Creative Industries Convention 2011
CIS.doc # 04
Open Design CONTRIBUTORS
–
Armin Medosch Cory Doctorow Manfred Faßler Lev Manovich Paul Atkinson Gerin Trautenberger Hannes Walter
–
Yochai Benkler Georg Russegger Ronen Kadushin White Elephant Garmz Patick Dax Evan Jones
–
Markus Beckedahl Andrea Goetzke Bre Pettis Mark Frauenfelder Ponoko Wienett Peter Troxler
9
7 8 3 9 0 2
7 4 8 0 3 4
Kiss#2: Collage aus 340 Bildern unter CC-by Lizenz (siehe Seite 21) K端nstler: Evan Jones
Creative Industries Convention 2011
Inhalt
Inhalt / Theorie Seite 16
Lev Manovich Wer ist der Autor? Seite 18, 20 Seite 06
Vorwort Christian Buchmann
Paul Atkinson Der Geist der Profession Seite 22
Seite 08– 09
Open Design im Einsatz Einführung zu Open Design
Gerin Trautenberger Angewante Creative Commons Seite 24
Seite 10
Hannes Walter Designer und ein bisschen mehr
Armin Medosch Was ist Open Design?
Seite 26
Seite 12
Cory Doctorow Love the Machine, hate the Factory
Yochai Benkler Innovation kommt aus allen Richtungen Seite 28, 30
Seite 14, 32, 34, 36
Manfred Faßler Wo ist offen?
Georg Russegger Aleatorische Entwurfsmodelle
– Impressum:
– Konzept der Publikation:
–
Herausgeber: Creative Industries Styria GmbH Geschäftsführer: Eberhard Schrempf Marienplatz 1, 8020 Graz, Austria T: +43 316 890 598, E: office@cis.at www.cis.at Graz, Februar 2011
Gerin Trautenberger & Patrick Dax, Microgiants GmbH Andreas Hirsch, andreas-hirsch.net Projektmanagement: Barbara Tscherne Übersetzung: Otmar Lichtenwörther Lektorat: Stefan Schwar Grafik-Design: moodley brand identity Druck: Medienfabrik Graz
Namensnennung- Keine kommerzielle Nutzung-Weitergabe
ISBN Nummer: 978-3-902748-03-4 Vertrieb: Verlag Neue Arbeit, 1070 Wien
Diese Publikation ist unter einem Creative Commons unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich Lizenzvertrag lizenziert. Um die Lizenz anzusehen, gehen Sie bitte zu http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/at/
Seite 5
Creative Industries Convention 2011
Inhalt
Inhalt / Praxis Seite 07
Vorwort Eberhard Schrempf Seite 11
Ronen Kadushin Produziert in einer vernetzten Kultur Seite 13
Open Design Now Why Design cannot remain exclusive Seite 15
White Elephant Balloon Light Seite 17
Garmz Crowdsourcing Seite 19
Fluid Forms Intelligente Formensprache durch Creative Coding und Open Source Software Seite 21
Evan Jones Wie die Bilder entstehen
IHRE IDEEN WERDEN GRÜN.
Seite 23, 25, 27
Markus Beckedahl / Andrea Goetzke Creative Commons in Open Design Seite 29
Bre Pettis Die Zukunft der Heimarbeit Seite 31
Mark Frauenfelder Do-it-yourself-Innovation Seite 33
Ponoko Die Fabrik der Zukunft Seite 35
Wienett Handwerk 3.0 Seite 37
Peter Troxler Die Ausbreitung der Fab Labs
Ökologisch nachhaltiger Druck bei der Medienfabrik Graz: • Verwendung von FSC und PEFC zertifizierten Papieren • Klimaneutrale Produktion durch CO2-Kompensation Unserer Umwelt zuliebe!
Medienfabrik Graz Dreihackengasse 20, 8020 Graz Telefon: +43 (0) 316 8095-0 www.mfg.at
Seite 6
Creative Industries Convention 2011
Vorwort
Christian Buchmann LANDESRAT FÜR WIRTSCHAFT, EUROPA UND KULTUR
Open Design zählt zu den wohl radikalsten neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Kreativwirtschaft. Diese „radical innovation“ ist ein wichtiger Impulsgeber für Wirtschaft und Gesellschaft und ermöglicht eine Weiterentwicklung von traditionellen Betrieben und Wirtschaftszweigen. So sind nicht nur moderne und kommunikationsfreudige Unternehmer Nutznießer dieser
schöpfung, Wachstum und Beschäftigung in der
Innovation, sondern langfristig profitieren auch traditi-
Steiermark generiert werden. In der neuen Wirt-
onelle Wirtschaft und Unternehmen von den veränder-
schaftstrategie „Steiermark 2020“ nimmt die Kre-
ten Rahmenbedingungen.
ativwirtschaft
als
Querschnittsmaterie
einen
besonderen Stellenwert ein. Ziel ist es, durch die UmDie Kreativwirtschaft gilt als Vorreiter im Einsatz
setzung kreativer Ideen neue Arbeitsplätze zu schaffen.
technologischer Innovationen und ist Wegbereiter für einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel. Die-
Die Initiative der Creative Industries Styria zu Open
ser Wandel erstreckt sich über alle Lebensbereiche und
Design ist daher eine gute Ergänzung der strategischen
bleibt keineswegs auf die Kreativbranche beschränkt.
Leitlinien der steirischen Landesregierung. Open De-
Der Paradigmenwechsel, der durch die Digitalisierung
sign ist ein neuer Impuls für alle, die an einer zukunfts-
und digitale Kommunikation beschleunigt wird, ist
orientierten steirischen Wirtschaft interessiert sind,
nicht mehr länger ein Science-Fiction-Märchen, son-
und ermöglicht so eine stärkere Verzahnung von Inno-
dern findet bereits statt. Heute stehen wir noch am An-
vation, Design und Wirtschaft.
fang dieser grundlegenden Veränderungen und können daher die Richtung, in die diese Entwicklungen gehen
Open Design verspricht vieles, und es gilt, diese Ver-
sollen, bestimmen. Wie zu Zeiten der Erfindung des
sprechungen zu überprüfen. Das Ziel ist, Open Design
Buchdrucks konnten selbst die mutigsten Vordenker
auf sein mögliches Zukunftspotenzial zu untersuchen
nicht die Entwicklung von Telefon, Internet und Social
und hinsichtlich potenzieller Einsatzmöglichkeiten für
Networks voraussehen.
Designer, aber auch Unternehmer und Konsumenten abzuklopfen. Daher ist es auch für das Land Steiermark
Mehr Wachstum durch Innovation steht im Mittelpunkt
der
neuen
Wirtschaftsstrategie
„Steier-
mark 2020“. Nur durch Innovation können Wert-
von großem Interesse, diese neuen Entwicklungen zu verfolgen und mögliche Impulse für neue Innovationen zu geben.
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Creative Industries Convention 2011
Vorwort
Eberhard Schrempf GESCHÄFTSFÜHRER DER CREATIVE INDUSTRIES STYRIA GMBH
Nichts hat die Rolle des Gestalters so radikal verän-
rische Kreativwirtschaft das Potenzial, den Gestal-
dert wie die Digitalisierung der technologischen und
terinnen und Gestaltern neue Perspektiven und neue
kommunikativen Schnittstellen. Vor nicht einmal 20
Marktchancen am Wirtschaftsstandort Steiermark und
Jahren war der Gestalter nur für die Formgebung ei-
über die Grenzen der Steiermark hinaus zu eröffnen. Im
nes Produktes oder für Grafik/Illustration eines ganzen
Gegensatz dazu können lokale Produzenten von Open
Magazins verantwortlich. Der übrige Prozess von der
Design durch ein breiteres Produktangebot, das lokal
Idee bis zum Vertrieb blieb anderen Spezialisten vorbe-
produziert werden kann, profitieren.
halten. Die neue Rolle des Designers ist aber nicht mehr nur auf einen Arbeitsschritt beschränkt, sondern reicht
Seit der Gründung im Jahr 2007 beschäftigt sich die
von der strategischen Produktentscheidung über den
Creative Industries Styria mit allen neuen Formen von
Gestaltungsprozess bis hin zur Produkt- oder Kunden-
Design und der Zusammenarbeit von Gestaltern. Nicht
kommunikation.
nur die Kollaboration unter Kreativen ist von Interesse, sondern auch die Zusammenarbeit der Creative Indus-
Open Design und Open Source sind vergleichsweise
tries mit der traditionellen Wirtschaft. Dabei fungiert
junge Konzepte der Kreation und Produktion. Die Frage
die Creative Industries Styria als Impulsgeberin und
ist: Was können Produkt-, Kommunikations- und Ser-
macht Zukunftsthemen einer breiten Öffentlichkeit zu-
vicedesign sowie Mode und Architektur von der Open-
gänglich.
Source-Bewegung lernen? Creative Commons, Linux oder kollaborative Werkzeuge des Web 2.0 zeigen, wie
Konsequent beschäftigt sich die Creative Industries
gemeinschaftliches Arbeiten und Leben funktionieren
Styria mit Themen wie Creative Commons, Open Sour-
können. Dabei entstehen innovative Arbeits- und Pro-
ce und offener Kultur sowie der veränderten Rolle des
duktionsformen, die auf einem Austausch auf Augenhö-
Gestalters in einem digitalisierten Wertschöpfungspro-
he beruhen. Die klassischen Grenzen zwischen Produkt,
zess. Die Convention 2010 zum Thema „Designing the
Kunde und Produktion verschwinden. Das Internet er-
Creative Societies of the Future“ mit dem kontrover-
möglicht nicht nur die Verteilung von digitalen Werken,
sen Theoretiker, Autor und Blogger Cory Doctorow als
sondern auch von Bauplänen und Schnittmustern für
Keynote-Speaker hat Themenfelder eröffnet, an die wir
handfeste Produkte.
2011 mit der Convention und dem vorliegenden CIS.doc zum Thema „Open Design“ anknüpfen. In der Conven-
So ist Open Design eine aktuelle Entwicklung der
tion 2011 untersuchen wir, ob Open Design mehr ist als
Kreativwirtschaft, die offenes Zusammenarbeiten un-
eine Theorie – nämlich eine neue Arbeitsmethode oder
ter Kreativen und den Austausch von Ideen fördern
sogar ein innovatives Geschäftsmodell.
möchte. Darüber hinaus hat Open Design für die stei-
Open Design Creative Commons, Linux oder kollaborative Werkzeuge des Web 2.0 haben den Weg für ein gemeinschaftliches Arbeiten und Leben gezeigt. Standardisierte Schnittstellen, der einfache Austausch von Files und Kommunikation auf gleicher Augenhöhe von allen Beteiligten ermöglichen neue Arbeits- und Produktionsformen unter Kreativen. Heute werden über das Internet
nicht mehr nur digitale Werke verteilt, sondern auch Baupläne, Schnittmuster und Pläne für handfeste Produkte. Creative Industries Styria untersucht im vorliegenden Heft und in der Convention 2011, ob Open Design nicht nur Theorie, sondern auch eine neue Arbeitsmethode oder sogar ein neues Businessmodell sein kann.
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Creative Industries Convention 2011
Open Design im Einsatz
Einführung
Ästhetiken entwickelt. Auch konnten wir Cory Doctorow gewinnen, uns seinen Essay „Warum ich die Maschinen liebe und die Fabrik hasse“ auf Deutsch zur Verfügung zu stellen.
“
Das Jahr 2010 und vor allem die Creative Convention im Februar standen für die CIS unter dem Motto „Designing the Creative Societies of the Future“. Das vorliegende Heft der CIS.doc-Reihe kann als Weiterführung des Themas Open Source und Creative Commons (CC) gesehen werden. Neben der aktuellen Theorie zu Open Design werden auch konkrete Beispiele und Projekte vorgestellt, die Open Source einsetzen und das offene, gemeinschaftliche Arbeiten unter Kreativen beschreiben. Das vorliegende Heft teilt sich in zwei grundlegende inhaltliche Stränge. Auf der einen Seite werden Bei-
WAS KÖNNEN PRODUKT-, KOMMUNIKATIONS- UND SERVICEDESIGN SOWIE AUCH MODE UND ARCHITEKTUR VON DER OPENSOURCE-BEWEGUNG LERNEN?
”
spiele, Anwendungen, Werkzeuge und Modelle vorgestellt, und auf der anderen Seite werden theoretische Ansätze und Informationen zu Open Design präsentiert.
Gerin Trautenberger
Diese neue Gestaltung des CIS.doc-Heftes versucht auch der zusätzlichen Präsentationsform von iPad und Netz gerecht zu werden. Neben einem theoretischen Teil
Die dritte Gruppe mit Beiträgen von Frauenfelder,
bietet der Reader auch einen Überblick über die aktuel-
Kadushin, White Elephant und Berichten über Wie-
le Diskussion zum Thema Open Design. Zusätzlich zum
nett, Garmz für Mode, Crowdsourcing als Business-
theoretischen Exkurs enthält das vorliegende Heft auch
modell, Ponoko und Bre Pettis von MakerBot und der
einen Praxisteil, einen Querschnitt der aktuellen Strö-
Grafik von Evan beschäftigt sich mit Projekten, den
mungen und Projekte, die die Methode des Open Design
Werkzeugen und Methoden, die bei Open Design ein-
in ihrer täglichen Arbeit nutzen.
gesetzt werden, und stellt ausgesuchte Good-PracticeBeispiele vor. Diese Beispiele zeigen die Bandbreite von
Das Heft zu Open Design besteht aus vier themati-
konkreten Anwendungsbeispielen bis hin zu Business
schen Gruppen. Der erste Gruppe von Artikeln (Ma-
Cases und den verschiedenen Aspekten von Open De-
novich, Faßler, Walter, Russeger, Benkler) versucht die
sign. Der vierte Teil der Beiträge zeigt zwei Beispiele
veränderten Prozesse und den damit verbundenen Pa-
wie Open Design in der Arbeit als Designer eingesetzt
radigmenwechsel in der Autorschaft zu erläutern. Das
werden kann. Der Hackchair von Ronen Kadushin und
Zusammenarbeiten im Netz erfordert neue Fähigkeiten
die Ballonleuchte von White-Elephant, stehen unter der
aller Beteiligten und hat eindeutige rechtliche Auswir-
Creative Commons CC-By-SA Lizenz und können frei
kungen im Hinblick auf Urheberschaft, Nutzungsrecht
nachgebaut werden
und Weitergabe von Werken. Open-Source-Software und Creative Commons sind Versuche, die Kommu-
Dieses Heft versteht sich als Beschreibung und Aus-
nikation unter Kreativen zu vereinfachen und auf die
gangspunkt einer neuen Entwicklung, die heute noch in
heutigen Bedürfnisse durch technologische und sozio-
den Kinderschuhen steckt. Die beschriebenen Beispiele,
kulturelle Veränderungen zu reagieren. Diese viel-
Theorien und Projekte müssen erst aktuell verhandelt
schichtigen Aspekte werden in der zweiten Gruppe von
werden und stellen keinen Anspruch auf Vollständig-
Artikeln untersucht. Dort werden Ideen und der Ein-
keit oder endgültige Festlegung. Aus diesen Gründen
satz von Open Design bei der Arbeit mit Beiträgen von
war die Auswahl von Autoren, Beispielen und Projekten
Medosch, Troxler, Trautenberger, Fluid Forms, Becke-
auch integrierend und nicht auf Exklusion bedacht.
dahl/Goetzke und die damit neu entstandenen ästhetischen Ausdrucksformen von Gestaltern beschrieben. ge und Methoden, sondern haben durch die Wahl von
Gerin Trautenberger
Werkzeug und Material klare und wiedererkennbare
MICROGIANTS
Open Design und Open Source sind nicht nur Werkzeu-
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Creative Industries Convention 2011
Armin Medosch
BIOGRAFIE Armin Medosch ist als freischaffender Autor, Medienkünstler und Theoretiker an zahlreichen Netzprojekten beteiligt. Seit 2007 arbeitet er an thenextlayer, einer kollaborativen Research-Plattform zu den Themen Kunst, Politik, Offenheit und Open-Source-Software.
RELATED LINKS thenextlayer.org/blog/2
Armin Medosch WA S IST OPEN DE SIGN ?
“
wurden an der Hochschule für Gestaltung in Ulm solche Ansätze für eine neue Entwurfskultur entwickelt. Anfangs folgte das Ulmer Design-Institut noch den Bauhaus-Ideen von der guten Form, welche die Funktion eines Ge-
DESIGN IST EIN PROZESS MIT OFFENEM AUSGANG
Dieser Begriff hat noch keine fixe Be-
genstands zum Ausdruck bringt. Ab
deutung. Open Design ist ein Enwturf,
1957 verfolgte ein neues Team unter
ein Vorschlag. Analog zu den Metho-
der Leitung des Argentiniers Tomás
den der Open-Source-Software könnte
Maldonado eine modernere und radi-
das bedeuten: Gebt Einblick in Bau-
kalere Programmatik. Wie Maldonados
pläne und Konstruktionsprinzipien,
Kollege Gui Bonsiepe in einem vor we-
damit eine neue, kollaborative Ent-
nigen Jahren erschienenen Buch ana-
wurfskultur entstehen kann. Darüber
lysiert, sollte die gestalterische Kreati-
hinaus bedeutet Open Source auch,
vität die bestehende Produktwelt nicht
produzierten Dinge am Ende wieder
die Schranke zwischen Konsumen-
einfach unkritisch akzeptieren, son-
los, ohne dass sie die Umwelt belas-
ten und Produzenten abzubauen. Was
dern den größeren Zusammenhängen
ten? Sicherlich wäre es eine Überfor-
Open-Source-ProgrammiererInnen
Beachtung schenken. Gefordert war
derung, den DesignerInnen allein die
motiviert, ist, dass sie die gemeinsam
die „soziale Imagination“. Industriell
Verantwortung für alle diese Bereiche
geschaffenen Programme auch selbst
hergestellte Objekte sind ein Produkt
anzuhängen. Maldonado und Bonsiepe
benutzen. So wird aus dem Produkt
sozialer Beziehungen und schaffen
sahen diese als TeamworkerInnen, die
„Software“ ein Prozess, an dem sich
selbst wieder neue soziale Beziehun-
Prozesse moderieren. Ihre Maxime
viele beteiligen – die Programmierer-
gen. Design kann, anstatt vorgegebene
lautete, sich nicht mit dem Gegebenen
Innen, aber auch TesterInnen, Ver-
Produkte bloß äußerlich zu modifizie-
abzufinden, sondern „Unruhe zu stif-
fasserInnen von Fehlerberichten und
ren, einen gesellschaftlichen Entwurf
ten“. In diesem Sinn ist Open Design
Handbüchern, kurz: die ganze leben-
beinhalten. Open Design, so definiert,
ein Auftrag zur Veränderung der Welt.
dige Community. Open Design könn-
fragt nach den Zusammenhängen, in
Die HfG Ulm scheiterte damals an der
te in Anlehnung daran bedeuten, sich
die ein Produkt eingebettet ist. Wel-
Engstirnigkeit der staatlichen Förder-
vom Gedanken des Produkts als einer
che Rohstoffe sind nötig? Welche Ar-
geber. Heute sind die technologischen
fertigen, abgeschlossenen Sache zu lö-
beitsvorgänge mit welchen Maschinen,
und soziologischen Rahmenbedingun-
sen und Design als einen Prozess mit
welche Hierarchien und Befehlsketten?
gen wesentlich günstiger für die Ver-
offenem Ausgang zu sehen. Schon vor
Wie geht es den Menschen, die daran
wirklichung einer solchen Program-
40-50 Jahren, zwischen 1955 und 1968
beteiligt sind? Und wie wird man die
matik.
” Armin Medosch
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Creative Industries Convention 2011
Ronen Kadushin PRODUZI ERT I N EI N ER V ER N ETZT EN K U LT U R
In unserer heutigen marktorientierten Kultur gehen DesignerInnen bei der Verwirklichung ihrer Kreativität Herstellern gegenüber
Fotos: Ronen Kasushin, Vague chair
BIOGRAFIE Ronen Kadushin ist ein seit 2005 in Berlin lebender israelischer Designer und Designlehrer. Er entwickelte die Open-Design-Methode, nach der das Design seiner Produkte ganz wie bei der Open-Source-Software downgeloadet, kopiert, modifiziert und produziert werden darf.
Verpflichtungen ein. Die Hersteller, mit ihrer Macht, alle Aspekte eines Produkts zu kontrollieren, sind die Torwächter der designerischen Kreativität, die entscheiden, welche Produkte auf welche Art und Weise dem Konsumenten letztendlich angeboten werden. Diese
gewesene Flut an frei verfügbaren kreativen Inhalten. Die Bran-
Situation nimmt schon in den Industrial-Design-Ausbildungssyste-
chen, die diese Bereiche einst beherrscht haben und sich an diese
men ihren Ausgang, in denen die DesignerInnen dazu angehalten
Realität noch nicht angepasst haben, sind mittlerweile im Begriff,
werden, sich in ein industrielles Produktionsszenario zu integrieren
rasch überflüssig zu werden.
und zu akzeptieren, dass die Hersteller das Recht haben, Design ihren eigenen Regeln zu unterwerfen und ihre eigenen Werte und Zie-
Lassen wir uns ein auf die Open-Source-Methode, die die Software-
le zu propagieren. Frische Ansätze und radikale Ansichten werden
industrie revolutioniert hat, eine realisierbare Wirtschaft geschaf-
ins Abseits gedrängt, da sie mit den Dogmen der Heiligen Kirche
fen hat und eine blühende gesellschaftliche Bewegung entstehen
des Industrial Design nicht konform gehen.
ließ, die sich durch Gemeinschaftsgeist und höchste Kreativität und Inklusivität auszeichnet.
Doch andere kreative Bereiche, deren Produkte mit den Wirklichkeiten des Internets und der Informationstechnologie koordiniert
Aufgrund des die althergebrachten Strukturen sprengenden Wesens
einhergingen (Bereiche wie Musik, Kommunikationsdesign, Ani-
des Internets und des einfachen Zugangs zu CNC-Maschinen ste-
mation, Fotografie und Text usw.), erleben zurzeit eine noch nie da
hen wir vor einer Revolution in den Bereichen Produktentwicklung, -herstellung und -vertrieb. Open Design ist ein Lösungsvorschlag, durch den sie sich verwirklichen lässt. Es zielt auf grundlegende Veränderungen im Industrial Design ab, damit es in einer global vernetzten Informationsgesellschaft an Relevanz gewinnt. Design und Produktion anhand dieser Methode hat nicht nur eine Auswirkung auf die Eigenschaften des Produkts selbst sondern auch auf seine Modifizierungsmöglichkeiten und potenzielle Umwandlung in andere Produkte. Sie legt ein neues Modell eines unvoreingenommenen Marktes nahe, an dem alle teilnehmen können. Und sie ermächtigt DesignerInnen, ihrem kreativen Ausdruck frei nachzugehen, ihn in Form seriell gefertigter Industrieprodukte zu realisieren und weltweit zu vertreiben.
RELATED LINKS ronen-kadushin.com
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Creative Industries Convention 2011
Cory Doctorow
BIOGRAFIE Cory Doctorow ist ein kanadischer Blogger, Journalist und Science-Fiction-Autor und als Mitherausgeber des Blogs Boing Boing tätig. Er ist ein Aktivist für eine Liberalisierung des Urheberrechts und ein Verfechter der Creative CommonsOrganisation.
Foto: Joi Ito, Creative Commons Attribution 3.0
Cory Doctorow
RELATED LINKS craphound.com de.wikipedia.org/wiki/Steampunk steampunkmagazine.com
LOVE THE MACHINE, HATE THE FACTORY
Wir haben schon eine Menge darüber ge-
fahren dingfest zu machen. Praktisch jede
guten Tagen konnten sie Tempo machen,
hört, wie erschreckend die industrielle Re-
Branche erlebte dank ihrer Arbeit einen ge-
ohne dass es weiter unten in der Ferti-
volution war – die Verwerfungen, die sie der
waltigen Produktivitätsanstieg.
gungsstraße zu Verkehrsstaus kam. Doch
Agrargesellschaft des frühen 19. Jahrhun-
für jede Produktivitätssteigerung forderte
derts aufnötigte, waren schmerzlich und
Doch all dieser Nutzen hatte auch seinen
die wissenschaftliche Betriebsführung ih-
schrecklich, und es war eine blutige Revo-
Preis. Der „unwissenschaftliche“ Arbeiter
ren Tribut in Sachen Selbstbestimmung,
lution. Seit jener Zeit kennen wir den Be-
war persönlich in mehrere knifflige Her-
Menschenwürde und Verbundenheit der
griff des Maschinenstürmers, welcher auf
stellungsstadien involviert und begleitete
werktätigen Person mit dem, was sie her-
Aufstände gegen Maschinen verweist, die
ein Produkt häufig von den Rohmateria-
stellte, ein.
uralte Lebens- und Arbeitsweisen zunich-
lien bis hin zum fertigen Produkt. Er oder
temachten.
sie konnte sich Sitzposition oder Werkzeug
Für mich besteht der größte Reiz des
nach Belieben aussuchen und die Reihen-
Steampunk darin, dass er zwar die Maschi-
folge der zur Herstellung erforderlichen Ar-
ne verherrlicht, aber die Mechanisierung
beitsschritte selbst bestimmen.
menschlicher Kreativität verunglimpft (das
Doch die Probleme in den Jahren nach 1810 waren erst der Anfang. Gegen Ende des Jahrhunderts veränderte sich der Arbeits-
Motto der ausgezeichneten und kostenlosen
platz erneut. Die ArbeiterInnen erlebten,
Zeitschrift SteamPunk Magazine lautet
dass ihr Leben von den Kräften des Kapitals wieder einmal auf dramatische Art und Weise umgestaltet wurde, und zwar durch ein Verfahren, das sich „wissenschaftliche Betriebsführung“ nannte. „Wissenschaftliche Betriebsführung“ (auch Taylorismus genannt, nach deren wohl prominentestem Verfechter Frederick Winslow Taylor) war rund um den Gedanken aufgebaut, ein Produktionsverfahren auf eine Reihe von optimierten einfachen Schritten zu reduzieren, und ein Fließband zu schaffen, an dem die
“
„Love the Machine, Hate the Factory“). Er
LETZTENDLICH WERDEN WIR WIE KLASSISCHE HANDWERKER ARBEITEN UND GLEICHZEITIG WIE EIN FLIESSBAND PRODUZIEREN KÖNNEN.
feiert die ausgeklügelten Erfindungen des
”
bestimmung. Wenn du deine Werkbank hö-
Cory Doctorow
wissenschaftlich geführten Unternehmens, doch stellt er sich dabei vor, jene Maschinen stammten von Individuen, die ihr eigener Herr wären. Steampunk wettert nicht gegen Effizienz – doch gibt er der Effizienz niemals den Vorzug gegenüber der Selbsther stellst, um deinen Rücken zu schonen, dann ist das deine Entscheidung und kein Befehl von oben.
ArbeiterInnen bloß Bestandteile der Maschine sind.
Wenn draußen die Sonne schien und eine
Nun im 21. Jahrhundert scheint diese Art
angenehme Herbstbrise wehte, konnte man
der Produktion endlich greifbar zu sein: Mit
Taylor, Henry Ford und Frank und Li-
sich auf das Abschleifen der Verbindungs-
einer Welt der Desktop Fabber, Low-Cost-
llian Gilbreth nutzten Zeit-Bewegungs-
stücke beschränken, damit der feine Blät-
Werkstätten und Communities voller hilfs-
Studien, schriftlich verfasste Logbücher,
terduft in der Luft erhalten blieb, und sich
bereiter und gleichgesinnter Produzenten
Hochgeschwindigkeitsfotografie und ande-
das Lackieren für den nächsten Tag auf-
ist Utopia zum Greifen nahe. Letztendlich
re empirische Techniken, um verschwen-
sparen. ArbeiterInnen, die einen schlech-
werden wir wie klassische Handwerker ar-
dete Bewegung, Zeitverschwendung und
ten Tag hatten, konnten es ruhiger angehen
beiten und gleichzeitig wie ein Fließband
potenzielle Blockaden im Produktionsver-
lassen, ohne ein Fließband aufzuhalten. An
produzieren können.
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Creative Industries Convention 2011
Open Design Now
Open Design Now
Open Design Now – Why Design Cannot Remain Exclusive. Ein Buch von Creative Commons Niederlande, Premsela und Waag Society. Mit Beiträgen u.a. von Paul Atkinson, Michel Avital, Caroline Hummels, Ronen Kadushin, Andrew Katz, Joris Laarman, Bert Mulder, Jost Smiers, Pieter Marleen Stikker, John Thakara, Peter Troxler; BIS publishers, Amsterdam. Bilder von Peter Troxler
WHY DESIGN CANNOT REMAIN EXCLUSIVE Das Buch „Open Design Now – Why Design Cannot Remain Exclusive“ dokumentiert den heutigen Entwicklungsstand von Open Design aus einer Vielzahl von Perspektiven – Kunstgeschichte, Informations- und Designforschung, Wirtschaft und Recht, Kunst und Design, Bildung und Politikwissenschaft.
RELATED LINKS
Das Wachstum von Open Design als kollaboratives Kreieren von
opendesignnow.org petertroxler.net
Artefakten durch eine verteilte Gruppe von Personen ohne andersweitige Beziehungen entstand seit den 1960er Jahren. Der Kult des Conoisseurs oder Spezialisten musste dem Kult des Amateurs weichen, eingestehend, dass Menschen selbst am besten wissen, was zu
Open Design könnte auch für andere Bereiche relevant werden.
ihnen passt. Open Design baut auf generativen Prinzipien auf, deren
Staatliche Vorhaben, die Bürgerbeteiligung und Selbstverantwor-
wichtigste freier Zugang, Rekonfigurierbarkeit und Reproduzierbar-
tung anstreben, könnten von einem Open-Design-Ansatz profitieren.
keit sind und die alle vier Aspekte von Design umfassen: das Objekt,
Für die größeren Probleme dieser Welt – Ausbeutung und Verschwen-
den Prozess, die Praxis und die Infrastrukturen. Solche Infrastruk-
dung natürlicher Ressourcen, Bevölkerungswachstum, übersteiger-
turen sind unter anderem urheberrechtliche Instrumente, welche
tes Konsumverhalten, weltweite Armut – könnten mit Open Design
die vier Freiheiten von Open Source garantieren (nutzen, verändern,
neuartige Lösungen gefunden werden. Letztlich könnte das Machen
verbreiten von Kopien und von Modifikationen), Produktionsmittel,
selbst, als Kernaktivität von Open Design, zu einem Mittel werden,
wie der sich selbst reproduzierende MakerBot, und offene Werkstät-
um im Materiellen und Konzeptionellen neuartige Einsichten und
ten als Orte der Produktion und des Austausches, welche sozusagen
kritische Lösungen zu ergründen und zu entwickeln.
die Bibliotheken von Open Design darstellen. Die Folgen dieser Veränderungen sind enorm, nicht nur für die Designer haben begonnen, Open Design in ihre eigene Praxis zu
Designberufe. Benutzer von Designprodukten werden vor die Ent-
integrieren. Was Designkompetenz bedeutet, verändert sich ange-
scheidung gestellt, bis zu welchem Maße sie in den Designprozess
sichts digitaler Werkzeuge und Medien. Doch kollaboratives Arbei-
eingebunden werden wollen oder ob sie lediglich die Entscheidungen
ten, das einhergeht mit individueller Autonomie, wie es im Bereich
akzeptieren wollen, die eine Designerin für sie getroffen hat. Desi-
der Open-Source-Softwareentwicklung gang und gäbe ist, hat sich
gner, aber noch mehr deren Auftraggeber, müssen entscheiden, wie
in der Designpraxis noch nicht eingebürgert. Die bis heute gültigen
geschlossen sie ein Designprojekt angehen wollen oder ob es über-
Bildungsmodelle müssen neu formuliert werden, um die Flexibilität,
haupt noch möglich ist, das Designen für sich alleine zu reklamieren.
Offenheit und kontinuierliche Weiterentwicklung von Open Design
Open Design findet hier und jetzt statt, und Design kann nicht län-
zu reflektieren.
ger exklusiv bleiben.
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Creative Industries Convention 2011
Manfred Faßler
BIOGRAFIE Manfred Faßler ist Professor am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Seine Forschungs- und Lehrbereiche sind die Medienevolution und medienintegrierte Wissenskulturen.
ein freier Markt für eine sich allmählich bildende Global Creative Middleclass, ein offener Markt für patentfreie
Manfred Faßler WO IST OFFEN?
Ideen? Es scheint, dass die beschworene Offenheit bei der Verwendung von Algorithmen, Produktideen oder Blaupausen eine Art Design-Testmarkt geworden ist, Beta-Design, oder in individualistischer Geste: First Hand Openness. Testmarkt wäre für viele praktisch und kostengünstig, da die Gestehungskosten für Informationsprodukte und Produktinformationen eh nicht zu kalkulieren sind. Die Frage bleibt: ab wann die Offenheit
Electronic Frontier Foundation der
sich schließt, ab wann die FOSS-
späten 1980er und frühen 1990er setz-
Projekte (Freie [ohne Marktpreise]
te auf das kommende, offene Land der
und Open [in Nutzung veränderbar]
Netzwerke und dachte zumindest über
Source Software-Projekte) zum öko-
RELATED LINKS
Pioneering nach, über anstrengende
nomischen und professionellen Leben
uni-frankfurt.de/fb/fb09/kulturanthro/ staff/fassler_home.html
Weltgründungen. Es lohnt sich immer
verwendet werden. Offen muss markt-
noch, J.P. Barlows Declaration of Inde-
frei konsumierbar sein, ein kreatives
pendence in Cyberspace zu lesen, um
Tauschgeschäft. Wie aber wird dabei
damalige Visionen von offenen Netzen
Kreativität und also Design gedacht?
zu verstehen. Wo was geschieht, war
Ist die Nachricht: Esst Euch satt am
klar: da vorne, wer weiß. Und heute?
Netzkuchen OFFEN, stellt Eure Copy-
Deshalb noch einmal: WO ist OFFEN?
rights in den Folterkeller der ökono-
Was wird erfunden, entworfen, ge-
mischen Lebensregeln und genießt das
1. WO IST OFFEN?
EINE DUMME FRAGE? KEINESWEGS, HOFFE ICH.
pflegt? Ist neben der Selbstorganisation
Schlaraffenland des OFFEN? Oder
Nach einigen Jahren der Netz-, Medi-
eine Ästhetik veränderungssensibler
meint „offen“ nicht nur ungeregelten
en-, Kommunikationsforschung kann
Offenheit angestrebt? Eine Konzept-
Konsum fremder Stuhl-, Schrank-,
man schon fragen: Wo ist das eigent-
oder Projekt-Ästhetik?
Software-, Visualisierungsideen, son-
lich, dieses neue Land „Offen“? Ist es
dern zusammenhängende Kreativität?
eine Saga, ein Paradies, eine post-revo-
Wenn es so sein sollte – und manche
lutionäre Utopie, ein Serious Game, ein
2.
Zunächst: So viel Offenheit war
Netzauftritte scheinen dies mit zu
Büro, ein Leporello des netzwerkenden
noch nie! Damit sind die Fragen nicht
bedenken –, braucht es Gedanken zum
Individualismus? Die Renaissance stieß
beantwortet. Auch dann nicht, wenn
materialen, gegenständlichen, dingli-
ein Fensterchen hin zur proportionier-
auf Partizipation, Interaktivität, tit
chen, gedanklichen Schließen dieser
ten Ästhetik auf. Wer hindurch ging,
for tat, kollaboratives Tun verwiesen
Offenheit, zum Übergang in ein Pro-
fiel in die bürgerliche Gesellschaft.
wird. Zunächst geht es um Selbstver-
dukt, sei es Community, Content oder
Industriedesign des späten 19. und frü-
pflichtung. Freier Zugriff auf alles,
Sessel. Projekt-Poiesis muss Projekt-
hen 20. Jahrhunderts öffnete die Pfor-
was es digital und im Mengenfeld von
Ästhetik ermöglichen.
ten der Funktionen, und alle fielen auf
online – offline gibt, soll verabredet
deren vermeintliche Formen rein. Die
und durchgehalten werden. Also eher
weiter auf Seite 32
Seite 15
Creative Industries Convention 2011
White Elephant
White Elephant RELATED LINKS white-elephant.at
BALLOON LIGHT Die Lampe schwebt, der Lampenfuß wandelt sich vom statischen Element zum bloßen Gegengewicht, das sie am Wegfliegen hindert. Abgesteckt fliegt sie zur Decke und wartet dort mit baumelndem Kabel auf ihren erneuten Einsatz. Alle verbauten Elemente sind im Baumarkt oder im Internetversand leicht erhältlich. Bauanleitung unter cc:by-nc-nd: BAUANLEITUNG: 1) Renovierungsfassung öffnen, das bestehende Kabel entfernen. 2) 2 m vom Elektrokabel abschneiden, abisolieren und in die Fassung klemmen. 3) Den Filzstift 2 cm unterhalb der Spitze mit einer Säge abschneiden und entkernen, die Kappe 1 cm vom unteren Ende mit einem Stanley-Messer abschneiden. 4) Das von der Kappe abgeschnittene Stück von innen durch das Unterteil der Renovierungsfassung stecken, die Stifthülse ebenfalls von innen so weit einschieben bis sie kraftschlüssig und bündig klemmt. 5) Das Kabel durch die Hülse ziehen und die Fassung zuklipsen, am losen Ende den Flachstecker montieren, kurz mit der Kerzenlampe testen.
7) Mittels geeigneter Leisten die Kabel/ Fassung/Hülse-Einheit mittig in der Steckmuffe platzieren und mit Klebeband auf einem unempfindlichen Untergrund fixieren. 8) Mit PU-Schaum die Muffe großzügig ausschäumen, dabei den Schlauch mit der Hand festhalten und dessen Position ggf. korrigieren. 9) Während der Schaum härtet, ein ca. 2 cm langes Stück von der Schlauchkupplung abschneiden und mit Heißkleber abdichten, dann am unteren Ende ein kleines Loch bohren und den Schlüsselring einhängen. 10) Den Schaum über Nacht aushärten lassen, am nächsten Tag das überschüssige, ausgehärtete Material mit einem StanleyMesser abschneiden, ohne dabei das Kabel oder den Schlauch zu beschädigen.
6) 10 cm vom Aquariumschlauch abschnei11) Den Ballon vorsichtig über die fertige den und mitsamt der Kabel/Fassung/ Lampe ziehen, Helium einblasen, einHülse-Einheit in die die Steckmuffe stecken – FERTIG. stecken.
Leuchtmittel 40 W
Renovierungsfassung E14
BIOGRAFIE White Elephant wurde von Tobias Kestel im Jahr 2005 in Graz gegründet. Florian Puschmann kam später hinzu. Das White Elephant DesignLab hat sich auf die Bereiche Produktdesign und experimentelles Design spezialisiert. Experimentieren und die Auslotung von Materialien und deren Ausreizbarkeit sind wichtige Inspirationsquellen.
Hülse Ø 9 mm, leicht konisch (z.B. aus Filzstift)
PU-Schaum
Rohrstück, Kunststoff oder Bambus Ø 40 mm Aquariumschlauch Ø 6 mm innen Stopfen, Ø ca. 7 mm Schlüsselring
Bilder von White Elephant unter cc-by-sa
Zweiadriges 230-V-Kabel
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Creative Industries Convention 2011
Lev Manovich
BIOGRAFIE RELATED LINKS manovich.net
Lev Manovich
Lev Manovich ist ein russisch-amerikanischer Medientheoretiker, Kritiker und Künstler. Derzeit lehrt er als Professor der Bildenden Künste, Kunst und Theorie der Neuen Medien an der University of California in San Diego und an der European Graduate School in SaasFee. Sein Buch „The Language of New Media“ wurde in mehrere Sprachen übersetzt und gilt als die erste umfassende Beschreibung und Theorie zu den zeitbezogenen neuen Medientechniken.
WER IST DER AUTOR? „Die neue Medienkultur bringt eine Reihe neuer Modelle von Autorenschaft mit sich, die alle unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit beinhalten“, schreibt der Medientheoretiker Lev Manovich in seinem Text „Wer ist der Autor? Sampling/Remixen/Open Source“. Die kollektive Autorschaft sei aber keine Besonderheit der Neuen Medien – geschichtlich betrachtet war sie eher die Regel als die Ausnahme. Das Foto: www.manovich.net
romantische Modell des „einsamen Einzelautors“ nehme dagegen nur einen sehr kleinen Platz in der Geschichte der menschlichen Kultur ein. Neue Medien bieten aber neue Variationen frühe-
den würden, folge letztlich denselben
kulturelle Modularität – in der kultu-
rer Formen kollaborativer Autorschaft. Im breiten
Prinzipien, schreibt Manovich: „Beide
relle Objekte aus diskreten Samples
Kontext einer zeitgemäßen kulturellen Ökonomie, so
praktizieren Remixabilität.“
entworfen werden – führe dazu, dass
Manovich, würden in den Neuen Medien – die gleichsam als Avantgarde der Kulturindustrie gelten könnten – systematisch neue Modelle von Autorschaft, neue Beziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten und neue Vertriebsmodelle erprobt. Als Beispiel verweist Manovich unter anderem auf den Remix. Das Kombinieren, Aneignen und Neuarrangieren von Inhalten sei eine Konstante und integrativer Bestandteil der menschlichen Kultur. Die meisten menschlichen Kulturen, schreibt Manovich an anderer Stelle (Remixability-Aufsatz), hätten sich durch die Integration und die Bearbeitung von Formen und Stilen aus anderen Kulturen entwickelt.
“
REMIXABILITÄT WIRD ZUM ZENTRALEN FEATURE EINES DIGITALEN VERNETZTEN MEDIENUNIVERSUMS.
” Lev Manovich
künftig kulturelle Objekte unabhängig von ihrer Materialität und ihrem Medium wie Lego-Blöcke miteinander kombiniert werden könnten. Während die traditionelle Definition kultureller Modularität – wie sie von Designern, Architekten und Künstlern angewandt wurde – auf ein begrenztes Vokabular von Elementen beschränkt war, greife die neue Modularität nicht mehr auf ein zuvor definiertes Vokabular zurück, sondern jedes kultu-
In seinem viel beachteten Buch „The
relle Objekt könne Bestandteil eines
Durch neue digitale Technologien und die rasan-
Language of New Media“ hat Mano-
anderen kulturellen Objekts werden
te Zunahme an Informationen im Internet entstün-
vich die Modularität als wesentliches
– Module könnten sich dann – genauso
den neue Möglichkeiten kollaborativer Remixe: Ob
Grundprinzip der Neuen Medien er-
wie heute RSS-Feeds – andere Module
Designer historische oder kulturelle Formen in ihre
kannt. In der Kombination von Mo-
abonnieren: „Remixabilität wird zum
Arbeit aufnehmen und verändern würden oder ob
dularität und Remixabilität ergeben
zentralen Feature eines digitalen ver-
Texte in einem Weblog-Eintrag miteinander verbun-
sich aufregende Perspektiven. Die neue
netzten Medien-Universums.“
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Creative Industries Convention 2011
RELATED LINKS garmz.com useabrand.com
Fotos: www.garmz.com
Garmz CROWDSOURCING
„Innovationen kommen heute von überall her“, sagt der Rechtswissenschaftler Yochai Benkler an anderer Stelle in dieser Publikation. Die beiden jungen Modeunternehmen Garmz und useabrand veranschaulichen diese These eindrucksvoll. Sie nutzen neue Technologien, um die Auswahl-, Produktions- und Distrubutionsmechanismen der Modebranche zu öffnen und zu demokratisieren.
Mit ihrem Konzept hat die im Sommer 2010 gestartete OnlinePlattform offenbar einen Nerv getroffen. Mehr als 30.000 Mal wurden die hochgeladenen Entwürfe bereits bewertet. Ende ver-
Das Prinzip dahinter heißt Crowdsourcing und kommt auch
gangenen Jahres zählte Garmz bereits 6.500 User aus mehr als
in zahlreichen anderen Bereichen zur Anwendung. Dabei werden
200 Ländern. In dem seit Anfang Dezember verfügbaren Webshop
Kreativität und Fähigkeiten von Internet-Nutzern in Prozesse ein-
werden erste Produkte angeboten. Seine Designer unterstützt das
bezogen, die zuvor Spezialisten vorbehalten waren. „Mode soll kei-
Unternehmen neben der Produktion und dem Versand auch beim
ne Diktatur sein“, sagt Useabrand-Chefdesignerin Anna Rihl. Das
Online-Marketing in sozialen Netzwerken.
in Wien ansässige Start-up bezeichnet sie als „Mo-demokratie“. Nutzer können ihre Skizzen auf die Online-Plattform hochladen
Garmz könne durch Konzepte des Crowdsourcings die Nachfra-
und über Online-Abstimmungen auch mitentscheiden, was produ-
ge nach den unterschiedlichen Modeprodukten abschätzen und so
ziert wird.
das Marktrisiko minimieren. Durch das Einbeziehen der Nutzer werde auch eine stärkere Bindung zur Plattform und zur Marke
Während bei useabrand die Ideen und Skizzen der Communi-
aufgebaut, sagt Klinger: „Garmz hilft Kunden bei der Umsetzung
ty in die Kollektionen des Labels einfließen, will das ebenfalls in
ihrer Bedürfnisse und selbst Nischenprodukte bekommen ihren
Wien gegründete Start-up Garmz junge Designer bei ihren ersten
Markt“, so Klinger. Oder wie es auf der Website des Unternehmens
Schritten in der Branche unterstützen. Designer präsentieren ihre
heißt: „Good night, fashion industry. Good Morning, designers.“
Entwürfe auf der Online-Plattform, wo sie von Usern bewertet und kommentiert werden können. Von ausgewähltem Design werden von Garmz erste Prototypen produziert. Bei entsprechender Nachfrage gehen die Entwürfe in Serienproduktion und werden über den hauseigenen Webshop weltweit vertrieben. Das finanzielle Risiko übernimmt Garmz, die Einnahmen werden mit den Designern geteilt. „Konzepte wie Open Innovation oder User Innovation ermöglichen es, mehrere Parteien direkt in die Entstehung eines Objektes mit einzubeziehen und so bereits in Frühphasen Stärken und Schwächen eines Produktes zu erkennen“, erläutert Garmz-Mitgründer Andreas Klinger: „Designer bekommen auf Entwurfslevel bereits Feedback und können so das Produkt ohne Risiko gemeinsam mit dem Kunden zur Marktreife führen.“
“ MODE SOLL KEINE DIKTATUR SEIN ”
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Creative Industries Convention 2011
Paul Atkinson
BIOGRAFIE Paul Atkinson ist Industrial Designer, Designhistoriker und Designlehrer. Zurzeit ist er Lektor für Design an der Sheffield Hallam University. Er war bereits Vortragender bei einer Reihe von internationalen Konferenzen weltweit und seine Artikel wurden in zahlreichen internationalen Designjournalen veröffentlicht.
Rapid Prototyped Automake bowl by Justin Marshall
Paul Atkinson RELATED LINKS
DIE GEISTER DER PROFESSION:
paulatkinsondesign.co.uk
Open Design und postindustrielle Produktion
den, vorab festgelegten Design und die Entstehung
Über den größten Teil unserer Geschichte wurden
komplexer globaler Infrastrukturen für den Vertrieb
Design und Produktion von Waren von Einzelnen
enormer Mengen von identischen Produkten – eine
übernommen, ohne dass irgendeine Art von gewerb-
Entwicklung, die die Welt, in der wir leben, erheblich
lichem Rahmen oder System erforderlich war. In der
verändert hat.
Tat ist es erst seit dem Einsetzen der industriellen Revolution der Fall, dass das Design eines Produkts
Ironischerweise sind es gerade die neuesten Pro-
dermaßen getrennt von dessen Herstellung ist und
duktions- und Kommunikationstechnologien, die die
ein massiv reglementierter Produktions-, Vertriebs-
Design- und Produktionsprozesse von großen zent-
und Verbrauchsprozess vorliegt. Im Zuge der tech-
ralisierten Systemen wegbewegen und sie dem ein-
nischen Fortschritte der Fertigungstechnik und des
zelnen Verbraucher in die Hand geben. Die neuesten
Aufkommens weltweiter Kommunikation erlebte das
Entwicklungen in der digitalen Desktopproduktion,
20. Jahrhundert gewaltige Verbesserungen bei der
und hier ganz besonders der 3D-Druck zusammen
Massenproduktion von Waren mit einem feststehen-
mit dem offenen Vertriebsnetzwerk des Internets, bedeuten, dass ein Design nicht mehr in zigtausendfa-
“ DIE WELT VERÄNDERT SICH JETZT NOCH EINMAL. ”
cher Stückzahl produziert werden muss, damit seine Produktionskosten gerechtfertigt sind, oder dass jenes Design das Ergebnis einer professionellen Designaktivität sein muss.
Paul Atkinson weiter auf Seite 20
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Creative Industries Convention 2011
Fluid Forms
BIOGRAFIE Fluid Forms ist aus einer Diplomarbeit des Gründers Hannes Walter zum Thema Creative Coding und DesignInterfaces entstanden. Gemeinsam mit Stephen Williams, der sich auf algorithmisches/generatives Produktdesign und geometrische Modellierung spezialisierte, gründete er Fluid Forms im Jahr 2005 in Graz.
Foto: http://www. flickr.com/photos/jrosenk/5328024329/sizes/o/ in/photostream/
RELATED LINKS fluid-forms.com n-e-r-v-o-u-s.com Stephen Williams und Hannes Walter vor der „Streets Clock“ Foto: Fluid Forms
Fluid Forms
INTELLIGENTE FORMENSPRACHE DURCH CREATIVE CODING UND OPEN-SOURCE Fluid Forms wiederum verwendet Geodaten als Ausgangsbasis für sehr SOFTWARE
Design: Fluid Forms, Foto: Karin Lernbeiß
persönlichen Schmuck. Auch daraus ergibt sich eine Ästhetik, die stark
Werkzeugkiste für diverse Designauf-
an die Natur angelehnt ist. Zusätz-
gaben. Erste Prototypen von Stühlen,
lich wird die Schichtstruktur des 3D-
deren Struktur auf Basis des Gewichts
Drucks aktiv als Gestaltungselement
des Benutzers und der gewünsch-
Von der Evolution geschaffene, na-
verwendet. Der Quellcode dafür wird
ten Gewichtsverteilung mittels Pro-
türliche Formen werden von unserem
früher oder später ebenfalls öffent-
grammcode automatisch generiert und
ästhetischen Empfinden als stimmig
lich verfügbar sein, wodurch andere
im Anschluss 3D-gedruckt werden,
und angenehm empfunden. Die dahin-
Gestalter in der Lage sein werden, die
existieren bereits.
terliegende Logik kann mittels Pro-
Grundlogik aufzugreifen und für ihre
grammcodes simuliert werden, welche
Arbeiten zu verwenden.
wiederum für die Gestaltung von Pro-
Mit der Zeit werden derartige Softwarefunktionen zunehmend komple-
dukten verwendet werden kann. Auf
Immer häufiger wird Programm-
xere Aufgaben übernehmen. Dadurch
diese Art entsteht automatisch eine
code zum logischen Material für die
wird sich eine Art intelligente Ästhe-
gefällige
N-e-r-v-o-u-s.
Definition von dreidimensionalen For-
tik herauskristallisieren, die der ge-
com verwendet diese Prinzip als Aus-
Anmutung.
men. Erfüllt dieser Code seine Funk-
wünschten Funktion per Knopfdruck
gangspunkt für alle Produkte, was sich
tion gut und wird er anderen Creative
die Form verleihen. Die Aufgabe des
unmittelbar in einer sehr natürlichen
Codern zur Verfügung gestellt, stehen
Designers wird dabei zunehmend die
Ästhetik
Gleichzeitig
die Chancen gut, dass er von diesen mit
Definition von passenden Aufgaben-
stellen sie den Quellcode für ihre Pro-
zusätzlichen Funktionen kombiniert
stellungen und entsprechenden Rah-
dukte zur Verfügung.
wird. So entsteht quasi eine virtuelle
menbedingungen.
manifestiert.
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Creative Industries Convention 2011
Paul Atkinson
Fortsetzung von Seite 18
Paul Atkinson Diese Entwicklungen werden natürlich gewaltige Auswirkungen haben, da sie eine Reihe von sehr ernsten Fragen zum Wesen und Wert professionellen Designs und zum Konsum von Waren aufwerfen: - Was passiert, wenn keine „genormten“, identischen Produkte zu kaufen sind? - Was passiert, wenn der professionelle Designer wenig Kontrolle über das Aussehen der Produkte hat? - Sollten professionelle und in Massenproduktion
Future Factories Lampadina Mutanta luminaire by Lionel Dean
gefertigte Produkte anders bewertet werden als nicht professionelle, individuell designte Produkte?
zwischen Designer und Nutzer) verwischen gerade in
- Beeinträchtigt die Tatsache, dass der Verbraucher
rasantem Tempo. Die Messlatte wurde höher gelegt –
an der Schaffung eines Produktes beteiligt ist, den
über „Mitgestaltung“ und „nutzerzentriertes Design“
Wert eines Produktes oder steigert sie ihn?
hinaus –, da nun mit Designer und Nutzer im Grunde genommen dasselbe gemeint ist. Wir treten gerade
Ich begann mit der Untersuchung dieser Fragen,
in eine postprofessionelle Ära des Open Designs ein.
indem ich zwei Forschungsprojekte zum Thema post-
Wir sind einem Punkt, an dem qualitativ hochwertige
industrielle Produktion ins Leben rief – Automa-
Produkte, die sich von in Massenproduktion gefertig-
ke und FutureFactories. Beide Systeme verwenden
ten Waren durch nichts unterscheiden, downgeloadet,
computergenerierte Zufallselemente und Entschei-
modifiziert und von jedermann jederzeit in jedem be-
dungsfindungsprozesse von Verbrauchern innerhalb
liebigen Material hergestellt werden können, viel nä-
flexibler Schemata, die von einem Designer und ei-
her, als wir für möglich halten würden. Dies ändert
nem Handwerker/Produzenten definiert wurden. Die
nicht nur die Art und Weise, wie wir über die Design-
Ergebnisse haben sowohl die Wahrnehmung der Ver-
praxis und den Konsum von Design denken, sondern
braucher von den Produkten, die sie erzeugen, verän-
auch die Art und Weise, wie wir zukünftige Designer
dert als auch die Wahrnehmung ihrer eigenen Fähig-
und Designerinnen Design lehren müssen.
keiten. Die Systeme befreien nicht nur den Designer von der sterilen Vollendung der in Massenproduktion
Um weiterhin eine wichtige Rolle bei der Ge-
gefertigten Form, sondern auch den Verbraucher vom
staltung und Herstellung von Waren innezuhaben,
Diktat, identische Produkte besitzen zu müssen. Es
werden professionelle Designer und Designerinnen
liegt auf der Hand, dass postindustrielle Produktions-
ihre Egos hintanstellen und ihre Rolle dahingehend
systeme die Bedeutung von Design verändern werden.
ändern müssen, dass sie nicht mehr fertige Produk-
Die Grenzen zwischen dem professionellen Designer
te gestalten, sondern den Menschen Systeme in die
und dem Amateurdesigner (oder in anderen Worten:
Hand geben, mit denen sie die Freiheit haben, ihre eigenen qualitativ hochwertigen Designs zu erstellen; Systeme, die den Nutzer vor dem Zwang zu DesignExpertenwissen befreien, doch mit denen trotzdem Ergebnisse produziert werden können, in denen die ursprüngliche Intention des Designers bewahrt bleibt. Je besser das jeweilige System eines bestimmten Designers funktioniert, umso erfolgreicher wird dieser Designer sein. Designer und Designerinnen, die nicht gewillt sind, sich zu ändern, gehen die Gefahr ein, zu Geistern der Profession zu verkommen.
Foto: Automake user with printed bowl by Justin Marshall
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Creative Industries Convention 2011
Evan Jones
BIOGRAFIE Evan Jones arbeitet in Brisbane, Australien. Er schloss ein Mathematikstudium an der University of Queensland mit Auszeichnung ab. Er ging mit einem Stipendium an die Cambridge University, erwarb dort ein Doktorat in Mathematik und studierte Architektur am Kings College. Evan Jones ist ein talentierter Softwareingenieur und legt sein Augenmerk neuerdings auf die Produktion von Collagen aus umfangreichen auf flickr zur Verfügung gestellten digitalen Fotoserien. Collage aus 200 Bildern unter CC-by flickr http://www.flickr.com/photos/28594411@N06/
Evan Jones WIE DIE BILDER ENTSTEHEN
RELATED LINKS evanjones.com.au
gen für Bereiche des Zielbildes fest. So
me für das abschließende Rendern ge-
ordne ich in manchen Bereichen gerne
schrieben, daher nehme ich oft zehn
größere Bilder mit kleineren Drehbe-
oder zwanzig Bilder her und verfolge
wegungen zu, während ich in andren
verschiedenste unterschiedliche An-
Bereichen
sätze, bis ich mit dem Endergebnis zu-
möglicherweise
kleinere
Bilder, größere Drehbewegungen und
frieden bin.
vielleicht sogar Anpassungen an die Farbkanäle zuordnen. Diese bewussten
Auswahlentscheidungen
Normalerweise verwende ich bei
haben
der Erstellung einer Collage zwischen
einerseits einen Einfluss darauf, wie
zweihundert und sechshundert Teil-
Der erste Teil des Prozesses besteht da-
genau oder vage das zugrunde liegende
bilder. Diese stammen aus einer Bib-
rin, ein geeignetes Zielbild zu erhalten
Bild reproduziert wird, und anderer-
liothek mit über fünfzigtausend Fotos
oder zu erstellen. Dabei handelt es sich
seits, wie leicht das Teilbild erkennbar
von über viertausend Fotografen. Ich
um das Bild, das ich im Großformat der
ist.
Auswahlentscheidungen
habe meine Bibliothek aus flickr-Fotos
Collage nachzubilden versuche. Das ist
ermöglichen es mir, in manchen Berei-
aufgebaut, die unter der CC Attributi-
für gewöhnlich recht zeitaufwändig
chen Akzente zu setzen und künstleri-
on-Lizenz angeboten werden. Daher
und man muss schon einige Bildergale-
sche Entscheidungen hinsichtlich des
versehe ich alle Collagen, die ich poste,
rien durchforsten, um etwas Passendes
endgültigen Bildes zu treffen.
mit den entsprechenden Danksagun-
Solche
zu finden. Viele Bilder funktionieren
gen an alle Künstler, deren Werk ich
einfach nicht oder sind uninteressant,
Dieser Prozess kann sich über ei-
wenn man sie als Collage reproduziert.
nen beliebigen Zeitraum zwischen ein
Ich suche auch oft nach bestimmten
paar Tagen und einigen Monaten er-
Auf einer rein logistischen Ebene
Charakteristika, mit denen ich neue
strecken, ein Großteil davon ist nur die
hat die Möglichkeit, unter einer CC-Li-
Ideen ausprobieren kann.
Datenverarbeitungszeit. Für die Zu-
zenz veröffentlichte Fotos zu verwen-
ordnungen in meinen Collagen führe
den, das ganze Projekt erst realisierbar
ich zwischen einem Dutzend und ein-
gemacht. Ich bin mir fast sicher, dass
hundert Programmdurchläufe durch.
ich bei Weitem nicht so weit gekommen
Wenn ich mit dem Zielbild zufrieden bin, fange ich damit an, die Teilbilder dem Ziel zuzuordnen. Ich mache
verwendet habe.
wäre, wenn ich nur auf meine eigenen
das mit Software-Tools, die ich in den
Wenn ich mit der Zuordnung von
Fotos und die meiner Freunde zurück-
letzten Jahren programmiert habe.
Teilbildern zum Zielbild zufrieden bin,
greifen könnte. Auch aus einer künst-
Im Wesentlichen durchläuft die Soft-
generiere ich dann das endgültige Bild.
lerischen Perspektive ist das von un-
ware eine riesige Bibliothek mit mög-
Dies beinhaltet, dass ich die ursprüng-
schätzbarem Wert, da ich damit nicht
lichen Teilbildern und wählt jenes aus,
lichen Teilbilder wieder bearbeite und
bloß meine eigene Arbeit präsentieren
das dem zugrunde liegenden Bild am
jedwede Umwandlung durchführe, die
kann, sondern eine Synthese aus der
nächsten kommt.
mir erforderlich erscheint – Drehun-
Kreativität Hunderter anderer Künst-
gen, Skalierung, Zuschneiden, Farbop-
ler. Ich möchte Synergien erzeugen.
In dieser Phase lege ich normaler-
timierung usw. –, und dann schichte
Das ist etwas, was ich für diese Form
weise dahingehend, wie die Zuordnun-
ich sie in das endgültige Bild. Im Lauf
von kreativer Arbeit als ganz grundle-
gen erfolgen können, Einschränkun-
der Jahre habe ich ein paar Program-
gendes Ziel betrachte.
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Creative Industries Convention 2011
Gerin Trautenberger
BIOGRAFIE Gerin Trautenberger ist Produkt- und Möbeldesigner und arbeitet seit 1992 als Designer, Autor und Kurator für Netz-Kulturprojekte. Im Jahr 2005 gründete er das Designkollektiv Microgiants und ist stellvertretender Vorsitzender der creativ wirtschaft austria.
Gerin Trautenberger RELATED LINKS microgiants.com
CREATIVE COMMONS BASICS Die Entstehung von Creative Commons-Lizenzen
CC ermöglicht es dem Schöpfer eines Werkes, in ab-
(CC) und der Creative Commons-Bewegung ist eng
gestufter Form verschiedene Lizenzmöglichkeiten
mit der Verbreitung des Internets und den aktuell
seines Werkes vorab zu definieren. Damit kann der
neu entwickelten kollaborativen Arbeitsformen zu
Austausch und die Handhabung von Lizenzen erheb-
verstehen. Die Digitalisierung und der leichte Aus-
lich vereinfacht werden – und das ohne langwierige
tausch von Text und Bild kennzeichnen einen Para-
Lizenzrecherche oder Vertragsverhandlungen. So
digmenwechsel in der Vervielfältigung und dem Um-
kann ein Werk von allen frei verwendet werden, oder
gang mit geschützten Werken.
die Lizenzrechte können für eine weitere Verwendung eingeschränkt werden. CC erlaubt aber auch die Fest-
Die Schaffung (Schöpferprinzip) eines Werkes ist prinzipiell durch das nationale und internationale
legung einer kommerziellen Nutzung des Werkes.
Urheberrecht geschützt und bedarf keiner gesonder-
“
ten Registrierung. Geregelt wird vor allem die Urhe-
KÜNSTLERN, SCHÖPFERN, LEHREN-
berschaft und nicht die verschiedensten Nutzungs-
DEN, JOURNALISTEN UND WISSEN-
möglichkeiten eines Werkes. Werknutzungsrechte
SCHAFTLERN GESTATTEN, EINFACH
müssen immer gesondert, oft mithilfe von Anwälten verhandelt werden. Diese Voraussetzungen stehen einer freien, flexiblen und unkomplizierten Kommunikation unter Kreativen im Wege.
UND LEGAL ZU TEILEN UND DABEI DAS OFFENE NETZWERK ZU NUTZEN, DAS DAS INTERNET UNS BIETET.
” Der Kern des Urheberrechts, so wie wir es heute kennen, besteht seit über 150 Jahren. Auch das heu-
Yoichi Ito
tige Urheberrecht hält mit der gesellschaftlich-tech-
Erst der Einsatz von Creative Commons oder die
nischen Entwicklung nicht mehr Schritt und bedarf
verwandten Softwarelizenzen wie z.B. GNU-GPL
einer grundlegenden Anpassung. Aus diesem Grund
ermöglichen die Entstehung von komplexen Gemein-
wurde das Prinzip von CC im Jahr 2001 in den USA
schaftsprojekten wie LINUX oder anderen Open-
entwickelt. Maßgeblich wurde das Konzept von Law-
Source-Projekten. Aber Creative Commons hilft nicht
rence Lessig, einem Rechtsprofessor an der Stanford
nur bei der Entstehung von sozialen Kunstwerken,
Law School, begründet und wird heute durch eine
sondern ist auch ein Werkzeug für die Arbeit in Klein-
breite Creative Commons-Bewegung getragen.
gruppen oder bei der Arbeit im bzw. mit dem Internet.
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Creative Industries Convention 2011
Markus Beckedahl/ Andrea Goetzke CREATIVE COMMONS IM OPEN DESIGN
Fotos: Markus Beckedahl, Andrea Goetzke
BIOGRAPHY Markus Beckedahl ist Mitgründer der newthinking communications GmbH und berät in vielen Fragen der digitalen Gesellschaft und Online-Strategien. Gemeinsam mit Andrea Goetzke, die für internationale Kooperationen zuständig ist und als Konzeptionistin und Projektmanagerin für newthinking tätig ist, arbeiten sie an Projekten wie „re:publica“ oder „Open everything“.
Andrea Goetzke arbeitet im Bereich zu Open-Source-Strategien und Themen der digitalen Kultur und Gesellschaft. Sie hat Projekte wie die Veranstaltungsreihe „openeverything Berlin“ oder „all2gethernow“ – ein Diskurs zu neuen Strategien für eine an musik- und kulturaffine Gesellschaft – organisiert.
BEISPIELE Zu den Pionieren von Open Design zählt der Berliner Designer Ronen Kadushin. Er experimentierte schon früh mit der Veröffent-
RELATED LINKS newthinking-communications.de
lichung seiner Rohdaten unter einer nicht kommerziellen Creative Commons-Lizenz und schildert seine Motivation: „Es soll Designer ermutigen, miteinander Kreativität zu teilen und eine Sammlung von hochwertigen Produkten zu schaffen.“ Die CAD-Dateien seiner gestalteten Objekte wie Möbel und Lampen stellt er unter einer nicht kommerziellen CC-Lizenz online zur Verfügung. Besitzer oder
Creative Commons-Lizenzen wurden schon früh in digitalen De-
Nutzer eines Laser-Cutters können sich unter Verwendung der digi-
sign-Communities verwendet, z.B. um Cliparts, Grafiken oder Bil-
talen Vorlage die Produkte, z.B. aus einer Stahlplatte, auslasern und
der auf Plattformen wie Flickr.com zu teilen. Interessant sind aber
in Handarbeit zum Produkt formen. Damit treffen computergesteu-
die ersten Schritte hinaus in die physische Design-Welt. Unter dem
erte Produktionstechnologien und Handarbeit aufeinander.
Begriff „Open Design“ sammeln sich immer mehr Projekte, Experimente und Beispiele, wie die Open-Source-Idee in die reale Welt getragen werden kann.
Die CC-BY-NC-Lizenz ermöglicht eine Nutzung der Entwürfe für private Zwecke, wenn alle Weiterentwicklungen auch wieder unter dieselbe Lizenz gestellt werden. Möchte man die Objekte ge-
Creative Commons ist eine Nichtregierungsorganisation aus den USA, die seit 2001 standardisierte Lizenztexte für urheberrecht-
werblich produzieren, muss ein Extra-Vertrag mit dem Designer geschlossen werden.
lich geschützte Inhalte herausgibt. Das Besondere daran ist, dass diese Lizenzen mittlerweile in mehr als 50 Staaten an das jewei-
RONEN-KADUSHIN.COM
lige nationale Urheberrecht angepasst wurden und die Bedingun-
Kadushin produziert und vertreibt seine Objekte dabei auf her-
gen und Freiheiten überall gelten. Im Mittelpunkt steht der Urhe-
kömmlichem Wege. Die Veröffentlichung der Entwürfe unter CC-
ber, der mit diesen Lizenzen bestimmte Nutzungsfreiheiten geben
Lizenz ist ein zusätzlicher Weg der Verbreitung. Zusammen mit an-
kann. In einem Lizenz-Baukasten wählt der Urheber aus, ob das
deren Designern können seine Werke auf Plattformen wie „Movisi
eigene Werk kommerziell oder nicht kommerziell verwendet wer-
– The inspirational furniture store“ gekauft werden. Die Rohde-
den kann, ob man es weiterverändern (remixen) kann oder nicht
signs finden sich auf seiner Webseite, aber ebenso auf Plattformen
und ob die Weiterveränderungen auch wieder unter die gleichen
wie „flexible stream“.
Bedingungen fallen müssen, wie es das Copyleft-Prinzip aus der Welt der Freien Software vorgibt. Einzige Bedingung bei allen
Die digitale Verbreitung der Entwürfe unter einer CC-Lizenz er-
sechs Creative Commons-Lizenzen: Der Urheber muss immer als
möglicht dezentrale Produktion und Vertrieb. So kann man Ent-
Quelle genannt werden. Die Freie Software mit ihren vielfältigen
würfe in Ländern auffindbar machen, in die der Designer sonst
Lizenzen war Vorbild für die Idee der Creative Commons-Lizenzen.
weder exportiert noch für sich geworben hätte. Findet hier jemand
Aus „Alle Rechte vorbehalten“ des klassichen Urheberrechts wird
das Design und hat Interesse an einer Produktion, kann er/sie zu-
ein „Einige Rechte vorbehalten“. Urheber können damit ihre Wer-
nächst mit dem Entwurf experimentieren und dann, möglicher-
ke in einen großen gemeinsamen Pool an Wissen und Kreativität
weise, auch eine Zusammenarbeit zur Produktion mit dem Desig-
übergeben, die Werke können im Optimalfall ohne Rückfrage und
ner vereinbaren.
Zusatzvereinbarungen weiterverarbeitet werden.
weiter auf Seite 25
Seite 24
Creative Industries Convention 2011 BIOGRAFIE
RELATED LINKS fluid-forms.com
Hannes Walter
Foto: Karin Lernbeiß
DESIGNER UND EIN BISSCHEN MEHR
Hannes Walter ist – bedingt durch die Schmiede seines Vaters – von Kindheit an sehr handwerklich orientiert. Nach der Ausbildung zum Elektrotechniker entdeckte er als 3DCAD-Konstrukteur die Möglichkeiten von riesigen Laser-Schneidanlagen. Der Zeit als Produktentwickler in der Schuhindustrie folgte sein Mediendesignstudium. Dort kombinierte er die reale mit der virtuellen Welt zu www. Fluid-Forms.com. Als einer der beiden Gründer und Geschäftsführer ist er verantwortlich für Produktentwicklung und Organisation. Daher hat er auch besonderes Interesse an digitalen Fertigungsverfahren und der kreativen Verknüpfung unterschiedlicher Menschen und Fachgebiete.
form, sondern eine Vielzahl an möglichen Formen. Für diesen Möglichkeitsraum wird der Begriff Meta-Design vorgeschlagen, der sinnvollerweise so definiert ist, dass jede mögliche Formvariante funktional, produzierbar, ästhetisch ansprechend und wirtschaftlich sinnvoll ist. Ein essenzieller Teil solcher Design-Systeme sind, wie etwa auf Fluid-Forms.com oder n-e-r-v-o-u-s.com ersichtlich, die intuitiv zu bedienenden User-Interfaces. Kunden werden dadurch zu Co-Designern ihrer persönlichen Produkte. Wird die Programmlogik, wie etwa von n-e-r-v-o-u-s.com, unter einer entsprechenden Creative Commons-Lizenz veröffentlicht, schließt sich der
Im derzeitigen Wirtschaftssystem ist vom Gestalter kein individu-
Kreis zwischen Open-Source-Software und Open Design, da die-
elles Einzelstück gefragt, sondern ein Produkt, das für eine mög-
ser Code ja auch beliebig kopiert und manipuliert werden kann.
lichst große Anzahl von Kunden ein Problem löst. Die digitale Revolution führte zur vollständigen Virtualisierung, wodurch Wissen
Da es sich um freie Produktionsdaten handelt, kommt der De-
um Produktion und Form als CAD-Daten erstellt und übermittelt
mokratisierung der Produktion eine wichtige Rolle zu. In der aktu-
wird. Gehen wir davon aus, jemand möchte eine solche CAD-Datei
ellen postindustriellen Revolution wird die Massenproduktion von
öffentlich bereitstellen. In einem demokratisierten Designsystem –
der persönlichen Produktion vom Wohnzimmer aus abgelöst. Dies
nennen wir es ruhig Open Design – verschwimmen so die Rollen
kann erfolgen über Open-Source-Produktionsmaschinen wie etwa
zwischen Designer, Hersteller, Vermarkter und Kunde, was eine
Makerbot.com, über Online-Dienste wie i.materialise.com, über
Neudefinition dieser Begriffe sinnvoll erscheinen lässt.
Produktionsnetzwerke wie makerfactory.com oder cloudfab.com.
Schon die Bereitstellung dieser Datei macht dies offensichtlich.
Plattformen wie Ponoko.com und Shapeways.com bieten gleich-
Plattformen wie Thingiverse.com, Ponoko.com oder Shapeways.
zeitig auch Vermarktungsmöglichkeiten für die persönlich ge-
com sind Online-Plattformen, die gezielt auf den Tausch von Pro-
stalteten und eventuell auch produzierten Designs. Dadurch ver-
duktionsdateien für physische Waren ausgelegt sind. Wird die Da-
schwimmen die Grenzen zwischen Designer, Kunde, Hersteller und
tei unter entsprechender Lizenz bereitgestellt, kann sie von jeder
Vermarkter vollkommen. Der Begriff des Prosumers, also die Mi-
und jedem heruntergeladen und beliebig manipuliert werden. Das
schung aus Producer und Consumer hat sich dafür durchgesetzt.
ist somit der Ausgangspunkt für ein kollektives bzw. evolutionäres Design, bei dem unterschiedlichste Co-Designer, wobei Designer hier eher als Akteure zu sehen sind, an einem Design arbeiten und sich gutes Design automatisch durchsetzt, da es häufiger manipuliert und verbessert wird. Dieses System führt, wie auf Thingiverse.com bereits gut ersichtlich, zu Mashups aus mehreren, bereits gut funktionierenden Teilen. Aus diversen Gründen erfolgt die Erstellung von CAD-Files vermehrt durch eigens dafür erstellten Programmcode anstatt mittels fertiger Software und Maus. Je nach Ausformung wird diese Art der Gestaltung als Generatives Design, Parametrisches Design oder Creative Coding bezeichnet. Der Programmierer ist dabei gleichzeitig Designer und sein Code definiert nicht eine Produkt-
“
JEDE MÖGLICHE FORM VARIANTE IST FUNKTIONAL, PRODUZIERBAR, ÄSTHETISCH ANSPRECHEND UND WIRTSCHAFTLICH SINNVOLL.
” Hannes Walter
Seite 25
Creative Industries Convention 2011
Markus Beckedahl / Andrea Goetzke
Fortsetzung von Seite 23
Markus Beckedahl/ Andrea Goetzke
OPENWEAR.ORG Pamoyo unterstützt auch die Open-
ckeln können. Mithilfe von Fritzing
wear-Community. Openwear ist eine
soll es auch möglich sein, PCB-Layouts
Plattform, die mit neuen kollaborati-
für eine professionelle Herstellung zu
ven und offenen Ansätzen in Design,
schaffen; gleichzeitig dient die Platt-
Produktion und Vertrieb von Mode ex-
form als mögliches Anwendungssze-
perimentiert. Openwear hat dazu eine
nario, um Elektronik anschaulich zu
eigene Lizenz formuliert, die den CC-
unterrichten.
Lizenzen ähnlich ist, zusätzlich aber auf die Schaffung einer offenen und
Software und Plattformen zur Doku-
kollaborativen Openwear-Marke ab-
mentation, zum Teilen und zur kol-
PAMOYO.COM
zielt. So ist z.B. die Verpflichtung zur
laborativen
Die Ideen von Open Design bringt
Veröffentlichung eines abgewandelten
Entwürfen für Objekte, Hardware
das Berliner Label Pamoyo in die Mo-
Entwurfs in der Openwear-Commu-
und Mode sind wichtige Werkzeuge im
dewelt. Das Ziel ist, nachhaltig pro-
nity Teil dieser spezifischen Vereinba-
Open-Design-Prozess. Vieles ist hier
duzierte Mode nach frei lizenzierten
rung (siehe http://openwear.org/info/
noch in der Entstehung. Solche Soft-
Mustern und Designs zu schaffen. „live
license). http://fashionreloaded.com/
ware-Tools und Plattformen sollten
green, look good“ ist dabei der Slogan
Weiterentwicklung
von
zum einen die Dokumentation eines
von Pamoyo, die mehr sein wollen als
ARDUINO.CC
Plans zur vollständigen Reproduzier-
nur ein Label. „Wer gerne selber hand-
Das Arduino-Projekt wird unter Desi-
barkeit ermöglichen, aber auch die Er-
werklich loslegen will, kann Muster
gnern und Künstlern immer beliebter.
stellung abgewandelter Entwürfe er-
und Erläuterungen bekommen, um den
Die Plattform besteht aus Hard- und
lauben sowie auch möglicherweise die
eigenen Lieblings-Pamoyo-Style selbst
Software und wird als Open-Source-
jeweiligen Autorenschaften verwalten
herzustellen, z.B. indem das gelieb-
Projekt seit 2001 weiterentwickelt.
können (welche Veränderung wurde
te abgetragene T-Shirt, ohne das man
Kernkomponenten sind ein einfacher
von welchem Nutzer hinzugefügt).
nicht leben möchte, wieder zu neuem
Mikrokontroller, der mit einer recht
Leben erweckt wird“, beschreibt das
einfachen
Label einen Teil seiner Motivation. Ziel
angesteuert werden kann. Während
Einen weiteren Ausblick auf zukünf-
ist der Aufbau einer Community aus
die Entwicklungsumgebung unter der
tige Trends bietet das MakerBot-
Designern und allgemein stilbewuss-
GNU-GPL lizenziert wurde, ist das
Projekt.
ten Menschen mit Interesse an der Phi-
Hardware-Design unter der Creative
produziert einen Open-Source-Rapid-
losophie von Offenheit und Nachhal-
Commons Sharealike-Lizenz veröf-
prototyping-3D-Drucker. Mit diesem
tigkeit. http://flexiblestream.org/
fentlicht, die weitgehende Freiheiten
ist es möglich, zu erschwinglichen
gewährleistet, und die CAD-Files kön-
Preisen Kunststoffteile bis zu 10 x 10 x
Den Menschen hinter Pamoyo geht es
nen weiterentwickelt und getauscht
15 cm herzustellen und somit Entwürfe
bei der Verwendung von CC-Lizenzen
werden.
in 3D in Kunststoff auszudrucken. Die
Entwicklungsumgebung
für ihre Schnittmuster u.a. um die An-
MAKERBOT.COM
Die
gleichnamige
Firma
MakerBots werden als Bausätze ver-
erkennung und Sichtbarmachung des
Arduino-Produkte werden intensiv an
trieben (und sind übrigens auch selbst
kreativen Prozesses, der lange vor mir
Kunsthochschulen genutzt, um inter-
Open Design, d.h., sie werden ständig
als Designer anfängt und mit der Fer-
aktive Installationen zu schaffen, und
von einer Community weiterentwi-
tigstellung meines Entwurfs noch lange
auch die Hacker-Community hat das
ckelt). Rund um die 3D-Druck-Tech-
nicht abgeschlossen ist. Durch weitere
Projekt schnell angenommen und dazu
nologie hat sich eine große Community
Aktivitäten wie z.B. Kleidungs-Up-
beigetragen, dass es über die vergange-
gebildet, die ihre Designs austauscht
cycling-Events sollen die Nutzer wie-
nen Jahre so erfolgreich wurde.
und die Technologie weiterentwickelt.
der mehr auch selbst zu Produzenten
Die zum Unternehmen dazugehörige
werden. Ist es die Rolle des Designers,
FRITZING.ORG
Plattform Thingiverse bietet Nutzern
fertige Produkte zu entwerfen und zu
Aufbauend auf Arduino entwickelt
die Möglichkeit, ihre Dokumentatio-
liefern, oder eher, den Menschen in
das Fritzing-Projekt an der Fachhoch-
nen und Rohdaten zu publizieren und
seiner ästhetischen Arbeit zu unter-
schule Potsdam eine Software und eine
diese gemeinsam weiterzuentwickeln.
stützen und zu beraten und mit seinen
Community, mit deren Hilfe Nutzer
Entwürfen zu eigener Kreativität zu
Prototypen dokumentieren, teilen und
inspirieren?
dann auch gemeinsam weiterentwi-
weiter auf Seite 27
Seite 26
Creative Industries Convention 2011
BIOGRAFIE Yochai Benkler ist Juraprofessor an der Harvard Law School. Er beschäftigt sich unter anderem in seinem Buch „The Wealth of Networks“ und in dem Aufsatz „Coase’s Penguin“ mit Fragen der Netzwerkproduktion und des Urheberrechts.
Yochai Benkler
Foto: http://www.flickr.com/Fotos/joi/538158535/
INNOVATION KOMMT AUS ALLEN RICHTUNGEN
Die neuen Produktionsweisen stellen auch traditionelle Geschäftsmodelle infrage, die auf dem Copyright basieren. Wo kommt Peer-Produktion dem Copyright ins Gehege? Benkler: Grundsätzlich geht Copyright davon aus, dass es ein Geschäftsmodell gibt, mit dem aus der Produktion von Information und Kulturgütern Nutzen gezogen werden kann. Dieses Modell basiert auf Exklusion und der Bezahlung kultureller Güter. Das ist aber bei Weitem nicht das einzige Modell.
RELATED LINKS
ein Geschäftsmodell noch proprietäre
Zwei Drittel der Umsätze der Software-Industrie
benkler.org
Rechte, um an der Kulturproduktion
werden etwa mit Dienstleistungen generiert, die nicht
teilzunehmen. Das hat zu vielfältigen
vom Copyright abhängen. Im Musikgeschäft machen
Perspektiven und Ausdrucksweisen ge-
vorwiegend die Labels ihr Geld mit Copyright. Musi-
führt, zu einer neuen Form der Volks-
ker verdienen ihr Geld weitgehend mit Live-Auftrit-
kultur.
ten, die mit Copyright nichts zu tun haben. Als Peerto-Peer-Netzwerke das System der Kopie ins Wanken
Wie haben die neuen gemeinschaftlichen Produktionsweisen die Kultur
Welche Auswirkungen hat das auf die
brachten, geriet die Tonträgerindustrie in die Krise.
verändert?
Wirtschaft?
Die Künstler haben heute mehr Möglichkeiten als je
Benkler: Das Feld der Leute, die an
Benkler: Innovation kommt heute
zuvor, sie können machen, was sie wollen, und verdie-
der Produktion von Information und
aus allen möglichen Richtungen. Zu-
nen ihr Geld mit Konzerten oder entwickeln andere
Kulturgütern mitwirken können, hat
vor kamen Innovationen vorwiegend
Möglichkeiten.
sich radikal erweitert. Das industriel-
aus Unternehmen und waren markt-
le Modell der Informationsproduktion,
getrieben. Heute sehen wir, dass wich-
Der hier wiedergegebene Text ist Auszug aus einem
das im 19. Jahrhundert begonnen hat,
tige Innovationen von der Peripherie
längeren Interview, das im September 2008 am Rande
setzte hohe Kosten für die Produkti-
kommen. Zum Beispiel Wiki-, Blog-
der Ars Electronica in Linz stattfand und auch in der
on und den Vertrieb kultureller Güter
ging- und Peer-to-Peer-Software. In-
ORF Futurezone veröffentlicht wurde.
voraus. Mit der gesteigerten Mobilität
novationen finden heute nicht mehr nur
und dem Rundfunk wurden auch die
innerhalb eines Unternehmens oder
Vertriebsmöglichkeiten erweitert. Es
innerhalb der Grenzen des Copyright-
haben sowohl die Kosten als auch die
und Patentsystems statt. Sie entwi-
Reichweite zugenommen. Wer genü-
ckeln sich aus sozialer Interaktion und
gend Kapital hatte, um ein effektives
Zusammenarbeit.
Produktions- und Vertriebssystem zu schaffen, konnte auch bestimmen, wer
Für Unternehmen entsteht so eine neue
was zu wem mit welcher Autorität sagt.
Konkurrenz. Die Musikindustrie muss sich etwa mit Peer-to-Peer-Filesha-
Das Internet hat zu einer Inversion der
ring auseinandersetzen. Gleichzeitig
Kapitalstruktur geführt. Wir haben
entstehen für Unternehmen auch viele
heute eine Milliarde Menschen, die
Gelegenheiten. So hat sich Google etwa
über die Mittel verfügen, Informatio-
Blogger einverleibt. Auch Googles Sei-
nen zu produzieren, zu speichern und in
terank definiert Relevanz in erster Li-
Umlauf zu bringen. Die neuen produk-
nie dadurch, was für die Leute inter-
tiven Gemeinschaften brauchen weder
essant ist.
“
WIR BEFINDEN UNS IN DER MITTE EINES TECHNOLOGISCHEN, ÖKONOMISCHEN UND ORGANISATORISCHEN TRANSFORMATIONSPROZESSES, DER UNS DIE NEUDEFINITION VON FREIHEIT UND PRODUKTIVITÄT IN DER WISSENSGESELLSCHAFT ERLAUBT.
” Yochai Benkler
Seite 27
Creative Industries Convention 2011
Fortsetzung von Seite 25
Markus Beckedahl/ Andrea Goetzke Foto: http://www.gutestun.com/copyme/?p=88 by GUTESTUN production Berlin
Die Entwürfe auf der Thingiverse-
Sie
Plattform stehen unter CC-Lizenzen.
* ermöglicht eine ständige Verbesse-
Hier wird mit den neuen Möglichkei-
rung der Töpfe und Materialien – und
ten des 3D-Drucks experimentiert und
damit der Arbeitsgrundlage für alle
die Erstellung von abgewandelten und
Beteiligten;
technisch verbesserten Arbeiten oft-
* gibt vielen Menschen und eine Idee,
mals eindeutig erwünscht. Je mehr Per-
im Kompostier-Business zu arbeiten;
sonen sich mit einem Entwurf beschäf-
* bekämpft das Müllproblem in Indien
tigen und probieren, wie man ein Objekt
auf wesentlich breiterer Basis.
technisch besser herstellen kann, umso
Und trotzdem wird sie immer noch ge-
ausgereifter kann eine Druckvorla-
nügend Arbeit auf lokaler Ebene haben.
“
OPEN DESIGN IST GEKOMMEN, UM ZU BLEIBEN
”
ge letztendlich werden. Gleich auf der Startseite gibt es hier z.B. die Kategorie
Aber auch in andere Communities
„Newest Derivatives“.
dringt der Open Design-Gedanke im-
Markus Beckedahl
mer weiter vor. OpenDrawCommunity DAILYDUMP.ORG
möchte einen gemeinsamen Pool zur
Ein anschauliches Beispiel, welches
Erstellung von Modellbahn-Ätzvorla-
Die Beispiele zeigen, dass CC-Lizenzen aus verschie-
CC-Lizenzen für Open Design in der
gen schaffen, die zur privaten Nutzung
denen Motivationen heraus und in ganz verschiede-
Praxis anwendet, kommt von einem
unter einer Creative Commons-Lizenz
nen Einsatzfeldern im Bereich des Designs physi-
kleinen Unternehmen aus Indien. The
zur Verfügung gestellt werden können.
scher Objekte verwendet werden. Die einen teilen ihre Entwürfe zusätzlich zur herkömmlichen lokalen
Daily Dump bietet Kompostier-Behälter aus Terracotta an sowie umfängliche
EN.WIKIPEDIA.ORG/WIKI/FABLAB
Produktion, als Inspiration für andere, zur eigenen
Info-Materialien zum Thema Kompos-
Anders als bei Open-Source-Soft-
Promotion, um vielleicht neue Kontakte darüber zu
tierung. Das gesamte Geschäftsmodell,
ware, an der jeder mit einem Rechner
knüpfen etc. (wie im Fall von Ronen Kadushin oder
Entwürfe der Töpfe, Info-Materialien
zu Hause arbeiten kann, erfordert die
dem Modelabel Pamoyo). Andere streben gezielt eine
als auch Material im Geschäftsprozess
Produktion von Design-Objekten im-
Verbesserung eines Entwurfs durch kollaboratives
wie Schürzen etc., ist unter CC-Lizenz
mer Material und vielfach spezifische
Arbeiten an, wie im Fall vieler 3D-Print-Designer
offen im Netz verfügbar. Interessen-
Werkzeuge, von Lötkolben und Näh-
oder Arduino-Hacker. Grundlegend kollaborativ
ten können mit den Materialien expe-
maschine bis zu Laser-Cutter und
angelegte Design-Projekte, wozu man vielleicht den
rimentieren; bei der Eröffnung eines
3D-Drucker. Mit der Open Design-
MakerBot zählen könnte, sind noch nicht so verbrei-
eigenen Geschäfts und offizieller Ge-
Bewegung sind somit in den letzten
tet. http://odc.betahaus.de/
schäftsbeziehung soll dann ein Vertrag
Jahren auch Orte entstanden, an denen
mit dem Mutterunternehmen gemacht
Werkzeuge gemeinschaftlich genutzt
Noch sieht man erste Schritte und die Pioniere erzie-
werden. http://www.thingiverse.com/
werden können. In vielen Ländern der
len zusätzliche Aufmerksamkeit durch einen kleinen
Welt gibt es mittlerweile sogenannte
übersichtlichen Markt. Aber für immer mehr junge
Wenn die Unternehmung damit Erfolg
Fab Labs, die Werkzeuge zur Produk-
Designer wird die Philosophie hinter Open Design,
hat, dann kann sie wesentlich mehr be-
tion von Open Design-Objekten zu-
das Teilen und Zusammenarbeiten, eine Selbstver-
wirken als ein kleines einzelnes Kom-
gänglich machen. Ein Beispiel ist Open
ständlichkeit sein. Open Design ist gekommen, um
postiergeschäft.
Design City in Berlin.
zu bleiben.
Seite 28
Creative Industries Convention 2011
Georg Russegger
BIOGRAFIE Georg Russegger ist Entwickler, Kurator, Medien- und Kommunikationswissenschaftler und als Künstler unter dem Alias Grischinka Teufl aktiv und arbeitet und lebt in Wien und Tokyo. Aktuell ist er als Scientific Manager an der Kunstuniversität Linz (INTERFACE CULTURES) tätig.
Georg Russegger ALEATORISCHE ENTWURFSMODELLE Design verstehe ich in dem gegebenen Zusammen-
Verstärkt werden computerisierte und
hang als einen künstlichen Prozess (Poiesis) des
automatisierte Systeme eingesetzt, um
Entwerfens und Hervorbringens von möglichen
die menschliche Produktivität vor al-
Wirklichkeiten. Wobei „Künstlichkeit“ hier nicht in
lem auf die Bereiche des Erfindens- und
Abgrenzung zu „Natürlichkeit“ gesetzt ist, denn die-
Entwerfens zu beziehen. Dazu werden
se Unterscheidung ist in dem hochkomplexen, neu-
smarte, das heißt kluge, schlaue, geist-
ronalen Erfindungsnetzwerk wie dem menschlichen
reiche, gewitzte, gewandte, elegante
Gehirn nicht so einfach zu treffen. Ausgehend von
bzw. findige Methoden ausprobiert,
Herbert A. Simon befassen sich Ingenieurswesen,
entwickelt und angewandt, um die um-
SMARTJECT
Medizin, Ökonomie, Architektur und Kunst nicht mit
gebende Komplexität, die sich durch
Notwendigkeiten, sondern mit Kontingenzen, also
computergestützte Betriebsysteme und
Zusammenhängen, die mit der Transformation von
Lebenswelten ergibt, auf erfinderische
Unwahrscheinlichem in Wahrscheinlickeiten und
Art und Weise nutzbar zu machen.
Hybridprogrammatik aus Subjektkultur und Artefaktmodifikationen, kooperativ gekoppelt in Projektdispositionen.
somit oft unter den Bedingungen aleatorischer Momente (Zufälligkeiten) operieren. Der Fokus in die-
Dieser Ausgangspunkt wird zwar
sem Kurzbeitrag richtet sich auf die Fragestellung,
prinzipiell durch die Verknüpfung von
wie Dinge sein können (Design), wobei insbesondere
menschlichen und nichtmenschlichen
auf die damit verbundenen menschlichen Fähigkei-
Kräften markiert, stellt aber eine Ver-
ten und Wissenskulturen verwiesen sein soll, die eine
schiebung der materialen Beziehungen,
sogenannte Offenheit als Funktionsweise für sich be-
Aufmerksamkeitsleistungen,
anspruchen.
senheitsmodellen und Kooperations-
Anwe-
relationen zwischen diesen Aktanten
SMARTIFACTS Semi-intelligente, multisensorisch vernetzte und teilautomatisierte Soft- und Hardwarehandlungsträger in medienintegrierten Interaktionsumgebungen und Informationskonfigurationen.
Ausgehend von der Grundlage eines soziokulturel-
dar, die nicht mehr sinnvoll in klassi-
len Alltags, welcher vermehrt in digital vernetzten,
schen Subjekt-Objekt-Unterscheidun-
multisensorischen, codifizierten und computerzen-
gen klassifiziert werden können. In
trierten Kommunikationsdispositionen und Inter-
der Reproduktion von Fähigkeiten und
aktionskulturen ausgehandelt wird, ist Komplexi-
nicht in der Replikation von Produkten
tätsdesign mehr denn je zu einer grundlegenden und
liegt der Grundstein der Fertigkeiten,
globalen Anforderung für Menschen geworden. Ko-
die in dem Paradigma von Open De-
RELATED LINKS
operationsmodelle zwischen Menschen und Maschi-
sign an Wichtigkeit gewinnen. Serge
datadandy.net
nen sind in diesen Daten- und Informationsstruktu-
Moscovici merkt dazu schon 1982 an,
ren nur aufrechtzuerhalten, wenn Zugänglichkeiten,
„das die Arbeitskraft von Fertigkeiten
Modifikationsmöglichkeiten und Eingreifbarkeiten
und Fähigkeiten modelliert wird, von
für Gemeinschaften und Projekte prinzipiell offen
einem Code, der ihr den Spielraum ver-
angelegt sind, um die damit verbundene Komplexität
schafft, in einem gegebenen Rahmen
auf Dauer handhabbar und entwickelbar zu halten.
zu funktionieren“.
weiter aus Seite 30
Seite 29
Creative Industries Convention 2011
Pre Bettis
RELATED LINKS brepettis.com
BIOGRAFIE
Bre Pettis
Bre Pettis ist Unternehmer, Videoblogger und Gründer von MakerBot Industries. Bre Pettis ist auch des Weiteren bekannt für DIY-Video-Podcasts für MAKE und für den History Hacker-Pilotfilm auf dem History Channel. Er ist einer der Mitbegründer des in Brooklyn beheimateten Hacker-Spaces NYC Resistor. Foto: Patrick Dax
DIE ZUKUNFT DER HEIMARBEIT
In einem Interview für CNN redeten Sie über die Demokratisierung der Produktion – könnten Sie uns erläutern, was Sie persönlich damit meinen? Es ist unsere Mission mit dem MakerBot, die breite Masse mit Produktionstools auszustatten. Unser Engagement gilt der Unterstützung kreativer Leute
Foto: Scott Beale / Laughing Squid
bei allem, was sie produzieren möchten. Ursprünglich programmierten wir 3D-Printer, damit wir uns selbst einen 3D-Printer leisten konnten, und dann beschlossen wir, 3D-Printer zu produzieren, damit jeder einen haben kann. MakerBot ist ein Riesenerfolg – wer kauft diese Maschine? Das ist gemischt. Zumeist sind das Programmierer und Techniker, aber genauso bastelnde Mütter und
EINE KLEINE MASCHINE, ... ... nicht größer als ein Mikrowellenherd, die alle gewünschten Teile, die man im täglichen Leben so braucht, herstellen kann – klingt wie aus einem Zukunftsroman. Doch heute können wir schon sehen, was in absehbarer Zukunft in vielen Haushalten selbstverständlich sein wird. Bei Star Trek mit dem Replikator noch ein idealistisches Gedankenexperiment, bei dem Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarf „repliziert“ werden, sind seit 3 Jahren Projekte in der DIY- und Bastler-Szene entstanden, die uns einen großen Schritt dieser Zukunftsvision näher bringen.
Familienväter, also ganz normale Leute, die ihrer Zeit einfach ein bisschen voraus sein möchten. Wie verwenden die Menschen ihn in ihrem Geschäft – oder erschließen die Leute durch die Verwendung des MakerBots neue Geschäftschancen? Die meisten Leute verwenden einen MakerBot ganz privat und um Dinge für den Eigenbedarf herzustellen, doch eine Menge Leute verwenden einen MakerBot geschäftlich. Ich habe es am liebsten, wenn Leute sich ein Produkt einfallen lassen und es verkaufen. Ich habe schon alles Mögliche gesehen – von Kamerazubehör bis hin zu iPod-Docks. Man verwendet ihn auch zur Herstellung von Teilen für andere 3D-Printer wie den RepRap und verkauft dann diese Teile auf eBay. Darüber hinaus verwendet man ihn auch in Designshops zur Herstellung von Prototypen für in Massenproduktion hergestellte Dinge. Bre Pettis im Gespräch mit Gerin Trautenberger.
Ein fertiger Bausatz kann online bestellt werden und mit einfachen Handgriffen zu Hause zusammengebaut werden. Der Gründer Bre Pettis beschreibt die Idee: „Wir möchten die Produktion demokratisieren ... und deswegen haben wir den MakerBot-Bausatz entwickelt … es geht darum, Dinge selbst produzieren zu können“. Bre Pettis erklärt in einem anderen Interview auf der Internetseite von shapeways die Unterschiede zu den beiden anderen vergleichbaren Projekten: „Der Hauptunterschied zwischen einem MakerBot Cupcake CNC und einem RepRap ist der für seine Herstellung nötige Zeitaufwand. Das RepRap-Projekt ist ein akademisches Forschungsprojekt. Daher kann es Monate dauern, bis man alle Materialien beisammen hat und einen RepRap zusammengebaut hat. Und dann ist noch viel Experimentieren nötig, bis er endlich Ausdrucke erstellt. Der MakerBot Cupcake CNC ist ein Bausatz, den man mit einem Freund an einem Wochenende zusammenbauen kann. Anschließend kann man gleich Objekte ausdrucken.“ Neben dem kommerziellen Vertrieb des MakerBot-Bausatzes betreiben die Gründer von MakerBot auch eine Platform für den Austausch von 3DEntwürfen – Thingiverse. Mit diesen Projekten rückt die Idee der unabhängigen Selbstversorgung in greifbare Nähe. So kann eine Manufaktur in den eigenen vier Wänden aufgebaut werden und mit der überschüssigen Zeit und den verbliebenen Ressourcen können wir zusätzlich auch Aufträge für andere fertigen.
Seite 30
Creative Industries Convention 2011
Georg Russegger
Georg Russegger
“ KOMPLEXITÄTSDESIGN IST MEHR DENN JE ZU EINER GRUNDLEGENDEN UND GLOBALEN ANFORDERUNG FÜR MENSCHEN GEWORDEN.
Fortsetzung von Seite 30
”
Diese an die heutige Zeit angepasste Open-SourceCodierung von Fähigkeitsmodellen und Arbeits-
Georg Russegger
methoden wird verstärkt in projektbezogenen Entwurfsumgebungen (vgl.: Flusser 1989, Faßler 1999) so transformiert, dass eigene Fähigkeiten der Projekt-
überführt werden. Diese prinzipiel-
nehmer kommunikativ, kooperativ und normativ an-
le Verformbarkeit stellt eine wichtige
schlussfähig und zugänglich, im Sinne einer Aufbe-
Grundlage für die Weiterentwicklung
reitung von Designprozessen, Produktionsabläufen
und das Schaffen von dynamischen
und Fertigungsverfahren, als Open-Cast Program-
Normen und Standards dar. In der
matiken wirksam werden.
jüngeren
medienevolutionären
Ent-
wurfsgeschichte des Menschen stellt Diese grundlegend hochdynamischen Kooperatio-
der Wandel von hoch standardisierten
nen und Koorganisationen in Projektgemeinschaften
Entwurfsprozessen hin zu normativen,
gehende Kontrollverluste kreuzgelesen
werden in kurz- und mittelfristigen Modellierungen
aber offen-programmierbaren Syste-
werden können, gewinnen in diesem
von Informations- und Entwurfsprogrammen zu-
men einen grundlegenden Paradig-
Kontext
sammengestellt, um in Materialzusammenhängen
menwechsel in Designprozessen dar.
weil durch die ludische Wende (Ludic
konzentriert zu werden. Projektsinn wird jeweils in
deswegen
an
Bedeutung,
Turn) im Erfindungsprozess, die mit-
Bezug auf das Know-how der Projektgemeinschaf-
Im
Beobachtung
tels Spielens bzw. Ausprobierens eine
ten als offen (veränderbar, adaptierbar, verschaltbar,
steht eine (Über-)Lebensform, die ich
prinzipielle Fehlerfreundlichkeit und
transformierbar, usw.) gesetzt und ist in seiner An-
Smartject nenne. Als soziokulturel-
Modifikationsdynamik in den Pro-
passungsfähigkeit einem standardisierten Produkti-
ler Programmhybrid aus biologisch-
duktionsprozessen von Open Design
onsprozess, wie er aus klassischen Produktionsum-
neuronalen und technisch-medialen
fordert, eine nicht neue, aber neu zu
gebungen bekannt ist, entgegengesetzt, weil er von
gekoppelten Körpern bedient es sich
bewertende
heterogenen Befähigungen und Techniken einzelner
kultureller Betriebssysteme unter der
Vormarsch ist. Hierbei spielt der Zu-
Projektmitglieder getragen wird. Gestalt(ung), Form
Methode des Selbst-Designs. Dieser
fall, wie in allen kreativen Prozessen,
und Funktion, bezogen auf designende Entwurfs-
Selbst-Entwurf findet in interaktiver
eine immer wichtigere Rolle. Oder wie
weisen, lassen sich hierbei nicht von den technisch-
Verschaltung von semi-intelligenten
es Klaus Mainzer ausdrückt: In der
medialen Formen der Software, die dabei zu Cul-
Handlungsträgern (Smartifacts) und
Wechselwirkung zwischen Zufällig-
tureware wird, abgrenzen. Dies legt nahe, das wir
multisensorisch-mechatronisch gekop-
keit und Redundanz wird Kreativität
„Open- Source-Intelligence“ (Stalder, Hirsh 2002) in
pelten Programmen statt. Für Smart-
und Innovation ermöglicht (Mainzer,
Form eines Komplexitätsdesigns und Informations-
ject ergeben sich dadurch zwangs-
2007). Diese Zufallsgeneratoren wer-
designs, in den damit verbundenen Wissenskulturen
läufig neue Rahmenbedingungen und
den zeigen, ob ein Open-Design-Para-
anwenden.
Anhaltspunkte von Produktivität und
digma das künstliche Einführen von
Zentrum
dieser
Innovationsklausel
am
Lebensplanung, die erst im Laufe der
Perspektivenwechsel auslösen und so-
des
Zeit in Konventionen und Werte trans-
mit zur konstruktiven Weiterentwick-
Moddrs, welcher in Modifikationskulturen anhand
formiert werden. Diese Werte unter-
lung und für das Ausloten toter Winkel
von computergesteuerten Entwurfs- und Produk-
liegen jedoch nicht zwangsläufig einer
in Designprozessen angewandt werden
tionsumgebungen existierende Gestaltungsmodelle
Logik bzw. einer Kausalität, sondern
kann. Für die Begriffsrahmung eines
und -systeme modifiziert und erweitert, aber auch
werden immer mehr als biographische
Open Design gilt derzeit: Kooperati-
umbaut und entgegen der Ursprungsbestimmun-
Szenographien wirksam, die mittels
onsoffene und aleatorische Prozesse so
gen anwendet, eine wichtige Position in der Open-
des Blickes eines Spielers auf sein Spiel
zu gestalten, dass es zu einer maxima-
Design-Prototypisierung
der
zu verstehen sind und dessen Spielre-
len Zugänglichkeit der (In-)Formati-
Weiterentwicklung von existierenden Generationen
geln dabei, je nach Anforderung und
onsangebote kommt, welche gekoppelt
technischer, sozialer und kultureller Codes werden
Wunsch, laufend transformiert werden.
mit Modellierungen nutzbarer Kom-
existierende Entwürfe so transformiert, dass sie als
Aleatorische Momente und Situatio-
plexität global anschlussfähige Kom-
eine Rekonfiguration von bestehenden Angebots-
nen, die als Synonym für kombinatori-
munikationen und somit neue Erfin-
leistungen in neuartige Versionen bzw. Varianten
sche Zufälligkeiten und damit einher-
dungsgrundlagen erzeugen.
Hierbei
erscheint
die
Begriffsbestimmung
einzunehmen.
Mit
Seite 31
Creative Industries Convention 2011
Mark Frauenfelder
BIOGRAFIE Mark Frauenfelder ist Blogger, Illustrator und Journalist. Er ist Gründer und Chefredakteur der Zeitschrift MAKE und
Mark Frauenfelder
Mitherausgeber des kollaborativen Weblogs Boing Boing.
DO IT YOURSELF INNOVATION
RELATED LINKS boingboing.net makezine.com
Seit ein paar Jahren steht DIYern eine Unzahl von neuen Tools
Irgendwann werden 3D-Printer im Haushalt und im Büro genauso
und Services zur Verfügung, mit denen sie die Dinge, die sie selbst
alltäglich sein, wie Laserdrucker das heute schon sind. Doch bis es
herstellen, designen, prototypisieren, finanzieren, produzieren und
so weit ist, sind Webseiten wie ponoko.com und shapeways.com das
verkaufen können. Die meisten dieser Tools sind entweder kosten-
3D-Pendant für Desktop-Publishing-Dienste. Gegen ein geringes
los oder äußerst günstig, was auf eine Zukunft hindeutet, in der
Entgelt können Sie Ihr 3D-Design ponoko.com und shapeways.com
Einzelpersonen oder kleine Kollektive realisierbare Alternativen
schicken und sich von diesen Onlinediensten ein Modell aus Plas-
zu Massenprodukten anbieten werden.
tik, Metall oder einem anderen Material ausdrucken lassen. Diese Dienste werden Ihr Produkt bei Bedarf auch in Produktion nehmen
Als ich 1985 bei Memorex als Harddisk-Konstrukteur arbei-
und es rund um den Erdball interessierten Kunden verkaufen.
tete, designte ich einzelne Komponenten mit Papier und Bleistift auf dem Zeichenbrett. 1986 installierte das Unternehmen dann ein
Die meisten DIY-Produkte werden aus der eigenen Tasche finan-
CAD/CAM-System, das Zigtausende Dollar pro Arbeitsplatz koste-
ziert. Doch Garagenunternehmer mit größeren Ambitionen können
te, plus eine Extragebühr für jede Minute, in der irgendjemand die
überdies Webseiten wie kickstarter.com nutzen, auf denen DIY-
Software benutzte.
er Finanzierungsanfragen für ihre Projekte posten können. Die nächste Phase des Crowdfunding wird wohl von Wertpapierange-
Heutzutage sind 3D-Designprogramme wie Google SketchUp,
boten in kleinerem Umfang getragen werden, bei denen einzelne
Blender und Alibre PE nicht nur viel leistungsfähiger als die Soft-
Investoren ihren Anteil an der Rendite finanziell erfolgreicher Pro-
ware, die ich vor 25 Jahren benutzt habe, sondern auch viel billiger.
jekte erhalten.
(Alibre PE kostet $ 99 und Google SketchUp und Blender sind kostenlos.) Heute verwenden DIYer diese Programme, um alles Mög-
Und zu guter Letzt hat sich das Internet selbst zum großen Aus-
liche zu designen – von Fahrrädern und Hühnerställen bis hin zu
löser für Do-it-yourself-Innovation gemausert. Es ermöglicht Inte-
Einzelteilen von Modellraketen. Und auf Webseiten wie thingiver-
ressensgemeinschaften, miteinander zu kommunizieren, was die
se.com, wo andere ihre Designs downloaden, sie modifizieren und
Entwicklung von Designvorhaben aller Art, seien das nun selbst
anhand der Vorlagen ihre eigenen Versionen eines Produkts kreie-
gebastelte unbemannte Flugdrohnen oder Zigarrenschachtelgitar-
ren können, teilen sie ihre 3D-Designs.
ren, immens beschleunigt. Darüber hinaus dient das Internet als indizierter Megastore mit einem Überangebot an Produkten aller
Und auch die Tools, die sie zur Herstellung dieser Objekte ver-
Art, in dem sich beinah alles, was das Herz begehrt, googeln lässt.
wenden, werden immer billiger und leistungsfähiger. Können Sie
Im 19. Jahrhundert stellten die Menschen den Großteil der Din-
sich noch an die Zeit erinnern, als Laserdrucker, die heute $ 100
ge, die sie verwendeten, selbst her – Möbel, Kleidung, Unterkunft,
kosten, $ 10.000 gekostet haben? Bei Produktionsgeräten verläuft
Nahrung. Wir erleben vielleicht die Rückkehr zu einer Welt, in der
der Trend ganz ähnlich. Low-End-Lasercutter kosten ungefähr $
der Einzelne wieder viele Dinge für den täglichen Gebrauch selbst
7.000, vor ein paar Jahren noch $ 20.000. Und 3D-Printer wie der
herstellt, doch wird er mit vielen anderen innovativen Individuen
Thing-O-Matic von MakerBot Industries (eine Rapid-Prototyping-
rund um den Erdball vernetzt sein, die ihm bei der Realisierung
Maschine, die Objekte aus dem Kunststoff, aus dem Legosteine ge-
seiner Ziele behilflich sind.
macht sind, ausdruckt) gehen für $ 1.200 über den Ladentisch.
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Creative Industries Convention 2011
Manfred Faßler Fortsetzung von Seite 14
3.
4.
Manfred Faßler
Ist das Verrat an der Online-
nen. Gelingen konnte dies, weil die
Allmende? Nein. Wenn entwerfen-
Zeiten der Gesellschaftsfunktionen,
den Netznutzern etwas an kreativem
der Entwürfe und die Zeiten des Woh-
Reichtum der Uneinheitlichkeit liegt,
nungskonsums sich nicht in die Quere
können sie sich nicht allein auf Open-
kamen. Design lebte von diesen sehr
ness beziehen. Täten sie dies, bliebe
gedehnten, einander fremden oder fer-
Nicht auszuschließen ist, dass
allenfalls eine Art Design per Zufall,
nen Ungleichzeitigkeiten. Design hatte
Open Design eine reale, aber virtuelle
Design per Häufigkeit der Clicks. De-
seine eigene Zeitökonomie, obwohl es
Wolke des kognitiven Kapitalismus (T.
signer als Clickworker? Möglich, dass
marktabhängig war. Gerade diese ist
Negri; Y. Boutang-Moulier) ist. Also:
dies manche so denken. Für mich ist
weggebrochen. Über Openness zu re-
Wie ist OFFEN? Für was? Nichts ge-
die gestalterische, künstlerische, äs-
den, ohne diesen Kollaps der Zeit- und
gen eine Offenheit jenseits und auch
thetische, poetische, funktionale Ent-
Wahrnehmungsgrenzen zu bedenken,
gegen überlieferte Hierarchien, Insti-
scheidung für eine Gestalt(ung) nicht
ist nicht nachzuvollziehen.
tutionen und Machtgefüge. Erst recht
nur mehr als das. Es ist anderes. Es ist
nicht, wenn es um Online-Strukturen,
gewollte und begründete Unterschei-
um Online-offline-Habitate geht, um
dung gegen das Ego-Consuming des
nachbarschaftliches Netz-Handeln, um
Netzkuchens. Möglich, dass die Nut-
die Intelligenz der Zusammenhänge /
zung von Ereignissen und Produktfor-
in Zusammenhängen. Aber genau das
maten des Web 2.0 cool ist, zumindest
ist in den Seiten, Foren, Blogs zu Open-
kühler als die überklimatisierten Malls
ness, die ich betrachtet habe, nur sehr
und schweißtreibenden Style-Läden.
selten zu finden. Ich nehme an, dass
Aber Konsum ist kein Design, nur weil
sich dies in den über hundert Millio-
Design den Konsum fördert. Der Satz
nen Sites, in denen open design, open
enthält also keine Gleichung. Design
Das wird wohl nicht gehen, da ja die Entnahme von
access, open creativity, open whate-
ist eine Option, eine Erwartung; De-
Produkten aus dem offenen Zufallsmarkt die Le-
ver gefordert, erläutert, dargelegt, ge-
sign sind Milliarden Optionen und Er-
benszeit ins Spiel bringt. Wie kann also Design im
priesen wird – und die ich nicht habe
wartungen. Klar spielt jeder Entwurf
Spannungsfeld von offline – online gedacht werden?
durchgehen können –, fortsetzt. Wird
in der Weltliga des Versprechens, des
Design als Grenzgänger, im kooperativen Niemands-
Openness allerdings mit Kreativität
Scheins. Im Gegensatz zu den großen
land, oder als Mittler. Welche Zeitökonomien sind
verbunden, oder sogar mit irgendeiner
Wahrheiten und großen Erzählungen,
denkbar? Echtzeit / Lebenszeit oder Echtzeit = Le-
Variante von Design – überschreitet
die auf „Einmal Für Immer“ setzen,
benszeit oder Echtzeit + Lebenszeit oder Lebenszeit
also die Grenze der Maintenance und
ist Design „Immer Für Einmal“, für
- Echtzeit? Was verspielt wirkt, ist netzkultureller
moderierten Zugriffsrechte –, so geht
den Moment des verwendenden Kon-
Ernst. Wenn wir heute von User Generated Content
es nicht mehr vorrangig um Markt und
sums. Da dieser ein Wanderzirkus ist,
lesen, diesen betreiben und vertreten, sind wir Un-
Konsum. Dann muss das erfindende
Wanderkonsum, ändern sich Stile. Nur
terhändler komplexer Dynamiken, in denen der Kol-
und entwerfende Individuum nicht
so kann Design verschwinden und in
laps nicht alltäglich ist, aber die Krise des Regelungs-
nur sich von anderen unterscheiden,
neuer Gestalt wieder auftreten, oder,
und Entwurfsdenkens offensichtlich. Kennzeichen
sondern seinen Entwurf bezeichnend,
selten, zum Klassiker werden, jenseits
der Netzgegenwart ist nicht mehr Openness, sondern
einzigartig, auffällig machen. Und dies
des
Nutzungsverspre-
„Competing paradigms“ (Nina Lilian Etkins). Die
heißt: herausheben. Damit fädelt sich
chens. Keine Offenheit kann dies er-
Debatten um Wissen, Aufmerksamkeitsdefizite, Ver-
in die Openness-Forderung der Un-
setzen. Die Einzigartigkeit der Farb-,
blödung durch Netzwerke, Rettung von Gesellschaft
terschied als Marke ein. Möglich, dass
Form-, Funktions-, Bewegungs-, Nut-
(gebildeter, wohlinformierter, reflexionsfördernder
Community als eine Projekt-Marke
zungssetzung ist ein Doppelagent: Sie
Gesellschaft) sind diese Konkurrenzkämpfe. Es geht
innerhalb der FOSS-Strukturen an-
fordert zum Konsum eines Angebots
um Deutungshoheiten, um Ordnungsmuster, Leit-
gestrebt wird. Dies würde allerdings
auf, ist eventuell auch innerhalb sozi-
konzepte. Der Kampf um die virtuellen Topologien,
Community-Design erfordern – nicht
aler Schichten Träger von Statusvor-
um die politisch-ökonomischen Reichweiten ist im
so wie Second Life, allerdings von
teilen. Wichtiger aber ist, dass damit
vollen Gange, nicht erst dokumentiert durch den Cy-
der Geste ähnlich. Damit geht die
Wahrnehmungsänderungen hervorge-
ber-Angriff auf die Atom-Anlagen im Iran, die mit
Frage „WO ist OFFEN?“ zu „WIE ist
rufen, evtl. sozialpolitische Program-
Siemens-Software arbeiten. Und dies beeinflusst die
OFFEN?“ über. Oder zur Frage: Wer
me wie das architektonische Funktio-
Diskussion um Ästhetik und Pragmatik von Offen-
macht wo im Netz das Türchen zu, für
nalismus-Ideal von Licht-Luft-Sonne
heit erheblich.
wie lange und für wen?
der 1920er mit getragen werden kön-
anfänglichen
5. WIE ALSO SOLL MAN
SICH DESIGN IN ECHTZEIT VORSTELLEN? ZEITLOS?
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Creative Industries Convention 2011
BIOGRAFIE Ponoko nennt ich selbst „your personal factory“ und ist auch ein kleiner, aber wichtiger Hersteller von dreidimensionalen Produkten mit Sitz in Wellington, Neuseeland. Aufgrund seines einzigartigen Geschäftsmodells wurde dem Unternehmen beträchtliche Medienaufmerksamkeit zuteil. Ponoko ist einer der ersten Hersteller, der den Prinzipien von verteilter Produktion und On-demandProduktion folgt.
Photos: ©Ponoko
Ponoko
DIE FABRIK DER ZUKUNFT
Nicht nur der Anfang der Wertschöpfungskette – etwa Design und Entwicklung von Produkten – wird durch Digitalisierung und Standardisierung der Schnittstellen verändert, sondern auch das Ende
Ein Gestalter kann die digitale Plattform nutzen,
der traditionellen Wertschöpfung, die Produktion.
um seine Entwürfe und Schnittpläne eines Produkts
Traditionelle Manufakturen und die Erzeugung von
zu präsentieren und zu verkaufen. Kunden, denen
Kleinserien folgen in naher Zukunft ganz anderen
der Entwurf gefällt, können über den hauseigenen
Spielregeln als heute.
Marktplatz für den Entwurf bezahlen und sich die Files downloaden. Nach erfolgreichem Download
Das aktuelle Bild von produzierenden Betrieben
kann der Kunde beim Produzenten seines Vertrau-
ist entweder von handwerklichen Familienbetrieben
ens oder bei Ponoko das Produkt fertigen lassen.
oder spezialisierten Abteilungen eines mittelstän-
Anschließend wird es verpackt und an den Kunden
dischen Unternehmensverbundes geprägt. In diesen
versendet oder verschifft.
Strukturen werden tradierte Arbeitstechniken von Generation zu Generation weitergegeben, oder spe-
Der radikale neue Ansatz von Ponoko verspricht
zialisierte Fertigungstechniken werden durch hohen
so die Trennung von Gestaltung, Bezahlung und Pro-
maschinellen Einsatz zum Alleinstellungsmerkmal
duktion. So kann ein Produkt in Europa entworfen
eines Unternehmens, um standardisierte Produkte
werden, bezahlt wird über Ponoko in Neuseeland,
billig fertigen zu können. Diese geschlossenen Ge-
und produziert wird bei einer lokalen Produktions-
sellschaften funktionieren nach eigenen Spielregeln,
stätte in den USA.
und neue, innovative Fertigung oder kollaborative Arbeitsmodelle haben es schwer, sich in diesen Strukturen zu behaupten. Ein Projekt, das diesen abgeschlossenen Kreislauf durchbrechen möchte, ist ein kleines Start-up-Unternehmen aus Neuseeland namens Ponoko. Ponoko selber bezeichnet sich als digitaler Fabrikator und möchte Gestaltern neue Freiheiten und Konsumenten neue Möglichkeiten der Mitgestaltung geben.
RELATED LINKS ponoko.com
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Creative Industries Convention 2011
Manfred Faßler
Fortsetzung von Seite 32
7.
Eine sprachliche Hilfestellung
hatte Alvin Toffler mit „Prosumer“ geliefert, also die Verschmelzung von
6.
Producer und Consumer. Er reagierte Nur ein kurzer Blick auf Bücherrücken und in
1980 in „The Third Wave“ mit diesem
digitale Archive zeigt, dass wir immer noch auf der
Ausdruck auf das Ende der seriellen
Suche nach einem zusammenhängenden Verständ-
Massenproduktion und sah eine stär-
nis digitaler Umwandlungen des Informationsalltags
kere Produkt- und Marktmacht des
ANDERS ANSETZEN.
sind. Allein meine bescheidenen Büro-Vorräte zeigen
Konsumenten aufkommen. Seit weni-
Konsum ist an die Spitze der Problem-
mir Design-Wörter wie: Cyberspace, Smartmobs,
gen Jahren gibt es einen Nachfolger für
liste gerückt.
Virtuelle Realitäten, Intelligente Umgebungen, Wis-
diesen Neologismus: den „Produser“,
Mein Vorschlag ist, endlich von dem
senschaft vom Künstlichen, visueller Intelligenz,
zusammengesetzt aus Producer und
zu reden, was geschieht: von Konsum,
Netzwerke, skalierte Netze, Geospaces, evolutionäre
User, oder im Deutschen, etwas un-
von experimentellem Konsum, konver-
Algorithmen, nach der Gesellschaftszeit, kulturelle
elegant: Produtzer (aus Produzent und
gierendem Konsum, von leistungstei-
Evolution, Künstliche Intelligenz, Glokalisierung,
Nutzer).
gerndem Konsum. Nicht die hehre Re-
Zweite Moderne, Games, E-Sports, Space Invaders,
Es ist eine Reaktion auf die kreative
flexion im Salon oder Seminar fordert
Homo Ludens, Screenagers, Interface I, II, III und
und kollaborative Beteiligung, die in
die Verlangsamung und Selektion von
immer wieder Medien, Kommunikation, Informa-
nutzergesteuerten Projekten erforder-
Informationsströmen, sondern es ist
tion, Les Immateriaux, Cyborgs, WebLogs, Social
lich ist. In ihnen werden nicht nur In-
der konsumierende Körper, es ist die
Software, Second Life. Wir verlassen die Fragen, die
formationen verbreitet, sondern diese
Bio-Chemie der Wahrnehmung, des
zu diesen Titeln führen, ebenso rasch, wie wir die Ti-
mit Bedeutungsmarkern versehen. Es
Spaßes, der Sensomotorik, des Wie-
tel und manche Argumente konsumieren und darü-
werden Inhalte erschaffen, Informati-
dererkennens, des öden oder elektri-
ber lernen.
onen und Inhalte gesammelt. Sie bil-
sierenden Gedankens. Von Kommuni-
Vor allem lernen wir dadurch, langsam, aber den-
den die Struktur für intertemporalen
kation zu Konsum zu wechseln heißt in
noch: Die Experimentalkulturen der Welt lassen sich
Konsum von Informationen. Wir fin-
diesem Fall, veränderte Bedingungen
nicht auf Dinge reduzieren, und diese lassen sich nicht
den dies in Bereichen von Open-Sour-
von Zusammenhängen ernst zu neh-
auf Stoffe und Funktionen reduzieren. Die Dinge sind
ce-Software, Computerspielen, File-
men. Im Zentrum steht lernender, se-
erdacht, haben programmatische und generierende
sharing, VideoHosters, Foto Sharing,
lektiver Konsum. Er umfasst Daten-,
Verwandtschaftsbeziehungen zu den Menschen, und
Plattformen wie Flickr, bei Wikipe-
Informations-, Bilder- und Commu-
neuerdings denken die Dinge auch noch, sind vernetzt
dia, Echtzeit-Sharing. Obwohl unter-
nity-Konsum. Lernen ist eine zeitlich
und im kybernetischen Sinne interaktiv.
schiedlich in ihrer Ausrichtung, bauen
überdauernde Änderung von Verhal-
sie doch auf eine kleine Zahl universel-
tensmöglichkeiten. Es wird durch Er-
und Konzepte, mit denen wir uns die Zustände un-
ler Grundprinzipien auf.
fahrung und Beobachtung, durch Nut-
seres akuten Gattungslebens erklären können? Nein,
Dies lenkt das Interesse auf Forma-
zung und Reflexion angestoßen. Nicht
wir suchen noch. Ist auch verständlich. Denn 40 Jah-
te der Informationsumwandlung und
jedem wird es gleich und leicht zu-
re digitale Medien stehen gegen 4000 Jahre analo-
koppelt die Frage nach Konsum an
gänglich sein, von Konsum informati-
ger Gottes- und Welterklärung gegenüber. Also 1 %
Produkt und Produktion. Die unter-
onellen Gruppenlebens zu hören. Aber
gegen 99 %. Der Einwurf, dass gegenwärtig nicht
legte Vorstellung ist, dass Informa-
es geht schon einige Jahre nicht mehr
nur kleine Haufen von Schlauköpfen, sondern Mil-
tionskonsum common-based sei, in
nur um Daten-, Bilder-, Film-, Infor-
liarden von smarten Freunden mitmachen, ist zwar
Peer-to-Peer-Relationen bestehe und
mationsströme, die Menschen über sich
gut begründbar. Aber die Schwierigkeiten fangen
die Innovation durch creative com-
herfallen lassen. Inzwischen scheint
erst an, denn diese Freunde haben kein gemeinsames
mons garantiert werde. Dies kommt
von den Communities und Content-
Zuhause, keine eigene Stadt, kein festes Territorium;
der endogenen Wachstumstheorie des
Netzwerken eine ähnliche Gefährdung
die digitale Klassik beginnt mit dem Enden der Jung-
portugiesischen Ökonomen Sérgio Re-
auszugehen wie von Datenmassen.
steinzeit. Und Vertriebene sind die Freunde, Fans
belo von 1991 nahe, hilft uns allerdings
Gesprochen wird von Content Over-
und Communities auch nicht, sondern fallen unter
keinen Schritt weiter zur Beantwor-
load (Steve Hardagon), Content Over-
Nomaden, Getriebene, Experimentierer, Entwickler,
tung der Frage:
dose (Rob Blatt), von Social Network
Beta-Tester. Wie soll man aber von Kultur reden, von
ÜBER WELCHE ART VON ZUSAM-
Overdose.
sozialen Systemen, wenn es keinen abschließenden
MENHÄNGEN
Test gibt. Keine Funktionsgarantie, keine dauerhaf-
WENN WIR VON INFORMATIONS-
ten funktionalen Abhängigkeiten? Wovon reden wir
BASIERTEN MENSCHLICHEN LE-
also, wenn wir von Design reden?
BENSWEISEN SPRECHEN?
Haben wir eine Idee, ein Konzept, mehrere Ideen
SPRECHEN
8. WIR MÜSSEN
WIR,
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BIOGRAFIE wienett ist ein Online-Marktplatz von lokalen Produkten für Handwerk und Design. Gegründet wurde die Plattform 2007 von Anita Posch und Martina Gruber. Das Ziel von wienett ist es, einzigartige, handgemachte und nachhaltige Produkte zu vertreiben und mittels Verkaufsausstellungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
wienett
Foto: Susanne Jakszus
HANDWERK 3.0
wienett wurde als Online-Marktplatz für Handwerk
DARAUF LEGEN WIR WERT
und Design von Kleinunternehmen gegründet. Die
- Regionalität
beiden Gründerinnen Anita Posch und Martina Gru-
- Faire Arbeitsbedingungen
ber hatten vor mehr als drei Jahren die Idee zu einer
- Ökologische Aspekte
Verkaufsplattform für lokale Produkte. Ziel von wie-
- Lange Haltbarkeit der Produkte
nett is es, einzigartige, handgemachte und nachhalti-
- In Handwerk bzw. Handarbeit hergestellte Produkte
ge Produkte zu vertreiben und mittels Verkaufsaus-
- Sicherung des Bestehens der Kleinunternehmen
stellungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. wienett ist gleichzeitig aber auch eine Community von Kleinunternehmen und Kreativen, die gemeinsam die Online-Plattform betreiben und weiterentwickeln.
NEUES HANDWERK Den Begriff HANDWERK 3.0 haben wir von wienett
Durch die Erfahrungen mit wienett und in Zusammenarbeit mit vielen Kleinproduzenten wurde im Sommer 2009 das Manifest „Handwerk 3.0“ für die Plattform wienett erstellt.
im Sommer 2009 im Rahmen eines Projekts als Namen für eine Verkaufsausstellung geprägt. Unter HANDWERK 3.0 verstehen wir die Renaissance der handwerklichen Berufe unter neuen Selbstständigen und Entrepreneuren. Dazu zählen Branchen wie Buchbinderei, Schuherzeugung,
NEUE ARBEIT
Schmuckdesign, Textil- und Möbeldesign etc. HANDWERK 3.0 erhebt Anspruch auf eigenständige hochstehende Designleistung, Nachhaltigkeit der
Für uns zählt, was länger hält
Produkte oder ethische Erzeugung. 3.0 weist auf das
Im wienett-Online-Shop finden Sie eine große Aus-
von uns geforderte Verständnis von Arbeit hin. Dieses
wahl an regional und nachhaltig produzierten Wa-
ist selbstbestimmt, positiv und schafft Werte – auch
ren. Für die von uns vermarkteten Produkte wurden
für die Produzentinnen und Produzenten. Damit for-
weder Menschen noch Umwelt ausgebeutet.
dern wir ein Ende der Ausbeutung aller selbstständig Tätigen, nicht nur jene der kreativ arbeitenden Klasse. Entrepreneure schaffen Arbeitsplätze, Kreativität leitet sich ab von Diversität. 3.0 steht auch für Innovation in handwerklichen Berufen. Und hier vor allem für die Weiterentwick-
RELATED LINKS wienett.at
lung des bestehenden und verfügbaren handwerklichen Know-hows mit neuen Ansätzen und unter konkreten Anwendungsbezügen. Dabei werden Erzeugnisse und Produkte aus ihren traditionell-bekannten Kontexten herausgelöst, neu interpretiert und entwickelt (prototypisch). Das Ergebnis ist idealerweise ein neues, marktfähiges, individuelles und lokales Produkt.
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Creative Industries Convention 2011
Manfred Faßler
Fortsetzung von Seite 34
“
DAS KREATIVE PARADOX DES DESIGN CONSUMING CONTENT, DIE SICH VERZEHRENDE OFFENHEIT, DIE IMMER AUF EIN NEUES EREIGNIS ZIELT.
zum intelligenten Konsum zu wech-
”
seln, eine Verfassung informationell organisierten Lebens zu denken. Wir
entscheidung, Verzinsung. Es liegt also
Manfred Faßler
redeten und reden von Interaktivität,
rationale
Immersion,
grunde. Beeinflusst.
Partizipation,
delibera-
Einzel-Entscheidung
zu-
tiver oder direkter Demokratie, von
Nun lässt sich der Ausdruck aller-
Man spricht im Umfeld des Social Me-
Kreativität – allerdings mangelt es
dings auch anders verwenden, und
dia Hype von Überlast durch soziale
grundlegend an Debatten um ökono-
zwar als Konsum ohne klares Ziel,
Netzwerke, von Überdosis an Zusam-
mische, normative, juridische, ethi-
als Zufalls- oder Vernetzungskonsum.
menhängen. Wer hätte vor fünf Jahren
sche, konkurrenzielle Verfassung in-
Hierfür kann Konsum aus der Einzel-
gedacht, dass irgendwann eine Über-
formationeller Zusammenhänge.
Entscheidung in vernetzte oder Grup-
dosis von Sozialem als Kritik an digi-
penentscheidungen übersetzt werden.
talen Zustandsänderungen erfunden
Das wird nicht jedem zugänglich sein:
wird. Überdosis? War denn das Soziale
9.
Hat das noch mit Kultur, mit
Gruppenkonsum.
Ökonomie, mit Gesellschaft, mit Po-
Der zwischenzeitliche, vorbereitende
Gral der Moderne, der jetzt angerufen
litik, mit Öffentlichkeit zu tun? Wenn
Konsum wäre so übersetzbar in inter-
wird, um zu retten, was noch zu retten
ja, in welchem Sinne noch? Wenn nein:
aktiven Konsum. Möglich, dass diese
ist? Also keine OPENNESS, sondern
Gibt es anschlussfähige Veränderun-
Formulierung dem eingeübten Sprach-
konventionelle CLOSEDNESS? Und
gen? Wenn wiederum nein: Was treibt
gefühl widerspricht, da wir daran ge-
was soll das sein? Und wie kann OPEN
uns an? Welche Regeln befolgen wir?
wöhnt sind, Konsum ausschließlich
COMMUNITY DESIGN sich dem ge-
Oder sind Regeln nur noch Optionen,
individuell oder mikroökonomisch zu
genüber aufstellen?
Einwürfe vom Kanal- oder Straßen-
verstehen. Interaktiver Konsum setzt
Aus den digitalen Communities kom-
rand? Und welche Optionen befür-
auf Vernetzung, stellt das Individuum
men Vorschläge, die sich nur auf die-
worten wir? Michel Bauwens schrieb
in die Warteschlange der Befriedigung.
se beziehen – was ja schlüssig ist. Der
2005 über „Peer to Peer and Human
Wir haben also eine dreifache Bestim-
Content Overdose wird ein wenig
Evolution“ und besprach damit, wie
mung von Konsum erlangt.
technologische Assistenz nachgescho-
er es meinte, integrale Prozesse der
ben: ping.fm, um Nachrichten gleich-
Informationsnutzung. Das hieß so viel
zeitig zu aktualisieren, TweetDeck,
wie: Lasst die Beobachtungshaltun-
um Nachfolger dieser Nachrichten zu
gen von außen weg. Chris Anderson
sondern Content Consuming Design,
selektieren, RSS, um Blogs, Websites,
brachte 2006 „The Long Tail“ auf den
um Content Generated Design zu er-
Updates strukturiert zu lesen.
Markt mit dem Untertitel: „How End-
reichen. Es geht dabei um das kreative
Es bleibt allerdings die Befürchtung,
less Choice Is Creating Unlimited De-
Pradox des Design Consuming Content,
am Sozialen der Netzwerke zu schei-
mand“. Beide Sichtweisen verlagerten
oder: die sich verzehrende Offenheit,
tern, im Sozialen zu scheitern, so als
die Aufmerksamkeit in die Prozesse,
die immer auf ein neues Ereignis zielt.
verriete Social Software das Soziale.
deren Formate unklar, noch nicht exis-
Also: Welche Community wird gesucht,
Soll klassen-, schicht-, funktional-dif-
tent sind. So, als erzeuge erst der Kon-
gewünscht, entworfen, erträumt, pro-
ferenzierte Gesellschaft gegen Social
sum von Informationen die Informati-
grammiert? Offenheit heißt dann: sich
Networks ideologisch aktiviert wer-
onsökonomie, die wieder Konsum von
auf die Heterogenität der Herkünfte
den?
Information erzeugt, konnte man von
von Ideen und der Zukünfte von Pro-
Wir haben in den Jahrzehnten der di-
integralem Konsum sprechen und von
jekten einzustellen. Kein Zufallsdesign
gitalen Überwältigung nicht gelernt,
„intertemporalem Konsum“ (A. Stobbe
also, sondern die Pflicht, die Gestalten
von Schaltern, Ports, Festplatten, Soft-
1991).
von Offenheit hin auf offene Zivilisati-
Hard-Wetware, Informationsströmen,
Die Idee hinter dem Ausdruck „inter-
on zu entwerfen. WO ist also OFFEN?
Daten den Abstand zu nehmen, der
temporaler Konsum“, wie ihn Stobbe
In den sich immerfort ändernden Ko-
erlaubt, von der Informationsästhetik
und andere verwenden, ist eine Spar-
operationen der Menschen.
der letzten Jahrhunderte der Heilige
10.
Nicht User Generated Content,
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Creative Industries Convention 2011
Peter Troxler Foto: www.happylab.at © INNOC
RELATED LINKS opendesignnow.org petertroxler.net
Foto: Light bottles, http://www.flickr.com/photos/fablabamsterdam/
Peter Troxler
DIE AUSBREITUNG DER FAB LABS
BIOGRAFIE Peter Troxler ist ein unabhängiger Forscher an der Schnittstelle zwischen Betriebswirtschaft, Gesellschaft und Technologie. Seine Interessen und Kompetenzen liegen im Bereich Managementsysteme, wie etwa Qualitäts- und Wissensmanagement. Zurzeit ist er Herausgeber des Buches „Open Design Now – Why Design Can No Longer Be Exclusive“.
Mit der Verfügbarkeit digitaler Herstellungstechniken können sich
Fab Labs unterscheiden sich von herkömmlichen
Gemeinschaftswerkstätten und Hackerspaces zu den Inkubatoren
Gemeinschaftswerkstätten durch die Fab-Charta,
des Digitalzeitalters mausern, zu sogenannten Fab Labs (Kurzform
der sich alle Fab Labs explizit verpflichten. Sie ist
von fabrication laboratory).
Grundlage des globalen Netzwerks lokaler Fab Labs, postuliert freien Zugang zu den Labs und legt das
Diese Initiativen basieren auf einem Konzept, das am MIT durch Neil Gershenfeld entwickelt wurde. Sie bestehen typischerweise
Fundament für das gegenseitige Voneinander-Lernen als Grundprinzip im Fab Lab.
aus einer Werkstatt, die mit verhältnismäßig günstigen, computergesteuerten Maschinen bestückt ist – Laserschneider, CNC-Fräsen,
Die Fab-Charta macht Fab Labs zum idealen Ort
3D-Drucker. Ihre Benutzer produzieren Dinge, die früher nur auf
für Open Design. Sie fordert nämlich, dass „Entwür-
teuren Hunderttausend-Euro-Maschinen herzustellen waren. Mit
fe und Prozesse, die im Fab Lab entwickelt wurden,
digitalen Werkstattzeichnungen und Open-Source-Software wer-
für persönlichen Gebrauch frei verfügbar bleiben.“
den die Maschinen angesteuert. Und in den Labs entstehen auch
Abgesehen davon ist es gestattet, geistiges Eigentum
elektronische Schaltkreise und digitale Gadgets.
zu schützen, wie immer man das will. Mehr noch, die Charta sagt, dass kommerzielle Aktivitäten im Fab
Das Fab Lab-Netzwerk ist von einer Handvoll Labs 2004 zu einer
Lab entwickelt werden können, solange sie den freien
Community von über fünfzig aktiven Labs gewachsen, ebenso viele
Zugang nicht behindern. Wenn ein Business erfolg-
sind in Vorbereitung. Manche der Labs stehen an Schulen und Uni-
reich ist, soll es außerhalb des Labs weiter wachsen
versitäten, einige funktionieren als Business-Inkubatoren für Erfin-
und jenen Erfindern, Labs und Netzwerken, die zum
der und Bastler, und wieder andere sind zu echten Katalysatoren für
Erfolg beigetragen haben, davon etwas zurückgeben.
Künstler, Designer und Kreative geworden. Die Alpinregion hat das Konzept Fab Lab verhältnismäßig langsam
Fab Labs verbinden ein interessantes Gemisch aus
aufgegriffen. Das Ars Electronica Center in Linz betreibt ein Fab
Eigenschaften, die auf den ersten Blick widersprüch-
Lab, ausgestattet mit einer kleinen Auswahl von digitalen Fabri-
lich erscheinen, aber vielleicht die beste praktische
kationsmitteln ist es mehr auf spielerisches Lernen denn auf Open
Annäherung sind an das, was Yochai Benkler com-
Design ausgerichtet. Das Wiener Happylab – gegründet 2006 als
mons-basierte Peer-Produktion nennt. Sie gibt mehr
„Keimzelle der Innovation“ und später Hackerspace – wurde kürz-
Menschen mehr Kontrolle über die eigene Produktivi-
lich zum Fab Lab umgetauft. Das erste Fab Lab in der Schweiz ist
tät, selbstbestimmt und gemeinschaftsorientiert, also
eben in Luzern eröffnet worden, weitere Fab Labs sind in Erlangen-
die wesentliche Basis von Open Design.
Nürnberg und in München geplant.
James: Collage aus 380 Bildern unter CC-by Lizenz (siehe Seite 21) K端nstler: Evan Jones James: Collage of 380 pictures under CC-by license (page 21) Artist: Evan Jones