dezember 09 / Januar 10 Ausgabe 23 - Jahrgang 4
Faith
and the
Schรถpfung
Faun
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der
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Erben
Inkl. Gra
Mono Inc. Faun Anders Manga Liquid Divine Erben der Schรถpfung Heimataerde Grendel Battle Scream Van Langen Dark Blue World
Muse
Mono Inc.
Schloss Cottenau – 95339 Wirsberg Tel. 09227/940000 kontakt@negatief.de www.negatief.de
Herausgeber: Danse Macabre, Inh.: Bruno Kramm, Schloss Cottenau, 95339 Wirsberg Chefredaktion: Peter Heymann (V.i.S.d.P.) Redaktion: Sven Bauer, Gert Drexl, Frank „Otti“ van Düren, Daniel Friedrich, Peter Heymann, Tristan Hoch, Marius Marx, Martin Hookana, Peter Istuk, Poloni Melnikov, Maria Mortifera, Ringo Müller, Heiko Nolting, Tyves Oben, Siegmar Ost, Stephanie Riechelmann, Philipp Strobel Akquise: Jessica Schellberg Layout: Stefan Siegl Lektorat: Ringo Müller Vervielfältigung oder auszugsweise Verwendung benötigt der schriftlichen Genehmigung. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Informations- und Datenträger. Die Artikel geben nur die Meinung der jeweiligen Verfasser wieder. Nach dem deutschen Pressegesetz Art.9 sind wir verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, dass für sämtliche redaktionellen Beiträge in unserem Heft eine Unkostenpauschale für Vertrieb an den Auftraggeber berechnet wurde. Trotz dieses Geschäftsverhältnisses entsprechen jedoch sämtliche Textbeiträge der persönlichen Meinung des jeweiligen, unentgeltlichen Verfassers und seiner Interviewpartner. Das NEGAtief versteht sich als eine, im Sinne der allgemeinen Verbreitung der alternativen Musikszene dienenden Publikation, die gerade kleinere Firmen durch eine preisbewusste aber alternative und flächendeckende Publikation ihrer vertriebenen Künstler unterstützt.
Editorial Lange dauert es gottlob nicht mehr, dann ebbt die gegenwärtige Kaufrauschhysterie endlich ab und wir können uns getrost dem Tagesgeschäft des neuen Jahres zuwenden. Angesichts der unendlichen Flut an Best-Of Alben, die in sämtlichen Manifestationen jedoch aktuell die Charts verstopfen, ist es dementsprechend schon beinahe als Entspannung zu verstehen, dass sich im Schwarzen Underground zur Weihnachtszeit verhältnismäßig wenig tut. Nicht so allerdings in unserem Heft, denn mit vereinten Kräften, wenig Glühwein, dafür aber dampfenden Tastaturen, haben wir uns erneut bemüht, eine bunte Mischung aus hoffnungsvollen Newcomern und bereits etablierten Acts zu bieten. Wenn Euch die neue Ausgabe gefällt, so lasst uns dies ruhig wissen. Wenn nicht, nun ja, dann natürlich auch, denn bestimmt gibt es noch so manches zu verbessern. Eure Redaktion
Schreiber gesucht!
Ihr kennt Euch aus mit Gothic, EBM, Electro oder Mittelalter? Eure zweite Heimat ist der Platz vor dem Bildschirm eures Rechners? Dann habt Ihr schon die ersten beiden Hürden genommen, kommen jetzt noch Leidenschaft zum Schreiben und vielleicht erste Erfahrungen hinzu, so wird es höchste Zeit, dass Ihr Euch bei uns bewerbt. Bitte sendet uns Euer persönliches Kurzprofil und ein oder zwei Leseproben an kontakt@negatief.de.
...in diesen Clubs gibt es das NEGAtief:
Codex, Komplex, Eventruine, Club Pavillion, TopAct, Matrix, Club Trafo, Alchimistenfalle, Bloodline, Beatclub, Rockfabrik, Kulthallen, Musiktheater, Unikum, Sonic, Crash, Melodrom, K17, Freeze Frame, Dark Flower, Kuz, Come-In, Muc-Kantine, Vortex, Black Painting, Uni1, Beat-Club, Gag18, Mau Club, Sächsischer Bahnhof, Nachtwerk e.V., Sound Saarland, Panoptikum, Druckkammer, Final, Fina Destination, Capitol, Eleganz / Bigstone, Koma, Flamingo, Locco/ Kulturruine, Radar, Nachtcantine, Meier Music Hall, Club ZV Bunker, Markthalle, Forellenhof, Shadow, Kir, Unix, Centrum, Bar Issix, Musikbunker Nightlife, Witchcraft, Loop, Dominion Factory, plan b zweibrücken, Underground, Südbahnhof, Darkarea, Dark Dance, Zentrum Zoo, Ringlokschuppen, Nachtwerk, Archiv, Kulturbahnhof Kato, Kufa / SB, RPL, Schützenparkbunker, Nerodom, From Hell, Panoptikum, Ringlokschuppen, Hades, Sound Saarland, Labor, Bunker Strasse E, Vier Linden, Kultkeller, Black Inn, Koma, Nirvana, Schabude, Aladin, Darkstar. ... und über Xtra-X oder per Abonnement bei www.NEGAtief.de
Diesmal mit: Anders Manga / Ignis Fatuu / PTYL Liquid Divine / Ankh / Ivardenpshere / Shadow -Minds Battle Scream / Bacio di Tosca / Erben der Schöpfung Masters Of Dark Fire / Foresin / Fjoergyn / My Skeleton Friend / Kaos-Frequenz / Wintermond
Inhalt
5 Kolumne Schementhemen 7 Soundcheck 13 Buch Periplaneta 27 Club Locco Barocco 50 Anders Manga 24 Ankh 23 Art Noir 28 Battle Scream 15 Bacio di Tosca 32 Charlotte’s Shadow 38 DarkBlueWorld 46 !distain 18 Erben der Schöpfung 8 Faith and the Muse 48 Faun 56 Fjoergyn 17 ForeSin 21 Godex 39 Gothika 16 Grendel 14 Heimataerde 22 Ignis Fatuu 52 Inline.Sex.Terror 31 Ivardensphere 26 Kaos-Frequenz 25 Liquid Divine 54 Livid Lalcyon 30 Masters of Dark Fire 40 Mono Inc. 5 My Friend Skeleton 33 NONmusic 27 Pecadores 43 Phallus Dei 42 Sara Noxx vs. Megaherz 20 Shadow-Minds 44 Strange Attractor 58 To Avoid 47 Van Langen 45 Wintermond
Myk Jung durchleuchtet die Schatten Phrasen
My Friend Skeleton vs. My Skeleton Friend Neuigkeiten aus der Zwischenwelt Für das im Frühjahr 2010 erscheinende Album „Vanitas“ enthüllen My Friend Skeleton, die bisher schon durch ihr extravagantes Äußeres, ihre verträumten Soundkollagen und ihre morbid-verspielte Homepage aufgefallen sind, eine weitere Facette: Während auf der ersten CD „Hinter der Maske der Schönheit...“ der gewohnt düstermelancholische Sound zu hören ist, der mit filigranen Klangkulissen zum Träumen einlädt, präsentiert sich die Band mit ihrem Alter Ego My Skeleton Friend auf dem zweiten Silberling „...lauert der Tod“ mit düsteren, treibenden Beats aller Couleur. Dennoch verzichten ihre Schöpfer auch hier nicht auf den nötigen Tiefgang und entsprechendem Detailreichtum. Die Texte sind teils minimalistisch, teils schildern sie Geschichten auf
ihre Art oder es werden Erzählungen von My Friend Skeleton weitergesponnen oder neu betrachtet. Als kleiner Vorgeschmack ist auf dem beiliegenden Dark Alliance Sampler der Track „Funeral Of A Broken Doll (His Version)“ zu hören, der die Geschichte vom Mädchen und dem Tod aus der Sichtweise des Grimm Reapers erzählt. Der Kurzfilm, der die Handlung aus Sicht des Mädchens wiedergibt, ist auf der Homepage der Band und ihrer MySpace-Seite zu bewundern. Mehr zu My Friend Skeleton und My Skeleton Friend sowie ihrem Universum und dem Album „Vanitas“ gibt es in der kommenden NEGAtief-Ausgabe zu lesen. Peter Heymann
Weitere Infos zu dieser mysteriösen Kombo findet ihr auf: www.my-friend-skeleton.com www.myspace.com/ myfriendskeleton
Schaffens!“ „Eine unverwechselbare und eigenständige künstlerische HandSchon in der Schule fühlte ich manchmal schrift!“ „Sie bleiben ihrer Linie treu und eine bleierne Mattigkeit – angesichts sind doch innovativ!“ „Eine neuartige ewig wiederkehrender Phrasen und Kombination von bewährten Bausteialtklugem Hohlgeschwätz. „Es scheint nen!“ „Eines der außergewöhnlichsten die vorrangige Intention des Autors zu Debüts der letzten Jahre!“ Wann werden sein, durch Metaphorik dem Leser ein wir vom Fluch der hohlen Plattitüde bebestimmtes Bild zu vermitteln.“ Klingt freit? Wahrscheinlich nie. Da freut sich das Auge doch schon fast über besoncool, is’ hohl. Die Fußballsprache kennt ebenfalls dolle ders Törichtes wie: „Eine große Menge Plattitüden: „Wir haben vergessen, über Einflüsse guter Musik spielen (!) eine die Flügel zu spielen!“ (Interessantes Rolle in ihrem Bandkonzept!“ Phänomen, im Übrigen. Bislang gab Auch lustige Übertreibungen wirken es noch kaum ein Spiel, in dem nicht durchaus befreiend im Einheitsbrei: „Der das Flügelspiel vergessen Abschluss des Albums ist wurde! Seltsam, oder? Lesungstermine: die extremste emotionale Offenbar patschen sich 11.12. Blue Shell, Köln Achterbahnfahrt, die je nach jedem Match rund 13.12. Flux, Velbert auf CD gepresst wurum den Globus die Fußde!“ Das hat doch was! baller an die Stirn und ächzen: „Ach, ja! Pfiffig-Skurriles mag ebenfalls erfreuen: Über die Flügel! Wie konnten wir’s nur „Diese Band ist die erste Droge, die unwieder vergessen? Nächstes Mal denken eingeschränkt empfohlen werden kann, wir aber dran!“) Die Beschreibung von denn Risiken und Nebenwirkungen sind Musik, festgehalten auf Tausenden von bislang keine bekannt!“ Das Lesen von Info-Zetteln der Plattenfirmen, hat ihren Info-Sheets indes ist gemeinhin selten Charakter ebenfalls seit mehreren Deka- frei vom Risiko, durch sinnentleerte Kliden nicht geändert: plump-übertrieben, schees zu ermüden. Nacht, Johanna! anpreisend-hohl und voller Stereotypen; www.schementhemen.de offenbar gibt’s da ein noch kleineres myspace.com/schementhemen Kontingent als das der Auswechselspieler auf der Fußballbank! Beispiele? „Konsequent und kompromisslos geht die Band ihren Weg und entzieht sich allen Kategorisierungen!“ Oder: „Dies ist sein bislang persönlichstes Album.“ „Das bis dato ausgereifteste, stärkste und individuellste Werk der Formation!“ „Dies ist der vorläufige Höhepunkt ihres kreativen
tipp der redaktion
Faun „Buch der Balladen“ Das Staunen beginnt hier bei der Verpackung. Ein edelstes Kleinod offerieren die Münchner zur Weihnachtszeit und setzen damit die bisher ruhigste Note ihres Schaffens. Balladen und Moritaten geben sich ein traumhaftes Stelldichein, das in seiner lieblichen Verspieltheit keine Grenzen kennt. Doch wer jetzt eine esoterische Mogelpackung vermutet, liegt komplett falsch. In der Ruhe liegt die Kraft und die virtuose Spielfreude der Faune kennt keine Grenzen, verzaubert und lädt ein auf eine kraftspendende Reise in eine Zeit fern des postmodernen Dauerrausches. Dazu gibt es im jugendstilinspirierten Hardcoverbuch viel Erklärendes und Aufklärendes zu den Liedern, ihrer Geschichte und Entstehung. Wer noch das perfekte Weihnachtsgeschenk sucht, sei es für die Liebsten oder sich selbst, liegt hier vollkommen richtig. Gert Drexl
Anders Manga „Infinite Gaze To The Sun“ In den USA ist der blonde Manga bereits seit vielen Jahren eine feste Größe der Dark Wave Szene. Leider konnte sich der Künstler bisher noch nicht das ihm angemessene Gehör in Europa verschaffen. Das brandneue Album „Infinite Gaze To The Sun“ sollte hier Abhilfe bringen, denn nur wenige Künstler vermögen es so gekonnt, dunkelste Atmosphären mit eingängigen und ohrwurmverdächtigen Refrains zu verbinden. Die charismatische Stimme von Anders thront über
den geschmackvoll arrangierten Songs, wobei der besungene Werteverfall der Gesellschaft selten so unterhaltsam dargeboten wurde. Bleibt zu hoffen, dass Anders Manga nun auch endlich in Deutschland auf den Bühnenbrettern Fuß fasst. Peter Istuk Velvet Acid Christ „The Art Of Breaking Apart“ Das dunkle Artwork lässt auf Großes hoffen, denn das einstmalige Enfant terrible der Elektroszene hatte seinerzeit nicht nur großartige und teilweise verstörende Elektrokunst auf Lager, sondern war gerade wegen seiner unkalkulierten Liveausbrüche ein gefürchteter und zugleich verehrter Performer. Doch leider war es viel zu lange still um den privat so introvertierten Bryan Erickson. Zwar flackert hier und da das großartige Talent des Ausnahmekünstlers auf, der diesmal sogar zur Akustikklampfe greift, doch an die ganz großen Zeiten kann der Künstler kaum anknüpfen. Trotzdem ist dieses Album natürlich weit vom Einheitsbrei der heutigen Hellektriker entfernt und versucht gerade in der Symbiose aus Akustik und Elektronik zu punkten. Wer sich auf dieses Album einlässt, wird nicht enttäuscht werden. Siegmar Ost Mono Inc. „Voices Of Doom“ Produktiv, erfolgreich und noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Mit nur einem Satz lässt sich so der aktuelle Status der Hamburger von Mono Inc. treffend beschreiben. Nach dem bereits landauf landab begeistert von den Fans angenommenen Vorgänger-Album „Pain, Love & Poetry“, bietet auch das jüngste Werk dunklen Elektro-Rock, der unmittelbar in die Beine geht und im Gehör hängen bleibt. Ins-
besondere der Titeltrack „Voices Of Doom“ und das durch Orchesterklänge ergänzte „If I Fail“ besitzen echte Hit-Qualitäten. Wenn auch gerade bei früheren Produktionen noch etwas die Durchschlagskraft der Vocals von Frontmann Martin Engler fehlte, so lässt sich daran inzwischen nichts mehr bemängeln und auch musikalisch hat man seinen eigenen, sehr eingängigen Sound endgültig gefunden. Sven Bauer Erben der Schöpfung „Narben der Zeit“ Was lange währt, wird endlich gut – selten war eine Standardphrase so treffend wie im Fall des zweiten Erben der Schöpfung Werkes „Narben der Zeit“. Geschlagene acht Jahre musste man auf den Nachfolger von „Twilight“ warten, jetzt ist er endlich da. Und man kommt sich vor, wie ins alte Millennium zurückversetzt, klingen Erben auch 2009 noch wie „in der guten alten Zeit“ – mal elektronisch-wavig, mal düster-metallisch, mal bombastisch. Mehr als einmal fühlt man sich in die großen Zeiten von Bands wie L’ame Immortelle, Clan Of Xymox oder Flowing Tears zurückversetzt. Besonders das clubtaugliche „Der tote See“ oder die getragene Klavierballade „Homeless“ sind Highlights, die sofort ins Ohr gehen und es mit jedem neuen Durchlauf sogar schaffen, noch mehr zu wachsen. Martin Hookana Liquid Divine „Autophobia“ Fleißig, fleißig! Bereits zum dritten Mal liefert das Leipziger Duo Liquid Divine im Zwei-Jahres-Rhythmus ein Album ab, das durch eingängige Melodien und einprägsamen Gesang besticht. Gepaart mit dem bereits von den Vorgängern bekannten Elektro-Stil der Band, ergibt sich so ein Produkt, das sich keinesfalls vor den Großen der Szene zu verstecken braucht. Ein Highlight ist ohne Zweifel der Song „Sojourner“, der dank der Kooperation mit Frank M. Spinath von Seabound Futurepop in Perfektion bietet und sofort ins Ohr und auch in die Beine geht. Aber auch die anderen Stücke lassen nur wenige Wünsche offen. Schon der Opener „Fallen Men“ weiß zu überzeugen und setzt sich direkt in den Gehörwindungen fest. Es ist für jede Stimmung was dabei: Tanzbare, aber auch ruhige Nummern, die bisweilen sogar in Richtung Trance abdriften. Daumen hoch. Heiko Nolting
Wenn musikalische Epochen aufeinanderprallen, den Beginn einer neuen Musikströmung postulieren und dann sogar noch eine romantische Note erfahren, ist man versucht, die märchenhafte und mythische Ebene zu beschreiben. Gerade im Falle der Kultformation Faith and the Muse und ihren geschichtsträchtigen Protagonisten ist diese Gefahr gegeben, zumal der Name der Band und das Aufeinandertreffen der beiden Ausnahmekünstler bereits eine ganz bezaubernde Liebesgeschichte umschreibt. Bevor wir jedoch fast zwei Jahrzehnte im Kaleidoskop eines rasenden Daumenkinos betrachten, ist folgendes zu bemerken: Auch ihr neuestes Album „:ankoku butoh:“ ist eine Sensation und lässt auf die sinnstiftende Wirkung in einer neuen Generation von Undergroundmusikern hoffen. Nicht nur deshalb der Grund für unsere Titelstory, sondern eine klare Absage an die immer steifer werdenden und zu kalkulierten Szenegrenzen. Doch von Anfang an. Der Anfang / „Mercyground“ William Faith, seines Zeichens junger kalifornischer Rebell diverser amerikanischer Gothic-Legenden wie Rozz Williams’ Christian Death, Mephisto Waltz und Shadow Project, hatte Anfang der 90er seine erste europäische Tournee hinter sich gebracht.
Jordan Smith – myspace.com/darkview
Tanz der Finsternis – Lieder des Lichts
Kaum zurück in den USA – man musste sich zwischendurch erst das Rückflugticket in Deutschland erarbeiten, denn diese Tournee war alles andere als erfolgreich – führte das Schattenprojekt den langhaarigen Hünen auch in das verschlafene Norfolk, Virginia. Im Vorprogramm des Abends spielte die aus Washington stammende Punk/New Wave Band Strange Boutique, deren grandiose Sängerin Monica Richards den vielgereisten William vom Bühnenrand aus unmittelbar verzauberte und den Beginn der Ge-
schichte von Faith and the Muse markierte. Fortan waren Monica und William nicht nur ein unzertrennliches Liebespaar, welches bis heute Alltag, kreatives Schaffen und die ganz eigene spirituelle Sicht vereint, sondern sie schufen in den folgenden Jahren ihr eigenes musikalisches Universum, das seine Wurzeln im ursprünglichen Gothicrock verortet, aber sich als neue Generation eine Vielzahl von Einflüssen zu eigen macht. Bereits auf dem ersten Album „Elyria“ aus dem Jahre 1994 wird die Nähe zu archaischer
Geistigkeit westlicher Prägung, aber auch weltmusikalischer Vielstimmigkeit zum ersten Mal präsent. Das Album hat mit „Sparks“ nicht nur einen der ältesten Hits der Band im Gepäck, sondern ist auch mit dem Songtitel „Mercyground“ der Namensgeber aller im eigenen Haus vereinten Aktivitäten. Auch die Internetadresse der Projekte um Monica und William firmiert nunmehr unter www.mercyground.com. Die Tournee zum Album ist eine Prozession und eine Premiere sondergleichen, denn auf der von William geplanten Procession Tournee gastieren erstmalig drei weitere stilprägende Bands der Gothic Kultur in den USA: Rosetta Stone aus England, Das Ich aus Deutschland und Corpus Delicti aus Frankreich. „Annwyn, Beneath the Waves“ Bereits zwei Jahre später erscheint das bis dato erfolgreichste Album des Duos mit immerfort wechselnder Livebesetzung, „Annwyn, Beneath the Waves“. Songs wie der Titelsong oder „Cantus“ fehlen auch heute nicht in der Playlist eines guten Gothrocksets. Das Album selbst ist von der produktionstechnischen sowie songschreiberischen Seite ein riesiger Sprung nach vorn. Dank der Unterstützung des Studiowizzards Chad Blinman kann William, der sämtliche Instrumente in Personalunion einspielt auch klassische und orchestrale Elemente einfließen lassen. Eines der frühen Geheimnisse des Erfolges von Faith and the Muse findet Einzug in die Arbeit der Band. Man mischt klassische Gothrocksongs mit der Technik moderner Popmusik. Das Resultat: Alles klingt weit luftiger und sphärischer als die blechernen Werke der kalifornischen Gothicrockkollegen. Auf „Annwyn, Beneath the Waves“ zitiert Monica pointiert Texte und Gedichte aus der englischen Renaissance und entfaltet ihr stimmliches Potenzial in den hymnisch angelegten Songs. „Evidence of Heaven” / „Vera Causa“ Das drei Jahre später veröffentlichte Album „Evidence of Heaven“ ist ein Meisterwerk der ruhigen Töne. Titel wie „ Shattered in Aspect“ treffen den Nerv des Darkwave. Folkige Songs und sphärische Hits wie „Shattered in Aspect“ kontrastieren zu einem gänzlich spirituellen Konzept des Albumtitels. 2001 erscheint das konzeptionelle Live Album das auf zwei, mit „The Night“ und „The Morning“ untertitelten Scheiben das bisherige Schaffen, aber auch Neuinterpretationen, verschollene Tracks, Samplerbeiträge und viele Remixe in einem an Gustav Klimt erinnernden Artwork vereint. Besonders beeindruckend hebt sich jedoch die Coverversion des Kate Bush Klassikers „Running Up That Hill“ ab
und zeigt neben Williams virtuoser Gitarrenarbeit eine sich stimmlich auf der Höhe ihrer Karriere befindenden Monica Richards. Im Gegensatz zu den stylingverliebten Kollegen aus Kalifornien, London After Midnight, haben Faith and the Muse längst zu ihrem ureigenen Genre gefunden und leben es wahrhaftig. Das eigentliche Geheimnis der so traumhaften Soundwelten liegt vor allem aber in der inneren Harmonie der beiden Künstler, die neben ihrem musikalischen Schaffen längst das eigene Paradies als zu formende Realität begriffen haben. Ihr Ars Terra Projekt (arsterra.org) verbindet die matriarchalische Sichtweise der Texte Monicas mit dem zutiefst humanistischen Weltbild Williams. Neben dem
Monicas Tourdiary Stimmungsvolles gutes Wetter in Europa. Viel Regen, erster Schnee in Berlin, trotzdem warm und lieblich. Die Blätter fallen, die Weintrauben reifen mancherorts noch immer. In der Wüste, in der wir leben, vergessen wir manchmal, wie magisch diese Orte sind. Wir heben Schmutzwasser auf, da es einfach nicht regnen will. Wirkt in Europa absurd. Nach sieben Uhr früh auf dem Weg nach Amsterdam und einem fantastischen Konzertabend in Zapfendorf ziehe ich ein erstes Resümee der Tournee. WHITBY, UK Nach einem anstrengenden Flug sind wir endlich in London und haben, welch Wunder, auch unsere übermächtigen Taikodrums, ohne die wir fast nicht einreisen durften. London Heathrow ist die erste Station, wir fahren noch in der nebligen Nacht in Richtung Whitby. Wir treffen Martin Oldgoth, Jo und viele alte Freunde wie Mick Mercer, der uns mit einer Freudenträne im Auge begrüßt. Wie überall werden wir freudig begrüßt und der Ruf nach handgemachter Musik scheint so laut. Am Freitag singe ich mit Eden House „To Believe in Something“. Am Samstag dann unsere erste Show mit Jetlag. Aradia und Lucretai beginnen mit einer Butoh Einlage komplett weiß geschminkt. „Blessed“ reißt das Publikum mit und die Geigeneinlagen von Paul Mercer sind himmlisch. In alten Zeitrechnungen verloren, spielen wir „Sparks“ und das Publikum träumt mit uns und wir freuen uns nach der Show über unzählige Freundschaftsbekundungen. BERLIN Nach dem Flug von London aus, geht es direkt ins K17, einem unserer Lieblingsclubs. Vietnamesisches Tofu ist unser herrliches Abendessen. Wir
Engagement für veganes Leben ist die nachhaltige Landwirtschaft nach ökologischen Gesichtspunkten ins Zentrum des alltäglichen Lebens gerückt. William und Monica bewirtschaften ihr Grundstück und leben in Einklang mit Natur und dem befreundetem Federtier ein bemerkenswert positives und nachhaltiges Leben. „The Burning Season“ / Infra Warrior Das im Jahre 2003 veröffentlichte Album „The Burning Season“ ist sicher auch das umstrittenste der Band, vielleicht auch nur, weil es einfach auf dem falschen Label erscheint. Produktionstechnische Perfektion trifft auf ein stilistisches Wechselbad, das die treffen unseren alten Freund Thomas Thyssen. Am Tag des Konzertes beginnt es zu schneien – die perfekte Kulisse für unsere Show. Wir treffen auch endlich unsere langjährige Freundin und Bookerin Patty. Das Konzert wird ein Freudenfest. Wir sind dankbar und glücklich. HILDEN Die Show wurde von einem Fankollektiv organisiert. Allein schon das Essen lässt uns als Veganer frohlocken. Wir fühlen uns willkommen. Es gibt sogar einen großen Videobeamer und wir können unsere herrliche Projektion zu den Tanzeinlagen zeigen. Marc Moorash, der auch unser Video drehte, hatte es für uns aufgenommen und all jene Dinge eingebaut, die uns wichtig sind und im aktuellen Release unterstrichen werden: Die Zerstörung der Natur, die Missachtung der Kreatur. ZAPFENDORF Was für ein Traum! Wir sind im fränkischen Hinterland und wir fühlen uns so wohl hier. Der beste Sound bisher, tolles Essen, großartiges Publikum. Einer unserer besten Shows bisher. PRATO Zum zweiten Mal in Italien! Großartiger Club, alles im Untergrund. Die Bühne ist klein und die Show familiär, aber es füllt sich gut. Als wir dann „Scars Flown Proud“ intonieren, ergeht sich eine Gruppe junger Batcaver in heftigen Tanzeinlagen. WIEN Was für eine lange Fahrt. Der Viper Room ist ein kleiner persönlicher Club. Es ist Neumond und wir haben eine großartige Show. Sogar Gäste aus Ungarn sind angereist. Wir hoffen noch auf ein paar Shows in Frankreich und freuen uns schon auf ein Wiedersehen auf dem Wave Gotik Treffen 2010.
Band im Spannungsfeld von archaischer Tugend und zukunftshöriger Popkultur zeigt. Dennoch sind die Lieder wie der Titeltrack oder der „Relic Song“ ein Meisterwerk des modernen Gothsound. Während die eigene Ars Terra Welt größere Formen annimmt und die beiden Musiker auch als Seminaristen ihre Art des nachhaltigen Lebens präsentieren, arbeitet Monica unter Mithilfe von Lebenspartner William an dem eigenen Soloprojekt Infra Warrior. Die Soundkollagen des radikalen Werkes, das sich das weibliche Prinzip auf die Fahnen geschrieben hat, werden von Tribaldrumattacken angetrieben und erzeugen einen trancehaften Song, in dessen Mitte Monicas rituelle Beschwörungsformeln erstrahlen. Dieser Befreiungsschlag nach „The Burning Season“ war sicher eine Vorbereitung auf das bisher größte Oeuvre der beiden. „:ankoku butoh:“ Während weltweit die Elektrotrance- und Hellectrobands wie Pilze aus dem Boden schießen und die Szene in neonfarbene Kunstblutexzesse verfällt, besinnen sich Faith and the Muse auf ihre Wurzeln, die zugleich ein verbindendes Motiv aufgreifen. Der Butoh-Ausdruckstanz ist eine der ältesten japanischen
Traditionen. Ankoku Butoh als Metapher für den Tanz der Finsternis und des Leidens kombiniert japanischen Shintoglauben mit der Gothicrock Vision der alten Schule. Zum ersten Mal ziehen Faith and the Muse alle Register ihres Könnens, vereinen die Klangkunst mit der Message und die Vision mit der Inszenierung. Dabei heraus gekommen ist nicht nur ein fantastisches Album, sondern auch eine DVD, die längst Vergessenes und neu Entdecktes nebeneinanderstellt. Klanglich kombiniert man filigrane Klangkaskaden mit fernöstlichen Taiko Drumattacken und findet zurück zur inneren Einkehr mit meditativen Elementen. So entstanden neben höchst eingängigen potenziellen Hits, wie den Gothrockstompern „Battle Hymn“ und „Blessed“ großartige, an die weltmusikalischen Ausflüge eines Peter Gabriel erinnernden Stücke wie z.B. „Nine Dragons“. Die Nachhaltigkeit, das „mit der Natur Eins sein“ und die Hingabe an das Universum fand im Shinto Glauben die Parallele zum Lebensstil des Paares. So schließt sich für Monica ein logischer Kreis. Man vereint Stil, Idee und Leben zu einem wahrhaften Gesamtkunstwerk und schafft die Kultur- und Umweltkritik an der eigenen westlichen Gesellschaft. Ein Spagat der gelang - Ankoku Butoh, der Tanz der Finsternis,
William Faith - In eigenen Worten The Woman in the Snow: Inspiriert von einer alten japanischen Geistergeschichte Kamimukae: Die Erweckung des Kami im Shinto Glauben. Blessed: Die Botschaft der Kraft und Unzerstörbarkeit Battle Hymn: Der Ruf zu den Waffen. Bushido: Ehre und Loyalität der Samurai. Nine Dragons: Die Meditation eines Kriegers vor, während und nach dem Kampf. Harai: Die Reise von einer in eine andere Welt. When We Go Dark: Selbsterhaltung der Identität. The Red Crown: Ein Stück der Einsamkeit. Kodama: Der Verlust der Seele Angesicht des Fleischindustriehorrors von heute. She Waits By The Well: Eine japanische Geistergeschichte. Sovereign: Eine Studie des Stolzes und der Zuversicht. To Be Continued: Coverversion unserer anderen Band Conflict.
der nach dem Zweiten Weltkrieg als Ausdruckstanz in Japan entstand und auch Ausdruck des Protestes gegen amerikanische Strömungen war, ist auch eine ketzerische Variante der eigenen japanischen Traditionen, per se ein gegen die konservative und erstarrte Gesellschaft gerichtetes künstlerisches Medium, dessen tänzerische Praxis die Selbstaufgabe des Tänzers verlangt, um an sein Innerstes zu gelangen. Meditativ bis grotesk wirken die Tanzfiguren und doch expressivste Form der Selbstdarstellung, stellen sie für Monica und William das Leiden unserer Erde unter dem Menschen dar.
NEGAtief verlost!
Unter den richtigen Emaileinsend ungen der folgenden Frage wird 5 Mal die Faith and the Muse – „:ankoku butoh:“-B ox, bestehend aus CD, DVD, Buch und edler Verpackung verlost. Welchen 80er Jahre Song einer englischen Sängerin haben Faith and the Muse gecovert? Antworten an kontakt@negatief.de 10
Die Zukunft Bleibt zu hoffen, dass Menschen wie Monica und William weiterhin abseits des großen Szenereibachs und der kalkulierten Gewaltverherrlichung ihre erleuchtete Vision vorantreiben, hoffentlich auch weiterhin als das romantische Paar in Treue und in Muse verbunden, ein brennendes Leuchtfeuer für alle Romantiker. Gert Drexl
www.mercyground.com
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Heimataerde legen mit der „Dark Dance“ EP einen wunderbaren Vorboten auf das kommende Album „Unwesen“ vor. Das Zusammenspiel aus Electro und Mittelalter funktioniert einwandfrei und man darf gespannt sein, was das neue Album bringt. Der geneigte Kuttenträger freut sich bestimmt über die gekonnte Version vom altbekannten und oft (schlecht) gecoverten Songs „Herr Mannelig“ und auch so bringt die EP viel Zündstoff für die Ohren. Sprechen wir also nun mit Ash über Assassinen, Electro und ein gelungenes Zusammenspiel zweier eigentlich fremder Szenen. Es geht um Assassinen in deinen Songs – deswegen erstmal die Frage, ob du begeisterter „Assassins Creed“-Spieler bist? In der Tat war das Spiel ganz oben in mein Charts vertreten, allerdings ohne dabei Ideengeber für die Einbindung eines Assassinen in der HeimataerdeSaga zu sein. Der Tänzer der Nacht taucht in der Geschichte, die auf Unwesen weitererzählt wird, kurz auf. Er ist ein Freund und doch auch ein Feind. Ein Gotteskrieger. Die Begegnung der beiden Charaktere ist geprägt von gegenseitiger Achtung und Respekt. Eine Form der Auseinandersetzung mit dem Anderen, welche man sich immer wünschen sollte. Auf „Dark Dance“ wurde die Stimme von Lex von Megaherz verwendet – wie entstand diese Zusammenarbeit? Heimataerde wollte einfach mal versuchen, andere Wege zu finden, um den cineastischen Aspekt der Musik zu unterstreichen. Das heißt nun nicht, dass auch in Zukunft diese Art der verbalen Vertonung nie mehr auftauchen wird. Allerdings wurde bei „Dark Dance“ und „Unwesen“ verstärkt auf die Stimme von Lex zurückgegriffen. Er vermag mit seiner prägnanten Stimme die Heimataerde-Saga glaubwürdig dem Hörer näher zu bringen. „Herr Mannelig“ – eine gelungene Adaption eines oft gesungenen Liedes. Warum hast du diesen Song ausgewählt, um ihn so erstklassig zu interpretieren? Oh. Erstmal danke für dein Lob. Heimataerde wollte dieses Lied auf eine Art interpretieren, welche es noch nicht zigmal gibt. Es war Mut zur Lücke gefragt, um den Track für den Club anzupassen. Der Text wurde auf den Kern der im Original erzählten Geschichte reduziert und in Deutsch so umgesetzt, dass er gut singbar war. Ich glaube, eine zu authentische Inter14
HeimatÆrde Auftragsmörder der Electroszene
pretation dieses Themas hätte aus dem Lied nicht viel Neues zum Vorschein gebracht. So aber ist es ein typischer Heimataerde-Song geworden, ohne dessen ursprüngliche Wurzeln zu verleugnen. Wie kommt man eigentlich zu dieser Mischung von Electro und Mittelaltermusik? Eigentlich sind es ja zwei so unterschiedliche Stile – die aber wunderbar passen können. Das wird die Presse nie müde zu fragen (lacht). Ich
fasse mal zusammen: Meine Neigungen zu Mittelalter, melancholischer Musik und Electro haben irgendwann miteinander reagiert. Der weitere Weg war Experiment; es wurde getüftelt, wie die alten Instrumente im neuen Soundgewand klingen. Außerdem gab es schon die Geschichte von Ash in meinem Kopf, dem zum Untod verdammten Tempelritter – es fügte sich Stein auf Stein, der im Laufe der Zeit gesammelt wurde. „Dark Dance“ taucht als Vorspiel zu „Unwesen“ ins neblige Dunkel des Mittelalter ein.
Es ist ein punktueller Vorgriff auf Ashs neuen Produktionen so, sondern spielt Zwiesprache mit dem Assassinen, mit in die Interpretation hinein. Gedem Gotteskrieger der anderen Seite. rade bei Livekonzerten kommt dieser „Dark Dance“ gibt Aspekt zum Tragen. mir die VorstelWenn ein „Ashlar „Heimataerde lung von nächtvon Megalon” auf wollte einfach mal lichen, verlassenen der Bühne in Tränen versuchen, andere Bergfestungen, seine Maria betrauWege zu finden, um okkulten, orienert, wird das für talischen Sekten alle Zuschauer erst den cineastischen und unheimlichen, durch diese AuthenAspekt der Musik zu tanzenden Derwitizität der Darstelunterstreichen.“ schen. Es ist sehr lung eine durchlebatmosphärisch, bare Darbietung. und leitet zu „Unwesen“, dem gerade in Arbeit befindlichen Album, über, Stichwort Live. Ist eine Tour in welches neben mittelalterlichen auch Planung? Was kommt live auf uns orientalische Anklänge haben wird. zu? „Unwesen“ führt uns zurück in die Es ist eine „Unwesen“ Festival-Tour Dunkelheit von 1001 Nächten, die kei- geplant, welche uns die Möglichkeit nen Morgen haben werden. gibt, den Fans das neue Material zu präsentieren. Inhaltlich – also, was Wovon lässt du dich bei neuen wie umgesetzt werden kann – hat das Songs beeinflussen? Brauchst du Nachdenken gerade erst begonnen. eine gewisse Stimmung, um neue Wie gesagt, Musik und Bilder sind Songs zu produzieren? noch sehr frisch, das muss sacken und Natürlich brauche ich bestimmte Stim- im Kopf sortiert werden. Es wird den mungslagen, um kreative Arbeit bei geneigten Zuschauer auf jeden Fall Heimataerde leisten zu können. Musik eine düstere Reise erwarten, voller muss authentisch sein, um wirklich Kampf, Hass und Liebe. Dazu natürlich funktionieren zu können, und es ist ein Sturm aus Musik! Teil des künstlerischen Prozesses, in Daniel Friedrich solche Stimmungen hineinzufinden, www.heimataerde.de sie zu erkennen. Das ist nicht nur bei VÖ „Dark Dance“: 04.12.09
Die Reise geht weiter Dörthe Flemming ist zurück! Die ausgebildete Mezzosopranistin scheint momentan neue Höhenflüge zu erleben, anders zumindest ist es wohl kaum zu erklären, dass knapp ein Jahr nach dem traumhaften Kleinod „...und wenn das Herz auch bricht“ bereits das dritte Album von Bacio di Tosca in den Startlöchern steht. Mit dem Soloprojekt Bacio di Tosca hat sich Frau Flemming einen Traum erfüllt, indem sie ihre eigenen musikalischen Vorlieben und Ideen zu einer neuen Kunstform namens „Symphonic Wave” wachsen ließ. Bacio di Tosca verbinden klassische Elemente und Operngesang mit düsteren Arrangements, wobei die hohe Form des in der Romantik populären Kunstlieds einen besonderen Schwerpunkt zugewiesen bekommt. Beim Kunstlied werden in der Regel Gedichte bekannter Lyriker mit den Kompositionen nicht minder namhafter Musik-Zauberer zu einem stimmungsintensiven Gesamtwerk verwoben.
Als Erscheinungsdatum ist übrigens der 05.02.2010 anvisiert. Merkt euch dieses Datum gut, wenn ihr zu den ersten gehören wollt, die Bacio die Tosca auf ihrer musikalischen Reise weiter begleiten wollen. Ausführliche Infos und ein Gespräch mit Dörthe Flemming präsentieren wir euch dann in der kommenden NEGAtief-Ausgabe. Klassik meets Dark Wave - Selten wurde diese Verschmelzung so intensiv und leidenschaftlich vollzogen wie bei Bacio di Tosca! Frank „Otti” van Düren
www.bacio-di-tosca.de Track auf Dark Alliance 5
Ähnlich wird es sich wohl auf dem dritten Bacio di Tosca-Album zutragen, welches für Februar angekündigt ist. Nach „Der Tod und das Mädchen” (2007) und dem bereits erwähnten „... und wenn das Herz auch bricht” liegt die Messlatte natürlich hoch, aber wer Dörthes Schaffen bisher verfolgt hat, dürfte keine Zweifel an der Qualität des kommenden Werkes hegen. Die Fans erwarten weitere Kunstlieder und symphonische Wave-Perlen, zudem sind zwei weihnachtliche Bonustracks angekündigt, die dem Spätwinter noch einmal einen Hauch von Festlichkeit verleihen dürften. 15
diesen Inspirationen baut auch meine Arbeit für das komplette nächste Album auf.
Stimmverzerrer adé! Hallo Gesangsstimme! Mit der „Chemicals + Circuitry“ EP kommt Ende November der Vorbote zum im Frühjahr 2010 erscheinenden Nachfolgealbum von Grendels „Harsh Generation“ auf den Markt. Grendel Mastermind [VLRK] hat für die EP jedoch nicht, wie vom Albumvorgänger gewohnt, in die Stimmen verzerrende Hellelectro-Kiste gegriffen, sondern sich stattdessen ein vollkommen neues Soundgewand für sein Projekt überlegt. Fordernder, dabei jedoch melodiöser Gesang ist nun Trumpf, gepaart mit der gewohnten, Tanzflächen füllenden Beatwucht, für die der niederländische Elektroact berühmt und berüchtigt ist. Im Interview hat uns der GrendelMacher mehr über den neuen Sound verraten. Als ich deine neue EP „Chemicals + Circuitry“ das erste Mal gehört habe, war ich ziemlich überrascht. Kannst du mir sagen, was aus der „Harsh Generation“ geworden ist? Aus den Liedern ist eine neue, ungewöhnliche Harmonie herauszuhören. [VLRK]: Du kannst es eine Art Evolution nennen, die einerseits aus dem herrührt, was ich songtechnisch selber gerne höre und andererseits aus dem, was ich meinerseits musikalisch zutage fördern wollte. Es sollte eine vollkommen andere Seite von Grendel zeigen, welche mehr Kontrast und Tiefe beinhaltet. Das ist letztlich auch gelungen, denke ich. Du singst deine Songs nun, anstatt die Lyrics mit verzerrter Stimme ins Mikro zu schreien. Wolltest du deinen Fans beweisen, dass du auch ein großartiger Sänger bist? Ich wollte meine stimmlichen Möglichkeiten ausprobieren und nutzen, um die Musik von Grendel um etwas Neues zu erweitern. Verzerrte Vocals, wie sie beim Hellelectro üblich sind, sind auf zu wenige Variationsmöglichkeiten beschränkt. Das wollte ich bei meiner Musik ändern. Außerdem wollte ich mich in meinen Soundmöglichkeiten nicht vollständig von Maschinen abhängig machen und meine sonstigen stimmlichen Möglichkeiten nicht ungenutzt lassen. 16
Im Song „Chemicals + Circuitry“ ist neben deiner auch noch eine weibliche Stimme zu hören. Wer ist die Dame? Wird sie auch in anderen Songs deines bald erscheinenden Albums zu hören sein? Gab es für dich bestimmte VorHaha, du bist nicht die Erste, „Dance Music ist bilder, als du den neuen Sound die mich das fragt. Ich bin von Grendel kreiert hast? derzeit experimenteller schon beinahe versucht, alle an Es gab keine Vorbilder in dem der Nase herumzuführen und und innovativer, als Sinne, aber bestimmte Bezugsdie Geschichte einer mysterijemals zuvor. Das ist punkte beim Sound und bei der ösen, heißen Lady zu erzählen. für mich auf jeden Produktion. Vor allen Dingen habe Aber ich sag’ dir lieber doch Fall eine sehr große ich diese im Techno, im House und die Wahrheit: Ich habe diesen im Trance Genre gefunden. Dance Part selber eingesungen. Durch Inspirationsquelle.“ Music ist derzeit experimenteller einen dummen Zufall habe ich und innovativer, als jemals zuvor. Das ist für mich eine Aufnahme meiner Stimme beim Arrangieren auf jeden Fall eine sehr große Inspirationsquelle. Auf eine ganze Oktave hoch gepitcht, anstatt sie nur
um eine oder zwei Noten zu erhöhen. Als ich beginnen wollte, es wieder zu ändern, kam mir der Gedanke: „Das klingt ja eigentlich ganz interessant!“ und habe es dann so gelassen. Welche Bilder hattest du im Kopf, als du den Instrumentalsong „Serotonin Rush“ geschrieben hast? „Serotonin Rush“ handelt von der plötzlichen synthetischen Stimulation von synaptischen Neuronen im Gehirn, die daraufhin einen ordentlichen Schub des Hormons Serotonin produzieren (Das regelt unter anderem die Stimmung, den Appetit, den Schlaf und die Muskelkontraktion). Dieser Hormonschub führt zu einem überwältigenden euphorischen Gefühl, welches ich versucht habe, musikalisch darzustellen.
VÖ „Chemicals + Circuitry“: EP 27.11.09
Kannst du deinen deutschen Fans dahingehend einen Ausblick geben, wann du mit deiner Livecrew hierzulande wieder auf Konzerttour gehen wirst? Wir werden innerhalb Europas im Frühjahr 2010 wieder auf Tour gehen. Dabei werden „Remixe sind prima wir auch wieder eine ganze Reihe dafür geeignet, von Konzerten in einen anderen Deutschland spieKünstler seine len. Wir freuen uns Interpretation alle schon sehr darauf! deines Tracks
Auf der EP gibt es vier Remixe von „Chemicals + Circuitry“ und drei von „Shortwired“. Sie sind alle von verschiedenen anderen Künstlern herstellen zu lassen. für dich abgemischt Die EP ist ja sozuIm besten Fall worden. Warum hast sagen der Vorboentsteht dadurch du ausgerechnet diete für das neue eine vollkommen se Acts um einen ReAlbum. Steht mix gebeten? schon fest, wann neue Dynamik bei Remixe sind prima es auf den Markt einem Stück.“ dafür geeignet, einen kommen wird? anderen Künstler seine Interpretati- Gibt es auch schon einen Namen on deines Tracks herstellen zu lassen. für das neue Werk? Im besten Fall entsteht dadurch eine Geplant ist, das neue Album im Frühvollkommen neue Dynamik bei einem jahr 2010 auf den Markt zu bringen. Stück. Ich habe mir die anderen Künst- Einen Albumtitel gibt es bislang noch ler auf der Basis ihres persönlichen nicht. Was ich jedoch versprechen Innovationspotenzials ausgesucht. kann, ist, dass es absolut großartig DYM hat den Track beispielsweise da- klingen wird. Es wird noch einmal eine bei vollkommen umgekrempelt, das evolutionäre Weiterentwicklung der Ganze gedreht und dann alles wieder „Chemicals + Circuitry“ EP sein. Darüzusammengesetzt. Mit einem absolut ber hinaus soll das Album natürlich ein irren Ergebnis! Modulate und Komor besonderes Artwork bekommen und Kommando haben dagegen einzelne auch wieder in speziellen Editionen zu Schlüsselelemente aus meinem Track haben sein. heraus gepickt und sie als komplette Stephanie Riechelmann Grundlage ihres Remixes verwendet. www.grendel-base.com
Synthieolympioniken Griechenland ist den meisten nur als südländisches Urlaubsziel bekannt. Zuletzt vielleicht auch noch wegen der sommerlichen Feuersbrünste, die das antike Welterbe in Athen zu verschlingen drohten. Sicher jedoch nicht für Undergroundmusik mit melancholischer Ausrichtung. ForeSin, das Projekt des griechischen DJs George P. (alias Rubicon) und des Keyboarders Lazaros G. (alias xSynthetikx) ist stark geprägt von der Liebe zur dunklen Literatur eines Edgar Allan Poe und Steven King. Musikalisch orientiert man sich an der elektronischen Melancholie des Dark Wave Genres, vermischt moderne elektronische Stile mit vereinzelten Gitarreneinwürfen und überzeugt auf dem Debüt mit einer stimmigen Mischung, die sich zwar von den großen Vorbildern nicht komplett emanzipiert, aber dennoch großes eigenes Potential verspricht. Griechenland scheint die elektronische Musik als olympische Disziplin begriffen zu haben, wie sonst erklärt man den großen Run? Rubicon: Nach vielen Jahren der reinen Mainstreamhörigkeit, hat sich endlich so etwas wie ein individueller Geschmack entwickelt. Gerade der Elektrogoth- und Synthpopbereich hat einen unglaublichen Popularitätsschub
bekommen. Die Leute hier sind sehr euphorisch. Was bedeutet der griechische Name eures Albumtitels „Enarxis“? xSynthetikx: „Enarxis“ kann ungefähr als der Anfang übersetzt werden. Im eigentlichen Sinne einer Existenz, eines Strebens. Wie geht es jetzt weiter? Kann man euch bald in Europa sehen? Rubicon: Wir warten jetzt erst einmal den Erfolg unseres Debüts ab. Der Song „Haunted“ scheint sich ja sehr positiv auf dem Dancefloor zu entwickeln. Wir werden natürlich mit der gleichen Leidenschaft weitermachen und wollen niemanden, der unser erstes Album mag, enttäuschen. Siegmar Ost
www.foresin.com
VÖ „Enarxis“: 21.11.09 17
Erben der Schöpfung Vermächtnis der Anwälte Wohl keine andere Bandgeschichte stand so knapp vor dem Aus, bevor sie wirklich begonnen hatte, wie im Falle von Erben der Schöpfung. Als sich Mastermind Oliver Falk mit seinen Ex-Mitgliedern und dem damaligen Management zerstritt, kostete ihn das nicht nur ein langwieriges Gerichtsverfahren, sondern auch sämtliche Rechte am bis dato einzigen Album „Twilight“. Lediglich den Namen konnte er für sich retten. Jahrelang war es ruhig um Erben der Schöpfung, doch nun meldet man sich mit einem gewaltigen Vermächtnis zurück. NEGAtief sprach mit Bandkopf Olli Falk und der neuen Sängerin Dina über die „Narben der Zeit“. Bekanntlich gab es einen unschönen Rechtsstreit zwischen dir und den Ex-Mitgliedern, die inzwischen unter dem Namen Elis werkeln. Woher habt ihr die Motivation genommen, nach diesem Rückschlag doch noch einmal einen Anfang zu wagen und sogar wieder feste Bandmitglieder integrieren zu können? Olli: Das Projekt selbst war es für mich wert, weitergeführt zu werden. Zu Anfang gab es sicherlich den einen oder anderen Moment, in dem gar nichts mehr ging, aber mit der Zeit konnte ich mich wieder auf die Musik konzentrieren. Ich denke, es liegt daran, dass damals der Zeitpunkt zum Abbrechen des Projektes einfach überschritten wurde. Es liegt mir am Herzen und irgendwo muss ich ja mit den härteren Songs hin, die ich schreibe. War das endgültige Urteil in gewisser Weise auch der Schlusspunkt, den die ganze Streitfrage gebraucht hatte, um wieder Platz für Inspiration und Songwriting finden zu können? Olli: Das war es leider nicht. Das Ganze zog sich beidseitig weiter, aber irgendwann haben wir uns entschlossen, dass es besser ist, sich auf uns zu konzentrieren. Manchmal tut es gut, einen Schritt zur Seite zu treten und alles aus einer anderen Entfernung zu betrachten. Wie schwer ist es euch gefallen, nach diesen Enttäuschungen wieder Bandmitglieder zu finden, denen ihr Vertrauen schenken könnt? 18
Olli: Das fiel schon schwer, und wir haben einige Mitglieder schon nach kurzer Zeit wieder ausgewechselt, da wir schnell bemerkt haben, dass andere Beweggründe zum Mitwirken vorliegen. Für mich ist es aber mittlerweile nicht mehr wichtig, 20 Jahre mit denselben Leuten zusammenzuarbeiten. Der Mythos, dass sich Bandmitglieder von Kindesbeinen an kennen, ist meiner Meinung nach langsam widerlegt. Eine Band ist wie eine Firma, es gibt langjährige Mitarbeiter und es gibt Neue, die kommen und gehen. Der Moment ist wichtig, und im Moment stimmt die Formation.
„Narben der Zeit” lautet euer neues Werk. Ist mit dem Titel besagter Rechtstreit gemeint? Dina: „Narben der Zeit“ war eher eine Blitzidee. Wir wollten zuerst da anknüpfen, wo Erben damals auseinanderbrach, und damals hätte die Auskopplung von „Niemand kennt den Tod“ angestanden, wozu es nie kam. „Narben der Zeit“ schoss mir einfach durch den Kopf und es passte sehr gut zum Gesamtkonzept des Projektes. Im Nachhinein sind wir sehr froh, dass wir uns einen anderen Titel suchen mussten und somit alle „Altlasten“ über Bord geworfen haben.
Seit 2007 seid ihr nun bereits im Studio gewe- „Homeless” muss für euch ein ziemlich wichsen, um „Narben der Zeit“ einzuspielen. Wieso tiges Thema anschneiden, da eure Heimat für hat der Entstehungsprozess sich so lange hin- euch einen hohen Stellenwert hat. Welche gezogen? Emotionen gehen in euch vor, wenn ihr in den Olli: Zu Beginn gab es eine Zeit, in der in kreativer Nachrichten tagtäglich sehen müsst, wie andeHinsicht bei mir überhaupt nichts mehr ging. Ich ren Menschen ihre Heimat zerstört wird? musste gewisse Dinge erst einmal sacken lassen. Dina: Es ist der pure Wahnsinn, was Menschen sich Dann haben wir mit Weltenbrand „The End of the manchmal gegenseitig antun und ich kann und will Wizard“ aufgenommen. Ende 2005 hatten wir für es nicht verstehen. Genauso wenig kann ich es aber Erben erst Rino und Dina beisammen, und wir muss- im Großen ändern. Du hast Recht, für uns ist es ein ten beinahe bei Null anfangen. Die weitere Mem- ziemlich wichtiges Thema. Es gab Zeiten, in denen wir bersuche gestaltete sich zuerst als sehr harzig, und sogar an Konzerten Heimweh bekamen. Was „Homedauerte bis kurz vor Fertigstellung des Albums. 2006 less“ und die Arbeit daran nebst des Verlusts der Heihaben wir außerdem den Bau des Studios begonnen, mat aber auch verdeutlichen soll ist, dass jeder seine wofür wir über ein Jahr benötigten und in der Zeit Heimat in sich selbst finden kann. Wenn man das konnte ich nicht komponieren, da die Geräte von schafft, kann man sich in jedem Winkel der Erde zu einem ins andere Zimmer geschoben werden muss- Hause fühlen und niemand kann einem das nehmen. ten. Hinzu kamen viele technische Probleme, Verlust von Material, der Alltag und Auftritte Ist Englisch bei euch die erste Wahl, und Proben mit Weltenbrand und so „Es ist der pure Songs zu schreiben und kommt weiter. Außerdem haben wir so viel Deutsch nur bei einer kreativen BloWahnsinn, wie möglich selbst gemacht und eickade zum Einsatz, oder wie entwas Menschen scheidet ihr euch für eine Sprache? nige Dinge mussten zuerst von der sich manchmal Dina: Jeder Song hat seine eigene AusPieke auf gelernt werden. gegenseitig strahlung und löst sein eigenes Gefühl 2005 ist Dina nicht nur Sängerin antun und ich aus. Bei manchen Songs weiß man schon bei Erben der Schöpfung, sondern kann und will beim ersten Mal reinhören: „Da gehört auch bei Ollis anderer Band Welein deutscher Text rein“, bei manchen es nicht tenbrand geworden. Wie schwer braucht man länger, bis der Groschen fällt. verstehen.“ ist eine klare Trennung der beiSo war es bei „Krähenauge“. Englisch den Bands? wird wahrscheinlich immer überwiegen, Dina: Kreativ gesehen ist die Trennung von Natur aber in Deutsch lassen sich gewisse Dinge einfach aus vorhanden. Die Schwierigkeit besteht darin, vom anders, eingehender beschreiben und ausdrücken. einen Projekt zum anderen zu switchen und das manchmal am selben Tag, denn das sind zwei ziem- In „Jane Churm“ thematisiert ihr eine angeblich verschiedene Welten für uns mit einem komplett liche Fotografie eines Geistes. Fühlt ihr euch in anderen Gefühl und Hintergrund. Es fiel sehr schwer, diesen romantisch-gotischen Lyrics wohler als an der neuen Scheibe von Erben zu arbeiten und in zu realen? gleichzeitig Konzerte mit Weltenbrand zu organisie- Dina: Bei Erben gehören beide Aspekte dazu. Mit der ren und aufzutreten. Zeit sind wir Freunde von „gerade heraus“ gewor-
den, was bei den Texten aber nicht als erhobener Zeigefinger gedeutet werden soll, sondern eher einen Standpunkt aufzuzeigen und an etwas zu erinnern. Die eher romantischen Themen bringen aber wieder ein gewisses Gleichgewicht in das Ganze und bieten dem Hörer etwas mehr Fläche für philosophische Gedanken. Da für uns beides zum Leben gehört, versuchen wir auch beides zu verwenden. Wir gehen aber in den philosophischen und romantischen Themen eher auf. Dina schreibt ja auf eurer Homepage, dass sie an Geistererscheinungen glaubt. 2006 ist ja die ehemalige Sängerin Sabine Dünser unerwartet verstorben. Hattet ihr eigentlich die Gelegenheit, euch vorher noch mit ihr auszusprechen, oder wären da tatsächlich noch genügend offene Emotionen, die für eine Geistererscheinung nötig wären? Olli: Wir haben uns nach diesem ganzen Zoff nie ausgesprochen. Irgendwie hat sich das alles einfach zwischen uns verhärtet. Ich habe keine Ahnung, welchen Standpunkt Sabine zu der Zeit mir gegenüber vertrat, aber ich denke, dass es auf beiden Seiten nicht ganz reicht, um wegen des anderen noch auf der Erde herumzuspuken. Martin Hookana
www.erben.li VÖ: „Narben der Zeit“: 20.11.09 19
Shadow-Minds verkraften. Wie steckt man das weg? Ja, das ist richtig. Unser ehemaliger Sänger Mike Ganz, ganz oben in Deutschland sind die stieg aus persönlichen Gründen nach Beendigung Shadow-Minds beheimatet. Durch einen La- unseres ersten Albums „Simply Different“ aus. Charbelwechsel kam es nun zu einer verbesserten ly und ich stehen auch heute noch nach wie vor im Wiederauflage des letzten Albums „Extend festen Kontakt mit Mike. Wir sind uns alle einig, The Line“, mit drei zusätzlichen, dass der dadurch resultierende „Über unseren neuen Tracks. Dies soll auch die Einstieg von Charly für die ShaZeit versüßen, bis schließlich im Musikstil haben wir dow-Minds ein entscheidender Sommer 2010 das neue Album und ganz wichtiger Meilenstein in uns erst ernsthafte „The Ark Of Truth“ geplant ist. der Geschichte der Band war. Das Gedanken gemacht zweite Album „Extend The Line“ Wer also auf gutgemachten Electro abtanzen kann, sollte in als ‚Extend The Line’ zeigt ganz deutlich die markanten im Kasten war.“ dieses Album mal reinhören. Einflüsse von Charly.
Die elektronischen Nordmänner
Hallo ihr Nordlichter, willkommen in der Dance Macabre Familie. Wie kam es dazu? Der Kontakt kam zustande, als ich irgendwann mal Bruno angeschrieben habe und verlauten ließ, dass die Shadow-Minds an einer Kooperation mit Danse Macabre interessiert seien. Ja, und dann ging es ziemlich schnell. Bruno rief mich eines Tages an und wir waren uns sofort einig, eine Kooperation zu starten. Tja, und nun sind wir unter Vertrag und freuen uns riesig über die bevorstehende Zusammenarbeit und sind uns sicher, dass wir einen adäquaten LabelPartner gefunden haben.
„Extend the Line – Rebuild” ist euer drittes Album, bzw. es ist ja eigentlich das remasterte zweite Album. Warum das? Durch die Zusammenarbeit mit Danse Macabre haben wir uns überlegt, das Album erneut auf den Markt zu bringen. Wir haben mit „Extend The Line” zwar eine Menge Lorbeeren kassiert, aber wir waren mit dem Mastering nie wirklich zufrieden. Inzwischen haben wir ein Mastering-Studio gefunden, was zu uns passt. Hans Philip Graf hat alle Tracks neu gemastert und unseren Songs die teilweise fehlende Dynamik gegeben.
Ihr habt euch 2003 gegründet und musstet schon früh eine Umbesetzung in der Formation
Wie würdet ihr euren Musikstil beschreiben und wer hat euch in eurem Schaffen beeinflusst? Beeinflusst haben uns definitiv die Achtziger Jahre. Gerade in der Zeit gab es eine Menge revolutionäre Bands, die zum Teil bis heute den gesamten Musikbereich beeinflussen. Deshalb wäre es mit Sicherheit vermessen zu behaupten, dass die Shadow-Minds durch nix und niemand beeinflusst werden oder wurden. Über unseren Musikstil haben wir uns erst ernsthafte Gedanken gemacht als „Extend The Line“ im Kasten war. Die bisherige Presse umschreibt uns als melancholische SynthiePop-Band. Ich denke, damit le-
VÖ „Extend The Line - Rebuild“: 20.11.09
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ben wir ganz gut. Mein Favorit auf der Scheibe ist „Seelenschmerz“. Ich denke, der könnte auf den Tanzflächen was bewegen. Was meinst du und welcher Song liegt dir am Herzen? Mir liegen alle Songs am Herzen, da jeder einzelne Track ein Stück Shadow-Minds ist. Gerade nach dem Re-Mastering haben wir in letzter Zeit das Album rauf und runter gehört und auch heute noch identifizieren wir uns mit jedem einzelnen Song. Jedes Stück ist eigenständig und es steckt eine Menge Herzblut von uns darin. Wir haben nie vorgehabt, ein Club-Album zu produzieren. Vielmehr war es uns wichtig, Emotionen und Gedanken melodisch zu verpacken, ohne darauf zu achten, ob ein Track Clubtauglich ist. Vielleicht klingt es kitschig aber „Extend The Line“ ist ein sehr emotionales Album. Charly und ich sind uns trotzdem sicher, dass Tracks wie „New Life“, „Soliloquy“, „Nemesis“ und auch „Seelenschmerz“ das Tanzbein schwingen lassen. Danke für das Interview. Letzte Worte an die Leser? Wir haben zu danken und hoffen sehr, dass wir einen interessanten Einblick in die Shadow-Minds geben konnten. Wir wünschen allen, wenn auch frühzeitig, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Start ins Jahr 2010 mit den Shadow-Minds. Heiko Nolting
www.shadow-minds.de
um ein Feedback zu bekommen. Aber dazu kommt noch, dass ich immer schon ein Problem hatte, wenn Leute mir was vorschreiben wollten. Das war schon in der Schule so und hat sich über die Zeit, nur ein wenig verändert oder auch nicht? Ich weiß es nicht. Hat sich der Sound so entwickelt, wie du dir das vorgestellt hast? Ja, absolut! Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden und es ist meiner Meinung nach das beste Album, was ich selbst produziert habe. Natürlich ist eine Produktion auch eine Sache des Geldes. Je mehr man davon hat, desto fetter wird das Ganze, aber ich hab leider nicht so viel davon und deshalb bin ich mit dem Ergebnis noch mehr zufrieden.
Ein Neubeginn
ist auch der Grund, warum ich weiter gemacht habe. Manchmal ist es wohl einfach Zeit zu gehen. Musik ist mein Leben und damit kann ich nicht einWie beinahe jede Binsenweisheit aus der All- fach so aufhören. tagswelt lässt sich auch diese Feststellung problemlos in den Kosmos der Musik übertra- „Gates Of The Universe“ entstand in nur fünf gen. Wenn nun also im „normalen“ Leben die Monaten. Wie hast du es geschafft, so schnell Auflösung einer unbefriedigenden Beziehung ein neues Album aufzunehmen? ansteht, so bedeutet selbiges bei Musikern das Anfang des Jahres hatte ich gecheckt, dass wir die Ende einer Band. Im Falle von Tommy Tom und Thora Produktion gegen die Wand gefahren haben. seinem neuen Projekt Godex Also fing ich an, neue Songs zu musste zunächst der Split der schreiben und mir ein Konzept für „Natürlich ist eine Gothic-Metal-Formation Thora ein neues Projekt zu überlegen. Produktion auch eine vonstattengehen, bevor mit Danach habe ich mir klare Ziele Sache des Geldes. Je „Gates Of The Universe“ das gesteckt und wenn man sich klar mehr man davon hat, macht, was man genau will, geht Solo-Debüt des Frontmannes desto fetter wird das Gestalt annehmen konnte. alles ganz einfach.
Welche Themen hast du in den Texten verarbeitet? „Gates Of The Universe“ steht in erster Linie dafür, dass wenn man klare Ziele hat, alles im Leben erreichen kann. Insofern lief die Produktion sehr entspannt ab und es war eine sehr schöne Zeit. Dann war die Produktion fertig und meine damalige Freundin war fertig mit mir. Das Erschreckende ist, dass das, was ich danach erlebt habe, genau bei „Love Salvation“ thematisiert wurde. All diese Erlebnisse haben mich so stark fertig gemacht, dass ich alle meine Vorsätze über den Haufen schmiss und nur noch traurig und depressiv war. Da war nichts mehr mit „Gates Of The Universe“, da waren wieder nur noch Depressionen. Momentan geht es mir wieder besser, aber ich trage immer noch viel Angst in mir. Peter Heymann
www.godex-music.de
Ganze, aber ich hab
Wie kam es zum Split von ThoWar außer dir noch jemand an leider nicht so viel ra? Was hat dich dazu bewoder Produktion beteiligt? davon und deshalb bin Nein, ich wollte etwas eigenes gen, dem Musikgeschäft treu ich mit dem Ergebnis zu bleiben? machen, wofür nur ich die VerTommy: Wir hatte das komplette noch mehr zufrieden.“ antwortung trage. Alles, was jetzt letzte Jahr an einem neuen Album nicht cool ist, habe ich mir alleine gearbeitet, aber letztlich besaßen wir sehr unter- zuzuschreiben und das ist doch ein gutes Gefühl. schiedliche Vorstellungen, wie es weiter gehen sollte. Ich empfand auch die Energie während der ganzen Birgt ein Alleingang nicht auch ständig die Produktion als sehr negativ und zum Schluss haben Gefahr, sich zu verzetteln oder den objektiven wir uns einfach verzettelt und uns an Kleinigkeiten Blick auf etwas zu verlieren? aufgehalten. Das alles frustrierte mich sehr und ir- Vielleicht verliert man den objektiven Blick auf die gendwann hatte ich einfach keine Emotionen mehr Sache, das weiß ich nicht. Ich habe immer allen mögfür die Band. Ich wollte nur Musik machen, und das lichen Leuten die Demos und die Songs vorgespielt,
VÖ „Gates Of The Universe“: 26.10.09
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schichten inspiriert uns unser eigenes Leben. Auch wenn das auf den ersten Blick nicht immer erkennbar ist. Zuletzt geht es auch nicht darum, mittelalterliche Musik zu schaffen, sondern eine Welt zu kreieren, welche zwar altertümliche Instrumente benutzt, aber von und für Menschen im Hier und Jetzt geschaffen wurde. Angenommen ihr könntet euch aussuchen entweder in der Welt von Tolkien oder aber in der Artus-Saga aufzuspielen, was wäre eure Wahl? Und wieso? Ich denke, Artus und Bilbo könnten beide nicht viel mit unserer Musik anfangen. Wir würden Tolkien nehmen, denn vor abergläubischen, bewaffneten Rittern zu spielen, könnte tödlich enden. Da nehmen wir doch lieber die kleinen Hobbits.
Feurige Spielleute Schon wieder eine Mittelalterband? Ja, aber eine, die es in sich hat! Ignis Fatuu überzeugen durch Spielfreude und ausgereifte Melodien, ohne sich zu sehr auf eingestaubte Strukturen zu stützen. Mit „Es werde Licht“ erschien nun ein Debüt voller Herzblut und Leidenschaft, ein Lichtbringer in dieser dunklen Zeit. Sowohl euer Bandname, als auch der Titel des ersten Albums „Es werde Licht“ deutet darauf hin, dass ihr gerne mit dem Feuer spielt. Was ist denn die zündende Idee hinter euerer Musik, in welchem Licht soll der Hörer euch sehen? Alex: Eine Idee ist wohl das falsche Wort. In uns brennt ein Feuer. Wir wollen unsere Gedanken und Gefühle in die Welt hinaus schreien. Was momentan um uns geschieht, ist da noch der Zunder, der das Feuer am Lodern hält. Wir haben Spaß, an dem was wir tun, und wollen diesen Spaß einfach in unserer Musik ausdrücken. Jetzt wo „Es werde Licht“ fertiggestellt ist, wie fühlt ihr euch mit dem bisher Erreichten? Wenn man zurückblickt, ist das schon gewaltig, was wir geschafft haben. Es war auch nicht immer leicht. Häufig wurden uns doch Steine in den Weg gelegt, die es zu umschiffen galt. Trotzdem stehen wir erst am Anfang einer hoffentlich langen Reise. Der Blick nach vorn lässt das, was hinter einem liegt doch sehr mickrig erscheinen. Trotzdem wollen wir keinen Moment missen und freuen uns auf alles, was da kommen mag. 22
Und was sind jetzt, kurz nach dem Release von „Es werde Licht“, euere wei„Vor abergläubischen, teren Pläne für die EntwickMittelalter-Rock ist zwar momentan ein populäres Genre, bewaffneten Rittern zu lung von Ignis Fatuu? allerdings auch besetzt mit spielen, könnte tödlich Tja, in nächster Zeit werden wir vielen großen Namen. Was ist verstärkt am zweiten Album enden. Da nehmen wir arbeiten. Die Grundidee sowie das Besondere an Ignis Fatuu, doch lieber die kleinen einige Songs stehen bereits. mit dem ihr euch in diesem hart Wenn alles klappt, wollen wir umkämpften Bereich durchsetHobbits.“ bereits Ende 2010 das nächste zen wollt? Wir sind noch ziemlich neu in der Branche und lech- Album veröffentlichen. Ansonsten spielen, spielen, zen nach mehr. In jedem Song, jeder Note steckt spielen und „Es werde Licht“ in die Welt schreien. unser Herzblut. Wir gehen auf in unserer Musik und Wir sind uns sicher, dass wir hoffnungsvoll in die Zuhoffen, dass auch der Hörer einen Teil dieses Feuers kunft blicken können. Frank „Otti“ van Düren mitnehmen kann. Sicher erfinden wir das Rad nicht neu. Aber wir schaffen unsere eigene Welt, in die wir www.ignisfatuu.de jeden herzlich einladen. Für viele ist die moderne Mittelalterszene einfach ein Zufluchtsort vor den Sorgen des Alltags. Was macht denn für euch den Reiz dieser Subkultur aus? Das trifft es schon ziemlich gut. Es ist eine Art Traumwelt mit ihren eigenen Regeln. Manchmal ist es schön, sich einfach treiben zu lassen und in eine mythische Welt abzutauchen. Sorgen, Nöte und Ängste sind dort fern. Wir wollen aber unseren Alltag bei weitem nicht verteufeln. Oft finden sich in unseren Liedern ganz alltägliche Situationen, egal ob positiv oder negativ. Viele euerer Kollegen kämpfen sich durch uralte Bücher und Schriften, um ihre Musik zu erschaffen. Woher nehmt ihr eure Ideen und Inspiration? Das gibt es bei uns nicht wirklich. Zu unseren Ge-
VÖ „Es werde Licht“: 09.11.09
Die dunkle Kunst
Vor etwa einem halben Jahr erschien mit „Silent Green“ das nunmehr dritte Album des Stuttgarter Dark-Ambient-Projekts Art Noir. Ein guter Zeitpunkt also für Jan Weber, den zumeist solo agierenden, kreativen Kopf hinter Art Noir, noch einmal in Ruhe zu reflektieren. „Die erste Aufregung ist abgeklungen“, lässt er vernehmen, und doch bleibe die Spannung erhalten. Regelmäßig gibt es neues Feedback von Seiten der Fans und Presse: „Für mich ist die Veröffentlichung nicht wirklich lange her.“ Tatsächlich lebt das Album auch von seiner nachhaltigen Präsenz und Tiefe. Aus ganz einfachen Ideen, die auf einem Sound oder einer Akkordfolge basieren können, formt Jan hierbei solch komplexe Werke, wie sie für Art Noir typisch sind, und den Hörer langfristig fesseln. Im Gegensatz zu seiner Tätigkeit als Filmkomponist genießt der Künstler hierbei vor allem seine Freiheit, die Möglichkeit alles auszuprobieren. Ein Segen, der aber auch zum Fluch werden kann, wie Jan betont, denn irgendwann müsse man auch mal zum Ende kommen. Jenes Ende ist in einem ausgereiften Werk gegipfelt, bei dem sich Art Noir gleich zwei Gaststimmen ins Haus geholt hat. Auffällig ist natürlich der Gesang von Nadine Stelzer (ehemals In Strict Confidence), welche sich gar für den Text des Titeltracks „Silent Green“ verantwortlich zeichnet. Durch ihr Mitwirken
wurde das ursprünglich eher instrumental geplante Album mit verbalen Akzenten versüßt. „Wir sehen uns eher als Kooperation, nicht als eine Band“, betont Jan hierbei, schließt aber weitere Zusammenarbeiten auf keinen Fall aus. Den zweiten Gast, Kasumi Kobayashi, fand Jan eher zufällig. „Ich hatte Kasumis Aufnahmen im Internet gefunden, mit Creative Commons-Lizenz, aber leider ohne Angabe der Sprecherin, sodass in einer früheren Fassung des Booklets noch stand: thanks to an unknown Japanese lady. Erst später, als die CD schon beim Pressen war, habe ich die Frau mit der verträumten Stimme ausfindig gemacht und ihr das Stück geschickt.“ Dies sind natürlich nur kurze Einblicke in die Arbeitsweise von Art Noir und die Entstehung von „Silent Green“. Jan selbst versteht Musik vor allem als Transportmittel von Emotionen während für Gedanken eben die Worte zuständig sind, wobei „das Schöne an Musik ist, dass sich das beides verbinden lässt.“ Und so bietet „Silent Green“ auch einen sozialkritischen Hintergrund. Zwar hat das Album mit dem viel zitierten Charlton Heston-Film „Soylent Green“ nicht wirklich etwas zu tun, aber ganz zufällig ist der Titel natürlich nicht gewählt. Während im Film Menschen als Nahrung dienen, müssen in der Realität ganze Völker hungern, „weil wir mit Nahrungsmittelpreisen spielen oder unsere Rinder mit billigem Soja füttern müssen.“ Deswegen unterstützt Jan bewusst auch Projekte wie „Goth for Earth“, denn „zusammen können wir mehr erreichen.“
Es steckt also weit mehr hinter Art Noir, als ein simples Musikprojekt. Jan ist ein Mensch voller Kreativität, der sich sowohl an den „kleinen“ Dingen des Lebens erfreuen kann, als auch global denkt, und der noch daran glaubt, dass die Menschheit trotz aller Fehltritte die Kurve kriegen wird. Gebündelt erfüllen all diese Aspekte sein aktuelles Album mit einer unglaublichen Vielschichtigkeit, die trotz aller vordergründig dunklen Schwermütigkeit auch eine vertraute Wärme in sich birgt. Auch wenn bereits neues Material in Arbeit ist, „Silent Green“ wird sicherlich noch lange in den Herzen der Fans weiterklingen. Frank „Otti“ van Düren
www.artnoir.net
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parallel zu den Lyrics entstanden. So kam es am Schluss vor, dass zum Teil alle Lieder musikalisch fertig waUmweltschutz, die Einhaltung der Tier- und Menren, aber ich beispielsweise für ‚Gaia III’ noch gar keinen Text hatte. Von schenrechte, soziale Under Idee bis zu Fertigstellung gleichgewichte, alles von ‚Gaia’ vergingen also Themen, die eine gut zwei Jahre. Allerdings fällt Menge Sprengstoff in es einem viel leichter, wenn sich tragen und im Grunde man vorher genau weiß, was danach schreien, in Songs man will. Durch das ‚Konzept’ verarbeitet zu werden. erschafft man sich selbst eiTatsächlich jedoch ist die nen roten Faden und weiß Zahl der Bands, die sich eigentlich immer, was man als dieser Bereiche annehnächstes tun oder verwirklimen und somit darauf chen will. Einfach ins Blaue hinein zu musizieren, verzichten, eine weitere x-beliebige Liebesballade zu verfassen, überrawie ich es früher versucht hatte, ist meist ziellos und führt zu unbefriedigenden Ergebnissen.“ schend gering. Gegen die Masse stellt sich aktuell Benjamin Pusl, der mit Mit der Konzentration auf die Thematik der Umweltereignisse und -katastrophen hat der seinem Projekt Ankh das Debütalbum „Gaia“ kostenlos über das InMünchner die Bandbreite der Songinhalte allerdings dennoch recht umfangreich gestalternet vertreibt. tet. „Nun ja, das Album ‚Gaia’ reflektiert eigentlich Betitelt nach der mythologischen Muttergöttin des nur die Welt in ökologischer Hinsicht. ‚Kyrill’ und griechischen Altertums, liefert die Zusammenstellung ‚Tsunami’ sind dabei die Vertonungen der schreckder Songs eine interessante Mischung aus Gothic und lichen Umweltkatastrophen. Die Umwelt ist das Dark Wave Elementen, deren Ursprung nur teilweise Elementarste in unserem Dasein. Wir können nur in den persönlichen Einflüssen des Urhebers sichtbar existieren, wenn wir friedlich und im Einklang mit wird. „Da ich von Kindesbeinen an schon immer an der Natur leben. Der Mensch zerstört jedoch seine klassischer Musik interessiert war, ist es mir wichtig, eigene Lebensgrundlage, indem er weder auf seidiese Elemente einzubringen. Beethoven und Bach nen Mitmenschen noch auf die Umwelt Rücksicht sehe ich als klassische Vorbilder an. Andererseits nimmt. Er ist ein rücksichtloses, egoistisches und habe ich mich bereits vor etlichen Jahren auch für destruktives Lebewesen. Wenn wir so weiterleben elektronische Klangerzeugung wie bisher, werden wir bald vom „Einfach ins Leben nicht mehr viel übrig hainteressiert. Dabei ist es wichtig, Blaue hinein zu die Elektronik auf subtile Art und ben. Langfristig gesehen jedoch, wird Mutter Erde den Kampf geWeise einzusetzen. Kraftwerk, die musizieren, wie ich gen uns gewinnen, uns einfach Urväter, besitzen da einen nicht es früher versucht unwesentlichen Einfluss. Einen abschütteln und sich regenehatte, ist meist rieren. Sie sitzt sozusagen am emotionalen Einfluss, das heißt, ziellos und führt zu längeren Hebel. Wir haben Gefühle textlich und musikalisch unbefriedigenden es also selbst in der Hand! zum Ausdruck zu bringen, haben Es gibt genug Menschen in auf mich Bands wie Lacrimosa Ergebnissen.“ und Illuminate.“ Ausgehend vom Politik und in Vereinen, die individuellen Hintergrund, ist jedoch noch immer sich der Umwelt widmen. Aber wenn man ein ganzes Stück Weg zu absolvieren, bis schließlich vom Schlechtesten im Menschen ausgeht, ein vollständiger Longplayer vorliegt. „Die Idee, das und das muss man (!), wird Gier und Macht Konzeptalbum ‚Gaia’ zu verfassen, hatte ich bereits weiterhin über die Vernunft herrschen. Ich Mitte 2007. Ich hatte mir vorgenommen, erst die bin Pessimist. Oder soll ich sagen Realist? Texte zu schreiben, um dann diese zu vertonen. Da ‚Gaia’ ist nur ein kleiner Hilfeschrei.“ Der mir aber meistens das Schreiben von Texten schwer hoffentlich Gehör findet! Peter Heymann fällt, und ich eigentlich viel lieber am Klavier improvisiere, sind die Melodien und Musikideen doch www.myspace.com/ankhgothic
Emotionale Stürme
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VÖ „Gaia“: bereits erhältlich
Mit Angst vor sich selbst? Die Leipziger Formation Liquid Divine bringt mit „Autophobia“ ihren dritten Longplayer auf den Markt. Und wie das nun mal so ist, eine Band findet ihren Stil und durch die Erfahrung und die Reife wird diese Scheibe den ein oder anderen Hörer mitreißen können. Dass sich die Formation dabei nicht nur an Vorbildern orientiert oder deren Musikstil stumpf kopiert, wird sehr deutlich. Vielmehr ist alles im Fluss und das ist gut so. „Liquid Divine“, klärt unsere Leser doch mal auf, was ihr mit dem Namen aussagen wollt. Klingt interessant, nicht wahr? Der Name hat eine lyrische Wirkung, die vielfältig interpretiert werden kann. Vielleicht sollten wir mal einen Interpretationscontest starten und uns die interessanteste Bedeutung sichern. Es geht aber eher darum, eine Stimmung zu benennen, die die Musik beschreiben könnte. Für uns klingt der Name nach Weite und Offenheit, wie man auch den Pads und Flächen der einzelnen Songs entnehmen kann. Außerdem gefällt uns der Wortklang natürlich sehr gut. Obwohl es euch schon seit 2000 gibt, haben sicher einige Leser noch nicht so viel von eurer Musik gehört. Stellt euch bitte vor und beschreibt euren Musikstil. „Den“ Musikstil gibt’s bei uns gar nicht. Wir machen elektronische Musik. LD ist nach wie vor ein Zwei-Mann-Projekt. Chris schreibt die Musik und Guido die Texte. Seit unserem ersten Release über Infacted Recordings erscheinen unsere Platten auch in den USA und Polen. Und zum Stil der Musik: Es ist schwer, unseren Musikstil zu beschreiben, auch für uns selbst. Stellt euch eine Mischung aus Ambient, DnB, Industrial-Dance und Breakbeats vor. Am
besten man riskiert ein Ohr und lässt sich von unserer Musik umfangen. Mir ist aufgefallen, dass ihr als deutsche Band doch die englische Sprache vorzieht. Warum das? Weil das so schöner ist. Covenant singen ja auch nicht schwedisch. Man kann sich besser über Englisch ausdrücken, die Sprachmelodie ist klangvoll und einprägsam, im Englischen lässt es sich leichter intonieren. Die englische Sprache ist wesentlich wortreicher als Deutsch. Da gibt es für die beiden Bedeutungen des Wortes Himmel eben Sky und Heaven usw. und so fort. Außerdem verstehen einen die Leute fast überall, wenn man Englisch singt. Was bedeutet der Begriff „Autophobia“? Meint ihr die Angst vor dem Alleinsein? Vor der Isolation? Folgt das Album einem Konzept? Der Albumname polarisiert sehr schön. Manche finden ihn toll und andere wollen sofort in ihren Panikraum. Zu Beginn der finalen Produktion des Albums sprachen wir intensiv über die Texte, die oft Einsamkeit thematisieren. Das Wort „Autophobia“ gefiel uns in diesem Sinn sehr gut. Der Albumname hat aber weder autobiographischen Ursprung, noch möchten wir damit diese ernsthafte Erkrankung verharmlosen.
Neben den alltäglichen Erlebnissen haben wir auch musikalische, filmische und literarische Einflüsse. Das ist etwas, das man einfach zulassen muss. Welche musikalischen Vorlieben sich letztlich in unserer Musik niederschlagen, kann ich nicht beurteilen und ich will das auch nicht kategorisieren. Das ist eher die Aufgabe von Rezensenten und Journalisten. Was die Lyrics angeht, gibt es ebenfalls Vorlieben, NIN zu Beispiel aber auch direktere Sachen wie FLA oder verträumt-melancholische wie Covenant finden wir immer wieder gut. Was habt ihr dieses Jahr noch so geplant? Konzerte, Tour? Wir spielen jetzt erstmal live und präsentieren das Album. An den ersten Remixanfragen sind wir auch bereits dran. Wir freuen uns auch auf die Zusammenarbeit mit weiteren interessanten Künstlern aus diversen Genres. Und auf das Feedback unserer Hörer! Außerdem wird „Autophobia“ in den USA über Metropolis vertrieben, da sind wir sehr gespannt, was noch kommt. Nebenbei arbeiten wir ständig, wie in den vergangenen fast zehn Jahren, an neuem Material. Heiko Nolting
www.liquiddivine.de
In Sachen Electro braucht ihr euch mit diesem Werk nicht verstecken, aber wer hat euch geprägt?
VÖ „Autophobia“: 13.11.09
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Deutsche Wertarbeit
Harsh-Industrial aus deutschen Landen steht gerade höher im Kurs als je zuvor. Bestes Beispiel ist das Projekt KaosFrequenz, das bereits mit seinem ersten Album so viel Aufsehen erregte, dass eine Minitour nach Kanada folgte. Frisch zurück in Deutschland legt Mastermind Torsten mit der EP „Sadistic Monsters“ nach und schießt damit neue Tanzbefehle in die Clubs. NEGAtief sprach mit dem neuen Todesstern am rauchverhangenen Industriehimmel.
fand den Song aber dann doch zu schade, um ihn nicht auf CD zu veröffentlichen, da hat sich die EP perfekt dafür angeboten. Die neue Version wird auch live gespielt. Ich bin nach wie vor mit den alten Songs Gleich wenn man sich deine neue von dem Album „Never Ending Torture“ EP anhört, fällt auf, dass du eine zufrieden. Aber man kann quasi immer ganze Spur härter geworetwas verändern und den bist. Gab es bei „Neverbessern. „Ich habe für ver Ending Torture“ noch die EP Songs Midtempo-Nummern, so Wieder einmal arverwendet, trittst du das Gaspedal beitest du mit Samdie direkt in härter durch. Wie erklärst ples aus Filmen. die Beine und du dir diese Entwicklung? Würden die Songs Torsten: Ich habe für die EP eigentlich auch ins Ohr gehen Songs verwendet, die direkt ohne diese Einspieund jeder in die Beine und ins Ohr geler funktionieren? Song allein ist hen und jeder Song allein ist Ich mag Samples in perfekt für den Club geeignet. perfekt für den Liedern, die bringen Dass es dabei härter gewor- Club geeignet.“ die Stimmung der den ist, liegt sicher an einigen Texte oder des Songs Elementen, die ich mit eingebaut habe. sehr gut zur Geltung. Es kommt aber auch sehr auf das Lied an. Bei „Sadistic Wieso hat es nur zu einer EP gerei- Monsters“ und „Gunfire“ haben die cht? Effektiv haben wir es ja nur Samples mehr die Funktion eines Intros. mit vier neuen Songs zu tun. Bei „Moralische Perversion“ ist es mehr Das Label und ich haben uns dazu ent- eine Unterstützung der Texte. Die Songs schieden, erst eine EP zu veröffentlichen, könnten auch ohne die Samples existieum Kaos-Frequenz wieder ins Gespräch ren, aber es würde der berühmt berüchzu bringen, auch um die Wartezeit bis tigte i-Punkt fehlen. zum Album zu verkürzen, welches voraussichtlich im Frühjahr nächsten Jah- Die ergänzenden Remixe nehmen res veröffentlicht werden soll. mehr Platz ein als deine eigentlichen Werke. Welcher Remix lag „Blood Game v.2“ ist ja eine erwei- dir besonders am Herzen? terte Fassung des Originals vom Ich denke, das mit der Anzahl der Remixe letzten Album. Warst du mit der geht in Ordnung. Ich wollte keine EP Ursprungsfassung nicht mehr zu- mit nur einer Spielzeit von 25 Minuten frieden? veröffentlichen, außerdem versuche ich „Blood Game v.2“ habe ich für die Web durch die Remixe auch jungen unbeCompilation „Dark Meeting 3“ gemacht, kannten Bands eine Chance zu geben, 26
mal durch einen Song auf einer CD in Erscheinung zu treten. Die Band Digital Cult ist zum Beispiel noch relativ unbekannt und war auf keiner Veröffentlichung. Novastorm ist eine befreundete Band vom gleichen Label, da lag es nahe, dass ich sie frage, ob sie einen Remix beisteuern können. Ein besonderes Schmankerl ist, dass ich die Band T.H.Industry für einen Remix gewinnen konnte, da sie über mehrere Jahre in der Versenkung gesteckt haben. Gerade warst du in Kanada unterwegs. Wie bist du an diese Auftritte gekommen und wie wird deutsche Industrie-Arbeit dort gewertet? Das Debütalbum wurde auch in Kanada promotet und kam beim Album des Jahres vom kanadischen Internet Radio Sender „IndustrialStrengthNightmaresRadio“ in die Top 20, was mich sehr stolz gemacht hat. Auch wurde öfters das eine oder andere Lied in den Kanadischen Clubs gespielt. Die ganze Gothicszene ist in Kanada fast so wie in Europa, nur dass die Leute sehr offen und locker sind und vor allem auch sehr tolerant, was die Musik angeht. Deutscher Industrial oder Dark Electro hat einen hohen Stellenwert. In den kanadischen Clubs läuft viel deutscher aber auch europäischer Industrial. Martin Hookana
www.kaos-frequenz.de
VÖ „Sadistic Monsters“: 06.11.09
Vampirale Nacht
Pecadores Dass Brasilien mehr zu bieten hat als Samba und Caipirinha-Gelage an der Copacabana, dürfte den meisten Cineasten seit „City Of Gods“ klar sein. Das unfassbar große Land ist politisch und sozial gespalten wie kein anderer Staat Lateinamerikas. Pecadores hat es jedoch die Ursprungsreligion der schwarzen Einwanderer angetan, die sich mit dem Aberglauben der Indianerstämme vermischte und den Macumba hervorbrachte. So ist es kein Wunder, dass besonders den religiösen Eiferern des Landes, die Band ein Dorn im Auge ist. Euer letztes Album hatte ja vor allem den Kampf zwischen den übermächtigen christlichen Sekten und der Naturreligion im Sinn. Welche Themen stehen dieses Mal im Vordergrund? Apostle: Auf dieser CD standen verschiedene mythische Personen Brasiliens im Fokus. Beispielsweise Zé Pilintra, der zu Lebzeiten ein berühmter Zecher und Lebemann in den Favelas Rio de Janeiros war. Heute versuchen viele Menschen in ritualistischer Trance, Kontakt zu ihm aufzunehmen, um seinen Rat zu erfragen. Oder wir stellen Exu Caverira vor, der als eine Art Bote des Jenseits Menschen über die dunkle Schwelle in die Hölle führt. Ihn ruft man an, wenn es um schmutzige Jobs geht. Egal ob du jemanden um-
bringst oder einen Rat in einem bösen Geschäft brauchst. Die Musik ist immer nur Begleitung zu den eigentlichen Ritualen unserer CD.
Eines der erstaunlichsten Phänomene bei Randgruppen ist es, dass diese ein unbändiges Verlangen verspüren, sich gegenseitig anzugreifen. Je kleiner, desto heftiger die Flügelkämpfe. Das Resultat lässt sich in vielen Städten beobachten. Anstelle zur Vielfalt an Veranstaltungen beizutragen, kommt es zu einer Verarmung des Angebots und der künstlerischen Substanz.
Trotzdem interessiert uns sehr, was sich bei Pecadores seit dem sehr hellektrolastigen Album „10% For Jesus“ musikalisch getan hat. Die brasilianischen Percussionloops sind noch viel stärker in den Vordergrund getreten. Die Produktion wurde dunkler und kraftvoller. Der rituelle Aspekt steht klar im Zentrum unseres Schaffens, denn wir sind alle Anhänger des Cadomblé, der rituellen Beschwörung im alten Stil Brasiliens. Hierzu ist das Erreichen des Trancezustandes immer erst das Eintrittsticket in unsere dunkle Welt.
In Karlsruhe, der südlichen GothicHochburg, scheint das nun erkannt worden zu sein. Mozart, der Kopf der Formation Umbra et Imago, versucht aktuell mit seinem jüngsten Projekt Locco Barocco zäh und unbeirrt neue Wege zu gehen. Das Konzept seines „Kleinkunsttempels“ bietet einer beeindruckenden Schar an Künstlern ein Forum der etwas anderen Art. Kulinarisch begleitet finden dort Lesungen, Konzerte, Ausstellungen und Mottoveranstaltungen statt. Anfangs als Irrsinn belächelt, erfreut sich das Locco gerade bei den reiferen Szene-
Die Seelenfischer
menschen immer größerer Beliebtheit, sodass sich das Management entschlossen hat, eine neue Kooperation anzustoßen. Beeindruckt von der Location des Nachtwerks (Fassungsvermögen 700 bis 800 Personen) wird ab Januar 2010 eine neue Richtung eingeschlagen. Zunächst sind dort ein Lese- und Kunstfestival geplant, Theater, Konzerte als auch weitere ausgefallene Events, die Grenzen sprengen sollen. Die Eröffnungsveranstaltung wird am 5. Januar 2010 mit einem echten Hammer in Szene gesetzt. Die „Vampirale Nacht Revival Party“ in dieser Größe ist wohl einmalig und erinnert an vergangene glorreiche Tage, der nun nicht mehr existierenden Kulturruine. Mit Oswald Henke (Goethes Erben) und Mozart findet sich seit Langem wieder ein DJ-Gespann ein, das nicht nur auflegt, sondern Akzente setzt. Als besonderes Highlight wird der Abend schließlich noch durch die Release Party des 2010er Kalenders der Fetisch Ikone Madeleine Le Roy ergänzt. Es gibt nichts zu verlieren, als Gast kann man nur gewinnen. Peter Ziegler
www.kulturruine.de
Siegmar Ost
www.pecadores.net
VÖ „Rogai por Nós, Pecadores!“: 07.12.09
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Kampflärm aus Dresden! Aus Sachsen kommen Gerüchten zufolge die hübschesten Frauen, aber nicht nur die Frauen sind toll: Aus Dresden kommt auch eine Band, deren druckvolle Songs absolut in Mark und Bein übergehen – Battle Scream. Deren jüngstes Album „Suffering vs. Salvation“ wartet teils mit neuen Songs, aber auch mit vielen Remixen des letzten Albums „Suffering“, u. a. von Das Ich oder Die Krupps auf. Supersound und sympathische Musiker – eine gute Mischung! „Suffering vs. Salvation“ beinhaltet neben einer Reihe neuer Songs auch einige Fremd-Interpretationen eurer Songs. Wie kam es zu den namhaften Zusammenarbeiten? Alex: Also in erster Linie waren wir mit dem „Suffering“-Album und den Reaktionen der Hörer darauf äußerst zufrieden. Allerdings hatten wir zu dem dama-
ligen Zeitpunkt weder einen Vertrieb, noch wurde die Platte in dem Maße gepusht, wie wir uns das vorgestellt hatten und wie sie es auch verdient gehabt hätte. Weiter war meinerseits auch kein neues Album für dieses Jahr geplant. Nachdem mich unsere Promotionfirma und unser erster Gitarrist Rene jedoch Anfang des Jahres fragten, ob wir nicht doch nochmals nachlegen sollten, ließ ich mich „erweichen“ und die Idee entstand, einen Mixed-Longplayer zu schaffen. Dieser soll sowohl eine Hommage an „Suffering“ als auch für die Szene im Allgemeinen sein, der wir sehr viel verdanken. Dies ließ sich meines Erachtens nach nur erreichen, indem wir Musiker gewinnen, die eben diese Szene geprägt und mitgestaltet haben. Die Zusammensetzung beschreibt daher unsere eigene Sichtweise der Schwarzen Szene und nicht zuletzt unseren Musikgeschmack. Dass sogar Bands wie Project Pitchfork, Die Krupps, Das Ich und Letzte Instanz zugesagt haben, die uns früher selbst schmachtend in die ersten Reihen der Konzerte trieben, erfüllt uns dann schon mit Dank und ein wenig Stolz. Wie fühlt es sich an, wenn ihr die Remixe anhört, die doch recht anders klingen? Geil! Da kam es schon das ein oder andere Mal vor, dass wir eine anständige Gänsehaut bekamen. Und so soll es ja auch sein. Würde ja keinen Sinn machen, wenn die Remixe nach BS klingen. Wir wollten, dass die Songs von den jeweiligen Bands auf ihre spezielle Art interpretiert und zu guter Letzt intoniert werden. Deshalb hatten die Remixer, bis auf die Deadline, keinerlei Vorgaben von uns. Das Ergebnis spiegelt diese Freiheit, wie wir finden, eindrucksvoll wider.
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Wenn ihr neue Songs schreibt, wie geht ihr da vor? Bestimmte Stimmung? Besonderer Ort? Mal ist es der Ort, mal die Stimmung, mal beides. Simon und Rene, die für das Programming bei uns verantwortlich sind, haben den ein oder anderen Song nach einem rauschenden Abend im Bunker geschrieben (Anm.: Club in Dresden) oder haben erste Ideen unmittelbar danach verarbeitet. Dass in einem solchen Fall bei Musikern der Alkohol eine nicht gerade unwesentliche Rolle spielt, dürfte klar und an dieser Stelle auch entschuldigt sein. Übrigens klingen die ersten Versionen auch so und haben mit dem Endprodukt nur noch wenig zu tun. Den Feinschliff erarbeiten dann aber alle gemeinsam im Proberaum oder dem BS-Headquarter bei Rene zu Hause. Auch Toni (2. Gitarre) hat da manchmal abgefahrene Ideen, die anfangs belächelt, zu guter Letzt aber genial sind. Die Texte schreibe ich, nachdem ich die Rohspuren erhalten habe. Für mich ist dann schon eher die eigene Stimmung für das Songwriting ausschlaggebend. Manchmal fällt mir wochenlang gar nichts ein und dann sprudelt es nur so raus. Wie andernorts bereits erwähnt, muss dann meistens mein Auto als Proberaum herhalten, was gerade im Stau, andere Verkehrsteilnehmer noch mehr auf die Palme bringt. Aber um wieder die Kurve zu kriegen, ist es doch so, dass
wir das öfter bei kommenden Alben erleben? Der Videodreh entstand zu dem Song „Blood!“. Er wird völlig unkommerziell auf diversen Videoplattformen veröffentlicht und zum ko„Wer einmal stenfreien Download bereitgestellt, – Achtung, jetzt um gerade den Hörern, die uns wird’s protzig – die (noch) nicht kennen, die Band visuell näher zu bringen und zum Besuch Dresdner Skyline eines unserer Konzerte anzuregen. gesehen und die Wer das Video sieht, wird mich siNeustadt von Bar cher um die Damen beneiden und so muss ich zugeben, dass ich mich zu Bar schon weitaus schlechter bei andeabgeklappert ren Dingen gefühlt habe. Trotz allehat, ist voll von dem war es ein harter Drehtag für Schaffenskraft oder alle Beteiligten, bei denen wir uns verliert sich mit ihr hier auch an dieser Stelle noch einmal recht herzlich bedanken! im Tiefschlaf.“
Kante nicht gesehen), hab mit meinem Mikroständer zwei Saiten von Renes Gitarre gerissen, wurden auf der „Suffering“-Tour einer kompletten polizeilichen Großrazzia unterzogen, usw.
die Texte sehr persönlich sind und zum Nachdenken, Nachhaken und Nachfragen anregen sollen. Stichwort Stimmung - Live! Wie darf sich ein geneigter Leser eure Konzerte vorstellen, und wird es wieder eine Tour geben? Erde-Feuer-Wasser-Wind! Erde – verliert so mancher während des Konzertes unter den Füßen. Feuer – Pyro immer gern – wenn wir dürfen. Wasser – fließt literweise von der Stirn. Wind – lange Haare beim Headbanging. Wir können euch nur empfehlen, mal vorbei zu schauen! Eine Tour ist in Planung, aber im Moment noch nicht spruchreif.
Was plant ihr für die Zukunft? Wo steht Battle Scream in fünf Jahren? Schwer zu sagen. Jede Band hat ja so ihre Ziele. Am Anfang war es bei uns die erste „richtige“, eigene CD, dann das erste Konzert vor mehr als 10 Zuschauern, usw. Jetzt haben wir ein eigenes Label, einen Vertrieb und dürfen mit Bands auf der Bühne stehen oder zusammenarbeiten, die wir noch vor ein paar Jahren aus dem Bühnengraben angehechelt haben. Wir sind schon sehr glücklich und dankbar dafür, dass sich zehn Jahre Arbeit, die auch nicht immer von unermesslichem Spaß geprägt war, auszahlt. Oft war es wirklich schwer, den Haufen zu bändigen, was seit sechs Jahren jedoch unsere Bookerin Ines in die Hand genommen hat. Und es gab sicher auch Momente, in denen man sich gefragt hat: „Was mach ich hier eigentlich?“ Jeder der selbst schon mal im Tonstudio war oder bei 1000 Zuschauern kurz vorm Gig die Kreislaufpillen im Backstage sucht, wird ungefähr wissen, was ich meine. Ein großes Ziel von uns ist es, vielleicht mal auf dem M’era Luna zu spielen. Dies kann durchaus als Bewerbung verstanden werden. Es gibt ja auch schon Bilder eures Videodrehs. Ist das etwas, was euch Spaß macht? Werden
Ihr kommt aus Dresden - inwieweit gibt euch diese Stadt, die so viel Großartiges besitzt, kreative Schaffenskraft? Wer einmal – Achtung, jetzt wird’s protzig - die Dresdner Skyline gesehen und die Neustadt von Bar zu Bar abgeklappert hat, ist voll von Schaffenskraft oder verliert sich mit ihr im Tiefschlaf. Wie oben bereits erwähnt, empfehlen wir dem geneigten Dunkelvolk unbedingt den Bunker zum Abstrampeln, die alten Friedhöfe zum Entspannen und die Museen zum Kulturhopping. Daniel Friedrich
www.battlescream.de www.myspace.com/battlescream VÖ „Suffering vs. Salvation“: 27. 11.09
Euch gibt es ja doch schon seit 2001. Gab es irgendwelche lustigen Geschichten aus dem Band-Alltag oder von Konzerten? Wo soll ich da anfangen? Wir haben in Scheunen (ohne Dach) gepennt, zum Auftritt das Standtom vergessen, bei der Release-Show zur „Stalker“ ist der Rechner mit den gesamten Elektrospuren ausgefallen, manchmal wurden Minuten vor dem Gig noch Bandmitglieder gesucht, ich hab schon mal zu einem Song den Text des nächsten Liedes auf der Setlist gesungen – ohne es überhaupt zu merken (Monitore kaputt), bin einmal von der Bühne gefallen (nein! Kein Alk. 29
M asters O f D ark F ire Preisgekrönter Gothic Rock mit lyrischem Einschlag Masters Of Dark Fire kommen aus Berlin und haben den Dark Rock erfunden. Doch nicht nur das. Ihre Mischung aus Rock, Synthie Pop und Akustik-Elementen, teilweise gewürzt mit Lyriktexten alter englischer Dichter, kam beim diesjährigen „Battle Of The Bands“-Contest
des Sonic Seducer so gut an, dass sie den Sieg für sich verbuchen konnten. Nun erscheint bei Danse Macabre ihr Debütalbum „Dead Spots“, zu dem sie uns ein wenig mehr erzählt haben. Wo, wann und wie haben sich die Masters Of Dark Fire gefunden, um miteinander Musik zu machen? Frost, Azrayl und Raya: Masters of Dark Fire gibt es seit 2004. Gegründet wurde die Band als Schülerband unter dem Namen DARK FIRE. Von der Urbesetzung ist heute nur noch ToXiCa dabei. Der Musikstil ging von Beginn an in die dunkle Richtung. Heute besteht die Band aus ToXiCa am Bass, Azrayl ist unser Sänger, Tobey an den Drums, Frost an Gitar30
Ihr habt unter anderem ja schon im Vorprogramm von Mono Inc. und den Raconteurs gespielt. Welche Erfahrungen habt ihr von diesen re und Keyboards und Raya unterstützt durch Back- Auftritten mitgenommen? ground-Vocals. Ja, in Berlin haben wir schon mit einigen Szene größen die Bühne teilen dürfen. So konnten wir für Ende November erscheint Euer Debütalbum MONO INC oder Sara NOXX die Bühne vorheizen. „Dead Spots“. Die 13 Songs lassen sich zwar Jack White und seine Raconteurs haben wir auf ihrer Deutschlandtour 2006 grob dem Genre Gothic Rock zusupportet. Das war ein ordnen, sind aber dennoch viel„Von Anfang an schichtiger. Wie beschreibt ihr absolutes Highlight. Zum haben wir jedoch selbst eure Musik? einem in so großen Hallen darauf geachtet, dass Wir selbst nennen unseren Stil Dark wie dem Kölner E-Werk zu jeder Song einen Rock. Wir verarbeiten dabei sehr rocken, aber natürlich auch eigenen Charakter gerne verschiedene Richtungen. Dies Jack White, Brendan Benson geschieht eher unbewusst: mal passt hat. Auf der neuen CD und die anderen Backstage eine Synthie Linie zum Song, mal zu erleben. stehen Gitarren Rock passt ein Old-School Gitarren Riff oder auch mal beides. Von Anfang an ha- Songs gleichberechtigt Kann man euch in diesem neben Electro- oder ben wir jedoch darauf geachtet, dass Jahr noch live sehen? jeder Song einen eigenen Charakter auch Akustik-Sachen.“ Geplant sind Ende Novemhat. Auf der neuen CD stehen Gitarber ein Auftritt im Berliner ren Rock Songs gleichberechtigt neben Electro- oder K 17 als Headliner bei der Reihe WELLE:SCHWARZ. auch Akustik-Sachen. Ferner ist für Dezember noch ein Gig in Bayern mit befreundeten Bands aus Bayern und Tschechien Ihr habt den diesjährigen Battle Of The Bands geplant. Im kommenden Jahr wird ein Konzert in Contest vom Sonic Seducer gewonnen. Was Helsinki stattfinden und wir freuen uns auch sehr habt ihr gemacht, als ihr von eurem Gewinn auf das neue Dark Place Festival in Mecklenburg. erfahren habt? Weitere Konzerte werden rund um das Release von Das war eine tolle Überraschung. Wir hatten schon „Dead Spots“ stattfinden. beim letzen Mal mitgemacht und einen fabelhaften Stephanie Riechelmann sechsten Platz erreicht. Deshalb hatten wir gehofft, www.modf.de wieder unter die ersten zehn zu kommen. Als dann www.myspace.com/mastersofdarkfire der Anruf vom Sonic kam, dass wir ganz oben gelandet waren, war die Freude riesig. Mit dieser Platzierung im Rücken haben wir uns auf die Suche nach einem Label gemacht. Wir haben bei Danse Macabre angeklopft und sie haben uns dann kurz entschlossen aufgenommen. Die Texte einiger Songs auf „Dead Spots“ sind nicht von euch, sondern von Dichterfürsten, wie Lord Byron oder William Blake. Erzählt darüber mal ein bisschen mehr. Das sind Gedichte, die wir etwas verändert haben, die aber den morbiden Charme vergangener Zeiten in sich tragen. Lord Byron beschreibt den Anmut und die Schönheit einer Lady. William Blakes Gedicht „Garden Of Love“ erzählt von einer Blumenwiese auf der er in seiner Jugend gespielt hat. Nun befindet sich aber an diesem Ort ein Friedhof und Grabsteine VÖ „Dead Spots“: 27. November 2009 statt Blumen.
Gewaltakustiker Scott Fox steht unter Strom. Zweifelsfrei, denn neben seinem hellektrischen Instrusichtes auch nicht jedermanns Sache. Musimentalprojekt ist kalisch sind wir extrem aggressiv, aber eben der Musiker auch auch dunkel. Ich liebe fette Analogsounds. als Lehrer für MuEinflüsse, die uns hier nachgesagt werden, sind sikproduktionen und This Morn’ Omina, Aesthetic Perfection oder auch als oft gehörter DJ in Tactical Sekt. Kanadas Undergroundszene kein Unbekannter. Und auch die Bühnenbretter des nordamerikanischen Kontinents hat er mit Hast du jemals darüber nachgedacht, den sehr seinem Kollegen Chris bereits häufiger unsi- beatlastigen Sound mit Vocals anzureichern, cher gemacht, sei es der kalifornische Kultclub anstelle nur Samples zu benutzen? „Das Bunker“ oder das kanadische Pendant zum Das beschäftigt mich schon seit Jahren. Teilweise hätWave Gotik Treffen, das berühmte te ich schon gerne einen Sänger, um den jeweiligen Songs zusätzlichen Kinetik Festival. Der Deal mit dem „Wer schlafen erfolgreichen kanadischen Label Charakter zu verleihen. Auf der anoder träumen deren Seite wird das Gesamtbild zu Synthetic Sounds ließ nicht lange auf sich warten und mit Danse Masehr auf den Gesang reduziert, denn will, liegt bei cabre fand man jetzt auch in Europa Vocals sind immer im Vordergrund. uns falsch.“ In Zukunft könnte schon der ein oder ein Zuhause für den Release des interessanten Debüts „Scatterface“. andere Song einen Gastsänger spendiert bekommen, aber generell werde ich versuchen, Hellektro als deine Spielwiese ist in Europa ein meinem instrumentalen Weg zu folgen. Riesenthema. Ist das in Kanada genauso? Scott: Ich nehme mal an, du meinst mit Hellektro die Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Sebastian härteste Spielart elektronischer Tanzbarkeit. Wir bei- Komor? de sind seit vielen Jahren aktive DJs der kanadischen Szene und da geht dieser Einfluss kaum an einem vorüber. Letztendlich war dann unser eigenes Projekt die logische Konsequenz. Unser Album hat in Kanada unglaublich viel Feedback ausgelöst und diese Unterstützung lässt uns letztlich jetzt darauf hoffen, in Europa genauso erfolgreich zu landen. Europa ist nun mal der Brotkorb des Industrial. Bisherige Kontakte waren auch ganz vielversprechend.
Seb wohnt einmal nur um die Ecke und ist zum Anderen seit Jahren ein essenzieller Einfluss für die Szene, sei es mit Icon Of Coil oder Zombie Girl. Es ist auch einfach wundervoll, mit einem Kollegen Ideen und technische Kniffe auszutauschen. In seinem Xenomorph Studio konnte ich mir auch den ein oder anderen Trick abschauen. Seb hat mich dann auch hin und wieder mal zum Jammen in meinem Studio besucht und beispielsweise den Drumloop für den Song „Diatribe“ beigesteuert. Wir haben auch schon zusammen aufgelegt. Ebenso war er auch schon mal als Gastdozent in meinen Musikproduktionsseminaren. Als Livedrummer hab ich dann Seb in seinem Moonitor Seitenprojekt unterstützt oder auch einen Remix für Zombie Girls letzten Release beigesteuert. Der europäische Release unterscheidet sich noch einmal zum Kanadischen? Stimmt. Neben einem neuen Artwork und Remastering ergänzen auch vier Remixe das Album. Keine Frage, dass „Komor Kommando“ nicht fehlen durfte, ebenso wie meine „faves“ „Iszoloscope“, „Memmaker“ und „Psykkle“, die im Vergleich zu den Erstgenannten herrlich oldschool sind. Gert Drexl
www.myspace.com/ivardensphere VÖ „Scatterface“: 08.01.2010
Welche ästhetischen Kriterien verfolgt ihr? Die blutrünstige Seite sticht ja bereits beim Artwork ins Auge. Ich will die aggressive Note von Ivardensphere gleich von Anfang an ins Zentrum stellen, bevor man überhaupt die ersten Klänge hört. Das Gleiche gilt für unsere Liveshows. Wer schlafen oder träumen will, liegt bei uns falsch. Ivardensphere ist eine rohe und gewalttätige Sphäre. Auf unseren Shows geht auch immer eine Menge zu Bruch und MySpace hat vor Kurzem unser Bild zensiert. Wahrscheinlich ist das Bild eines mit dem Gemüsehobel zerrissenen Ge31
Charlotte’s Shadow Der Schatten von Charlotte Charlotte’s Shadow, das sind ein paar sympathische Jungs aus Dublin. Sie klingen nach frischem Düsterrock, ähnlich der guten alten The Sisters Of Mercy. Das letzte Album „Eternal Sleep“ aus dem Jahr 2008 gibt es kostenlos bei Jamendo zum Download und sie sagen nicht „Donate Us“ wie bei Paypal sondern „Enjoy our music and buy us a beer“. Kauft man sich das Album doch, dann bekommt man zusätzlich ein T-Shirt und einen Bonustrack geliefert. Damit allerdings nicht genug, denn Anfang Januar 2010 steht auch schon der Nachfolger „Under The Rain”, der eine Coverversion des Tears For Fears Hits „Mad World“ enthalten wird, zur Veröffentlichung bei Danse Macabre an. Gründe genug für einen gepflegten Plausch mit der Band. Wie verlief die Arbeit an eurem neuen Album? Dieses Mal haben wir uns die Zeit genommen, um viel in verschiedenen Bereichen und auf diversen Ebenen zu experimentieren. Das Ergebnis ist positiv, denn das Album hat nun einen besonderen Sound, der unseren Fans bestimmt gut gefällt.
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Wie lange habt ihr daran gearbeitet? Wir haben ein gutes Jahr für alles gebraucht, weil wir nichts überstürzen wollten, und haben jeden Song einzeln nacheinander ausführlich ausgearbeitet. Und die Intention hinter eurer Musik? Wir wollen großartige Musik machen, die die Menschen direkt trifft! Sind Konzerte in Deutschland geplant oder gar eine Tour? Wir haben in der Vergangenheit oft in Deutschland gespielt und wollen im nächsten Jahr wieder ein paar Konzerte geben, die müssen aber noch bestätigt werden.
ist, um einen Künstler zu fördern und ein breiteres Publikum zu erreichen – und natürlich ist es eine gute Sache, um neue Musik auch selbst zu entdecken – und das im Falle von Jamendo absolut kostenlos und legal. Es gibt dort einfach sehr viel zu erforschen.
Also tötet das Internet nicht generell den „Radio Star“? Nein, das glauben wir nicht. „Jeder von uns Das gute alte Radio wird bringt sich ein, mit weiterhin eine wichtige Rolle für die Musikindustrie guten Ideen oder spielen!
mit Texten – und das langt, um jedem Song sein Flair zu geben.“
Wenn wir schon dabei sind: Wer euch nicht kennt, was kann er von euch auf der Bühne erwarten? Auf der Bühne geben wir alles und versuchen das Publikum vor uns gut zu erreichen und in unseren Bann zu ziehen – vielleicht kann man sich bald selbst im nächsten Jahr von uns überzeugen lassen! Euer Album „Eternal Sleep“ ist kostenlos bei Jamendo erhältlich. Wie gefällt euch die Idee hinter der Plattform Jamendo? Wir denken, dass Jamendo eine großartige Sache
Wie geht ihr denn bei euren Liedern vor? Braucht ihr ein bestimmtes Flair oder ein gewisses Ritual, um neue Songs zu produzieren? Wenn uns etwas inspiriert, dann reicht das aus, um in der Musik etwas zum Ausdruck zu bringen. Es ist auch eine gewisse Art der Selbstverwirklichung, die man immer wieder einbringt. Jeder von uns bringt sich ein, mit guten Ideen oder mit Texten – und das langt, um jedem Song sein Flair zu geben. Irgendwelche letzten Worte für unsere Leser? Ich hoffe, ihr alle genießt es genauso, unsere Musik zu hören, wie wir es genossen haben, die Songs zu produzieren! Daniel Friedrich
www.charlottesshadow.com VÖ „Under The Rain“: 08.01.2010
Namen zu verwenden, da auch nicht mehr viel von der alten Band übrig war.
Made in Slovenia Ein Album „Not Everything Is Made In China“ zu nennen, ist auf den ersten Blick ziemlich mutig und auch gefährlich. Zumindest wenn man dem Urheber eine gewisse Arroganz unterstellt. Ganz so ist es im Falle der slowenischen Indierocker von NONmusic nicht, denn sie sehen ihren Albumtitel eher als nüchterne Realität und eine Art Ohnmacht gegenüber der globalen Albumschwemme. Musikalisch haben sie das Rad nicht neu erfunden und emanzipieren sich nur teilwei-
Album und behandelt wohl die Plagiaterie im Musikgeschäft? Jeder kann sich seinen eigenen Reim auf diesen Titel machen, aber er kann eine Menge bedeuten. Ist es schlimm, dass fast alles aus China kommt? Ist es
Die meisten Deutschen kennen wohl nur Laibach als slowenische Band. Erzähl mal über die alternative Szene in Slowenien. Alternative Szene? Es gibt hier keine. Alternative Musik spielt kaum eine Rolle in Slowenien. Radio, Presse und Promoter akzeptieren nicht richtig, dass alternative Bands existieren und bieten uns auch keine Plattform. Nicht mal internationale Alternative-Bands sind bei uns populär. Die Hörer haben den Anschluss vor 10 bis 15
„Vor der allgegenwärtigen Technik, dem Internet und mp3 hat Qualität eine größere Rolle gespielt. Heute zählen immer Quantität und Produktivität, was bei Musik schon immer ein fragwürdiger Faktor war.“ se von ihren Vorbildern, wie Depeche Mode oder Placebo. Doch ihr zweites Werk unter aktuellem Namen ist eine hörenswerte und interessante Mischung aus eben diesen Vorbildern mit vielen eigenen Akzenten, was gerade in der Alternative-Wüste Sloweniens bemerkenswert ist. Wie seid ihr auf euren Bandnamen gekommen? Bostjan Brcar: Wir haben „Non” von einem Titel unseres ersten Albums von 2002 übernommen. Wir mochten einfach den Klang. Man kann es als Negation interpretieren, auch als Ableitung der Zahl neun. Wir konnten aber nicht bei Non bleiben, da es schon eine Band mit dem Namen gibt. So haben wir „music“ hinzugefügt. Das kann ein Widerspruch sein, aber eigentlich heißt es: Musik ist mehr als nur Musik. Es ist die Präsenz, die Bejahung, die Worte, die Bühne, die Leute, die Energie, der Sex, der Groove, das Licht, das große Ganze. „Not Everything Is Made In China“ ist euer erstes englisches
schlimm, dass Menschen ihren Job verlieren, weil es jemand anderes billiger machen kann? Musik funktioniert heute genau so. Und Bands wie wir, die Wert auf ihr Produkt legen, leiden darunter, weil sie in der Masse untergehen. Vor der allgegenwärtigen Technik, dem Internet und mp3 hat Qualität eine größere Rolle gespielt. Heute zählen immer Quantität und Produktivität, was bei Musik schon immer ein fragwürdiger Faktor war.
Was habt ihr vorher gemacht? „Neimic” war unser erstes Album als NONmusic. Davor haben wir ein Album in slowenischer Sprache als KSIHT mit sechs Leuten gemacht. Zwei davon sind gegangen, doch wir haben mit neuen Ideen weitergearbeitet. Eine der Ideen war, englische Texte zu schreiben. Wir haben neue musikalische Wege ausprobiert, verschiedene Richtungen, meistens elektronisch. 2005 haben wir mit dem englischen Produzenten John Golley eine VÖ „Not Everything EP mit vier Songs produziert Is Made In China“: 16.10.09 und entschieden, einen neuen
Jahren verloren. Den Schaden haben wir jetzt. Bands wie wir müssen versuchen, die Suppe auszulöffeln. Warum habt ihr „It’s no good” von Depeche Mode gecovert? Wie weit ist das Video zum Song? Ich bin ein großer Fan, vor allem der alten Sachen, und fand den Song schon immer unterbewertet. Wir wollten dem Song einfach unsere eigene Note verpassen. Das Video machen wir wohl noch dieses Jahr. Wir arbeiten mit dem slowenischen Regisseur Miha Knific zusammen. Er hat auch schon unseren Clip für „Gender Changer“ produziert. Wir freuen uns auf die neue Produktion mit ihm, das wird großartig. Das Video wird dann im Sommer veröffentlicht. Ihr habt im Sommer The Killers in Ljubljana vor 20 000 Leuten supportet. Wie war dieser Gig? Wann kommt ihr wieder nach Deutschland? Dieser Gig war der Wahnsinn. Wir haben nicht zwei mal überlegt, als die Anfrage kam. Die Bühne war riesig und die Organisation einwandfrei. Wir haben uns wie eine Band gefühlt. Wir können es kaum erwarten, nach Deutschland zurückzukommen, um uns wieder wie eine Band zu fühlen, denn das Publikum dort ist wirklich verrückt. Poloni Melnikov
www.myspace.com/nonmusicband 33
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DarkBlueWorld Die gefährliche Schönheit des Wahnsinns Elizabeth Fischer war der Kopf der kanadischen 80er Artrock-Band Animal Slaves und arbeitet schon immer mit erstklassigen Künstlern und Musikern zusammen. Ihr aktuelles Projekt DarkBlueWorld ist nicht minder bemerkenswert und ihr neuestes Werk birgt eine Fülle an
ropäischen Hintergrund. Mich inspiriert oft Musik, die von unzufriedenen Leuten stammt, wie Blues und Musik vieler Roma Menschen, angefangen von Schmerz bis zur Ekstase. Wir alle versuchen, Ekstase zu erleben. Manche mit materiellen Dingen, andere mit Religion und wieder andere mit Drogen. Und einige tun es mit Musik. Musik gibt uns die Möglichkeit, menschliche Gemeinsamkeit zu erleben.
sikalische Vorstellungskraft haben. Mir ist egal, welchen Stil sie spielen. Bei uns kommt zuerst immer der Text. Dann tauschen wir musikalische Ideen aus und ich gleiche die Texte nach und nach an, bis der Song der Idee entspricht, besser noch, wenn er mehrere Ideen transportiert. Ich möchte über menschliche Befindlichkeiten singen, zumindest so, wie ich sie wahrnehme. Über Komplexität, Zwiespälte und Zerbrechlichkeit, ohne Lügen, ohne Bullshit. Wir wollen Musik scheinen lassen, und wenn das passiert, ist das einzigartig. Wie seid ihr beim polnischen Label Big Blue Records gelandet und warum habt ihr euer Vorgängeralbum gleich mitveröffentlicht? Das war Zufall. Ein befreundeter Bassist aus Holland hat mir den Tipp gegeben, dort anzufragen und die Zusammenarbeit hat auf Anhieb funktioniert. Das erste Album gleich mitzuveröffentlichen, war die Idee des Labels, was wir gut finden. Wir lieben es und spielen es auch live gern.
„Wir alle versuchen, Ekstase zu erleben.“
Poesie und musikalischem Tiefgang mit einer nicht enden wollenden Bandbreite, kombiniert mit ihrer ureigenen, expressiven Lyrik, transportiert durch ihre magische Reibeisenstimme. DarkBlueWorld haben mit „The Perilous Beauty of Madness“ ein zeitloses und episches Meisterwerk erschaffen und spielen in einer Liga mit Größen wie King Crimson, David Bowie und Annie Lennox. Was war die Idee hinter eurem Bandnamen? Ich wollte einen Bandnamen, der unsere Musik repräsentiert, die komplex und auf seltsame Weise fesselnd sein soll. Auf jeden Fall weiß ich, dass wir keine Unterhaltungsmusik machen. Als Künstler möchte ich Dinge tun, die ich als schön begreife, etwas Tiefgründiges und Wahrhaftiges. Ich habe einen osteu38
Deine Texte sind traurig, hoffnungsvoll, makaber und schön zugleich, und oft verglichen mit Bertolt Brecht. Was bewegt dich zum Schreiben? Mit Brecht verglichen zu werden, ist ein großes Kompliment. Ich liebe seine Werke und habe auch schon Songs von ihm performt. Wir teilen vielleicht eine gewisse Sensibilität, aber auch eine gewisse Brutalität. Ich würde ihn aber nicht als Einfluss bezeichnen, da ich schon geschrieben habe, bevor ich ihn kannte. Ich habe keine bewussten Einflüsse. Es gibt Reste von Büchern in meinem Kopf und ich bewundere viele Schriftsteller, wie Thomas Mann oder Joseph Conrad. Und es gibt eine ungarische Poetin irgendwo in mir. Ich muss einfach schreiben. Ich bin sehr sensibel und versetze mich gern in andere Menschen, um zu erleben, was sie fühlen. Ich möchte Menschlichkeit erleben und auch den Wahnsinn. Und ich will es so wahrhaftig wie möglich ausdrücken. Du arbeitest mit etablierten Musikern zusammen, die sämtliche Stile zu beherrschen scheinen. Gibt es eine gewisse Stilvorgabe bei euch. Wie sind die Songs entstanden? Ich liebe Rhythmus und Musik, die mich zum Bewegen animiert. Jede Band, mit der ich arbeite, muss also einen guten Bassisten und einen guten Drummer haben. Die Musik muss einen gewissen Groove haben. Ich liebe kreative Musiker, die eine hohe mu-
Gibt es eine Chance, euch live in Europa zu erleben? Ich hoffe sehr. Es ist aber schwierig, da wir in Kanada leben und die Flüge verdammt teuer sind. Wir arbeiten aber daran. Wunder geschehen immer wieder. Wie letzten Sommer, als wir eine Tour im Baltikum gespielt haben. Und dieses Interview ist ja schon ein Anfang. Poloni Melnikov
www.darkblueworld.ca
VÖ „The Perilous Beauty of Madness“: 22.01.2010 VÖ „Dark Blue World“ (Re-Release): 22.01.2010
Sexed Up Electronica Gothika entstand Anfang 2007 in Tokio. Nach etlichen Touren durch Russland, Asien, Europa und ihrem Debütalbum „120 Days of Sodom“, das letzten Herbst erschien, konnten sie sich denen Zeiten und Gebieten beschäftigt. Ansonsten schnell eine große Fangemeinde erspielen. inspiriert mich mein alltägliches Leben und das meiDie beiden Freunde Andro und #449 aka Yo- ner Freunde. shiki sind mittlerweile eine feste Größe in der internationalen Electroszene geworden. Ihr Ihr seid von Tokio nach Berlin gezogen. Habt aktuelles Album „ZeitGeist“ ist im Vergleich ihr das nur getan, um das neue Album zu produzieren oder wollt ihr länger zum eher asiatisch geprägten bleiben? Wie gefällt euch BerVorgänger noch europäischer „Die japanischen lin? geworden und sollte nicht nur Elemente haben wir Andro: Natürlich hoffe ich, noch Fans von Visual Kei und J-Rock sondern auch die EBM- und nicht weggelassen. Das drei Jahre in Berlin zu bleiben. Ich ist sozusagen unsere Futurepop-Gemeinde erneut finde, Berlin ist eine der schönsten Hauptstädte in Europa. Es gibt verzücken. geheime Zutat.“ viele Gothic- und Electroclubs, Wann habt ihr angefangen, Musik zu machen viele Musiker und überhaupt viele coole Leute. Auund wo habt ihr euch getroffen? ßerdem fahren die Bahnen auch die ganze Nacht. Andro: Ich habe mir während der High School meine erste Gitarre gekauft, jedoch schnell wieder damit Was könnt ihr zu eurem neuen Album „Zeitaufgehört und bin zum Gesang gewechselt. Ich habe Geist“ sagen? dann #449 im Internet getroffen, weil er Rammstein Andro: „ZeitGeist“ zeigt unsere neue Richtung auf. und Garbage gut fand. Irgendwann später haben wir Es ist noch elektronischer und etwas europäischer dann beschlossen, zusammen Musik zu machen. Be- geworden. Doch unsere Geheimwaffe, die japavor ich anfing, die Musik professionell zu betreiben, nischen Elemente, haben wir nicht weggelassen. Das habe ich noch in einer Fetish-Bar in Tokio gearbei- ist sozusagen unsere geheime Zutat. tet. #449: Ich habe während der Junior High School begonnen, Gitarre zu spielen und habe dann mithilfe des Computers angefangen, Songs zu komponieren.
Euer visueller Stil ist auch europäischer geworden, was auch beim aktuellen Coverartwork auffällt. Andro: Ich weiß nicht genau. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir zurzeit in Berlin leben. #449: Ich habe mich sehr schwer getan, das Cover auszusuchen, weil Zeitgeist auch mehrere tiefe Bedeutungen hat. Das grobe Konzept des Albums ist „Krieg“. Was wir aber eigentlich damit ausdrücken wollen, ist die „böse Leidenschaft“ des Menschen. Das soll auch das Coverartwork zum Ausdruck bringen. Was habt ihr für die Zukunft geplant? Andro: Wir wollen auch in Zukunft eine Basis in Europa haben. Und wir wollen unsere einzigartige Position in der Undergroundszene festigen und noch weiter ausbauen. #449: Und hoffentlich in noch mehr Ländern dieser Welt spielen. Poloni Melnikov
www.myspace.com/gothikatokyo VÖ „ZeitGeist“: 23.10.09
Wie würdet ihr euren Stil beschreiben? Wie wichtig ist euch der visuelle Aspekt? Andro: Wir benutzen immer den Begriff „Sexed Up Electronica“, den uns Zuschauer in Japan einmal gegeben haben und wir es auch gleich mochten. Natürlich ist die Musik am wichtigsten und schwer in ein Genre einzuordnen. Was das Visuelle betrifft: Ich habe schon als Teenager Make-up benutzt und ausgefallene Kostüme getragen. Das ist also ganz normal für mich. Wovon handeln eure Texte und woher kommen die Inspirationen dafür? Andro: Normalerweise haben wir für jedes Album eine Art Konzept. Bei unserem letzten Album „120 Days Of Sodom“ habe ich über seltsame Sachen wie SM, Unzucht und eben Sodomie geschrieben. Bei unserem neuen Album „ZeitGeist“ habe ich mich mit historischen und aktuellen Konflikten aus verschie39
Weiter im Aufwind Wie heißt es doch so schön im Fußball? „Was zählt, ist auf dem Platz!“ Ganz ähnlich verhält es sich auch mit dem Musikgeschäft. Wirklich wichtig für die Entwicklung der Karriere einer Band ist nach wie vor das Geschehen im Konzertsaal. Schafft es eine Formation bei ihren Auftritten, das Publikum zu begeistern, so stehen die Chancen gut, dass es auch langfristig mit dem Musikerdasein klappt. Alles richtig macht schon seit geraumer Zeit die Hamburger Truppe von Mono Inc. Nach einer ganzen Reihe von erfolgreichen Tourneen und Festivals, liegt nun zur Winterzeit das neue Album „Voices Of Doom“ vor, das ohne Zweifel zu einem weiteren Meilenstein in der Bandhistorie werden wird.
Band auf Tour. Das ist ja der Teil des Business, warum wir das Ganze eigentlich machen. Fürs Live spielen. Und einen größeren Gefallen, als uns auf die Bühne zu stellen, kann man uns gar nicht tun. Das Schönste ist, dass es auch erstmal so weitergeht. Nach der großen Tour mit ASP im Oktober beginnen wir im Dezember unsere eigene Tour und schon jetzt sind die ersten großen Festivals für 2010 und 2011 bestätigt. Eure Veröffentlichungen erscheinen mit relativ kurzem Abstand und ihr tourt sehr viel. Wie schöpft ihr dennoch die nötige Kraft? Es hört sich zwar ein bisschen unglaublich an, aber wir schöpfen die Kraft bei den Konzerten. Wenn unsere Lieder von den Fans gesungen werden, wenn wir in den Gesichtern erkennen können, dass unsere Musik ihnen ernsthaft etwas bedeutet – das setzt enorme Kräfte frei! Außerdem ist es ja so, dass Dinge, die man gern macht, einen wesentlich weniger Kraft kosten, als die unangenehmen Dinge. Eine Mathearbeit in der Schule hat mich früher sicherlich mehr Kraft gekostet, als eine Woche im Studio.
Es läuft gut mit Mono Inc. Was macht ihr also richtig? Was sollte vielleicht noch besser werden? Martin Engler: Ich glaube, das Wichtigste ist Authentizität! Und in diesem Punkt „Einen größeren sind wir ganz vorne mit dabei, denn Gefallen, als uns wir lassen uns nichts vorschreiben. Bei uns kommt alles von innen heauf die Bühne zu raus und ist somit total echt. Das stellen, kann man merken die Fans.
uns gar
Wie stark hat sich Mono Inc. als Band bzw. ihr euch als Menschen in den letzten Jahren verändert? Das solltest du vielleicht lieber unsere Partner fragen. Das ist bei uns aber nicht anders als bei anderen intelligenten Menschen auch – wir reflektieren unser Tun und versuchen uns zu entwickeln. Stillstand ist Rückschritt. Seit dem letzten Album ist so einiges passiert. Wie würdest du die Zeit beschreiben? In drei Worten: Geil, geil, geil! Wir waren seit dem doch ein bisschen überraschenden Erfolg von unserem Vorgänger-Album „Pain, Love & Poetry“ wenig zu Hause und dafür umso mehr mit der 40
Ihr habt sehr lange an „Voices Of Doom“ gearbeitet. Was überwog? Der nicht tun.“ Hang zur Perfektion, die Freude an der Studioarbeit oder seid ihr auch immer mal wieder festgesteckt? Eigentlich haben wir in diesen zwei Monaten im Studio nur sehr zielstrebig daran gearbeitet es so hinzubekommen, wie es vorher in unseren Köpfen klang. Und letztlich sind wir mit dem Ergebnis alle mehr als zufrieden und auch ein bisschen stolz, dass die Plattenfirma uns eine so große Produktion ermöglicht hat. Besonderes Highlight ist für mich das Orchester auf dem Track „If I Fail“ – das war schon ein Gänsehautmoment, als die loslegten! Welche Aspekte waren euch besonders wichtig bei der Ausarbeitung des Titelsongs?
Unsere Maxime bei diesem Track: Bloß nichts falsch machen! Wir wussten von Anfang an, dass wir mit „Voices Of Doom“ einen dieser Glücksgriffe getan hatten und hatten einfach nur Angst, dass wir den Erfolg des Songs aus den Konzerthallen nicht auf CD transportiert bekommen. Puh, wir waren erleichtert, als wir das Ergebnis hörten, genauso sollte es klingen.
fand ich von Anfang an sehr, sehr spannend. Dort trägt ein neunjähriges Double von mir (so richtig im schwarzen Anzug, mit Nasenring und allem was dazugehört) symbolisch seine Kindheit zu Grabe. Und am Ende des Clips steht er dann auf einer Lichtung im Wald und sieht … ach nee, wenn ich das jetzt verrate, ist doch auch der Witz weg. Also, anschauen auf mono-inc.com! An welchem Punkt seid ihr damit zufrieden, wie ein Song klingt? Das Lied muss mich bewegen, etwas in mir auslösen, dann hat es einen Sinn. Ein Song sollte nicht nur eine wahllose Aneinanderreihung von Melodien und Wörtern sein, sondern muss dieses gewisse Etwas haben, das etwas mit einem macht. Welche Art von Musik berührt dich? Wo schaltest du sofort aus? Ich mag Musik mit Tiefgang, starken Melodien und mit guten Texten. Beispielsweise The Smiths, The Cure, Tom Waits. Abschalten muss ich hingegen sofort bei diesen Gangsterrappern mit Sprachfehler und mangelhafter Grammatik, sonst kriege ich Spontanherpes. Ihr habt mittlerweile auch einen Fanclub. Wie seht ihr eine solche Einrichtung? Für mich ist das immer gleichzeitig zu viel Mainstream, aber auch eine nette Möglichkeit der Kommunikation mit den Fans. Für die Existenz der Fanclubs können wir ja nichts. Aber ich finde es schon toll, wenn Leute dermaßen begeistert sind, dass sie sich einbringen wollen, uns unterstützen wollen. Neben dem offiziellen deutschen Fanclub gibt es ja noch weitere, wie in den USA und Australien. Diese Leute kenne ich noch nicht persönlich, habe keine Ahnung, wer dahinter steckt, aber ich kann sagen, dass ich mich geehrt fühle. Und warum sollte mir das zu mainstreamig sein? Dann ist ja jede Band, die mehr als 100 Leute im Konzert hat schon Mainstream. Zum Titelsong des Albums erschien zudem eine Maxi-CD und selbst ein Video habt ihr an den Start gebracht. Bitte schildere etwas Inhalt und Entstehung des Clips? Lohnt eine solche Produktion heute überhaupt noch? Was heißt schon „sich lohnen“? Du meinst den finanziellen Hintergedanken? Aus dem Blickwinkel sicherlich nicht. Ein Clip, der auch noch eine
Story mit Schauspielern und mehreren Drehtagen benötigt, ist extrem teuer und macht finanziell sicherlich null Sinn für die Plattenfirma. Ich als Künstler liebe aber natürlich die Möglichkeit, mit der visuellen Komponente einen weiteren Kanal zu haben, um dem Hörer bzw. Zuschauer meine Intention, also meinen Text, näher zu bringen. Und das Script zu dem Clip von „Voices Of Doom“
Ihr werdet schon bald erneut auf Tour sein, was dürfen die Fans erwarten? Zu erwarten sind dann wie immer 100% Energie, voller Einsatz und eine Band, die genau dort ist, wo sie sich am Besten fühlt: Auf der Bühne! Peter Heymann
www.mono-inc.com VÖ „Voices Of Doom“: 25.09.09 41
Electro meets Neue Deutsche Härte Und wieder eine neue Kooperation, die es zu entdecken gilt. Nachdem die deutsche Queen des Electro, Sara Noxx, schon in der Vergangenheit mit Duetten beispielsweise mit Project Pitchfork, Limahl oder auch 18 Summers ihre Klasse unter Beweis gestellt hat, holte sie sich dieses Mal die Jungs von Megaherz an Bord. Und das haut gewaltig rein. Ein sehr geniales Stück!
Sara Noxx vs. Megaherz hätte ich sicherlich nach einem anderen Duett-Partner für „Prepossessing“ Ausschau gehalten. Die harten Jungs von Megaherz sind mit mir erstaunlich sanft umgegangen. Die Zusammenarbeit hat sich absolut problemlos und angenehm gestaltet. Vielleicht sollte an
Sara, die neue Single heißt „Prepossessing“. Um welche Gefühle geht es in diesem Song bzw. worum geht es für dich? XX : Bei jedem einzelnen meiner Sonxx handelt es sich um Abschnitte, Erfahrungen meines Lebens, die ich innerhalb meiner Musik verarbeite – mal sehr realistisch, mal angereichert mit Phantasien, Illusionen, Hoffnungen, Träumen, etc.. „Prepossessing“ erzählt von der Macht der Emotionen und der daraus resultierenden Ohnmacht. Lex, wie hast du reagiert, als dieser Stelle eher Lex detaildie Anfrage kam? Jungs von liert Auskunft erteilen. Lex: Das war sehr unproblematisch. „Die harten d mit Sara und ich haben uns über Mails Megaherz sin h sanft Lex, wie war die Zusamsehr schnell gut verstanden. Außermir erstaunlic .“ menarbeit mit Sara? dem bin ich sehr neugierig. Also bin en g an eg g m u Lex: Nun, wir sind alle irich für gute Kooperationen immer zu haben, wenn ich merke, dass da Leute gendwie Kollegen. Ich denke, wir werden uns noch auf dem ein oder mit Erfahrung und guten Ideen dabei sind. anderen Festival persönWie muss man sich eine solche Zusammenar- lich über den Weg laufen. beit vorstellen. Trefft ihr euch zusammen im Auf dem WGT 2008 hätte Studio oder werden nur Tracks verschickt und es ja fast geklappt. Von daher war das ein kolleeingesungen? XX : Glücklicherweise ermöglicht der wissenschaft- giales, kreatives miteinanlich-technische Fortschritt heutzutage, räumliche Di- der arbeiten. Wir haben stanzen problemlos zu überwinden, sodass wir per uns unsere Ideen hin und Datenaustausch die Kooperation realisiert haben. her geschickt, bis wir alle zufrieden waren. BesonSara, wie war das Arbeiten mit den bösen ders reizvoll war für mich Jungs von Megaherz? Electro trifft die Neue vor allem die HerausfordeDeutsche Härte. War die Band ein Wunsch von rung, einen vorgegebenen dir? englischen Text in eigene, XX: Hätte dies nicht meinem Wunsch entsprochen, deutsche Worte zu fassen, 42
die ja trotzdem zu Saras Rhythmik passen sollten. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Lex, der Song ist ja sehr toll geworden, euer Sound mit Saras eingängigem Gesang. Wird es so etwas für Megaherz öfters geben? Lex: Nun, es wird sozusagen eine Revanche geben. Im kommenden Frühjahr wird Megaherz ein reines Remix-Album herausbringen, auf dem u.a. Sara unseren Klassiker „Beiss mich“ aufs Korn nimmt. Da sind wir schon sehr gespannt darauf. Lex, was ist mit Megaherz weiter geplant? Lex: Momentan bauen wir grade ein eigenes Studio für das nächste Studioalbum, das voraussichtlich Ende 2010 herauskommt. Aber im Frühjahr – wie bereits erwähnt – haben wir noch mal ein kleines Bonbon vor allem für alle Electrofans. Viele bekannte Künstler aus der Szene geben sich die Ehre und kleiden unsere Songs in ihr Soundgewand. Mit dabei sind, neben Sara, Die Krupps, Suicide Commando, Mono Inc., Covenant, Combichrist, Rotersand und viele andere mehr. Wir haben schon einige der Werke gehört und das wird mit Sicherheit für alle DJs ein Muss! Heiko Nolting
www.saranoxx.com www.myspace.com/saranoxx www.megaherz.com www.myspace.com/megaherz VÖ „Prepossessing“: 12.02.2010
Phallus Dei Auf neuen Pfaden
Fünf Jahre ist es her, dass Phallus Dei ihr letztes Album „Osmose“ veröffentlicht haben. Da kann es schon mal sein, dass Fans der älteren Veröffentlichungen bei einem neuen Release die Stirn runzeln. So ist zum Beispiel in einem Forum im Internet zu lesen: „Ihr sprecht da jetzt über diese Industrial(-Rock) und Gothic-Band, die in den 90ern in der Gruftie-Szene mit Alben wie ‚Cyberflesh’, ‚Pornocrates’ oder ‚Pontifex Maximus’ so halbwegs was gerissen und mit der Gothic-Rock-Legende und Grand Dame des S/M Gitane Demone Songs aufgenommen hat? Und aus denen soll jetzt eine Neo-Prog/Krautrock-Band geworden sein, die irgendwas mit Beatles und Beach Boys zu tun haben?“ In der Tat. Von dieser Band reden wir.
Jahr 1995 folgten noch drei Alben und eine Single. Danach wurde es still um die Band. Dem „gewöhnlichen Grufti“ dürfe Phallus Dei vor allem durch die Kollaboration mit der ex-Christian-Death-Sängerin Gitane Demone bekannt sein. Mit „A Day In The Life Of Brian Wilson“ ist Phallus Dei auf jeden Fall ein Comeback gelungen, mit dem eigentlich niemand mehr gerechnet hatte. Der auf dem Album enthaltene Song „Will You Come Now“ war ursprünglich – in einer anderen Version – für den Soundtrack des Films „Sommertag“ gedacht, durch den sich die Band einen großen Wunsch erfüllen konnte: Den Gesangspart übernahm John Walker,
Mitglied der Walker Brothers. Weitere Songs auf dem Konzeptalbum, das mit „Prologue: Dawn“ beginnt und mit „Epilogue: Dusk“ endet, werden von der kanadischen Sängerin Clara Engel begleitet. Dass Phallus Dei auch in Zukunft noch große Pläne haben, beweist die Ankündigung eines für nächstes Jahr geplanten Releases, auf dem sich unter anderem ein Remix von Bohren & der Club of Gore sowie ein Gastbeitrag von Jello Biafra (Dead Kennedys) befinden werden. Zudem werden Phallus Dei beim Wave Gotik Treffen 2010 ihren ersten Live-Auftritt seit fast 15 Jahren absolvieren. Und in der Zwischenzeit kann man sich schon mal an „A Day In The Life Of Brian Wilson“ erfreuen. Philipp Strobel
www.phallusdei.com www.myspace.com/phallusdei VÖ „A Day In The Life Of Brian Wilson”: 22.01.2010
Zugegeben: mit dem 91er Debütalbum „Pontifex Maximus“ hat das neue Album „A Day In The Life Of Brian Wilson“ von Phallus Dei nur noch recht wenig zu tun. Dass sich allerdings einstige Industrial-Gruppen im Laufe ihrer Karriere für andere Elemente und Stilrichtungen wie Neofolk, Kraut- oder auch Progrock geöffnet haben, ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen. Als bestes Beispiel dient da die AllStar-Band Current 93 um Frontmann David Tibet, und auch auf den aktuellen Veröffentlichungen von Der Blutharsch sind diese Tendenzen zu beobachten. Zur Erinnerung: Die Band Phallus Dei, benannt nach dem Krautrock-Album von Amon Düll II – da haben wir doch schon die erste Referenz! – existiert seit 1988. Und ja, der Name bedeutet genau das, was ihr denkt. Zu diesem Zeitpunkt war Phallus Dei das Ein-Mann-Projekt von Oliver St. Lingam, der auch bis heute das einzige konstante Band-Mitglied ist. Bis 1989 erschienen die beiden Tape-Veröffentlichungen „Pigfuck“ und „Per Crucem Ad Lucem“ im Eigenvertrieb. 1990 wurde dann aus Phallus Dei ein Trio, durch den Zuwachs von D.A.R.P.A. und Mk E. In dieser Besetzung entstand schließlich auch das Debütalbum. D.A.R.P.A. verließ die Band nach der folgenden Tour und wurde durch Joris Huijbregts und Richard van Kruysdijk ersetzt, der heute vor allem durch die Projekte Sonar Lodge und Strange Attractor bekannt ist. In dieser Besetzung entstanden vier Alben und eine EP. Nach dem Ausstieg von Joris im 43
Strange Attractor Eine wahre Supergroup Dass Strange Attractor gerne als Nebenprojekt von The Legendary Pink Dots bezeichnet werden, liegt irgendwie nah, ist aber doch nicht ganz korrekt. Neben Niels van Hoorn, seines Zeichens Saxophonist der Pink Dots und Konstante bei Strange Attractor, sorgt vor allem die Stimme Edward Ka-Spels, dem unverwechselbaren Sänger der Pink Dots, für das Fortbestehen dieses Gerüchts. Bislang war Ka-Spel nämlich auf einigen Strange-Attractor-Songs zu hören. Genau so gut könnte man Strange Attractor aber auch als Ableger der weniger bekannten Sonar Lodge bezeichnen. Immerhin ist Mastermind Richard van Kruysdijk das zweite feste Bandmitglied von Strange Attractor, und seine Sonar-Lodge-Partnerin MarieClaudine Vanvlemen lieh dem Projekt ebenso häufig wie Ka-Spel ihre Stimme.
Für das neue Album „Mettle“ haben sich Strange Attractor allerdings noch eine ganze Reihe von Gastmusikern ins Studio geholt, um das Verwirrspiel für Rezipienten und das Namedropping für Journalisten völlig auf die Spitze zu treiben. Die Liste der Gastmusiker auf „Mettle“ liest sich wie ein Who-isWho der Post-Punk- und Ambient-Industrial-Szene. Da wäre zum einen David J, der Bauhaus-Gitarrist, der, wie viele vielleicht nicht wissen, auch einige Texte für Bauhaus geschrieben hat, beispielsweise den des All-Time-Goth-Klassikers „Bela Lugosi’s Dead“. Nach dem Bauhaus-Split war er Mitbegründer der Nachfolge-Band Love And Rockets, später veröffentlichte er unter seinem eigenen Namen einige Soloplatten. Für „Sleaze“, das heimliche Highlight auf „Mettle“, hat David J den Text geschrieben und auch den Song eingesungen. Eine weitere Post-Punk-Legende, die auf „Mettle“ mitgewirkt hat, ist der Wire-Bassist Graham Lewis. Ihn gibt es auf „The Best Things Are Left Unspoken“ zu hören. Vom Post-Punk zum eigentlichen Industrial ist es nicht so weit – auch wenn das einige Szenekids heute so nicht mehr nachvollziehen können – und deshalb werden viele Szenekenner beim nächsten Namen leuchtende Augen bekommen: Peter Christopherson. Ein Name, der wie kaum ein anderer für Industrial steht. Immerhin hatte Christopherson alias Sleazy bei den drei wichtigsten Genre-Vertre-
tern Throbbing Gristle, Coil und Psychic TV seine Finger im Spiel. Er hat bei „Mettle“ an dem Song „Snail“ mitgewirkt. Neben Richard van Kruysdijk, Niels van Hoorn, David J, Graham Lewis und Peter Christopherson haben an „Mettle“ auch noch Winston Tong (von Tuxedomoon), Ryan Moore (von Twilight Circus), Jeroen van Vliet (von Gatecrash), Eric van der Westen (von E-Quad), Bart Maris (von Think Of One und Briskey), sowie abermals Marie-Claudine Vanvlemen mitgearbeitet. Bei Strange Attractor sollte man in Zukunft also nicht mehr von einem Nebenprojekt, sondern viel mehr von einer Supergroup sprechen. Wer jetzt allerdings eine Rockoder gar eine Industrial-Platte erwartet, liegt völlig falsch. Genauso einzigartig wie die Besetzung von Strange Attractor ist auch ihr Sound. Freunde von Portishead, Massive Attack, Björk oder eben auch gewissen Phasen der Legendary Pink Dots werden hier gut bedient. Der Ambient-Jazz-Anteil ist sehr hoch und vor allem der Chill-Faktor steht hier im Vordergrund. Zeitgleich zum Longplayer „Mettle“ erscheint ebenso ein Re-Release des Albums „Everything is Clear“ (featuring Edward Ka-Spel) und die 4Track-EP „Youth“, die neben zwei InstumentalTracks („Dorian Gray“ und „Revolte“) auch zwei weitere von Marie-Claudine eingesungene Stücke beinhaltet: „Only Sleeping“ und den Titelsong, ein großartiges Soft-Cell-Cover. Wer also auf der Suche nach neuen Sounds ist und Vielseitigkeit liebt, ohne dabei den Szene-Kontext aus den Augen zu verlieren, liegt mit Strange Attractor genau richtig. Live sind Strange Attractor – als Trio mit Marie-Claudine – noch in diesem Monat zu sehen. Philipp Strobel
www.myspace.com/attractor
VÖ „Mettle“, „Everything is closer“, „Youth“: 22.01.2010
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Vollmond im Winter Wintermond ist einigen Lesern vielleicht noch als Gewinner des Sonic Seducer „Battle Of The Bands“ 2007 im Gedächtnis geblieben. Der Gründer Didic arbeitet seither an einer LiveBesetzung für die Formation und an weiteren kreativen Ergüssen, die sich wohlwollend in den Gehörgang legen! Als Ergebnis dieses Prozesses liegt nun das Album „Desiderium“ vor, da wird es höchste Zeit, dass wir uns mit ihm über sein Projekt unterhalten. Fünf Jahre Wintermond. Was hat sich verändert seit den Anfängen? Didic: Verändert hat sich seit damals so ziemlich alles! Die Arbeitsweise, die Ziele und vor allem die Einstellung zur Musik. Anfangs war Wintermond mein persönliches Mittel, meine kreative Seite auszudrücken und sinnvoll sowie produktiv meine Freizeit zu nutzen. Ich saß zu Hause, tüftelte an meiner Musik und war zufrieden, mehr brauchte ich nicht. Dass sich alles so entwickelte, wie es heute ist, konnte man damals noch nicht erahnen. Der erste Schritt in die Öffentlichkeit seit den frühsten Demoaufnahmen war Gabrielle. Die aus dem Soloprojekt ein Duo machte und somit den Grundstein in Richtung Wintermond legte, wie man uns heute kennt. Mittlerweile sind wir zusammen mit allen neuen Mitgliedern der Band, die da sind Luk, Julian und Chris zu einer kleinen Familie gewachsen. Auch beim Songwriting stehe ich nicht mehr allein da. Von Luk wird es einen
Song auf dem neuen Album geben, der sich wundervoll in das Gesamtbild einpasst. In Zukunft werden wir sicherlich auch noch mehr an den Songs zusammenarbeiten.
Wie Wintermond live ist, davon wird man sich durchaus im kommenden Jahr selbst überzeugen können. Einige Konzerte sind in Planung oder bestätigt! Eine kleine Tour steht auch schon im Raum, „Anfangs war wir können unsere Fans ja schließlich Wintermond mein nicht enttäuschen und freuen uns dapersönliches Mittel, rauf, das kommende Album auch live zu performen. meine kreative
Inwieweit hat sich der erste Platz beim Sonic Seducer „Battle Of The Bands“ ausgewirkt? Seite auszudrücken Wie wichtig ist euch das Internet Der Ausgang des BOTB hat Gabriund sinnvoll sowie elle und mich damals umgehauen, als Medium bzw. Kontaktmögund uns in eine Richtung gelenkt, lichkeit zu euren Fans? produktiv meine die wir bis dato zu gehen nie in Freizeit zu nutzen.“ Sehr wichtig! Das Internet ist es heutBetracht gezogen hatten, war Winzutage neben den Livegigs die zweite termond doch zum damaligen Zeitpunkt ein reines Möglichkeit für kleine Bands, auf sich aufmerksam Studioprojekt. Kurzum, das Ergebnis vom BOTB hat zu machen. Ohne entsprechende Plattformen ist es uns derartig „gepusht“ und dazu getrieben, Winter- sehr beschwerlich, überhaupt wahrgenommen zu mond zu dem zu machen, was es oder besser gesagt, werden. Es gibt keine Grenzen. Wir sind immer wiewas wir heute sind, eine vollwertige Band! Wir verab- der erstaunt aus welchen Ecken und Ländern dieser schiedeten uns vom Studiodasein und begannen die Welt wir Feedback zu unserer Musik erhalten. Suche nach weiteren Musikern. Wir besorgten uns einen Proberaum und neues Equipment, um eine Band Was dürfen wir von Wintermond in Zukunft auf die Beine zu stellen. Wir begannen auch erst nach erwarten? dem BOTB mit dem gezielten versenden von Demos Pläne haben wir viele. Vor allem denken wir, dass an Labels! Ich gehe soweit und wage sogar zu be- unser erstes offizielles Studioalbum nicht das letzhaupten, dass es ohne den BOTB Wintermond heute te sein wird. Es gibt in unseren Augen noch so viel eventuell nicht mehr geben würde. Also ein Meilen- gutes Material, was wir nun nicht mehr unterbringen stein in unserer Bandgeschichte! konnten, das würdig ist, auf eine Platte gebannt zu werden. Dürfen wir mit dem neuen Album „DesideriDaniel Friedrich um“ auch eine Tour erwarten? Wenn ja, wie ist www.myspace.com/wintermond Wintermond live? VÖ „Desiderium“: 14.01.2010 45
Ein Ausrufezeichen des deutschen Synthiepop Für viele der älteren Generation ist die Band !distain ein Begriff. Neben Depeche Mode und den nachfolgenden Bands wie Camouflage und And One gehört auch !distain zu den festen Größen in Sachen gut gemachte Synthie Pop Musik. Als Manifestation des Ist-Status wird nun die „Best-of“ Doppel-CD „Anthology 19922010“ auf den Markt gebracht. Enthalten auf dieser Zusammenstellung sind nicht nur alle großen Hits, sondern auch unveröffentlichte Rohdiamanten, sodass sich ein guter Überblick auf das erfolgreiche Schaffen der Band ergibt. „Anthology 1992-2010“ ist eine Doppel-CD geworden. Was wird die Fans erwarten? Manfred: Für CD1 haben wir jeweils drei Songs
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aus den ersten fünf Studio-Alben ausgewählt, die eine Art „Best of“ darstellen. Hinzu kommen auf der ersten CD drei neue Songs bzw. Aufnahmen: „Hole In The Moon“, „Dunkle Zeit“ und eine neu eingespielte Version von „Confession“. CD2 enthält ausschließlich zuvor unveröffentlichte Stücke, die zwischen 1992 und 2009 entstanden sind. Hierzu zählen u.a. drei neue Songs, einige Demos und zwei Tracks, die Alexander und Oliver vor Auflösung der Originalbesetzung aufnahmen. Abgeschlossen wird die „Anthology“ durch vier Video-Clips, von denen zwei erstmals zu sehen sind. Was hat es mit dem Ausrufezeichen vor dem Namen auf sich? Alexander: Die ursprüngliche Idee dahinter stammte vom damaligen Bandmitglied Sebastian, der Mode-Zeitschriften las und sich beispielsweise von „Joop!“ inspirieren ließ. Es sollte den Band-Namen außergewöhnlicher und stylischer machen. Der nächste Schritt folgte 2003: wir setzten das „!“ vor den Namen, um eine Veränderung in der Besetzung der Band zu kommunizieren. Es ist zwar immer noch distain, aber eben mit einer Veränderung.
VÖ „Anthology 1992-2010“: 15.01.2010
Und falls die jemand in unserer Musik wiederzuerkennen glaubt, so ist das eher ein Kompliment für mich!
„Confession“ und „Tears of Joy“ sind meine absoluten Lieblingssongs. Welcher Song liegt euch am Herzen? Alexander: „Confession“ gehört siEure Musik würde ich als per- „Jetzt kann‘s richtig cher auch zu meinen „besonderen“ fekten Synthie Pop sehen. Tracks. Es war schließlich die erste losgehen. Wir Wie würdet ihr Single und auch unser erster „Szenehaben schon viel euren Musikstil Hit“, wenn man so möchte. Das Stück erreicht, aber da beschreiben ist mir auch wichtig, weil es eine meigeht noch mehr!“ und habt ihr daner wenigen eigenen Kompositionen für Vorbilder? der ersten Jahre ist, die veröffentlicht Alexander: Vielen Dank für dieses wurde. Einige meiner „Werke“ dieser Zeit haben Kompliment. Ich denke die „Vor- jetzt aber doch noch den Weg ins Rampenlicht gebilder“ ergeben sich automatisch funden und zwar auf der zweiten CD unserer „Best und unbewusst aus unserem Mu- of“. Wer also „Confession“ mag, wird sich in diesen sikgeschmack und eben den Songs, Songs sicher wiederfinden, denn sie sind während die wir immer so hören. Eben dieser derselben Phase entstanden. Musikgeschmack ist es ja, der uns beim Komponieren sagen lässt: so Was habt ihr nach so langer Zeit noch für Ziele? machen wir‘s und so nicht. Wenn Ist da was in Sachen Tour etc. geplant? Oder wir allerdings ganz konkret versu- bedeutet die Scheibe das Ende? chen, in eine bestimmte Richtung zu Alexander: Also für mich ist die Scheibe eine Art Zwigehen, dann klappt das meist nicht. schenbilanz, d.h. wir können zurückschauen, was wir Also in etwa so: Morgens wollen wir schon alles gemacht haben, können unser bisheriges einen schnellen Song komponieren Werk in kompakter Form zusammenfassen und vielund abends kommt eine Ballade aus leicht auch Menschen erreichen, die uns noch nicht dieser Idee heraus hervor. Und am kennen, und diesen einen schnellen Einblick in unser Ende klingt dieser neue Song nach musikalisches Schaffen gewähren. Das Gefühl dabei !distain. Natürlich werde ich auch ist also eher: Jetzt kann’s richtig losgehen. Wir haben niemals meine musikalischen Lieb- schon viel erreicht, aber da geht noch mehr! linge von a-ha über Camouflage bis Heiko Nolting Erasure oder And One verleugnen. www.distain.de
Van Langen Zeytreise-Abenteuer Mittelalter-Rock ist längst über den Status eines Kuriosums hinausgewachsen. Bands wie In Extremo oder Subway To Sally treten in Fernsehshows auf, Corvus Corax präsentieren ihre Musik im Rahmen gigantischer Open-Air-Opern und kaum ein Mittelaltermarkt vergeht, wo nicht etliche Newcomer versuchen, etwas von dem Kuchen abzugreifen. Zwischen den großen Namen und Newcomern wird das Feld derer Bands, die trotz guter Werke und konstanter Leistung im Mittelfeld verbleiben, immer größer. Dabei lohnt sich oft ein Blick auf diese Gruppen, die noch Mut besitzen, ungewohnte Wege zu beschreiten. Ein Beispiel dafür sind Van Langen, die mit ihrem neuen Album „Zeytreise“ die perfekte Balance zwischen Düster-Rock und Mittelalter zelebrieren und sich dabei stets selbst treu bleiben. Zum wiederholten Male verpackt ihr den Begriff „Zeyt“ in einem eurer Werke. Was bedeutet „Zeyt“ generell für euch? Marcus Van Langen: Es gibt nur eine „Zeyt“, die eigene! Der Mensch hat Angst vor ihr, weil er weiß, dass sein Dasein begrenzt ist. Darum teilt er ein in Jahre, Minuten und Sekunden und noch genauer. Die Zeit wird zum Leitmotiv für ein Leben mit Scheuklappen. „Fräulein Zeyt“ ist aber auch ein wunderbares und verdammt ehrliches Ding. Sie lässt sich nicht leihen, stehlen oder kaufen und du kannst sie nicht betrügen. Du hast sie oder du hast sie eben nicht. Man muss diese „Zeyt“, diese Wirklichkeit in etwas Wunderbares, Einzigartiges verwandeln und sie sich nutzbar machen.
Lieder gibt, die noch niemand gespielt hat, fehlt das Interesse danach zu suchen. Es ist wohl die Faulheit, die gerne erfolgreiche Konzepte übernimmt! Es wird kopiert und „verschlimmbessert“ und die interessantesten Sachen kommen nach wie vor von den alten Hasen. Kennst du die Solo CD von Castus? Das ist neu, das ist gut und setzt neue Maßstäbe. Aus eben diesem Grund haben wir auf „Es ist wohl der neuen CD „Zeytreise“ drei Lieder, die Als „unbestrittene Lordsiegelbewahdie Faulheit, bisher noch niemand aufgenommen hat und auf deren Bearbeitung wir besonders rer des Mittelalter-Rocks“ fühlt ihr die gerne euch als Pioniere dieses speziellen stolz sind. Es ist das Lied „Weh dir Welt“ erfolgreiche von Walther von der Vogelweide sowie Sounds. Seid ihr mit der EntwickKonzepte lung der Szene zufrieden? „Her Volcnant“, ebenfalls ein Walther Wir sind ein Urgestein, rau und original übernimmt!“ Lied, und „Ich bin in min Herze wunt“ vom sogenannten Kürenberger aus der und haben das Schiff gebaut, das nun von vielen geplündert wird. Es geht hierbei nicht Mitte des 12. Jahrhunderts. um das schnelle Geld oder den kurzfristigen Erfolg. Wir brauchen doch tatsächlich keinen 478sten Cor- Neben Van Langen betreibst du noch weitere vus Corax oder In Extremo Abklatsch, aber so läuft Projekte wie zum Beispiel Des Teufels Lockvöes eben; es wird gehört, was ankommt und kopiert. gel. Inwiefern schafft ihr eine klare Trennung? Es gibt erschreckend wenig Neues und Innovatives, Nach vielen Missverständnissen und Namensverobwohl die Szene ständig wächst und es genug wechslungen wurde nun eine klare Trennung voll-
zogen. Des Teufels Lockvögel stehen für akustische Mittelaltermusik pur. Mal sanft und verträumt, mal mit brachialen archaischen Rhythmen. Die Band Van Langen steht für Mittelalter und Gothic-Rock der ersten Güte, und da geht es richtig zur Sache. Trotz einiger Veröffentlichungen gehören Van Langen nach wie vor eher zu den unbekannteren Mittelalter-Bands. Woran liegt das deiner Meinung nach? Das hat mehrere einfache Gründe. Zum einen steht van Langen für das Wort independent und wir haben uns nie großartig um PR oder Werbung gekümmert. Wir haben immer das gemacht, was wir gerade wollten und dadurch fehlt natürlich die Schublade, in die man so einfach gesteckt werden kann. Unsere echte direkte Art wird aber immer mehr beachtet und das hat uns auch die treuesten Fans gebracht, die es überhaupt gibt. Wir bieten auch live ständig Neues und wer einmal auf einem Konzert war, kommt wieder. Martin Hookana
www.vanlangen.de 47
Ihre eigene Liga Reduziert auf das Wesentliche, zeigt sich schnell die Qualität einer Sache. Entfernt man also Verpackung, Design und Zusatzfunktionen, so lässt sich leichter erkennen, welchen Nutzen oder welche Erleichterung ein Produkt tatsächlich bietet. Übertragen auf die Musik, lässt sich dieser Zusammenhang durchaus analog feststellen. Wen wundert es da, dass manch zweitklassige Band in jeder Situation auf ihrem Outfit beharrt oder aber sich hinter enormer Studiotechnik verschanzt. Ihre Ausnahmestellung haben aktuell hingegen Faun erneut bestätigt. Ohne Elektronik und „nur“ mit einer Auswahl an ruhigen Liedern, bietet die PaganFolk-Band auf ihrem jüngsten Album „Buch der Balladen“ eine Sammlung wunderschöner und einfühlsamer musikalischer Perlen, in der man sich gerne verlieren kann. 48
Mit dem neuen Album habt ihr euch in punc- kunft der sehr alten Balladen beizulegen und das to Aufmachung wieder selbst übertroffen. Ist Gesamte dann ansprechend zu illustrieren. Auch diese Art, Alben zu war es uns ein Wunsch, „Beim ‚Buch der Balladen’ ging Unikaten werden zu den Hörern Noten und lassen, für euch der es, wie der Name schon sagt, nicht Gitarrenakkorde mitzurichtige Schritt gegen geben, auf dass sie die nur darum, eine akustische CD Raubkopien? Balladen selbst singen zu schaffen, sondern den Hörern Oliver s.Tyr: In erster können und am Leben die Balladen näher zu bringen Linie wollen wir ein halten. Ich denke immer, und verständlich zu machen. rundes Produkt schafdas größte Geschenk, fen. Beim „Buch der das einem als Musiker Von daher lag es nahe, die Texte Balladen“ ging es, wie widerfahren kann, ist, mit abzudrucken, teilweise der Name schon sagt, Erklärungen zur Herkunft der sehr dass die eigene CD den nicht nur darum, eine Hörern zu einem Wegakustische CD zu schaf- alten Balladen beizulegen und das begleiter wird, den sie Gesamte dann ansprechend zu fen, sondern den Hörern mit sich herumtragen, die Balladen näher zu den sie auf Reisen mitillustrieren.“ bringen und verständnehmen und auf den sie lich zu machen. Von daher lag es nahe, die Texte in guten, wie auch in schlechten Zeiten zurückmit abzudrucken, teilweise Erklärungen zur Her- greifen können. Von daher ist es viel schöner, ein
Bildsprache ist eines der Markenzeichen von Faun. Wie sehr prägt dieses Element eure Songs? Wir haben der Erklärung und Erläuterung der Texte schon immer sehr viel Beachtung geschenkt. Insbesondere, wenn wir alte Texte in fremden Sprachen verwenden. Dann diskutieren wir sehr lange darüber, was der Text bedeutet, wo er herkommt und in welchem Zusammenhang er steht. Ich finde es teils sehr schwach von manchen Bands, sich hinter lauen, oft auf Englisch vorgetragenen Texten zu verstecken, weil man sich gar nicht richtig mit den Inhalten auseinandersetzen möchte. Selbst deutsche Bands schreiben teils furchtbare englische Texte, weil sie denken, dass sich etwas auf Deutsch nicht so gut anhören würde oder weil sie nichts zu sagen haben. Wir möchten jedoch mit unseren Songs wirklich etwas ausdrücken.
kleines aber dennoch umfangreiches Hardcover Buch zu produzieren, wie ein 0815 Plastik/ Einheitsprodukt, welches sofort kaputt gehen würde, in einer Welt, in der es ohnehin schon viel zu viel Plastik gibt. Ein komplettes Album nur über Balladen zu verfassen, führt automatisch zu einem sehr ruhigen Album, das sich fernab von DJ-Sets und Tanzflächen behaupten muss. Wie groß habt ihr die Gefahr eingeschätzt, ein zu spezielles Album zu kreieren? Wie immer, wenn man etwas Neues wagt, weiß man nicht, ob es im Nachhinein ein Erfolg oder Misserfolg sein wird. Dennoch war es uns in erster Linie wichtig, etwas Rundes, in sich Geschlossenes zu schaffen, welches man zum Beispiel in der dunklen Jahreszeit auf der Couch genießen kann und sich ohne durch einen Remix mit lauten Beats gestört zu fühlen, ganz eintauchen kann, in die Welt der Sagen und Balladen. Deshalb haben wir die CD, abgesehen von den zwei Instrumentalstücken, auch komplett in deutscher Sprache gelassen. Eben eine CD, bei der es
darum geht, sich auf die Balladen einzulassen und tief in die Geschichten abzutauchen. Im Booklet ist die Rede von Bären Gässlin? Eine Formation, die komplett in Vergessenheit geraten ist. Für dich scheint sie aber wichtig zu sein. Ja, durchaus. Ich war so ca. in der achten Klasse und im Musikunterricht haben wir in relativ kurzer Zeit das Mittelalter behandelt. Da mir eines der vorgespielten Stücke sehr gut gefiel, fragte ich meinen Lehrer danach. So stieß ich auf eine CD der Bären Gässlins, auf der alte deutsche Balladen zu finden sind. Zu der Zeit hielt ich mich sehr viel draußen auf und war viel unterwegs. Um nun am Lagerfeuer oder bei ähnlichen Gelegenheiten etwas davon auf der Gitarre spielen zu können, habe ich mir ein paar Lieder davon beigebracht. Ich wurde daraufhin immer wieder gefragt, einzelne Titel zum Besten zu geben, beispielsweise den „Herrn Heinerich“ und so wurde ich selbst relativ früh zum Erzähler dieser alten Geschichten. Das war lange bevor ich auf irgendwelchen Mittelaltermärkten gewesen war. Zwei Lieder von der Balladen CD stammen nun tatsächlich von damals.
Märchen verwenden ebenfalls ihre ganz eigene Sprache. Sammlungen wie die der Gebrüder Grimm enthalten sehr viele Klischees und Vorurteile, die bis in die heutige Zeit unsere Sprache maßgeblich beeinflusst haben, man denke an den Begriff Hexe oder die Einstellung der Menschen zum Wolf. Wie bewertet ihr solche Märchen, oder sind eher andere Vertreter für euch die Vorzeigebeispiele der Gattung Märchen? Das Problem ist zum einen, dass viele Märchen durch die mündliche Weitergabe oder durch die Verschriftlichung und beispielsweise christliche Zensur stark verändert worden sind. Noch immer werden viele Märchen als Kindergeschichten abgetan und viele Momente dieser Märchen, die wir uns mit unserer heutigen Logik nicht erklären können, als Unfug betrachtet. Wenn man jedoch betrachtet, aus welchem Kulturkreis die Märchen kommen und zum Beispiel Märchen die einen keltischen Ursprung haben, mit keltischer Symbolik zu entschlüsseln versucht, wird man sich wundern, wie tiefgreifend und spirituell die Inhalte vieler Märchen sind. Ebenso haben wir versucht bezüglich der in unserem „Buch der Balladen“ verwendeten Balladen einen Blick in die Symbolik der dargestellten Texte zu gewähren, zum Beispiel zu hinterfragen, ob wirklich der Drache die Personifikation des Bösen ist, oder ob dies nur die christliche Interpretation eines in Wahrheit vorchristlichen Textes ist. Sven Bauer
www.faune.de VÖ „Buch der Balladen“: 20.11.09 49
Voller Energie In einem Zeitraum, der für viele Bands gerade mal eben so ausreicht, um ein oder maximal zwei Alben auf den Markt zu bringen, ganze sechs Longplayer fertigzustellen, dazu bedarf es wahrlich einer Menge kreativer Energie. Gelungen ist dieses Kunststück dem US-Amerikaner Anders Manga. Nach dem 2008er Release von „X’s And The Eyes” steht demzufolge mit „Infinite Gaze To The Sun” für die ersten Tage des Jahres 2010 eine Produktion zur Veröffentlichung bereit, die mit so einigen musikalischen Neuerungen in der Bandgeschichte aufwartet. Kraftvoll und düster präsentieren die Kompositionen die endgültige Abkehr vom Death Rock Sound früherer Tage und legen so den Grundstein, um auch in Europa in der Schwarzen Musiklandschaft ordentlich durchzustarten. Beheimatet in Charlotte, North Carolina, fallen die persönlichen Vorlieben des Songwriters, Sängers und Produzenten ausgesprochen vielfältig aus, sodass es nicht verwundert, dass seine eigenen Werke als Mischung von Gothic Rock, Industrial, Dream Pop, EBM und einer Portion 80er nicht immer leicht einzuordnen sind. Insbesondere auf „Infinite Gaze To The Sun“ hat sich der Mann nun allerdings dem Dark Wave verschrieben und so ein weiteres musikalisches Feld für sich entdeckt. Einen solchen Wandel beispielweise als Reaktion auf eine in der Vergangenheit erfahrene Kritik zu verstehen, wäre in Anders Fall gänzlich falsch interpretiert. „Ich sehe Kritik insgesamt recht entspannt, ebenso wenig wie jeder Elvis oder die Beatles mag, wird meine Musik jedem gefallen. Ich denke, meine Fanbase funktioniert sehr gut und die Leute freuen sich über meine Musik. Solange ich kreativ arbeiten kann, bin ich zufrieden. Feedback ist jedoch natürlich sehr wichtig für mich, auch wenn es manchmal für Außenstehende schwierig sein mag, meinen musikalischen Ideen überhaupt zu folgen, da meine Interessen so breit gefächert sind. Das reicht von Johny Cash über Specimen bis zu Industrial. Ich bin eine echte ‚Hure der Mu50
sik’ und höre Punk, Metal oder Country, je nach ne Rolle. Jeder Song auf dem neuen Album steht Stimmungslage. Dementsprechend besitzt meine für sich alleine und erzählt eine kleine Geschicheigene Musik Schattierungen all dieser Einflüsse. te, was ein klarer Unterschied zu den vorherigen Meine Musik ist nicht typisch Industrial und auch Alben ist, die weit weniger Story-orientiert ausfiekein Deathrock. Es ist mehr eine Mischung ver- len. Da die Texte sich jedoch mit surrealen Dingen schiedener Stile. Ich habe wirklich keine Ahnung, beschäftigen, kann jeder Hörer zu seiner eigenen wie man meine Sachen kategorisieren könnte.“ Erklärung kommen.“ Sicherlich kein schlechter Abgesehen von den musikalischen Einflüssen Weg, wenngleich Interpretationsunterschiede spielt – ganz szenetypisch – auch das Horrorfilm- bisweilen auch einmal zu Meinungsverschiedengenre, gerade was die Atmosphären der Songs heiten führen können. Ein gewisses Maß an Disangeht, eine große Rolle. „Das stimmt durchaus, kussion hat allerdings sicher noch keiner Band in Horror Movies schau ich mir schon gerne an. Au- ihrer Karriere geschadet. Als größtes Plus für Anßerdem habe ich im letzten Jahr ders Manga hat sich bislang „Ich denke, es spielt allein sechs Scores für Indepenallerdings dessen enorme dent-Horror-Movies geschrieben. Kreativität herausgestellt. Der nicht wirklich eine Man kann also schon sagen, dass Mann scheint seine Tage und Rolle, wie gut etwas dies eine Inspirationsquelle für Nächte wirklich nur mit dem produziert ist, sondern Schreiben neuer Songs zu vermich ist.“ Geht man dann nicht es kommt viel mehr nur zwölf Monate zurück, sondern bringen. „Was mich alles inein paar Jahre, so werden daraus darauf an, ob ein Song spiriert, ist schwer zu erklären, Beiträge für ganze zwölf Filme die Dinge fallen mir meistens etwas taugt.“ und sogar das Horror Netzwerk einfach so ein. Vieles schlum„FearNet.com“ sieht die Arbeit von Anders in die- mert auch eine Weile im Hintergrund, bevor ich sem Bereich als fabelhaft erfinderisch an. Damit eine Idee tatsächlich ganz ausarbeite. Am Anfang allerdings immer noch nicht genug, denn neben meiner musikalischen Laufbahn hörten sich die der musikalischen Untermalung für bestehende Sachen mehr nach Gothic/ Death-Rock an und filmische Werke, befasst sich der charismatische waren deutlich weniger elektronisch. Manche der Amerikaner auch gerne selbst mit der Arbeit vor Ideen von damals erarbeite ich jetzt neu, so entund hinter der Kamera. Mit viel Enthusiasmus steht aktuell eine ganze Reihe von Songs. Ich bin entstand so bereits eine Reihe von Videoclips zu nahezu immer am Songs schreiben, ich denke, das seinen bisherigen Werken, was in Zukunft noch ist vielleicht meine Art, meinen Stress in der Arbeit fortgesetzt werden soll. „Für dieses Album haben etc. abzubauen. Vielleicht bin ich diesbezüglich wir bislang ein Video gedreht, das dann im De- sogar ein wenig neurotisch. Da ich außerdem zember rauskommen soll. Ich hoffe, dass es noch nur wenige Konzerte spiele, bleibt mir diese ein paar mehr geben wird. Zu finden werden diese Zeit auch zum Schreiben.“ Trotz der großSachen dann auf alle Fälle auf unserem Youtube en Zahl an Songs, die so bereits entChannel sein. Videos zu drehen, ist im Moment standen, ist musikalisch Abwechslung noch mehr ein Hobby, das ich zusammen mit ein Trumpf, was sicher auch damit zu paar Freunden betreibe. Von den vergangenen Al- tun hat, vor welchem persönlichen ben gibt es allerdings schon so viele Videos, dass Hintergrund der Solo-Aktivist seiwir tatsächlich am Überlegen sind, ob wir nicht ne Ideen entwickelt. „Beim ersten eine DVD damit herausbringen sollen, vielleicht Album hatte ich noch überhaupt kombiniert mit ein paar Liveaufnahmen.“ keine Ahnung, was ich eigentlich tat. Ich kam aus dem Death Rock Doch jetzt genug von den visuellen Ausschwei- und entschloss mich dann aber, fungen, kommen wir zurück zum Kern der Sache, meine Tracks fortan mehr mit den Songs aus Anders’ Feder. Was die Texte be- dem Computer zu schreiben und trifft, kann man durchaus festhalten, dass sich mehr zum Produzenten zu werderen Inhalte nicht immer problemlos auf den den, als weiter in einer Garage zu ersten Blick erschließen lassen. „Ich würde mich jammen. Als dann positive Reaktiselbst als Fan des Surrealen bezeichnen. Meine onen auf meine Musik kamen, war ich Songs werden bestimmt durch surreale Themen wirklich überrascht, denn ich wusste doch oder Träume, die Realität spielt eine relativ klei- gar nicht so recht, was ich da tat. Anfangs hat-
te ich ja noch nicht mal ein Mikrofon und nutzte stattdessen meine Videokamera um meinen Gesang aufzunehmen. Trotz allem verkauft sich bis heute ausgerechnet dieses erste Album immer noch am besten. Ich denke, es spielt nicht wirklich eine Rolle, wie gut etwas produziert ist, sondern es kommt viel mehr darauf an, ob ein Song etwas taugt. Ich habe eigentlich nie das Gefühl, dass ein Song wirklich fertig ist, irgendwann muss man jedoch loslassen, ansonsten macht man sich selbst vollkommen verrückt. Vieles von dem, was mir musikalisch gefällt, wie beispielsweise die alten Sachen von Nick Cave, sind ebenfalls sehr rau und klingen amateurhaft. Nach und nach lerne ich jedoch dazu und mein Equipment wird auch immer besser. Eine echte musikalische Ausbildung habe ich allerdings nie durchlaufen. Angefangen habe ich mit dem Bass und dann kam die Gitarre dazu. Erst 2005 habe ich mich dann fürs Klavier interessiert. Seit dem versuche ich, meine Stücke so gut ich eben kann zu schreiben und bastle aus den einzelnen Teilen das bestmögliche Ergebnis.“ Und das sehr überzeugend. Die Grundlagen für den zukünftigen Erfolg sind also gelegt, obwohl Anders gar nicht so genau weiß, was ihn im Schwarzen Underground hier in Europa so alles erwarten wird. „So richtig kann ich die Szene hier noch nicht einschätzen, auch wenn sich übers Internet schon eine ganze Weile Leute aus Deutschland für meine Musik interessieren. Bislang fehlte mir in
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Europa aber eine echte Vertriebsmöglichkeit. Hoffentlich zieht unsere Promotion, dann werden wir weitersehen. Im Augenblick ist es noch ein echter Lernprozess für mich. Was hier allerdings schon einmal ganz anders ist, ist die Tatsache, dass es eine ganze Reihe großer Festivals gibt. Bei uns spielt sich die Gothicszene fast ausschließlich in den Clubs ab.“ Doch auch wenn die Szene hierzulande viele Festivals feiert, so ist doch der Einsatz auf den Tanzflächen der Republik von entscheidender Bedeutung für den Erfolg eines Songs oder eines ganzen Albums. Ein recht beliebter Weg, um sich dort Gehör zu „Ich sehe Kritik insgesamt recht verschaffen ist es, die entspannt, ebenso wenig wie jeder Remix-Maschinerie Elvis oder die Beatles mag, wird anzuwerfen. Anders steht dem noch etwas meine Musik jedem gefallen.“ distanziert gegenüber. „Wir sind zwar mit ein paar ande- Musik auch mehr als Elektronikren Bands befreundet, aber Remixe Rock und weniger als Industrial, das oder ähnliches fallen da weniger an. schließt allzu viele Bearbeitungen Bislang hatte ich aber auch nicht viel aus. Ein Song soll sich schließlich Zeit, um einen Remix für eine andere genau so anhören wie ich ihn geBand anzufertigen. Ich sehe meine schrieben habe, weshalb würde ich dann einen Remix wollen? Diese Musik erfährt ohnehin sehr wenig Aufmerksamkeit, warum sollte man mit vielen verschiedenen Versionen dies noch weiter splitten. Ich möchte, dass die Leute sich meine Arbeiten so anhören, wie ich sie gedacht habe und nicht anders. Was andere Formen der Zusammenarbeit angeht, muss ich sagen, dass ich musikalisch gesehen ein ziemlicher Einzelgänger bin.“ Na mal sehen, ob dies auch in Zukunft so bleibt. VÖ „Infinite Gaze To The Sun”: 08.01.2010
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Tristan Hoch
www.andersmanga.com
Hell(as)-Electro Nach ihrem scheinbar endlosen Aufenthalt in den DAC mit ihrem letzten Album „11:11“ im vergangenen Jahr, wird man wohl auch getrost „Distorted Life“ ein Dauergastspiel in den alternativen Charts prophezeien dürfen, denn der Protagonist des griechischen Terrorelectroprojektes George H. hat nach wie vor ein Händchen für den Sound zwischen Suicide Commando und Extize. Gespickt mit Remixen von Electroszene-Bands wie Leather Strip, Beati Mortui, Concrete/ Rage oder auch Kadaver Acht wird „Distorted Life“ die Lautsprecher dieser Tanztempelwelt zum Dröhnen bringen und besonders das „Hellectro Girl“ dürfte so mancher Hellelektronikerin die Schminke verlaufen lassen, denn diese EP ist von Anfang bis Ende eine schweißtreibende Uptempo Attacke und hat mit „Hellectro Girl“ eine Hymne auf die moderne Hellektrofrau auf Lager. „Distorted Life“ ist ja bestimmt nicht nur das Motto deiner Arbeitsweise. Was hat sich seit deinem letzten, sehr erfolgreichen Longplayer verändert? George H.: „11:11“ war natürlich ein großer Schritt für mich, denn neben der langen Arbeitszeit war ich natürlich sehr unsicher, ob das Album die europäische Szene ansprechen würde. „Distorted Life“ handelt von all den gemeinen Momenten des Lebens, den
Ängsten vor Krankheiten und dem Tod, aber auch meiner Lebensfreude an der Szene. So gibt es auch eine Menge neuer Soundelemente auf der EP zu entdecken. Was steckt eigentlich hinter dem „Hellektro Girl“? Ich liebe die ganze Cyberpunk-Ästhetik und gerade Mädels mit dem Cybergoth oder Hellektro-Outfit haben es mir angetan. Der Oldschoolgothlook ist so langweilig und ich liebe einfach die neue Farbigkeit in der Szene. Was kommt nach Hellektro? Hellektro ist eine Schublade, ganz so wie davor Futurepop. Ich liebe diesen neuen Terminus, denn er umschreibt perfekt das ganze neue Genre. Was in der Zukunft kommt, kann ich nicht sagen. Zumindest leben wir jetzt in höllischen Zeiten. Peter Istuk
www.inlinesexterror.com
VÖ „Distorted Life”: 14.01.2010
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Energiegeladen und ehrlich...close your eyes and enjoy! Neun Jahre, zwei Alben, eine EP und über 100 Konzerte, die Bilanz der Aalener Band Livid Halcyon liest sich bereits ohne die Veröffentlichung ihres jüngsten Longplayers „Winterlove“ durchaus beeindruckend. Angetan hat es dem Quartett aus Meli (Vocals), Nadine (Bass), Dominik (Gitarre) und Daniel (Drums) dabei von Beginn an kraftvoller Alternative Rock, den zu entdecken es wahrlich lohnt. Sich musikalisch allzu sehr festzulegen, das ist jedoch nicht unbedingt beabsichtigt und auch textlich zeigt man sich vielfältig, wie das folgende Interview belegt. Bitte schildert den musikalischen Hintergrund der Bandmitglieder. Welche Art der Ausbildung habt ihr und in welchen Bands wart ihr zuvor tätig? Meli: Jeder von uns hat einen etwas anderen musikalischen Hintergrund. Während Dominik, Dane und ich eigentlich schon ewig Musik machen, ist Nadine quasi unser musikalisches Küken. Nadine: Stimmt genau! Ich habe erst wegen Livid angefangen Bass zu spielen. Dane: Meli und ich waren an der Berufsfachschule für Musik in Dinkelsbühl bzw. dann noch auf der Musikhochschule in Freiburg. Dominik und Nadine hatten eine private Ausbildung an ihren Instrumenten. Meli: Wobei man sagen muss, dass ich nicht Gesang, sondern klassische Gitarre studiert habe. Dominik: Die Bands, in denen wir vorher gespielt haben, waren so die typischen Jugendsünden, die eh keiner kennt. Da wir Livid Halcyon schon relativ früh gegründet haben, sind wir damit gewachsen. In welcher Tradition von Bands seht ihr euch? In welche Schublade darf man euch hingegen keinesfalls stecken? Meli: Als wir damals begonnen haben Musik zu machen, haben wir uns mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, in Schubladen gesteckt zu werden. In der Zwischenzeit haben wir aber eingesehen, dass 54
Worum geht es in euren Stücken? Warum befasst ihr euch mit diesen Themen? Meli: Um die Angst, zu scheitern, die Verarbeitung von schmerzhaften und schönen Erlebnissen und natürlich auch um Liebe und Tod. Daniel: Wir befassen uns mit einem Thema, wenn es uns nicht mehr aus dem Kopf geht, uns regelrecht verfolgt und wir erst zur Ruhe kommen, wenn wir es in unseren Songs verarbeitet haben.
das immer passiert. Als ich noch mit einer Hose auf der Bühne stand, wurden wir mit den Guano Apes verglichen, kaum hatte ich ein Kleid an, kam der Ver- Wie verlief der Entstehungsprozess von „Wingleich mit Within Temptation. Das war terlove“? Wie lange habt ihr echt interessant, auch wenn beide nicht „Als ich noch mit daran gearbeitet? Gab es Wendepunkte? wirklich passen. Aber ich habe mit beieiner Hose auf den Vergleichen kein Problem. Obwohl der Bühne stand, Nadine: „Winterlove“ ist eigentlich es mir natürlich lieber wäre, mit Skunk in den letzten zwei Jahren entstanwurden wir mit Anansie oder Pat Benatar verglichen zu den, in denen wir die Songs nach den Guano Apes und nach geschrieben haben. Man werden. Daniel: Wir haben alle sehr unterschied- verglichen, kaum kann es als ein kontinuierliches Arliche Einflüsse und unsere Musik ist ein beiten bezeichnen. Im Herbst letzhatte ich ein ten Jahres haben wir dann mit der Ergebnis eben dieses Stilmixes. NatürKleid an, kam Vorproduktion begonnen. lich werden immer gern die großen der Vergleich Bands des Genres als Beispiel bzw. zum Peter Heymann mit Within www.livid-halcyon.de Vergleich herangezogen, was aber doch Temptation.“ VÖ „Winterlove“: Juli 2009 eigentlich gar nicht so schlecht ist.
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Fjoergyn Naturmystiker Mit der Klassifizierung so mancher Band tut man sich als Musikjournalist quälend schwer, um dann bei der nächsten verächtlich eine ausgetretene Schublade zu bemühen. Fjoergyn tun gut daran, weder Schubladen noch Klischees zu bedienen, denn ihre einzige Inspirationsquelle ist die Natur. Musikalisch formen Sie nach, was die Natur bzw. die Dualität Mensch – Natur vorgibt. Wer jetzt esoterischen Dead Can Dance Sound erwartet, ist wieder Opfer des eigenen Konformismus geworden. Fjoergyn verbinden Metall mit allem, was ihnen naheliegend erscheint, um ihrer Vision der Jahreszeiten möglichst nahe zu kommen. Die Natur und ihre Kreisläufe war in allen Epochen der Musik eine große Inspirationsquelle, z.B. bei Vivaldi, Sibelius und Wagner in der Klassik, aber auch bei vielen Künstlern wie Dead Can Dance, Faun etc. Selten jedoch in einer stärker dem Metal zugewandten Richtung. Woher speist sich eure Faszination abgrenzen. Der Zauber, der jedoch von der Natur für die Natur? ausgeht, wird übersehen. Sie erschafft Tag ein Tag Stephan: Ich möchte weniger von einer Faszination aus ein neues Kunstwerk, das in seiner Normalität der einzelnen Natur sprechen. Vielmehr zieht mich nicht aufzufallen vermag. Wir bilden nach. Wir verdas System dahinter in seinen Bann. Alles agiert zu- tonen, interpretieren oder zeichnen, was sie uns vorgibt. Somit kopieren wir und sammen. Nun betrachten wir den Menschen, seines Zeichens Krone halten es fest. Die Natur aber hat „Wir möchten es erschaffen. Vielleicht ist es ein der Schöpfung, und hinterfragen nicht an das seinen Stellenwert und Nutzen für Versuch, nichts als selbstverständdieses System. Die ihm gegenüber- Umweltbewusstsein lich zu begreifen. des Hörers gestellte Partei ist die Natur. Sie Als deutschsprachige Band stelassen sich nicht vergleichen, aber appellieren. hen die Texte bestimmt am Ananhand der anderen bewerten. Die Der Mensch Natur ist funktional und in sich so fang und im Mittelpunkt? sollte lediglich Sie stehen nicht zwangsläufig am vielseitig. Sie kennt keine Stagnaseine Position tion, keinen Neid, keine RacheAnfang. Oftmals komponieren wir überdenken.“ gefühle. Ebenso hat der Mensch einen Titel, dessen inhaltlicher Rahmen abgesteckt ist und daseine Natur. Traurig, dass sie so unterschiedlich sind. „Jahreszeiten“ soll nicht ein- hingehend die benötigten Affekte innehat. Der fach nur den Wandel aufzeigen. Das, was uns als eigentliche Text aber wird erst später hinzugefügt. höher gestellt erscheinen lässt, ist unser kulturelles Während der Arbeiten an diesem Album entstand Schaffen. Wir bauen, malen, erschaffen Kunst als alles parallel. Abbild unserer Wahrnehmung. Dieser Stellenwert lässt uns als kulturelles Geschöpf in Erscheinung Wie kam es zu „Weißt du, wieviel Sternlein treten und uns gleichsam von reinen Instinktwesen stehen?“ 56
In „Der Himmel fällt“ vertonen wir den Abschied der Sonne. Sie ist bekanntlich der hellste und bedeutendste Stern. Ich mag das Verarbeiten und Neuinterpretieren bekannter Themen. Besonders dieses Lied hatte es mir angetan. Ich kenne es, seit ich ein kleines Kind bin, und fand jene Moll-lastige Variante sehr stimmungsvoll. Dazu finde ich es um so schöner, dass mich gerade viele auf dieses Stück ansprechen, da ich bereits fürchtete, dass es auf dem Album untergehen könnte. Mensch und Natur erscheinen euch nicht mehr als Einheit. Ist es dafür zu spät? Ich glaube nicht, dass es wirklich zu spät ist, aber das Moment, indem man sich als Wesen des Ganzen und nicht als eines über jenem versteht, rückt immer weiter ins Abseits unserer Gesellschaft. Wir möchten nicht an das Umweltbewusstsein des Hörers appellieren. Der Mensch sollte lediglich seine Position überdenken. Über alle Entwicklung und Neuerung vergessen wir manchmal, wer wir sind. Gert Drexl
www.fjoergyn.de VÖ „Jahreszeiten“: 13.11.09
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Power-Electro mit Leidenschaft und Schmerz Die vier Jungs von To Avoid aus Berlin und Brandenburg warten aktuell, nach nicht weniger als dreieinhalb Jahren Pause, mit einer höchst explosiven EP auf. Der Name der Scheibe ist dabei als eine Art Selbsttherapie zu verstehen. Die Höhen und Tiefen der Band und jedes einzelnen Mitglieds wurden in die Songs gepackt und so verarbeitet. „Passion“ steht für die Lust am Weitermachen und „Pain“ für die Niederschläge der letzten Jahre. Wer auf wirklich persönlichen Electro steht, wird an dieser CD seine wahre Freude haben. Vielleicht ist es noch etwas früh dies zu fragen, aber wie seid ihr mit dem Ergebnis der EP zufrieden? Zusammenfassend kann man sagen, dass wir mit dem Gesamtergebnis sehr zufrieden sind. Wir haben wieder eine Platte geschaffen, die unseren eigenen hohen Anforderungen standhält und den typischen To Avoid Stil, sowie zugleich auch eine Weiterentwicklung im Sound widerspiegelt. Bleibt nur abzuwarten, inwiefern die Songs letztendlich auch den Leuten daheim oder im Club gefallen.
„Unser Bühnenoutfit würden wir weniger als militärischen Look und erst recht nicht als Darstellung einer etwaigen politischen Gesinnung bezeichnen.“
Was soll uns der Titel „Passion And Pain“ sagen? Die Namenswahl „Passion And Pain“ klingt anfänglich wohl ziemlich klischeehaft, wenn man sich in einer Szene bewegt, die mit Klischees nur so um sich wirft. Tatsächlich aber hat dieser Titel für uns persönlich einen sehr eigenen Stellenwert und Bezug. Wir verstehen den Song und die Idee dahinter eher als kleine Hymne, die unsere letzten Jahre bis zu dieser VÖ begleitete. So hatten wir beispielsweise nach der VÖ von „VITP“ damals einen ausgiebigen Rechtsstreit mit dem früheren Label, einen erheblichen Wasserschaden im Tonstudio, schwere gesundheitliche Probleme unseres Sängers (Lungen-OP) sowie den Ausstieg eines ehemaligen Bandmitgliedes, familiäre Trennungen usw., was uns alles sehr bewegte und in der Produktion auch beeinträchtigte. 58
Stellt doch mal die Band vor und beschreibt eure Musik. Bis zur VÖ unseres ersten Albums hatten grandT und m.a.r.c schon ein paar Demotapes fertiggestellt, aber noch nichts offiziell veröffentlicht. Der Kern der Band existiert bereits seit 1998. Im Jahre 2003 kreuzten sich dann die Wege von cheffe und den beiden hinsichtlich eines Konzertes. Die Sympathie stimmte sofort und man beschloss, gemeinsam die Musik von To Avoid einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Sehr auffällig ist euer militärischer Look. Ist das Provokation oder nur eine Rolle? Habt ihr keine Angst in eine politische Ecke gedrängt zu werden? Unser Bühnenoutfit würden wir weniger als militärischen Look und erst recht nicht als Darstellung einer etwaigen politischen Gesinnung bezeichnen.
Vielmehr mögen wir einfach den klassischen Stil. Es ist schlicht ein Bühnenoutfit, das uns gefällt und durch das einheitliche Erscheinungsbild zudem den Zusammenhalt der Band wiedergibt. To Avoid ist eben nun mal eine Einheit aus vier Mitgliedern. Politisch sind wir demzufolge auch total unbefleckt. Die EBM/Electroszene ist meines Erachtens die wohl sympathischste Szene, bei der Landesgrenzen oder kulturelle Unterschiede keine Rolle spielen. Wer uns kennenlernt, wird auch merken, dass wir politisch gesehen keine Vorurteile gegen andere Kulturen hegen oder ähnliches. Die zweite Hälfte der Scheibe ist Remixen gewidmet. Wie kamen die Kontakte zustande? Die Scheibe ist als EP eine Mischung aus eigenen Tracks und Mixen, die einen Vorgeschmack auf den neuen Longplayer geben sollen. Gleichzeitig sind unsere EPs stets etwas clubtauglicher ausgelegt, während unseren Alben prinzipiell ohne Remixe daherkommen. Grundidee war es jedoch, Bands anzusprechen, deren Musik wir selber gerne hören. So auch eben Jörg von Cephalgy, welcher ebenfalls ein guter alter Freund von uns ist und den wir mittlerweile seit 2005 kennen. Der Second Disease Song war ein Wunsch von cheffe, der schon immer mal einen Track von seinen alten Helden haben wollte. Danke nochmals an die Jungs, die uns zugearbeitet hatten. Heiko Nolting
www.myspace.com/toavoid VÖ “Passion and Pain”: 14.12.09
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dezember 09 / Januar 10 Ausgabe 23 - Jahrgang 4
Anders Manga Mono Inc. Faun Faith and the Muse Liquid Divine Erben der Schรถpfung Heimataerde Grendel Battle Scream Van Langen Dark Blue World
Inkl.
Battle Scream
Liquid Divine
G M ra it t n is eh z m um en
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Grat
Heimatร rde