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Down-Syndrom –was bedeutet das?

Als Papa von zwei Jungs mit Down-Syndrom versuche ich hier, meine Antworten auf Fragen zu geben, die Ihnen vielleicht gerade durch den Kopf gehen.

(Unsere Söhne wurden 2001 und 2006 geboren, unten ein Foto von 2015.)

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Von David Neufeld

Was ist das Down-Syndrom?

Menschen mit Down-Syndrom haben ein Chromosom mehr. Bei dieser genetischen Besonderheit ist das 21. Chromosom dreifach vorhanden. Statt 46 Chromosomen haben Menschen mit Down-Syndrom also 47. Deswegen nennt man dieses Syndrom auch Trisomie 21.

Der britische Arzt John Langdon Down (1828–1896) hat sich intensiv damit beschäftigt und im Jahr 1866 klassische Merkmale beschrieben. Deswegen wurde das Down-Syndrom nach ihm benannt.

Viele Eltern von Kindern mit Down-Syndrom betonen, dass ihr Kind emotional allerdings alles andere als „down“ ist, und dass auch das Leben mit Down-Syndrom kein Grund dafür ist, schlecht drauf zu sein.

Wie äußert sich das Down-Syndrom?

Auf den ersten Blick sehen sich Kinder mit Down-Syndrom häufig ähnlich: Die meisten haben zum Beispiel leicht schräg gestellte Augen. Doch bei näherem Hinschauen entdeckt man, dass sie vor allem ihrer Familie ähnlich sehen.

Aufgrund des zusätzlichen Chromosoms gibt es einige körperliche Besonderheiten. Viele Menschen mit Down-Syndrom sind eher klein, die Muskeln sind meist schwächer und haben weniger Spannung (Muskelhypotonie), die Gelenke lassen sich leichter überstrecken. Typisch sind auch der hohe und spitze Gaumen und eine hypotone/schwache Zunge, die das Sprechen ganz schön anstrengend macht. Oft wird Trisomie 21 von Hör- und Sehschwierigkeiten begleitet. Auch Herzfehler und Störungen im Verdauungstrakt kommen häufig vor.

Hyperaktivität oder auch Autismus werden öfter als bei anderen Kindern diagnostiziert.

Insgesamt verläuft die Entwicklung von Kindern mit Down-Syndrom oft langsamer. Und die geistigen Fähigkeiten können sehr unterschiedlich sein. Manche Eltern sprechen davon, dass ihr Kind mit Down-Syndrom eine Behinderung hat, andere nennen es außergewöhnlich, wieder andere bezeichnen es als besonders.

Unsere beiden Söhne lassen uns jedenfalls oft genug merken, dass wir sie unterschätzen. Und neben der Besonderheit des zusätzlichen Chromosoms sind Menschen mit DownSyndrom ja erstmal Menschen – einzigartige Persönlichkeiten mit einem ganz eigenen Charakter.

Welche Ursachen hat das Down-Syndrom?

In den meisten Fällen entsteht es zufällig.

Wie wird das DownSyndrom diagnostiziert?

Mit einer Blutprobe können Genetiker die Chromosomen abbilden – hier zum Beispiel die von unserem Sohn Alexander:

In der Regel werden die Diagnosen von einer humangenetischen Praxis vorgenommen, beauftragt von Ihrem Hausarzt oder Gynäkologen.

Welche vorgeburtliche Diagnostik zur Früherkennung gibt es?

Die Chorionzottenbiopsie (Gewebeprobe aus dem Mutterkuchen), Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) und die Fetalblutentnahme aus der Nabelschnur sind mit einem gewissen Risiko für das Kind verbunden, weil sie körperliche Eingriffe am Mutterleib bedeuten (invasive Verfahren).

Nicht-invasive Untersuchungen (Ultraschall und Bluttest) erlauben allerdings keine sichere Diagnose. Der nicht-invasive Pränataltest (NIPT) für die Trisomien 13, 18 und 21 ist in Deutschland inzwischen Kassenleistung. Dabei kommt es – insbesondere bei jüngeren Frauen und bei den Trisomien 13 und 18 – allerdings zu einer hohen Anzahl falschpositiver Testergebnisse. Bei einer 30-jährigen Schwangeren beispielsweise liegt die statistische Wahrscheinlichkeit bei fast 40

Prozent, dass ein auffälliges Testergebnis für eine Trisomie 21 falsch ist (das Kind also gar keine Trisomie 21 hat). Bei Trisomie 18 liegt die statistische Wahrscheinlichkeit bei nahezu 80 Prozent, dass das Ergebnis nicht korrekt ist. Gerade weil das hohe Risiko des NIPT für falsche Testergebnisse in Fachkreisen bekannt ist, ist in den medizinischen Leitlinien bereits klar geregelt, dass aus medizinischer Sicht jedes auffällige positive Testergebnis aus einem NIPT durch eine invasive Untersuchung abgeklärt werden muss. Der NIPT ersetzt also die Fruchtwasseruntersuchung nicht grundsätzlich.

Welche Prognose haben Menschen mit Down-Syndrom?

Zum Glück immer bessere! Die Erfahrung zeigt, dass auch Menschen mit Down-Syndrom viel Potenzial haben. (Und nicht immer sollte man hier auf die manchmal ebenso vollmundigen wie unbegründeten Prognosen von Ärzten hören: „Ihr Kind wird nie …“) Viele lernen lesen und schreiben, können verständlich sprechen und ihre Wünsche zum Ausdruck bringen. Wie für jeden gilt hier: Wer gefördert und ermutigt wird und Freiraum erhält, sich zu entfalten, hat es leichter, seinen Weg zu gehen.

Die meisten Kinder mit Down-Syndrom besuchen heute einen Regel-Kindergarten und dann auch eine Regel-Grundschule.

In Deutschland arbeiten viele Menschen mit Down-Syndrom in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Und das bedeutet nicht automatisch, dass sie ihr ganzes Berufsleben lang Schrauben sortieren. Da immer mehr inklusive Arbeitsplätze in anderen Betrieben und auf dem ersten Arbeitsmarkt entstehen, verändert sich das zunehmend und es gibt viele neue Möglichkeiten, den passenden Ort zu finden.

Gleichwohl sind viele auch als Erwachsene auf ein wohlwollendes Umfeld angewiesen und brauchen den Schutz unserer Gesellschaft. Und bei aller Förderung und allem Zutrauen finde ich wichtig: Mein Wert als Mensch hat nichts mit meiner Leistungsfähigkeit zu tun. Gar nichts.

Und wie ist die Lebenserwartung?

Die hat in den letzten Jahren tatsächlich stark zugelegt, so dass die mittlere Lebenserwartung von Menschen mit Down-Syndrom heute über 60 Jahren liegt.

Wie viele Menschen mit DownSyndrom leben in Deutschland?

So genau kann das niemand sagen, denn es gibt keine offizielle Statistik. Schätzungen gehen von 30 000 bis 50 000 Menschen mit Down-Syndrom in Deutschland aus. In den

USA rechnet man mit etwa 350 000, weltweit mit etwa fünf bis sieben Millionen.

Insgesamt leben in Deutschland übrigens laut Aktion Mensch etwa 10,2 Millionen Menschen mit Behinderung. Das sind etwa 13 Prozent der Gesamtbevölkerung. Knapp 4 Prozent von ihnen haben eine angeborene Behinderung. Rund 96 Prozent der Behinderungen werden erst im Laufe des Lebens erworben.

Sind Menschen mit DownSyndrom krank?

Nein. Und ansteckend ist Down-Syndrom auch nicht. Menschen mit Down-Syndrom sind allerdings für manche Erkrankungen anfälliger.

Ist es für Kinder belastend, einen Bruder oder eine Schwester mit Down-Syndrom zu bekommen?

Meistens haben Kinder uns Erwachsenen ja voraus, dass sie einen anderen Menschen erstmal nehmen, wie er oder sie ist.

Bestimmt ist das Leben mit einem Kind mit Down-Syndrom anders. Und Eltern sind dabei sicher besonders herausgefordert, ihre Aufmerksamkeit und Zuwendung allen Kindern zu schenken.

Doch Geschwisterkinder bezeichnen sich nicht automatisch als „Schattenkinder“, die zu kurz gekommen wären. Die Tatsache, dass später viele einen sozialen Beruf ergreifen, spricht für andere Dimensionen, die in ihrem Leben eine Rolle spielen, finde ich.

Wer hilft mir, wenn mein Kind Down-Syndrom hat?

Informationen: Beim Deutschen Down-Syndrom InfoCenter erhält man kompetente Informationen sowie Beratung bei konkreten Fragestellungen, auch wenn man die Diagnose gerade ganz frisch erfahren hat und die Gefühle Achterbahn fahren. Hier gibt es Broschüren und Materialien zu verschiedenen Lebensphasen, aber auch Fortbildungen und Seminare für Eltern oder Jugendliche mit Down-Syndrom.

Auch die Bundesvereinigung Lebenshilfe hält eine Menge an Informationen und Angeboten für Eltern bereit.

In der Schweiz ist der Verein Insieme 21 eine kompetente Adresse. In Österreich sind der Verein Down-Syndrom Österreich sowie das Kompetenzzentrum Leben Lachen Lernen gute Anlaufstellen.

Förderung: Frühförderstellen werden von unterschiedlichen Trägern betrieben und bieten eine kompetente Begleitung Ihres Kindes von Anfang an. Hier werden die motorischen, sprachlichen, geistigen und sozialen Fähigkeiten gezielt gefördert. Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten arbeiten Hand

Conny

Wenk

Außergewöhnlich

Conny Wenk hat selbst eine Tochter mit Down-Syndrom. Für dieses Buch hat sie 13 weitere Mütter und ihre Kinder mit Down-Syndrom fotografiert.

Die Fotos und die kurzen Erfahrungsberichte der Mütter zeigen berührend: Diese Frauen haben erfahren, dass das „gewisse Extra“ ihrer Kinder das eigene Leben bereichert und vertieft.

128 S. • Hardcover mit farbigen Fotos

€ [D] 19,90

• ISBN 978-3-86256-043-1

Conny Wenk

Wandkalender A little extra

Übrigens gibt es auch einen Wandkalender

„A little extra“ mit Fotografien von Conny Wenk. Daraus stammen die Fotos in dieser Broschüre …

12 Monatsblätter mit Deckblatt und fester Rückwand • Kalendarium in Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch

34 x 34 cm • Spiralbindung

• € [D] 20,00

Ausgabe 2024: ISBN 978-3-86256-184-1

Alfred und Sylvia Sobel

Stärke fürs Leben entwickeln

So meistern Sie den Alltag mit einem behinderten Kind

Alfred und Sylvia Sobel sind Eltern einer erwachsenen Tochter mit Behinderung. Mit ihrem Ratgeber machen sie Mut, die Herausforderung anzunehmen.

237 S. • zweifarbig

Hardcover • € [D] 19,90

ISBN 978-3-86256-096-7

Holm Schneider

„Was soll aus diesem Kind bloß werden?“

7 Lebensläufe von Menschen mit Down-Syndrom

Holm Schneider ist Professor für Kinderheilkunde und zeichnet sieben Lebenswege von Menschen mit DownSyndrom nach.

Wahre Mutmach-Geschichten, die zeigen, dass viel mehr möglich ist, als wir uns auf Anhieb vorstellen können.

127 S. • Hardcover mit farbigen Fotos € [D] 14,90 • ISBN 978-3-86256-047-9

Silke Schnee/Heike Sistig

Die Geschichte von Prinz Seltsam

Silke Schnee ist Fernsehredakteurin und hat mit diesem Buch und den Schulpiraten zwei auch international erfolgreiche Kinderbücher verfasst, in denen sie in bunten Farben eine Welt malt, in der geschätzt wird, dass nun mal jeder anders ist.

32 S. • Hardcover Für Kinder ab 4 € [D] 14,90 • ISBN 978-3-86256-010-3 in Hand und können oftmals auch Kontakte zu anderen Eltern vermitteln.

Ein Verzeichnis von Frühförderstellen in Deutschland gibt es zum Beispiel bei der Vereinigung für interdisziplinäre Frühförderung.

Medizinisch-therapeutische Betreuung: In einigen Kliniken gibt es Down-Syndrom-Ambulanzen mit erfahrenen Ärzten und Therapeuten. Auch Sozialpädiatrische Zentren (SPZ) sind hilfreiche Ansprechpartner – in der Regel kennt Ihr Hausarzt das SPZ in Ihrer Nähe.

Austausch: Die Erfahrungen anderer Eltern sind Gold wert. Und sie helfen Ihnen dabei, immer selbstbewusster einzuschätzen, was für Ihr Kind heute gut ist. Bestimmt finden Sie eine Elterngruppe auch in Ihrer Nähe – oder Sie gründen gleich selbst eine (einige Vereine finden Sie beim Netzwerk Down-Syndrom). Im Internet finden Sie darüber hinaus Foren und Blogs, Online-Kongresse …

Finanziell: In Deutschland gibt es vielfältige Unterstützungsangebote – Steuererleichterungen, Ermäßigungen durch den Schwerbehindertenausweis (auch wenn eine junge Frau mit Down-Syndrom für ihren engagierten Vorschlag, dieses Dokument künftig „Schwer-inOrdnung-Ausweis“ zu nennen, inzwischen das

Bundesverdienstkreuz erhielt), Unterstützung durch die Pflegekasse etc. Auf der Website des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm) gibt es kompetente und aktuelle Infos dazu; zum Beispiel die Gratis-Broschüre „Mein Kind ist behindert –diese Hilfen gibt es“.

Literatur: Es gibt aktuelle Fachliteratur ebenso wie Erfahrungsberichte zum Leben mit Down-Syndrom. Auf Seite 6 habe ich eine kleine Auswahl aus dem Neufeld Verlag zusammengestellt.

Und wenn ich mir ein Kind mit Down-Syndrom nicht zutraue?

Ihre Gefühle überschlagen sich gerade, Sorgen brechen über Sie herein und Ihr Lebenstraum scheint zu zerplatzen? Dann sind Sie in guter Gesellschaft: Auf den ersten Blick würde es wohl vielen so gehen.

Die meisten Eltern von Kindern mit DownSyndrom, denen ich begegne, sind heute dankbar für den Weg, den sie gemeinsam gegangen sind – und empfinden, dass ihr Leben an Tiefe gewonnen hat und reicher geworden ist. Auch wenn vieles anders ist.

Dass es im Leben immer wieder mal ganz anders kommt als geplant, erfahren wir alle. Früher oder später. Dass der Abschied von Vorstellungen weh tut, ist klar. Aber manchmal hilft er sogar dabei, Neues zu entdecken. Und als Mensch zu reifen und zu wachsen –manchmal sogar über sich selbst hinaus.

Ich würde Ihnen vorschlagen, sich jetzt aus erster Hand zu informieren – bei anderen Eltern von Kindern mit Down-Syndrom. In vielen Regionen gibt es Elterngruppen, die genau dafür gerne Ansprechpartner nennen. Für ein

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