BFH (D)

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In Unternehmen herrscht noch vielfach Verwirrung darüber, wasmit ESG und CSR genau gemeint ist.

«Nachhaltigkeitstärktdie

Innovationskraft»

DienachhaltigeTransformation vonWirtschaftund Gesellschaftist leicht gesagt und schwer getan. ProfessorDr.habil.DavidRisivonderBernerFachhochschule(BFH)erklärtimInterview,welcheRolledabei Druck vonaussenund Motivation «von innen» spielen.

DerKlimawandelist einglobalesProblem Wo stehen SchweizerUnternehmenin punctoNachhaltigkeit?

David Risi: In der Forschungwerden häufig dieVerhältnisse in zentraleuropäischen beziehungsweise deutschsprachigenLändern mitjenen imangelsächsischen Raum, also in Grossbritannien und in den USA, verglichen. DieseStudien zeigen, dass angelsächsischeFirmen tendenziell expliziter über ihreNachhaltigkeitsaktivitätenkommunizieren, alsesin Zentraleuropa der Fall ist.

Washeisst das?

Im angelsächsischenRaum stehtder Shareholder Value und somitdie aufAktionäreausgerichtete Unternehmensführung stärker im Vordergrund. Daherwird auch explizitgegenüber Investoren dazu kommuniziert, beispielsweiseinGeschäftsberichten. Beiuns in derSchweiz und in anderendeutschsprachigen Ländern ist der Anteil der familiengeführten Unternehmen und der KMU traditionell sehr hoch. Diese sind häufigstark in ihremregionalen Umfeldverankert, üben ihreVerantwortungdort impliziteraus und sindviel weniger vonInteressen ihrerInvestoren getrieben. Doch beiglobal

tätigenKonzernen wieetwaNestlésieht maninzwischeniminternationalen Vergleich keinen grossenUnterschied mehr

Wastreibt derzeitUnternehmen beider nachhaltigen Transformation am meisten um?

Wirsehen aktuell eine grosse Regulierungswelle auf nationalerund internationaler Ebene, insbesondere in der EU mit derneuen CSR-Direktive (CSRD), vonder auchSchweizer Firmen betroffensind Dazu steigendie Anforderungenvon Investoren an eine nachhaltige Unternehmensführung, sie übenzunehmend Druckauf Firmen aus. Aufdiese Weise kommen vonaussen grosse Herausforderungen aufdie Wirtschaft zu.Viele Unternehmen sind unvorbereitetund sehen sich mit einerneuen Realitätkonfrontiert,was wiederum zur Verunsicherung beiträgt.

nehmen werden diese Begriffe nicht immer trennscharfbenutzt. Zudemgilt CSRhäufigals reines Marketinginstrument,umdas Firmenimage aufzupolieren. Wiesehen Sie das?

Heutedreht es sich bei CSR-Aktivitäten nicht mehr umdie Frage, wieUnternehmenihr Geld ausgeben undder Gesellschaft alsWohltäteroder Sponsorenquasi etwaszurückgeben.Vielmehr will man wissen, wiedie Wirtschaftihr Geld verdient– wiealso soziale, ökologische und ethische Aspekte in dieGeschäftsstrategie und-tätigkeitintegriertwerden,sodass diese Aspekte dieWerte unddie Identität eines Unternehmens widerspiegeln. Es gibt übrigens noch mehr Nachhaltigkeitsbegriffeals ESG undCSR. Doch diesebeiden haben sich evolutionär als die prominenten Terminidurchgesetzt

Istdiese Trennung zwischen ESGund CSR denn nochrelevant?

Denn allein auffreiwillige Selbstverpflichtung zu setzen, hatnachweislich nicht funktioniert.

Ohne klareRegelnund Sanktionsmöglichkeiten geht es also nicht? So ist es.Aberallein der Kraftder Gesetzgebung zu vertrauen, reichtebenfalls nichtaus. Das Managementund alle Mitarbeitenden müssenauchdavon überzeugtsein, dass es Sinn macht, diese Regeln zu befolgen –beispielsweisebeim Thema Korruption.Man muss fürden Veränderungsprozess alle mitanBord holen,das gilt nichtnur fürUnternehmen. CSRverleihtden ESG-Vorschriften mehr Sinn undTiefeund gewährleistet ein echtes Engagementfür Nachhaltigkeit.Umgekehrt bietet dasESG-Konzept einenRealitätscheck fürCSR-Initiativen, indem siederen Wirksamkeitinder Praxisüberprüft.Kurzum: CSRund ESGergänzen sichgegenseitig

ZurPerson

Sustainable Switzerland ist die nationale Nachhaltigkeitsinitiative des Unternehmens NZZ mit Partnern ausWirtschaft und Wissenschaft. Gemeinsam beschleunigen wirdie nachhaltige Entwicklungder Schweiz.

sustainableswitzerland.ch

DieserInhalt wurdevon NZZ Content Creation und Sustainable Switzerland im Auftrag vonBFH erstellt.

Einerseitshandeln Unternehmenunter dem Druck regulatorischerVorgaben. Andererseitspraktizierenviele bereitsseit Jahren auffreiwilliger Basis eine nachhaltigeUnternehmensführung. Genaumit diesen beiden Ansätzen und derensinnvoller Ergänzung beschäftigenwir unsinunserer Forschung. Es geht um zweiunterschiedlicheKonzepte der nachhaltigen Transformation: um ESGund CSR, um es in Kurzform zu sagen. BeiESG fragtman nach denAuswirkungen vonUnternehmen in denBereichen Umwelt,Soziales undGovernance aufMenschund Naturund arbeitetdabei mitKennzahlen. Neueregulatorische Vorgaben im SchweizerObligationenrechtoderdie CSRD derEUfordern dies ein –und dienenden Unternehmenzugleich alsHandwerkszeug,damit siedie Transformationmeistern können. Hier werden alsoAnforderungenvon aussen an Unternehmen herangetragen.Zum anderengibtesdas CSR-Konzept, also CorporateSocialResponsibility, dasfür Wertedes Unternehmens aufgrundeiner intrinsischen Motivation steht. Hier kommtder Anstoss voninnen.

InöffentlichenDebattenund in derNachhaltigkeitsberichterstattung vonUnter-

TatsächlichherrschtbeimManagementinUnternehmen angesichts der gesetzlichen Vorgaben vielfach Verwirrung, wasmit den Begriffen genaugemeintist undwas gefordert wird.Esist daher wichtig, sichzunächstüberdie Historie derBegriffeKlarheitzuverschaffen.Beide ursprünglichen Konzepte sehen wirheute als komplementär

Inwiefern?

ESGsteht füreineregulatorisch getriebene Outside-in-Perspektive und CSR für eine Inside-out-Sichtweise. BeiCSR geht es um Zweckund Bestimmungeines Unternehmensfür dieGesellschaftund um die Werte, an denensich alle Geschäftsaktivitäten ausrichtensollen. Gemeint sind Wertewie Toleranz, Gleichbehandlung oder FairnessimUmgangmiteinanderund beiden Arbeitsbedingungen. Beispiele fürCSR-Engagementwären der Konsumgüterkonzern Unilever oderder Outdoor-SpezialistPatagonia.EinesolcheWertorientierungmussvom Topmanagement kommen und vonallen Mitarbeitendengelebt werden.Esist meines Erachtensunstrittig,dassbeide Perspektivenzusammengebrachtwerden müssen und nur in Kombination einenachhaltigeTransformationgelingenkann.

Dienachhaltige Transformation verursacht Kosten,die mannicht immereins zu eins an Kunden weitergebenkann. ZuliefererimB2B-Geschäft beklagen,dassihre Kunden nichtbereitseien,für nachhaltigere Produkte oder Dienstleistungenmehr zu zahlen.Offenbarwillinder Lieferkette niemandden Anfang machen.Wie kann man diesen Teufelskreis durchbrechen?

DieRegeln des Wettbewerbs setzt der Staat.Die Schweizist da eher zurückhaltend. Dasführt dazu, dass Unternehmen länger ihr «Business as usual»betreiben können,sodass sichdie Transformation derWirtschaft, die angesichtsdes Klimawandels notwendigist, verzögert. Das hemmtwiederum Innovationenund dürfteauf längereSicht auch zu Wettbewerbsnachteilen der Unternehmen führen. Nachhaltigkeitstärkt die Innovationskraft und istChefsache. An der Berner Fachhochschule, die sich selbst als nachhaltigeBildungsinstitution versteht, bietenwir daherspezifische Fortbildungen fürVerwaltungsräte an.Dagehtesum Wirtschaftsethik, juristische Aspekte, alle Facettenvon ESGund CSR sowieum Nachhaltigkeitsberichterstattung. Transformation, also ein Wandel,beginntimmerimKopf.

Es istnochein rechtjungesFachgebiet im akademischenUmfeld: «Responsible Management». An derBerner Fachhochschule(BFH) gibt es diegleichnamige Forschungsprofessur seit 2020,sie wurde eigensmit derBerufungvon David Risi im FachbereichWirtschaftamInstitutSustainable Business neueingerichtet. Dieses Institut decktdreiSchwerpunktthemen ab:Kreislaufwirtschaft, sozialeInnovationenund Corporate Responsibility. Risi beschäftigtsich mitder Rollevon Unternehmen im Transformationsprozesszu einerwertorientiertenund nachhaltigen Wirtschaft.Mit seiner Professursind weniger Lehrverpflichtungenverbunden, sodass er mehr Zeit in dieForschung investierenkann. Risi promovierte und habilitierte an der UniversitätSt.Gallen und forschte unteranderem an der Said Business School der Universität Oxford diezuden Top-5-Finanzfakultäten weltweit gehört. Seit2024lehrt Risizudemals Privatdozent an derUniversität St.Gallen. Aktuell beschäftigtersich auch mitder Kreislaufwirtschaft undder Frage,wie UnternehmendiesesKonzept umsetzen.

Prof.Dr. habil. David Risi

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