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Die Grenze im Rückspiegel Wo einst Kilometer langer Stacheldraht stand, ist heute Schengenraum. Doch mit dem Eisernen Vorhang fielen keineswegs alle Barrieren. Das Projekt BRAWISIMO nimmt die slowakisch-österreichische Grenzregion genauer unter die Lupe. Text und Fotos: Katrin Litschko, Grafiken: STU
Seit der Wende hat sich das Verkehrsaufkommen in der Region erhöht. Die Slowakei ist Mitglied der Europäischen Union und Teil des Schengenraumes. Seit 2011 können die Slowaken ohne Einschränkungen in Österreich arbeiten. Durch die veränderten Bedingungen entstehen auch neue Anforderungen an die Verkehrsplanung. Da will das Projekt BRAWISIMO helfen, kurz für „BRAtislava – WIen: StudIes on MObility“. Die Mobilitätsstudie zwischen den beiden Hauptstädten wird in der Slowakei vom Lehrstuhl für Verkehrsbauten an der Bau-Fakultät der Slowakischen Technischen Universität in Bratislava durchgeführt. Aus Österreich stehen die Universität für Bodenkultur Wien sowie die Technische Universität Wien an seiner Seite. „Zwischen den Universitäten gibt es bereits seit Längerem regen Austausch und enge Zu-
Erkenntnissen wie diesen werden Schlüsse für die künftige Verkehrsplanung gezogen. Die sollen zugunsten der Umwelt und der Nachhaltigkeit ausfallen. Seit November 2011 läuft das mit EU-Geldern finanzierte Projekt. Lange Zeit wurde vorbereitet und an der Methodik gefeilt. Im Vorjahr führten dann die Helfer der Universitäten die erste Verkehrserhebung durch. Insgesamt gibt es drei: eine Umfrage zum Mobiliätsverhalten in Haushalten, Zählungen und Befragungen an allen Grenzen sowie eine vertiefte Nachbefragung von Menschen, die den Fragebogen an der Grenze ausgefüllt haben. 2013 schloss sich außerdem das slowakische Statistikamt dem Projekt an und führte Umfragen in vielen slowakischen Haushalten durch. Zu dem durch BRAWISIMO untersuchten Gebiet zählt in der Slowakei neben
Weit abgeschlagen: Weniger als drei Prozent nutzen das Fahrrad um im österreichisch-slowakischen Grenzgebiet von einem Land zum anderen zu kommen. sammenarbeit“, erinnert sich der slowakische Lehrstuhlinhaber Bystrík Bezák. Selbst als der Eiserne Vorhang noch hing, wurde kooperiert. BRAWISIMO ist nur ein Projekt, das auf österreichisch-slowakische Kooperation baut. Motorenlärm zwischen den Zwillingsstädten Bei der Studie geht es darum, die Bewegungen an den Grenzen zu untersuchen. Wie viele Menschen überschreiten zu welcher Uhrzeit die Grenze? Welches Verkehrsmittel ist am beliebtesten? Wie könnte sich das Verhalten der Reisenden ändern? Aus
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Bratislava auch die Region Trnava sowie in Ostösterreich der Großraum Wien, Niederösterreich und das Nordburgenland. Angebot gegen Nachfrage Das Projekt gehört zu „creating the future – Programm zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Slowakei – Österreich 20072013“. In der Slowakei wurde mit BRAWISIMO die erste groß angelegte Mobilitätsumfrage in den Regionen Bratislava und Trnava durchgeführt. Zuvor gab es zwar Bemühungen, eine solche Erhebung zu machen, doch es dauerte
NPZ ! Neue Pressburger Zeitung > Juli/August 2014 > www.npz-online.eu
BRAWISIMO erforscht Wege über die Staatsgrenze. Klarer Trend an arbeitsfreien Tagen: Es geht mit dem Auto nach Österreich (hier Grenze Kittsee-Jarovce)
über dreißig Jahre bis es so weit war. Für die Zukunft ist geplant, eine derartige Befragung im ganzen Land durchzuführen. An Arbeitstagen ist ganz klar das beliebteste Reiseziel die österreichische Hauptstadt Wien. Allerdings gibt es klare Unterschiede zwischen Arbeitstagen und arbeitsfreien Tagen. Wird gearbeitet, so fahren die meisten morgens zwischen sechs und sieben Uhr nach Österreich. Am Abend zieht es die Reisenden dann etwas mehr über die Stunden verteilt zurück in die Slowakei. Nach der Arbeit geht der eine oder andere noch ins Fitnessstudio, einkaufen oder trifft Bekannte. Egal ob Wochentag oder Sonntag, eines bleibt gleich: die Verkehrsmittel, die für die Überschreitung der Grenze genutzt werden. Über 80 Prozent der Reisenden fahren mit dem Auto, gefolgt von 11 bis 13 Prozent, die die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Nur 3 Prozent gehen zu Fuß oder schwingen sich auf ihr Fahrrad. Warum so wenig Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen? „Mit dem Angebot hängt dies nicht zusammen, denn das ist ganz gut“, sagt Bystrik Bezák. Jede
Über 80 Prozent der Reisenden fahren mit dem Auto über die Grenze.
Mit der Bahn ohne Umzusteigen von Bratislava nach Eisenstadt? BRAWISIMO macht´s möglich. Stunde steuert ein Zug aus Bratislava Wien an. Doch mit dem Auto fährt man von Tür zu Tür, ist flexibel unterwegs und kann besonders bei längeren Reisestrecken auch Zeit sparen. Da geraten Umweltaspekte in den Hintergrund. Die grüne Welle der Zukunft Im Rahmen von BRAWISO wurden auch schon einige Vorschläge entworfen, wie man
Der Autoverkehr an der Grenze Kittsee-Jarovce (Wochentag, rot: Richtung Österreich, blau: Richtung Slowakei)
Das Projekt zum Mobilitätsverhalten simuliert künftige Verkehrsplanungen (grün: - Belastung, rot + Belastung). das Verkehrschaos in der Grenzregion besser lösen könnte. Da ist von „Park and Ride“Parkplätzen die Rede, von Ermäßigungen auf Bahntickets, aber auch davon, wie man den ganzen Verkehr aus dem Zentrum von Bratislava umleitet. Alternative Verkehrswege sollen den beiden Leadpartnern des Projekts aufgezeigt werden. Diese sind die Verkehrsministerien
der beteiligten Länder. Sie erhalten Tipps, welche Mobilitätsform sie mehr unterstützen sollten. „Allerdings müsste man da zwischen Österreich und der Slowakei unterscheiden“, erklärt Bystrik Bezák. Während Österreich auf der „Alternativverkehrswelle“ schwimme, sehe es in der Slowakei ganz anders aus. Vor der Wende war hier der Verkehr für die öffentlichen Verkehrsmittel ausgelegt. „Doch nach der Wende kam die Wende.“ Während davor etwa 80 Prozent der Bevölkerung mit Bus oder Bahn fuhren, hat sich das Blatt inzwischen gewendet. Dies sei nicht gut, denn die Situation sei räumlich, ökologisch und energetisch sehr aufwendig. Es müsse mehr Wert auf alternative Verkehrsmittel gelegt werden. Einen kleinen Schritt dazu träg BRAWISIMO bis Oktober dieses Jahres noch bei. Denn dann soll das Projekt beendet werden.
"Grenzfälle" zwischen Österreich und der Slowakei Text: Christoph Thanei, Foto: Miroslav Košírer
Eine sehenswerte Ausstellung vermittelt noch bis 17. Oktober im Schloss Kittsee einen beeindruckenden Rückblick auf die Zeit, als der "Eiserne Vorhang" unüberwindlich österreichische Dörfer und die slowakische Hauptstadt trennte. Wer heute per Fahrrad oder InlineSkates von Petržalka nach Kittsee rollt oder sich darüber beschwert, dass ihm die Autofahrt noch immer zu lange dauert, sollte sich Zeit für einen Abstecher in das märchenhafte Schloss in Bratislavas unmittelbarem Nachbardorf nehmen. Die Ausstellung beschränkt sich nicht nur auf die im Titel bezeichnete Zeit,
sondern greift - mit hilfreichen Erklärungen auch in slowakischer Sprache historisch weit zurück und auf der anderen Seite bis in die Gegenwart. Hervorhebenswert ist auch, dass schon das Zustandekommen der Ausstellung dem Titel alle Ehre macht: Natürlich waren renommierte Institutionen von beiden Seiten der heute kaum mehr zu bemerkenden slowakisch-österreichischen Grenze beteiligt. Nähere Informationen: http://www.kultursommer-kittsee.at oder direkter: http://www.kultursommer-kittsee.at/ Kultursommer_Kittsee/GrenzFalle.html
NPZ ! Neue Pressburger Zeitung > Juli/August 2014 > www.npz-online.eu
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