Thomas Meyers wunderliche Reise in die Arme der SP
Der jüdische Autor verliess die Grünen, weil sie ihm zu pazifistisch sind Doch auch mit der SP hadert er
Gina Bachmann
Thomas Meyer weiss, wie man sich trennt. Entschieden und ohne Groll. So rät er es in seinen Kolumnen und in seinem Buch «Trennt euch!». Meyer ist Autor mehrerer Romane («Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme eine Schickse») und arbeitet als Coach für Beziehungsfragen. Den Rat, sich zu trennen, hat er nun selbst befolgt Meyer hat die Grünen verlassen. Knapp vier Jahre war er Mitglied, er kandidierte für den Zürcher Gemeinderat, verteilte Flyer, moderierte einen WahlkampfPodcast. Doch Meyer und die Grünen haben sich auseinandergelebt, und Meyer ist flugs zur SP gewechselt. Stolz wird das neue Mitglied in der jüngsten Ausgabe der SP-Parteizeitung präsentiert. Meyers Trennung von den Grünen hat mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine zu tun. Genauer: damit, dass sich die Grünen gegen die indirekte Weitergabe von Schweizer Waffen an die Ukraine ausgesprochen haben –anders als die SP Meyer sagt: «Die pazifistischen Appelle der Grünen haben mich massiv gestört.» Meyers Parteiwechsel steht für das Hadern vieler Linken mit einer Welt, die immer kriegerischer wird. Der Angriff auf die Ukraine hat das Bild derjenigen erschüttert, die an Verhandlun-
gen und friedliche Lösungen glaubten. Oder wie es Meyer sagt: «Putin hat gezeigt, dass der Pazifismus ein Witz ist. Eine schöne, aber schwache Idee.» Früher sah Meyer dies anders. Als Jugendlicher demonstrierte er für die Abschaffung der Armee und trat der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) bei Doch als er im Militär als Sanitäter diente, begann er sich mit der Armee zu versöhnen. Und machte weiter bis zum Unteroffizier
Linke Witze gegen Juden
Heute findet es Meyer naiv, pazifistisch zu sein Er vergleicht den Krieg mit einer gewaltsamen Beziehung, in der das Opfer zu lange an das Gute im Täter geglaubt habe. «Putin ist fest in seiner verzerrten Männlichkeit gefangen Schwäche provoziert ihn Der Westen hätte schon viel früher aufrüsten sollen.»
Putins Krieg führte auch in der SP zu einem Umdenken – und zu einem Riss im links-grünen Bündnis. Bei den meisten Themen passt zwischen SP und Grü-
Sein Wechsel steht für das Hadern vieler Linken mit einer Welt, die kriegerischer wird.
ne kein Blatt. Gerade in Armeefragen politisieren sie gleich: Sie sind gegen Aufrüstung, gegen Kampfflugzeuge, gegen Kriegsmaterialexporte. Vor einem Jahr jedoch machte die SP einen MiniSchritt nach rechts.
Sie setzte sich für eine Ausnahme im Kriegsmaterialgesetz ein. Schweizer Waffen, die im Besitz anderer Länder sind, sollten an angegriffene Länder wie die Ukraine weitergegeben werden können. Bei der SP wog der Wille, sich solidarisch zu zeigen, plötzlich stärker Bei den Grünen hingegen hiess es, die Diskussion um die indirekte Weitergabe von Waffen sei eine Scheindebatte, die von anderen Unterstützungsmöglichkeiten ablenke.
Zum ersten Mal überzeugt von der SP wurde Meyer von der sozialdemokratischen Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch. Er traf sie vor zwei Jahren am Sechseläuten, wo beide Ehrengäste bei der Zunft zur Zimmerleuten waren. Selbst in den Gefilden des Zürcher Bürgertums scheint die SP erfolgreich Mitglieder zu rekrutieren.
Doch so richtig wohl fühlt sich Meyer in seiner neuen politischen Heimat nicht Er fordert, dass sich die SP dem «Antisemitismus in ihren eigenen Reihen» stellen soll. «Seit ich mit zwölf Jahren begonnen habe, meine jüdische Identität offenzulegen, erlebe ich
Antisemitismus.» Meyer sagt, er habe sich stets in progressiven Milieus bewegt. «All die dummen Sprüche über Juden kamen immer von Linken.»
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel vermisst Meyer eine grössere Solidarität mit Jüdinnen und Juden. Er führte darüber längere Gespräche mit SP-Politikern,
D«Putin ist fest in seiner verzerrten Männlichkeit gefangen Schwäche provoziert ihn», sagt der Schriftsteller Thomas Meyer.
mitglieder an die Parteispitze schrieben. Darin werfen sie Israel unter anderem einen «völkermörderischen Krieg» in Gaza vor Für Meyer zeigt die Wortwahl, dass viele in der SP einseitig Partei für die Palästinenser ergreifen würden. Was müsste geschehen, damit sich Meyer auch von seiner neuen Partei trennen würde? «Noch mehr solche Briefe.»
auch mit dem SP-Co-Präsidenten Cédric Wermuth. Danach habe es eine gemeinsame Stellungnahme aller Parteien gegen Antisemitismus gegeben. «Schön», sagt Meyer, «aber was heisst das jetzt?» Der Mann der klaren Ratschläge wirkt selbst etwas ratlos. Kürzlich nervte sich Meyer über einen offenen Brief, den SP-Basis-
Als Gemeinschaft in Ethik und Werten freundschaftlich verbunden
SP muss Problem lösen Die SP schreibt auf Anfrage, Antisemitismus sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. «Dafür braucht es ein Bewusstsein in allen Parteien, auch bei der SP.» Ein Sprecher verweist darauf, dass die SP einen Aktionsplan gegen Antisemitismus fordert und den gemeinsamen Appell der Parteien lanciert hat. Von der Parteispitze mochte sich kurzfristig niemand äussern. Meyer hat ein Buch über seine Erfahrungen mit Antisemitismus geschrieben und gibt regelmässig Interviews zum Thema. Hat er vor, in der SP aktiv zu werden, um gegen antisemitische Denkmuster vorzugehen? Er zögert. «Zuerst muss die Partei sich klar dafür entscheiden, das Problem zu lösen», sagt er «Sonst ist es wie bei einem Alkoholiker Solange er nicht bereit ist, Hilfe zu holen, muss man ihn saufen lassen.» Thomas Meyer und die SP: Diese Liebe muss noch wachsen.
Seit 150 Jahren sind die Odd Fellows ethischem Denken und Werten wie sozialer Verantwortung verpflichtet Zum Jubiläum lädt die Bewegung Gäste ein, einen Blick auf ihre Geschichte, ihre Werte und ihr Engagement zu werfen
er Orden der Odd Fellows ist ein Symbol für Menschlichkeit und Gemeinschaft Eine Organisation, die auf Prinzipien wie persönlicher Entwicklung ethischem und humanistischem Denken und Handeln sowie der Pflege von Freundschaft aufbaut Der Orden ist offen für alle «die unsere Werte teilen unabhängig ihres Hintergrundes oder ihrer Herkunft», so Urs Zeller Gross-Sire (Präsident) der GrossLoge der Schweizerischen Odd Fellows Die Geschichte der weltweit aktiven Odd Fellows ist geprägt vom Engagement für das Wohl der Gesellschaft und der Mitglieder
Werte, die verbinden: Persönlichkeitsförderung und Gemeinschaftssinn Im Kern stehen die Odd Fellows für die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, indem sie Mitgliedern die Möglichkeit geben Werte wie Freundschaft und gegenseitige Unterstützung zu leben Dazu tragen an den regelmässigen Treffen auch traditionelle Rituale und die vorgegebene Symbolik bei Dies mag für Aussenstehende auf den ersten Blick seltsam erscheinen «Die Rituale und die Symbolik sind keine esoterischen Praktiken» stellt Urs Zeller jedoch klar Sie würden der Förderung von Werten wie Freundschaft und Brüderlichkeit dienen, «auch weil sie eine verbindende Basis schaffen»
Daneben geht es den Odd Fellows jedoch um mehr als Rituale und Worte «Die Organisation fördert grundsätzlich die Gemeinschaft und bietet gegenseitige Unterstützung» gibt Urs Zeller der selbst Mitglied der Kyburg-Loge in Winterthur ist einen Einblick in den Alltag der Odd Fellows
Will heissen: Man steht sich gegenseitig bei und ist sich freundschaftlich verbunden
Engagierte Bürgerinnen und Bürger mit sozialer Verantwortung
In einer Zeit in der Gemeinschaft und Solidarität von grosser Bedeutung sind, treten die Odd Fellows damit aktiv für gesellschaftliche Bedürfnisse ein Durch gemeinnützige Projekte, Wohltätigkeitsarbeit und Bildungsinitiativen streben sie danach die Welt um sich herum zu verbessern und eine nachhaltige Veränderung zu bewirken «Wir sind eine lebendige Vereinigung die sich ausserhalb der Politik für die Anliegen unserer Zeit einsetzt», so Urs Zeller
Einladung zum Mitmachen: Gemeinsam Gutes bewirken
Anlässlich ihres 150-jährigen Bestehens laden die Odd Fellows aktuell alle interessierten Personen ein, Teil einer bewegenden Verbindung zu werden Hierfür öffnen die Logen in der ganzen Schweiz ihre Türen «Wir legen grossen Wert auf Offenheit und Transparenz» so Urs Zeller Die Odd Fellows seien «eine Gemeinschaft, die auf ihren Werten aufbaut ihre Aktivitäten transparent macht und gemeinsam nachhaltige Veränderungen schafft » Mit ihrem Jubiläum feiern die Schweizerischen Odd Fellows auch die Tradition der Menschlichkeit und die Werte der Brüder-
lichkeit «Am Ende des Tages geht es darum, gemeinsam tätig zu werden und die Welt um uns herum positiv zu beeinflussen», so Gross-Sire Urs Zeller Ein Ziel das nie an Bedeutung verliert
Mit der Feier ihres 150-jährigen Jubiläums möchten die Schweizerischen Odd Fellows ihre Werte, ihr Engagement für die Gesellschaft und ihre Bereitschaft, in der Zukunft weiterhin eine tragende Rolle zu spielen, öffentlich bekannt machen Sie laden deshalb schweizweit zum Besuch der Logen ein
Geschichte der Schweizerischen Odd Fellows
Die Odd Fellows, auch als Independent Order of Odd Fellows (IOOF) bekannt sind eine internationale philanthropische und soziale Organisation, die sich der Wohltätigkeit der Brüderlichkeit und der humanitären Arbeit verschrieben hat Ihre Ursprünge reichen bis ins frühe 18 Jahrhundert zurück und liegen in England wo die Logen wahrscheinlich als Selbsthilfeorganisationen von Handwerkern entstanden sind. Die Odd Fellows sind heute in vielen Ländern vertreten, auch in der Schweiz. Hier wurde der Orden der Schweizerischen Odd Fellows 1874 gegründet
10 NZZ am Sonntag 21. April 2024 Schweiz
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