OBS-Arbeitsheft 112
Leif Kramp, Stephan Weichert
Whitepaper Non-Profit-Journalismus Handreichungen für Medien, Politik und Stiftungswesen Kurzfassung der Studie
Frankfurt am Main, im Oktober 2023
Allgemeiner Kontext zur Studie
Auf einen Blick
Die Demokratie braucht den Journalismus. Al
Die angespannte Wirtschaftslage des
lerdings taugt dieser immer weniger für wirt
Pressemarktes und der rasante Medien
schaftlich tragfähige Geschäftsmodelle: Produk
nutzungswandel heizen die Diskussion um
tions- und Vertriebskosten vervielfachen sich,
Gemeinnützigkeit im Journalismus weiter
klassische Werbefinanzierung bricht ein, neue
an.
Bezahlschranken im Digitalen bleiben hinter den
Journalist:innenverbände und Gewerkschaf
Erwartungen zurück. Die Folge: Die Versorgung
ten sowie weite Teile der Medienpolitik
der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen
sprechen sich für eine Rechtssicherheit von
journalistischen Erzeugnissen ist gefährdet (vgl.
gemeinnützigem Journalismus aus, Presse
Abbildung 1 für die Lücken in der Versorgung mit
verbände argumentieren dagegen.
Regionalzeitungen des BDVZ). Um seiner für die
In den Reihen von Stiftungen und weiteren
Demokratie so wichtigen Aufgabe künftig nach-
Fördereinrichtungen für journalistische Pro
zukommen, braucht das Mediensystem öffent-
jekte gibt es kaum Zusammenarbeit oder
liche und private Unterstützung und Förderung.
aufeinander abgestimmte Förderungen. Die Rolle von Schnittstellenorganisatio
Eine Möglichkeit: Journalistische Arbeit als ge
nen im Feld des Non-Profit-Journalismus
meinnützig anzuerkennen – was Steuervorteile
wird weitgehend unterschätzt.
und die Förderung durch Stiftungen und andere ge
Non-Profit-Geschäftsmodelle werden durch
meinnützige Akteure ermöglicht. Da Journalismus
anstehende medienpolitische Entschei
bis dato jedoch noch kein anerkannter gemeinnüt
dungen vermutlich stark anwachsen.
ziger Zweck der Abgabenordnung ist, behelfen sich journalistische Non-Profit-Unternehmungen mit
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Whitepaper Non-Profit-Journalismus
Not- und Zwischenlösungen. Die Uneindeutigkeit
Ein unübersichtliches Feld ordnen
solcher Behelfskonstruktionen sorgt für allerhand
Aufgrund der gegenwärtig umständlichen Aner
Rechtsunsicherheit, das Feld für Non-Profit-Journa
kennung der Gemeinnützigkeit journalistischer
lismus in Deutschland mutet deshalb wenig nach
Organisationen ist ein Spannungsfeld aus Un
haltig an. Das „Whitepaper Non-Profit-Journalis
sicherheiten, Abhängigkeiten und Konkurrenzen
mus“ der Otto Brenner Stiftung ist ein Lagebericht
zwischen Akteur:innen im Feld des gemeinnützi
zum gemeinnützigen Journalismus in Deutschland.
gen Journalismus entstanden. Um dieses Bezie
Die Autoren Leif Kramp und Stephan Weichert ha
hungsgeflecht zielführend zu wenden, sollten die
ben Stellungnahmen und Gedankenanstöße un
bestehenden Förderstrukturen – beispielsweise
terschiedlicher Stakeholder:innen eingeholt und
Projektförderungen oder Stipendien von Stiftun
geben Empfehlungen für ein aussichtsreiches Vor
gen oder Zuwendungen der Landesmedienanstal
gehen in diesem komplexen Problemfeld.
ten und die Presseförderinstrumente der öffent lichen Hand – stärker zentralisiert werden, unter
Methode
möglichst breiter Beteiligung der Betroffenen. Geholfen wäre allen Beteiligten darüber hinaus,
Für das „Whitepaper“ wurden relevante Protago
wenn mittels einer breiten Non-Profit-Allianz ein
nist:innen aus Stiftungswesen, von Schnittstel
geteiltes Begriffsverständnis von Gemeinnützig
lenorganisationen und aus der Medienpolitik so
keit, eine gemeinsame Zielrichtung des Non-Pro
wie von Verbänden befragt. Leitfadeninterviews
fit-Sektors sowie einheitliche Kriterien für Förde
geführt haben die Autoren mit neun Expert:innen
rungen erarbeitet würden. Langfristig sollte eine
von Stiftungen und gemeinnützigen journalisti
zentrale unabhängige Beratungs- und Anlaufstel
schen Schnittstellenorganisationen. Befragt wur
le für journalistisch Gründungswillige – mit Fo
den außerdem ausgewählte medienpolitische
kus auf Gemeinnützigkeit und Gemeinwohlorien
Sprecher:innen der Bundestagsfraktionen sowie
tierung – zur weiteren Strukturierung des Feldes
Verantwortliche und Sprecher:innen von journalis
beitragen.
tischen Branchenverbänden. In der Studie finden sich darüber hinaus Kurzporträts gemeinnütziger
Förderstrukturen verbessern
Pilotprojekte, außerdem melden sich 14 renom
Dem gegenwärtigen Fördervolumen für journalis
mierte Kritiker:innen in dem Format „Drei Fragen,
tische Non-Profit-Projekte sind in Deutschland
drei Antworten“ zu Wort. Sämtliche Befragungen
enge Grenzen gesetzt. Zeitliche Befristungen und
fanden im Zeitraum Februar bis August 2023 statt.
an Impact-Messungen geknüpfte Kriterien verhin dern oftmals langfristige Planungshorizonte von
Ergebnisse
Non-Profit-Initiativen. Um ein innovationsfreund licheres Umfeld für gemeinnützigen Journalismus
In der Zusammenschau der Expert:innen- und der
zu schaffen, müssen auch Experimente und Ni
Akteur:innenaussagen lassen sich einige zentrale
schenprodukte möglich sein, die nicht am frei
Lösungsfelder herausarbeiten:
en Markt bestehen würden. Unter den aktuellen
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Kramp, Weichert
Bedingungen laufen Akteur:innen des journalisti
Schnittstellenorganisationen im Feld des gemein
schen Non-Profit-Bereichs darüber hinaus Gefahr,
nützigen Journalismus ist dabei unterbewertet.
zum Spielball von politischen oder wirtschaftli
Diese gemeinnützigen Organisationen, die mit
chen Interessen zu werden. Die Lösung für diese
der Organisation von Trainings, Studien, Weiter
(möglichen) Einflussnahmen lautet: Transparenz,
bildungsangeboten und Netzwerkveranstaltun
und zwar von der Selbstverpflichtung zur Einhal
gen zwischen journalistischer Praxis, Förder:in
tung professioneller Standards über die Kenn
nen und Öffentlichkeit agieren, müssen aufge
zeichnung der eigenen Einnahmen bis hin zur
wertet werden – schließlich können sie in ihrer
Ausflaggung der publizistischen Agenda.
Rolle zwischen den Interessen der unterschiedli chen Akteur:innen neutral moderieren.
Für Förderungen der öffentlichen Hand könnte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs des
Das Non-Profit-Ökosystem ausbauen
öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Vorbild sein,
Um das Ökosystem des Non-Profit-Journalis
um die Mittelvergabe an journalistische Non-Pro
mus zu fördern, könnte ein unabhängiger Think
fit-Projekte staatsfern zu justieren. Die Rolle von
Tank für Non-Profit-Journalismus praxisnahe For
Abbildung 1:
Die Anzahl von BDZV-Regionalzeitungen nach Landkreisen und Gemeinden in Deutschland
Anzahl der Zeitungen, von exklusiv bis inklusiv:
0
1
2
3
4
5
6
14
,News Deserts‘ in Deutschland Hier finden Sie die Darstellung der ,News Deserts‘ in Deutschland als interaktive Karte:
Quelle: https://datengraben.com/ map2.html
Quelle: Eigene Darstellung (vgl. Langfassung der Studie, S.12). Datengrundlage sind die Zeitungen des BDZV (Datengraben 2021b).
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Whitepaper Non-Profit-Journalismus
schungsarbeit leisten: ein auf Dauer anzulegen
Über die Autoren
des Forschungs- und Beratungsinstitut, an das
Dr. phil. Leif Kramp ist For schungskoordinator des Zen trums für Medien-, Kommunika tions- und Informationsforschung (ZeMKI), einer Zentralen Wissen schaftlichen Einrichtung der Universität Bremen. Gemeinsam mit Stephan Weichert und Alexander von Streit leitet er die von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien geförderte Wissensdaten bank npj.news, eine neue Online-Plattform zum Nonprofit-Journalismus. Foto: Beate C. Koehler
sich Stiftungsvertreter:innen und private Spen der:innen vertrauensvoll wenden können, um die tatsächlichen Bedarfe und Herausforderungen einer sich im Aufbau befindlichen Non-Profit- Medienlandschaft zu erkunden. Des Weiteren bereitet die derzeitige digitale Infrastruktur allen journalistischen Anbieter:innen – ob profitorien tiert oder nicht – Schwierigkeiten beim Vertrieb ihrer Angebote und Produkte. Eine konsequente Öffnung von innovativen Infrastrukturlösungen
Dr. phil. Stephan Weichert ist Vor standssprecher des von ihm mit gegründeten VOCER Instituts für Digitale Resilienz und zusammen mit Leif Kramp Mitgründer des gemeinnützigen Think & Do Tanks VOCER. Der Medienwissenschaftler ist neben seiner Tätig keit als Innovationsberater und Führungskräfte- Coach seit 20 Jahren in der journalistischen Ausund Weiterbildung tätig. Foto: Martin Kunze
könnte deshalb ein geeigneter Ansatz sein, die bestehenden Abhängigkeiten von US-amerikani schen oder chinesischen Tech-Giganten zu verrin gern. Schließlich sollten öffentliche Kampagnen für den Journalismus im Allgemeinen und den Non-Profit-Journalismus im Speziellen aufgesetzt werden, die für eine breitere Akzeptanz journalis tischer Arbeit werben.
Impressum
Fazit
Herausgeber: Otto Brenner Stiftung, Jupp Legrand, Wilhelm- Leuschner-Straße 79, 60329 Frankfurt am Main, Tel.: 069-6693-2810, E-Mail: info@otto-brennerstiftung.de, www.otto-brenner-stiftung.de Veröffentlicht unter CC BY-NC-SA 4.0-Lizenz.
In der Zusammenschau der Gesprächsergeb nisse fällt auf, dass mögliche Perspektiven für gemeinnützigen Journalismus eher nebulös und wolkig bleiben. Dennoch lassen sich die oben genannten Lösungsfelder herausarbeiten, de ren Konkretion dem konstruktiven Austausch
bleibt. Da Neugründungen gemeinnütziger Pro jekte oder sogar der Wechsel von For-Profit- zu Non-Profit-Modellen durch anstehende politische OBS-Arbeitsheft 112
Weichenstellungen in den kommenden Jahren Whitepaper Non-Profit-Journalismus
Handreichungen für Medien, Politik und Stiftungswesen
vermutlich populärer werden, ist es jetzt Zeit zu handeln.
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Kramp, Weichert – Whitepaper Non-Profit-Journalismus
sellschaft und dem Stiftungswesen vorbehalten
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zwischen Akteur:innen aus Medien, Politik, Ge
Leif Kramp, Stephan Weichert
Whitepaper Non-Profit-Journalismus Handreichungen für Medien, Politik und Stiftungswesen IG METALL
www.otto-brenner-stiftung.de
EIN PROJEKT DER OTTO BRENNER STIFTUNG Gliederungsname FRANKFURT AM MAIN 2023
Mehr Infos sowie die Langfassung der Studie finden Sie auf unserer Website: www.ottobrenner-stiftung.de
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