich vor Problemen und der Realität für eine Weile verstecken kann. Abgesehen von Träumen gibt es natürlich noch unendlich viele Inspirationsquellen. Bücher, Kunst, Architektur. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, als ich den Kölner Dom das erste Mal sah, war ich nahe daran zu weinen, so beeindruckt war ich. Dann gibt es noch Leute, das Wetter, einige Orte meiner Heimatstadt, Halbruinen, verlassene Fabriken und Gebäude oder einfach die Natur hier in Litauen, Felder, Wälder

und kristallklare Seen. Hier gibt es jede Menge schöne und mysteriöse Orte. Du beschreibst deine Musik auf deinem Myspaceprofil als Gothic. Deine Stimme erinnert mich manchmal an Amy Lee. Was verbindet dich mit dem Begriff Gothic? Gothic repräsentiert eine dunkle und mysteriöse Atmosphäre. Diese Atmosphäre fand ich schon seit frühester Kindheit attraktiv. Ich mochte schon immer mystische Geschichten und Filme. Ich kann mich noch gut daran erinnern, Stephen King‘s „Shining” aus dem Bücherregal meiner Eltern genommen zu haben. Ich habe es ausgewählt, weil es ein gruseliges Cover hatte und es war mein erstes ernstes Buch. Ebenfalls schrieb ich meine eigenen kleinen Horrorgeschichten nachdem ich „Geschichten aus der Gruft” gesehen hatte. Eine meiner Geschichten handelt von einem Basketball, der den Teammitgliedern die Finger abbeißt. Ich spielte alle möglichen Spiele, in denen es um mystische Kreaturen und Abenteuer ging. Diese mystische Atmosphäre war immer sehr inspirierend für mich. Was inspiriert dich beim Schreiben deiner Texte? Würdest du dich selbst als

eine Art „Tagträumer“ bezeichnen? Bevor ich zu Bett gehe, sehe ich manchmal merkwürdige Bilder vor meinen Augen, welche oftmals einen großen Detailreichtum aufzeigen. Von merkwürdigen Kreaturen, befremdlicher Architektur oder auch hässlichen Gnomen im Himmel, die Fenster zu furchtbaren und blutigen Bildern öffnen. Ich mag es, Geschichten zu erfinden über Orte, die ich mal besucht habe. Einfach über ihre Vergangenheit und Zukunft, wer dort verweilte und was dort vielleicht mal passiert ist. Du inszenierst dich im Artwork deiner CD als schüchternes Mädchen, eingesperrt in einer Fantasiewelt. Was bedeutet die Uhr auf dem Inlay? Das Cover wurde von einem sehr talentierten lettischen Künstler namens Artur Berzinsh entworfen. Die Uhr hinter dem Tray symbolisiert die Stunde, in der es Zeit wäre, zu Bett zu gehen, um das „Traumland” zu besuchen, dort wo die Fantasie zur Realität wird. Gleichzusetzen mit dem Countdown, bis du wieder aufstehen musst. Kannst du dir vorstellen was passieren würde, wenn die Uhr aufhören würde zu ticken? Du wärest „Trapped In A Dream“, in einem Traum gefangen. TYVES OBEN

www.vicanselmo.com www.myspace.com/vicanselmomusic VÖ „Trapped In A Dream“: 10.10.08

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FELIX MARC Vom Keyboarder zum Solokünstler Felix Marc, werden sich einige fragen, wer ist denn das? Aber nicht jeder muss sich einen ausgefallenen Künstlernamen zulegen, schon gar nicht wenn man das Glück buchstäblich im Vornamen stehen hat. Dabei ist Felix ja auch nicht irgendwer und eigentlich schon lange im Geschäft der düsteren Klänge. Zunächst als Keyboarder der Band Diorama, nutzte er die Gunst der Stunde, als ein gewisser Vasi sein erfolgreiches Futurepop Projekt Namnambulu zu Grabe tragen musste und einen neuen Sänger für das Nachfolgeprojekt Frozen Plasma suchte. Da man sich in den Elektro-Kreisen ja doch durch die verschiedensten Festivals kennt, war der Kontakt schnell geknüpft und die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Nun war Felix während seiner gemeinsamen Zeit mit erstgenannten Bands auch nicht un22

tätig, hat seine kreativen Ideen zu Papier gebracht und dank seines Labels Infacted die Möglichkeit erhalten, sein erstes eigenes Album zu produzieren. Das Werk „Pathways“ wird nicht nur den Fans der oben genannten Bands ansprechen, vielmehr ist hier eine Symbiose aus all diesen Bands mit einem Schuss von Felix‘ eigener Vergangenheit, die vor allem auch Hörer über die Fan-Base hinaus ansprechen dürfte, denn von VNV Nation bis Pet Shop Boys, Mesh bis De/Vision oder Camouflage bis Schiller sind alle Einflüsse elektronischer Spielarten vertreten. Gratulation zu deinem wirklich gelungenen Erstlingswerk. Wie lange hat es gedauert, das Ganze fertigzustellen? Felix Marc: Vielen Dank. Die Phase des eigentlichen

Fertigstellens des Albums hat ca. sechs Monate in Anspruch genommen. Die einzelnen Songs entstanden aber schon zu früherer Zeit. Der älteste Song auf dem Album ist „Separation“ und gut und gerne zehn Jahre alt. Das Album heißt „Pathways“. Auf welchen Pfad möchtest du uns denn führen? Wohin soll die musikalische Reise gehen? Der Titel des Albums steht symbolisch für die Lebenspfade, die sich vor uns darlegen und es uns selbst überlassen, welchen Pfad wir davon beschreiten. Im konkreten Bezug auf mein Album bekommt das Ganze dann noch eine autobiografische Note, da die einzelnen Albumtitel über einen Zeitraum der letzten zehn Jahre entstanden sind und somit von meinen musikalischen Pfaden und persönlichen Erlebnissen während dieser Zeit erzählen.


dir klar, dass du eigentlich hinter das Mikrofon Konzert selbst in eine intensive Konzentrationsphase gehörst? Hast du eine Gesangsausbildung ge- begebe. macht? Das Singen, wie auch das Keyboard- „Symbolisch steht Der erste Song „ Give back the spiel und das Komponieren habe ich hat Sequenzen in ‚Pathways’ für Moments“ mir alles selbst beigebracht. Eine Ausden Strophen, die an alte Diobildung in dieser Richtung habe ich die Lebenspfade, rama- Klassiker erinnern. Abnicht. Zum Gesang fand ich während Und was bedeutet das die sich vor uns sicht? eines Austauschjahres in Amerika, wo Lied für dich? Außerdem gibt darlegen und es hierzu ja auch schon ein Viich im Schulchor mitgesungen habe. Hier entdeckte ich zum ersten Mal deo; wie war der Videodreh? es uns selbst mein Interesse an vielschichtigem GeWelchen Klassiker meinst du denn? überlassen, sang, da im Gegensatz zu deutschem Nein, der Song sollte nie wie ein Musikunterricht gute Songs praktiziert welchen Pfad Diorama-Stück klingen. Er hat seiwurden und somit auch der Spaß an ne ganz eigene Geschichte, die ja wir davon der Sache vermittelt werden konnte. auch im Video erzählt wird. Es ist beschreiten.“ eine sehr persönliche Erfahrung, die ich in einen Song umgesetzt habe. Wie kam der Kontakt zu Vasi zustande? War es eine schwere Entscheidung, Nachdem eine langjährige und für mich wichtige Bedich mit dem Nachfolge-Projekt gegen die ziehung in die Brüche gegangen ist, kamen Vorwürmarkante Stimme von Henrik (ex-Namnambu- fe auf, dass die gemeinsamen Momente verlorene lu) in Konkurrenz zu setzen? und falsch investierte Zeit war, die man jetzt unter Vasi lernte ich 2005 auf der VNV Nation Tour kennen, Einfluss der Enttäuschung zurückforderte. Der Videowo ich mit Diorama als Vorgruppe dabei war. Bei dreh war eine ungemein interessante Erfahrung, die den Soundchecks wurde er auf meine Stimme auf- ich alleine jedoch nie hätte stemmen können. Glückmerksam und fragte mich, ob ich Interesse an einer licherweise hatte ich ein tolles Team, das mir half, Zusammenarbeit hätte. Als dann NNB auseinander- mit bescheidenen Mitteln ein maximales Ergebnis zu brach, redeten wir konkret über Frozen Plasma und erzielen. Die Vorbereitungen dauerten 4-6 Wochen. das Nachfolgeprojekt. Zu diesem Zeitpunkt war ich Als Drehort dienten die leer stehenden Kellerräume mir bereits darüber bewusst, dass ein Teil der NNB eines alten Fabrikgebäudes in Reutlingen. Hier wurFans mit meiner Stimme im Vergleich zum Vorgänger den alle Szenen an zwei aufeinanderfolgenden WoProbleme haben könnten. Aber ich war auch selbst- chenendtagen abgedreht. Danach schloss sich noch bewusst genug, mir zuzutrauen, diese Leute kurzfri- ein mühsamer Post-Produktion Prozess am Rechner stig von meiner eigenen Stimme zu überzeugen. an, der auch nochmal vier Wochen dauerte. Einflüsse von Diorama sind nicht zu überhören. Wie warst du dort in die schöpferische Phase eingebunden? Ich denke, es ist ganz normal, dass sich Einflüsse aus den anderen musikalischen Projekten auch in meinen Werken finden lassen. Schließlich bin ich nach wie vor auch dort tätig und absorbiere Einflüsse, die ich dann zumeist unterbewusst und in einer abgewandelten Form in eigenen Kompositionen weiterverarbeite. Bei Diorama bin ich als Co-Produzent seit dem zweiten Album („Her liquid arms“) integraler Bestandteil bereits während der Produktionsphase. Die Arbeiten an neuen Tracks erfolgen in enger Zusammenarbeit mit Torben, was letztendlich zu dem ganz eigenen Diorama-Sound führt. Deine Stimme ist ja seit Anfang 2000 als zweite Stimme von Diorama im Ohr. Seit wann war

Wir haben uns, glaube ich, vor einem der ersten Meine Favoriten sind „ Give back the MoKonzerte von Frozen Plasma in der Batschkapp ments“ und die Ballade „Separation“. Welches in Frankfurt getroffen. Deine Nervosität war ist dein Lieblingslied auf dem Album? schon zu erkennen, aber der Das ist schwer zu sagen, weil Auftritt war derart profesauf dem Album die Songs sionell. Hut ab. Hast du ein gelandet sind, die mir in den Mittel gegen Lampenfieber? letzten zehn Jahren am meiJa natürlich. Die Nervosität bei sten bedeutet haben. Diese den ersten Konzerten resultierte nochmals gegeneinander zu natürlich daraus, dass mir die gewichten, ist schwierig. Je Rolle als Frontsänger komplett nach Laune und Gefühlslage neu war. In dieser Rolle musste wähle ich unterschiedliche ich mich erst noch finden. Die Songs des Albums aus. Der Nervosität hat sich inzwischen Random-Mode an meinem gebessert. Auch weil ich auf CD-Player ist da eine willeine konsequente Vorbereitung kommene Funktion. HEIKO NOLTING achte, d.h. Proben der Songs, VÖ „Pathways“: 29.08.08 www.felixmarc.de und mich unmittelbar vor dem 23


Der mit dem Klappzylinder tanzt Wer letztes Jahr den Bundesvision Song Contest von Stefan Raab gesehen hat, wird sich vielleicht an die Band Northern Lite erinnern, die dort einen guten sechsten Platz geholt haben – auch durch die Unterstützung der Sängerin Maria Antonia – ihres Zeichens Sängerin der Electro-ChansonPop-Band Chapeau Claque. Chapeau Claque sind anders. Sie singen von Störchen und von Rot und sie sind zuckersüß! Die Musik ist mehr als eingängig und der Gesang ist Erotik für die Ohren. In Deutschland fehlt der große Durchbruch noch – aber mit dem neuen Album „Fabelweiss“ sollte das auch nur noch Formalität sein. Reden wir also über das fabelhafte Weiss. Wie seid ihr auf den Albumtitel „Fabelweiss“ gekommen? ihr bereits einen TopMaria Antonia: An sich hat die eigentliche Fa- Ten-Hit gelandet mit der bel fast schon etwas Plattes. Sie reduziert einen Single „Reykjavik“ - wann bestimmten menschlichen Charakterzug auf ein meint ihr, wird es auch in Deutschland so bestimmtes Tier und lässt dich am Ende mit einer weit sein – und wenn, welchen eurer Songs Moral zurück. So etwas wäre heutzutage Schwarz- würdet ihr gerne in den Top Ten sehen und Weiss-Malerei. Vielmehr schätze ich die clevere warum? Idee, die eigentliche Aussage geschickt kreativ zu Schwierig, so etwas abzuschätzen. Für mich verpacken. Ich liebe es, mit Metaphern zu arbei- persönlich gibt es einige Kandidaten auf dem ten, somit gibst du der Geschichte nicht nur ihren Album, die den Hörnerv der breiten Masse trefeigenen Charme, sondern auch dem Hörer seinen fen könnten. Der konkreteste Song ist vermutlich „Unsere Liebe-ein Storch“. nötigen Freiraum um seine eigene Geschichte und Emo- „Meine Muse besitzt Hier werden Emotionen angedie ein jeder nachtionen zu finden. Wer seine keine Manieren und sprochen, vollziehen kann und auch muOhren aufmerksam spitzt, fällt unangekündigt sikalisch ist er spannend und kann in fast jedem Song auf energetisch arrangiert. Aber dem „Fabelweiss“-Album über mich her.“ am Ende ist so etwas nicht ein Tier enttarnen, sei es im Text oder als Klangkulisse. Für mich war klar, dass voraussehbar. ich dem zweiten Album ein Konzept, einen roten Faden verpassen werde, der sich nicht nur durch Eure Musik ist wirklich Zucker! Wie entstedie Musik selbst, sondern auch über Gestaltung, hen eure Songs – steht als erstes das Wort oder erst die Musik? bis hin zur Bühnenshow zieht. Dafür gibt es keine Regel. Prinzipiell gilt nur: In Griechenland, so konnte man lesen, habt „Nicht ich klopfe bei der Muse an, sondern wenn, 24

dann umgekehrt!“ Abgesehen davon besitzt meine Muse keine Manieren und fällt unangekündigt über mich her. Das kann dann auch mal hinter einem Erdbeerstand auf dem Markt sein, oder im Himalajagebirge in Nepal oder schlicht und einfach am Klavier Zuhause. Meistens schreibe ich Text und Melodie und bastele Zuhause am Apple das grobe Gerüst. Später geht’s ab in den Proberaum, wo wir als Band gemeinsam am Arrangement feilen und schließlich im Studio, zusammen mit meinem Produzenten Frithjof, ist auch noch Platz für so allerhand Experimente. Welche Requisiten werdet ihr in Zukunft noch aus dem Zylinder zaubern? Was habt ihr für die Zukunft noch in Planung? Unser erstes Ziel zurzeit ist viel zu spielen. Unseren Storch und unsere Frösche, Flughunde und Leoparden lebendig werden zu lassen. Was die Zukunft bringt, hängt sehr davon ab, wie dieses Album ankommt, aber an sich ist alles möglich. DANIEL FRIEDRICH

www.myspace.com/chapeauclaque VÖ „Fabelweiss“:10.10.08


Fleisch isst Fleisch Kannibalismus – Vordergründig denkt man sofort an Rothenburg und jenen schon oft popmusikalisch interpretierten Menschenfresser, der in seiner abgründigen Tat von Boulevard bis Feuilleton die Republik im Atem hielt, doch damit hat die neue Veröffentlichung von Das Ich nichts gemein. Das Ich melden sich in gewohnt radikaler Manier zurück und spendieren mit ihrer neuen EP „Kannibale“ einen Ausblick auf das im Frühjahr erscheinende Album „Ritual“. Die Clubremixe einiger der arriviertesten Vertreter der DAC dürften für heftigen Tanzflächeneinsatz garantieren.

als gäbe es kein Morgen. Kannibalismus üben wir aber auch an unseren nächsten Verwandten aus. Und das in bestialischer Präzision. Im Räderwerk der modernen Tötungsmaschinen sterben für unsere Gier auf Fleisch täglich Millionen von Existenzen einen qualvollen Tod. Manchmal, ohne je einmal das Tageslicht gesehen zu haben. Zu gerne schließen wir unsere Augen vor dieser alltäglichen Form des Kannibalismus. Zu gerne reduzieren wir Tiere auf eine niedere Stufe, klassifizieren so Leben in Kasten. Das Tier als Sache, der Mensch als Individuum – um unser eigenes Gewissen angesichts der blutigen Wahrheit zu beruhigen. Werden die drei neuen Songs der EP auch auf dem nächsten Jahr erscheinenden Album enthalten sein? Bruno: Nein, nicht in dieser Fassung. Ich denke, neun Songs und drei neue Titel sind für eine EP ein ganz guter Gegenwert. Auf der CD befindet sich auch ein Film zur PETA Kampagne. Was möchtet ihr vermitteln? Stefan: Wir sind alle zu Gast auf dieser Erde und alle gleich, wir stehen seit vielen Jahren zum Vegetarismus und wollen den Menschen mit dem Film zeigen, dass alle Lebensformen Schmerz und Leid empfinden. Wer dabei wegschaut, sieht auch nicht hin, wenn neben ihm ein Mensch erschossen würde, denn für uns heißt es: Speziesismus ist nichts anderes als Rassismus, daraus ergibt sich für uns eine Weltsicht des Miteinanderlebens und

Respektierens, ohne dem anderen Schaden oder Leid zuzuführen. Wer hierauf irgendwelche dummen und abwertenden Sprüche bringt, muss diesen Film sehen, während er sein Fleisch isst. Lass es dir schmecken! Neben der EP gibt es auch eine Fleischplatte. Was hat es damit auf sich? Stefan: Die Fleischplatte ist eine streng limitierte Variante, bestehend aus der EP, einem Button, einem Poster, einem blutigen Shirt und einem Aufkleber in einer zur Kampagne passenden Styropor-Fleischverpackung. Ihr geht wieder auf große Tournee, bis nach Russland. Wie kann man sich denn da als Vegetarier ernähren? Stefan: Es ist keine Frage des Landes. Zu meinen Veganer-Zeiten wurde ich mal von einer Rostocker Köchin gefragt, nein nicht gefragt, sie hat mich angeschrien: „Ja sag mal, was isst denn du dann noch?“ MARIUS MARX

www.myspace.com/dasich VÖ „Kannibale“: 26.09.08

Den Menschenfresser von Rothenburg habt ihr sicher nur sekundär im Visier eurer neuen CD? Bruno: So widersinnig diese Tat auch wirken mag, sie ist nur die vordergründigste Variante des Kannibalen. Kannibalistisch ist die Menschheit von Anbeginn, seien es die Gefangenen besiegter Stämme oder ganze Völker im Genozid von Rassenwahn oder religiöser Allmachtsfantasie. Besonders die westliche Welt, die sich selbst allzu gerne als zivilisatorische Elite betrachtet, watete ja im Blut der Völker. Das christliche Dogma als Kodex vorgeschützt, wurde bereits in der Zeit des Kolonialismus alles gefressen, was sich nicht unmittelbar unterwarf. So wurden ganze Kontinente samt ihren Naturreligionen und Weltanschauungen kannibalisiert, der christlichen Kultur unterworfen und zu guter Letzt ausgelöscht. Das wirtschaftliche Ungleichgewicht, die globale Umweltproblematik und das Fehlen sind sicher nicht nur der westlichen Welt zuzuschreiben, fanden hier jedoch ihren Ursprung und stützen bis heute „Bereits in der Zeit des unseren Wohlstand, Kolonialismus wurde während unser Hunger auf schnellen und alles gefressen, was billigen Konsum die sich nicht unmittelbar Ressourcen unseres unterwarf.“ Planeten ausplündert,

Foto: Thomas van de Scheck

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Suchtforscher Das Projekt des Sängers und Elektroniker Chris Tagore sorgte bereits vor vier Jahren für Aufsehen, als das Debüt „Nachtangst“ bei dem US-amerikanischen Undergroundlabel BLC erschien. Unzweifelhaft eine Novität für eine deutsche Band, die noch dazu viele deutschsprachige Songs im Gepäck hatte. Leider war es dann jedoch lange still um die Formation,

einzig und allein eine umfangreiche USA-Tournee schien vom Weiterleben der Band mit dem vielsinnigen Namen zu berichten. Auf dem neuen Werk „Sucht!“ schlägt die Band ihrer Tradition des düsteren, kraftvollen EBM eine Bresche und hebt sich mit klarem Gesangsfokus von der breiten Masse ab. Vier Jahre sind eine lange Zeit. Was hat sich bei euch persönlich und künstlerisch seit eurem Debüt „Nachtangst“ getan? Chris Tagore: In der Tat eine lange Zeit. Persönlich haben wir uns in den letzten Jahren vor allem um die Entwicklung auf beruflicher Ebene bemüht. In künstlerischer Hinsicht haben wir uns darauf konzentriert, unseren bereits auf „Nachtangst“ eingeschlagenen, eigenen Stil weiterzuentwickeln. So sind beispielsweise auch die Erfahrungen der US-Tournee in die neuen Kompositionen eingeflossen. Das neue Album ist noch melodiöser und rhythmischer, konzentriert sich noch stärker auf markante Soundstrukturen. Wie war die US-Tournee? Wie viele Dates und welche Eindrücke gab es? Diese Tour war für uns eine beeindruckende Erfahrung. Einerseits fast täglich an einem neuen Ort in einer anderen Klimazone zu sein, was eine echte Herausforderung für das Immunsystem

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war; andererseits die vielen positiven Reaktionen auf unsere Musik zu bekommen von Leuten, die uns noch nie zuvor gehört hatten. Bei den sehr vielen und sehr unterschiedlichen Eindrücken war die Herzlichkeit und Begeisterungsfähigkeit der Menschen in den USA eine der schönsten Erfahrungen. Der Name assoziiert mehr als reinen Spaß am Musizieren. Eure Message und Philosophie steht im Vordergrund. Welche inhaltlichen Dinge möchtet ihr auf „Sucht!“ verarbeiten? Unsere Philosophie war von Anfang an, mithilfe der Musik unsere Denkansätze zu bestimmten Themen äußern zu können. Auf dem neuen Album geht es inhaltlich um Sucht und Abhängigkeit bzw. die Suche nach dem, was eigentlich hinter diesen Begrifflichkeiten steht. Beleuchtet man es eingehender, stellt man fest, dass es dabei weit über die oft zitierten stoffgebundenen Süchte hinausgeht. Süchtige Verhaltensstrukturen findet man viel häufiger als gedacht, beispielsweise sehr oft auch in Partnerschaften, was in einigen der Songs auf „Sucht!“ zum Ausdruck gebracht wird. Habt ihr eigene Suchterfahrungen hinter euch? Zumindest spielt ihr darauf an, oder? Natürlich haben wir auch eigene Suchterfahrungen und thematisieren auch diese auf dem Album. Allerdings bezieht sich das nicht auf die Erfahrung mit illegalen Drogen oder ähnlichem. Vielmehr geht es dabei um die bereits erwähnte Beziehungsebene, die in meinen Augen eine mindestens genauso häufige Quelle für abhängiges Verhalten darstellt. Sadismus, Masochismus – welche Beziehung habt ihr zu BDSM? Hehe, also ich mag es zwar abwechslungsreich, bin dem BDSM aber nicht wirklich zugetan. Allerdings würde diese Frage sicher nicht von allen Bandmitgliedern gleich beantwortet werden. Bei den beiden Songs geht es aber nicht nur um die Form von Sexualität, die damit assoziiert wird (und in der Psychiatrie übrigens immer noch als sogenannte Störung der Sexualpräferenz verschlüsselt wird), sondern auch um die höchst pathologische Art von Partnerschaft, die sich häufig dahinter verbirgt. SIEGMAR OST

www.philosopherspoint.de VÖ „Sucht!“: 27.10.08


Lehrbuch der Apathie In beharrlicher Tradition veröffentlichen die Berliner Scream Silence Jahr für Jahr ein neues Album, ohne dass die Qualität darunter hörbar leider würde. Im Gegenteil: Die Band scheint gerade seit ihrem letzten Oeuvre einen songschreiberischen Quantensprung gemacht zu haben, denn die stilistische Ausrichtung ist trotz des schwermütigen Grundtenors vielschichtiger und musikalisch extrem überraschend ausgefallen. Scream Silence haben spätestens jetzt ihren ureigenen Stil gefunden. In welcher Tradition würdet ihr euch sehen, müsstet ihr euch in einer Rockologie einordnen? Robert: Nicht einfach, muss ich sagen. Als wir vor zehn Jahren angefangen haben, waren unsere prägenden Einflüsse eindeutig aus dem Gothic Rock dieser Zeit, wie etwa Tiamat oder auch Paradise Lost. Später ging es bei Scream Silence eher in Richtung Dark Rock, was ja genau diese weiterentwickelte Form des „traditionellen“ Goth Rock bedeutet. Unser vorletztes Album „Saviourine“ und speziell der Song „Creed“ ging eindeutig in diese Richtung. Hardy: Seit einiger Zeit lassen wir uns aber auch von Elementen aus dem Progessive- oder Alternative Metal inspirieren. Bei „Apathology“ würde ich deshalb eher zum Begriff Depressive Rock tendieren.

Hardy: In den Songtexten auf dem Album geht es um innere Verzweiflung, um Druck, dem man nicht mehr standhalten kann. Irgendwann blendet man das Um-Sich-Herum dann einfach aus und zieht sich in sich selbst zurück, verfällt in seelisch Apathie. Robert: Da es unzählige Gründe dafür gibt und wir uns genau mit diesem Thema diesmal intensiv in unseren Texten beschäftigt haben, dachten wir am Ende, es klingt ja fast wie eine Art Lehrbuch für Apathie. Und schon war „Apathology“, die „Lehre von der inneren Leere“ geboren. Wie kann man sich die typische Entstehung eines Scream Silence Songs vorstellen? Hardy: Unsere Arbeitsweise ist, zumindest für eine Rockband, eher untypisch. Zur Grundidee entsteht erstmal eine Skizze am PC, wo die meisten Synth/ Streicher-Arrangements sowie alle Gitarrenlinien erarbeitet werden. Dann kommen aber die Drums dazu und ab da probieren wir viel aus, verwerfen einiges und testen einiges auch live im Proberaum aus. Erst ganz zum Schluss machen wir dann die Lyrics und Vocals. Robert: Im Grunde nehmen wir dadurch den Song mehrfach auf, was unsere langen Produktionszeiten von mittlerweile über zehn Monaten erklärt. Mittlerweile veröffentlicht ihr in regelmäßigen Abständen neue Alben. Entwickeln sich die je-

weiligen Konzepte zu Alben linear oder gibt es immer wieder Ideen, die verworfen und dann mal wieder ausgegraben werden? Robert: Wir haben bei jedem Album immer ungefähr doppelt so viele Songideen, als nachher auf dem Album zu hören sind. Vieles davon ist nicht unbedingt B-Material, passt aber oft nicht ganz zum Album-Konzept. Hardy: Wir hatten uns schon oft vorgenommen, den einen oder anderen Song bei einem der nächsten Alben noch mal auszuprobieren – einen Song tragen wir schon seit der zweiten Scheibe mit uns rum, haben das dann aber immer wieder verworfen, einfach weil das neue Material unserer Meinung nach immer besser war als das vorhergehende. Einfach weil auch wir immer noch dazu lernen, und deshalb beim Songwriting und bei der Produktion einiges besser machen können. Erzählt uns doch mal etwas aus der mittlerweile zehnjährigen Bandgeschichte von Scream Silence. Gab es da irgendwelche Kuriositäten? Hardy: Jede Menge (lacht). Wir haben z. B. selten die Kaution für unseren Tourbus wiederbekommen. Entweder platzte ein Reifen, ein Dachfenster flog in hohem Bogen davon, oder Wolfi rangiert ihn direkt in ein Haus rein. Von einem fliegenden Salsa-NachoHut und einem nackten Robert in der Hotellobby mal ganz zu schweigen. Die Story erzählen wir euch ein anderes Mal. DANIEL FRIEDRICH

www.screamsilence.de

Wie kam es zu dem Namen „Apathology“? Gibt es dazu eine Geschichte?

VÖ „Apathology“: 14.11.08 27


KöRPERSCHALL Festkörperphysik Körperschall ist die Bezeichnung für all jene Schallwellen, die sich innerhalb eines festen Gegenstandes ausbreiten. Sicher eher die Körperbetontheit seiner vom ihm veröffentlichten Musikstile im Sinn, hatte Maximilian Wall den Namen seiner Labelplattform „Körperschall“ in der Vergangenheit für Veröffentlichungen

seiner beiden Projekte „Ellipse“ und „Industriegebiet“ genutzt. In Signalfarben titelt seine neueste CD jedoch bereits mit dem Labeltitel. Das legt die Vermutung nahe, er habe hier ein neues Projekt entstehen lassen. Maximilian: Also Körperschall ist kein Projekt in diesem Sinne. Natürlich ist er der Interpretenname des neuen Samplers. Jedoch ist es der Labelname. Es ist für jede „Releaseepoche“ von Körperschall Records ein solcher Remixsampler geplant. Auf dem ersten befinden sich die Bands Ellipse und Industriegebiet. Für Anfang nächstes Jahr sind die nächsten Releases geplant. Jedoch werden es dieses Mal drei neue Bands sein, welche auf dem dann zweiten Körper28

höre es und bekomme so eine Art Blitz. Es trifft einen eher unterbewusst und es hat irgendetwas mit einem selbst zu tun. Als würde man ein Sample aus einem Lied in einem Film wiedererkennen und das Lied ist dabei eigentlich deine Geschichte. schall Sampler vertreten sein werden. Auch hier wird Deshalb wahrscheinlich das Provokante. Deshalb der Sampler wieder eine Vorschau der jeweiligen wahrscheinlich meine Einstellung zur Kirche. Es hat irgendetwas mit einem Alben sein. Was ich persönlich an dieselbst zu tun. Jetzt soll sich doch sen geplanten Samplerreihen interes„Das ist wohl einer mal meine Aussage bei dem sant finde, sind natürlich die Eigenineher auf Titel „Sex mit einer Leiche“ anseterpretationen der Remixer und dass meinen Humor hen. Aber ich kann hier Entwares auch mindestens ein gemeinsames neues Lied der vorgestellten Bands zurückzuführen, nung geben: Das ist wohl eher auf meinen Humor zurückzuführen, gibt. Bei nun drei Bands kann das nicht weil ich nicht weil ich den Beischlaf mit bestimmt sehr interessant werLeichen bevorzuge. Außerdem ist den, vor allem bei verschiedenen den Beischlaf das Wort „Leiche“ zu definieren. Stilen. mit Leichen Es gibt da viele Arten. Du bist selbst Szene DJ. Nutzt bevorzuge.“ Wird sich der Fokus noch weidu die Tanzflächenresonanz, ter in Richtung der Symbiose von Technostilen um deine Tracks zu optimieren? Naja, in erster Linie bin ich an solch einem Abend mit dem Gotischen Segment entwickeln? DJ und nicht Musiker. Ich denke, das muss man Also aus DJ-Sicht ein klares Ja. Es gibt prozentual mehr ein wenig trennen. Natürlich sehe ich die Tanz- Elektroveranstaltungen als klassische Gothicpartys. flächenresonanz und kann einschätzen, inwie- Ich will nicht sagen, dass das nun vorteilhaft ist, obfern ein Song ankommt, jedoch ist das nicht das wohl ich Elektro mache. Denn das Spektrum, welches Entscheidende dafür, ob ein Song auf das Album ich höre, mache und gut finde, ist viel größer. SIEGMAR OST kommt. www.myspace.com/koerperschallrecords Neben der extremen Tanzbarkeit fast aller Titel fällt natürlich auch die Provokanz einiger Songs auf. „Sex mit einer Leiche“, „Jesus Christus schluckt“, „Sorge um Gott“ sind sicher auch mit einem Augenzwinkern entstanden? Ja. Und mit einem Lächeln. Es ist ungefähr so zu beschreiben: Als mir ans Herz gelegt wurde „8 mm“ doch endlich mal bis zum Ende zu sehen und dann die Stelle aus dem Sample von „Snuff Machinery“ kam, da schoss mir auf einmal ein Blitz durch den Kopf. Woher kenn ich das? Irgendwie ein komisches Gefühl. Der „Aha-Effekt“ oder Ähnliches. Wenn ich Filme oder Sendungen sehe, dann finde ich ein Sample, dass ich verwenden könnte ziemlich ähnlich. Nur ist es verkehrt herum: Ich sehe etwas,








WHISPERS IN THE SHADOW

Frau geht, Mann weint, Frau kommt zurück, Mann geht etc. Das hatte man nun echt schon zur Genüge gehört von tausenden Bands. Jeder, der sich ernsthaft mit den Lyrics der Platte auseinandersetzten will, sollte sich nicht scheuen, mal etwas weiter in die Materie vorzudringen.

Okkulter Wiener Charm

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Produzentenlegende John A. Rivers und dem neuen Label? Echozone Records und wir haben uns über MySpace „kennengelernt“. Wir waren grade mal wieder auf Labelsuche und durch Zufall, oder Bestimmung, wer weiß, kamen wir in Kontakt. Die Zusammenarbeit läuft wirklich hervorragend. John Rivers kannte ich noch von meiner Arbeit mit L’ame Immortelle, wir hatten über die Jahre den Kontakt gehalten. Ich wusste, dass die Zeit einmal reif dafür sein würde, dass wir zusammen ein Album machen. Es war die richtige Entscheidung, wie man wohl hören kann. Das Warten auf den richtigen Zeitpunkt hat sich also gelohnt.

Foto: Patrizia Wiesner

Nachdem Whispers In The Shadow Ende letzten Jahres noch eine kleine Tour absolvierten, sind sie jetzt mit einem großen, okkultistischen Kracher wieder auf der Bildfläche aufgetaucht. „Into the Arms Of Chaos“ heißt das neueste Studioalbum und verspricht Gothic Rock, dass die Knochen im Körper wackeln.

Warum sollte das neue Album so klingen, wie es jetzt klingt? Es hebt sich ja sehr deutlich von der zurückliegenden Diskografie ab. Es ist ein fast schon episch-klassisches gitarrenorientiertes Gothic-Rock-Album geworden, und auch das härteste der Band bisher. Von Anfang an wollte ich ein klassisches GothicRock-Album machen, aber mit einem modernen Sound, also ein Album, das auf der Höhe „Auch mein Fast zeitgleich mit den Arder Zeit ist und trotzdem durch und durch beiten zum neuen Album Goth Rock. Ich denke, das neue Werk hat Interesse am hat auch mein Interesse am einen sehr kompromisslosen zwingenden Sound, was auch mit dem okkult mystischen Okkultismus hat Okkultismus zugenommen Konzept der Platte zu tun hat und ist sicher zugenommen.“ und ich habe mich dann etwas eingehender mit dieauch unsere stimmigste Scheibe. sem weitläufigen und komplexen Thema auseinanDu hast dich für „Into The Arms Of Chaos“ viel dergesetzt. Das Resultat ist die neue Platte. Besonmit Okkultismus und Spiritualität auseinan- ders die Schriften von Austin Osman Spare haben dergesetzt. Wäre schön, da Näheres darüber einen großen Einfluss auf die Lyrics des Albums gezu erfahren. Was genau hat dich denn so da- habt. Außerdem wollte ich mal andere Themen beran fasziniert und bewegt? handeln als das übliche Lovesonggejammere, also

Wird es denn auch wieder eine Tour zum Album geben? Es wird dieses Jahr noch ein paar ausgewählte Livekonzerte geben. Warschau und Wien wurden eben bestätigt. Im Frühjahr planen wir dann eine richtige Tour, außerdem wird es uns 2009 auf dem einen oder anderen Festival deines Vertrauens zu sehen geben. Was steckt hinter der BonusDVD der Special Edition? Nun, wir wollten den Leuten etwas mehr bieten als nur eine CD, so entstand die Idee, eine Bonus DVD beizulegen, diese beinhaltet ein Livekonzert (mit alten und neuen Songs) sowie eine 35minütige „Rockumentary“ über das Album mit Interviews, Liveclips und mehr. Die Special Edition wird allerdings nur bei ausgesuchten Mailordern zu haben sein und natürlich auch über unsere Homepage. TYVES OBEN

www.noizeart.de www.myspace.com/whispersintheshadow VÖ „Into The Arms Of Chaos“: 24.10.08 35


Gloom Rock Bastards in Hell Keine Angst. Jack Frost hat nichts mit dem gleichnamigen, klebrigen Hollywoodstreifen zu tun. Der Bandname der Österreicher ist von einem Saint Vitus Song inspiriert und gibt auch schon das ungefähre Genre des Quartetts vor. Seit ihrer Gründung 1993 in Linz gelang es der Band, sich über sechs Alben eine weltweite, treue Anhängerschaft zu erspielen. Zudem wird ihr Stil seit ihrem 2000er Album „Gloom Rock Asylum“ als Gloom Rock bezeichnet. Im Gegensatz zu Landsleuten wie Pungent Stench hat es Jack Frost nie ins große Rampenlicht verschlagen. Doch das könnte sich nun mit „My Own Private Hell“ ändern. Denn die Mischung aus Doom (in feinster Cathedral-Manier) und Gothic Rock, die Nähe zu Bands wie Danzig und Fields of the Nephilim, und nicht zuletzt das melancholische Johnny-Cash-Timbre von Sänger Phred Phinster wissen durchaus zu überzeugen. Gitarrist Mournful Morales erklärte uns seine Hölle. „My Own Private Hell“ steht seit Ende August in den Regalen. Wie waren die ersten Fan-Reaktionen? Soweit wir das überblicken, kommt die Scheibe sehr gut an. Man weiß natürlich nie, ob Reaktionen von Fans per Mail und das Feedback aus unserem unmittelbaren Umfeld in Österreich repräsentativ sein können, aber wir haben das Gefühl, dass es uns mit dieser Platte gelungen ist, das einzufangen, was Jack Frost ausmacht. Und das ist unserer Meinung nach, ein doch unverwechselbarer Mix aus einer Vielzahl von Einflüssen, der über die Jahre zu unserer Identität geworden ist, ohne dass man jetzt eine eindeutige Genrezuordnung treffen könnte. Ich bin auch geschmeichelt von den meisten Pressereaktionen bis jetzt. Wenn da die Rede von einem Spektrum über Danzig, Johnny Cash, Alice In Chains bis hin zu Social Distortion ist, dann trifft das unsere persönlichen Vorlieben bei weitem mehr als die Reduktion auf die Etikette Gothic Rock oder Doom Metal. Kurzum: ich bin sehr zufrieden, eine Menge 36

Leute scheinen verstanden zu haben, welcher Wind bei uns weht. Das ist uns in den letzten 15 Jahren nicht immer so gegangen. „Das Dilemma des Gefangenseins in einer Zwischenwelt“ – Beschreibt doch bitte mal eure eigene Hölle! Meine „private Hölle“ hat ganz viel mit dem Pendeln zwischen extremen Lebensweisen zu tun und dem, was dabei an Beziehungen, Plänen, Zielen und Stabilität auf der Strecke bleibt. Gerade als Band in unserer bescheidenen Größenordnung ist der Rock’n’Roll immer eine Entscheidung gegen das „normale“ Leben, gegen Beständigkeit, eine gewisse Ordnung und ein Hang zur Selbstzerstörung und dem Verfall, wenn man so will. Da wir nicht von der Musik leben können, müssen wir den üblichen

gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ja in gewisser Weise entgegenkommen, was bei unserem Lebenswandel nicht immer einfach ist. Und dann gibt’s da immer noch den Teil in mir, der sich fragt, ob der Lebensentwurf, den ich gewählt habe, denn der richtige ist, und ob ich heute nicht mit einer Familie und einem angepassten Scheißjob glücklicher wäre. Was bleibt, ist das Gefühl, dass wir in Wirklichkeit keine Wahl haben und das durchziehen müssen, bei all der Zerrissenheit, die damit verbunden ist. Eure Musik ist weitestgehend traurig, schwermütig und zumindest immer melancholisch. Was ist eure Antriebsfeder? Dient das Komponieren auch zur Verarbeitung des eigenen Leides? Dazu muss ich erstmal den Begriff des Leides re-


lativieren: Man darf sich das ja nicht so vorstellen, übrigens keiner anderen Band bis zum heutigen Tag, dass wir mit feuchten Augen in schwarzes Linnen verfallen. Wenn man von Helden spricht, muss ich gehüllt uns Zuhause im Rotweindusel selbst leidtun. auch Bauhaus nennen, vor allem Daniel Ash ist für Als Hedonisten, die wir zweifelsohne sind, lassen wir mich stilistisch ein Ausnahmegitarrist. Und schließkeine Gelegenheit aus, uns das Leben so angenehm lich ist da noch die ganze Palette von den Swans, wie möglich zu machen. Und klar, da hilft es, wenn And also the Trees, Crime & the City Solution, Dead man die düsteren Seiten des Daseins in konstruktive Can Dance, Fields of the Nephilim bis hin zu The Cult Energie kanalisieren kann und Songs schreiben, die und den Sisters natürlich. Um nur einige zu nennen, all das einfangen, worüber wir niemals am Wirts- die im weitesten Sinn für mich mit Gothic und Wave haustisch reden würden. Ich hab mir da nie Gedan- zu tun haben. ken darüber gemacht, warum unsere Musik traurig ist. Fakt ist aber, dass ich Musik immer schon am Wie kamt ihr auf die Idee, „Leaving On A Jet intensivsten erlebt habe, wenn sie die Seele berührt Plane“ von John Denver zu covern? und in der Brust sticht. Ich könnte Ich weiß nicht mehr, wie das genau selbst nie aggressives Gebolze kom„Fakt ist aber, zugegangen ist. Wir hatten ja schon ponieren, dazu fehlt mir jeder perfrüher immer wieder gerne Songs dass ich Musik aus den 60ern gecovert, möglichersönliche Bezug. weise weil das die Musik unserer Elimmer schon tern ist, die wir sozusagen schon mit Wie fühlt ihr euch bei Silverdust Zuhause? Wie lange habt ihr für am intensivsten der Muttermilch aufgesogen hatten. Wir haben eine Vorliebe für Songs die Produktion gebraucht? erlebt habe, aus dieser Zeit, die vom Charakter Wir können nicht klagen. Silverdust wenn sie die und den Lyrics her traurig sind, aber ist ja ein sehr überschaubares Label, kann man sagen, und dass wir da Seele berührt damals für unseren Geschmack viel zu oberflächlich instrumentiert wurmit End Of Green und Psychopunch und in der den. Wir mögen es, solchen Songs die einzigen Bands mit aktuellen ein völlig neues Gewand zu verpasReleases sind, kommt uns sehr entBrust sticht.“ sen und auch die Düsterkeit, die sie gegen. Der Kontakt mit Silverdust ist über die längere Bekanntschaft mit Michael Trengert verdienen. Im Fall von „Leaving on a Jet Plane“ zustande gekommen, der uns rein aus persönlicher kommt noch dazu, dass uns die schicksalhafte Ironie Liebe zu unserer Musik unter Vertrag genommen anspricht, dass das Thema des ersten John Denver hat, mit nur sekundärem geschäftlichem Interesse. Hits (wenngleich auch von Peter, Paul & Mary interWir hatten nach dem ersten Gespräch über eine pretiert) Jahrzehnte später zu seiner Todesursache mögliche Zusammenarbeit mit Silverdust, das war wird. im Januar, begonnen, die Songs für das Album zu schreiben und das Studio für Mai gebucht, mit dem Auch die Ballade „Red Roses Day“ ist von der Ziel, die Aufnahmen bis Ende Juni abzuschließen. Es relativ unbekannten Band The Priests. Welche kam dann aber so, dass wir im Mai den Vertrag un- Beziehung habt ihr zu ihnen? terschrieben und die Firma meinte, das Album sollte Erstmal muss ich erwähnen, dass „Red Roses Day“ auf jeden Fall zeitgleich mit der neuen End Of Green im Original gar keine Ballade ist, die haben wir erst erscheinen. Dann bekamen wir also richtig Stress, daraus gemacht. The Priests waren in den 80ern eine weil wir alles wesentlich lockerer geplant hatten und lokale Größe, zu denen wir allein deshalb schon eidie Deadline von Silverdust für uns zwei Wochen zu nen starken Bezug haben, weil einige von uns ebenfrüh kam. Alles in allem haben wir die Scheibe in falls seit den frühen 80ern Musik machen. The Priests sechs Wochen fertiggestellt. bzw. deren Musiker gehörten mit zu einer Handvoll Bands, die beginnend Ende der 70er Jahre eine exEure Einflüsse kommen aus der Dark Rock/ trem fruchtbare und in Österreich unvergleichbare Doom/Glam Rock-Richtung. Wer sind eure Go- alternative Musikszene in Linz begründet haben. thic/Wave-Helden? Das wollten wir entsprechend huldigen. Deren SänFür mich war die frühe Gothic/Wave Zeit die erste ger wird dieser Tage übrigens bei unserer Geburtsgroße Leidenschaft, als ich Musik für mich zu ent- tags- und Releaseparty auf der Bühne stehen und decken begann. Alles fing mit den ersten The Cure mit uns ein paar Priests-Songs zum Besten geben, Alben an. Ich bin dann sehr schnell Joy Division, wie worauf ich mich ungemein freue.

Ihr kollaboriert z.B. mit Bands, wie euren Labelkollegen End Of Green. Mit wem würdet ihr, wenn es nach euch ginge, gerne noch mal zusammenarbeiten? Ganz oben auf der Liste stehen Pungent Stench, die sich leider ein paar Tage vor einem geplanten gemeinsamen Fest in Linz aufgelöst hatten. Es wäre deren erstes Konzert in Linz gewesen, sie hatten es in all den Jahren seltsamerweise nie in unsere Stadt geschafft. Aber so wie es aussieht, wird das auch nichts mehr werden. Es ist auch gut möglich, dass wir mit End Of Green mal ausführlicher zusammenarbeiten, da möchte ich aber jetzt noch gar nicht viel dazu sagen. Wann kann man euch live erleben? Wir spielen am 2. Oktober nochmal mit End Of Green im LKA in Stuttgart, sonst sind einstweilen keine Termine fixiert. Wie sieht die optimale nahe Zukunft von Jack Frost aus? Das Wort „optimal“ existiert im Wortschatz von Jack Frost nicht. Wir nehmen die Dinge so wie sie kommen und haben keine großen Erwartungen an mögliche unerwartete Erfolge. Der Plan ist nur, dass wir noch dieses Jahr eine Split-Live CD mit unseren Linzer Freunden und Schweinerockern von Porn To Hula rausbringen und dazu wiederum eine schöne Party in Linz veranstalten. Und alles was mit einer rauschenden Party verbunden ist, ist für mich auch schon optimal. POLONI MELNIKOV

www.jackfrost.at

VÖ „My Own Private Hell“: 22.08.08

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Danket dem Herren für den wahren Met! Letztes Jahr waren sie noch die Vorgruppe für Saltatio Mortis – aber das kann sich bald ändern. Feuerschwanz zeigen auf ihrem neuen Live-Album „Drachentanz“, dass sie das Publikum mehr als nur unterhalten können. Man kann sich anhand des Live-Albums richtig gut hineinversetzen in ihre Sicht des Mittelalters – neben einem steht dabei ein Horn voll Met und vor dem geistigen Auge kämpfen wackere Helden mit feuerspuckenden Drachen – oder solchen, die es noch werden wollen. Aufgenommen wurde das Album im E-Werk in Erlangen, der Heimat der siebenköpfigen Spielmannstruppe, die vom rockigen Sound bis hin zum Tavernenklang alles aufzeigt. Zeit also, sich mit den Spielleuten etwas zu unterhalten. Ihr seid wirklich ein fröhlicher Haufen, wie man so hören kann. Wie seid ihr so im richtigen Leben? Wichtig bei Feuerschwanz ist, dass es keine innere Trennlinie zwischen der Bühnenrolle und den Privatpersonen gibt. Natürlich ist das nicht 1:1 zu sehen, doch die Rollen bei Feuerschwanz werden authentisch mit Leben gefüllt. 38

Nach euren beiden Alben „Prima Nocte“ und „Met und Miezen“ jetzt also das LiveAlbum „Drachentanz“. Wann ist ein neues Studioalbum geplant? Bei „Drachentanz Live“ haben wir uns um möglichst große Lebendigkeit bemüht, ohne dabei den musikalischen Fluss des Albums zu sehr zu stören. Während bei Live Alben anderer Formationen streng zwischen rockigen Klängen und dem Unplugged-Sound der Märkte und Tavernen unterschieden wird, herrscht bei Feuerschwanz die Devise: Abwechslung macht VÖ „Drachentanz”: 10.10.08 Freude. Das Miteinander zwischen Band und Publikum liegt uns am Herzen, deshalb haben wir auf das „Das Miteinander Gibt es eine besondere Geinfernalische Aufblasen unzwischen Band und schichte, die sich in eurer seres Sounds verzichtet und so die spielerische Dynamik Publikum liegt uns am Musikerzeit zugetragen hat? Etwas extrem Witziges und die ZuschauerreaktiHerzen, deshalb haben oder extrem Kurioses aus onen im Klangbild bewahrt. 15 Songs und zwei lustige wir auf das infernalische dem Bandalltag? Eine lustige Anekdote ereignete Specials haben den Weg Aufblasen unseres sich auf der „Aus der Asche“aufs Album gefunden. Kurze Sounds verzichtet.“ Tour mit Saltatio Mortis nach Zeit dachten wir auch darüdem Konzert in der Supfblume ber nach, eine Doppel Live CD herauszubringen, wir wollten das Album aber zu Hameln. Während die Kutsche der Gruppe Feuerletztlich für den Fan lieber gewohnt erschwinglich schwanz mit einem Motorschaden stundenlang auf halten. Das nächste Studioalbum ist für November die ersehnte Abschleppung der Gelben Engel war2009 geplant. Wir alle arbeiten schon auf vollen Tou- tete und in heiterer Depression den mitgebrachten Kasten fränkischen Bieres leerte, hatte sich unsere ren daran und sind sehr gespannt auf das Ergebnis. Johanna schlauerweise von Lasterbalk zu einem Trinkduell in die Saltatischen Gemächer herausfordern lassen. Während also wir in der Kälte darbten, entschied unsere holde Minnegeigerin überraschenderweise dieses Duell eindeutig für sich. Am nächsten Morgen waren dann alle aus unterschiedlichen Gründen leichenblass im Gesicht. Was kann man von euch in Zukunft noch erwarten? Ein großer Traum von uns ist eine Live DVD mit vielen bunten, bewegten Bildern. Das konnten wir zu unserem Album „Drachentanz“ leider noch nicht stemmen, doch sind wir schon ganz heiß darauf, unsere feurige Live-Atmosphäre auf diesem Wege mit den Fans zu teilen. DANIEL FRIEDRICH

www.feuerschwanz.de


nicht, dass du wirklich weißt, wo deine Grenzen sind, bis du sie überschritten hast, dann kannst du sagen: „Ok, das war zu viel, hier sind meine Grenzen“. Diese Extreme des menschlichen Verhaltens sind mein Hauptinteresse, sei es Krieg, Revolution, Exzess, Sex, Gewalt, Perversion, in welcher Form sie auch stattfindet. Ein Erforschen der Extreme der menschlichen Psyche. Warum gehen wir in den Krieg? Warum haben wir dieses animalische Verhalten, was treibt Menschen in den Tod? Warum genießen Menschen den Sex, während sie andere missbrauchen? Warum gibt es Menschen mit Fetischen? Warum ändern Menschen ihre natürliche Form durch Body Art oder Body Modifikationen? Warum nehmen Menschen Drogen, um komplett die Perspektive der Realität zu verändern? Genau das sind die Sparten, die mich interessieren, die Menschen und ihr menschliches Verhalten in den Extremen unserer Gesellschaft. Die Menschheit und ihr Verhalten sind eine sehr faszinierende Sache. Deshalb kann man sagen, dass Modulate sehr einer Reflexion in meinem Kopf entspricht. Da sind gewisse Launen, Gefühle und Emotionen, die ich erforsche und in meine Musik packe.

Detonation in UK

etc. Lange Rede, kurzer Sinn, das meiste des Albums wurde von März 07 bis März 08 geschrieben mit einer ca. dreimonatigen großen Lücke während der Tour.

Wer sich an hartem Electro erfreuen kann, wird sich die Finger nach dieser Scheibe lecken. Die englische Formation um den DJ Geoff Lee präsentiert ihr Debütalbum. Nachdem Wie ist der Kontakt zu Ronan? Unterstützt sie mit ihrer EP „Skullfuck“ in die Electroszene er dich bei der Arbeit bzw. ist er so eine Art eintauchten, wurde ein gewisser Ronan Harris Mentor? auf die Formation aufmerksam und engagierte Ich würde nicht sagen, dass er ein Mentor ist, aber die Truppe vom Fleck weg als Vorband für die er gab mir natürlich jede Menge fantastischer Rat„Judgement Europa-Tour“. Im Anschluss folgte schläge. Ich schrieb und produzierte das Album ein weiteres Highlight: Eine Amerika-Tour mit selbst in meinem Studio und Kolja Trelle (Soman) überarbeitete noch ein paar Tracks vor dem Combichrist mit über Mastering in seinem Koltron Studio in Dres50 Gigs. Damit war die „Extreme des den. Außerdem hatte ich noch Liz Green von Bombe programmiert, menschlichen Swarf da, um mir die Version für „No Good“ die nun zur Detonation für das Album einzusingen. Also nein, Ronan kommt. Verhaltens war bei der Albumentstehung nicht involviert. sind mein Wie lange hat die Arbeit für das Album ge- Hauptinteresse.“ Das Album spielt ja schon mit dem Thema Krieg. Was wollt ihr den Hörern dadauert? Geoff Lee: Das ist schwer zu beantworten, da Mo- mit vermitteln? dulate seit ca. 2001-2002 existiert und das Stück Ich würde nicht sagen, dass Krieg das Hauptthema „Raising Lucifer“ noch aus dieser Zeit stammt. Ich war bei so viel Extremen des menschlichen Verhalhabe da alte Aufnahmen ausgegraben und habe sie tens. Um William Blake zu zitieren: „Die Straße der für das Album überarbeitet, Stimmen hinzugefügt Exzesse führt zum Tempel der Weisheit.“ Ich denke

Wird es eine Tour geben? In Deutschland? Das hoffe ich. Wir versuchen gerade einen Booker für Europa zu engagieren, denn ohne den ist es sehr schwierig, eine Tour auf die Beine zu stellen, wenn du nicht als Support für einen Großen gebucht wirst, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Aber wir würden uns freuen, wieder in Deutschland zu spielen. HEIKO NOLTING

www.modulateonline.com

VÖ „Detonation“: 23.09.08 39


bisher sein, mögen die heldischen Mythen und Todesahnungen noch so episch wirken – Wirklichen Mut und musikalischen Tiefgang beweisen die sonst so beinharten Metaller auf „Two Tragic Poets” und werden dem Anspruch auf ein reifes und tiefschürfendes Werk in akustischer Archaik wahrlich gerecht.

Emanzipierte Romantiker Es gibt Bandnamen, die assoziieren unmittelbar Tolkiens Welten, Fantasy-Rollenspiele und all jene, mittlerweile oft abgeschmackten Spielarten einer Gegenwelt, die auf den zweiten Blick oberflächlicher erscheint als die Realität. Aber weit bevor die erfolgreichste Trilogie aller Zeiten den Mainstream im Sturm ero40

berte, gab es auch schon eine geistige Leinwand für all jene Träume, die uns aus der Gegenwart in eine scheinbar Äonen entfernte Vergangenheit voller Mythen und Märchen führen konnte. Sicher bleibt Fantasy immer eine der naivsten Formen der Utopie – doch sollte man auch der Fantasie einen Platz für Romantik und Kontemplation einräumen. Mag „The Scythe” das erfolgreichste und härteste Album der fünf italienischen Musiker

Folk scheint einer eurer maßgeblichen Einflüsse zu sein. Wie seid ihr zum Folk gekommen? Damna: Seit unserer Kindheit hören wir alle Folk und akustische Musik neben dem traditionellen Metal. Ein großer Einfluss waren auch immer wieder neue Skyclad-Alben. Diese Mischung aus Thrash Metal und Folk hatte uns dann die Augen geöffnet. Schnell hatten wir dann eine Geige im Lineup. Natürlich war uns aber immer ein ureigener Sound extrem wichtig.


junge Menschen gibt, die ruhige, akustische Musik bevorzugen. Seit Anbeginn steht euer Name für eine Fantasiewelt, Rollenspiele und für die Nähe zu Tolkiens Welten. Bewegt ihr euch auch noch selbst in dieser sehr aktiven Szene? Als wir noch Kids waren, klar. Aber das ist leider schon lange her und war bereits vor der Bandgeschichte. Damals waren diese Themen unsere Hauptinspiration, mittlerweile jedoch eher hintergründiger Art. Man kann sich auch nicht nur in einem Feld aufhalten. Auch wenn wir noch immer viele Metaphern aus diesem Bereich benutzen, geht es heute öfter um persönliche Dinge. Unsere Poesie ist realer geworden. „The Scythe” war ein riesiger Erfolg. Denke ihr nicht, ein paar eurer Hörer erwarteten wieder ein Remake? Das Einzige, was uns besorgen könnte, wäre, wenn unsere Fans glauben würden, wir hätten all dieses Schaffen aus der Scythe-Periode abgelegt. Dem ist nicht so. Das neue Album ist ein Experiment und wir werden nächstes Jahr bestimmt ein neues Album im ursprünglichen Stil präsentieren. Dieser Ruhepol war uns aber wichtig, um Kraft zu schöpfen und neue Dinge auszuprobieren. Daher wird das nächste Album dann bestimmt wieder sehr viel härter. Im Vergleich zum letzten Album ist das neue Werk aber auch inhaltlich positiver. Liegt das vielleicht auch an einer Altersmilde? „The Scythe” hatte als zentrales Thema den Tod. Da ist es natürlich keine Frage, dass das aktuelle Album weit positiver ist, auch wenn einige der Texte wie z.B. „She Lives at Dawn” oder „The Blackest of My Hearts” zu den bisher persönlichsten Werken zählen.

Warum jetzt aber ein reines Folk-Album? Nunja, zuerst einmal muss man natürlich sagen, dass es zwar ein akustisches aber kein 100%ig reines Folkalbum geworden ist. Das würde auch nicht zu unserer Sichtweise „Ich bin begeistert, Was verbindet euch mit Tragedy Poets“? Zwei passen. Die melodiöse Seite war dass es auch heute „Two Seelen in einer Brust? uns sehr wichtig und natürlich das noch viele junge Die Texte der verschiedenen ruhige Element. Es gibt Songs mit dem von dir zitierten Folkfeeling, Menschen gibt, die Songs haben wenig miteinander gemein und es gibt aber auch romantische Gothicruhige, akustische kein übergeordnetes Konzept, songs und akustische Rocksongs. Uns war klar, dass, wenn wir ein Musik bevorzugen.” außer dem Dualismus, den wir auch gerne mit der Musik ruhiges Album aufnehmen würden, sämtliche musikalisch akustische Facetten ab- selbst verkörpern. Auch nach all den Jahren ist Elgedeckt werden sollten. Und Folk bedeutet für uns venking kein statisches Bandprojekt, wir entwickeln hier nicht das typische Heilewelt- und Partymusikge- uns stetig. Gleichbleibend sind immer diese beiden fühl, sondern ist der Schlüssel zu einer Musikmagie. Pole: Das romantische Element und die harte Seite. Ich bin begeistert, dass es auch heute noch viele Vielleicht kann man diese zwei Seiten auch in den

eher ironischen Songs im Gegensatz zu einigen sehr düsteren Themen entdecken. Der Untertitel “...and a caravan of weird figures” bezieht sich auf all jene intoleranten Zeitgeister, denen entweder unser neues Album zu soft oder unsere anderen Alben zu hart sind. Wie würdest du nach diesen zehn Jahren in der Musikszene Resümee eurer bisherigen Karriere ziehen? Wirklich großartig finde ich den Umstand, dass sich unsere Band nach wie vor im Wachstum befindet. Von Album zu Album gibt es neue Schritte nach vorn. Als wir am Anfang diese fünf unbedarften Freunde waren, hätten wir nie damit gerechnet, einen Deal bei AFN abzuschließen, oder aber auch auf ausgedehnten Tourneen durch die Welt zu reisen. Für all jene, die Elvenking noch nicht kennen. Was steckt hinter dem Namen und euren obskuren Alter Egos? Natürlich stammt der Name aus unseren Anfangstagen und wird vielleicht nicht immer dem gerecht, was wir heute musikalisch machen, speziell wenn manche Menschen Elvenking mit Fantasy oder gar albernem Powermetal gleichsetzen. Trotzdem, glaube ich, wird uns der Name von einer höheren Warte aus gerecht. Ich meine damit nicht die Welt der Elfen, Orks und Zauberer, sondern jene magischen Orte, zu denen uns Musik reisen lassen kann, wenn wir uns nur darauf einlassen. SIEGMAR OST

www.elvenking.net www.myspace.com/elvenking

VÖ „Two Tragic Poets”: 14.11.08

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Gothic-Family.Net Mehr als nur eine Eltern-Community.

Gothic-Family.Net, die InternetCommunity für Gothic & Mittelalter interessierte Eltern, gibt es nunmehr schon über fünf Jahre und hat sich in der Zeit ganz schön gemausert! Neben dem stark frequentierten Eltern-Forum entwickelte sich im offenen Bereich der Seiten ein beliebtes Online-Szene-Magazin mit u.a. „Band des Monats“.

Anlässlich fünf Jahre GFN fand am Pfingstsonntag 2008 in Kooperation mit dem Eventschloss PULP Duisburg das 1. Gothic-Family-Festival statt, mit u.a. Gothminister als Headliner. Klar mussten die Künstler dort ihre Kindertauglichkeit zeigen, wurden

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kurzerhand am Nachmittag in diverse Aktionen eingebunden! Ein 2. GFF für 2009 ist in Vorbereitung. Die ebenfalls von GFN organisierten beliebten Gothic & Mittelalter Szenemärkte (Flohmarktcharakter) im PULP Duisburg sind bereits feste Einrichtungen, ziehen bis zu 1.000 Besucher (neue Termine 11.10. + 13.12.08). Der nächste Clou wird vom NEGAtief präsentiert: In der Werk°Stadt Witten (bei Dortmund) findet am 08.11.2008 das große Vampir-Event HERZBLUT in Kooperation mit der bekannten FantasyAutorin Carola Kickers (MCK-Verlag) und zahlreichen Highlights statt. Die Romanfigur „Vampir Jason Dawn“ wird gecastet, seiner Verkörperung winkt ein Plattenvertrag! Eine „vampireske“ Modenshow in Kooperation mit der Näh-Community „Natron & Soda“ ist in Vorbereitung. Sogar eine Blutspendeaktion in Kooperation mit dem DRK ist in Planung und wird sicher für viel Furore sorgen. SUSANNE MÜLLER

www.gothic-family.net www.gothic-family-festival.de


auf der Erde und so weiter. Wie es dazu kam: Damals suchten wir einen Namen, er sollte was SciFi sein und nicht zu hart klingen, Dr. Mole meinte irgendwas mit Neon, ich hatte das Atom im Kopf, fertig, da war der Name klar. Dass es nach Elektro klingt, war mir nie bewusst, ist aber auch nicht schlimm, wenn man an Bands wie Tocotronic denkt (lacht).

Coldwave Astronauten Feindliche Übernahme, oder Firmenmerging – wie sich Firmen zu Konzernen vereinen, kennt man aus den täglichen Nachrichten. Umso erstaunlicher, dass dieses Modell jetzt auch unter Bands greift. So geschehen bei der Cold Wave Formation Atomic Neon, welche seit dem Erscheinen ihrer ersten EP gehörig an Bekanntheit zugelegt hat. Kein Wunder: Die Stimme des Sängers erinnert an die besseren Tage der englischen Wave-Ikone Robert Smith. Musikalisch hat man jedoch noch einiges mehr auf dem Kasten. Der gewichtige Frontmann Rio Black gewährt Einblick in die bewegte Bandgeschichte.

War die gemeinsame Liebe der Punk und Synth-Fraktion die englische Kultband The Cure? Dr. Mole und ich sind wohl mit Maurice die einzigen, die ein wenig mehr auf Cure stehen. Dass unser Sound manchmal an Cure erinnert, war sicher keine Absicht und ist so passiert. Eine gemeinsame Liebe gab es da nicht, die Hälfte der Band kannte nur „Friday I‘m In Love“ vorher und vielleicht den „Lovesong“, für mich war Cure aber schon immer eine der wichtigsten Bands. Welche sonstigen Einflüsse würdet ihr für euch geltend machen? Bands wie Joy Division, Shock Therapy, The Chamelions und auch David Bowie haben großen Einfluss auf die Band, oder auch deutsche Bands, wie Fehl-

farben und Die Art. Patrick steht auf AlternativeMusik, wie Editors, Muse oder Turbostaat und Tocotronic, Niels liebt Punk und Metal, vor allem die Broilers und Ulf ist Lagwagon-Fan und steht auch auf Bands wie Butterfly Coma oder Caliban. Wie lange habt ihr jetzt an eurem Album gearbeitet? Gibt es auch noch Tracks aus der „Life on Earth“-Phase? Wir haben etwa ein halbes Jahr am Album gearbeitet, das ging relativ fix, weil wir wahnsinnigen Spaß dran hatten. Alle Songs von der „Life On Earth“EP sind überarbeitet oder neu aufgenommen auf dem Album, „The World“ war auf der EP nur als Homedemo-Bonus mit drauf und wurde komplett neu eingespielt, alle anderen Lieder wurden eben bearbeitet, mit neuen Solos versehen, neuen Keyboard Parts, oder es wurde nur neu eingesungen. Sechs von den 13 Liedern sind aber komplett neu auf dem „Darkenia“-Album, wobei das „Our Love“ am Ende des Albums wohl auch als Bonus zu verstehen ist, weil es mit seinem rockigen Sound nicht wirklich in die Gesamtstimmung des Albums passt. SIEGMAR OST

www.atomic-neon.de

Rio Black: Es gab keine Übernahme, und es sind sogar drei Bands aus denen wir kommen, die Bands Spunk2003, Leihhaus und Schockromantik liegen uns immer noch am Herzen, auch wenn es was komplett anderes ist, die Synthie-Pop-Band Spunk2003 war ein Zweimann-Projekt von Dr. Mole und mir und liegt nur etwas auf Eis, aus Zeitgründen. Die Rotzrock-Band Leihhaus, in der Patrick und ich spielen und singen, probt immer noch und spielt genauso wie die Punkband Schockromantik, aus der Niels und Ulf zu uns kamen, ihre kleinen Gigs weiter, solange die Zeit dafür noch da ist. Wofür steht euer Name Atomic Neon? Man vermutet ja zuerst einmal eine Elektroband? OK, die Story dazu ist folgende: Wir waren die Crew eines Raumschiffes, sagen wir mal die „Spunk2003“, wurden losgeschickt um das Element „atomicseriliatal neonoximentaldihydrat“, kurz „atomic neon“ wieder zu finden, welches uns gestohlen wurde und strandeten nach einem Crash 43


IMATEM Reise in die Heimat

Wer sich hinter diesem Projekt verbirgt, weiß der kundige Szene-Hörer nicht seit dem Erstlingswerk „Home“. Kein Geringerer als Mastermind Peter Spilles verwirklicht sich mit Imatem auf ein Neues und nimmt uns diesmal mit auf eine elektronisch getragene Reise. Der neue Silberling „Journey“ überzeugt und setzt das begonnene Konzept, nämlich die Kooperation mit begnadeten Gast-Musikern aus der Szene, fort. Diesmal konnte er zum wiederholten Male aus dem Vollen schöpfen und findet mit Ronan Harris, Sven Friedrich und Sara Noxx Veteranen der schwarzen Musik und kongeniale Partner am Mikrofon. Die Symbiose aus zehn, sich nahtlos aneinanderreihenden Songs macht diese Reise so wertvoll. Der Wunsch auf Urlaub wird laut und wie das Cover andeutet, sind die Koffer bereits gepackt. Nur wohin geht die Reise? Du bist ein viel beschäftigter Künstler. Wie kommt es, dass du neben PPF dich noch in so vielen Side-Projekten verwirklichst. Passen deine Ideen nicht in das Konzept von PPF? By the 44

way, wann können wir denn von dieser Seite auf etwas Neues freuen? Peter Spilles: Ich habe mir zwei Projekte erschaffen (Imatem und Santa Hates You), um meine Kreativität in Kanäle zu lenken, die es mir erlauben, diejenigen Aspekte der elektronischen Musik auszuleben, die bei PPF nicht genügend Beachtung finden würden. Zum einen wäre das der Synth-Pop Aspekt, der mit harmonischen und tiefen Melodien bei Imatem zum Tragen kommt. Und dann ist da noch der harte und Rhythmus-orientiere „Lautstoff“, den ich jetzt mit Santa Hates You ausleben kann. Dieses Konzept schafft mir Freiraum und Klarheit darüber, wo ich mit Project Pitchfork musikalisch anlanden möchte. In der bereits abgeschlossenen Kompositionsphase für das neue PPF Album, haben mir diese beiden Projekte Hindernisse aus dem Weg geräumt, die mir nun eine neue Richtung in den Project Pitchfork Songs ermöglichen. Die Texte, die ich gerade für das neue Album schreibe, besitzen eine Ironie-getränkte Düsternis, die durch die Musik verstärkt wird und mich an „alte Zeiten“ erinnert. Das neue Project Pitchfork Album wird Anfang 2009 erscheinen. Nach der Premiere von „Home“ im letzten Jahr gehst du mit „Journey“ eine Stufe weiter. Im Netz geistern ja schon diverse Interpretationen für den Bandnamen: Imatem, was soll uns dieses Wort sagen? Und was bedeutet es für dich? „Im Atem“ sind zwei Wörter, deren Klang mich fasziniert. Verschmolzen zu einem Wort, verschwimmt die Bedeutung und der Aspekt des reinen Klanges tritt für jeden derart in den Vordergrund, wie es von mir beabsichtigt war. Im Grunde ist es einfach ein Bandname, der die Lebendigkeit dieses Projektes hervorhebt. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das Grundkonzept dieses Projektes die Kooperation mit deinen erlesenen Gast-Sängern. Ist das richtig? Damit triffst du den Nagel auf den Kopf. Imatem ist vordergründig als reines Studioprojekt konzipiert

und die Kooperation mit verschiedenen Sänger/Innen aus der dunklen Kultur Szene war mir wichtig, um einen verbindenden Pol zu erschaffen, der die Vielseitigkeit dieser Szene vereint. Szenegrößen wie Ronan Harris oder Sven Friedrich als musikalische Partner – das verspricht eine geballte Ladung Hitpotenzial. Trifft man sich da zum monatlichen Promi-Kaffeekranz? Wie muss man sich da die Kontaktaufnahme vorstellen? Die Kontaktaufnahme verlief so unterschiedlich, wie auch die jeweiligen Charaktere sind. Sie haben jedoch alle eines gemeinsam und das ist, dass sie trotz ihres jeweiligen Erfolges Menschen geblieben sind, die für die Musik leben. So genügte eine Frage meinerseits, z. B. nach einem Konzert, in einem Club, oder ich habe einfach angerufen und nachgefragt.


ta Hates You), die durch ihre rauchige Stimme verzückt. Nick (Legacy of Music) ist mir bei einem Konzert seiner Band in der Hamburger Markthalle durch seine LiveStimme aufgefallen. Jan (Revolution) hat bei mir mit der Band Lost Area und seiner Band Revolution einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Jay Smith (Deviant UK) klingt ein wenig wie der Sohn Konzept von Gary Numan und belebt mit seiner Band zurzeit die englische schafft mir Gothicszene neu. Stefan Großmann Freiraum und (Absurd Minds) sollte fast jedem beKlarheit darüber, kannt sein. Stefan und mich reizte unter anderem der Gedanke, an die wo ich mit verdutzten Gesichter einiger Presseleute. Sven Friedrich (Zeraphine, Project Pitchfork Solar Fake) brauche ich wohl nicht musikalisch vorzustellen. Ich habe ihn beim anlanden möchte.“ Gothic Aid Festival in Hamburg auf Imatem angesprochen und er hat spontan zugesagt. Ronan Harris (VNV Nation) dürfte auch jedem bekannt sein. Ich bin sehr dankbar, dass er trotz seines vollen Terminkalenders dieser Zusammenarbeit zugestimmt hat. Der Song „Haven“ ist dank ihm zu einem genialen Ohrwurm geworden.

Und wenn der Kontakt dann steht, kommen die Herrschaften dann zu dir ins Studio oder ist es dann eher Austauschen der Aufnahmen? Es ist einfacher und schneller, wenn jeder Sänger und Sängerin den Gesang in vertrauter Umgebung einsingt. Deswegen ist die Arbeitsweise mit dem Austausch von Daten für Imatem „Dieses die beste und effizienteste. Stell doch mal bitte den Lesern dein „Reise-Team“ vor. Ich muss sagen, dass auch mir einzelne Namen jetzt nicht direkt was sagen. Da hätten wir Sara Noxx (Sara Noxx, Essexx), die mir persönlich bereits seit 1998 bekannt ist. Jinxy von meinem anderem Projekt (San-

Bühne zu entern, fiel von einer Sekunde auf die andere und hat auch uns selbst ein wenig überrascht. Mit Steve verbindet uns ja schon seit Jahren eine tiefe Hassliebe und er hat sich offensichtlich genau so gefreut wie wir. Dass sich „Timekiller“ als Remix und als Coverversion großer Beliebtheit erfreut, macht uns natürlich stolz und glücklich. Wir verfolgen diese Tendenzen auch sehr aufmerksam und hören genau hin, wenn wir wieder einmal eine neue Version entdecken. Wen wünschst du dir fürs nächste Album als Gast-Sänger? Dazu werde ich mir konkret Gedanken machen, wenn es soweit ist. Alexander Veljanov wäre jemand, der mir schon lange als Gastsänger bei Imatem vorschwebt, ich bin aber noch nicht dazu gekommen, ihn einmal persönlich zu fragen. HEIKO NOLTING

www.myspace.com/imatem

Wie war die Zusammenarbeit mit den GastSängern? Was war klasse? Was war strange? Allein schon die Tatsache, dass ich mich mit den von mir geschätzten Künstlern kreativ austauschen durfte, war klasse. „Strange“ war gar nichts, außer dem Festplattencrash kurz vor dem Mastering-Termin. Glücklicherweise bin ich ein Backup-Fanatiker und sichere alles doppelt und dreifach. Mit der CD nimmst du uns auf eine Reise. Geht es hier um die Verarbeitung deiner Vergangenheit? Wohin wird die Reise gehen? Ich verarbeite meine Vergangenheit grundsätzlich nicht in meiner Musik, denn dann würde ich mein Publikum als Therapeut missbrauchen. Wichtig ist nicht, wohin die Reise geht, sondern die Reise selbst. Wenn man sich nur auf das Ziel der Reise - und somit auf das Ende – konzentriert, verpasst man die ganzen Impressionen und Bereicherungen, die ein Weg zum Ziel zu bieten hat. Auf dem diesjährigen Amphi Festival gab es ja mehrere Highlights für dich. Zum einen lief „Timekiller“ in drei verschiedenen Versionen. Zum anderen euer Spontanauftritt bei And One bei „Timekiller“. Was meinst du dazu? Die Entscheidung von Dirk und mir bei And One die 45


Karpatische Realität Bombastischer Gothic Metal mit weiblichem Operntouch hat sich gerade in den letzten Jahren zu einem der letzten großen Verkaufsschlager in und außerhalb der Szene entwickelt. Und in der Tat: Der Quell dieser Bands scheint nicht zu versiegen, auch wenn der Großteil dieser Künstler zunehmend wie von der Stange wirkt. Umso wohltuender ist das neue Album der rumänischen Düstermetalband Magica, welche neben ihrer finsteren karpatischen Herkunft auch musikalisch zu überzeugen wissen. Der Kopf und Songschreiber der Truppe, Bogdan, zeichnet die Entstehungsgeschichte des Albums im Bannkreis von Wölfen und Hexen nach. Bogdan: Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wann ich anfing, die neuen Songs zu schreiben. Nachdem „Hereafter“ 2006 aufgenommen war, hatte ich seit dem Winter eine Menge Zeit, viel zu schreiben, zu verwerfen und neu zu entwickeln. Eigentlich wollten wir das Album in Deutschland aufnehmen, haben uns dann aber doch für ein Studio in unserer Nähe in Constanta entschieden. Schon alleine wegen un46

serer Jobs. Inhaltlich haben wir natürlich tief in der Mythologie unseres Landes gegraben. Sämtliche Songs behandeln Mythen, Sagen und Erzählungen über Wölfe und Hexen in unserem Land. Diese Inspirationsquelle war schon immer unser Ideengeber. Meine Songs entstehen frei heraus ohne jedes Kalkül. Ich versuche nicht zu denken, sondern zu improvisieren. Sobald erste Ideen stehen, nehme ich das mit meinem Computer auf und entwickel es dann weiter. Manchmal fliegt das Material auch wieder komplett weg. Abseits dieser so interessanten Gerüchte und Spekulationen über den mythischen Teil eures Landes. Was kann man über die aktuelle Musikerszene sagen? Traurig aber war. Ein lausiger Zustand. Es gibt weder Promoter noch Strukturen in der regionalen Musikszene und das in erster Linie, da es keine Fans dieser Musik gibt. Wir sind hier auf einsamen Posten ziemlich verloren und alleine. Natürlich gibt es noch ein paar andere gute Bands, aber ohne große Ausnahme spielen hier alle Umsonstkonzerte in kleinen, unzureichend ausgestatteten Klubs.

Eure ersten Alben haben einen Siegeszug um die Welt angetreten. Habt ihr selbst auch schon in vielen dieser Länder gastiert? Eigentlich hatten wir in erster Linie in Frankreich und Rumänien gespielt. Und ehrlich gesagt, wir spielen gerne in Rumänien, aber wir lieben es wirklich, in Frankreich zu spielen. Die Franzosen sind unser bestes Publikum, selten gab es eine solche Euphorie auf Konzerten. Über unseren Erfolg in Südamerika habe ich nur per Youtube mitbekommen. Besonders stolz war ich, als wir dann ein paar Clips gefunden hatten, in welchen südamerikanische Bands unsere Songs coverten und live performten – und das sogar auf einem hohen Niveau. Das bedeutet mir sehr viel, denn wenn ich selbst einen Song covere, muss er mir sehr nahe stehen. Ich muss diesen Song wirklich vergöttern. Seit dem ihr jetzt bei dem renommierten Label AFM unter Vertrag seid, steht eurem großen Durchbruch nichts mehr im Wege. Wie gestaltet sich die aktuelle Arbeit? Zuerst einmal sind die Jungs und Mädels bei AFM wirkliche Profis. Darüber hinaus haben wir uns natürlich auch schon näher kennengelernt. Das Kennenlernen


ging dann auch schon weiter und wir hatten gemeinsam einige rumänische Palika Shots (Red.: Rumänischer Obstbrand). Leider konnten wir uns in letzter Zeit nur übers Geschäft unterhalten. Es steht halt auch wirklich viel an. Der Spaß kann dann wieder zur Tournee kommen. Der Tenor des Albums sind Mythen der rumänischen Vergangenheit und Folklore. Den meisten in unseren Breiten vor allem durch den Vampir bekannt, hat Rumänien noch weit mehr zu bieten. Der Titel „Wolves and Witches“ repräsentiert den Rahmen all jener Mythen. Die rumänische Folklore ist reichhaltig und fantastisch. Ihr habt in der Vergangenheit mit vielen anderen Bands aus der Female Metal Liga, wie z.B. After Forever, Leaves Eyes etc. zusammengespielt. Gibt es untereinander bereits Kontakte? Vielleicht zwischen den Sängerinnen? Ja, natürlich gibt es zwischen den Bands hin und wieder Kontakte und Mails. Was die Sängerinnen betrifft, wie wär es mal mit „women bonding“? In eigenen Worten:

„WOLVES AND WITCHES“ „They stole the sun“ „Zmeu“ ist ein rumänisches Monster mit übernatürlichen Fähigkeiten, welches öfter Dinge stiehlt „Don‘t wanna‘ kill“ In „Varcolac“ geht es um einen rumänischen Wehrwolf „Just for two coins“ Eine Geschichte über Verrat und die unglückliche Verkettung von Dingen und ihre schwerwiegenden Resultate „Hold on tight“ Auf den Schwingen eines geflügelten Pferdes – die schlechte Nachricht: Ein blutiger weiblicher Dämon verfolgt dich „Hurry up ravens“ Die Ewigkeit ist so unsagbar lang

Im Vergleich zu euren früheren Werken sind diesesmal bedeutend weniger Keyboards zu hören. Absicht? Das war von vornherein wichtig. Ich wollte dieses Album wahrhaftiger und stärker an meinen musikalischen Wurzeln orientieren. Der Song soll für sich selbst stehen und nicht durch Effektspielereien verschleiert werden. Gerade der inhaltliche Tenor lässt der Fantasie freien Lauf. Habt ihr auch an eine visuelle Umsetzung gedacht? Dieser Aspekt ist mir eigentlich nicht so wichtig. Uns ist das Spielen am wichtigsten, aber du hast Recht. Ein gewisser Look ist wichtig. Ansonsten soll die Musik für sich sprechen. Während ich dieses Interview führe, werden übrigens unsere Tourdaten gebucht. MARIUS MARX

www.magicaband.com VÖ „Wolves and Witches“: 28.11.08 „Maiastra“ Der fantastische Vogel „Chitaroptera“ Dies ist unser erster aufgenommener Instrumentalsong, welcher unsere folkloristische Ausrichtung unterstreichen soll.

Fängt man Ratten mit Strom? Nach dem Erfolg ihres dritten Studioalbums „Edacious“ (2006, Sonorium) veröffentlichen die Bielefelder Starkstrom-Electro-Rocker Heavy-Current im September 2008 eine Web-EP mit dem Titel „Ratrace“. Der Titeltrack „Ratrace“ kommt als treibende IndustrialPunk-Nummer daher und ist der Vorbote für das Anfang 2009 kommende Album „Push The Fire“ und überzeugt durch druckvollen Synthsound, gepaart mit krachenden Drums und natürlich dem typischen eindringlichen Gesang des Heavy-Current-Sängers Jan. Das Ganze wird gepaart mit einer kräftig losrockenden Gitarre. „Ratrace“ dürfte mit diesen Zutaten auf den Dark- und Alternative-Floors eine richtig gute Figur machen. Tipp: Man sollte sich unbedingt das ansprechende Video ansehen, das zu „Ratrace“ gedreht wurde und auf den Webseiten der Band sowie in vielen Portalen wie Youtube bereits zu sehen ist. Der neue Song erscheint rechtzeitig vor der aktuell anstehenden Tour von Heavy-Current zusammen mit Battle Scream und Cephalgy. Neben dem Titelsong werden auf der „Ratra-

VÖ „Ratrace“: 12.09.08

ce“-EP acht interessante Versionen von Songs aus dem letzten Album geboten, die von Künstlern wie Novastorm, Kaos-Frequenz, Vani und anderen remixed wurden. „Ratrace“ erscheint als Digital-Veröffentlichung im MP3Format und ist ab dem 12.09.08 bei den meisten Download-Shops wie Musicload, iTunes, Amazon.com erhältlich. Eine streng limitierte CD-Version kann auf den Livekonzerten von Heavy-Current erworben werden. NIGHTWOLVE

www.heavy-current.de www.myspace.com/heavycurrent www.sonorium.de www.myspace.com/sonoriumrecords

„Dark secret“ Spiegel reflektieren deine böse Seite „In the depths of the lake“ „Stima Apei“ ist ein weiblicher Wasserdämon „Mistress of the wind“ „Lelele“ sind heimtückische Geister des Windes in Form von schönen Mädchen „Until the light is gone“ eine besorgte Mutter nimmt, mehr als sie sollte, Kontakt zum Geist ihres Sohnes auf 47


Grausame Märchenwelt Illuminate veröffentlichen im Oktober 2008 – nach 15 Jahren Bandgeschichte - ihr bereits elftes Studioalbum „Zeit der Wölfe“. Nicht vielen Bands gelingt es über eine so lange Zeit, eine große, treue Fangemeinde aufrecht zu erhalten und mit jedem Album noch mehr Hörer zu begeistern. Bei ihrem neuen Werk werden wir nicht nur begeistert sein, sondern auch verzaubert. Die zauberhafte Märchenwelt, die wir anfangs erwarten, zeigt jedoch bald ihr unheimliches Gesicht. In Märchen gibt es eben nicht nur schöne Mädchen, sondern auch böse Wölfe. Der „Stille Schrei“, der sich zu Beginn langsam ausbreitet, hält Grausames bereit. Der „Menschenwolf“ hat es diesmal nicht auf die Großmutter abgesehen; das schöne, junge Mädchen beherrscht das Denken des Wolfes. „Die Zeit der Wölfe“ nimmt uns in sich auf – ob wir wollen oder nicht. Sie zieht uns tief in die Märchenwelt. Was „Am Ende des Weges“ steht, bleibt offen. Jedoch gab uns Johannes Berthold einige aufschlussreiche Antworten zu den Arbeiten am Album und dessen symbolvollen Inhalt sowie einen kleinen Rückblick auf die letzten 15 Jahre Illuminate. Das auf ein Märchen bezogene Cover fällt sofort auf: Ein rot bekapptes Mädchen sitzt im Wald auf einem Baumstamm, neben sich einen Korb mit Brot und Wein. Auf dem Backcover dann ist der Baumstumpf leer; der Korb und dessen Inhalt liegen auf dem Boden. Die rot leuchtende Kappe ist das Einzige, was von dem Mädchen übrig blieb. Was ist passiert? Die Wölfe? Ein Verbrechen? Laut Wikipedia will das Märchen Rotkäppchen in der Grimmschen Fassung „vor Vergewaltigung warnen […], da der Wolf nicht nur Wolf sondern auch Herr Wolf heißt, und Rotkäppchen noch gewarnt wird, nicht vom Wege abzukommen und niemandem zu trauen.“ Dies ist jedenfalls eine mögliche Lesart. Daran schließt sich an, dass auf eurem neuen Werk die Wölfe – eingebettet in das Märchenhafte – das Leitmotiv sind. Was symbolisieren sie? Beim Lied „Zeit der Wölfe“ wird – ähnlich wie im Grimmschen Märchen – eine Warnung ausgesprochen: „Die Moral von der Geschicht: Mädchen weich vom Wege nicht, bleib allein und halt nicht an, traue keinem fremden Mann, geh nie bis zum bitteren Ende, gib dich nicht in fremde Hände; deine Schönheit zieht sie an

und ein Wolf ist jeder Mann.“ Also eine Warnung vor fremden Männern und falschem Vertrauen? Ja, in gewisser Weise schon. Der Wolf steht bei unserem neuen Album vordergründig als Metapher für das Animalische, das „Triebhafte“ und das Rohe, Gewaltsame (obwohl man da dem Charakter des reellen Tieres nicht unbedingt gerecht wird). Auf „Zeit der Wölfe“ haben wir es mit zwei Protagonisten zu tun: Einerseits der Wolf (oder der „Herr Wolf“, wie von dir schon so super recherchiert – bei uns auf der CD heißt die Figur „Menschenwolf“); andererseits mit dem Mädchen, das sich einen Märchenprinzen erträumt. Aus der Begegnung der beiden entsteht das Leitmotiv unseres Konzeptalbums. Die vermeintliche Unschuld und das unwissende Träumen – und ihm gegenüber der Triebtäter, der Opfer seines inneren Wolfes wird. Das Intro „Stiller Schrei“ klingt noch ruhig, doch verbirgt sich schon etwas Entsetzliches darin. War es schwierig, die Antithese Stille/ Schrei musikalisch umzusetzen? Ich denke, dass wir nicht unbedingt auf die wortgenaue musikalische Einhaltung eines Bildes oder einer Metapher Wert legen, sondern vielmehr auf das Gefühl, welches jene vermitteln sollen. Der „Stille Schrei“ kann dual ausgelegt werden: Wir haben

einerseits das Mädchen, das sich Tagträumen von der großen Liebe hingibt; andererseits existiert der psychopathische Triebtäter, der von seinen inneren Zwängen beherrscht wird. Für beide Personen kann das Bild mit dem verzweifelten, stillen Schrei zutreffen. Daher kommt vielleicht auch die Mischung mit dem Schönen gegen das Unheimliche?! „Zeit der Wölfe“ klingt insgesamt sehr traurig und – vor allem im Requiem – bedrohlich. War es von Anfang an so geplant, dass das neue Album eine bedrückte Stimmung innehat, oder hat es sich während der Arbeiten dorthin entwickelt? Es war geplant, ein etwas ruhigeres Album aufzunehmen, als dies beim Vorgänger „Zwei Seelen“ der Fall war. Wir wollten zwar die Gitarrenarbeit und den Einsatz des Schlagzeuges sogar noch verstärken, dies aber in etwas kommoderen Bahnen. Dass die Stücke nun nicht nur ruhiger, sondern auch ziemlich traurig geworden sind, ist kein primäres Ziel gewesen, sondern hat sich im Laufe der Arbeit mit den Titeln so ergeben. Die Texte stecken voller Symbole und Motive. Neben den schon angesprochenen Wölfen, ist das Märchenhafte von zentraler Bedeutung. Märchen sind zeitlich nicht definiert und doch


gibt es in eurem Märchen die „Zeit der Wölfe“. Leben wir in dieser Zeit? Wann hat sie begonnen? Das ist eine ganz tolle Frage! Auf unserem Album ist die „Zeit der Wölfe“ klar begrenzt auf das Erscheinen des „Menschenwolfes“ und dessen Aufeinandertreffen mit dem Mädchen. Beim „Requiem“ (dem Schlussstück) endet diese Zeit, da der Wolf flieht. Ob das nun eine reale Flucht, ein Suizid oder eine Gefangennahme ist, bleibt offen. Wenn man dieses Bild nun aber globaler betrachten möchte, wird die Frage schon etwas schwieriger. Ich bin durchaus der Meinung, dass wir in einer „Zeit der Wölfe“ leben, in welcher Bereicherung auf Kosten anderer, ungezügeltes Ausleben der eigenen Triebe und Bedürfnisse sowie fehlende Rücksichtnahme und Empathie eine ganz zentrale (und äußerst traurige) Rolle spielen. Wann das angefangen hat? Das kann wahrscheinlich keiner so richtig beantworten, da der Mensch ja schon immer dazu geneigt hat, schlecht zu sein! Im Outro „Am Ende des Weges“ schließt sich musikalisch der Kreis zum Intro. Doch wohin hat der Weg geführt? Was steht am Ende? Hier stellst du mir eine Frage, die ich eigentlich gar nicht gerne beantworte, nämlich nach der „Auflö-

sung“ eines Bildes oder eines musikalischen Inhaltes. Ich weigere mich seit Anbeginn unserer Karriere, persönliche Deutungen oder Interpretationen bezüglich unserer Lieder von mir zu geben. Ich finde es viel wichtiger, was die Fans und Hörer unserer CDs empfinden und welche Bilder sich vor deren geistigen Augen öffnen, als dass ich dies im Vorfeld durch klare Definitionen stören oder beeinflussen würde.

heraus. Das sind stimmliche Patzer sowie musikalische und textliche Gehversuche, die man heute vielleicht anders machen würde. Aber man muss gerecht sein: Vor 15 Jahren hat man halt so getickt und eben gerade die Musik so gemacht, wie man es gemacht hat. Das ist schlussendlich auch Teil der eigenen Identität, GeschichVÖ „Zeit der Wölfe“: 24.10.08 te und Entwicklung und daher wichtig für die eigene musikalische Persönlichkeit. Parallelen gibt es natürVor 15 Jahren gab es mit „Poesie“ das erste lich auch: Wir verwenden zum Beispiel konsequent musikalische Lebenszeichen von Illuminate; es nach wie vor die deutsche Sprache und bedienen folgten zehn Studioalben. Wo seht ihr die Un- uns auch nach 15 Jahren noch recht ähnlicher Stilterschiede bzw. Parallelen eurer musikalischen elemente, was aber nicht zuletzt auch einen unverAnfänge zu eurem neuesten Werk? kennbaren Sound ausmacht. Ob man das nun mag Die Unterschiede sind ganz klar in den technischen oder nicht, ist eine andere Frage, aber viele tausend Möglichkeiten und in der „Reife“ zu suchen, welche Illuminate -Fans mögen gerade die Tatsache, dass ein solch langer Zeitraum von über 15 Jahren mit sich immer ihre Lieblingsmusik drinsteckt, wenn es aubringt. Ich höre auf der „Poesie“-MC aus dem Jah- ßen draufsteht. re 1995 – ebenso wie auf den ersten ein, zwei CDs DIANA SCHLINKE – noch ganz deutlich den jungen Johannes Berthold www.illuminate.de


Die Ernte einholen Seit vielen Jahren arbeitet Der Graf mit einem eingeschworenen Team am Durchbruch der Band und setzt vor allem auf einfühlsame, besinnliche und nachvollziehbare Texte im griffigen Songkostüm. So war der Chartdurchbruch fast zu erwarten, denn „Puppenspieler“ (NEGAtief berichtete) ist der bisherige Höhepunkt des songschreiberischen Ausnahmetalents. Die Live DVD und CD von der letzten Tour hingegen zeigen die großartigen Livequalitäten der Band und machen heiß auf die zusätzlichen Herbstkonzerte der umfangreichen Tournee. Eine Live-CD nebst DVD von Unheilig! Den Hörer erwartet eine unheimliche Dynamik. Wie lange braucht ihr, um eure Werke richtig bühnenreif zu bekommen. Und wie lange wird für eine Tour geprobt? 50

Einen komplett durch- zusammenarbeiten und auch immer daran geglaubt geplanten Ablauf oder haben. Es war ein schönes Zeichen, dass sie richtig Ähnliches gibt es nicht, lagen. Ansonsten sehe ich das alles als einen Erfolg wenn ich mit neuen durch lange, zielstrebige und disziplinierte Arbeit. Songs auf die Bühne Unheilig hat klein angefangen und wird immer wiegehe. Es gibt eine große der ein bisschen größer, weil diejenigen die an die Probe vor einer Tour. Musik glauben, auch jede Menge dafür tun. Da trifft sich dann das Genießen kann man hin und wieder mal ein wenig. gesamte Team, also Allerdings kommt nach dem einen Highlight schon Musiker und Technik wieder ein anderes. Irgendwann werden wir uns alle und alles wird aufge- mal eine kurze Zeit zum Genießen geben. Allerdings baut und wir spielen gibt es immer noch sehr viele zu tun. die Show ein bis zweimal durch. „Bei Unheilig Entsteht jetzt nicht noch ein größerer Erfolgsdruck? Licht und Ton stehen die Erfolgsdruck gibt es immer. und alles was Fans im Irgendwie muss man sich dazu gehört, immer gegenüber anderen wird da auch Mittelpunkt beweisen. ausprobiert und diese Warum das so ist, weiß ich und durchgenicht. Vielleicht ist es einfach sprochen. Eine sollen einen so und ich muss das akzepwirklich gute tollen Abend tieren. Ich mache mir da auch Show bekommt keine Gedanken mehr drüber. man aber nur haben.“ Dinge passieren so, wie sie hin, wenn man immer mehr Sicherheit passieren. Ich mache einfach in Ruhe meine Musik, bekommt und somit gebe mir Mühe in dem was ich tue und bin mir der auch lockerer wird. Da- Verantwortung der Fans gegenüber immer sehr beher sind die Auftritte wusst und ich liebe meine Arbeit. Bei Unheilig stevor einer DVD Aufnah- hen die Fans im Mittelpunkt und diese sollen einen me natürlich auch sehr tollen Abend haben. Diesen Wunsch versuchen wir wichtig, weil so vieles bei jedem Konzert zu erfüllen. in Fleisch und Blut übergehen kann, bis es letztendlich beim finalen Konzert Wie sieht ein typischer Unheilig-Backstageraum aus? zur Aufzeichnung stimmt. Nachher genauso wie vorher. Es gibt nichts BesonDer hohe Charteinstieg hat dir endlich bewie- deres, worauf wir oder ich Wert lege. Einfach einen sen, dass du mit deinem ureigenen Stil richtig Raum zum Zurückziehen, wenn möglich mit Heizung lagst. Tut so etwas nach so langer harter Arbeit und Dusche. Ich halte mich da eh kaum drin auf, weil gut? Kannst du den Erfolg auch ich vor dem Konzert und einmal genießen? danach immer bei den Fans Wir haben uns alle riesig gefreut, bin. Ich lege Wert darauf, dass wir so hoch eingestiegen dass man alles, was man sind. Ich habe es mir erhofft, dass benutzt, genauso hinterlässt, der Einstieg so hoch ist. Gerechwie man es vorgefunden hat net habe ich damit nicht. Es war und sich gut benimmt und ein tolles Gefühl, zu wissen, dass freundlich zu allen ist. Wir so viele UH Fans uns ein so hohes haben alle keine Starallüren Vertrauen geschenkt haben, indem und das ist auch gut so. So sie sich „Puppenspiel“ meist ungeetwas würde nicht in unser hört zugelegt haben. Ich persönlich Team passen. VÖ „Vorhang auf!“: 03.10.08 DANIEL FRIEDRICH habe mich am meisten für die gewww.unheilig.com freut, die mit mir schon seit Jahren


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„Romancer“ Nicht zum ersten Mal finden sich Rozencrantz im NEGAtief wieder, denn um „ROZ“ wird es selten still. Dafür ist die Band auch zu aktiv und umtriebig. Am 14.11. ist es so weit: „Romancer“ erblickt das Licht der Welt. Womit wir es hier zu tun haben? Eine Datenträger füllende EP! Denn neben den vier neuen Songs sind auch gleich noch vier Videotracks vorzufinden, drei davon live vom Castle Rock 2008 und ein von der Band selbst produzierter Clip zum neuen Song „Skin on Skin“. Wie immer haben Rozencrantz wert darauf gelegt, das Steuer nie ganz aus der Hand zu geben und so viel wie möglich selbst geleistet. Mir ihrem Videoclip haben sie die Latte für DIY-Produktionen gehörig nach oben geschraubt. Im Gespräch mit Horatio haben wir mehr über „Romancer“ und das dahinter stehende Konzept erfahren. Die Nähe zu Bands wie HIM wird nun noch deutlicher als auf eurem Debüt „Salvation“. Wie kam es zu dieser musikalischen Weiterentwicklung? Die Romantik hat sich noch stärker in die textliche Ebene verschoben. Dafür ist die musikalische Seite härter und klarer geworden. Wir sind das Songwriting diesmal ein wenig anders angegangen, haben intensiver und strukturierter gearbeitet und dabei

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auch gerade die Kraft, die ein Song bei einer LivePerformance entwickeln kann, im Auge gehabt. Mit unseren neuen Musikern Gray an der Gitarre und Jackie Saint an den Drums kamen natürlich auch neue Akzente in die Musik. „Romancer“ ist auch die imaginäre Figur auf dem Cover. Wofür steht er? Wer ist für das beachtliche Coverartwork verantwortlich? Unser Romancer steht für jeden von uns, der sich durch die Höhen und Tiefen des Liebens und der zwischenmenschlichen Beziehungen tragen lässt. Überwältigt von seinen Gefühlen und hin- und hergerissen zwischen Romantik, Lust, Verlustängsten und Hoffnung. Er hat ein Loch in seiner Brust, wo eigentlich sein Herz sitzen sollte, fühlt sich leer und ausgebrannt, und doch würde er jederzeit wieder in die Achterbahn der Gefühle einsteigen, alles von vorn beginnen. Für unser neues Artwort ist, wie auch schon für das Artwort von „Salvation“ und „Reapercussion“, die russische Künstlerin Aminess verantwortlich. Neben vier neuen Songs finden sich auch drei Videos vom diesjährigen Auftritt auf dem Castle Rock. Es war einer eurer ersten Festivalgigs. Hat euch der Zuspruch überrascht? Ja und nein. Einerseits ist es natürlich überwältigend, als Opener in der Mittagszeit vor solch einer begeisterten Menge zu spielen. Andererseits hat sich dies schon durch den enormen Zuspruch, den wir in den letzten Monaten bei MySpace and anderen digitalen Medien hatten, angekündigt. Schön zu sehen war es, dass wir auch etliche Fans anderer Bands vor der Bühne halten und begeistern konnten. Mit dem gewaltigen Andrang bei unserer Autogramstunde hat allerdings keiner gerechnet.

VÖ „Romancer“: 14.11.08

Zu „Skin On Skin“ befindet sich auch ein opulentes Video auf der EP. Nicht euer erstes. Ihr scheint eine große Affinität zur Videoproduktion zu haben. Woher kommt diese? Wir versuchen stets möglichst alles, was diese Band an die Welt herausgibt, selbst zu machen. Manchmal ist dies, wie beim Artwork nicht möglich. Allerdings suchen wir dann auch jemanden, der in den Crantz passt und langfristig mit uns arbeiten möchte. Im Falle des Videos machen wir jedoch alles selbst. „Skin on Skin“ ist mit Sicherheit unser bisher aufwendigstes Video. Wir haben es an zwei Tagen auf vier Sets gedreht, massiv Technik aufgefahren und unserer Kreativität freien Lauf gelassen. Der Song „Skin on Skin“ handelt vom Wunsch nach Hautkontakt, nach menschlicher Wärme. Einem Gefühl, das sich immer wieder durchsetzt, sozusagen am Ende immer wieder als zentrales Grundbedürfnis übrig bleibt. Auch hier beleuchten wir natürlich die Licht- und Schattenseiten, hier dargestellt durch unsere mit schwarzem, respektive weißem Bodypainting gestalteten Tänzerinnen. Welche Livekonzerte stehen noch an? Unsere Konzentration gilt jetzt unseren Record Release Shows (22.11. Bochum, 28.11. Erfurt). Das wirklich erfolgreiche Jahr 2008 beschließen wir dann zu Weihnachten in Moskau mit unserem ersten Auslandsgastspiel. POLONI MELNIKOV

www.myspace.com/rozencrantz



Hinsicht natürlich ein großartiges Jahrzehnt. Aber Sebastian mag auch sehr gerne die 60er und ich liebe die 80er Sachen. Eigentlich haben wir uns nie auf eine spezifische Richtung festgelegt.

Blaublütige Cineasten Schlägt man den Namen in den einschlägigen Enzyklopädien nach, dann wird man der adeligen Verpflichtung, Gutes für das Volk zu tun, gewahr. Der Titel „In Exil“ lässt dann auch die Nachfahren Napoleons vermuten, doch neben der eingangs vermuteten Verpflichtung, gute Musik für das tanzende Alternativvolk zu kredenzen, wollen die beiden Protagonisten im 70ies Outfit nicht so ganz zur royalen Vision passen. Zu bürgerlich und frech nimmt sich der neue Longplayer aus, der teilweise auch aus der fröhlichen Feder eines zeitgemäßen Weills stammen könnte. Valerie: Wir sind von DVDs regelrecht besessen. Gerade Filme sind die wichtigsten Einflüsse unserer Songs. Natürlich ist unser Filmgeschmack genauso weit gefächert, wie es unsere Musik erwarten lässt. Neben großen Klassikern von Bergman und Dreyer mögen wir vor allem die hochwertigen Veröffentlichungen von Chabrol, den Cohen Brüdern und David Lynch. Ich lernte mal die Schauspielerei und in der Musik versuche ich vor Allem dem Theater und dem Film ähnliche Atmosphären zu erzeugen.

In euren Songs ist eine Menge Platz für die eiMittlerweile gibt es eine kleine Schar jener fil- gene Inspiration. Die luftig entspannte Atmomisch klingenden Bands wie z.B. Vive La Fete, sphäre ist allen Titeln gemein. Versucht ihr daDresden Dolls oder auch IAMX. Fühlt ihr euch mit selbst auch Raum zu schaffen, angesichts eures hektischen Lebensalltags in Berlin? diesen verbunden? Mit Vive La Fete und Dresden Dolls hatten wir bereits Jeder Song soll eine Reise durch bekannte und unbezusammen gespielt. IAMX mökannte Landschaften vor dem „Er fand gerade, dass inneren Auge ermöglichen. gen wir auch sehr gerne, aber versuchen natürlich trotzdem Gerade diese filmische Qualiich den Song mit unser ureigenes Ding zu matät ist uns wichtig. Wir haben meiner schrecklichen immer in großen Städten wie chen. Wir mischen verschiedenste Genres und gegensätz- deutschen Aussprache Barcelona und Paris gelebt. liche Stimmungen in unseren Gerade nach unserer Londohervorragend Songs. Ich kenne sonst auch ner Zeit erscheint einem Berkeine Band, die Masai-Gesänge intonieren könnte.” lin nicht wirklich so hektisch, („Monkey Business”) verarbeieher das Gegenteil. Der Puls ten oder Polka Punk Songs („Under the floorboard”) dieser Stadt ist gemächlich, es ist wirklich relaxing schreiben würde. Wir versuchen, unsere Grenzen so und chillig. Übrigens einer der Gründe, warum wir weit wie möglich auszudehnen. London den Rücken gekehrt haben. Eigentlich ist es wie mit jeder künstlerischen Beschäftigung, die eine Discokugeln, monochrome Farbgebung, Afro- wunderbare Möglichkeit darstellt, sich vom Alltag look und die spezifischen Klamotten der 70er. und der täglichen Last zu befreien. Was fasziniert euch gerade an diesem stiliGibt es einen bestimmten Grund für die jeweistischen Brückenschlag? Das war jetzt wirklich keine bewusste Entscheidung. lige Sprache eurer Songs? Wir nehmen mit, was uns gefällt und spielen, damit Wir sind beide sehr häufig umgezogen, haben keine bis es zu uns passt. Die 70er waren in musikalischer Wurzeln und fühlen uns eigentlich überall wohl. Daher kommt es wohl auch, das die Ideen zu verschiedenen Songs oft in verschiedenen Sprachen entstehen. Mei-

VÖ „In Exil“: 19.09.08

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stens gibt das auch die Stimmung des jeweiligen Songs vor. Wir fühlen uns aber auch nicht als Poeten – uns sind Melodien wichtiger. Ich glaube jedoch, dass wir einen typisch europäischen Feel in unseren Songs haben, auch wenn es keine wirklichen Regeln für das Entstehen von Songs gibt. Das passiert alles instinktiv, so wie z.B. auch bei der Single „Tanz Mephisto”. Sebastian hatte den Text geschrieben und fand gerade, dass ich diesen Song mit meiner schrecklichen deutschen Aussprache hervorragend intonieren könnte. Und jetzt macht das vielleicht gerade den Reiz aus. „In Exile” – Fühlt ihr euch im Exil? Wir sind seit zwei Jahren glücklich in Berlin und finden immer wieder neue Ecken und Fleckchen, die uns inspirieren. Berlin ist gerade für Künstler unglaublich erfüllend und vibriert regelrecht. Das kosmopolitische, auch leicht Dunkle und der zurückgelehnte Charakter der Bewohner plus einem außergewöhnlichen Nightlife passen perfekt zu uns.

Ihr verwendet viele Percussionloops. Entsteht mit deren Hilfe das Grundgerüst eurer Songs? Wir mischen sehr gerne Loops und Samples mit realen Drums. Das klingt einfach fetter. Live verwenden wir sehr gerne viele Percussioninstrumente, wie z.B. Cowbells und Granitblöcke. Es ist fantastisch, wie dein Körper ein Teil des Musizierens wird. Und Percussions geben dem Ganzen diesen stammestypischen Touch. Sebastian spielt meistens zuerst ein paar Melodien auf der Gitarre, manchmal ich auf dem Klavier und dann entstehen erst später die Texte. Oft spielen wir auch in totaler Finsternis in unserem Studio. Da kann man dann regelrecht in Trance verfallen. Wer oder was steckt hinter den Vocalsamples von „Partners in Crime”? Das könnte ich dir sagen, aber danach müsste ich dich leider umbringen. GERT DREXL

www.noblesseoblige.co.uk 55


Visual EBM

auch Tool und Manson, den wir auch schätzen. Natürlich ist dann auch noch die ganze Musikbiographie von Joy Division bis AC/DC dabei.

Nahtoderlebnisse Der Hintergrund der illustren italienischen Band Timecut ist weit verzweigt, rekrutiert sich das ursprünglich in London gegründete Trio aus ehemaligen New Wavern, Industrialpunkern und harten Rockern. Von Anfang an verstand man sich als ein Künstlerkonglomerat, welches nicht nur mit der Musik begeistern wollte. So ist es nicht erstaunlich, dass die Band zu jedem Song eine Videoinstallation produziert hat, welche im Hintergrund der Liveshows projiziert wird. Das selbst betitelte Album „Timecut“ indes bricht eine Lanze für traditionell melodisch dunklen Gothmetal mit Industrial und Elektrozitaten, ohne je die Hook aus dem Ohr zu verlieren. Kurz: Ein weiterer Beweis für die Ohrwurmqualitäten der düsteren Sonnenkinder Europas.

Eure visuelle Komponente spielt eine große Rolle? Damit versuchen wir die Bedeutung der Texte noch stärker zu unterstreichen. Wir sind auch alle drei permanent damit beschäftigt, und erfreuen uns auch der Mithilfe vieler externer Kräfte, wie diverse Horrorfilmregisseure, denen unsere Musik gefällt. Wichtig ist die provokante aber auch manchmal sarkastische Art, Dinge zu visualisieren. Was unseren Videoclip betrifft, der wird leider nicht in Italien gespielt. Die Sender fühlten sich provoziert. Euer Name Timecut lässt viele Ebenen zu. Ehrlich gesagt, falls jemand unseren Namen richtig nachfühlen will, sollte er oder sie ein Nahtoderlebnis gehabt haben – vielleicht mit entsprechenden Substanzen wie Ketaminen. Dieses Gefühl, im Äther zu schweben, kommt dem Namen am nächsten. GERT DREXL

Gibt es gemeinsame musikalische Vorlieben, die ihr auch als Inspiration gelten lassen würdet? Joba: Ehrlich gesagt, gibt es heutzutage vor allem schlechte Bands, bei denen man sich abschaut, wie man es auf keinen Fall machen sollte. So gesehen auch ein Einfluss. Trotzdem gibt es auch Künstler, die uns allen viel Bedeuten, seien das Nine Inch Nails mit ihrer revolutionären „Downward Spiral“ oder 56

www.timecut.net

Gothika, eine der rührigsten elektronischen Duos Asiens, touren Jahr für Jahr durch Europa, Russland und Asien und bieten neben ihrer schillernden Bühnenperformance zwischen traditionellem Kimono und Latexstretch ein zutiefst asiatisches Werk zwischen schlageresker Eingängigkeit und verstörender Atonalität, ohne je den Sinn für griffige Songstrukturen zu verlieren. Im Gegensatz zu den so metallastigen Visual Kei Landsleuten ist Gothika von der ersten Note an hörenswert und exotisch zugleich. Andro: In Japan werden wir eigentlich nie in den Visual Kei Topf geworfen sondern immer als elektronische Band wahrgenommen. Die Exotik und das japanische Flair werden in Europa aber gerne mit Visual Kei gleichgesetzt, aber das ist dann auch die einzige Gemeinsamkeit. In Japan werden europäische Bands auch immer erst als typisch westlich bezeichnet, bevor man auf ihren eigentlichen Stil eingeht. Ist euer Albumtitel „120 Days Of Sodom“ an den berühmt berüchtigten Film von Pasolini angelehnt? Die Songs beziehen sich klar auf den konträren mit allen Formen der Perversion auseinandersetzenden Film, der seinerseits an Dantes Inferno angelehnt ist. Tabuthemen sind in der

japanischen Gesellschaft weit mehr ausgeprägt als in Europa. Was hast du vor Gothika gemacht? Ursprünglich waren wir drei Bandmitglieder und nannten uns damals noch Euthanasie. Musikalisch würde ich unseren Stil als digital Rock bezeichnen.

Gothika hat sich direkt daraus ergeben, aber die Gitarre weggelassen. Was sind die Hauptinspirationsquellen für eure teilweise japanisch abgefassten Texte? Als visuelle Band sind das natürlich viele Filme, aber auch Bücher. Und dann ist da noch die Pornografie, die mich wirklich sehr inspiriert. GERT DREXL

www.myspace.com/gothikatokyo VÖ „120 Days Of Sodom“: 24.10.08


Play The Game – Game Over? Nein, nichts ist vorbei, es hat gerade erst begonnen. Nach dem vielbeachteten Debütalbum „Therapie“ setzt der aus Hessen stammende EinFrau-Electro-Act Eisschock mit der Web-EP „Play The Game“ nach. Der gleichnamige Song auf der EP wird nicht nur akustisch dargeboten, sondern auch mit einem durchaus ansprechenden Videoclip visualisiert – hier lohnt sich das Reinschauen wirklich! Auf kokette und herausfordernde Art und Weise veranlasst Eisschock den Zuhörer bzw. Zuschauer, das Spiel zu spielen. Man könnte annehmen, dass mit dem „Spiel“, das „Spiel des Lebens“ gemeint ist. Denn bei genauer Betrachtung der Songtitel („Hass Mich“, „Pictures Of The Past“, „Platitudes“ und „Far Far Away“) und deren Lyrik fällt auf, dass Bereiche des Lebens thematisiert werden. So handelt beispielsweise das Stück „Pictures Of The Past“ von unangenehmen Bildern der Vergangenheit, die jemanden immer wieder verfolgen und nicht zur Ruhe kommen lassen. Dabei ist der Titel in eine emotional-bewegende SynthpopMelodie und Kinderstimmen-Samples eingehüllt. Im Kontrast dazu heben die Vocals der Künstlerin die quälenden Leiden der gemachten Erfahrungen hervor. Dadurch wird die innere Zerrissenheit

hörbar. Ein weiterer Synthpop-lastiger Song ist „Platitudes“, der von ironischen Anspielungen über die (leider) weit verbreiteten, seichten Redensarten strotzt. Im scharfen und provokanten Gegensatz zu den vorangegangenen Liedern steht der Titel „Hass Mich“, in dem auf eine ungewohnte Art mit dem Scheitern einer Beziehung abgerechnet wird. Der herausfordernde, deutschsprachige Sprechgesang ist in genau dazu passende, anfeuernde EBM-Beats verpackt. Somit eignet sich dieses Musikstück besonders gut, um aufgestaute Aggressionen abzutanzen. Wer danach Ruhe und Entspannung braucht, für den ist der abschließende Titel der EP „Far Far Away“ das Richtige. Eisschock bedient mit dieser EP sowohl das tanzwütige Volk als auch intellektuelle Charaktere, da sich die tricky arrangierten Songs zwischen Synthpop und härterem Electrosound auch wohltuend von eher simpel gestrickten reinen Tanztracks abheben. Die Kombination aus vermeintlichen Gegensätzen und Widersprüchlichkeiten wird durch die imponierende, feminine Ausstrahlung von Eisschock noch zusätzlich bekräftigt. In diesem Fall kommt man der Aufforderung „Play The Game“ doch gerne nach. NIGHTWOLVE

www.eisschock.de www.myspace.com/eisschock VÖ „Play The Game“: 17.10.08


Der „ZwischenWelt“ dunkle Seite Nachdem die Fans vier Jahre auf „ZwischenWelt“ gewartet haben, ist es nun endlich am 10.10.08 soweit: Das Folgewerk von „Auf Sehnsucht folgt Ernüchterung“ erscheint bei Danse Macabre Records. Man war gespannt, wohin sich das Quintett in den letzten Jahren entwickelt hat. Immer wieder verschob sich die Veröffentlichung, doch hat sich das Warten gelohnt. „ZwischenWelt“ ist voller Energie, Intensität und Gefühl. Die Texte behandeln das menschliche Seelenleben mit seinen Abgründen, üben Gesellschaftskritik, motivieren aber auch, seinen eigenen Weg im Leben zu suchen. Songs wie „Tote Seelen lieben nicht“, „Immer noch“ und „Deadnettlepan“ (vor allem im P.A.L. – Remix) haben durchaus das Potenzial, Clubhits zu werden. SiS verstehen es, gut (aber nicht leicht) zugänglichen Dark Rock zu machen, mit tief gehenden Texten und ergreifenden Stimmungen. Sie erschufen in ihrer „ZwischenWelt“ eine Melange von Zweifel und Hoffnung, Resignation und Neubeginn, Leid und Lichtblicken. Stefan Siegl führte uns ein Stück weit auf dem Weg in die „ZwischenWelt“. Das dem Prolog folgende „Zwischen Hier und Leben“ wirft die Frage auf: Was ist das Hier, wenn nicht das Leben? Ist das Hier die „ZwischenWelt“? Was befindet sich in der „ZwischenWelt“? Das Stück macht da weiter, wo wir vor vier Jahren am Ende von „Auf Sehnsucht folgt Ernüchterung“ aufgehört haben. 58

Dort ist die Schwelle zum Tod angedeutet worden. „Zwischen Hier und Leben“ macht nicht deutlich, wo es weitergeht – deswegen ist „Hier“ auch nicht weiter definiert, „Leben“ ist es aber sicher nicht. Vier Jahre sind seit eurem letzten Album „Auf Sehnsucht folgt Ernüchterung“ vergangen. Was ist in der Zwischenzeit bei euch passiert? Ich glaube, ich habe alles ausprobiert, was man musikalisch ausprobieren kann. Seitdem ist „ZwischenWelt“ immer wieder in vielfältigster Weise fertig geworden, war aber nie so, dass es uns getaugt hätte. Nach all dem Experimentieren sind wir dann aber doch stilistisch sehr zu den Wurzeln zurückgekehrt, haben aber inhaltlich etwas komplett Neues gemacht. Das war uns sehr wichtig, sonst hätte sich die Sache früher oder später im Sand verlaufen. Durch zahlreiche Andeutungen und sogar Umkehrung früherer Textphrasen ist aus den ersten drei Alben eine Trilogie geworden, die jetzt abgeschlossen ist. Das Cover zeigt eine sehr düstere Stimmung. Ein einzelner, kahler Baum in einer Landschaft, darüber ein dunkelblauer Himmel. Wie seid ihr auf das Motiv gekommen? Im Cover versteckt sich weniger Collage, als man vermutet. Foto: Michael Heinrich

VÖ „Zwischenwelt“: 10.10.

Diesen Flecken Erde gibt es wirklich und er ist eigentlich sehr schön und sehr ruhig. Es handelt sich um den östlichen Zipfel von „Stadtamhof“, einer Donauinsel hier in Regensburg. Bei Tage und in der Realität betrachtet, würde er die helle Seite von „ZwischenWelt“ repräsentieren. Allein durch die Nachbearbeitung für das Cover wurde er verdüstert und symbolisiert so die dunkle Seite. Trotz der düsteren Grundstimmung lässt sich auch Hoffnung heraushören. Gerade bei „Der Zweite Weg“ wird aufgefordert, nicht passiv zu bleiben, sondern etwas zu verändern; sich nicht seinem Schicksal zu ergeben. Kann man das als essenzielle Aussage des Albums sehen? Lebt ihr auch nach diesem Prinzip? Sich seinem Schicksal zu ergeben, ist die eine Sache. Was man daraus macht, ist wichtig! Wir leben in einer perversen Welt, in der du als Einzelner nicht immer etwas ausrichten kannst. Aber: Man kann – zumindest in Europa – jederzeit seine Stimme erheben. Noch viel wichtiger ist es, nicht dort zu vergammeln, wo es keine Hoffnung und keine Menschlichkeit gibt, sondern ein wenig auf sich aufzupassen und sich letztendlich auf das zu stützen, was einem am Wichtigsten ist – sonst wird man seiner Lebzeit nicht glücklich. Wann werden wir euch wieder live sehen können? Nicht, wenn ich‘s verhindern kann. Wir alle würden gerne wieder durch die Republik ziehen und für unsere Fans singen, aber nicht zu jedem Preis. Wenn sich was ergibt – jederzeit, aber nicht mehr diese dilettantischen Improvisationen ohne die Möglichkeit, sich ordentlich zu inszenieren. DIANA SCHLINKE

www.soulinsadness.de www.myspace.com/soulinsadness



OKTOBER / NOVEMBER 08 AUSGABE 16 - JAHRGANG 3

IMATEM

DAS ICH

QNTAL

ILLUMINATE

G M RA IT T N IS EH Z M UM EN

VELJANOV UNHEILIG DAS ICH JACK FROST QNTAL ILLUMINATE SCREAM SILENCE WHISPERS IN THE SHADOW SOUL IN SADNESS KONTRAST


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