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Komplizen der Bewegungskunst
Komplizen Bewegungskunst
© Eva Berten
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Von Sema Kouschkerian
Tabula Rasa – schöner kann man die Sehnsucht nach einem Neuanfang nicht auf den Punkt bringen. Vor mehr als einem Jahr trafen sich Hip-Hop-Tänzer mit Artisten des Neuen Zirkus und beschlossen, in einer gemeinsamen Bühnenshow das Leben zu feiern. Zur Seite stand ihnen der Düsseldorfer Choreograf Takao Baba, mit dem sie ein Stück entwarfen, das alles zugleich sein sollte: poetisch und rau, vor allem aber zum Bersten voll mit Energie. Sie gaben ihm den Namen „Tabula Rasa“ und kreierten eine Vielzahl faszinierender Begegnungen. So schwelgt athletischer Breakdance in zarten Soundwolken, Luftakrobaten fl irten mit Hip-Hoppern, anmutiges Cello-Spiel fusioniert mit elektronischen Beats. In „Tabula Rasa“ verbünden sich Urban-Art-Tänzer und Artisten zu Komplizen der Bewegungskunst. Eine Melange dieser Strahlkraft gibt es auf europäischen Bühnen nur sehr selten zu sehen.
Wer und was „Tabula Rasa“ zu einem außergewöhnlichen Erlebnis macht, erklärt Takao Baba im Interview. Baba ist Tänzer und Choreograf, er hat mit den Spice Girls gearbeitet und internationale urbane Festivals ins Leben gerufen. Seit einigen Jahren konzentriert er sich bei seiner Arbeit auf das Tanztheater. Am Düsseldorfer Schauspielhaus hat er bei Produktionen wie Robert Wilsons „Dschungelbuch“ mitgewirkt, für die aktuelle Inszenierung „Das Rheingold. Eine andere Geschichte“ ist er als verantwortlicher Choreograf tätig.
Herr Baba, welche Talente haben die Künstlerinnen und Künstler, die in „Tabula Rasa“ auf der Bühne stehen?
Takao Baba: Jede und jeder hat ein besonderes Talent. Wir konnten auf der einen Seite Tänzer gewinnen, die sich im Hip-Hop auskennen, im zeitgenössischen Tanz oder im Krumping und die in der Lage sind, diese urbanen Stile miteinander verknüpfen. Ihre Partner wiederum sind Akrobaten, die unglaubliche Dinge mit ihrem Körper anstellen. Manche verbinden Tanz mit einem Diabolo Artistik, andere kommen als Luftwesen daher und entwerfen an der fl iegenden Stange Flying Pole eine neue Bewegungssprache.
Krumping ist eine dynamische und sehr junge Disziplin, was verbirgt sich dahinter?
Takao Baba: Anfang der 1990er Jahre ist Tommy the Clown, ein ehemaliger Straftäter, in den Armenvierteln von Los Angeles als eine Art Hip-Hop-Clown auf Kindergeburtstagen aufgetreten. In den Vierteln, wo viel Gangaktivität herrschte, wollte er die Jugendlichen weg von der Kriminalität holen. So entstand der Tanz „Clowning“. Seine expressive Art zu tanzen hat vor allem schwarze Jugendliche fasziniert, die spürten, dass sie auf diesem Weg Spannungen loswerden konnten. Immer mehr Tanzcrews bildeten sich daraufhin um Tommy the Clown. Mit der Zeit entwickelten Tight Eyez und Lil´C, ehemalige Mitglieder der Clowning Tanzgruppe, den heute als „Krumping“ bekannten Tanzstil. Mit der Zeit wurde Krumping technisch weiterentwickelt und etablierte sich. Der Begriff steht für „Kingdom Radically Uplifted Mighty Praise“, was im weitesten Sinne eine Preisung Gottes meint.
Welche Rolle spielt die Musik?
Takao Baba: Die Musik dient als ein wichtiger Botenstoff . Das Publikum darf sich auf sehr besondere Live-Darbietungen freuen. Wir haben zum Beispiel mit Lih Qun Wong aus Berlin eine klassisch ausgebildete Cellistin unter unseren Künstlern. Sie bedient während ihres Cellospiels eine Loop-Station mit den Füßen und komponiert elektronische Beats, die sie in ihr Instrumentenspiel einbindet. Das ist faszinierend. Vibraphonistin Carlotta Ribbe erschaff t mit dem Marimbaphon eine besondere Atmosphäre und der musikalische Leiter Sebastian Maier bringt unterschiedliche Musikstile zusammen, die dem Stück einen ganz eigenen Charakter gibt.
Viele Urban-Art-Tänzer, etwa Breakdancer, verfügen bereits über ein großes artistisches Können. Ein doppelter Salto am Trapez ist jedoch eine andere Sache. Wie bringen Sie die Disziplinen zusammen?
Takao Baba: Die Artisten und die Urban-Art-Tänzer kennen sich bereits aus anderen Kontexten, das erleichtert die Zusammenarbeit. Aber natürlich weiß ein Hip-Hopper nicht, wie es gelingt, Artisten in die Luft zu schleudern und heil wieder aufzufangen. Diese Techniken mussten unsere Leute lernen. Die Artisten wiederum mussten unsere Choreografi e in ihrer Performance aufnehmen. So läuft das eben, es ist ein wunderbares Geben und Nehmen im Dienst der Kunst.