Fliegendes npz 03 2014 final

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WIRTSCHAFT

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Ein kühnes Projekt aus slowakischen Köpfen an der Schwelle zur Kommerzialisierung

Štefan Klein und die Flügel der Freiheit Seit 20 Jahren tüftelt der slowakische Ingenieur und Designer Štefan Klein an einem fliegenden Auto. Mit einem funktionstüchtigen Prototypen hat er 2013 Aufsehen erregt. Nun steuert er das Projekt mit seinem Finanzpartner Juraj Vaculík auf die Kommerzialisierung zu. Text: Rudolf Hermann, Fotos: Aeromobil (Der Autor ist Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“)

Mit der Aktentasche in der Hand verlässt Štefan Klein seine Wohnung in Bratislava und geht in die Garage. Er steigt in sein Auto, einen sportlich-eleganten Zweisitzer, und macht sich auf zu einem Geschäftstermin in München. Als er die Stadtgrenze hinter sich gelassen hat, biegt er von der Autobahn ab auf einen Rastplatz und rollt von dort auf eine kleine Graspiste. Er hält kurz an, und wie von Geisterhand bewegt verwandelt sich sein Auto in ein Kleinflugzeug. Metallplatten, von denen man annahm, sie seien eine Art Dach des Gefährts, klappen zu Flügeln aus. Der Propeller am Heck beginnt zu röhren. Das Vehikel flitzt über die Piste, und bei einer Geschwindigkeit von etwa 130 Kilometern pro Stunde hebt es ab. Rund zwei Stunden später setzt Klein am Rand von München auf einer ähnlichen Piste auf,

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zieht die Flügel ein und fährt in die Stadt, wo er sein wieder zum Auto gewordenes Flugzeug auf einem normalen Parkplatz abstellt. Ein alter Traum Diese Szene ist zwar noch Zukunftsmusik. Doch die Zukunft, die sie beschreibt, ist nicht mehr allzu fern – das jedenfalls sagt Štefan Klein. Träumte schon Henry Ford von einem fliegenden Auto, so gibt es aus Kleins Design-Werkstatt inzwischen einen funktionstüchtigen Prototypen; das Resultat von über 20 Jahren Tüfteln. Auf einer Fachmesse in Montreal fand im September des letzten Jahres die Lufttaufe vor Publikum statt. Das erregte nicht nur Aufsehen, sondern auch das Interesse namhafter Spieler der Branche bis hin zur Nasa.

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Die Lust und Sehnsucht, Grenzen zu überwinden, auch wenn sie zunächst unüberwindlich scheinen, zieht sich wie ein roter Faden durch Kleins Leben. In eine Fliegerfamilie geboren, wollte er eigentlich Bildhauer werden. Er studierte dann allerdings Maschinenbau. Von dort gelangte er zum Design, und damit in gewisser Weise zurück zur Bildhauerei, wenn auch mit anderen Mitteln. Zu einem Schlüsselerlebnis wurde, lange vor der Wende, eine seiner ersten Arbeitsstellen mit Blick auf die Donau. Dort nämlich hatte er den so nahen und doch unerreichbar weit entfernten Westen im unmittelbaren Blickfeld. Als Hobbypilot wusste er, dass sofort Jagdflieger aufsteigen würden, wenn er mit dem Kleinflugzeug seines Aeroklubs der scharf bewachten Staatsgrenze zu nahe käme.

Vielleicht deshalb sucht er mit dem Projekt des „Aeromobils“, wie seine Kreation heißt, heute eine Grenze anderer Art zu überwinden, von der er sich herausgefordert fühlt. Einer, der für solchen Freiheitsdrang jedes Verständnis hat, ist Juraj Vaculík. Vaculík stand 1989, als der Eiserne Vorhang fiel, an vorderster Front mit dabei in der Studenten- und Bürgerbewegung, die das kommunistische Regime ins Wanken brachte. Heute ist er Inhaber einer bekannten und florierenden PR-Agentur und der Financier von Štefan Kleins Traum. Die Wende habe ihnen beiden auf ihre Weise Flügel verliehen, sagen die zwei Geschäftspartner. Deshalb scheint es nur logisch, dass sie sich schließlich bei einem Projekt gefunden haben, das diesen bildlichen Ausdruck sogar konkret materialisiert.

Keine billige Sache Szenenwechsel. In einer Werkstatt bei Nitra, wo Klein an seiner Entwicklung arbeitet, ist die nächste Prototyp-Version des „Aeromobils“ kurz vor der Enthüllung. „Der Prototyp 3 wird ziemlich genau dem Modell entsprechen, das wir vielleicht schon relativ bald kommerziell anbieten können“, sagt Klein. „Doch natürlich wird es noch Veränderungen geben, die mit legislativen und regulatorischen Vorgaben zusammenhängen. Mit der Version 3 können wir aber alle relevanten Zertifizierungen und Zulassungen für eine Kommerzialisierung angehen.“ Man ahnt es, billig ist das alles nicht. Wie viel er in den gut drei Jahren ihrer Zusammenarbeit bereits investiert habe, will Kleins Geschäftspartner Vaculík allerdings nicht preisgeben. „Ein paar hun-

derttausend Euro“, meint er lächelnd. Das allerdings wird untertrieben sein. Für den Weg des fliegenden Autos vom Reißbrett zu einem funktionstüchtigen Prototypen dürfte eine solche Summe kaum gereicht haben. „Die Idee Kleins hat mich unmittelbar angesprochen“, sagt Vaculík zu seinem Engagement. „Allerdings: hätte ich damals von der Komplexität des Vorhabens so viel gewusst, wie ich heute weiß, wäre ich vielleicht vorsichtiger gewesen. Doch in meinem Wesen bin ich ein Visionär und grundsätzlich der Meinung, dass es die großen Ideen sind, die uns voranbringen.“ High Tech aus Mitteleuropa Komplex ist das Projekt in der Tat. Straßen- und Luftverkehr sind zwei stark regulierte Bereiche, und wenn man sie noch

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Nähere Informationen, weitere Fotos und ein wirklich sehenswertes Video des fliegenden Autos in Aktion:

www.aeromobil.com

zu verbinden sucht, macht das die Sache nicht einfacher. Doch Vaculík nimmt sein Mobiltelefon in die Hand, schwenkt es demonstrativ und meint, vor zwei Jahrzehnten habe noch niemand den Grad der Vernetzung der Informationstechnologien ahnen können, der heute für alle selbstverständlich sei. Er sei überzeugt, dass beim Individualverkehr ebenso gewaltige Veränderungen auf die Menschheit zukämen. Chancen für das „Aeromobil“ sehen die zwei Protagonisten des Projekts zuerst in Gebieten mit einheitlichem Luftraum und zentral gestaltetem regulatorischem Rahmen. Also primär in großen Staaten wie etwa den USA, Kanada, Australien, Russland, China oder Brasilien, allenfalls auch in integrierten supranationalen Gebilden wie dem

Schengenraum. Auf erste Kunden hoffen sie bereits in etwa zwei Jahren. Das seien einerseits wohl Leute, die das nötige Kleingeld für ein solches Gerät mitbrächten und einen gewissen Spieltrieb hätten, andrerseits vielleicht aber tatsächlich schon solche, denen die Kombination von Straßen- und Luftverkehr Effizienzgewinne bringe. Kleins Aeromobil ist laut seinem Erfinder derzeit das einzige europäische Projekt für ein Auto mit Flügeln. Ein weiteres, ebenfalls bereits experimentell getestetes Flugauto gibt es jedoch in den USA. Und in den Niederlanden arbeitet ein Team an einem Modell eines Straße-Luft-Hybrids auf Helikopterbasis, das sich in einem ähnlichen Entwicklungsstadium befindet wie das slowakische Projekt.

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Stolz ist Klein dabei auf die Innovationskraft und das technische Niveau des mitteleuropäischen Raums, was weiter westlich oft verkannt werde. Tatsächlich haftet Ländern wie der Slowakei, Tschechien oder Ungarn bisweilen noch der Ruf an, so etwas wie eine lohngünstige verlängerte Werkbank globaler High-Tech-Unternehmen zu sein. Deshalb freut es Klein und Vaculík ganz besonders, mit ihrem Projekt zeigen zu können, dass die Region auch graue Zellen zu bieten habe. Alle entscheidenden Komponenten für das Aeromobil beziehe man von Zulieferern im Umkreis von 200 Km. Was hingegen laut Vaculík schmerzlich fehlt, ist eine funktionierende Schnittstelle zwischen angewandter Forschung und Risikokapitalgebern. Beim Aeromobil spielt er diese Rolle deshalb vorläufig selbst. Das Projekt hat ihn dabei so gepackt, dass er eine günstige Möglichkeit zu einem Verkauf bisher jedes Mal ausschlug. Breitere Finanzbasis nötig Für die Schritte hin zur Kommerzialisierung ist man nun allerdings auf der Suche nach strategischen Investoren. Denn laut Vaculík belaufen sich die Finanzierungsanforderungen auf Dutzende Millionen Euro. Ernsthafte Interessenten sind offenbar vorhanden, doch mehr als diese Andeutung ist von Vaculík nicht zu erfahren. Sein Partner Klein fügt bei, er sei vor noch nicht allzu langer Zeit von Brancheninsidern als hoffnungsloser Phantast belächelt worden; inzwischen sei das aber nicht mehr so. Nun kämen manchmal die gleichen Leute, um sich nach der Möglichkeit einer Beteiligung zu erkundigen.

Frische Luft in der Stará tržnica Am sonnigen Samstag den 15. Februar haben sich die Bratislavaer zum vierten Mal zum TRH-PIAC-MARKT im historischen Gebäude der Stará Tržnica (Alte Markthalle) eingefunden. „Der Name des Marktes knűpft an die Tradition an und beinhaltet das Wort der Markt in den drei Sprachen Slowakisch, Ungarisch und Deutsch. Deren fließendes Beherrschen war vor Jahren im mehrsprachigen alten Pressburg, dem heutigen Bratislava, tatsächlich eine Selbstverständlichkeit. Auch bei der Auswahl der Marktleute suchen wir in erster Reihe nach lokalen Kleinproduzenten aus der Umgebung von Bratislava. Aber diese Umgebung ist nicht nur die Slowakei, sondern auch Österreich und Ungarn. Dieses enge Zusammenleben von drei Ländern wollten wir auch in der Bennenung ausdrücken“, sagt Denisa Chylová von der Aliancia Stará tržnica, die das Wiederbeleben der Alten Markthalle seit dem vergangenen Jahr organisiert. Text und Fotos: Katarína Šujanová

Der Markt in der Stará tržnica bietet saisonabhängige Lebensmittel an, die in der Umgebung von Bratislava angebaut und hergestellt wurden. Hier können die Besucher im Herzen der Innenstadt endlich zur jeweiligen Saison passendes und frisches Obst und Gemüse kaufen, sowie Fleisch und Milchprodukte. Auch Gebäck und Süßwaren sowie allerhand Delikatessen und Getränke werden angeboten. Zwischen 10 und 15 Uhr besuchten an diesem Februar-Samstag mehr als 2 000 Menschen die Stará tržnica. Auf dem Markt treffen sich alle Generationen bei gutem Essen, einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wein. Ganze Familien, Freunde, aber auch einfach Konsumenten, die die Qualität von Kleinproduzenten suchen.

Im ersten Stock öffnen fűr einen Tag lang zwei Cafés, von denen man den ganzen Markt direkt im Blick hat. Auch auf die Kinder wird nicht vergessen. Fűr sie war ein abgetrennter Raum voller Farben vorbereitet, wo sie malen und auf eine große Tafel zeichnen konnten. Am Tag des Marktes ist immer auch das kleine Geschäft „Paráda“ geöffnet, das das Motto „Ihre alten Sachen, unser neues Dach“ trägt. „Die Menschen bringen uns umsonst Sachen, die sie nicht mehr brauchen, und wir verkaufen sie dann fűr einen symbolischen Preis. Von dem Erlös wollen wir das Dach der Alten Markthalle reparieren,“ erklärt Paja Počajová, eine der Freiwillige von der Aliancia Stará tržnica, die in Paráda kos-

tenlos arbeitet. „In dem Geschäft finden Sie alles – ein Fahrrad, alte Schallplatten, Keramik, Spielzeuge, Möbelstűcke und vieles andere. Alle sind zufrieden – die, die alten Sachen loswerden, aber auch die neuen Besitzer, die die alten Schätze neu entdecken. Und der Erlös dient einem guten Zweck,“ ergänzt sie. Ab Mai 2014 findet TRH-PIAC-MARKT jeden Samstag statt. Bis dahin nur an einem Samstag pro Monat, das nächste Mal am 15. März.

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