Ganzkörper-EMS und Rückenschmerz - Evidenzen und Limitationen einer innovativen Trainingstechnologie

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Ganzkörper-EMS und Rückenschmerz – Evidenzen und Limitationen einer innovativen Trainingstechnologie

Herausgeber: Wolfgang Kemmler Erlangen Kindle-Edition, KDP eBook ASIN: B0BKWH79LL


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Inhaltsverzeichnis Kapitel 1............................................................................................................................................. 3 Ganzkörper-EMS und Rückenschmerz: Einführung ...................................................................... 3 Ganzkörper-EMS und Rückenschmerz: Zusammenfassung .......................................................... 5 Wirkeffekte der alternativen Trainingstechnologie Ganzkörper-Elektromyostimulation (WBEMS) auf chronisch unspezifische Rückenschmerzen - A Series of Studies.............................. 7 Effekte der Ganzkörper Elektromyostimulation (WB-EMS) im Vergleich zu einem multimodalen Behandlungskonzept bei Patienten mit chronischen unspezifischen Rückenschmerzen. .................................................................................................................. 25 Ganzkörper-Elektrostimulation (WB-EMS) bei Patienten mit chronischen unspezifischen Rückenschmerzen – wer profitiert am deutlichsten? ............................................................. 33 Ganzkörper-Elektromyostimulation im Straßenradsport: ein analytischer Ansatz an einem jugendlichen Athleten mit Rückenschmerzproblematik ........................................................ 38 Einsatz von Ganzkörper-EMS zur Haltungsstabilisation nach Bone bruise im LendenwirbelBereich..................................................................................................................................... 48 Kapitel 2........................................................................................................................................... 54 Sicherheit und Anwendung ......................................................................................................... 54 Evidenzbasierte Empfehlungen für eine sichere Anwendung von GanzkörperElektroyostimulation ............................................................................................................... 55 Kontraindikationen von GK-EMS für kommerzielle, nicht-medizinische Anwendung ........... 59 Kapitel 3........................................................................................................................................... 69 Verbreitung und Entwicklung...................................................................................................... 69 Marktentwicklung der WB-EMS bei kommerziellen Anbietern .............................................. 69


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Kapitel 1 Ganzkörper-EMS und Rückenschmerz: Einführung Wolfgang Kemmler Institut für Medizinische Physik und Mikrogewebetechnik, Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg; Radiologisches Institut, Universitätsklinikum Erlangen Chronische Kreuzschmerzen sind ein globales Gesundheitsproblem unserer Industriegesellschaften [1]. In Deutschland leiden ca. 17-20% der erwachsenen Bevölkerung an chronischen Rückenschmerzen [2]. Er ist die Hauptursache für die mit Behinderung gelebten Lebensjahre [3], und stellt hat neben der individuellen Belastung des Betroffenen, durch die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, verringerte Arbeitsproduktivität und Frühverrentung erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. So verursachten nach Ossendorf [4] Patienten mit chronischen Rückenschmerzen jährliche durchschnittliche Gesamtkosten in Höhe von 31.000,- Euro/Person. Körperliches Training wird in allen klinischen Praxisleitlinien zum chronischen Kreuzschmerz/low back pain (LBP) als Therapieform empfohlen [5]. Mehrere systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen bestätigen die positiven Effekte körperlichen Trainings auf Schmerzen und Behinderung im Vergleich zu Placebo- oder „usual care“-Vergleichsgruppen [6-8]. Muskeltraining ist dabei ein unverzichtbarer Therapiebestandteil zur Wirbelsäulenstabilisierung bei Rückenbeschwerden. Allein, es gilt auch hier: Es gibt nichts Gutes: außer man tut es. Nur eine Minderheit von Rückenschmerzpatienten betreibt ein körperliches Training. Berücksichtigt man weiterhin, das die Trainingsfrequenz wesentlichster Prädiktor der Reduktion von Rückenbeschwerden ist [9], kommt dem Aspekt der „Zeitaufwändigkeit“ von Trainingsprogrammen als meistgenannte Barrieren für die Aufnahme oder nachhaltige Durchführung von körperlichem Training besondere Bedeutung zu [10]. Darüber hinaus ist die "Kinesiophobie bei Rückenschmerzpatienten weit verbreitet und hindert sie daran ein Training mit der nötigen Intensität aufzunehmen [11]. Alternative Trainingstechnologien mit zeiteffektivem Charakter, Gelenkfreundlichkeit, geringer subjektiver Intensität sowie konsequenter Supervision und Anleitung könnten daher für viele Betroffene eine Option zum konventionellen Rückentraining sein. Ganzkörper-Elektromyostimulation (WB-EMS) erfüllt diese Anforderungen in nahezu idealer Weise. Allerdings spricht die nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz [12], ohne die WB-EMS Technologie explizit zu nennen, eine Negativempfehlung zur „Elektrotherapie“ bei akuten oder chronischen, unspezifischen Rückenschmerzen aus. Tatsächlich lagen zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz lediglich anekdotische und unveröffentlichte Berichte zum Ganzkörper-EMS vor. Dies hat sich in der Zwischenzeit gründlich geändert: Tatsächlich liegt für keinen anderen Outcome eine dergleichen hohe und eindeutige Evidenz für positive Effekte eines WB-EMS Trainings vor, wie für das Spannungsfeld „unspezifischer Rückenschmerz“. Insofern stellt WB-EMS durchaus eine Trainingsoption für unterschiedliche Personen- und Sportlerkollektive dar, die aus unterschiedlichen Gründen andere, meist zeitintensivere und beanspruchendere Trainingsformen zur Prophylaxe und/oder Therapie von Rückenschmerzen nicht durchführen möchten oder können.


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Literatur [1] Buchbinder R, van Tulder M, Oberg B et al (2018) Low back pain: a call for action. Lancet 391: 23842388. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30488-4 [2] Robert-Koch-Institut (2012) Rückenschmerzen. Statistisches-Bundesamt. Gesundheitsberichterstattung des Bundes Heft 53. [3] Vos T, Barber RM, Bell B et al (2015) Global, regional, and national incidence, prevalence, and years lived with disability for 301 acute and chronic diseases and injuries in 188 countries, 1990–2013: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2013. Lancet 386: 743-800. [4] Ossendorf A (2020) Krankheitskostenanalyse bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. ZBW (Leibniz-Information-Centre-for-Economics). Hamburg [5] Oliveira CB, Maher CG, Pinto RZ et al (2018) Clinical practice guidelines for the management of nonspecific low back pain in primary care: an updated overview. Eur Spine J 27: 2791-2803. https://doi.org/10.1007/s00586-018-5673-2 [6] van Middelkoop M, Rubinstein SM, Kuijpers T et al (2011) A systematic review on the effectiveness of physical and rehabilitation interventions for chronic non-specific low back pain. Eur Spine J 20: 19-39. https://doi.org/10.1007/s00586-010-1518-3 [7] Searle A, Spink M, Ho A, Chuter V (2015) Exercise interventions for the treatment of chronic low back pain: A systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. Clin Rehabil 29: 11551167. https://doi.org/10.1177/0269215515570379 [8] Hayden JA, Ellis J, Ogilvie R, Malmivaara A, van Tulder MW (2021) Exercise therapy for chronic low back pain. Cochrane Database Syst Rev 9: CD009790. https://doi.org/10.1002/14651858.CD009790.pub2 [9] Müller G, Pfinder M, Lyssenko L et al (2019) Welche Bedeutung haben physische Leistungssteigerungen, Alter, Geschlecht und Trainingsumfang für die Wirksamkeit eines Rückentrainings? Schmerz 33: 139–146. [10] Rütten A, Abu-Omar K, Meierjürgen R, Lutz A, Adlwarth R (2009) Was bewegt die Nicht-Beweger? Präv Gesundheitsf 4: 245–250. [11] Luning Bergsten C, Lundberg M, Lindberg P, Elfving B (2012) Change in kinesiophobia and its relation to activity limitation after multidisciplinary rehabilitation in patients with chronic back pain. Disabil Rehabil 34: 852-858. https://doi.org/10.3109/09638288.2011.624247 [12] Bundeärztekammer (2017) Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz


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Ganzkörper-EMS und Rückenschmerz: Zusammenfassung Wolfgang Kemmler Institut für Medizinische Physik und Mikrogewebetechnik, Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg; Radiologisches Institut, Universitätsklinikum Erlangen Mehrere Forschungsprojekte mit vergleichbarer Trainingsdurchführung (1x 20 min/Woche intermittierende, bipolare Stromapplikation) zeigen übereinstimmend positive Effekte von Ganzkörper-Elektromyostimulation auf unspezifische Rückenschmerzen. Ein zentrales Projekt gliedert sich dabei in drei Abschnitte in denen (1) eine Meta-Analyse individueller Patientendaten [1] (2) eine randomisierte klinische Studie mit inaktiver Kontrollgruppe [2] und (3) eine randomisierte Studie mit zwei aktiven Vergleichsgruppen (Krafttraining und GanzkörperVibration) durchgeführt wurde [3]. Die zwei ersten Projektabschnitte zeigten signifikante Effekte im Sinne eines signifikanten Unterschiedes zwischen WB-EMS und Kontrollgruppe für die Rückenschmerzintensität, der dritte Projektabschnitt ergab vergleichbar (gute) Ergebnisse der drei Trainingsmethoden bei den Teilnehmern mit chronisch unspezifischen Rückenschmerzen. Ein weiteres Projekt [4] verglich eine isolierte WB-EMS Applikation mit einer halbstationären, interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie bei Menschen mit chronisch unspezifischen Rückenschmerzen. Nach 4-6 Wochen zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen WB-EMS und multimodaler Therapie zugunsten des WB-EMS. Eine weitere Anwendung des WB-EMS über 6 Monate zeigte einen progressiven Besserungsverlauf der Rückenschmerzintensität. Wichtig erscheint auch der Hinweis der folgenden Untersuchung [5], dass auch Menschen mit sehr hohem Leidensdruck von WB-EMS profitieren können. Eine Einzelfallstudie [6] zeigte den Einfluss einer WB-EMS Anwendung auf unspezifische Rückenschmerzen bei einem jugendlichen Straßenradfahrer. Hier verringerte sich der subjektiv empfundene Rückenschmerz nach 8wöchiger Interventionsphase auf der visuellen Analogskala (VAS) von 68 auf eine Wert von 14. Schließlich berichtet eine weitere Einzelfallstudie von Ludwig et al. vom Einsatz eines WB-EMS (GK-EMS) nach Bone bruise bei einem Jugendfußballer. Hier führte WB-EMS Anwendung nach 4wöchigem Therapiezeitraum zu einem Wiedereinstieg in das sportliche Training und überdauernder Schmerzfreiheit. Literatur [1] Kemmler W, Weissenfels A, Bebenek M et al (2017) Effects of Whole-Body-Electromyostimulation (WB-EMS) on low back pain in people with chronic unspecific dorsal pain - a meta-analysis of individual patient data from randomized controlled WB-EMS trials. Evid Based Complement Alternat Med Article ID 8480429: doi: 10.1155/2017/8480429. [2] Weissenfels A, Teschler M, Willert S et al (2018) Effects of whole-body electromyostimulation on chronic nonspecific low back pain in adults: a randomized controlled study. J Pain Res 11: 1949-1957. https://doi.org/10.2147/JPR.S164904 [3] Micke F, Weissenfels A, Wirtz N et al (2021) Similar Pain Intensity Reductions and Trunk Strength Improvements following Whole-Body Electromyostimulation vs. Whole-Body Vibration vs. Conventional Back-Strengthening Training in Chronic Non-specific Low Back Pain Patients: A 3-armed randomized controlled trial. Front Physiol 13: 664991. https://doi.org/10.3389/fphys.2021.664991 [4] Konrad KL, Baeyens J-P, Birkenmaier C et al (2020) The effects of whole-body electromyostimulation (WB-EMS) in comparison to a multimodal treatment concept in patients with non-specific chronic back


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pain—A prospective clinical intervention study. PloS one 15: e0236780. https://doi.org/ https://doi.org/10.1371/journal.pone.0236780 [5] Konrad KL, Weissenfels A, Baeyens J, Kemmler W, Wegener B (2021) Whole-body electromyostimulation (WB-EMS) on non-specific chronic back pain: Patients with what degree of pain intensity benefit the most? Front Physiol submitted: [6] Berger J, Ludwig O, Becker S, Kemmler W, Fröhlich M (2020) Effects of an 8-week whole-body electromyostimulation training on cycling performance, back pain, and posture of a 17-year-old road cyclist. IJATT 26: 1-5.


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Wirkeffekte der alternativen Trainingstechnologie GanzkörperElektromyostimulation (WB-EMS) auf chronisch unspezifische Rückenschmerzen - A Series of Studies Anja Weissenfels 1 , 2 , Florian Micke 3 , Heinz Kleinöder 3 , Wolfgang Kemmler 1, 4 1Institut

für Medizinische Physik und Mikrogewebetechnik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland; 2Department für Sportwissenschaft und Sport, FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland; 3Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik, Deutsche Sporthochschule Köln; 4Radiologisches Institut Universitätsklinikum Erlangen

Einführung

Chronische Rückenschmerzen betreffen einen großen Teil der Bevölkerung. So beträgt die Stichtagprävalenz von Rückenschmerzen (low back pain – LBP) in Deutschland zwischen 32% und 49%, die Lebenszeitprävalenz zwischen 74% und 85% [1]. Bei ca. 80% der LBP handelt es sich um nicht-spezifische Rückenschmerzen [2]. Die Zahlen verdeutlichen den großen Handlungsbedarf bei der Suche nach Strategien zur flächendeckenden Prävention und Therapie von LBP. Zwar ist der positive Effekt von rückenspezifischem Kraft- und Stabilisationstraining bei chronischen LBP mit hoher Evidenz klar belegt [3], dennoch ist bei der Mehrzahl der PatientInnen die Bereitschaft, ein klassisches Trainingsprogramm durchzuführen, gering. Letzteres mag unterschiedliche Gründe haben. Neben dem relativ hohen Zeitaufwand kann auch eine „Kinesiophobie“, also die Angst vor Schmerzen aufgrund von Körperbewegungen, eine gewichtige Rolle spielen. Dieses Phänomen ist bei vielen Betroffenen von chronischen Rückenschmerzen zu beobachten [4]. Innovative Trainingstechnologien wie Ganzkörpervibration (whole body vibration – WBV) und insbesondere Ganzkörper-Elektromyostimulation (whole body electromyostimulation – WB-EMS) weisen u.a. durch Zeiteffektivität und Gelenkfreundlichkeit ein hohes Potenzial auf, gerade Betroffene von Rückenschmerzen zu aktivieren. Trotz grundsätzlich positiver Daten und Berichten lagen bis vor Kurzem für keine der genannten Trainingstechnologien spezifische Studien vor, welche Effektivität und Nachhaltigkeit der Trainingsdurchführung bei chronischen, unspezifischen LBP mit ausreichender statistischer Power untersuchten. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war (1) der Nachweis eines signifikant positiven Effektes eines leicht adaptierten, konventionellen WBEMS Trainings auf chronische LBP im Vergleich zu einer nicht-trainierenden Kontrollgruppe bei Menschen mit chronisch, unspezifischen LBP sowie (2) der Vergleich der Auswirkungen von WBEMS und WBV im Vergleich zu konventionellem rückenspezifischem Krafttraining (RKT) auf chronische LBP, insbesondere Schmerzintensität und –häufigkeit, Alltagskompetenz und Leistungsfähigkeit bei Menschen mit chronisch, unspezifischen LBP. Projektaufbau

Abbildung 1 zeigt den Aufbau des Projektes, das in den Jahren 2017 bis 2020 realisiert wurde. In der ersten Phase wurde eine Meta-Analyse individueller Studiendaten von Menschen mit chronischen LBP aus insgesamt fünf WB-EMS Studien mit untrainierten Personen im mittleren bis höheren Lebensalter durchgeführt, um den grundsätzlichen medizinischen Mehrwert der


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Methode abzuschätzen. In der zweiten Interventionsphase erfolgte die Evaluierung der Methode im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Untersuchung, um die Effektivität von Ganzkörper-EMS im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ebenfalls mit unspezifischen chronischen LBP. In Phase 3 erfolgte schließlich der sehr aufwändige Vergleich von WB-EMS mit WBV und der etablierten Methode des rückenorientierten Krafttrainings (RKT) jeweils unter Beachtung der konventionellen Durchführungsstandards.

Abbildung 1: Aufbau des Projektes Projektphase 1: Meta-analytische Betrachtung

Die Analyse [5] basierte auf den Daten von fünf randomisierten kontrollierten WB-EMS Studien [6-10] im Spannungsfeld muskuloskeletaler Erkrankung (Sarkopenie, Osteoporose), bei denen ähnliche WB-EMS Protokolle appliziert wurden. Diese Studien wurden ausgewählt, weil sie (1) eine Studiendauer von mehr als 12 Wochen aufwiesen, (2) nur Personen ohne vorherige WB-EMS Erfahrung aufnahmen, (3) den gleichen Schmerzfragebogen verwendeten, (4) sich auf selbständig lebende Kohorten von 60 Jahren und älter konzentrierten, sowie (5) einen randomisierten kontrollierten Studienansatz (RCT) mit Parallelgruppendesign (WB-EMS vs. Kontrollgruppe (KG)) verfolgten. Nicht ganz einheitlich war der Trainingszustand der Studienteilnehmenden. Während sich vier Studien auf körperlich untrainierte ältere Menschen fokussierten, schloss die fünfte WBEMS Studien postmenopausale Frauen mit mehrjähriger Erfahrung im Krafttraining ein. Aus den oben aufgeführten Untersuchungen wurden nun ausschließlich Teilnehmende der WB-EMS Gruppe bzw. Kontrollgruppe in die Analyse eingeschlossen, die vor dem jeweiligen Studienbeginn angaben, an häufigen oder chronischen, mindestens moderat starken Rückenschmerzen zu leiden. Ausgeschlossen wurden Personen, bei denen der Kreuzschmerz einer pathologischen Ursache zugeordnet werden konnte. Insgesamt konnten 23 Teilnehmende der WB-EMS Gruppen und 22 Teilnehmende der Kontrollgruppen in die Meta-Analyse der individuellen Patientendaten aufgenommen werden. Studienendpunkte waren


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Schmerzintensität und -häufigkeit an der Lendenwirbelsäule. Tabelle 1 zeigt die basalen Charakteristika der Untersuchten. Tabelle 1: Basale Charakteristika der Studiengruppen (Mittelwert ± Standardabweichung) WB-EMS (n=23) MV ± SD

KG (n=22) MV ± SD

12/11

14/8

Alter (Jahre)

72,0 ± 7,1

72,5 ± 7,8

Körpergrösse (cm)

166,3 ± 9,9

166,0 ± 8,4

Körpermasse (kg)

71,7 ± 9,4

68,8 ± 10,4

Körperliche Aktivität (Index)a

2,91  1,08

3,22  1,51

Anzahl Erkrankungen (n)

3,4  1,7

3,0  1,4

Anzahl orthopädischer Erkrankungen (n)

2,2  0,8

2,0  0,9

Variable Geschlecht (männlich/weiblich) (n)

RaucherInnen (n) a

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Index von 1 (sehr niedrig) bis 7 (sehr hoch) [11, 12]

Insgesamt zeigten die in Tabelle 1 von allen eingeschlossenen Untersuchungen aufgeführten basalen Charakteristika keine relevanten oder signifikanten Zwischengruppen-unterschiede.

Wie oben aufgeführt, waren die jeweiligen Protokolle der WB-EMS Gruppen weitgehend vergleichbar was Impulsart (bipolar), -form (meist rechteckig), -frequenz (85 Hz), -breite (350 µs), -dauer (4-6 s), duty-cycle (40-50%), Trainingshäufigkeit (1-1.5x Woche), Dauer der Trainingseinheit (16-25 min), Gerätetyp (miha bodytec Typ I) und Supervisionsgrad (kontinuierlich, 1 TrainerIn – 2 Trainierende) betraf. Der Intensitätsgrad, erfasst über die subjektive Beanspruchung (rate of perceived exertion – RPE), variierte zwischen 5 „anstrengend“ bis 7 „sehr anstrengend“ auf der BORG CR 10 Skala [13]. Während der Impulsphase wurde in allen zugrundeliegenden Untersuchungen leichte Körperübungen im Stehen durchgeführt, die per se keine Anpassungserscheinung auslösen sollten. In einem besonders leistungsschwachen Kollektiv [9] von Frauen mit einer Sarcopenic Obesity [14] wurde die WB-EMS Anwendung in sitzend-liegender Position ebenfalls mit leichten Körperübungen während der Impulsphase durchgeführt. Relevant unterschiedlich zwischen den Untersuchungen war allerdings die Interventionsdauer, die zwischen minimal 14 Wochen [6, 7] und maximal 12 Monaten [8] variierte. Abgesehen von einer Studie [6], die eine Verblindung der Teilnehmenden vorsah, implementierten alle anderen Studien nicht-trainierende Kontrollgruppen, deren Teilnehmende gebeten wurden, ihren gewohnten Lebensstil während des Studienzeitraums strikt beizubehalten. Die "aktive" Kontrollgruppe der erstgenannten Studie sah 1,5 mal pro Woche ein leichtes 20minütiges Bewegungsprogramm auf Ganzkörpervibrationsplatten (WBV, 30 Hz) unter besonderer Berücksichtigung der Flexibilität vor. Schmerzintensität und Schmerzhäufigkeit wurden in allen Untersuchungen identisch mit einem Fragebogen ermittelt, der zuvor in zwei randomisierten kontrollierten Studien mit älteren Kohorten validiert wurde [15, 16]. Der Fragebogen erfasste Häufigkeit und maximale Schmerzintensität an der Wirbelsäule (HWS, BWS, LWS) und den Hauptgelenken während der


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letzten 4 Wochen auf einer Skala von 0 „keine Schmerzen“ bis 7 „chronische Schmerzen/ unerträgliche Schmerzen“. Alle Teilnehmenden der WB-EMS- und der Kontrollgruppen der Studien wurden entsprechend einer WB-EMS versus einer Kontrollgruppe zugeteilt, die ohne jede weitere Gewichtung (bspw. für die basale Schmerzintensität) in der statistischen Analyse verglichen wurden. Nach Überprüfung auf Normalverteilung mittels QQ-Plots wurden die Daten als Mittelwert (MV) ± Standardabweichung (SD) und 95%-Konfidenzintervall (CI) angegeben. Unterschiede innerhalb der Gruppe („vorher-nachher“) wurden mit gepaarten t-Tests berechnet, Unterschiede zwischen WBEMS und Kontrolle wurden mittels Welch t-Test analysiert. Alle Tests waren 2-seitig angelegt, statistische Signifikanz wurde bei p<.05 akzeptiert. Effektgrößen (ES) wurden unter Verwendung der standardisierten Mittelwertdifferenz (SMD) berechnet. ES≥ 0,5 wurden als moderat, ES≥ 0,8 als hoch angesehen. Ergebnisse:

Die Teilnahmerate der WB-EMS Gruppen lag im Durchschnitt bei 92% (79-100%). Keine der Untersuchungen berichtete unerwünschte Nebenwirkungen der WB-EMS Applikation. Alle Teilnehmende der Kontrollgruppe berichteten, dass sie ihren normalen Lebensstil inklusive Bewegung und Ernährung während der Studienphasen beibehalten hatten. Weiterhin wurde weder in der WB-EMS Gruppe noch in der Kontrollgruppe Änderungen der Medikation einschließlich Analgetika während der Studienphasen berichtet. Tabelle 2: Basale Werte, Werte bei Studienende und absolute Veränderung von Schmerzintensität und Schmerzhäufigkeit an der LWS in der WB-EMS Gruppe und Kontrollgruppe. ***: p<0.001; n.s.: nichtsignifikant. WB-EMS (n=23)

KG (n=22)

MV  SD

MV  SD

Absolute Differenz MV (95%-CI)

p

SMD

Schmerzintensität an der Lendenwirbelsäule (LWS) (Index)a Basal

5,13  0,87

5,23  0,87

-----

.619

-----

Studienende

4,26  0,92

5,23  0,81

-----

----

-----

-0,87  1,06***

0,00  1,02 n.s

0,87 (0,24 bis 1,50)

.008

0.84

Differenz

Schmerzhäufigkeit an der Lendenwirbelsäule (LWS) (Index)b Basal

5,78  0,77

5,86  0,78

-----

.563

-----

Studienende

4,87  0,82

5,50  0,86

-----

-----

-----

-0,91  0,85***

-0,36  0,85 n.s

0,64 (0,04 bis 1,06)

.035

0.65

Differenz

a Index von 0 (keine Schmerzen) bis 7 (unerträgliche Schmerzen) b Index von 0 (keine Schmerzen) bis 7 (chronische Schmerzen)

Zusammenfassend konnten sowohl für die Schmerzintensität wie auch die Schmerzhäufigkeit signifikant positive Effekte von mittlerer bis hoher Effektstärke (SMD) erfasst werden (Tab. 2). Schmerzintensität und -häufigkeit an der LWS verringerte sich in der WB-EMS Gruppe signifikant (p < .001). In der KG zeigte sich keine Veränderung für die Schmerzintensität an der LWS (p=.997), jedoch reduzierte sich die Schmerzhäufigkeit der Kreuzschmerzen nicht signifikant (p=.057).


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Diskussion

Fasst man die Wirksamkeit von WB-EMS im Spannungsfeld unspezifischer Kreuzschmerzen zusammen, so beobachteten wir in dieser Untersuchung einen moderaten bis hohen positiven Effekt bei Personen mit unspezifischen, häufigen bis chronischen Rückenschmerzen. Obwohl eine Reduktion von Kreuzschmerzen von einigen vorhergegangen, methodisch leider angreifbaren Untersuchungen [17, 18] aufgezeigt wurde, war dieses Ergebnis nicht unbedingt zu erwarten. So spricht die Nationale Versorgungsleitlinie „Kreuzschmerz“ [19] keine Empfehlung für Stromtherapie aus – im Falle der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS), einer lokal angewandten niedrig-intensiven Version der Elektrostimulation wird sogar eine „Negativempfehlung“ bei akutem und chronischem unspezifischem Kreuzschmerz insbesondere aufgrund deren passiven Anwendung ausgesprochen. Aufgrund der vorliegenden Untersuchungen nun aber eine uneingeschränkte Empfehlung für WBEMS zur Reduktion von Schmerzintensität und –häufigkeit auszusprechen, wäre jedoch aufgrund einiger Studienlimitationen aus unsere Sicht verfehlt. Fallstricke meta-analytischer Ansätze wie insbesondere Unterschiede zwischen den inkludierten Untersuchungen/Teilnehmenden haben potentiell Einfluss auf unser Ergebnis. So variieren neben dem Interventionszeitraum (14 bis 52 Wochen), Impuls- und Applikationsparameter leicht, aber möglicherweise relevant. In den Studienkohorten könnte die Relevanz potenzieller Störgrößen nochmal höher liegen. Tatsächlich variieren die Kohorten von Teilnehmenden mit "Sarkopenie und Adipositas" [9, 10] bis zu Personen mit Metabolischem Syndrom [6]. Obwohl die Stichprobengröße zu gering war, um eine dedizierte Analyse durchführen zu können, unterschied sich der günstige Effekt von WB-EMS auf die Kreuzschmerzen nicht zwischen den zugrundeliegenden RCTs, was darauf hindeutet, dass WBEMS in älteren Kohorten mit LBP weitgehend unabhängig vom Gesundheits-, Fitness- und Bewegungsstatus wirksam war. Eine weitere relevante Limitation der Untersuchung war, dass eine retrospektive Einschätzung der Schmerzintensität und -häufigkeit (u.a.) an BWS und LWS vorgegeben wurde – ein täglich auszufüllendes Schmerztagebuch erscheint zur belastbaren Erfassung chronisch unspezifischer Kreuzschmerzen und definitiver Beantwortung dieser Fragestellung sicher angemessener. Zusammenfassend sehen wir unsere Ergebnisse somit eher als vorläufigen Befund denn als endgültigen Beweis, der eine definitive Schlussfolgerung rechtfertigt, dass WB-EMS einen günstigen Effekt bei der Behandlung von chronischen, unspezifischen LBP hat. Trotzdem lieferte diese vergleichsweise wenig aufwändige Metaanalyse individueller Daten von Teilnehmenden ausreichend Evidenz zur weitergehenden Untersuchung dieser Fragestellung mit geeigneteren Forschungsdesigns und Methoden (Phase 2).


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Projektphase 2: Randomisierte kontrollierte Studie im Parallelgruppendesign

Die Projektphase 2 [20] fand bereits im Rahmen des DFG-geförderten Projektes zur (vergleichenden) Evaluierung der Effektivität von u.a. WB-EMS auf chronisch unspezifische Kreuzschmerzen statt. Im initialen Projektabschnitt wurden die ersten 30 Personen, die im Rahmen des sukzessiven Rekrutierungsprozesses eingeschlossen werden konnten, randomisiert und stratifiziert nach Lebensalter einer WB-EMS Gruppe (n=15) und einer nicht-trainierenden Kontrollgruppe (n=15) zugewiesen [20]. Einschlusskriterien für die Teilnehmenden waren: (a) Männer/Frauen/Divers zwischen 40 bis 70 Jahre alt; (b) vorliegen chronischer Kreuzschmerzen (definiert ≥50 Prozent der Tage der letzten 3 Monate); (c) unspezifische Kreuzschmerzen (kein Hinweis auf eine pathologische Ursache); (d) keine häufige oder kontinuierliche Einnahme von Analgetika; (e) keine pharmakologische Therapie oder Erkrankungen, die den Muskelstoffwechsel beeinflussen (z.B. Glukokortikoide); (f) absolute Kontraindikationen für WB-EMS Anwendung [21]; (g) voraussichtliche Abwesenheit von mehr als zwei Wochen während des Studienzeitraums. Wir verglichen eine 12-wöchige WB-EMS Anwendung mit einer inaktiven Kontrollgruppe ohne weitere Intervention. Zum Anreiz für Teilnehmende der Kontrollgruppe trotz Beschwerdedruck keine Intervention zu erhalten, wurde diesen zugesagt, nach Studienende per Losverfahren auf die folgenden Interventionsgruppen verteilt zu werden. Die Studie wurde am Institut für Medizinische Physik inErlangen durchgeführt, das zentral gelegen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar ist. Zertifizierte TrainerInnen, die auch die Anwesenheit und Compliance der Teilnehmenden protokollierten, betreuten und leiteten die WB-EMS Einheiten. Abgesehen von der zusätzlichen WB-EMS Intervention wurden alle Teilnehmenden aufgefordert, ihren gewohnten Lebensstil beizubehalten. Wir applizierten ein konventionelles WB-EMS Protokoll mit bipolarem elektrischen Strom, einer Frequenz von 85Hz, einer Impulsbreite von 350µs, einem rechteckigen Modus und einem Intervall von 6 Sekunden Stimulation und 4 Sekunden Impulspause einmal pro Woche für 20 Minuten. Während der Stimulationsphase führten die Teilnehmenden Bewegungen mit niedriger Amplitude aus, die auf die Kreuzschmerzproblematik ausgerichtet waren (Abb. 2). Die Teilnehmenden absolvierten ein bis drei Sätze mit sechs Wiederholungen von sechs einfachen und niedrigintensiven Bewegungsformen. Jeweils vier ProbandInnen trainierten parallel und in enger Kooperation mit zwei zertifizierten TrainerInnen (1:2) videogeführt mit WB-EMS Geräten der Firma miha bodytec (Gersthofen, Deutschland) (Abb. 2). Die Intensität der Stimulation wurde mit Hilfe der BORG CR 10 Skala festgelegt [20]. Die Teilnehmenden wurden aufgefordert, mit einem RPE zwischen "hart (5)" und "sehr hart (7)" zu trainieren. In der ersten Trainingseinheit wurde die Impulsintensität in enger Interaktion mit den Teilnehmenden individuell angepasst und auf Karten gespeichert. Während der WB-EMS Einheit manipulierten die TrainerInnen in enger Zusammenarbeit mit den Teilnehmenden die Impulsintensität alle zwei bis drei Minuten. Während der ersten vier Sitzungen stieg die Dauer der WB-EMS Einheiten von 12 auf 20 Minuten


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pro Anwendung an. Die TrainerInnen überwachten und protokollierten dabei regelmäßig die Einhaltung des vorgegebenen WB-EMS Protokolls.

Abbildung 2: Ausschnitt aus dem Übungsvideo mit beispielhaften Körperübungen, die während der Impulsphase durchgeführt wurden. Messprotokoll

Die Messungen wurden jeweils stets vom selben Untersuchenden in denselben Räumlichkeiten mit identischen Geräten in derselben Reihenfolge und zu einer vergleichbaren Tageszeit durchgeführt. Die Testassistenten waren verblindet, d.h. der Status der Teilnehmenden (WB-EMS oder KG) war Ihnen nicht bekannt und durfte nicht erfragt werden. Primärer Studienendpunkt war die Veränderungen der durchschnittlichen Intensität von Kreuzschmerzen erfasst mittels 4-Wochen-Schmerztagebuch vor Studienbeginn bis zum Kontrolltermin nach 12 Wochen. Sekundäre Studienendpunkte waren die Veränderungen der maximalen isometrischen Rumpfkraft (Extension, Flexion) zwischen Studienbeginn und 12Wochen-Kontrolltermin. Neben demographischen Daten, Lebensstil, Erkrankungen, Operationen, Medikamente (via standardisierte Fragebogen) wurden anthropometrischen Daten mittels Stadiometer und segmentale Mehrfrequenz BioImpedanzAnalyse (DSM-BIA) ermittelt. Die Intensität des Kreuzschmerzes wurde unter Verwendung einer numerischen Bewertungsskala (numeric rating scale – NRS) von 0 (kein Schmerz) bis 10 (schlimmst möglicher Schmerz) über vier Wochen vor sowie während der letzten vier Wochen der Intervention erfasst. Die Teilnehmenden erhielten zur Protokollierung Schmerztagebücher und sollten ihre höchste tägliche Kreuzschmerzintensität bewerten. Die durchschnittliche Intensität der Kreuzschmerzen gemittelt


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über vier Wochen vor versus während der letzten vier Wochen der Intervention wurden in die Analyse einbezogen. Die isometrische Maximalkraft der Rumpfbeugung und -streckung wurde mittels Back-Check 607 (Dr. Wolff, Arnsberg, Deutschland) gemäß den Spezifikationen des Herstellers gemessen. Die Patienten wurden in einer stehenden Position mit leicht gebeugten Knien (20°) getestet. Die Hüfte wurde auf Höhe des Beckenkamms fixiert. Für die Flexion wurde ein Polster in Höhe des Brustbeins platziert, während die Extension in Höhe des Schulterblatts gemessen wurde. Die individuellen Einstellungen wurden protokolliert, um eine exakte Repositionierung beim Folgetest zu gewährleisten. Die Teilnehmenden absolvierten die Tests jeweils dreimal; das beste Ergebnis wurde in die Analyse einbezogen. Alle Teilnehmenden wurden in die primäre Analyse (Intention to treat – ITT) eingeschlossen, unabhängig von Compliance oder „Lost to Follow-up“. Zur Imputation fehlender Werte wurde die Statistiksoftware R in Kombination mit dem Programm Amelia II verwendet. Der gesamte Datensatz wurde für die Mehrfach-Imputation verwendet; die Imputation wurde hundertmal wiederholt. Die Mehrfach-Imputation ergab in allen Fällen zufriedenstellende Ergebnisse. Es wurden abhängige t-Tests zur Analyse von Veränderungen innerhalb der Gruppe verwendet. Um Unterschiede zwischen den Gruppen zu ermitteln, wurden Welch t-Tests angewendet. Die Daten sind als Mittelwert (MV), Standardabweichung (SD) und 95%-Konfidenzintervall (95%-CI) angegeben. Alle Tests waren 2-seitig angelegt; statistische Signifikanz wurde bei p<.05 akzeptiert. Effektgrößen (ES) wurden mit Cohens d` [22] berechnet. ES≥ 0,5 wurden als moderat, ES≥ 0,8 als hoch angesehen. Ergebnisse

Tabelle 3 zeigt die basalen Charakteristika der beiden Gruppen. Ein signifikante Unterschied zwischen den Gruppen zeigte sich für die Anzahl der Sportabstinenten (p=.031) Tabelle 3: Basale Charakteristika der WB-EMS Gruppe und Kontrollgruppe WB-EMS (n=15) MV ± SD

KG (n=15) MV ± SD

6/9

3/12

56,4 ± 5,7

59,4 ± 7,7

182 ± 3/170 ± 6

175 ± 5 / 166 ± 8

92,3 ± 17,7/77,0 ± 20,3

85,4 ± 5,8/74,7 ± 16,4

Körperfett (%), m/w a

25,4 ± 9,3/31,3 ± 8,4

29,9 ± 5,4/35,5 ± 9,1

RMDQ (Anzahl Items) b

4,8 ± 2,6

6,3 ± 3,4

Schmerzmittelgebrauch (n)

3

5

Kein regelmäßiger Sport (n)

1

6

Rückenspezifisches Training (n)

10

8

Variable Geschlecht (männlich/weiblich) (n) Lebensalter (Jahre) Körpergröße (cm), m/w Körpermasse (kg), m/w

a

a

BioImpedance Analysis (DSM-BIA, InBody 770, Seoul, Korea); b RMDQ (Roland and Morris Disability Questionnaire) erfragt Rückenschmerz-induzierte funktionelle Limitationen über 24 Aspekte.


15

Von den eingeschlossenen Teilnehmenden quittierten zwei (WB-EMS: n=1; KG: n=1) die Untersuchung. Eine Frau aus der WB-EMS Gruppe brach die Studie aufgrund WB-EMS unabhängiger Beschwerden frühzeitig ab, die Teilnehmenden der Kontrollgruppe verlor das Interesse an der Studienteilnahme. Die Anwesenheitsrate bei WB-EMS betrug im Mittel 93±4%. In Bezug auf die Trainingsintensität gaben die Teilnehmenden jeweils an, innerhalb der vorgegebenen RPE zwischen 5 bis 7 trainiert zu haben. Wie beabsichtigt stieg die RPE signifikant (p=.001) von 5,4±0,3 in Woche 4 auf 5,9±0,5 in Woche 12 an. Mit Ausnahme von leichten Muskelschmerzen berichteten die Teilnehmenden über keine WB-EMS-bezogenen Beschwerden während oder nach der Anwendung. Tabelle 4 zeigt die Ergebnisse für die Studienendpunkte Schmerzintensität von Kreuzschmerzen und isometrische Maximalkraft der Rumpfmuskulatur. Die Schmerzintensität chronisch unspezifischer Kreuzschmerzen reduzierte sich in der WB-EMS Gruppe signifikant (p=.002) und veränderte sich in der Kontrollgruppe nur geringfügig (p=.730). Der Gruppenunterschied der Veränderung war signifikant und moderat hoch. Die isometrische Maximalkraft der Rumpfextensoren und -flexoren stieg in der WB-EMS Gruppe jeweils signifikant an (p≤.005) und veränderte sich in der Kontrollgruppe nur geringfügig (p>.638). Tabelle 4: Basale Werte und Veränderung der primären und sekundären Studienendpunkte in WB-EMS und KG. ** p<.01; n.s. nicht-signifikant. WB-EMS (n=15)

KG (n=15)

MV  SD

MV  SD

Absolute Differenz MV (95%-CI)

p

2,75 ± 1,46

3,40 ± 1,70

-----

.274

-0,74 ± 0,87 **

-0,08 ± 0,88 n.s.

0,67 (0,18 bis 1,24)

.028

SMD

Mittlere Schmerzintensität (NRS) (Index)a Basal Differenz

.75

Isometrische Maximalkraft der Rumpfextensoren (kg) Basal

49,60 ± 19,08

39,22 ± 18,93

-----

.150

Differenz

7,26 ± 9,69 **

-1,03 ± 9,75 n.s.

8,29 (0,9 bis 16,4)

.038

.85

Isometrische Maximalkraft der Rumpfflexoren (kg) Basal

44,10 ± 17,58

31,96 ± 17,02

-----

.065

Differenz

6,79 ± 8,51 **

1,29 ± 8,62 n.s.

5,5 (-1,2 bis 12,0)

.091

.64

a Index von 0 (kein Schmerz) bis 10 (schlimmst möglicher Schmerz)

Die isometrische Maximalkraft der Rumpfextensoren stieg in der WB-EMS Gruppe signifikant (p=.005) um 14,6±18,6% an und zeigte in der Kontrollgruppe keine wesentliche Veränderung (2,6±18,9% p=.683). Der Unterschied zwischen den Gruppen war signifikant (p=.038) und mit hoher Effektstärke belegt. Im Gegensatz dazu erreichte der Effekt für die maximale isometrische Rumpfflexionskraft kein signifikantes Niveau (p=.091; SMD=.64). In der WB-EMS Gruppe wurde ein signifikanter Anstieg der maximalen Rumpffexionskraft nachgewiesen (15,3±17,8%, p=.003), während in der Kontrollgruppe lediglich eine leichte Verbesserung beobachtet wurde (4,0±17,3%, p=.563). Während des Studienzeitraumes wurden in der WB-EMS Gruppe noch in der Kontrollgruppe relevante Änderungen des Lebensstils einschließlich körperlicher Aktivität, Training und


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Ernährung berichtet. Im Gegensatz dazu gaben zwei (von drei Teilnehmenden) der WB-EMS Gruppe an, keine Schmerzmedikamente mehr einzunehmen, während die Anzahl der entsprechenden Personen in der KG unverändert blieb (n=5). Diskussion Das primäre Ziel dieser Studie war es, die Wirkung von WB-EMS im Vergleich zu einer nicht aktiven KG auf chronischen unspezifischen Kreuzschmerzen nachzuweisen. Zusammenfassend bestätigt unser Ergebnis den bereits von der vorausgehenden Metaanalyse erfassten signifikanten positiven Effekt in dieser Kohorte mit ähnlich hoher Effektstärke. Somit erhöht die vorgelegte randomisierte kontrollierte Untersuchung den Evidenzgrad für die Effektivität von WB-EMS auf chronisch unspezifische LBP maßgeblich. Betrachtet man zudem die hohe methodische Qualität dieses RCTs (bspw. PEDro Score [23] 8 von 10 möglichen Punkten), so sehen wir die Negativempfehlung der Nationalen Versorgungsleitlinien (NVL) Kreuzschmerz in dieser Hinsicht einer Überarbeitung würdig. Ist somit die Frage der grundsätzlichen Effektivität von WB-EMS bei chronisch unspezifischen LBP aus unserer Sicht hinreichend geklärt, erscheint es uns ebenfalls wichtig, dieses Ergebnis im Kanon anderer Interventionstypen zu diskutieren, um die Relevanz dieser Trainingstechnologie innerhalb der Therapie chronisch unspezifischer LBP zu verdeutlichen. Vergleicht man also die Studienergebnisse mit konventionellen Trainingsprogrammen im Spannungsfeld der Rückenschmerzproblematik, so liegt die durchschnittliche Effektstärke (SMD) von Koordinations-/Stabilisierung-Protokollen (12 Untersuchungen) bei 0,48, diejenige von Kraft/Widerstandstraining (11 Untersuchungen) bei durchschnittliche 0,51 [3]. Wie in trainingswissenschaftlichen Meta-Analysen üblich, variieren die Ergebnisse für die einzelnen Untersuchungen jedoch ganz erheblich. Die „effektivsten Studien“ berichten Effektstärken von 1,7 bis 2,3 nach intensivem Kraft-/Stabilisationstraining [24-26], also Effekte die deutlich höher liegen als die Ergebnisse unserer vorliegenden Untersuchung. Projektphase 3: Vergleich unterschiedlicher Trainingsmethoden im Parallelgruppendesign

Aufgrund der bereits berichteten teilweise höheren Effektstärken von Untersuchungen, die entweder konventionelle Kraft- und Stabilisierungsprotokolle [24, 25] oder individualisiertes Krafttraining an spezifischen (Rücken-)Kraftgeräten [26] appliziert haben, implementierten wir eine vergleichende Untersuchung [27] von Trainingsprogrammen mit realistischen Settings, um die Relevanz der WB-EMS Methode im Spannungsfeld der Therapie chronisch unspezifischer LBP einordnen zu können. Dabei war es nicht das Ziel der Studie, die Überlegenheit einer Methode zu erfassen, sondern idealerweise unterschiedliche Trainingsoptionen für betroffene Menschen darzulegen. In der vorliegenden Untersuchung verglichen wir daher den Effekt von WB-EMS mit dem eines WBV Trainings und eines konventionellen Rückenkräftigungsprogrammes (RKT) unter besonderer Berücksichtigung der gängigen Organisations- und Anwendungsform. Fungierte das letztgenannte konventionelle Training der Rückenkraft als etablierte Referenzmethode [3], so liegt für die Trainingstechnologie WBV ebenfalls bereits Evidenz für positive Effekte vor. Ein systematischer Review [28] identifiziert sieben WBV Studien mit Fokus auf der Schmerzintensität von LBP und/oder LBP-induzierte Limitationen. Von den sechs Studien, welche die


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Schmerzintensität gemessen haben, zeigten vier Untersuchungen [29-32], dass WBV einen günstigen Effekt auf die Intensität von LBP im Vergleich zur Kontrollgruppe hatte. Daneben stellt WBV eine relativ zeiteffektive und sichere Behandlungsform dar, sodass wir den Einschluss dieser Trainingstechnologie in unseren Methodenvergleich als zielführend zur Evaluierung neuer, optionaler Behandlungsstrategien bei chronisch unspezifischem LBP ansehen.

Abbildung 3: Flow-Chart der Projektphase 3

In Projektphase 3 erfolgte somit ein Methodenvergleich der drei obengenannten Trainingsformen auf der Grundlage von Projektphase 2 (Abb. 1). Eligibilitätskriterien, Rekrutierungs- und Allokationsstrategien wurden somit in Phase 3 unverändert angewandt. Intensionsgemäß wurde allerdings im Weiteren auf die Vergrößerung der Anzahl der Teilnehmenden der Kontrollgruppe verzichtet und die sukzessiv rekrutierten Studienteilnehmenden randomisiert und stratifiziert nach basaler Schmerzintensität gleichmäßig auf die drei Interventionsgruppen verteilt. Die hierzu benötigte formale Fallzahlanalyse zur Generierung ausreichender statistischer Power ergab unter Berücksichtigung der Mehrfachvergleiche und realistischer Effektstärken eine notwendige Fallzahl von 78 Teilnehmenden je Gruppe; final wurden 80 Personen je Gruppe eingeschlossen (Abb. 3). Aufgrund dieser vergleichsweise hohen Fallzahl wurde die Untersuchung in einem bizentrischen Studienansatz in Erlangen und Köln durchgeführt. Tabelle 5 zeigt die basalen Charakteristika der drei Interventionsgruppen.


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Tabelle 5: Basale Charakteristika der drei Interventionsgruppen.

Variable

WB-EMS (n=80)

WBV (n=80)

RKT (n=80)

30/50

30/50

32/48

Lebensalter (Jahre)

54,1 ± 7,8

54,3 ± 7,8

58,3 ± 7,5

Körpergröße (cm)

174,0 ± 10,2

172,3 ± 8,6

172,7 ± 10,2

78,3 ± 15,8

78,0 ± 16,1

79,7 ± 15,8

6,8 ± 4,2

5,0 ± 3,9

5,1 ± 3,2

Schmerzmittelgebrauch (n)

31

26

22

Kein regelmäßiger Sport (n)

12

13

7

Sportvolumen (min/Woche)

78 ± 44

81 ± 46

75 ± 50

50

44

Geschlecht (männl./weibl.) (n)

Körpermasse (kg)

a

RMDQ (Anzahl Items)

b

Rückenspezifisches Training (n) a

47 b

Bio-Impedance Analysis (DSM-BIA, InBody 770, Seoul, Korea); RMDQ (Roland and Morris Disability Questionnaire) erfragt Rückenschmerz-induzierte funktionelle Limitationen über 24 Aspekte

Die Konzeption der Trainingsprogramme orientierte sich jeweils an den in der Praxis verwendeten Belastungsgrößen. Aus diesem Grund variierte die Dauer sowie die Häufigkeit der Einheiten und somit das Trainingsvolumen zwischen den drei Gruppen signifikant. Das WB-EMS Programm wurde im bereits oben genannten Standardmodus (bipolar 85Hz, 350µs, rechteckiger Modus, 6 Sekunden Stimulation/4 Sekunden Impulspause) einmal je 20 Minuten/Woche mit leichten rückenspezifischen Bewegungsformen während der Impulsphase durchgeführt. Die WBV Intervention wurde zweimal pro Woche für 15 Minuten durchgeführt (insgesamt 24 Einheiten). Innerhalb der Trainingszeit wurden fünf Übungen mit zwei Sätzen und fünf bis acht Wiederholungen absolviert. Die Amplitude betrug +/-4,5 mm und die Frequenz lag zwischen 5 bis 10 Hz. Die Teilnehmenden wurden instruiert, bei einem subjektiven Belastungsempfinden zwischen 5 und 7 (BORG CR 10 Skala) zu trainieren. Die ersten beiden Trainingseinheiten wurden von qualifizierten TrainerInnen angeleitet. Anschließend wurde das Übungsprogramm videogestützt durchgeführt. Teilnehmende der RKT Gruppe trainierten einmal pro Woche für 45 Minuten. Eine Trainingseinheit bestand aus einem 15-minütigen Warm-up und einem 30-minütigen Zirkel-Training mit zehn statischen oder dynamischen Kräftigungsübungen mit und ohne Trainingsmittel (z.B. Seilzug, Gymnastikball, Theraband). Alle Übungen wurden zweimal mit 50 Sekunden Belastung und 25 Sekunden Pause absolviert. Durch Übungsvariationen konnten die Teilnehmenden die Intensität individuell anpassen, sodass das Training ebenfalls bei einem subjektiven Belastungsempfinden zwischen 5 bis 7 (BORG CR 10 Skala) durchgeführt wurde. Alle Trainingseinheiten wurden von qualifizierten TrainerInnen begleitet. Bedingt durch den Studienaufbau war das Messprotokoll der Phase 3 identisch mit dem für Phase 2 beschriebenen Protokoll. Primärer Studienendpunkt war die Veränderungen der durchschnittlichen Intensität von Kreuzschmerzen erfasst mittels Schmerztagebuch jeweils vier


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Wochenv or Studienbeginn und vier Wochen vor der 12-Wochen-Kontrollmessung. Sekundäre Studienendpunkte waren die Veränderungen der maximalen isometrischen Rumpfkraft (Extension/Flexion) zu Studienbeginn bis zum 12-Wochen-Kontrolltermin. Die Studienstandorte Erlangen und Köln verfügten über identische Messtechnologien und im Vorfeld der Messungen wurde das Messprozedere nochmals abgestimmt. Es wurde eine ITT-Analyse durchgeführt, in welche die Daten aller initial eingeschlossenen Teilnehmenden eingingen. Die Analyse wurde mit dem statistischen Softwareprogramm R (R Development Core Team Vienna, Austria) in Kombination mit einer multiplen Imputation durch das Programm Amelia II [33] durchgeführt. Nach graphischer und statistischer Überprüfung der Normalverteilung wurden die Veränderungen innerhalb der Gruppen mittels abhängigem t-Test analysiert. Zwischengruppenunterschiede wurden mittels ANCOVA unter Adjustierung auf die Basalwerte berechnet, bei der wir den Ansatz von Allison [34] zur Berücksichtigung der imputierten Datensätze verwendeten. Bei relevanten Zwischengruppenunterschieden (p<.10) wurden zusätzlich paarweise Vergleiche mittels t-Tests mit gepoolter SD durchgeführt. Die korrespondierenden p-Werte wurden auf multiples Testen adjustiert [35]. Es wurden ausschließlich zweiseitige Tests durchgeführt; ein Signifikanzniveau von p< 0,05 wurde als signifikant angesehen. Ergebnisse

Tabelle 5 zeigt die basalen Charakteristika der drei Interventionsgruppen. Für die aufgeführten Größen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. Insgesamt verließen 27 Teilnehmende die Studie vorzeitig bzw. nahmen nicht an den Abschlussmessungen teil (Abb. 3). In einem Fall gab es eine WB-EMS-bedingte Begründung des Ausscheidens (Nässe im Winter war nicht angenehm). Als weitere Gründe für den Ausstieg wurden neben Erkrankung und Verletzungen (n=14), Zeitmangel (n=7), Umzug (n=1) genannt. Vier Teilnehmende machten keine Angaben Die Anwesenheitsrate war in allen drei Interventionsgruppen sehr hoch (WB-EMS: 92±7% vs. WBV: 91±7% vs. RKT: 88±8,0%). Unerwünschte Nebeneffekte der Interventionen oder trainingsinduzierte Verletzungen wurden von den Teilnehmenden auf Nachfrage nicht berichtet. Zusammenfassend zeigten sich nach Studienende jeweils hochsignifikante Verbesserung der mittleren Schmerzintensität in allen drei Interventionsgruppen, die sich in der Ausprägungen (ca. 30%) nicht relevant oder signifikant (p=.934) unterschieden. Ein vergleichbares günstiges Ergebnis (p<.001) ohne relevante Zwischengruppenunterschiede konnte für die isometrische Maximalkraft der Rumpfextensoren (p=.475) und -flexoren (p=.970) nachgewiesen werden (Tab. 6).


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Tabelle 6: Basale Werte und mittlere Veränderung der Schmerzintensität chronisch unspezifischer LBP, sowie isometrische Maximalkraft der Rumpfextensoren und –flexoren in den drei Interventionsgruppen. *** p<.001

WB-EMS MV ± SD

WBV MV ± SD

RKT MV ± SD

3,08 ± 1,89

2,94 ± 1,51

3,10 ± 1,57

-0,91 ± 0,13 ***

-0,89 ± 0,13 ***

-0,94 ± 0,13 ***

p

Mittlere Schmerzintensität (NRS) (Index)a Basal Differenz

0.934

Isometrische Maximalkraft der Rumpfextensoren (kg) Basal Differenz

47,0 ± 18,6

45,5 ± 17,3

42,5 ± 16,5

8,0 ± 0,97 ***

7,4 ± 1,01 ***

9,2 ± 1,00 ***

0.475

Isometrische Maximalkraft der Rumpfflexoren (kg) Basal Differenz

43,7 ± 18,2

41,5 ± 17,7

40,0 ± 19,8

5,8 ± 1,05 ***

5,8 ± 1,07 ***

5,5 ± 1,09 ***

0.970

Index von 0 (kein Schmerz) bis 10 (schlimmst möglicher Schmerz); *** p<.001

Bei vergleichbarem Ausgangsniveau (Tab. 6) berichteten insgesamt 16% der Teilnehmenden der WBV und WB-EMS Gruppen und 10% der RKT Gruppe keine Verbesserungen oder eine Verschlechterung der mittleren Rückenschmerzintensität. In zwei Fällen (WBV, WB-EMS) kam es zu einer deutlichen Verschlechterung (>2 NRS Punkte). Eine leichte moderate Verbesserung (1-2 NRS Punkte) der Rückenschmerzintensität geben 78% der Teilnehmenden der RKT Gruppe, 70% der WBV Gruppe und 68% der WB-EMS Intervention an. Eine sehr deutliche Verbesserung (>2 NRS Punkte) chronisch unspezifischer LBP konnte in 12% der RKT Gruppe, in 14% der WBV Gruppe und 16% der WB-EMS Gruppe erfasst werden. Jeweils drei Teilnehmende der WBV und WB-EMS Gruppen gaben Schmerzreduktionen von über 3 NRS-Punkten an. Relevante Änderungen des Lebensstils einschließlich körperlicher Aktivität, Training und Ernährung während des Studienzeitraumes wurden nicht berichtet. Die Anzahl der Teilnehmenden mit einer akuten Einnahme von Analgetika veränderte sich in allen Gruppen. In der WB-EMS Gruppe sank sie von 31 auf 11, in der WBV Gruppe von 26 auf 18 und in der KT Gruppe von 22 auf 14. Obwohl der Beginn einer zusätzlichen Therapie im Interventionszeitraum möglichst unterlassen werden sollten, nahmen 26 Teilnehmende (WB-EMS: 9; WBV: 9; RKT: 8) Physiotherapie, Massage oder Akupunktur neu in Anspruch. Diskussion Der in Projektphase 3 durchgeführte Methodenvergleich bestätigt den signifikant positiven Einfluss der Interventionsformen auf den primären Studienendpunkt der mittleren Schmerzintensität chronisch unspezifischer LBP. Neu ist jedoch das Ergebnis, dass alle drei Interventionen vergleichbar gut auf diese Größe wirken. Interpretiert man dieses Ergebnis im Rahmen von Therapie und Heilkunde, so eröffnet es Betroffenen und Therapierenden durch den Einsatz dieser nun validierten Trainingstechnologien neue Behandlungsoptionen. Wie zu


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erwarten, profitieren nicht alle Personen von den Interventionen, da die drei Behandlungsoptionen ungefähr vergleichbare Raten (10-16%) von therapieresistenten Personen aufzeigen. Die Gründe dieser Therapieresistenz konnten mit den in dieser Untersuchung erfassten Patientendaten nicht adressiert werden. Aufgrund der unterschiedlichen Wirkmechanismen der Trainingsmethoden wäre es möglich, dass eine Person, bei der ein konventionelles Rückenkrafttraining keine Wirkung zeigte, durch eine WBV oder WB-EMS Anwendung aber positive Effekte generiert worden wären. So könnten bei der WB-EMS Anwendung neben der hoch-intensiven Muskelaktivierung eine schmerzmodulierende Wirkung der Stromform (die dem TENS gleichsteht) einen zusätzlichen Effekt auf Beschwerden haben. Die seitenalternierenden WBV führt neben einer Aktivierung der Muskulatur und Durchblutungssteigerung übungs- und frequenzabhängig zu einer Mobilisation der Wirbelsäule und des Iliosakralgelenks. Zudem ist analog der Gate-Control-Theorie von Melzack und Wall [36] eine schmerzmodulierende Wirkung durch eine starke Stimulierung der Mechanosensoren durch den Vibrationsinput zu erwarten. Betrachtet man neben der reinen Effektivität die Effizienz der Interventionen, so sind alle Trainingsmethoden als zeiteffizient anzusehen (WB-EMS 20 min vs. WBV: 30 min vs. RKT 45 min/Woche). Die höhere Trainingsfrequenz des WBV (2 Einheiten pro Woche) wird dabei durch den geringeren Personalaufwand relativiert. Bei der wenig komplexen WBV Intensitätssteuerung mit Videoführung und leichten Körperübungen halten wir eine konsequente Supervision nicht, wie im WB-EMS [37] und bei RKT, für zwingend erforderlich - sicherlich aber für wünschenswert. Einige wesentliche Limitationen und Besonderheiten des Projektes sollen an dieser Stelle aufgeführt und besprochen werden. (1) Die Teilnehmenden der vorliegenden Untersuchung weisen eine relativ moderate mittlere Schmerzintensität zu Studienbeginn auf (Tab. 6). Aufgrund dieses „Bodeneffektes“ ist das Potential für Veränderungen möglicherweise deutlich geringer als bei einer hohen basalen Schmerzintensität. Zudem ist fraglich, ob sich die vorliegenden Ergebnisse auf Menschen mit hoher Rückenschmerzintensität generalisieren lassen. Diesem Thema indes widmet sich noch der Beitrag von Konrad et al. in diesem Buch. (2) Die Rahmenbedingungen der Studieninterventionen WB-EMS, WBV und Rückenkraft-training orientierten sich hinsichtlich Setting, Trainingsfrequenz, -dauer und -intensitäts-Vorgabe sehr eng an der Trainingspraxis kommerzieller und nicht-kommerzieller Anbieter (bspw. Verein). Leichte Variationen dieser Trainingsprotokolle1 könnten indes zu unterschied-lichen Effekten auf Studienoutcomes wie die mittlere Schmerzintensität führen. Insbesondere in den Spannungsfeldern WB-EMS und WBV fehlen in diesem Zusammenhang für eine Vielzahl gesundheitlich relevanter Outcomes vergleichende Untersuchungen zur Generierung optimierter Trainingsprotokolle. (3) Obwohl die Veränderung von Covariaten mit Einfluss auf den primären Studienendpunkt, wie die Schmerzmedikation, konsistent abgefragt wurde und die Veränderung der Schmerzmitteleinnahme keine Unterschiede zwischen den Gruppen zeigte, ist es möglich, dass dieser Faktor leichten Einfluss auf unser Gesamtergebnis hat.

1

Bspw. Impulsfrequenz des WB-EMS


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Effekte der Ganzkörper Elektromyostimulation (WB-EMS) im Vergleich zu einem multimodalen Behandlungskonzept bei Patienten mit chronischen unspezifischen Rückenschmerzen. Karl Lorenz Konrad 1 , 2 , Jean-Pierre Baeyens 2 , Christof Birkenmaier 1, Anna Helena Ranker 1 , Jonas Widmann 1 , Johannes Leukert 1 , Lisa Wenisch 1 , Eduard Kraft 1 , Volkmar Jansson 1 , Bernd Wegener 1, 2 1

Abteilung für Orthopädische Chirurgie, Physikalische Medizin und Rehabilitation, LudwigMaximilians- Universität München (LMU), Deutschland, 2 Abteilung für Physiotherapie, Physiologie und Anatomie des Menschen, Freie Universität Brüssel (VUB), Belgien

Einleitung

Unspezifische chronische Rückenschmerzen (NSCBP) sind weltweit die führende chronische Krankheit und zwingen mehr Menschen aus dem Beruf als Diabetes, Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Atemwegserkrankungen, Asthma und Krebserkrankungen zusammen [1, 2]. NSCBP sind zudem die Hauptursache für die Anzahl der mit Behinderung gelebten Jahre [3]. In der medizinischen Wissenschaft gilt die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie als eine der effektivsten Behandlungsmethode für Patienten mit chronischen unspezifischen Rückenschmerzen [4, 5]. Interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMPT)-Behandlungen sind jedoch recht teuer [6]. Je nach Dauer der Behandlung können sich die Kosten für Physiotherapeuten, Psychologen, Ergotherapeuten, Ärzte, Verwaltungspersonal und Medikation auf einen erheblichen Betrag summieren. Ganzkörper- Elektromyostimulation (WB-EMS) hat sich in den vergangenen Jahren als geeignete Methode zur Behandlung von NSCBP herausgestellt [7-9]. In einem Vergleich mit anerkannten monomodalen Behandlungsformen wie Rücken-Krafttraining oder Ganzkörper-Vibration stellte sich WB-EMS als vergleichbar wirksam heraus. Sieht man die jedoch die IMPT als Benchmark zur Behandlung von NSCBP an, so stellt sich die Frage nach der relativen Effektivität dieser Trainingstechnologie von Neuem. Ziel der vorliegenden Arbeit war primär der Vergleich von WBEMS mit einem etablierten multimodalen Konzept auf die Intensität chronisch unspezifischer Rückenschmerzen bei Rückenschmerzpatienten. Sekundäres Ziel der Arbeit war die Erfassung der Nachhaltigkeit überdauernder WB-EMS Applikation auf die Rückenschmerzintensität sowie funktionale Größen. Methoden

Die vorliegende Studie wurde an der Abteilung für Orthopädie, Physikalische Medizin und Rehabilitation der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), Deutschland, im Zeitraum zwischen 04/2017 und 12/2018 durchgeführt. Die Studie wurde im deutschen Register für klinische Studien registriert (ID: DRKS00011896) und von der Ethikkommission der LMU genehmigt (Projektnummer 547-16). Die Studie steht im Einklang mit den ethischen Richtlinien der Deklaration von Helsinki.


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Teilnehmer der Untersuchung waren Patienten mit ärztlicher Diagnose „unspezifischer chronischer Kreuzschmerzen“ seit mehr als 3 Monaten durch einen Arzt. Eingeschlossen wurden Patienten die (1) nur gelegentlicher Sport / Wirbelsäulengymnastik / Physiotherapie durchführten (2) keine psychiatrischen Erkrankungen, (3) keine neuromuskulären Erkrankungen, kein Schwindel, keine Gleichgewichts- oder neurologisch feststellbaren Koordinationsstörungen und (4) keine bekannten psychiatrischen Diagnosen aufwiesen. Darüber hinaus wurden absolute Kontraindikationen für WB-EMS [10, 11] als Ausschlusskriterien angewandt. Insgesamt wurden 128 Personen eingeschlossen, von denen 43 das multimodale Training, 85 das WB-EMS Training durchführten. Eine randomisierte Gruppenzuordnung konnte nicht vorgenommen werden.

Abb. 1: Flussdiagramm durch die Studie

Interventionen

WB-EMS wurde mit Ausrüstung des Herstellers miha bodytec (Gersthofen, Deutschland) im Standardmodus (bipolar, 85 Hz, 350 µs, rechteckig, 4 s Impuls- 4 s Impulspause) unter Stimulation von 12 Muskelarealen unter konsequenter Supervision durch erfahrene Übungsleiter (2 Teilnehmer – 1 Trainer) 1x 20 min/Woche durchgeführt. Während der Impulsphase wurden leichte Körperübungen mit Fokus auf die Rumpfmuskulatur durchgeführt. Während der ersten sechs Übungseinheiten wurde die Grenze für die wahrgenommene Intensität auf maximal "5“ ≙ „stark" auf der Borg CR10 [12] festgelegt. Von der sechsten bis zur neunten Sitzung wurde die wahrgenommene Intensität schrittweise auf Werte zwischen "7“ ≙ „sehr stark" und "8" „sehr stark+“ erhöht. Die Stromstärke wurde ebenfalls in der Trainingseinheit angepasst, wenn der Teilnehmer von einer Abnahme der Wahrnehmung der vorgegebenen Intensität berichtete. Die WB-EMS Intervention wurde in Räumlichkeiten der LMU über sechs Monate durchgeführt. IMPT wurden Alle Probanden der aktiven Kontrollgruppe wurden in ein etabliertes multimodales Therapieprogramm multimodalen Therapieprogramm zur Behandlung von NSCBP-Patienten im


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Rahmen eines Ambulanzkonzepts [13]. Das Programm wurde entsprechend den Empfehlungen der nationalen und europäischen Leitlinien [14, 15] zusammengestellt und bestand aus Physiotherapie, physikalischer Therapie, Psychotherapie, Ergotherapie, Ergotherapie und Pädagogik. Die Patienten hielten sich von Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 16 Uhr in den Kliniken auf und erhielten aufeinander abgestimmte Behandlungen. Die Behandlungsdauer betrug insgesamt 4 Wochen. Um ein selbstbestimmteres Therapieregime zu ermöglichen, erhielten die Probanden detaillierte Informationen über NSCBP sowie über dessen medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapien. Spezifische, individuelle Probleme wurden in Einzelgesprächen und Untersuchungen mit einem Arzt behandelt. Outcomes Zur Erfassung des primären Endpunktes „Schmerzintensität“ der Rückenschmerzen wurde die Numeric Rating Scale (NRS) als Erfassungstool festgelegt. Die Probanden bewerten hier ihre Schmerzen auf einer Skala von 0 (kein Schmerz) bis 10 (schlimmster vorstellbarer Schmerz). Die Schmerzintensität wurde über Schmerztagebücher, eine Woche vor sowie während der letzten Woche der Intervention erfasst. Die Teilnehmer sollten ihre höchste tägliche KreuzschmerzIntensität bewerten, die mittlere Intensität der Kreuzschmerzen über 7 Tage wurde in die Analyse einbezogen. Sekundärer Studienendpunkt war der Oswestry Disability Index (ODI) als Messgröße für rückenschmerzinduzierte Limitationen und Schwierigkeiten den Alltag zu bewältigen [16, 17]. Der ODI ist der im Rückenschmerzbereich am häufigsten verwendete Fragebogen und fragt insgesamt 10 Kategorien des Alltags (bspw. heben, gehen, stehen, schlafen, Sozialleben) mit jeweils 6 vorgegebenen Antworten von 0: (keine Funktionseinschränkung) bis 5 (stärkste Funktionseinschränkung) ab. Die Werte werden mit zwei multipliziert (maximale Punktzahl 100) und als Prozentwerte angegeben. Funktionelle Studienendpunkte waren u.a der „Trunk-Rise-Test“, als Assessment der muskuloskelettalen Funktion des unteren Rumpfes und der Treppensteigetest, bei dem die Bodenreaktionskraft beim maximal schnellen hinaufsteigen einer 5-stufigen Treppe ohne Handlauf erfasst wird [42]. Statistische Analyse Die Datenanalyse wurde mit dem Softwarepaket SPSS 22 (IBM Corp., Armonk, USA) durchgeführt. Da die zentralen Ergebnisvariablen wie NRS, ODI, nicht-parametrisch skaliert waren, wurden alle Berechnungen mit nicht-parametrischen Analysen durchgeführt, um die Daten konsistent darzustellen. Fehlende Daten wurden durch den Mittelwert der entsprechenden Klasse in der Zeitreihe ersetzt. um die Mittelwerte nicht zu beeinflussen. Die statistische Analyse wurde verblindet durchgeführt, das Signifikanzniveau wurde auf p < 0,05 (5%) festgelegt. Ergebnisse 206 Personen wurden auf ihre Eignung geprüft, 184 wurden für geeignet befunden und 162 Personen erklärten ihre Teilnahme an der Studie. Von den rekrutierten Personen erfüllten 128 NSCBP-


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Patienten die Einschlusskriterien und wurden in die Studie aufgenommen 85 Personen (62 weiblich, 23 männlich) nahmen WB-EMS-Angebot wahr und wurden der Eingangsmessung zugeführt ab. 80 Patienten (94%) beendeten die ersten 6 Wochen, 77 Teilnehmer (91%) und 62 Probanden (73%) konnten zu den Messzeitpunkten 12 Wochen und 6 Monate erfasst werden. Als Gründe für den Ausstieg wurden überwiegend Zeitkonflikte angegeben. Drei Teilnehmer konnten aufgrund einer Schwangerschaft, einer Verschlimmerung einer bereits vorliegenden Erkrankung oder Verunfallen die Studie nicht beenden. Von den 43 (31 weiblichen, 12 männlichen) Teilnehmern der IMPT-Gruppe absolvierten 41 Probanden (95%) den 4-wöchtigen Interventionszeitraum und konnten in die Analyse eingeschlossen werden (Abb. 1). Zu Studienbeginn zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen der WB-EMS-Gruppe und der IMPT in Bezug auf basale Charakteristika (Tab. 1), die Schmerzintensität (NRS, Abb. 2) und ODI (Abb. 3). Tab. 1: Basal Charakteristika der IMPT und WB-EMS Gruppe IMPT (n=43)

WB-EMS (n=85)

Geschlecht (m/w)

12/31

33/62

Lebensalter (Jahre)

64  11

55  14

Körpergröße (cm)

172 ± 9

171 ± 10

Körpermasse (kg)

75,3 ± 12,8

77,1 ± 13,1

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51

Schmerzmittelgebrauch (n)* *Anzahl Personen je Gruppe Mittlere Schmerzintensität

Abb. 2 zeigt die Veränderung der mittleren Schmerzintensität in IMPT und WB-EMS-Gruppe. Zu Studienbeginn lag das Schmerzniveau im Vergleich zu Personen ohne chronische Rückenschmerzen hoch (Abb. 2). Die Schmerzintensität reduzierte sich in der WB-EMS Gruppe signifikant von (basal) 4,452,02 Punkten (NRS-Skala) auf 3,071,96 (p<.001) nach 6 Wochen, 2,872,02 nach 12 Wochen und 2,401,75 Punkten nach 6 Monaten. In der IMPT Gruppe konnte nach Ende des Interventionszeitraums (4 Wochen) lediglich eine geringe Reduktion des Rückenschmerzniveaus erfasst werden (4,592,67 auf 4,522,71). Vergleicht man die IMPT versus die WB-EMS Gruppe für die Zeitpunkte 4 Wochen (IMPT) versus 6 Wochen (WB-EMS) zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den beiden Therapieformen.


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Abb. 2: Veränderungen der mittleren Schmerzstärke in IMPT und WB-EMS-Gruppe Oswestry Disability Index (ODI)

Der ODI zeigte eine weitgehend parallele Entwicklung mit der mittleren Rückenschmerz-Intensität (Abb. 3): Die WB-EMS Gruppe zeigte bereits während der ersten 6 Wochen nahezu eine Halbierung der Daten (33,8016,58 auf 17,7212,23, p<.001) die sich zu den Zeitpunkten 12 Wochen (18,0113,37) und 6 Monate (14,1010,25) weiter manifestierte. Die IMPT zeigte im Gegensatz dazu keine wesentliche Veränderung nach Abschluss der Intervention (35,3013,52 auf 35,5614,31 Punkte). Ein Gruppenvergleich zeigt einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen zugunsten der WB-EMS Applikation auf.

Abb. 3: Veränderungen des Oswestry Disability Index (ODI) in IMPT und WB-EMS-Gruppe Funktionale Größen

Die relative Kraft (N/kg Körpergewicht) als Kriterium des Trunk-Rise-Test veränderte sich in der WB-EMS während der ersten 6 Wochen lediglich tendenziell von 13,553,18 auf 13,821,76 N/kg).


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Nach 12 Wochen zeigte sich die Veränderung als signifikant (14,101,90 N/kg) um zum Zeitpunkt 6 Monate wieder auf ein nicht signifikantes Niveau abzusinken (13,941,81 N/kg). Etwas günstiger lag die Veränderung der IMPT Gruppe während des 4 wöchigen Interventionszeitraumes (11,681,76 auf 12,581,76 N/kg, p<.05). Ebenfalls weitgehend vergleichbar zeigten sich die Ergebnisse des Treppensteigetest, bei dem sich eine moderate Steigerung in der WB-EMS (basal: 3,280,81; 6 Wo.: 3,470,82, n.s.; 12 Wo.: 3,570,81, p<.05; 6 Mo.: 3,850,77 W/kg (p<.05) sowie der IMPT-Gruppe (basal: 2,760,82, 4 Wochen: 3,250,82 W/kg, p<.05). Während der Studienphase wurden keine unerwünschten Nebeneffekte oder Beschwerden beobachtet oder von den Teilnehmern berichtet. Diskussion Das Ziel der Untersuchung war die Evaluierung der Effekte von WB-EMS bei Patienten mit NSCBP über einen Zeitraum von 6 Monaten sowie der Vergleich der initialen Ergebnisse mit denen einer interdisziplinären multimodalen (Rücken-)Schmerztherapie. Zusammenfassend zeigte die Untersuchung eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung [16, 18] der Schmerzintensität und der Limitationen durch chronisch unspezifischer Rückenschmerzen nach einem Standard-WB-EMS Protokoll mit leichten Rücken-spezifischen Übungen. Parameter der muskuloskeletalen Funktion verbesserten sich in ähnlicher Weise wie bei der IMPT. Diese Daten unterstützen die Hypothese, dass WB-EMS mindestens so effektiv auf NSCBP einwirkt wie das in dieser Studie applizierte multimodale Konzept für Kreuzschmerzen. Der Aufwand beider Behandlungs-konzepte unterscheidet sich indes erheblich: Während sich das WB-EMS mit einem Volumen von 1x 20 min/Woche [19] recht einfach in den Alltag integrieren lässt, vergleichsweise geringe Kosten aufruft und mit über 1500 Einrichtungen in Deutschland grundsätzlich eine hohe Dichte aufweist2, zeichnet sich die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie durch einen hohen Zeitaufwand für die Betroffenen, hohen Kosten für das Gesundheitswesen und vergleichsweise geringe Aufnahmefähigkeit aus. Betrachtet man die Kinetik der Effekte des WB-EMS Training, so zeigt sich eine rasche und deutliche Verbesserung der Schmerzintensität (NRS) und des ODI innerhalb der ersten Studienwochen. Dies ist umso bemerkenswerter, als das bedingt durch die WB-EMS induzierte Rhabdomyolyse-Gefährdung bei initial (zu) hoher Impulsintensität [20-22]} während der ersten Trainingswochen mit geringer Intensität gearbeitet wurde. Verfolgt man die Entwicklung der NRSSkala und des ODI weiter, zeigen sich nach 6 Monate die deutlichsten Ergebnisse. Wie nachhaltig bzw. andauernd diese Effekte sind, konnte von uns bedauerlicherweise nicht evaluiert werden, da insbesondere die Teilnehmer der IMPT Gruppe zwischenzeitlich andere Therapieformen in Anspruch genommen hatten. Künftige Untersuchungen im Spannungsfeld WB-EMS und NSCBP

2

Wie berichtet wurde ein Standard-WB-EMS Protokoll mit dem am Markt gebräuchlichsten Geräten mit Medizingerätezulassung appliziert. Die Mehrzahl der Einrichtungen arbeitet bereits mit diesem Gerätetyp.


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sollten diesen Aspekt adressieren, um die Möglichkeit einer intermittierenden Applikation mit dazwischenliegenden Pausen zu evaluieren. Ohne Zweifel weist die vorliegenden Untersuchungen einige Besonderheiten und Schwächen auf, welche die Evidenz der Ergebnisse limitieren: 1.) Aufgrund der deutlich unterschiedlichen Settings der Programme und individueller Präferenzen war eine randomisierte Zuordnung der Teilnehmer nicht möglich. (2) Durch die geringe Therapiedichte waren mehr Probanden in der Lage das WBEMS in ihren Alltag zu integrieren. Parallel dazu war es weniger Betroffenen möglich 4 Wochen lang der Arbeit fernzubleiben. Insofern lag die Stichprobengröße in der WB-EMS Gruppe deutlich höher (85 versus 43), wobei die Stichprobengröße zur Verifizierung unserer Hypothesen ausreichend hoch lag. 3.) Die erste Kontrollmessung wurde in der WB-EMS Gruppe etwas später durchgeführt als in der IMPT- Gruppe (6 vs. 4 Wochen), insofern wird ein direkter Vergleich der Gruppen erschwert. Rationale für unser Vorgehen war die sehr niedrigintensive WB-EMS Applikation („Stromgewöhnung“) während der erste Trainings-einheiten. Parallel dazu war eine Verlängerung des IMPT nicht möglich. (4) Aufgrund der Rahmenbedingung war es ebenfalls nicht möglich eine Verblindung auf Teilnehmer oder Behandler/Übungsleiterebene herbeizuführen. Im Gegensatz war den Testassistenten sowie dem Statistiker der Status der Teilnehmer nicht bekannt. Zusammenfassend stellt eine konsequent supervisierte und konsequent angeleitete WB-EMSApplikation eine zeiteffektive Option zu deutlich aufwändigeren Therapiemaßnahmen dar. Literatur [1] Schofield DJ, Shrestha RN, Passey ME, Earnest A, Fletcher SL (2008) Chronic disease and labour force participation among older Australians. Med J Aust 189: 447-450. [2] Maher C, Underwood M, Buchbinder R (2017) Non-specific low back pain. Lancet 389: 736-747. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(16)30970-9 [3] Vos T, Barber RM, Bell B et al (2015) Global, regional, and national incidence, prevalence, and years lived with disability for 301 acute and chronic diseases and injuries in 188 countries, 1990–2013: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2013. Lancet 386: 743-800. [4] Guzman J, Esmail R, Karjalainen K, Malmivaara A, Irvin E, Bombardier C (2002) Multidisciplinary biopsycho-social rehabilitation for chronic low back pain. Cochrane Database Syst Rev CD000963. https://doi.org/10.1002/14651858.CD000963 [5] Kamper SJ, Apeldoorn AT, Chiarotto A et al (2015) Multidisciplinary biopsychosocial rehabilitation for chronic low back pain: Cochrane systematic review and meta-analysis. BMJ 350: h444. https://doi.org/10.1136/bmj.h444 [6] Dragioti E, Bjork M, Larsson B, Gerdle B (2019) A Meta-Epidemiological Appraisal of the Effects of Interdisciplinary Multimodal Pain Therapy Dosing for Chronic Low Back Pain. J Clin Med 8: https://doi.org/10.3390/jcm8060871 [7] Micke F, Weissenfels A, Wirtz N et al (2021) Similar Pain Intensity Reductions and Trunk Strength Improvements following Whole-Body Electromyostimulation vs. Whole-Body Vibration vs. Conventional Back-Strengthening Training in Chronic Non-specific Low Back Pain Patients: A 3-armed randomized controlled trial. Front Physiol 13: 664991. https://doi.org/10.3389/fphys.2021.664991 [8] Weissenfels A (2019) Effects of novel technologies on chronic non-specific low back pain–a multicenter study. German Journal of Exercise and Sport Research 49: 2.


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[9] Weissenfels A, Teschler M, Willert S et al (2018) Effects of whole-body electromyostimulation on chronic nonspecific low back pain in adults: a randomized controlled study. J Pain Res 11: 1949-1957. https://doi.org/10.2147/JPR.S164904 [10] DIN_33961-5 (2019) Fitness-Studio. Anforderungen an Studioausstattung und -betrieb. Teil 5: Elektromyostimulationstraining (EMS-Training). In Deutsches-Institut-für-Normung-e.V. (ed). Beuth Verlag, Berlin [11] Kemmler W, Weissenfels A, Willert S et al (2019) Recommended Contraindications for the Use of NonMedical WB-Electromyostimulation. Dtsch Z Sportmed 70: 278-281. [12] Borg G, Borg E (2010) The Borg CR Scales® Folder. In Perception B (ed)Hasselby, Sweden. [13] Letzel J, Angst F, Weigl MB (2019) Multidisciplinary biopsychosocial rehabilitation in chronic neck pain: a naturalistic prospective cohort study with intraindividual control of effects and 12-month follow-up. Eur J Phys Rehabil Med 55: 665-675. https://doi.org/10.23736/S1973-9087.18.05348-0 [14] Airaksinen O, Brox JI, Cedraschi C et al (2006) Chapter 4. European guidelines for the management of chronic nonspecific low back pain. Eur Spine J 15 Suppl 2: S192-300. https://doi.org/10.1007/s00586006-1072-1 [15] Chenot JF, Greitemann B, Kladny B, Petzke F, Pfingsten M, Schorr SG (2017) Non-Specific Low Back Pain. Dtsch Arztebl Int 114: 883-890. https://doi.org/10.3238/arztebl.2017.0883 [16] Mannion AF, Junge A, Grob D, Dvorak J, Fairbank JC (2006) Development of a German version of the Oswestry Disability Index. Part 2: sensitivity to change after spinal surgery. Eur Spine J 15: 66-73. https://doi.org/10.1007/s00586-004-0816-z [17] Mannion AF, Müntener M, Taimela M, Dvorak S (1999) A randomized clinical trial of three active therapies for chronic low back pain. Spine 24: 2435-2448. [18] Mannion AF, Junge A, Fairbank JC, Dvorak J, Grob D (2006) Development of a German version of the Oswestry Disability Index. Part 1: cross-cultural adaptation, reliability, and validity. Eur Spine J 15: 5565. https://doi.org/10.1007/s00586-004-0815-0 [19] Kemmler W, Shojaa M, Steele J et al (2021) Efficacy of Whole-Body Electromyostimulation (WB-EMS) on body composition and muscle strength in non-athletic adults. A systematic review and metaanalysis. Front Physiol Front Physiol. 12:640657. : https://doi.org/10.3389/fphys.2021.640657 [20] Teschler M, Weissenfels A, Bebenek M et al (2016) Very high creatine kinase CK levels after WB_EMS. Are there implications for health. Int J Clin Exp Med 9: 22841-22850. [21] Stollberger C, Finsterer J (2019) Side effects of and contraindications for whole-body electro-myostimulation: a viewpoint. BMJ Open Sport Exerc Med 5: e000619. https://doi.org/10.1136/bmjsem2019-000619 [22] Kemmler W, von Stengel S (2019) Response to the letter of Stoellberger et al. "Acute myopathy as a side effect of electromyostimulation". Wien Med Wochenschr 169: 183-184. https://doi.org/10.1007/s10354-018-0632-4


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Ganzkörper-Elektrostimulation (WB-EMS) bei Patienten mit chronischen unspezifischen Rückenschmerzen – wer profitiert am deutlichsten? Karl Lorenz Konrad 1 , 2 , Anja Weissenfels 3 , 4 , Jean-Pierre Baeyens 2 , Wolfgang Kemmler 3 , Bernd Wegener 1, 2 1

Abteilung für Orthopädische Chirurgie, Physikalische Medizin und Rehabilitation, LudwigMaximilians- Universität München (LMU), Deutschland, 2 Abteilung für Physiotherapie, Physiologie und Anatomie des Menschen, Freie Universität Brüssel (VUB), Belgien, 3 Institut für Medizinische Physik und Mikrogewebetechnik, Deutschland, 4 Department für Sportwissenschaft und Sport, Friedrich Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland Einführung Neben Muskelkraft und -Masse [1] sind chronisch unspezifische Rückenschmerzen (NSCBP) das wohl am intensivsten adressierte Forschungsfeld der Ganzkörper-Elektromyostimulation (WBEMS). Die Evidenz, das WB-EMS (signifikant) positive Effekte auf NSCBP ausübt ist, durch mehrere Untersuchungen belegt [2-6]. Ist somit die Effektivität und Applikabilität eines Ganzkörper-EMS Trainings für Menschen mit chronisch unspezifischen Rückenschmerzen grundsätzlich bestätigt, so verbleibt die unmittelbar praxisrelevante Frage, ob WB-EMS diese positiven Effekte unabhängig vom Schmerzniveau ausübt oder ob Personengruppen mit bspw. sehr hohem Schmerzniveau weniger oder kaum profitieren können. Um dieser Frage nachzugehen wurden die Daten zweier Untersuchungen mit vergleichbarer WB-EMS Applikation und Studiendesign [3, 6], aber unterschiedlichem basalem Schmerzniveau „gepoolt“ und bezüglich des primären Outcomes „Schmerzintensität“ kategorisiert. Ziel dieser Studie war es somit, die Auswirkung der verschiedenen Ausgangskategorien auf die WB-EMS-induzierte Veränderungen der Schmerzintensität zu evaluieren. Unsere Hypothese war, das unabhängig vom initialen Schmerzniveau alle Patienten von einer WB-EMS Applikation profitieren können. Methodik Für die Datenanalyse wurden die Daten zweier vergleichbarer Studien [3, 6]3 herangezogen, die die Wirkung von WB-EMS auf NSCBP mit Schmerzintensität als primärem Studienendpunkt untersuchten. Beide Untersuchungen wurden von der Ethikkommission der entsprechenden Universitäten (München, Erlangen) genehmigt und im deutschen Register für klinische Studien registriert (DRKS00009528; DRKS00011896) Die Einschlusskriterien für die Teilnehmer waren: (a) Diagnose chronischer unspezifischer Kreuzschmerzen (b) absolute Kontraindikationen für WB-EMS-Anwendung [7, 8]. Das WB-EMS Protokoll beider Studien sah eine konsistent supervisierte und angeleitete WB-EMS Applikation einmal 20 min/Woche vor. Die Impulsparameter waren zwischen den Studien

3

Die Studie von Weissenfels et al. ist Teil der bereits vorgestellten Studie von Micke et al. [4]. Die Studie von Lorenz et al. wurde ebenfalls beschrieben, sodass auf eine umfangreiche Berichterstattung der Methodik der Studien an dieser Stelle verzichtet wird.


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weitgehend identisch (bipolar, 85 Hz, 350 µs, rechteckig, 4 s (bzw. 6 s) Impuls- 4 s Impulspause). Die Impulsintensität wurde nach kurzer Gewöhnungsphase ebenfalls vergleichbar hoch vorgegeben (5-7 bzw. 5-8 auf Borg CR10). Auch die Progression der Stimulationsintensität über die 12-wöchigen Interventionsphasen kann als weitestgehend vergleichbar angesehen werden. Als primäres Outcome wählten beide Untersuchungen die mittlere Intensität von NSCBP via Numeric Rating Scale (NRS). Die Probanden bewerten hier ihre Schmerzen auf einer Skala von 0 (kein Schmerz) bis 10 (schlimmster vorstellbarer Schmerz). Die Schmerzintensität wurde über Schmerztagebücher, eine Woche [3] bzw. vier Wochen [4, 6] vor, sowie während der letzten bzw. letzten 4 Wochen der Intervention erfasst. Die Teilnehmer gaben ihre höchste tägliche Kreuzschmerz-Intensität an, die mittlere Intensität der Kreuzschmerzen über den Erfassungszeitraum wurde in die Analyse einbezogen. Alle vollständigen Datensätze zur Schmerzintensität, die nach Ende der 12-wöchigen Interventionszeiträume für die WB-EMS Gruppen vorlagen, wurden in einer Datenbank zusammengeführt und analysiert. Die Schmerzintensität wurde in Kategorien von >2 bis 3, >3 bis 4, >4 bis 5, >5 bis 6, >6 bis 7 und Werte höher als 7 kategorisiert. Werte unter ≤2 wurden von der Analyse ausgeschlossen. Nachdem eine Veränderung von zwei oder mehr Punkten auf der NRS als klinisch relevant eingestuft wird [9], wurden die absoluten und relativen Häufigkeiten einer entsprechenden Veränderung berechnet. Zusätzlich wird die „Verbal Descriptor Scale“ (VDS) [10] angewandt, um eine klinisch relevante Kategorisierung der Schmerzintensität vorzulegen. Die statistische Bearbeitung sah eine deskriptive Statistik basierend auf Mittelwerten und Standardabweichungen für die kontinuierlichen Variablen, sowie absolute und relative Häufigkeiten für die kategorialen Variablen vor. Intragruppenvergleiche (prä - post) wurden mit dem nicht-parametrischen Wilcoxon signed-rank Test durchgeführt. Für die Effektgröße (ES) wurde der Pearson-Korrelationskoeffizient (r) aus den Z-Scores berechnet. Effektstärken von ≥0.5 werden als moderat, ES ≥0.8 als hoch betrachtet [11]. Das Signifikanzniveau wurde auf p < 0,05 festgelegt. Ergebnisse Insgesamt konnten 94 Personen mit vollständigen Datensätzen und einer Schmerzintensität von NRS >2 Punkten in die Analyse eingeschlossen werden (Tabelle 1). Während das Lebensalter in beiden Studien vergleichbar lag, zeigten sich aufgrund der leicht unterschiedlichen Eligibilitätskriterien Unterschiede für den basalen Trainingszustand sowie Schmerzmittelgebrauch. Daneben zeigten sich relevante Unterschiede für die NRS-Daten, die in der Studie von Konrad et al. [3] deutlich höher lagen (2.69±1.52 versus 4.45±2.2 Punkte). Tabelle 1 zeigt die basalen Charakteristika der zusammengefassten Gruppe.


35

Tabelle 1: Basale Charakteristika der Studienteilnehmer MWSD

Bereich

Geschlecht (m/w)

48/73

------------

Lebensalter (Jahre)

55  12

25 - 86

Körpergröße (cm)

174 ± 11

149 - 198

Körpermasse (kg)

77 ± 14

49-121

Tabelle 2 zeigt die Veränderung der Schmerzintensität innerhalb der Kategorien. Erwartungsgemäß waren die Kategorien nicht vergleichbar besetzt, sondern wiesen im Bereich höherer Schmerzlevel eine geringere Fallzahl auf. Zusammenfassend zeigt sich trotzdem in allen Kategorien eine signifikante Reduktion der Schmerzintensität zwischen 29% und 45%. Die Effektstärkte, als Fallzahl-unabhängige Größe, kann als moderat – hoch eingestuft werden. Nachvollziehbarer Weise sind die absoluten Veränderungen sowie die Anzahl der Personen, die sich um mehr als zwei NRS-Punkte verbessert haben in den Kategorien mit hohem initialem Schmerzniveau am deutlichsten. Signifikante Unterschiede der prozentualen Veränderung zwischen den Kategorien ließen sich nicht erfassen. Fokussiert man auf Veränderungen von zwei oder mehr Punkten auf der NRS, die als klinisch relevant eingestuft wird [9], so zeigen bereits ein Viertel der Teilnehmer mit niedriger basaler Schmerzintensität eine klinisch relevante Veränderung; eine Rate die sich auf 80% in der Gruppe mit dem höchsten Schmerzniveau steigert. Tabelle 2: Veränderung der Schmerzintensität (NRS) in den Schmerzkategorien. * signifikante Veränderung im Verlauf, ES: Effektstärke, NRS: Numeric Rating Scale, VDS: Verbal Descriptor Scale. VDS

NRS

n

basal

rel.  (%)

ES

 ≥ 2 (%)

niedrig

>2-3

27

2,750.31

-0,81*

-29

0,58

26

>3-4

24

3,850,28

-1,34*

-35

0,67

38

>4-5

13

4,830.28

-1,99*

-41

0,81

54

>5-6

16

5,970,12

-1,97*

-33

0,80

63

>6-7

9

6,820,26

-1,68*

-25

0,84

33

>7

5

8,311,19

-3,72*

-45

0,90

80

moderat stark

Diskussion Die vorliegende Untersuchung zeigte einen positiven Effekt auf die Intensität chronisch unspezifischer Kreuzschmerzen in allen Rückenschmerzkategorien. Somit können wir unsere etwas vage Hypothese, „das unabhängig vom initialen Schmerzniveau alle Patienten von einer WB-EMS Applikation profitieren können“ verifizieren. Im Detail, liegt die Effektstärke in allen Kategorien in einem mittlere.-hohen Bereich. Trotz zum Teil geringer statistischer Power aufgrund niedriger Fallzahl, erweist sich dieser Effekt in allen Gruppen als signifikant. Ein valider Vergleich der Ergebnisse der Kategorien fällt indes schwer. Naturgemäß hat eine Gruppe mit hohem initialen Schmerzniveau höheres Potential zur Schmerzreduktion, während für Kategorien mit niedrigen initialen Leveln ein Bodeneffekt wahrscheinlich ist. Ein Vergleich der prozentualen Veränderung zwischen den Kategorien ist angesichts klinischer Relevanz ebenso limitiert, sodass wir


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postulieren, dass weitgehend unabhängig von der basalen Schmerzintensität, WB-EMS induzierte Effekte auf NSCBP möglich sind. Besonders imposant sind dabei die klinisch hochrelevanten Veränderungen bei Personen mit hohem Leidensdruck. Dieses Ergebnis, dass Patienten mit höherer Ausgangsschmerzintensität besonders günstige Veränderungen erfahren, steht im Gegensatz zu Ergebnissen für andere Behandlungsmethoden. U.a. Berglund et al. [12] berichten, dass Kreuzheben („deadlift“) als Rehabilitationsübung bei Kreuzschmerz-Patienten mit hoher Schmerzintensität (≥6 auf NRS) in Gegensatz zu Patienten mit geringerem Leidensdruck keine Verbesserung generiert. Beneciuk et al. [13] zeigten ebenfalls, dass Patienten mit hoher Schmerzintensität zunächst nicht von einer konventionellen ambulanten Physiotherapie profitierten. Als möglicher Erklärungsansatz bietet sich die Kinesiophobie bei Menschen mit hohem Schmerzniveau an [14], die mit einer überschwelligen Beanspruchung durch externe Belastung und Bewegung kollidiert. Im Gegensatz dazu wird beim WB-EMS-Training mit vernachlässigbaren externen Widerständen, langsamer Bewegungsgeschwindigkeit und vergleichsweise geringer Bewegungsamplitude gearbeitet. Insbesondere durch diese Aspekte könnte WB-EMS-Training besonders vorteilhaft für Patienten mit ausgeprägter Kinesiophobie und/oder hohem Schmerzlevel sein, die mit konventionellen Methoden nur schwer adressierbar sind. Zweifellos liegen bedingt durch die Zusammenführung zweier Untersuchungen einige Besonderheiten und Limitationen vor, die an dieser Stelle kurz benannt werden sollen (1) Obwohl die wesentlichen Einschlusskriterien (NSCBP, WB-EMS-Applikation, Lebensalter) identisch waren, zeigten sich für einige Aspekte wie u.a. Trainingszustand, Schmerzmittel-gebrauch und Schmerzniveau deutliche Unterschiede. So deckte die Studie von Weissenfels et al. [6] überwiegend den unteren bis mittleren Teil der Schmerzskala ab (Tab. 2), während die Untersuchung von Konrad et al. [3] meist Patienten mit mittlerem-hohen Schmerzniveau einschloss. Für den Bereich der Überlappung im mittleren Bereich der Kategorisierung konnten allerdings keine unterschiedlichen Veränderungen der Schmerzintensität zwischen den Studien beobachtet werden. (2) Auch im Bereich der Intervention waren die Studien nicht absolut deckungsgleich4, die wesentlichen Impuls- und Trainingsparameter waren indes identisch. (3) Das primäre Outcome wurde zwar über dieselbe Assessmentmethode evaluiert (NRS11), die Erfassungsdauer unterschied sich jedoch. Zusammenfassend kann WB-EMS weitgehend unabhängig von der basalen Schmerzintensität einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung chronisch nicht-spezifischer Kreuzschmerzen bei Rückenschmerz-Betroffenen leisten. Besonders lohnend scheint uns eine Anwendung der WBEMS Technologie im Bereich Kinesiophobie, hohem Leidensdruck und möglicher Therapieresistenz gegenüber konventionellen Behandlungsoptionen.

4

…unterschiedliche Länge der Impulsphase (6 s vs. 4 s)


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Literatur [1] Kemmler W, Shojaa M, Steele J et al (2021) Efficacy of Whole-Body Electromyostimulation (WB-EMS) on body composition and muscle strength in non-athletic adults. A systematic review and metaanalysis. Front Physiol Front Physiol. 12:640657. : https://doi.org/10.3389/fphys.2021.640657 [2] Kemmler W, Weissenfels A, Bebenek M et al (2017) Effects of Whole-Body-Electromyostimulation (WB-EMS) on low back pain in people with chronic unspecific dorsal pain - a meta-analysis of individual patient data from randomized controlled WB-EMS trials. Evid Based Complement Alternat Med Article ID 8480429: doi: 10.1155/2017/8480429. [3] Konrad KL, Baeyens JP, Birkenmaier C et al (2020) The effects of whole-body electromyostimulation (WB-EMS) in comparison to a multimodal treatment concept in patients with non-specific chronic back pain-A prospective clinical intervention study. PLoS One 15: e0236780. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0236780 [4] Micke F, Weissenfels A, Wirtz N et al (2021) Similar Pain Intensity Reductions and Trunk Strength Improvements following Whole-Body Electromyostimulation vs. Whole-Body Vibration vs. Conventional Back-Strengthening Training in Chronic Non-specific Low Back Pain Patients: A 3-armed randomized controlled trial. Front Physiol 13: 664991. https://doi.org/10.3389/fphys.2021.664991 [5] Weissenfels A, Teschler M, Willert S et al (2018) Effects of whole-body electromyostimulation on chronic nonspecific low back pain in adults: a randomized controlled study. J Pain Res 11: 1949-1957. https://doi.org/10.2147/JPR.S164904 [6] Weissenfels A, Wirtz N, Dormann U et al (2019) Comparison of Whole-Body Electromyostimulation versus Recognized Back-Strengthening Exercise Training on Chronic Nonspecific Low Back Pain: A Randomized Controlled Study. Biomed Res Int 2019: 5745409. https://doi.org/10.1155/2019/5745409 [7] DIN_33961-5 (2019) Fitness-Studio. Anforderungen an Studioausstattung und -betrieb. Teil 5: Elektromyostimulationstraining (EMS-Training). In Deutsches-Institut-für-Normung-e.V. (ed). Beuth Verlag, Berlin [8] Kemmler W, Weissenfels A, Willert S et al (2019) Recommended Contraindications for the Use of NonMedical WB-Electromyostimulation. Dtsch Z Sportmed 70: 278-281. [9] Childs JD, Piva SR, Fritz JM (2005) Responsiveness of the numeric pain rating scale in patients with low back pain. Spine (Phila Pa 1976) 30: 1331-1334. https://doi.org/10.1097/01.brs.0000164099.92112.29 [10] Breivik H, Borchgrevink PC, Allen SM et al (2008) Assessment of pain. Br J Anaesth 101: 17-24. https://doi.org/10.1093/bja/aen103 [11] Cohen J (1988) Statistical power analysis for the behavioral sciences. Lawrence Earlbaum Associate, Hillsdale, NJ [12] Berglund L, Aasa B, Hellqvist J, Michaelson P, Aasa U (2015) Which Patients With Low Back Pain Benefit From Deadlift Training? J Strength Cond Res 29: 1803-1811. https://doi.org/10.1519/JSC.0000000000000837 [13] Beneciuk JM, Bishop MD, Fritz JM et al (2013) The STarT back screening tool and individual psychological measures: evaluation of prognostic capabilities for low back pain clinical outcomes in outpatient physical therapy settings. Phys Ther 93: 321-333. https://doi.org/10.2522/ptj.20120207 [14] Oostendorp RA, van der Zanden O (2006) Messung der Kinesiophobie bei Patienten mit chronischen Kreuzschmerzen - Gibt es eine einfache Lösung? Manuelle Therapie 10: 69-76.


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Ganzkörper-Elektromyostimulation im Straßenradsport: ein analytischer Ansatz an einem jugendlichen Athleten mit Rückenschmerzproblematik Joshua Berger 1, 2 , Oliver Ludwig 1 , Michael Fröhlich 1 1

Fachgebiet Sportwissenschaft, Technische Universität Kaiserslautern, Kaiserlautern, Deutschland, 2 Trainings- und Bewegungswissenschaft, Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, Saarbrücken, Deutschland Einführung Je nach Fragestellung geben 30-70% aller Radsportler an unter Rückenschmerzen zu leiden. Neben Trainingsausfällen können Rückenbeschwerden zu einer schnelleren Ermüdung und somit einem Leistungsabfall aufgrund einer fehlenden Stabilisationsfähigkeit der Muskulatur führen [1, 2]. Durch kräftige Rückenstrecker sowie eine starke Bauchmuskulatur wird ein stabiler Rumpf gebildet, welcher die Kraftübertragung zwischen Ober- und Unterkörper verbessert und bei ausgeglichenen Kraftverhältnissen der Muskulatur zueinander eine präventive Maßnahme zur Vermeidung von unspezifischen Rückenschmerzen und potenziellen Haltungsschwächen darstellt [2, 3]. Gerade im Kindes- und Jugendalter kommt es bei 40 bis zu 65% der untersuchten Personen zum Auftreten von Haltungsdefiziten, oftmals in Kombination mit starken Beschwerden, vor allem im Schulter-Nacken- und unteren Rückenbereich. Ein vergrößerter Kopfvorstand aufgrund einer unzureichenden Ausprägung der Schulter- und Nackenmuskulatur sowie einer Verkürzung der Brust- und Halsmuskulatur kann neben einer Hyperlordose der Lendenwirbelsäule oder einer Hyperkyphose der Brustwirbelsäule nur eine von vielen möglichen Normabweichungen im Sinne von Haltungsdefiziten im Kindes- und Jugendalter darstellen [4-6]. Allgemein basiert die Körperhaltung auf dem Zusammenspiel komplexer agonistisch und antagonistisch arbeitender Muskelketten und bewirkt bei einem unausgeglichenen Verhältnis dieser Muskelgruppen eine Verschiebung von Körpersegmenten aus der Neutralposition. Hieraus können unterschiedliche Haltungsschwächen resultieren, welche zu Haltungsschäden führen können, die beispielsweise zu einem vermehrten Verschleiß von Wirbelgelenken führen [7, 8] und sich durch die Ausübung einseitiger sportartspezifischer Belastung manifestieren können. Hochtrainierte Radsportler zögern aus unterschiedlichen Gründen, ein kompensatorisches oder leistungssteigerndes Krafttraining aufzunehmen [9]. Ein wesentlicher Grund ist der Aspekt mit dem Krafttraining einen weiteren zeit- und reizintensiven Inhalt in Ihr Training zu integrieren, welches sich ohnehin schon durch hohen Trainingsvolumina auszeichnet. Ganzkörper-Elektromyostimulation WB-EMS könnte hier aus präventiv/therapeutischer Sicht eine Lösung für diesen Personenkreis sein. WB-EMS stimuliert Agonist und Antagonist in gleichem Maße und bedingt dadurch die Bildung eines ausgewogenen Muskelkorsetts der Rumpfmuskulatur sowie den Ausgleich von potenziellen muskulären Dysbalancen und auftretenden Rückenschmerzen positiv, womit WB-EMS bei jugendlichen Radsportlern aufgrund der vorgebeugten Haltung auf dem Fahrrad (Abbildung 1) eine präventive Maßnahme zur Vermeidung von später auftretenden Haltungsschwächen darstellen kann [10, 11].


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Ziel der vorliegenden Einzelfallstudie war es, die Effekte eines GK-EMS Trainings auf Rückenschmerzen, Haltungsauffälligkeiten und Rumpfkraft unter besonderer Berücksichtigung von Veränderungen leistungsspezifischer Größen bei einem jugendlichen Straßenradsportler mit unspezifischen Rückenschmerzen zu untersuchen.

Abbildung 1: Grundhaltung auf dem Rennrad

Methodik Patientenbeschreibung In der vorliegenden Studie wurde ein 17-jähriger männlicher Straßenradsportler (60kg, 175cm)

untersucht, welcher an unspezifischen Rückenschmerzen im unteren Rücken litt. Der Sportler wurde zwecks spezifischem Muskelaufbau an das GK-EMS herangeführt, da er über stetig wiederkehrende LBP klagte, diese allerdings nach umfangreichen Diagnostiken und regelmäßigen klinischen Untersuchungen durch den betreuenden Sportarzt des Verbandes ohne Befund blieben. In vorherigen Anwendungen konnte der betreuende Physiotherapeut temporäre Schmerzlinderungen durch Massagebehandlungen erreichen, vor allem bei intensiven Trainingseinheiten sowie Rennbelastungen nahm der Schmerz allerdings deutlich zu und führte in Extremsituationen zu beträchtlichen Leistungseinbußen. Störungen in der Gelenkfunktion in Form von Blockaden oder Bewegungseinschränkungen durch eine Pathologie am Bewegungsapparat lagen bei dem untersuchten Sportler nicht vor. Trainingsintervention

Die GK-EMS Trainingsintervention erfolgte über einen 8-wöchigen Zeitraum als additive Trainingseinheit zur Trainingsroutine des untersuchten Athleten. Vor Beginn der Interventionsphase wurde eine ausführliche Anamnese der Kontraindikationen an ein GK-EMS Training durchgeführt, um eine sichere Durchführung zu gewährleisten, mögliche Gesundheitsrisiken zu vermeiden und eine bestmögliche Betreuung des jugendlichen Straßenradsportlers zu ermöglichen [12, 13]. Vor der ersten Trainingseinheit wurde in der vorangehenden Woche eine 12-minütige GK-EMS Gewöhnungseinheit durchgeführt, um den Probanden an die bevorstehende Applikation eines elektrischen Impulses zu gewöhnen sowie


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erste Erfahrungen mit dieser Trainingstechnologie zu gewinnen. Das Training wurde mit dem Miha Bodytec 2 Stimulationsgerät (Miha Bodytec, Gersthofen, Deutschland) durchgeführt und unterlag aufgrund der Gerätespezifikation den aktuellen DIN-Normen an eine GK-EMS Anwendung. Das Stimulationsgerät ermöglicht die simultane Applikation eines elektrischen Impulses an acht unterschiedlichen Muskelgruppen über eine Elektrodenweste (Bauch, Brust, unterer Rücken, seitlicher Rücken, oberer Rücken), sowie zusätzliche Gurtelektroden für die Arme, Beine und das Gesäß. Zusätzlich können zwei weitere Kanäle zur Stimulation frei wählbarer Muskelgruppen durch Klebeelektroden oder zusätzliche Gurtelektroden additiv verwendet werden (z.B. Unterarm oder Wade). Die GK-EMS Intervention wurde von einem zertifizierten EMS und Athletiktrainer begleitet und nach den aktuellen Richtlinien zur sicheren Anwendung von GK-EMS durchgeführt [12, 14]. Die verwendeten Stimulationsparameter entsprachen den aktuellen Empfehlungen an ein GK-EMS Training mit einer Impulsfrequenz von 85 Hz, einer Impulsbreite von 350 µs und einem 4sekündigen Wechsel zwischen Impulsdauer zu Impulspause bei einer Gesamtdauer der Trainingsintervention von 20 Minuten. Die Intensitätsregulation erfolgte durch eine subjektive Skala bei einer Anstrengung zwischen 6-8 auf der Borg CR10 [15], da zum aktuellen Zeitpunkt noch keine objektive Bestimmung von Trainingslasten, vergleichbar zum konventionellen Krafttraining, existiert und diese Herangehensweise im GK-EMS ein bewährtes, valides Instrument zur Intensitätssteuerung darstellt [16-19]. Dies ist nicht zuletzt auf der variierenden Sensitivität sowie Hautleitfähigkeit und weiteren Einflussfaktoren wie Hautfaltendicke und Tagesform begründet, da diese die wahrgenommene Belastungsintensität maßgeblich beeinflussen und hier eine subjektive Steuerung mit einem Skalenwert zwischen 6-8 ein adäquates Mittel zur Trainingssteuerung beim beschriebenen Athleten darstellt [19-21] Während der Impulsphase erfolgten leichte überwiegend dynamischen Körperübungen mit Fokus auf die Rumpfmuskulatur zur Verbesserung der persistierenden Rückenschmerzen. Losgelöst vom oben beschriebenen Übungsfokus wird beim GK-EMS eine Stimulation aller großer Muskelgruppen des Körpers bewirkt, was ein Ganzkörpertraining sowie eine intensive Stimulation der Beinmuskulatur zum radsportspezifischen Leistungsaufbau ermöglichen sollte. Die durchgeführten Übungen sind in Abbildung 2 zu sehen und beinhalteten Kniebeugen, Kreuzheben, Ausfallschritte vorwärts, Ausfallschritte seitlich, Step-Ups auf einen Kasten, Liegestützposition mit Ruderbewegung, Latzug auf dem Bauch liegend, sowie Russian Twist. Die Übungen wurden sämtlich ohne Zusatzgewichte (2 Sätze mit 8-10 Wiederholungen) durchgeführt.


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Abbildung 2: Übungskatalog zum GK-EMS Training

Um die Veränderung der aufgenommenen Parameter durch die GK-EMS Intervention zu beobachten, wurden vor (PRE) und nach (POST) der 8-wöchigen Trainingsintervention diagnostische Parameter erhoben. Zur Bestimmung der subjektiv wahrgenommenen, unspezifischen Rückenschmerzen wurde die visuelle Analogskala (VAS) verwendet. Auf einer 100 Millimeter langen Linie markierte der Athlet hier den Grad der Rückenschmerzen während der letzten 24 Stunden mit einer vertikalen Linie. Die linke Seite der Skala spiegelt hierbei beim Wert 0 keine Schmerzen wider, wohingegen der Wert 10 auf der rechten Seite der Skala einen maximalen Schmerz darstellt. Der Wert der VAS wurde durch Messen des Abstandes (in Millimeter) auf der Verbindungslinie zwischen den beiden Extremwerten vom Nullpunkt ermittelt und dieser notiert (0-100)[22]. Mit Hilfe eines photogrammetrischen, berührungslosen 4D Ganzkörper Scanners (Paromed, Neubeuren, Deutschland) wurde eine umfangreiche mehrdimensionale Aufnahme der Körperkonturen des Rückens durch ein Lichtstreifengitter ermöglicht. Es wurden drei aufeinanderfolgende Messungen am unbekleideten, durch Markerpunkte versehenen Oberkörper im Stehen durchgeführt um die Relationen der markierten Punkte (Halswirbel 7 (C7) und Kreuzwirbel 1 (S1)) zueinander zu analysieren und daraus potenzielle Haltungsschwächen abzuleiten. Durch die markierten Punkte wurde die Bestimmung der Rumpfvorneigung (Winkel der Körpervorneigung der Verbindungslinie aus S1 und C7, tt), des Flèche Lombaire (horizontaler Abstand zwischen dem Punkt der stärksten Brustkyphose und dem Punkt der tiefsten


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Lendenlordose, fl) und des Flèche Cervicale (horizontaler Abstand zwischen dem Punkt der stärksten Brustkyphose und dem Punkt der tiefsten Halslordose, fc) ermöglicht [7]. Abbildung 3 zeigt mögliche Ausprägungen der genannten Haltungsschwächen.

Abbildung 3: Darstellung der aufgenommenen Haltungsparameter [7]

Die isometrische Maximalkraft der Rumpfflexoren und -extensoren wurde mit dem Back Check 607 (Dr. Wolff Sports & Prevention GmbH, Arnsberg, Deutschland) gemessen. Hierbei wurde der Athlet dorsal und ventral in der Sagittalebene auf Höhe des Beckenkamms fixiert. In Höhe des Brustbeins und der Schulterblätter wurden Kraftaufnehmer zur Messung der Maximalkraft der Rumpfflexion sowie -extension angebracht. Beide Maximalkraftparameter wurden in drei aufeinanderfolgenden Analysen bestimmt, wobei der aus den Werten ermittelte Maximalwert in die Analyse aufgenommen wurde [10, 23]. Die radsportspezifische Leistungsdiagnostik erfolgte mit dem Cyclus2 Ergometer (RBM elektronikautomation GmbH, Leipzig, Deutschland). Hier wurde das Rennrad des Athleten in die Vorrichtung des Ergometers eingespannt und somit eine praxisnahe Simulation von Maximalbelastungen im Labor ermöglicht. Die aufgenommenen Diagnostiken umfassten hierbei den MaximalTretfrequenz-Test sowie den Wingate Anaerobic Test. Beim Maximal-Tretfrequenz-Test, welcher einen Teil der Leistungsdiagnostik des Nachwuchsprogramms des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) darstellt, wird über einen 6sekündigen Zeitraum mit einer maximalen Tretfrequenz pedaliert, um die Maximalleistung in diesem Zeitraum zu bestimmen und den Wert auf eine Frequenzangabe pro Minute umrechnen zu können [24]. Der „Wingate Anaerobic Test“ stellt ein anaerobes Testverfahren dar und ermöglicht die Ermittlung der maximalen Leistung, welche auch als Peak Power bezeichnet wird und repräsentativ für die maximale anaerobe Leistungsfähigkeit ist, sowie des Mittelwertes der 30sekündigen Maximalbelastung (anaerobe Kapazität) auf dem Ergometer [25, 26]. Die durchgeführten Diagnostiken (PRE und POST) wurden vom Athleten mit den identischen


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Materialien (Schuhe, Rennrad) sowie Einstellungen des Rades durchgeführt, um mögliche Einflussfaktoren auszuschließen. Ergebnisse Der subjektiv empfundene Rückenschmerz verbesserte sich durch die 8-wöchige Interventionsphase auf der visuellen Analogskala (VAS) von einem vergleichsweise hohen initialen Wert von 68 auf eine Wert von 14 (Tab 1). Parallel dazu konnten positive Veränderungen der Haltungsparameter fl (-2.2%) und tt (-64,3%) beobachtete werden, der fc vergrößerte sich von 12.1% auf 14.5%. Abbildung 4 zeigt die Entwicklung der Haltung des Athleten. Beim Test der Rumpfkraft konnten Verbesserungen der maximalen Flexionskraft um +29,2% sowie 15,5% bei der Extensionskraft beobachtet werden.

Abbildung 4: Rumpfkontur in Sagittalansicht auf Ebene der Dornfortsätze Die Veränderung der radsportspezifischen Leistungsfähigkeit und dementsprechend die potenziell leistungssteigernde Wirkung eines GK-EMS Trainings bei Radsportlern zeigt Tabelle 1. Tabelle 1: Übersicht der erfassten Studienoutcomes Visuelle Analogskala [mm] Flèche lombaire [%] 1 Flèche cervicale [%] 1 Trunk tilt [°] Rumpfflexion [kg] Rumpfextension [kg] Maximale Tretfrequenz [1/min] Wingate Mittelwert [N] Wingate Maximum [N] Anaerobe Leistung [W/kg]

Pre

Post

Δ

68 6,9 12,1 4,2

14 4,7 14,5 1,5

54 2,2 2,4 2,7

-54* -2,2* +2,4* -64,3

65 58

84 67

19 9

+29,2 +15,5

230 536 664 11,1

226 538 695 12

4 2 31 0,9

-1,7 +0,4 +4,7 +8,1

*Prozentpunkte; 1 als Prozent der Rumpfhöhe

Die radsportspezifischen Leistungsdiagnostiken zeigten mit einer Verringerung der maximalen Tretfrequenz um -1,7%, einer Steigerung des Maximums beim Wingate Test um +0,4%, des Mittelwertes des Wingate Tests um +4,7% sowie der anaeroben Leistung von +8,1% positive aber vergleichsweise geringere Veränderungen als die Maximalkraftparameter.


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Diskussion Zusammenfassend konnten deutliche Verbesserungen der subjektiv wahrgenommenen Rückenschmerzen sowie untersuchten Haltungsparameter festgestellt werden. Vorherige Untersuchungen konnten nach einer 12-wöchigen GK-EMS Intervention Verbesserungen unspezifischer Rückenschmerzen von ca. 20% beobachten, die 8-wöchige Interventionsphase führte bei dem untersuchten Radsportler zu einer Verbesserung der subjektiv wahrgenommenen Rückenschmerzen auf der VAS von 54 Prozentpunkten. Die Tiefe der lumbalen Lordose (fl) sowie die Oberkörpervorneigung zeigten nach der Interventionsphase verbesserte Werte, was als Trainingseffekt der Bauch- und Gesäßmuskulatur interpretiert werden kann und somit eine deutliche Verbesserung der untersuchten Haltungsparameter bewirkt. Diese GK-EMS bezogenen Veränderungen sind sowohl für die Therapie als auch Prävention von Rückenschmerzen höchst relevant, da sowohl eine vergrößerte lumbale Lordose als auch eine erhöhte Oberkörpervorneigung aufgrund des daraus resultierenden höheren Lastanteils auf den lumbalen Anteil des M. erector spinae zu einer Verschlechterung unspezifischer Rückenschmerzen im unteren Rücken führen und dieses Schmerzbild bei Radsportlern unterschiedlicher Disziplinen regelmäßig auftritt [27-29]. Auffällig ist die Vergrößerung des Kopfvorstandes und daraus resultierend eine Verschlechterung des Haltungsparameters fc. Dies könnte in den Inhalten der Trainingsroutine sowie der Gerätespezifik des GK-EMS begründet sein, da in der Interventionsphase kein gezieltes Hals-Nacken Training stattgefunden hat. Die Elektroden des oberen Rückens stimulieren beim GK-EMS den Hals-Nacken Bereich dementsprechend unzureichend um einer Vorbeugung der fc Pathologie vorzubeugen und eine Verschlechterung dieser Haltungsschwäche zu verhindern, ein zusätzliches Hals-Nacken Training sollte in zukünftigen Trainingsinterventionen an dieser Stelle ergänzt werden [30]. Durch die großflächig angebrachten Elektroden und die damit verbundene Stimulation des Bauches sowie des unteren, lateralen und oberen Rückens konnten deutliche Steigerungen der Maximalkraftparameter des Rumpfs festgestellt werden. Trotz der erheblichen Steigerung der Maximalkraft wurde keine Zunahme des Körpergewichts beobachtet (PRE: 60.0 kg; POST: 58,1 kg), was aufbauend auf der Problematik der Gewichtszunahme durch systematisches Krafttraining den Einsatz von GK-EMS im Radsport positiv bestärkt, da ein Leistungszuwachs ohne Gewichtszunahme ermöglicht werden konnte. Vorangehende Untersuchungen [11, 23, 31, 32] zeigten lediglich Leistungssteigerungen der Rumpfextension von bis zu 16% sowie der Rumpfflexion von bis zu 18%, also Veränderungen die hinter den in der vorliegenden Untersuchung beobachteten Kraftzunahmen bleiben. Bei den radsportspezifischen Parametern wurden leichte positive Veränderungen festgestellt. Die maximale Tretfrequenz reduzierte sich minimal um -1,7%, die im Wingate Test ermittelte Durchschnittsleistung blieb mit einer Zunahme von 0,4% weitestgehend identisch, wohingegen ein Anstieg des Maximums beim Wingate Test um 31 N und dementsprechend 4,7% festgestellt werden konnte. Ebenso stieg die anaerobe Leistung um 8,1% an, was nicht zuletzt auf der Gewichtsabnahme bei gleichzeitiger Steigerung der Maximalkraft begründet sein kann. Eine Kraftsteigerung der Rumpfmuskulatur kann im Rennkontext durch eine verbesserte


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aerodynamische Haltung sowie eine verbesserte Kraftübertragung einen positiven Einfluss auf die Rennleistung haben, da höhere Belastungen über einen längeren Zeitraum ohne Leistungseinbußen aufrechterhalten werden können [33]. Dies konnte in der vorliegenden Untersuchung nicht im direkten Kontext überprüft werden, da keine radsportspezifische Sitzpositionsanalyse sowie ein direkter Leistungsvergleich eines Rennens und der zugehörigen Leistungsparameter der unterschiedlichen Etappen durchgeführt wurden. Auffällig ist hierbei die Steigerung der maximalen Wingate Leistung bei gleichzeitiger Verbesserung der Rumpfkraftparameter sowie der VAS und den Haltungsparametern „fl“ und „tt“, was die Annahme des beschriebenen Zusammenhangs bekräftigt. Zusammenfassend beurteilen wir die GK-EMS Applikation was sportartspezifische Leistungsparameter betrifft somit positiv – eine Reduktion der Leistungsfähigkeit durch die eher unspezifische GK-EMS Anwendung kann zumindest in diesem Fall ausgeschlossen werden. Das Einzelfalldesign sowie die daraus resultierende fehlende Kontrollgruppe erschwert die eindeutige Zuordnung der Leistungssteigerungen aufgrund der GK-EMS Intervention. Eine weitere Limitation ist der vergleichsweise kurze Zeitraum der Schmerzerfassung. Zukünftige Untersuchungen sollten die vorliegenden Ergebnisse im Kontext einer größeren Kohorte betrachten um die vorliegende Evidenz positiver Effekte des GK-EMS im Straßenradsport zu manifestieren. Eine eher anwendungsorientierte Frage betrifft die konsequente Supervision des GK-EMS Trainings durch einen lizensierten Trainer [14, 34]. Trotz entstehendem (Personal-) Aufwand ist die kundige Anleitung des GK-EMS zur sicheren und effektiven Anwendung vor allem bei Minderjährigen unbedingt sicherzustellen, um Überlastung oder gar Muskelschädigungen zu vermeiden [35, 36] . Konklusion Die vorliegende Untersuchung zeigt positive Auswirkungen einer 8-wöchigen GK-EMS Intervention auf Gesundheits- und (eingeschränkt) sportartspezifische Leistungsparameter eines 17-jährigen Straßenradsportlers. GK-EMS könnte somit ein adäquates Mittel zur Prävention und Therapie der zwangsläufig auftretenden Rückenproblematiken im Straßenradsport sein [37]. Zukünftige Untersuchungen sollten diese Ergebnisse anhand umfangreicher Probandenstichproben überprüfen um somit fundierte, generalisierte Aussagen über die Anwendung von GK-EMS bei jugendlichen Straßenradsportlern geben zu können. Des Weiteren stellt sich die Frage, inwieweit GK-EMS im Profibereich in die täglich stattfindenden Trainings- und Wettkampfroutine integrierbar ist und ob auch hier trotz des höheren Leistungsniveaus der Athleten positive Auswirkungen durch eine GK-EMS Intervention festzustellen sind. Literaturverzeichnis [1] Salai M, Brosh T, Blankstein A, Oran A, Chechik A (1999) Effect of changing the saddle angle on the incidence of low back pain in recreational bicyclists. Br J Sports Med 33: 398-400. https://doi.org/10.1136/bjsm.33.6.398 [2] Srinivasan J, Balasubramanian V (2007) Low back pain and muscle fatigue due to road cycling—An sEMG study. Journal of Bodywork Movement Therapies 11: 260-266.


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Einsatz von Ganzkörper-EMS zur Haltungsstabilisation nach Bone bruise im Lendenwirbel-Bereich Oliver Ludwig, Michael Fröhlich, Jens Kelm

Technische Universität Kaiserslautern, Kaiserlautern, Deutschland Im vorliegenden Fallbeispiel berichten wir vom Einsatz eines Ganzkörper-ElektromyostimulationsTrainings (GK-EMS) nach Bone bruise bei einem Jugendfußballer. Unser Patient (14 Jahre, Regionalligaspieler, offensiv, Rechtsfuß, 176 cm, 63 kg, Trainingshäufigkeit 4x pro Woche, Trainingsalter 9 Jahre) erlitt während eines Spiels einen Knietritt von dorsal in den linken unteren Rückenbereich. Der Spieler wurde zunächst auf Weichteilhämatom behandelt. Nach persistierenden Beschwerden bei sportlicher Belastung auch noch 10 Wochen posttraumatisch wurde durch den Vereinsarzt ein MRT der Lendenwirbelsäule und der paravertebralen Weichteile veranlasst. Das MRT zeigte ein deutliches Knochenmarködem im Bereich des Wirbelbogens und des linken Querfortsatzes des 4. und 5. Lendenwirbels, im Sinne eines Bone bruise, ohne Residuen eines Weichteilhämatoms (Abb. 1). Eine Fraktur, Prolaps oder Verengung der Neuroforamina waren nicht feststellbar.

Abb. 1: MRT der LWS nativ sagittal, T2 gewichtet. Pfeile: Ödeme im Bereich der linken Pedikel von L4 und L5.

Problemstellung Nach Diskussion zwischen den behandelnden Ärzten, Therapeuten und Trainern zeigte sich, dass zwei sich eigentlich diametral gegenüberstehende Therapieanforderungen verwirklicht werden sollten. Einerseits sollte eine Kräftigung der wirbelsäulenstabilisierenden Muskelgruppen realisiert werden, um den verletzten Wirbel zu schützen und die entsprechenden Wirbelsegmente zu stabilisieren, andererseits sollten ausgeprägte Rotations- und Extensionsbewegungen der LWS unbedingt vermieden werden, um eine weitere Schädigung des Knochengewebes zu verhindern. Zusätzlich war der gute Trainingszustand des Sportlers zu berücksichtigen, sodass ein isometrisches Training auch mit adäquaten Reizen durchgeführt werden musste. An dieser Stelle erschienen isometrische Übungen mittels Ganzkörper-EMS (GK-EMS) als Methode der Wahl, da


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damit auch die tief liegenden paravertebralen Muskeln erreicht und Übungen mit isometrischer Anspannung problemlos realisiert werden können [1]. Ergänzende Diagnostik

Vorab wurde die ärztliche Anamnese durch eine Haltungs- und Funktionsdiagnostik ergänzt. Für die 3D-Haltungsanalyse wurde ein 4D-Scanner der Firma Paromed (Neubeuern) eingesetzt (Rasterstereographie, räumliche Auflösung < 1mm, Mittelung aus 3 Messungen). Die Lendenlordose stellte sich dabei als etwas vermindert im Sinne einer Hypolordose dar (Flèche lombaire 2,3 % der Körpergröße, Normwerte: 95% -Konfidenzintervall 6,6 – 7,2 % [2]). In Sagittalebene wurde die Körperhaltung unter Markierung der oberen Darmbeinstachel (SIPS und SIAS) sowie des Malleolus lateralis, des Trochanter major und des Acromion mit der Software Corpus concepts (Fa. AFG, Idar-Oberstein) ausgewertet. Die Beckenvorkippung war mit 17° leicht erhöht (Abb. 2; Referenzwerte für männliche Personen Jahre: 7-12° [3]). Extensionsbewegungen der Wirbelsäule waren bei endgradig 40° schmerzhaft (Normwert Extension BWS+LWS: 60° [4]), Rotations- und Flexionsbewegungen hingegen beschwerdefrei. Die isometrischen Maximalkräfte der Rumpfextension und -flexion wurden mittels BackCheck 607 (Dr. Wolff, Arnsberg) im Stehen bei fixierter Hüfte mit gepolsterten Kraftaufnehmern im Bereich des distalen Sternums und auf Höhe der Scapulae gemessen. Aus jeweils drei Messungen wurde der Maximalwert ermittelt. Die Maximalkraftmessung in Extension sollte nur bis zum Auftreten eines Schmerzes durchgeführt werden. Dies war bereits bei 452 N der Fall. In der Rumpfflexion erzielte der Proband 620 N. Das Kräfteverhältnis Flexion / Extension von 1,37 war gegenüber den Normwerten (Flexion / Extension ca. 0,8) invertiert und bestätigte die (schmerzbedingte) Reduktion der Kraftentwicklung in der Extension [5].

Abb. 2: Haltungsanalyse in 2D und 3D: a: Lateralansicht der Körperhaltung mit Beckenwinkel (pelvic tilt) von 17°, leichter Lotvorstand von Trochanter major, Acromion und Kopf. b: Sagittalprofil der Rückenkontur in vertebraler Ebene vor Intervention. c: wie b., jedoch nach Intervention.


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GK-EMS-Training

Nach Ausschluss möglicher Kontraindikationen [6] wurde ein patientenspezifisches GanzkörperEMS-Programm appliziert (Spezifikationen in Tabelle 1), welches zweimal pro Woche im Abstand von 2-3 Tagen über insgesamt 6 Wochen durchgeführt wurde. Primäres Therapieziel war die Kräftigung der tiefen und oberflächlichen Rumpfmuskeln („Core-Muskulatur“), insbesondere der paravertebralen Muskulatur. Daher wurden Elektroden im Bereich der Multifidii, des Erector spinae, des Latissimus sowie des Rectus abdominis und Obliquus externus eingesetzt. Diese waren in die Westen des verwendeten GK-EMS-Systems (Miha Bodytec 2, Fa. Miha Bodytec, Augsburg) integriert (Abb. 3). Zusatzelektroden für die große Glutealmuskulatur waren in einen Hüftgurt integriert. Das Programm bestand aus sieben Übungen (Tab. 2), die jeweils zwei bis vier Minuten bei einer Gesamttrainingsdauer von 20 Minuten durchgeführt wurden. Der Fokus in der Übungsausführung wurde auf langsame und gleichförmige Bewegungen mit 5 Sekunden Dauer gelegt. Neben dem GK-EMS-Training fanden keine weiteren physiotherapeutischen oder krankengymnastischen Maßnahmen statt. Tabelle 1: Trainingsparameter der GK-EMS Impuls-Parameter

Wert

Impulsbreite

350 μs

Impulsfrequenz

80 Hz

Impulsanstieg

0,4 s

Impulsdauer (Zeit unter Spannung)

5 Sekunden

Pausendauer

5 Sekunden

Gesamttrainingszeit

20 min

Abb. 3: Lage der EMS-Elektroden in Relation zur Körperoberfläche. a: Trapezius und thorakaler Erector spinae, b: Latissimus, c: lumbaler Erector spinae und Multifidii, d: Gluteus maximus


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Tabelle 2: Übungsprogramm Übung

Beschreibung

Trainingsintervalle

Grundstellung

Füße hüftbreit auseinander, Knie nach vorne zeigend und 12 x 5 Sekunden leicht gebeugt, Spannung im Rumpf halten

Rumpfrotation

Arme angewinkelt, Handflächen nach vorne, 12 mal rechts Rumpfrotation 10° zur Seite, Hüfte bleibt unbewegt 12 mal links

Vorbeuge

Arme gestreckt, Rumpfvorbeuge, Arme nach hinten 12 mal führen

Diagonale Crunches

Im Stand Oberkörper einrollen und Ellbogen und 12 mal rechts kontralaterales Knie zusammenführen 12 mal links

Rückbeuge

Im Stand Arme mit gebeugten Ellbogen über den Körper 12 mal führen, Oberkörper und Arme leicht (etwa 20°) nach hinten beugen

Plank auf Gym- Unterarme auf Gymnastikball stützen, Rumpf und Beine 12 x 5 Sekunden nastikball bleiben gerade Reverse Plank

Arme gestreckt, Stütz auf den Handflächen, Rumpf und 12 x 5 Sekunden Beine werden stabil gehalten

Die EMS-Applikation erfolgte kabelgebunden mit einem eins-zu-eins-Betreuungsverhältnis durch einen ausgebildeten EMS-Trainer. Der Proband trug dabei leitfähige Funktionskleidung; die Elektroden in Weste und Gesäßgurt wurden befeuchtet, um die elektrische Leitfähigkeit zu verbessern. In einer ersten Sitzung wurde der Fußballer an die Stromapplikation und die Übungsausführungen gewöhnt. Ebenso wurde das korrekte Einnehmen einer Grundposition mit aktiver willkürlicher Anspannung der Haltemuskulatur eingeübt. Die Stromintensität wurde in allen darauffolgenden Sitzungen so gewählt, dass der Proband eine subjektive Anstrengung von 6-7 auf einer zehnstufigen Beanspruchungs-Skala empfand. Vor jeder Sitzung wurden die entsprechenden Sicherheitsprotokolle abgefragt (z.B. Wohlbefinden, Flüssigkeitszunahme etc.) [7]. Im Laufe des sechswöchigen Trainings wurden die Stromintensitäten für jede Muskelgruppe progressiv angepasst, sodass das Anstrengungsempfinden gleichblieb. Die Ausführung der Übungen wurde über den Untersuchungszeitraum konstant gehalten. Ergebnis Eine erneute Haltungsdiagnostik sechs Wochen nach dem ersten Termin zeigte eine fast unveränderte Lendenlordose (2,2 %), jedoch einen deutlich verminderten Beckenwinkel (13°) im Sinne einer physiologischen Beckenaufrichtung. Der junge Sportler war komplett beschwerdefrei, auch in der endgradigen Rumpfextension, die nun mit 62° den Normwertbereich erreichte. Die beobachtete Reduktion der Beckenvorkippung (Abb. 2) kann nach gängiger Lehrmeinung unter anderem auf die Kräftigung der Gluteal- und der Bauchmuskulatur zurückgeführt werden. Beiden Muskelgruppen, die im Rahmen des absolvierten GK-EMS-Trainings angesprochen wurden,


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kommt die Funktion zu, die auf dem Trochanter wippend gelagerte Beckenschaufel am ventralen Rand zu heben und am dorsalen zu senken [8]). Dadurch ändert sich die Winkelausrichtung des Sakrums, was in vielen, jedoch nicht allen Fällen zu einer Abflachung der Lendenlordose führt [9]. Über die im lumbalen Bereich platzierten großflächigen EMS-Elektroden (Abb. 3) können neben dem M. erector spinae auch die kleinen paravertebralen Muskeln angesprochen werden. Diese sind relevant für die intersegmentale Stabilisation der Lendenwirbelsäule und stellten wichtige Zielmuskeln im Rahmen der Therapie dar. Die Rumpfmuskelkräfte wurden nach Trainingsende erneut isometrisch getestet. Es ergab sich nun eine Maximalkraft in Extension von 930 N und in Flexion von 780 N. Das Kräfteverhältnis war damit mit 0,84 im Normbereich, bei den Rumpfbeugern betrug die Kraftsteigerung 50%. Die bei den Rumpfflexoren gemessene Kraftsteigerung von 105% muss allerdings vor dem Hintergrund der schmerzbedingten reflektorischen Kraftlimitierung im Prä-Test betrachtet werden. Vier Wochen nach Ende der GK-EMS-Intervention erfolgte ein Wiedereinstieg in das sportliche Training. Der Proband ist seither beschwerdefrei und spielt aktuell nach einem Vereinswechsel erfolgreich in der Jugendbundesliga. Fazit Der beschriebene Fall zeigt, dass GK-EMS ein wichtiges Anwendungsfeld hat, wenn posttraumatisch nur mit geringen Bewegungsamplituden und unter exakter Belastungskontrolle gearbeitet werden muss. Eine Dosierung des Trainingsreizes über die extern angelegte Spannung gelingt sehr differenziert. Gerade im Leistungssport scheint dies sinnvoll, da klassische krankengymnastische Übungen mit isometrischer Beanspruchung oft einen zu geringen Trainingsreiz auf die Sportler ausüben. Hier erscheint ein gut geplantes GK-EMSTrainingsprogramm als eine geradezu optimale Therapiemethode. Wichtig ist jedoch eine individuelle indikationsbezogene spezifische Anpassung der Übungsprogramme und der Trainingsbelastung. Literatur 1.

2. 3. 4. 5. 6.

Kemmler, W., et al., Effects of whole-body electromyostimulation on low back pain in people with chronic unspecific dorsal pain: a meta-analysis of individual patient data from randomized controlled WB-EMS trials. Evidence-based complementary and alternative medicine : eCAM, 2017. 2017. Ludwig, O., et al., The Impact of Whole-Body Electromyostimulation on Body Posture and Trunk Muscle Strength in Untrained Persons. Frontiers in Physiology, 2019. 10. Nguyen, A.D. and S.J. Shultz, Sex differences in clinical measures of lower extremity alignment. J Orthop Sports Phys Ther, 2007. 37(7): p. 389-98. Buckup, K., J. Buckup, and H.H. Pässler, Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln: Untersuchungen-Zeichen-Phänomene. 2012: Springer. Arja, H., et al., Trunk Muscle Strength in Flexion, Extension, and Axial Rotation in Patients Managed With Lumbar Disc Herniation Surgery and in Healthy Control Subjects. 2003. 28(10): p. 1068-1073. Kemmler, W., et al., Empfehlungen zu Kontraindikationen für Ganzkörper-Elektromyostimulation im kommerziellen, nicht-medizinischen Setting: Recommendations of contraindications for whole-body electromyostimulation in a commercial, non-medical setting. 2019. 70(11): p. 278-282.


53

7. 8.

9.

Kemmler, W., et al., Efficacy and safety of low frequency whole-body electromyostimulation (WBEMS) to improve health-related outcomes in non-athletic adults. A systematic review. 2018. 9: p. 573. Buchtelová, E., M. Tichy, and K. Vaniková, Influence of muscular imbalances on pelvic position and lumbar lordosis: a theoretical basis. Journal of Nursing, Social Studies, Public Health and Rehabilitation, 2013. 1-2: p. 25-36. Le Huec, J.C., et al., Pelvic parameters: origin and significance. European Spine Journal, 2011. 20 Suppl 5: p. 564-71.


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Kapitel 2 Sicherheit und Anwendung Wichtig erscheint indes der Hinweis, dass alle WB-EMS Interventionen der hier aufgeführten Studien konsequent überwacht und durch lizensiertes Personal eng begleitet wurden. Dieses Personal-Training Setting ist nicht nur mitentscheidend für die positiven Effekte eines WB-EMS Trainings, sondern trägt zu einem guten Teil dazu bei, dass unerwünschte Nebeneffekte in entsprechend aufgestellten Untersuchungen nicht vorkommen [1]. Berücksichtigte man den Charakter des WB-EMS, große Muskelareale simultan und im Extremfall mit supramaximaler Impulshöhe zu stimulieren, so deutet sich dessen gesundheitliches Risiko unmittelbar an [2, 3]. Entsprechend raten auch einschlägige Empfehlungen wie u.a. diejenige der Strahlenschutzkommission in deren unmittelbaren Zuständigkeitsbereich „Elektro-magnetische Felder (EMF) zur Stimulation“ der NISV5, die WB-EMS Anwendung fällt, von einer privaten Anwendung ab [5]. Trotz der Einstufung als hohe EMF-Belastung wird WB-EMS (noch) nicht als rein medizinische Anwendung (oder ausschließlicher Anwendung durch medizinisches Fachpersonals) reglementiert [5]. Die seit 2019 vorliegende aber mehrfach aufgeschobene und im Januar 2023 in Kraft tretende, verbindliche Fachkunde EMF zur Stimulation (EMF-S) [6], attestiert ausgewählte Facharztkreisen sowie Berufen in der Physiotherapie „ausreichende Kenntnisse“, sodass die vergleichsweise aufwändige Fachkunde6 für diesen Personenkreis entfällt. Somit erscheint das Spannungsfeld WB-EMS und unspezifischer Rückenschmerz schon aufgrund der therapeutischen Ausrichtung medizinischer Einrichtungen als angemessenes und sicherlich attraktives Betätigungsfeld mit Wachstumspotential. Technisch/regulative Voraussetzungen wie beispielsweise Medizingerätezulassung der WB-EMS Geräte wurden durch die Hersteller sichergestellt, sodass auch aus dieser Sicht eine absolut regelgerechte Applikation erfolgen kann. Literatur [1] Kemmler W, Shojaa M, Steele J et al (2021) Efficacy of Whole-Body Electromyostimulation (WB-EMS) on body composition and muscle strength in non-athletic adults. A systematic review and metaanalysis. Front Physiol Front Physiol. 12:640657. : https://doi.org/10.3389/fphys.2021.640657 [2] Teschler M, Mooren FC (2019) (Whole-Body) Electromyostimulation, Muscle Damage, and Immune System: A Mini Review. Front Physiol 10: 1461. https://doi.org/10.3389/fphys.2019.01461 [3] Teschler M, Weissenfels A, Bebenek M et al (2016) Very high creatine kinase CK levels after WB_EMS. Are there implications for health. Int J Clin Exp Med 9: 22841-22850. [4] BMU (ed) (2019) Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV). Bundesanzeiger Verlag, Bonn

5

Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen [4] 6

Dies trifft weniger auf die 24h Fachkunde als vielmehr für deren Teilnahmevoraussetzung einer 120 h Trainer/Übungsleiter-Ausbildung zu.


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[5] Strahlenschutzkommission (ed) (2019) Anwendung elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder (EMF) zu nichtmedizinischen Zwecken am Menschen. Empfehlung der Strahlenschutzkommission mit wissenschaftlicher Begründung. Bonn [6] BMU (2020) Anforderungen an den Erwerb der Fachkunde für Anwendungen nichtionisierender Strahlungsquellen am Menschen. Gemeinsame Richtlinie des Bundes und der Länder, mit Ausnahme des Landes Sachsen-Anhalt, zur Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV). BMU, Bonn

Evidenzbasierte Empfehlungen für eine sichere Anwendung von Ganzkörper-Elektroyostimulation Joshua Berger, Michael Fröhlich, Wolfgang Kemm ler, Karl Konrad, Heinz Kleinöder, Oliver Ludwig, Florian Micke, Simon von Stengel, Bernd Wegener, Anja Weissenfels

Bedingt durch das Potential der WB-EMS Technologie große Muskelareale simultan und im Extremfall sämtlich mit supramaximaler Impulsintensität zu stimulieren, bewirkt diese Trainingsmethode eine (sehr) hohe EMF-Belastung die mit drastischen unerwünschten Nebenwirkungen einhergehen kann. Bereits 2016 weisen Malnik et al. [1] nach ersten Ereignissen auf potentielle Risiken des WB-EMS hin und fordern WB-EMS (u.a. staatlich) zu regulieren („It’s time to regulate the use of whole body electrical stimulation“). Die adressierten Einzelfälle bezogen sich auf zum Teil schwere Muskelschäden und Rhabdomyolysen7, die in Ihrer zum Teil extremen Ausprägung (240.000 U/l [3]) in der Folge auch von anderen Autoren überwiegend nach den WB-EMS Erstapplikationen bestätigt wurden [4-10]. Eine klinische Untersuchung die mit höheren Fallzahlen, gesunden krafttrainingsgeschulten WB-EMS Novizen und unter strikter ärztlicher Kontrolle durchgeführt wurde [11], zeigte nach WB-EMS Erstapplikation mit subjektiv grenzwertig hoher Impulsintensität bei WB-EMS Novizen bei Peak nach 72h post EMS, im Mittelwert sehr hohe CK-Werte (28.545 ± 33.611 IE/l; d.h. 117fache Erhöhung allerdings auch eine extreme Varianz der individuellen Werte (2366 bis 143674 IE/l). Eine Fortsetzung des WB-EMS mit angemessener Impulsintensität über 10 Wochen und eine erneute Applikation mit erneut subjektiv grenzwertig (zu) hoher Intensität zeigte einen sehr ausgeprägten „repeated bout effect“8 [10, 12]. Tatsächlich zeigten sich lediglich individuelle Werte (CK: 335 bis 1987 IE/l; Myoglobin: 41-411 µg/l) im Bereich eines konventionellen Krafttrainings lagen [13]. Leider wurden während der Anwendungsphase von 10 Wochen keine Daten erhoben, die präzisere Aufschlüsse über die CK- bzw. Myoglobin-Kinetik geben könnten. Basierend auf den Studiendaten wurden nach einer nationalen Consensus Konferenz der WB-EMS beforschenden und lehrenden Einrichtungen (Runder Tisch Ganzkörper-EMS Deutschland) Empfehlungen für eine sichere und effektive WB-EMS Anwendung herausgegeben [14] die regelmäßig aktualisiert wird [15, 16].

7

>50 fache Erhöhung des Ruhewertes der Kreatinkinase (150-200 IE/l) [2] D.h. im Vergleich zum ersten Durchgang verursachen die nachfolgenden Ausführung der gleichen Übung weniger Muskelschäden 8


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Generell gilt: Ein sicheres und effektives Ganzkörper-EMS Training muss immer mit Begleitung eines ausgebildeten und lizensierten EMS Trainers durchgeführt werden. Von der privaten Nutzung der Technik ohne Unterstützung eines lizenzierten Trainers / Übungsleiters raten wir dringend ab. Der Betreuungsschlüssel von Trainer zu Teilnehmer sollte dabei ein Verhältnis von 1:2, auch für nichtmedizinische WB-EMS-Anwendungen mit weniger vulnerablen Teilnehmern, nicht übersteigen. Bei jedem Neueinsteiger muss vor dem ersten Training eine Anamnese mit schriftlicher Abfrage der Kontraindikationen stattfinden. Diese wird schriftlich dokumentiert, durch die Unterschrift des Kunden und des Abfragenden bestätigt und archiviert. Bei relevanten Auffälligkeiten darf das Training erst nach ärztlicher Freigabe durchgeführt werden. Vorbereitung auf das Training: Wie bei jedem intensiven Körpertraining ist darauf zu achten, das Ganzkörper EMS-Training nur in guter körperlicher Verfassung durchzuführen. Dies beinhaltet einen Verzicht auf Alkohol, Drogen oder erschöpfende Vorbelastung vor der Durchführung des WB-EMS. Besonders bei fiebrigen Erkrankungen sollte von einem Training komplett abgesehen werden. Ganzkörper-EMS-Training kann über den sehr hohen Umfang an beanspruchter Muskelmasse eine sehr hohe metabolische Belastung des Organismus zeigen. Diesem Zustand ist durch eine ausreichende, möglichst kohlenhydratreiche Nahrungsaufnahme im Vorfeld Rechnung zu tragen. Falls dies nicht realisiert werden konnte, sollte möglichst ein kohlenhydratreicher, aber nicht belastender Snack (≈250 kcal) idealerweise ca. 2 Stunden vor dem Training eingenommen werden. Um einer möglichen Nierenbelastung durch intensive Ganzkörper EMS Applikation entgegen zu wirken, ist auf eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr (je 500 ml) vor und nach dem Training zu achten. Durchführung des Trainings: Unabhängig vom körperlichen Status, Sportvorerfahrung und dem entsprechenden Wunsch des Anwenders darf in keinem Fall ein ausbelastendes Ganzkörper-EMS-Training während der ersten Trainingseinheiten bzw. eines Probetrainings durchgeführt werden. Besonders diese Vorgehensweise führte in der Vergangenheit zu unerwünschten Nebenwirkungen und negativen gesundheitlichen Konsequenzen und hat somit strikt zu unterbleiben. Nach moderater initialer EMS-Applikation sollte die Reizhöhe bzw. Stromstärke sukzessive gesteigert werden und frühestens nach 8-10 Wochen die höchste Ausprägung finden (subjektive Belastungseinschätzung des Anwenders: schwer-schwer+). Ein komplett ausbelastendes Training im Sinne eines schmerzhaften, stetigen Tetanus während der Impulsphase muss generell vermieden werden. Daneben sollte das Erstapplikation mit reduzierter effektiver Trainingszeit stattfinden. Empfohlen wird eine Impulsgewöhnung über 5 min sowie ein verkürztes Training mit moderater Reizintensität (subjektive Belastungseinschätzung des Anwenders: etwas schwer) und intermittierender Belastung mit kurzen Impulsphase über 12 min. Die Trainingsdauer sollte im


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Anschluss vorsichtig gesteigert werden und schließlich maximal 20 Minuten Trainingsdauer betragen. Um eine ausreichende Regeneration und Anpassung zu gewährleisten, sollte die Trainingshäufigkeit während der ersten 8-10 Wochen eine Trainingseinheit pro Woche nicht übersteigen. Auch nach dieser Konditionierungsphase muss ein Abstand von mindestens 4 Tagen zwischen den Trainingseinheiten eingehalten werden, um einer Akkumulation von Muskelzerfallsprodukten vorzubeugen, Regeneration und Anpassung zu sichern und somit den Trainingserfolg zu gewährleisten. Sicherheitsaspekte während und nach dem Training: Der Trainer hat sich während der Trainingseinheit ausschließlich um die Belange des Teilnehmers zu kümmern. Trainer und Teilnehmer halten enge Interaktion auf geringe Distanz. Der Trainer fordert ständig Rückmeldungen über die wahrgenommene Anstrengung ein. Gegenseitiger Blickkontakt und eine ständige visuelle Überwachung des Teilnehmers dienen zusätzlich der Überprüfung der akuten Belastung des Teilnehmers, helfen Überlastungen zu vermeiden und gewährleisten bei ersten Anzeichen von kardiorespiratorischen oder metabolischen Ereignissen schnell zu reagieren. Verbale und haptische Bewegungskorrekturen während des Trainings müssen zudem ständig möglich sein. Die Bedienelemente des Gerätes müssen für den Trainer und auch für den Trainierenden jederzeit direkt erreichbar. Die Bedienung/Regelung muss einfach, schnell und präzise erfolgen können. Bei Notfällen kann somit eine schnelle Unterbrechung der Stromzufuhr des Geräts gewährleistet werden. Literatur [1] Malnick SD, Band Y, Alin P, Maffiuletti NA (2016) It's time to regulate the use of whole body electrical stimulation. BMJ 352: i1693. https://doi.org/10.1136/bmj.i1693 [2] Visweswaran P, Guntupalli J (1999) Rhabdomyolysis. Crit Care Clin 15: 415-428. [3] Kastner A, Braun M, Meyer T (2014) Two Cases of Rhabdomyolysis After Training With Electromyostimulation by 2 Young Male Professional Soccer Players. Clin J Sport Med 25: 71-73. https://doi.org/10.1097/JSM.0000000000000153 [4] Herzog A, Büchele F, Keller DI (2017) Muskelschmerzen nach Elektromyostimulationstraining Praxis 106: 1121-1124. [5] Hong JY, Oh JH, Shin JH (2016) Rhabdomyolysis caused by knee push-ups with whole body electromyostimulation. British Journal of Hospital Medicine 77: 542-543. https://doi.org/10.12968/hmed.2016.77.9.542 [6] Finsterer J, Stollberger C (2015) Severe rhabdomyolysis after MIHA-bodytec(R) electrostimulation with previous mild hyper-CK-emia and noncompaction. Int J Cardiol 180: 100-102. https://doi.org/10.1016/j.ijcard.2014.11.148 [7] Stollberger C, Finsterer J (2019) Side effects of whole-body electro-myo-stimulation. Wien Med Wochenschr 169: 173-180. https://doi.org/10.1007/s10354-018-0655-x


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[8] Stöllberger C, Finsterer J (2018) Acute myopathy as a side effect of electromyostimulation. Letter to the editor. WMW online first: [9] Teschler M, Mooren FC (2019) (Whole-Body) Electromyostimulation, Muscle Damage, and Immune System: A Mini Review. Front Physiol 10: 1461. https://doi.org/10.3389/fphys.2019.01461 [10] Teschler M, Weissenfels A, Bebenek M et al (2016) Very high creatine kinase CK levels after WB_EMS. Are there implications for health. Int J Clin Exp Med 9: 22841-22850. [11] Kemmler W, Teschler M, Bebenek M, von Stengel S (2015) [(Very) high Creatinkinase concentration after exertional whole-body electromyostimulation application: health risks and longitudinal adaptations.]. Wien Med Wochenschr 165: 427–435. https://doi.org/10.1007/s10354-015-0394-1 [12] Nosaka K, Aldayel A, Jubeau M, Chen TC (2011) Muscle damage induced by electrical stimulation. Eur J Appl Physiol 111: 2427-2437. https://doi.org/10.1007/s00421-011-2086-x [13] Koch AJ, Pereira R, Machado M (2014) The creatine kinase response to resistance exercise. J Musculoskelet Neuronal Interact 14: 68-77. [14] Kemmler W, Froehlich M, von Stengel S, Kleinöder H (2016) Whole-Body Electromyostimulation – The Need for Common Sense! Rationale and Guideline for a Safe and Effective Training. Dtsch Z Sportmed 67: 218-221. https://doi.org/10.5960/dzsm.2016.246. [15] Kemmler W, Kleinoder H, Frohlich M (2020) Editorial: Whole-Body Electromyostimulation: A Training Technology to Improve Health and Performance in Humans? Front Physiol 11: 523. https://doi.org/10.3389/fphys.2020.00523 [16] DIN (2019) DIN 33961-5. Fitness-Studio - Anforderungen an Studioausstattung und -betrieb – Teil 5: Elektromyostimulationstraining. Beuth, Berlin


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Kontraindikationen von GK-EMS für kommerzielle, nicht-medizinische Anwendung Joshua Berger 1,2 und Christoph Eifler 1 1

Trainings- und Bewegungswissenschaft, Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, Saarbrücken, Deutschland; 2 Fachbereich Sportwissenschaft, Technische Hochschule Kaiserlautern, Deutschland Nicht zuletzt wegen den durch unsachgemäße Anwendung verursachten gesundheitlichen Komplikationen [1] wurde die GK-EMS Technologie mit Wirkung zum 31.12.2020 in die Strahlenschutzverordnung (NISV)9 aufgenommen und somit staatlich reglementiert. Die NiSV [2] adressiert neben Aspekten der Meldung, Registrierung, Einweisung, Wartung und Kontrollen, die Aufklärung der Kunden insbesondere hinsichtlich möglicher Risiken und unerwünschte Effekte, die Dokumentation von Gerätebetrieb und Trainingseinheit sowie Einweisung und Qualifikation des Personals und schließlich, als zentralen Aspekt, die verpflichtende "Fachkunde" (voraussichtlich ab 31.12.2022) der GK-EMS Trainer [3]. Leider bleibt die NISV insbesondere bei Aspekten die direkt mit der GK-EMS Anwendung korrelieren, sehr vage. So werden zentrale Kriterien von Sicherheit und Effektivität, wie Supervision, Betreuungsschlüssel und selbst Kontraindikationen eines GK-EMS in der NiSV nicht erwähnt. Im Gegensatz legt die DIN 33961-5 unter anderem erstmals offizielle Kontraindikationen für GK-EMS vor [4]. Viele dieser Kontraindikationen basieren auf Empfehlungen zur lokalen Anwendung von Elektrostimulation, andere sind dem Ganzkörperaspekt des GK-EMS geschuldet. Während die in der DIN 33961-5 aufgeführten relativen Kontraindikationen plausibel und leicht handhabbar erscheinen (Tab. 1), sorgen die absoluten Kontraindikationen (Tab. 2) für eine GK-EMS Anwendung für heftige Kontroversen. Sicherlich könn(t)en viele dieser absoluten Kontraindikationen, wie bspw. „Arteriosklerose“, „Diabetes mellitus“, „Tumor- und Krebserkrankungen“ [5-9] nach ärztlicher Freigabe bei enger Betreuung durch gut ausgebildetes, erfahrenes Personal effektiv und sicher adressiert werden. Eingedenk fehlender verbindlicher Standards der GK-EMS Anwendung (s.o.) kann allerdings nicht konsistent davon ausgegangen werden, dass diese enge und aufmerksame Betreuung realisiert werden kann oder konzeptionell überhaupt vorgesehen ist. Ein vorsichtiger Umgang mit Indikationen mit deutlich erhöhtem Komplikationspotential ist für den nichtmedizinischen GK-EMS Bereich daher grundsätzlich angezeigt, berechtigt und bis auf Weiteres notwendig [10]. Handreichung für den sicheren Umgang und die Durchführung eines Ganzkörper-EMS-Training DIN 33961 – Teil 5 – Kontraindikatoren GK-EMS stellt bei korrekter Anwendung eine effektive sowie sichere Trainingsform dar. Auf der anderen Seite ist jedoch unbestreitbar davon auszugehen, dass eine missbräuchliche GK-EMS-

„nicht-ionisierender Strahlung am Menschen, die zu kosmetischen oder sonstigen nichtmedizinischen Zwecken gewerblich […] eingesetzt werden“ [2] 9


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Applikation unerwünschte und unter Umständen gravierende Nebenwirkungen auslösen kann. Das Gefährdungspotenzial entsteht durch die großflächige Anwendung des GK-EMS-Trainings (simultane Kontraktion großer Muskelareale) in Verbindung mit der Möglichkeit, eine für jede Körperregion supramaximale Reizintensität generieren zu können. Wie bei jeder anderen Trainingsform im Fitnesstraining sollte der Start in das GK-EMS-Training daher behutsam und unter Berücksichtigung des aktuellen Gesundheitszustandes des Anwenders erfolgen. Darüber hinaus sollten wie bei jeder anderen Trainingsform im Fitnesstraining Kriterien definiert werden, die ein GK-EMS-Training ausschließen. Aufgrund des oben beschriebenen Gefährdungspotenzials ist die GK-EMS hinsichtlich unerwünschter Nebenwirkungen nur bedingt mit einem klassischen Kraft- oder Ausdauertraining zu verglei-chen. Umso wichtiger erscheinen daher die Notwendigkeit einer Formulierung von Leitlinien zur effektiven aber dennoch sicheren GK-EMS-Applikation sowie die formelle Regelung von Ausschlusskriterien für das GK-EMSTraining. Hinsichtlich der Anamnese, der Ersteinweisung, der Applikation, des Betreuungsverhältnisses von ausgebildeten und möglichst lizenzierten GK-EMS-Trainern/innen und der sicheren Durchführung eines GK-EMS-Trainings wurden bereits 2016 erste Leitlinien formuliert [11]. Darauf aufbauend sind in den Prüfkriterien der DIN 33961 – Teil 5 weitergehende formalisierte Regelungen hinsichtlich Kontraindikationen für ein GK-EMS-Training aufgeführt. Diese sollen EMS-Betreibern sowie EMS-Trainern/innen als Orientierungshilfe in der täglichen Trainingsroutine dienen, indem Ausschlusskriterien für ein GK-EMS-Training definiert werden. Die Prüfkriterien der DIN 33961 – Teil 5 differenzieren zwischen absoluten und relativen Kontraindikationen. Bei dem Vorliegen absoluter Kontraindikationen ist ein GK-EMS-Training aufgrund potenzieller Gefährdung und möglicher Schädigung grundsätzlich abzulehnen. Hierbei gilt vor allem die Leitlinie, dass die auftretenden Schädigungen und Kontraindikationen akuter bzw. maßgeblich gesundheitsbeeinträchtigender Art sind. Ein GK-EMS-Training wäre also mit zu hohen Risiken verbunden und aufgrund der Sorgfaltspflicht gegenüber den Kunden nicht vertretbar durchzuführen. Zu diesen absoluten Kontraindikationen zählen nach DIN 33961 – Teil 5 die folgenden Faktoren: Akute Erkrankungen, bakterielle Infektionen und entzündliche Prozesse:

Unabhängig von der akuten Einschränkung durch die Erkrankung (wie z. B. schwerfällige Atmung bei einem Atemwegsinfekt) kommt es nach sportlicher Belastung zu einer erhöhten immunologischen Stresssituation des Körpers. Hierbei fällt unter anderem die Anzahl der NKZellen (natürliche Killerzellen), welche zu den Lymphozyten gehören und für die Abwehr von virusinfizierten Zellen verantwortlich sind. Dadurch wird der Körper maßgeblich geschwächt und anfälliger für weitere Infektionen, weshalb generell von sportlichen Belastungen und dementsprechend auch von einem GK-EMS-Training dringend abzuraten ist [12].


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Kürzlich vorgenommene Operationen: Operationen, welche mit offenen oder genähten Wunden einhergehen, verhindern ein GK-EMS-

Training, wenn sich die Wunde an einer Applikationsstelle der Elektrode oder in direktem Umfeld befindet. Weniger schwerwiegende ambulante Eingriffe, wie z. B. die Entfernung von Warzen, sind hiervon nicht betroffen. Ebenfalls ist von einer sportlichen Belastung jeglicher Art abzuraten, solange die Wunde sich noch nicht selbstständig verschlossen hat und durch Fäden vernäht wurde. Des Weiteren sollte eine vollständige Genesung des ursprünglichen Operationsgrundes vorangegangen sein. Grundsätzlich gilt zur Absicherung hier die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Arteriosklerose, arterielle Durchblutungsstörungen:

Bei einer Arteriosklerose kommt es zu krankhaften Einlagerungen von Blutfetten (Plaques) an der inneren Wand arterieller Gefäße, wodurch die betroffene Muskulatur und Organe nicht ausreichend mit Blut versorgt werden. Ebenso können die entstandenen Plaques einreißen, wodurch Blutgerinnsel entstehen und die betroffene Arterie vollständig verschließen können, was z. B. zu einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall führen kann (De Marées, 2003). Da zum momentanen Wissensstand die Auswirkungen eines GK-EMS-Trainings auf arteriosklerotische Erkrankungen nicht ausreichend erforscht sind, der Krankheitsverlauf allerdings unter Umständen lebensbedrohlich sein kann, ist von einem GK-EMS-Training mit dem hier dargestellten Krankheitsbild unbedingt abzusehen. Stents und Bypässe, die weniger als 6 Monate aktiv sind:

Bei Stents und Bypässen erfolgt durch die Operation am Herzen ein massiver Eingriff in den menschlichen Organismus. Vor allem in der Rehabilitationsphase ist es daher wichtig, die Patienten langsam an sportliche Belastungen zu gewöhnen, sowie ein intensives Training unbedingt zu vermeiden. Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt daher ein leichtes Ausdauertraining in Form von schnellem Gehen oder die Teilnahme an einer Herz-sportgruppe. GK-EMS-Training stellt allerdings eine hochintensive Belastung dar, welche zu hohen Beanspruchungen des Körpers führt. Aus diesem Grund sollte es in der postoperativen Rehabilitation in den ersten sechs Monaten nach dem Eingriff unbedingt vermieden und erst nach ausreichender Genesung sowie ärztlicher Abklärung durchgeführt werden [13]. Unbehandelter Bluthochhochdruck:

Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) gehört weltweit zu den häufigsten chronischen Erkrankungen und zählt zu den maßgeblichen Risikofaktoren kardiovaskulärer Krankheiten. Vor allem das Schlaganfallrisiko steigt mit einer Erhöhung des Blutdrucks stetig an. Ebenso gilt durch eine arterielle Hypertonie eine erhöhte Herzinfarktanfälligkeit sowie ein erhöhtes Risiko zur Niereninsuffizienz [14]. Behandelter und eingestellter Bluthochdruck beeinträchtigt die Fähigkeit, Sport zu treiben, an sich nicht. Unbehandelter Bluthochdruck hingegen muss zur Vermeidung der


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oben angegebenen möglichen Folgen unbedingt ärztlich abgeklärt werden und schließt ein sportliches Training jeglicher Art aus [15], dementsprechend auch ein GK-EMS-Training. Diabetes mellitus:

Diabetes Mellitus beschreibt im Allgemeinen eine Störung des Kohlenhydratstoffwechsels und kann mit unterschiedlichen Ausprägungen auftreten, wonach die Unterscheidung in Typ-IDiabetes (absoluter Insulinmangel), Typ-II-Diabetes (Insulinresistenz sowie unterschiedliche Insulinverfügbarkeit) und anderen spezifischen Diabetesformen (aufgrund von Medikamenten, Endokrinopathien etc.) getroffen wird. Je nach Ausprägungsform der diabetischen Erkrankung kann adäquate sportliche Betätigung einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf sowie die Prävention nehmen. GK-EMS-Training stellt durch die simultane Beanspruchung vieler großer Muskelgruppen sowohl auf zellulärer als auch auf muskulärer Ebene eine sehr hohe Belastungsund Stresssituation für den Körper dar. Der genaue Einfluss dieser intensiven Belastung auf den Organismus einer an Diabetes erkrankten Person ist allerdings zum momentanen Zeitpunkt noch unzureichend untersucht, weswegen hier von einem GK-EMS-Training abzuraten ist [16]. Schwangerschaft:

Da im Gegensatz zu dokumentierten Leitlinien, Trainingsempfehlungen und Kontraindi-katoren eines allgemeinen körperlichen Trainings während und nach Schwangerschaft [17] für das GKEMS-Training keine Evidenz vorliegt und somit keine wissenschaftlich begründeten Aussagen gemacht werden können, ist nach aktuellem Stand während Schwangerschaft ein GK-EMSTraining im Hinblick auf mögliche Gefährdungen auszuschließen. Inwieweit ein GK-EMS-Training in der direkten Nachschwangerschaftsphase analog einem allgemeinen körperlichen Training eingesetzt werden kann, ist derzeit noch nicht seriös zu beantworten und sollte somit nur nach ärztlicher Absprache erfolgen. Elektrische Implantate, Herzschrittmacher:

Bei Herzschrittmachern und elektrischen Implantaten wird durch einen Sensor, meist in Form von Elektroden in der Herzkammer oder auch in direktem Kontakt zum Herzmuskel, die Herzaktivität gemessen. Je nach Krankheitsbild wird dadurch bei Funktionsstörungen des Herzens diese registriert und die notwendigen Gegenmaßnahmen eingeleitet (z. B. ein elektrischer Impuls bei Herzkammerflimmern oder ein zusätzlicher elektrischer Impuls bei einem langsamen Herzrhythmus). Beim GK-EMS Training wird mit Impulsen verschiedener Frequenzen sowie unterschiedlichen Impulstiefen und -intensitäten gearbeitet. Es gibt bislang keine Herstellerangaben über mögliche Interferenzen des applizierten Impulses des GK-EMS-Trainings mit elektrischen Implantaten. Ein negativer Einfluss kann aus diesem Grund nicht ausgeschlossen werden und somit im schlimmsten Fall lebensbedrohlich wirken, weswegen hier ein GK-EMSTraining jeglicher Art ausgeschlossen ist.


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Herz-Rhythmus-Störungen:

Herz-Rhythmus-Störungen schließen eine leichte, konventionelle Form der sportlichen Betätigung nicht grundlegend aus. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie spricht Sport nach vorheriger intensiver kardiologischer Untersuchung in einem angemessenen Ausmaß sowie unter genauer Anleitung (z. B. in einer Herzsportgruppe) und adäquater Intensität eine gesundheitsfördernde Wirkung zu. Auch dies ist allerdings von der genauen Art der Erkrankung abhängig, da HerzRhythmus-Störungen sowohl physiologisch als auch pathologisch unterschiedliche Ausprägungen haben können. Für das hochintensive GK-EMS-Training existieren bislang keine evidenzbasierten Aussagen zu einem Training trotz Herz-Rhythmus-Störungen, weswegen ein Training aufgrund der potenziellen lebensgefährdenden Folgen auszuschließen ist [18, 19]. Tumor- und Krebserkrankungen:

Sportliches Training, auch im hochintensiven Kraftbereich, wird bei Tumor- und Krebserkrankungen gezielt empfohlen [20]. Für das hochintensive GK-EMS-Training existieren jedoch bislang keine evidenzbasierten Aussagen zur Belastungsgestaltung sowie hinsichtlich präventiver oder therapeutischer Effekte. Aus diesem Grund ist das GK-EMS-Training in der akuten Therapiephase bei Tumor- bzw. Krebserkrankungen sicherheitshalber auszuschließen. In der Krebsnachsorge, d. h. nach dem Abschluss der akuten Therapiephase, kann ein GK-EMS-Training nach vorheriger ärztlicher Abklärung hinsichtlich Intensität und Impulsverträglichkeit in Erwägung gezogen werden (relative Kontraindikation). Blutungsstörungen, Blutungsneigung (Hämophilie):

Der Zusammenhang und die Auswirkungen eines GK-EMS-Trainings auf Blutungsstörungen bzw. Blutungsneigungen sind noch komplett unerforscht. Es gibt zwar erste Anzeichen einer Leistungssteigerung der Oberschenkelmuskulatur durch EMS bei Patienten mit Blutungsstörungen, allerdings haben sich die Autoren hierbei nur mit einer isolierten Muskelgruppe unter Laborbedingungen mit stetiger Aufsicht durch geschultes Personal befasst. Die Auswirkungen eines GK-EMS-Trainings auf das vorliegende Krankheitsbild ist noch völlig unbekannt, weswegen aufgrund des hohen Risikos für den betroffenen Klienten ein GK-EMSTraining ausgeschlossen wird [21]. Neuronale Erkrankungen, Epilepsie, schwere Sensitivitätsstörungen:

Beim GK-EMS-Training kommt es zur Stimulation der unter der Elektrode befindlichen Muskulatur durch einen extern applizierten elektrischen Reiz. Hierbei werden die Ner-venfasern angesprochen, welche das auftretende Signal weiterverarbeiten und bis zur Signalverarbeitung in den Muskel weiterleiten. Gerade in Bezug auf epileptische Krank-heitsbilder könnte dieser Faktor überaus gefährdend sein, da bereits eine Hypererregbarkeit (Hyperexzitabilität) von Nervenzellen epileptische Anfälle positiv bedingen kann. Des Weiteren liegt sowohl für Ausdauer- als auch Krafttraining keine eindeutige Evidenz zur Verbesserung des bestehenden Krankheitsbildes vor.


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Aufgrund der daraus resultierenden fehlenden Evidenz der Zusammenhänge von GK-EMS-Training und neuronalen Erkrankungen, Epilepsie o. Ä. ist hier von einem Training abzusehen. Bauchwand- und Leistenhernien: Eine Bauchwand- bzw. Leistenhernie stellt eine akute, also eine unmittelbare, schwer-wiegende Verletzung bzw. Erkrankung im Bereich des Abdomens dar. Durch körperliche Belastung bzw. entsprechende Zug- oder Druckbelastung auf die entstandene Wunde kann es zur Vergrößerung dieser und einem damit einhergehenden Austritt oder sogar zur Verletzung innerer Organe kommen. Ein solches Krankheitsbild muss aus diesem Grund umgehend fachärztlich behandelt werden und schließt ein körperliches Training jeglicher Art, vor allem ein hochintensives GK-EMS-Training, grundlegend aus. Akuter Einfluss von Alkohol, Drogen oder Rauschmittel:

Unter dem Einfluss von konsumiertem Alkohol, Drogen, Psychopharmaka oder Rauschmitteln in verschiedenster Darreichungsform und Höhe ist ein allgemeines körperliches Training aufgrund möglicher Gefährdung und Schädigung prinzipiell auszuschließen. Daher ist auch ein GK-EMSTraining als Sonderform eines körperlichen Trainings hier kontraindiziert. Während die absoluten Kontraindikationen keinen Interpretationsspielraum zulassen, regeln relative Kontraindikationen Faktoren, die nicht generell als Ausschlusskriterien für ein GK-EMSTraining gelten müssen. Relative Kontraindikationen sind Faktoren, welche ein EMS-Training lediglich partiell an bestimmten Körperregionen ausschließen oder ein EMS-Training nur nach vorheriger ärztlicher Abklärung erlauben. Zu den relativen Kontraindikationen zählen nach DIN 33961 – Teil 5 die folgenden Faktoren:

Akute Rückenbeschwerden ohne Diagnose

Akute Neuralgien, Bandscheibenvorfälle

Implantate, die älter als 6 Monate sind

Erkrankungen der inneren Organe und insb. Nierenerkrankungen

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Bewegungskinetosen

Größere Flüssigkeitsansammlungen im Körper, Ödeme

Offene Hautverletzungen, Wunden, Ekzeme, Verbrennungen

Entsprechende Medikamente

Die relativen Kontraindikationen lassen den Trainern/innen einen gewissen Interpretations- und Handlungsspielraum offen, was jedoch in der Trainingspraxis zu Unsicherheiten führen kann. Bei einer Betrachtung der relativen Kontraindikationen fällt auf, dass diese weit gefasst und teilweise wenig trennscharf formuliert sind. Die formelle Regelung von Kontraindi-kationen sollte keineswegs dazu führen, Kunden, für die GK-EMS-Training eine sinnvolle und gesundheitsfördernde Intervention darstellt, durch die Notwendigkeit einer ärztlichen Frei-gabe abzuschrecken.


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Die Abfrage relativer Kontraindikationen dient dazu, akut vorliegende gravierende Beeinträchtigungen der Gesundheit zu erfassen, die einen direkten Einfluss auf die Belastbarkeit des Trainierenden und/oder auf die Übungsauswahl haben können. Erkrankungen oder Schmerzepisoden, die schon länger zurückliegen, stellen demnach keine akuten Beeinträchtigungen dar. Die Entscheidung, ob eine ärztliche Freigabe eingefordert wird oder nicht, hängt letztendlich von der Gesamtanamnese eines Kunden bzw. der Gesamtbeurteilung seines Gesundheitszustands und der Einschätzung seiner Belastbarkeit ab. Liegen nur geringfügige oder schon länger zurückliegende Beeinträchtigungen vor, so müssen diese nicht zwingend zu einer Einstufung als relative Kontraindikation führen. Als Beispiel sie an dieser Stelle auf die relative Kontraindikation „akute Rückenbeschwerden ohne Diagnose“ verwiesen. Laut Bundesärztekammer et al. [22] geben 85 % der Deutschen an, dass sie mindestens einmal in ihrem Leben bereits Rückenschmerzen hatten. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2016 hat ergeben, dass lediglich 34 % der befragten Frauen und 35 % der Männer den Gang zum Arzt als Hilfsstrategie bei Rückenschmerzen wählen. Jedoch wählen 74 % der Frauen und 69 % der Männer Bewegung als Intervention bzw. Hilfsstrategie bei Rückenschmerzen. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass Neukunden „Rückenschmerzen“ ohne ärztliche Diagnose angeben. Das Kriterium „Rückenschmerz“ wird jedoch nicht näher differenziert. Ein Großteil der Rückenschmerzen ist unspezifisch, d. h. ohne erkennbare Ursache. Ob Rückenschmerzen nun zu einer Einstufung als relative Kontraindikation führen, hängt von der Schmerzintensität, der Schmerzhäufigkeit sowie von den begleitenden Beeinträchtigungen im Alltag, Beruf sowie bei Freizeitaktivitäten ab (Funktionsstatus des Kunden). Liegen die Schmerzepisoden schon länger zurück (keine akuten Probleme), ist die akute Schmerzintensität nur gering oder verursachen die Rückenschmerzen keine oder nur geringfügige Beeinträchtigungen im Alltag, Beruf oder bei Freizeitaktivitäten (weitgehend normaler Funktionsstatus), so ist körperliche Aktivität respektive die GK-EMS Applikation unbedenklich. Eine Einstufung als relative Kontraindikation wäre eine unnötige Dramatisierung der geringfügigen Beschwerden und wäre in solchen Fällen unangemessen. Vor einer solchen Dramatisierung unspezifischer Rückenschmerzen warnen die Bundesärztekammer et al. [22] explizit in ihren nationalen Versorgungsleitlinien zur Therapie nicht-spezifischer Kreuzschmerzen. Auch Neuralgien (d. h. Schmerzen im Versorgungsgebiet eines Nervens) oder Bandscheibenvorfälle stellen nur dann relative Kontraindikationen dar, wenn diese akut sind und zum ak-tuellen Zeitpunkt zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Funktionszustandes führen, so dass eine Trainingsintervention nicht uneingeschränkt möglich ist. Liegen diese gesundheitli-chen Probleme schon länger zurück (keine akute Problematik) und ist der Funktionsstatus des Kunden weitgehend normal (Training ohne oder nur mit geringen Einschränkungen möglich), so ist eine Einstufung als relative Kontraindikation nicht zwingend notwendig. Ein anderes Beispiel ist die relative Kontraindikation „kardiovaskuläre Erkrankungen“. Die höchste Prävalenz unter den kardiovaskulären Erkrankungen hat der Bluthochdruck (arteriel-le Hypertonie). Bluthochdruck wird in der Medizin in mehrere Schweregrade differenziert. Eine


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Hypertonie Schweregrad I (Blutdruckwerte ≥140-159/≥90-99 mmHg) stellt sicherlich einen ernstzunehmenden Risikofaktor für die Entstehung schwerwiegender kardiovaskulärer Erkrankungen dar. Auf der anderen Seite ist die Hypertonie Schweregrad I in den meisten Fällen ein lebensstilbedingter Risikofaktor (Ursachen: bewegungsarmer Lebensstil, Überge-wicht etc.). Die Aufnahme körperlicher Aktivität stellt somit eine zentrale und nachweislich effektive Interventionsmaßnahme bei Hypertonie dar. Körperliche Aktivität wird von ärztli-cher Seite sogar ausdrücklich empfohlen. Liegen im Falle einer Hypertonie Schweregrad I keine weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren vor, so muss diese nicht zwangsläufig zu ei-ner Einstufung als relative Kontraindikation führen, zumal ein Kunde mit einer Hypertonie Schweregrad I weitgehend uneingeschränkt trainieren darf (keine Kontraindikationen hin-sichtlich Trainingsformen oder Übungen). Eine Einstufung als relative Kontraindikation wäre insbesondere dann unangemessen, wenn von ärztlicher Seite körperliche Aktivität als Le-bensstil-Intervention empfohlen wurde. Die Einstufung eines unbehandelten Bluthochdrucks als absolute Kontraindikation bleibt davon jedoch grundsätzlich unberührt. Als relative Kontraindikationen werden weiterhin Symptome klassifiziert, deren Ursache ohne eine ärztliche Abklärung zunächst unbekannt ist. Die Ursachen einer Bewegungskinetose (Schwindel bei Bewegung) oder einer Ödembildung (Flüssigkeitsansammlung im Körper) können relativ harmlos, aber auch das Leitsymptom einer bis dato nicht diagnostizierten schweren Erkrankung sein. Es liegt weder im Kompetenz- noch im Verantwortungsbereich der EMSTrainer/innen, Diagnosen für diese Beschwerden zu stellen. Insofern ist eine ärztliche Abklärung vor der GK-EMS-Applikation in diesen Fällen obligat. Die Risikoabwägung bei Erkrankungen innerer Organe oder bei Implantaten übersteigt ebenso den Kompetenzbereich der EMS-Trainer/innen. Auch in diesen Fällen ist die ärztliche Abklärung vor der GK-EMS-Applikation zwingend erforderlich. Im Kontext der Anamnese vor einem GK-EMS-Training sind Angaben zu Erkrankungen oder Verletzungen der Haut typisch. Bei großflächigen Hautverletzungen/Wunden und schweren großflächigen Hautirritationen (Allergien, Ekzeme, aktive Neurodermitis etc.) wird höchstwahrscheinlich schon von Kundenseite das GK-EMS-Training abgelehnt werden. Unsicherheiten bestehen jedoch beim Vorliegen eines Sonnenbrandes. Auch hier sollten Trainer/innen die Schwere sowie die Fläche des Sonnenbrandes zunächst mit den Kunden abklären und erst dann eine Entscheidung treffen, inwieweit eine GK-EMS-Applikation an den betroffenen Körperregionen bzw. Hautarealen realisierbar ist. Summa summarum sollten Trainer/innen bei der Abfrage eventuell vorliegender relativer Kontraindikationen den gesundheitlichen Nutzen des GK-EMS-Trainings gegenüber den Risiken der Erkrankungen abwägen, sofern dies ihren Kompetenz- und Verantwortungsbereich nicht überschreitet. Das Ziel der Abfrage sollte nicht darin bestehen, gesundheitliche Beeinträchtigungen mit geringer Ausprägung zu dramatisieren, indem diese als relative Kontraindikation eingestuft werden und ein GK-EMS-Training nur nach ärztlicher Freigabe erfolgen darf.


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Auf der anderen Seite dürfen gesundheitliche Probleme aber auch nicht bagatellisiert werden, um eine ärztliche Freigabe zu umgehen. Bestehen auf Seiten der Trainer/innen Unsicherheiten hinsichtlich der Risikosituation sowie hinsichtlich der Belastbarkeit von Kunden, so sollte nach dem medizinischen Leitsatz „primum nil nocere“ („zuallererst nicht schaden“) sowohl zur eigenen Absicherung als auch zum Wohle der Kunden die ärztliche Freigabe zum Training eingeholt werden. Sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen jedoch so gering, dass sie keine Relevanz für das GK-EMS-Training haben und überwiegen in dem Risiko-Nutzen-Vergleich die gesundheitsprotektiven Vorteile, dann wäre es übertrieben vorsichtig und nicht zielführend, diese als relative Kontraindikationen einzustufen. Eine fundierte Abwägung zwischen eventuellen Risiken und gesundheitlichem Nutzen der GKEMS-Applikation setzt natürlich voraus, dass die Trainer/innen aufgrund ihrer Kompetenzen in der Lage sind, solche Entscheidungen treffen zu können. Dieser Aspekt unterstreicht die Bedeutung und Notwendigkeit einer adäquaten Ausbildung/Qualifikation der Trainer/innen im GK-EMSTraining. Daher beinhalten die Prüfkriterien der DIN 33961 – Teil 5 auch formelle Regelungen zur Qualifikation der Trainer/innen. Literatur [1] Stollberger C, Finsterer J (2019) Side effects of whole-body electro-myo-stimulation. Wien Med Wochenschr 169: 173-180. https://doi.org/10.1007/s10354-018-0655-x [2] BMU (ed) (2019) Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV). Bundesanzeiger Verlag, Bonn [3] BMU (2020) Anforderungen an den Erwerb der Fachkunde für Anwendungen nichtionisierender Strahlungsquellen am Menschen. Gemeinsame Richtlinie des Bundes und der Länder, mit Ausnahme des Landes Sachsen-Anhalt, zur Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV). BMU, Bonn [4] DIN_33961-5 (2019) Fitness-Studio. Anforderungen an Studioausstattung und -betrieb. Teil 5: Elektromyostimulationstraining (EMS-Training). In Deutsches-Institut-für-Normung-e.V. (ed). Beuth Verlag, Berlin [5] Fritzsche D, Fruend A, Schenk S et al (2010) Elektromyostimulation (EMS) bei kardiologischen Patienten. Wird das EMS-Training bedeutsam für die Sekundärprävention? Herz 35: 34-40. [6] van Buuren F, Horstkotte D, Mellwig K et al (2015) Electrical Myostimulation (EMS) Improves Glucose Metabolism and Oxygen Uptake in Type 2 Diabetes Mellitus Patients—Results from the EMS Study. Diabetes Technol Ther 17: 413-419. [7] van Buuren F, Mellwig KP, Prinz C et al (2013) Electrical myostimulation improves left ventricular function and peak oxygen consumption in patients with chronic heart failure: results from the exEMS study comparing different stimulation strategies. Clin Res Cardiol 102: 523-534. https://doi.org/10.1007/s00392-013-0562-5 [8] Schink K, Herrmann HJ, Schwappacher R et al (2018) Effects of whole-body electromyostimulation combined with individualized nutritional support on body composition in patients with advanced cancer: a controlled pilot trial. BMC Cancer 18: 886. https://doi.org/10.1186/s12885-018-4790-y [9] Schink K, Reljic D, Herrmann HJ et al (2018) Whole-Body Electromyostimulation Combined With Individualized Nutritional Support Improves Body Composition in Patients With Hematological Malignancies - A Pilot Study. Front Physiol 9: 1808. https://doi.org/10.3389/fphys.2018.01808 [10] Kemmler W, Weissenfels A, Willert S et al (2019) Recommended Contraindications for the Use of NonMedical WB-Electromyostimulation. Dtsch Z Sportmed 70: 278-281.


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[11] Kemmler W, Froehlich M, von Stengel S, Kleinöder H (2016) Whole-Body Electromyostimulation – The Need for Common Sense! Rationale and Guideline for a Safe and Effective Training. Dtsch Z Sportmed 67: 218-221. https://doi.org/10.5960/dzsm.2016.246. [12] Baum M, Liesen H (1998) Sport und Immunsystem. Dtsch Arztebl 95: 538-540. [13] Albrecht B, Mooren FC (2018) Prähabilitation. In Mooren FC, Reimers DC (eds) Praxisbuch Sport in Prävention und Therapie. Elsevier, München, pp 57-63 [14] Reimers CD, Völker K (2018) Bluthochdruck (arterielle Hypertonie). In Reimers CD, Straube A, Völker K (eds) Patienteninformtionen Sport in der Neurologie – Empfehlungen für Ärzte. Springer, Berlin, pp 103-108 [15] Predel HG (2007) Bluthochdruck und Sport. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 58: 328-333. [16] Mooren FC, Knapp G (2018) Diabetes Mellitus. In Mooren FC, Reimers CD (eds) Praxisbuch Sport in Prävention und Therapie Elsevier, München, pp 93-120 [17] Sulprizio M, Kleinert J (2016) Sport in der Schwangerschaft. Leitfaden für die geburtshilfliche und gynäkologische Beratung. Springer, Berlin [18] Hordern MD, Dunstan DW, Prins JB, Baker MK, Singh MA, Coombes JS (2012) Exercise prescription for patients with type 2 diabetes and pre-diabetes: a position statement from Exercise and Sport Science Australia. J Sci Med Sport 15: 25-31. https://doi.org/10.1016/j.jsams.2011.04.005 [19] Perry E, Gallen I (2009) Guidelines on the current best practice for the management of type 1 diabetes, sport and exercise. Pract Diabetes Int 26: 116-123. [20] Dimeo FC, Thiel E (2008) Körperliche Aktivität und Sport bei Krebspatienten. Der Onkologe 14: 31-37. [21] Querol F, Gallach JE, Toca-Herrera JL, Gomis M, Gonzalez LM (2006) Surface electrical stimulation of the quadriceps femoris in patients affected by haemophilia A. Haemophilia 12: 629-632. https://doi.org/10.1111/j.1365-2516.2006.01356.x [22] Bundesärztekammer, Kassenärztliche-Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft_ der_Wissenschaftlichen_Medizinischen_Fachgesellschaften (2017) Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien – Methodenreport.


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Kapitel 3 Verbreitung und Entwicklung Dass Ganzkörper-Elektromyostimulation eine kommerziell sehr erfolgreiche innovative Trainingstechnologie ist, belegen u.a. Zahlen, dass WB-EMS als eine von ganz wenigen Sparten des Fitness- und Gesundheitsmarktes sowohl national wie insbesondere auch international noch "wächst". In den USA, dem weltweit größten Markt für gesundheitsorientiertes Fitnesstraining war WB-EMS als deutsche Technologie vor bis wenigen Jahren noch weitgehend unbekannt was in vielfacher Hinsicht Potential für die Zukunft dieser Trainingsmethode verspricht. In Deutschland in dem WB-EMS seit ca. 2007 kommerziell angeboten wird, erstaunt wiederum der relativ geringe Diversifikationsgrad dieser Technologie. So werden für die Bereiche mit den höchsten positiven Evidenzen, Sarkopenie respektive Erhalt von Muskelmasse und -Funktion des älteren Menschen oder die hier adressierte Rückenschmerzproblematik keine dedizierten WB-EMS Angebote ausgewiesen. Zu erwarten ist, dass sich das derzeit stark wachsende, medizinisches WB-EMS Setting dieser Bereiche verstärkt annehmen wird.

Marktentwicklung der WB-EMS bei kommerziellen Anbietern Christoph Eifler Trainings- und Bewegungswissenschaft, Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, Saarbrücken, Deutschland Die Ganzkörper-Elektromyostimulation (engl. „Whole Body-EMS“ – WB-EMS) hat in den letzten Jahren kontinuierlich Einzug in den kommerziellen Fitnessmarkt gehalten. Repräsentative Marktdaten zur Verbreitung der WB-EMS im deutschen Fitnessmarkt liegen jedoch erst seit wenigen Jahren vor. Der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) führt in Kooperation mit der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie mit der Wirtschaftsprüfungs-gesellschaft Deloitte GmbH jährlich eine Marktstudie mit einer Erhebung branchenrelevanter Daten zum deutschen Fitnessmarkt durch. Im Jahr 2015 wurden in diesem Kontext erstmalig Daten zur Verbreitung der WB-EMS im deutschen Fitnessmarkt erhoben. Im Folgenden wird die Marktentwicklung der WB-EMS anhand der seit 2015 vorliegenden repräsentativen Branchendaten skizziert. Zur Methodik der Datenerhebung

Die jährlich vom DSSV, der DHfPG sowie von Deloitte durchgeführte Marktstudie erfolgt über eine Vollerhebung, bei der alle in Deutschland registrierten Fitnessstudios mithilfe eines elektronischen Fragebogens zu verschiedenen Themenkomplexen – unter anderem zur Angebotsstruktur sowie zu Investitionen in Angebote – standardisiert befragt werden. Um differenzierte Daten zum Fitnessmarkt zu erhalten, werden die Fitnessunternehmen seit 2017 kategorisiert in Einzelbetriebe (Betriebe mit mehr als 200 m2 Gesamtfläche), Kettenbetriebe (fünf oder mehr Fitnessanlagen eines Betreibers mit mehr als 200 m2 Gesamtfläche) sowie Mikrobetriebe (Betriebe mit maximal 200 m2 oder weniger Gesamtfläche).


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Die Marktentwicklung der WB-EMS von 2015 bis 2020

Im Jahr 2015 geben 17,2 % der Einzel- und 24,9 % der Kettenbetriebe an, WB-EMS als Spezialangebot neben klassischen Fitnessangeboten, wie z. B. gerätegestütztes Kraft- und Ausdauertraining, in der Angebotspalette zu führen (vgl. Tab. 1). Mikrobetriebe werden zu diesem Zeitpunkt noch nicht differenziert ausgewertet. Im Vergleich zu den klassischen Angeboten – gerätegestütztes Krafttraining (2015 im Angebot bei 91,7 % der Einzel- und bei 97,9 % der Kettenbetriebe) und gerätegestütztes Ausdauertraining (2015 im Angebot bei 83,2 % der Einzelund 80,2 % der Kettenbetriebe) – spielt WB-EMS sowohl bei den Einzel- als auch bei den Kettenbetrieben eine eher untergeordnete Rolle in der Leistungsstruktur der deutschen Fitnessunternehmen. Diese Tendenz zeigt sich auch bei einer Betrachtung der zukünftig geplanten Investitionen (vgl. Tab. 2). Im Jahr 2015 planen 84,8 % der Einzel- und 77,9 % der Kettenbetriebe, keine Investitionen in die WB-EMS-Technologie zu tätigen. Leicht rückläufige Strukturkennzahlen liefert die Marktstudie im Jahr 2016. 16,0 % (- 1,2 %) der Einzel- und 11,8 % (- 13,9 %) der Kettenbetriebe führen 2016 WB-EMS als Spezialangebot in ihrem Leistungsspektrum. Erneut geben 84,8 % der Einzel- und sogar 90,1 % der Kettenbetriebe an, zukünftig nicht in die WB-EM-Technologie investieren zu wollen. Tab. 1: Anteil der Fitnessunternehmen mit WB -EMS-Angebot (DSSV, 2015, 2016) Jahr

Einzelbetriebe

Kettenbetriebe

2015

17,2 %

24,9 %

2016

16,0 %

11,8 %

Tab. 2: Anteil der Fitnessunternehmen, die zukünftig Investitionen in WB -EMS planen (DSSV, 2015, 2016) Jahr

Einzelbetriebe

Kettenbetriebe

2015

ja/eher ja

15,2 %

nein

84,8 %

ja/eher ja

22,1 %

nein

77,9 %

2016

ja/eher ja

15,2 %

nein

84,8 %

ja/eher ja

9,9 %

nein

90,1 %

Eine differenzierte Betrachtung erlaubt die Marktstudie aus dem Jahr 2017, da zu diesem Zeitpunkt erstmalig Mikrostudios separat ausgewertet werden. Im Leistungsspektrum der Mikrobetriebe zeichnet sich bereits in 2017 eine andere Entwicklung der WB-EMS ab (vgl. Abb. 1). 2017 führen 16,1 % der Einzel- und 17,8 % der Kettenbetriebe WB-EMS als Angebot. Deutlich höher ist der Anteil der Mikrobetriebe, die WB-EMS als Trainingsmöglichkeit anbieten. Mit einem Anteil von 44,6 % stellt WB-EMS nach Personal Training das zweitstärkste Angebot bei den Mikrobetrieben dar.


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Abb. 1: Anteil der Fitnessunternehmen mit WB -EMS-Angebot im Jahr 2017 (DSSV, 2017, S. 34)

Auch die Befragung zu zukünftig geplanten Investitionen bestätigt die stärkere Marktdurchdringung der WB-EMS bei den Mikrobetrieben. 2017 geben lediglich 20,0 % der Einzelund 7,6 % der Kettenbetriebe an, Investitionen in WB-EMS zu planen. Dahingegen planen 63,3 % der Mikrobetriebe, zukünftig in die WB-EMS-Technologie zu investieren (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Anteil der Fitnessunternehmen, die zukünftig Investitionen in WB -EMS planen (DSSV, 2017, S. 72)

Die Markstudie aus dem Jahr 2018 zeigt bei den Einzel- und Kettenbetrieben eine leicht rückläufige Entwicklung. 2018 führen nur noch 12,3 % (- 3,8 %) der Einzel- und 11,4 % (- 6,4 %) der Kettenbetriebe WB-EMS in ihrem Leistungsbereich. Bei den Mikrobetrieben zeigt sich eine


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diametrale Entwicklung (vgl. Abb. 3). Mit 47,8 % (+ 3,2 %) ist der Anteil der Mikrobetriebe mit WBEMS-Angebot gegenüber dem Vorjahr leicht angestiegen. Neben Personaltraining stellt WB-EMS nach wie vor den zweitstärksten Angebotsbereich dar.

Abb. 3: Anteil der Fitnessunternehmen mit WB -EMS-Angebot im Jahr 2018 (DSSV, 2018, S. 34)

Die Befragung zu den zukünftig geplanten Investitionen zeigt bei den Einzel- (23,5 %) und Kettenbetrieben (9,2 %) im Vergleich zum Vorjahr eine geringfügig höhere Investitionsbereitschaft (vgl. Abb. 4). Bei den Mikrobetrieben zeigt sich 2018 mit 79,0 % eine gegenüber dem Vorjahr nochmals deutlich angestiegene Bereitschaft zur Investition in die WB-EMS-Technologie.

Abb. 4: Anteil der Fitnessunternehmen, die zukünftig Investitionen in WB-EMS planen (DSSV, 2018, S. 70)


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Im Jahr 2019 zeigt die Marktstudie zur Verbreitung der WB-EMS vergleichbare Daten zum Vorjahr (vgl. Abb. 5). Mit 9,4 % (- 2,9 %) ist der Anteil der Einzelbetriebe mit WB-EMS-Angebot leicht rückläufig. Bei den Kettenbetrieben ist der Anteil der WB-EMS-Anbieter mit 13,5 % (+ 2,1 %) im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen. Erneut angestiegen ist der Anteil der WB-EMS-Anbieter bei den Mikrobetrieben. 53,7 % (+ 5,9 %) der befragten Mikrobetriebe führen WB-EMS in ihrem Leistungsbereich.

Abb. 5: Anteil der Fitnessunternehmen mit WB -EMS-Angebot im Jahr 2019 (DSSV, 2019, S. 33)

Um nicht nur die Investitionsbereitschaft (geplante Investitionen), sondern die tatsächlich getätigten Investitionen zu erheben, wird die Befragung ab 2019 um ein weiteres Item ergänzt. Abgefragt wird nun der Anteil der Unternehmen, die im Vorjahr in die WB-EMS investiert haben. 17,5 % der Einzel- und lediglich 2,3 % der Kettenbetriebe geben 2019 an, im Vorjahr in WB-EMS investiert zu haben (vgl. Abb. 6). Damit ist der Anteil der Einzel- und Kettenbetriebe, die im Jahr 2018 tatsächlich in WB-EMS investiert haben, geringer als der Anteil der Betriebe, die bei der Datenerhebung 2018 geplante Investitionen in WB-EMS prognostisch angegeben haben (vgl. Abb. 4). Bei den Mikrobetrieben zeigt sich erneut eine diametrale Entwicklung. Während 2018 insgesamt 79,0 % der Mikrobetriebe Investitionen in WB-EMS planen, zeigt die Datenerhebung im Jahr 2019, dass der Anteil der Mikrobetriebe, die im Vorjahr tatsächlich in WB-EMS investiert haben, mit 85,2 % sogar noch höher liegt.


74

Abb. 6: Anteil der Fitnessunternehmen, die im Vorjahr in WB-EMS investiert haben (DSSV, 2019, S. 66)

Die Daten aus der aktuellen Marktstudie im Jahr 2020 zeigen erneut eine tendenziell rückläufige Entwicklung des WB-EMS-Angebots bei Einzel- und Kettenbetrieben (vgl. Abb. 7). Nur noch 8,5 % (- 0,9 %) der Einzel- und 11,5 % (- 2,0 %) der Kettenbetriebe führen WB-EMS als zusätzliches Trainingsangebot. Die klassischen Trainingsangebote sind im Leistungsspektrum der Einzel- und Kettenbetriebe deutlich präsenter. Gerätegestütztes Krafttraining bieten z. B. 91,5 % der Einzelund 99,3 % der Kettenbetriebe an (DSSV, 2020, S. 36). Ein gerätegestütztes Ausdauertraining bieten 85,0 % der Einzel- und 95,8 % der Kettenbetriebe an (ebd.). Die Abb. 7 verdeutlicht, dass WB-EMS auch innerhalb der Zusatzangebote im Vergleich zu Functional Training, Zirkeltraining, Personaltraining oder speziellen Kursangeboten (z. B. Yoga) eine untergeordnete Rolle spielt. Ein diametrales Bild zeigt sich erneut bei den Mikrobetrieben. Mit 54,9 % (+ 1,2 %) ist der Anteil der Mikrobetriebe mit WB-EMS-Angebot im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegen. Der Anteil der Mikrobetriebe mit klassischen Trainingsangeboten ist deutlich geringer. Lediglich 27,7 % der Mikrobetriebe bieten ein gerätegestütztes Kraft- und 37,0 % ein gerätegestütztes Ausdauertraining an (DSSV, 2020, S. 36). Bei den Zusatzangeboten stellt WB-EMS nach Personal Training nach wie vor das zweitstärkste Angebot dar (vgl. Abb. 7).


75

Abb. 7: Anteil der Fitnessunternehmen mit WB-EMS-Angebot im Jahr 2020 (DSSV, 2020, S. 37)

2020 geben 14,3 % der Einzelbetriebe an, im Vorjahr in WB-EMS investiert zu haben. Bei den Kettenbetrieben zeigt die aktuelle Marktstudie, dass im Vorjahr bei den befragten Unternehmen gar keine Investitionen in den Leistungsbereich WB-EMS getätigt wurden. Demgegenüber stehen 83,7 % der Mikrobetriebe, die im Vorjahr in WB-EMS-Technologie investiert haben (vgl. Abb. 8).

Abb. 8: Anteil der Fitnessunternehmen, die im Vorjahr in WB-EMS investiert haben (DSSV, 2020, S. 70)

Aufgrund der anhaltenden Marktdurchdringung der WB-EMS bei den Mikrobetrieben lohnt sich ein Vergleich der Unternehmen, die ausschließlich WB-EMS anbieten, zum Gesamtmarkt (vgl. Tab. 3). 1.334 der insgesamt 9.669 Fitnessstudios sind reine WB-EMS-Studios (insgesamt 129 mehr als im Vorjahr). Das entspricht 13,8 % des Gesamtmarktes. Die Ausstattung dieser auf WB-EMS fokussierten Mikrobetriebe umfasst durchschnittlich ein bis zwei WB-EMS-Geräte (DSSV, 2020, S. 53). Mit durchschnittlich 108 m2 weisen diese Betriebe eine vergleichsweise geringe


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Gesamtfläche auf. Charakteristisch für diese Studios ist zudem Betreuungskonzept mit maximal zwei Trainierenden pro Trainer (ebd.).

das engmaschige

Der durchschnittliche Nettoumsatz eines WB-EMS-Mikrostudios beträgt im Betrachtungszeitraum rund 135.000 Euro pro Jahr, was einem Gesamtumsatz der WB-EMS-Mikrostudios von rund 180 Millionen Euro im Jahr entspricht. Dieser Umsatz setzt sich aus einem durchschnittlichen Bruttobeitrag von 91,20 Euro pro Monat sowie einem Zusatzbeitrag von 15,8 % zusammen. Der Zusatzbeitrag ergibt sich primär aus dem Verkauf von Trainingsbekleidung (ebd.). Tab. 3: EMS-Segment im Vergleich zum Gesamtmarkt (modifiziert nach DSSV, 2020, S. 53) Gesamtmarkt

davon reine EMS-Studios

Anzahl Studios

9.669

1.334

Mitglieder in Mio.

11,66

0,17

Ø Mitglieder pro Studio

1.206

131

Umsatz in Mrd. EUR (netto)

5,51

0,18

Ø Umsatz pro Studio in Tsd. Euro (netto)

570

135

42,59

91,20

9,5

15,8

1.223

108

Ø Mitgliedsbeitrag pro Monat in EUR (brutto) Ø Zusatzbeitrag in % Ø Fläche in m

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Fazit und Schlussfolgerungen Die ab 2015 vorliegenden Daten zeigen, dass WB-EMS in Einzel- und Kettenbetrieben im Vergleich zu den klassischen Leistungsbereichen (gerätegestütztes Kraft- und Ausdauertraining) eine weniger bedeutende Rolle spielt. Die Daten der letzten sechs Jahre zur Verbreitung der WB-EMS als Zusatzangebot bei den Einzel- und Kettenbetrieben lässt die Schlussfolgerung zu, dass der WBEMS-Markt bei diesen Fitnessanbietern weitgehend gesättigt ist und auch zukünftig nur geringfügig variieren wird. Mit einer deutlichen Marktausbreitung der WB-EMS bei Einzel- und Kettenbetrieben ist aufgrund der Entwicklung der letzten sechs Jahre zurzeit nicht zu rechnen. Diametral dazu stellt sich die Marktentwicklung der WB-EMS bei Mikrobetrieben dar. Seit einer ersten differenzierten Marktanalyse bei den Mikrobetrieben im Jahr 2017 kann ein kontinuierlich ansteigender Anteil der WB-EMS als Leistungsbereich in diesem Marktsegment beobachtet werden. In Anbetracht der Zahlen zu den geplanten und tatsächlich getätigten Investitionen, darf davon ausgegangen werden, dass der WB-EMS-Markt auf der Ebene der Mikrobetriebe auch weiterhin expandieren wird.

In diesem Kontext hat sich das Geschäftsmodell der Mikrobetriebe mit Fokussierung auf WB-EMS bewährt (Mikrobetriebe, die ausschließlich WB-EMS anbieten). Diese auch als „Boutique-Studios“ oder „Special Interest Studios“ bezeichneten Mikrobetriebe sind charakterisiert durch eine vergleichsweise geringe Gesamtfläche (einhergehend mit geringen Miet- und Nebenkosten) und ein Betreuungskonzept, welches ein WB-EMS-Training nur mit vorheriger Terminabsprache und einer Betreuungsdichte (Relation Trainer zu Trainierenden) von 1:1 oder maximal 1:2 vorsieht. Das Preisniveau der WB-EMS-Mikrobetriebe ist im Vergleich zum Gesamtmarkt deutlich höher. Die


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Kunden sind offensichtlich bereit, für die Nutzung der WB-EMS-Technologie und die permanente Trainingsbetreuung entsprechend höhere Gebühren zu zahlen. Aus der Marktentwicklung der auf WB-EMS fokussierten Mikrobetriebe kann an dieser Stelle ein Marktpotenzial für eine „medizinische EMS“ abgeleitet werden. In Anbetracht der zunehmenden Prävalenz orthopädischer Entitäten – insbesondere der unspezifischen Kreuzschmerzen (vgl. BÄK, 2017) – kann geschlussfolgert werden, dass die Nachfrage nach effektiven und effizienten sekundär- und tertiärpräventiven Interventionsmaßnahmen weiter zunehmen wird. Die Kombination aus einer engmaschigen Betreuung durch medizinisch-therapeutisch geschultes Personal und WB-EMS als nachweislich effektive Interventionsmaßnahme bei unspezifischem Kreuzschmerz (vgl. Kemmler et al., 2018; Weissenfels et al., 2018, 2019) eröffnet insbesondere Physiotherapiepraxen mit angegliedertem Trainingsangebot auf Selbstzahlerbasis ein neue Perspektive. Die Marktentwicklung der auf WB-EMS spezialisierten Mikrobetriebe zeigt, dass auch mit geringen räumlichen Ressourcen bei entsprechender Zielgruppenansprache und einem qualitativ hochwertigen Betreuungsangebot ein erfolgreiches Geschäftsmodell entstehen kann. Literatur Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hrsg.) (2017). Nationale Versorgungsleitline Kreuzschmerz – Langfassung (2. Aufl., Version 1). DSSV – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (2015). Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft 2015. Hamburg: DSSV. DSSV – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (2016). Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft 2016. Hamburg: DSSV. DSSV – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (2017). Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft 2017. Hamburg: DSSV. DSSV – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (2018). Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft 2018. Hamburg: DSSV. DSSV – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (2019). Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft 2019. Hamburg: DSSV. DSSV – Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (2020). Eckdaten der deutschen Fitness-Wirtschaft 2020. Hamburg: DSSV. Kemmler, W., Weissenfels, A., Willert, S., Shojaa, M., von Stengel, S., Filipovic, A., et al. (2018). Efficacy and safety of low frequency Whole-Body Electromyostimulation (WB-EMS) to improve health-related outcomes in non-athletic adults. A systematic review. Front Physiol 9:573., doi: 10.3389/fphys.2018.0057. Weissenfels, A., Teschler, M., Willert, S., Hettchen, M., Fröhlich, M., Kleinöder, H., et al. (2018). Effects of whole-body electromyostimulation on chronic nonspecific low back pain in adults: a randomized controlled study. J Pain Res 11, 1949-1957. Weissenfels, A., Wirtz, N., Dormann, U., Kleinöder, H., Donath, L., Kohl, M., et al. (2019). Comparison of Whole-Body Electromyostimulation versus Recognized Back-Strengthening Exercise Training on Chronic Nonspecific Low Back Pain: A Randomized Controlled Study. Biomed Res Int 2019, 5745409.


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