Summa Summarum - Caroline Ruegge - Vorlagekatalog Mai 2021

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Ausgrabungen


“Quidquid sub terra est, in apricum proferet aetas” Was auch immer unter der Erde verborgen ist, die Zeit wird es an den Tag bringen.

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Die Umbauarbeiten der Fleischhauerstraße und die damit verbundenen Ausgrabungen inspirierten zu dieser außergewöhnlichen Ausstellung, in der es für die Besucher nicht einfach sein wird, zwischen Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden. Der Fund und die Geschichte des byzantinischen Frauenkopfs auf Seite 10 ist nämlich die einzige wahre Begebenheit dieses Kapitels. Geheimnisvolle Steinfiguren, königliche Gefäße und knochige Schmuckstücke – Ausgrabungen seltenster Art werden von Caroline Rügge ausgestellt. Nun gilt es das Geheimnis der archäologischen Funde zu lüften. Doris Mührenberg, Archäologin der Hansestadt Lübeck führt in die Ausstellung ein.

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Einleitung “Sammeln kann man vieles, Sammlerleidenschaft zieht sich von Teddybärensammlungen über Sammlungen aus Zuckerstückchen, aus Bananen oder aber Briefmarken. Bei Sammlungen denkt man aber auch an die Museen mit ihren Kunstgegenständen oder Gemäldesammlungen und unter diesen Sammlungen gibt es dann auch diejenigen, die bedeutende archäologische, dem Boden und dem Dunkel der Geschichte entrissene Funde vereinen. Für die Archäologie, die von den Ergebnissen ihrer Ausgrabungen lebt, kann das Motto gelten: “Quidquid sub terra est, in apricum proferet aetas.“ Was auch immer unter der Erde verborgen ist, die Zeit wird es wieder an den Tag - besser an das Sonnenlicht - bringen. Und das ist das richtige Motto für heute, denn hier geht es um Ausgrabungen, darum, dass etwas an das Tageslicht gebracht worden ist, und diese verschiedenen Fundstücke, die sich Ihnen hier präsentieren, haben alle ihre eigene Geschichte. Nehmen wir zunächst die Skulptur, die Ihnen zu Beginn der Ausstellung begegnet ist. Ein byzantinischer Frauenkopf, und frau will sich schmücken, egal aus welcher Zeit sie stammt. (...) Die Bronzezeit war ein Zeitalter, in dem die Menschen durch einen Klimaumschwung unter der wärmenden Sonne hier in Europa förmlich aufblühten und ihre Wirtschaft, Kunst, Kultur und Wissenschaft ein Boomphase erlebten.

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Aber zurück nach Lübeck: Es gibt Frauen, die haben ein untrügliches Gespür für Besonderheiten. Es wird in unserem Lande erzählt, dass es magische Orte gibt, an den früher, begleitet von festlichen Ritualen, von Liebespaaren Ringe vergraben wurden. Es war die Erde, Mutter Erde, welche die Ringe barg, der die Ringe zum Schutz übergeben, geopfert wurden. Mal war es eine Feuerstelle oder die Abbruchkante einer Klippe, mal schwerer Lehm oder mal der Waldboden - insgesamt sollen bis jetzt 9 Plätze dieser Ringopferungen in Schleswig-Holstein bekannt sein. Und wer fand gerade diese Orte? Natürlich unsere Künstlerin! (...) Gut beschlagen müssen die Wissenschaftler zuweilen auch in der archäologischen Forschung sein, denn es gibt so manche Besonderheiten, die sich den Archäologen nicht auf den ersten Blick offenbaren. So fanden sich in Skandinavien, vor allem auf der Insel Bornholm, mehrere Tausende kleine Goldplättchen, die, weil sie häufig Gestalten zeigten, von den dänischen Kollegen Guldgubberne genannt wurden: Goldgreise. Diese haben indirekt etwas mit der Hansestadt tun, denn der erste, der diese Guldgubberne beschrieb und wissenschaftlich versuchte zu deuten, weil er selbst einige in der Sammlung hatte, war der Lübecker Jacob von Melle, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts Hauptpastor an St. Marien war. Aber es gibt noch einen weiteren Bezug nach Lübeck, denn was fand sich hier auf dem Grundstück der Fleischhauerstraße 63, was fatal an die Guldgubberne erinnert? Kleine Goldfischchen. Diese haben hier eine andere Bewandtnis, sie erinnern womöglich an einen hier vor langer Zeit ansässigen Goldschmied. Und damit schlösse sich


der Kreis - denn es arbeitet auf diesem Grundstück wiederum eine Goldschmiedin, die in ihrem Garten Goldfische hält. Dieses Grundstück befindet sich in der Fleischhauerstraße. Es ist eine der ältesten Straßen Lübecks, am östlichen Ende liegt seit des 12. Jahrhunderts das Johanniskloster, schreiten wir den Stadthügel hinauf und dann wieder im Westen hinunter, dann befinden wir uns an der Keimzelle der Stadt, dem früheren Hafen an der Trave. Den Namen hat die Straße von den Fleischhauern, die im Mittelalter viele Häuser in dieser Straße besaßen, und außerdem standen unten in der Straße auf Pfählen in die Wakenitz gebaut, die Küterhäuser, in denen das Vieh geschlachtet wurde. Dann wurde es auf den Schrangen transportiert, durch die Fleischhauerstraße. Auf dem Schrangen wurde das Fleisch en Detail verkauft, und schon sind wir wieder bei unseren Sammlungen. Hier haben wir zum Gedenken an die geschlachteten Tiere die Knochen des Rindes. Aber auch die Fleischhauer hatten in ihrer Zunft wie alle Handwerker ihre Rituale und das können wir erschließen aus der Knochendose: Womöglich gab es das Ritual, dass alljährlich in diese Dose ein jeder Knochenhauer eine kleine Goldkugel spendete, denn auch sie verdienten ihr Geld mit kostbarem Material. Durch diesen Brauch versprach man sich reichlich Nachwuchs im Rinderwesen. Und wenn wir uns dem Schrein zuwenden, dem Reliquienschrein, und ihn öffnen, dann sehen wir auf den ersten Blick eine recht profane Reliquie, ein Stück klassizistischen Stucks in den Mittelpunkt gestellt und angeordnet unter ästhetischen Gesichtspunkten. Bedeutet dieses die Anbetung

der Vergangenheit oder bedeutet dieses, dass der Blick für das Wesentliche - für die Gegenwart - tatsächlich in unserer Stadt zuweilen zu kurz kommt? Dazu möge sich jeder seine eigenen Gedanken machen - doch zumindest zeigt uns dieses Stück Stuck etwas: Es scheint ein Pfeil darauf verewigt zu sein, dieser Pfeil zeigt nach unten, in den Boden, in das Erdreich, das Geheimnisvolles birgt. (...) Kehren wir nun zum Schluss noch einmal vom Goldfund in die Fleischhauerstraße zurück und wenden uns einem besonders großen Fundstück zu, das wegen seiner Größe auch auf dem Hof liegt. Es ist ein Stück einer alten Wasserleitung, ebenfalls dem Erdreich der Fleischhauerstraße entrissen und beim Betrachten fällt einem vielleicht das geflügelte Wort von Heraklit ein: “PANTA RHEI” - alles fließt, alles ist im Fluss, das mittelalterliche Wasser fließt durch hölzerne Röhren in die Häuser der Brauer, die Zeit fließt, aus der Vergangenheit wird Gegenwart, die wiederum in die Zukunft einfließt und sie zur Gegenwart macht, und Mythos und Realität, Dichtung und Wahrheit, fließen eng nebeneinander her, vermischen sich mal weniger, mal mehr - vor allem an einem Tag wie heute. “

Auszüge aus der Ansprache der Lübecker Archäologin Doris Mührenberg, 17. 03 . 2003

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Byzantinischer Frauenkopf, gefunden im hinteren Abschnitt des Gartens in der Fleischhauerstraße 63.

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In fernen Zeiten waren die Menschen noch deutlich naturbezogener: Ein Liebespaar, welches sich entschieden hatte sich einander zu versprechen, besiegelten dies mit edlen Ringen aus Silber oder Gold - wie auch heute noch üblich ist. Damals jedoch wurden jene Ringe ehrfurchtsvoll der Mutter Erde geopfert. In der näheren Umgebung wurde ein schönes Fleckchen Erde ausgesucht und begleitet mit festlichen Ritualen wurden die Ringe dann eingegraben. Selbst bei verpönten Trennungen überließ man sie der Erde. Bisher wurden neun Plätze ausfindig gemacht.

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Skizze Fundstelle 12/-21-HL

Grabhügel hintere Fleischhauerstraße 63

Querschnitt 3 Grabkammern A Knochenkammer B Keramikkammer C Metallkammer

Gefäß Silber-Gold: Der Tümmler wurde hochgestellten Persönlichkeiten - etwa einem Richter o.ä. dargeboten. Nach jeder 14


Urteilsverkündung durfte dieser etwa einen halben Liter Rotspornica trinken, um seine Nerven oder gar das schlechte Gewissen zu beruhigen. 15


Auf dem Grundstück der Fleischhauerstraße hat man bei der Aushebung der Grabstelle sehr viele, bis auf ihre Essenz (pures Gold) getrocknete Fische gefunden. Es liegt nahe, dass es sich hierbei im Ursprung um Goldfische handelt (Carassius auratus). Dort, wo sich Goldfische befinden, lassen sich auch gerne Goldschmiede nieder, denn sie können die getrockneten 16

Fische hervorragend verarbeiten. Ein glücklicher Umstand bestand unter anderem darin, dass sich bei der Transformation der unangenehme Fischgeruch verflüchtigte. Dass sich Geschichte immer wiederholt, kann man daran erkennen, dass sich die heute ansässige Goldschmiedin eine Unmenge an Goldfischen hält.


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Bevor das Metall bekannt wurde, behalf man sich mit Keramikringen - häufig Überbleibsel heruntergefallener Krüge. Doch mit der Entdeckung des Metalls konnten schon bald die Formen verfeinert und weiterentwickelt werden.

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Goldring mit kostbarer Beinschnitzerei: Dieser massive, sehr wertvolle Ring war nur dem weisesten Oberhaupt der Stadt zugedacht. Er wurde von Generation zu Generation weitervererbt und konnte niemals in persönlichen Besitz übergehen. Vermutlich besteht diese Schnitzerei gar aus selten vorkommenden Mammutelfenbein.

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Knochendose (mit Silber und Pâte de Verre): Auch früher hat es schon eine Art von Verbindungen der Knochenhauer gegeben heute würde man Zunft oder Innung sagen. Jährlich gab es eine Versammlung, in der die Knochenhauer aufgefordert wurden, eine Goldkugel in die Dose zu spenden. Man versprach sich davon eine ordentlich kalbende Kuh und einen begattungsfreudigen Bullen. Später kam man dann von dem Brauch ab – man hielt ihn für Aberglauben.


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Im Schrein selbst befindet sich ein profanes Artefakt, vermutlich ein Teil aus einem Stuck, welches unter Berücksichtigung rein ästhetischer Gesichtspunkte in den Mittelpunkt gestellt wurde. Diese Aussage hat ihre


Gültigkeit auch heute nicht verloren, schon gar nicht in dieser Region und dieser Stadt- nämlich die Anbetung der Vergangenheit. Dabei scheint der Blick für das Wesentliche (die Gegenwart) manchmal abhandengekommen zu sein. 25


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Gefäße


Olivenölkannen 925er Silber

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Olivenspieße 925er Silber und Feingold



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Teedosen 925er Silber Japanischer Genmaisha

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Milch und Zucker 925er Silber und Bernstein


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Milch und Zucker 925er Silber und Erlenzweige 37


Rosenkanne 925er Silber, Koralle, Pâte de verre und Rosenzweig


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Weinkaraffen 925er Silber und Feingold


Milch und Zucker Serviettenring 925er Silber, Feingold und Pâte de verre

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Collier 900er Gold und Pâte de verre

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Korallenkanne, Serviettenringe, Milch und Zucker 925er Silber und Koralle

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