Otto Brenner Stiftung
OBS-Arbeitsheft 77
OBS-Arbeitsheft 77
Union-Busting in Deutschland
Werner Rügemer, Elmar Wigand
Union-Busting in Deutschland Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung
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Eine Studie der Otto Brenner Stiftung Frankfurt/Main 2014
OBS-Arbeitsheft 77
Die Otto Brenner Stiftung …
ISSN 1863-6934 (Print)
... ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Als Forum für gesellschaftliche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Ausgleich zwischen Ost und West.
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... initiiert den gesellschaftlichen Dialog durch Veranstaltungen, Workshops und Kooperationsveranstaltungen (z. B. im Herbst die OBS-Jahrestagungen), organisiert internationale Konferenzen (Mittel-Ost-Europa-Tagungen im Frühjahr), lobt jährlich den „Brenner-Preis für kritischen Journalismus“ aus, fördert wissenschaftliche Untersuchungen zu sozialen, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Themen, vergibt Kurzstudien und legt aktuelle Analysen vor.
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17. April 2014
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OBS-Arbeitsheft 77 Werner Rügemer, Elmar Wigand
Union-Busting in Deutschland Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung
OBS-Arbeitsheft 76 Marvin Opp0ng
Verdeckte PR in Wikipedia Das Weltwissen im Visier von Unternehmen
OBS-Arbeitsheft 75 Olaf Hoffjann, Jeannette Gusko
Der Partizipationsmythos Wie Verbände Facebook, Twitter & Co. nutzen
OBS-Arbeitsheft 74 Alexander Hensel, Stephan Klecha
Die Piratenpartei Havarie eines politischen Projekts?
OBS-Arbeitsheft 73 Fritz Wolf
Im öffentlichen Auftrag Selbstverständnis der Rundfunkgremien, politische Praxis und Reformvorschläge
Elmar Wigand Glasstraße 7
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OBS-Arbeitsheft 72*
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Hohle Idole OBS-Arbeitsheft 71* „Bild“ und Wulff – Ziemlich beste Partner Fallstudie über eine einseitig aufgelöste Geschäftsbeziehung
OBS-Arbeitsheft 70* Andreas Kolbe, Herbert Hönigsberger, Sven Osterberg
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Integrationshemmnis Leiharbeit Auswirkungen von Leiharbeit auf Menschen mit Migrationshintergrund
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VORWORT
Vorwort
Kooperative Arbeitsbeziehungen, Tarifautonomie, breite Anerkennung von Gewerkschaften in Wirtschaft und Politik sowie hohe Zustimmung für Betriebs- und Personalräte waren prägende Merkmale des „deutschen Modells“ in der Bonner Demokratie. Unbestritten ist, dass sie nach 1945 bei der Zivilisierung der Konflikte in der Arbeitswelt und beim Auf- und Ausbau der sozialen Marktwirtschaft eine wichtige Rolle gespielt haben. Auch wenn nach der Zeitenwende von 1989 und im Zeitalter der Globalisierung der Ton gelegentlich rauer und die Auseinandersetzungen zuweilen härter wurden, gilt – unterm Strich – Gleiches auch heute für die Berliner Republik: Gewerkschaften werden als gewichtige Machtfaktoren respektiert, sind als legitime Interessenvertreter akzeptiert und die Arbeit Hunderttausender, zum großen Teil ehrenamtlich tätiger Personal- und Betriebsräte findet hohe Anerkennung. Weil sich das „deutsche Modell“ besonders in der Krise bewährt und als Stabilitätsanker ausgezeichnet habe, fordert Bundestagspräsident Norbert Lammert den Ausbau der Unternehmensmitbestimmung. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite wird sichtbar, wenn man dieser Tage einen Blick in die Presse wirft. Wegen fortlaufender Missachtung der Rechte des Betriebsrates bei Hyundai, fünftgrößter Autobauer der Welt, legte die IG Metall Beschwerde ein gegen die Verletzung der OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen, die grundlegende arbeitsrechtliche Normen beinhalten. In einer brandenburgischen Solarfirma ging der Gründung eines Betriebsrates eine mehrmonatige Auseinandersetzung voraus, bei der gewerkschaftlich orientierte Beschäftigte beeinflusst, überwacht und unter Druck gesetzt wurden. Bekannt sind Fälle systematischer Be- und Verhinderung von Betriebsratsarbeit schon seit längerer Zeit insbesondere aus dem Einzelhandel, der Gastronomie und neuerdings etwa im Windkraftanlagenbau. Lidl, Schlecker und Burger King sind dabei nur die bekanntesten Beispiele, Enercon ist der aktuell prominenteste Fall. Blickt man in die USA, hat das systematische und professionell geplante Vorgehen gegen gewerkschaftliche Interessenvertretung dort schon seit Jahrzehnten einen Namen: Union-Busting ist hier längst ein etabliertes Geschäftsfeld für spezialisierte Anwälte und Kanzleien. Unbestritten ist, dass in Deutschland die Ausgangslage für solche Akteure eine grundsätzlich andere ist. Wegen der Arbeitsteilung zwischen Betriebsräten und Gewerkschaften bedeutet Union-Busting in Deutschland deshalb vor allem die Be- und Verhinderung der Arbeit von Betriebsräten. Trotz der starken rechtlichen Stellung und hohen gesellschaftlichen Akzeptanz betrieblicher Interessenvertretungen deutet einiges darauf hin, dass in den letzten Jahren auch in Deutschland Teile der Arbeitgeberschaft zunehmend ähnliche Methoden anwenden. Systematisch versuchen
1
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
sie, die Etablierung und Arbeit gewerkschaftlicher Betriebsräte in ihren Betrieben zu be- und zu verhindern – oftmals unter Beteiligung spezialisierter Anwälte, Medienagenturen und Detekteien. Zu deren Repertoire gehören die Verhinderung oder Manipulierung von Betriebsratswahlen, die Einschüchterung und Überwachung von Betriebsräten oder Betriebsratswahlkandidaten, Vorteilsgewährung für unternehmerfreundliche Betriebsräte oder die Verhinderung von kritischen Presseberichten. Unser Arbeitsheft versucht, einen ersten empirischen Einblick in die Dienstleistungen und Arbeitsweisen von Union-Busting-Akteuren in Deutschland zu geben. Die Klärung der Frage, welchen Umfang dieses Phänomen hat und in welchem Maße von einer Zunahme aggressiven Arbeitgeberverhaltens gegenüber Betriebsräten und Gewerkschaften gesprochen werden kann, wird der weiteren Forschung vorbehalten bleiben müssen. Unser Autorenteam konzentriert sich in erster Linie auf betriebliche Fallstudien. Es wird in plastischer, eindrücklicher Weise und mit den Stilmitteln journalistischer Recherchearbeit dargelegt, mit welchen Strategien Gewerkschaften und Betriebsräte bzw. Betriebsratskandidaten heute konfrontiert sind. Maßgebliche Akteure werden benannt, Vorläufer solcher Entwicklungen aufgezeigt und diese in wirtschaftliche und politische Entwicklungen eingeordnet. Dass die hier präsentierten Union-Busting-Fälle keine krassen Ausnahmen sind und vielleicht nur die Spitze eines Eisberges darstellen, zeigt eine kürzlich erschienene Analyse von Heiner Dribbusch und Martin Behrens. 59% der von ihnen befragten Gewerkschaftssekretäre konnten über Versuche der Behinderung von Betriebsratswahlen berichten. Bei 43% dieser Fälle waren externe Dienstleister beteiligt. Und in 38% der befragten Gewerkschaftsgliederungen waren Versuche über die Zerschlagung bestehender Betriebsräte bekannt. Dies zeigt: Union-Busting ist kein Einzelphänomen, und der Problemdruck steigt – auch wenn wir meilenweit von den amerikanischen Verhältnissen entfernt sind, die die deutsche Öffentlichkeit kürzlich unter der Chiffre „Chattanooga“ kennengelernt hat. Die Otto Brenner Stiftung hofft, mit dieser Untersuchung einen Beitrag zur notwendigen Auseinandersetzung mit diesem neuen Phänomen in den deutschen Arbeitsbeziehungen liefern zu können.
Jupp Legrand Geschäftsführer der OBS
2
Frankfurt/Main, im April 2014
I NHALT
Inhalt
Thesen und Erkenntnisse ............................................................................................................. 5 1. Einleitung ............................................................................................................................... 9 1.1 Ein neues Konfliktfeld in den Arbeitsbeziehungen ................................................. 9 1.2 Die Arbeitsmethoden dieser Studie ...................................................................... 12 1.3 Definition des Union-Busting für die vorliegende Studie ...................................... 13
2. Union-Busting in den USA und in Deutschland ...................................................................... 15 2.1 Union-Busting in den USA .................................................................................... 15 2.2 Union-Busting in Deutschland .............................................................................. 19
3. Die Neuordnung des Arbeitsmarktes und die Rolle mächtiger Ideengeber ........................... 25 3.1 Die Neuordnung des Arbeitsmarktes .................................................................... 25 3.2 Diskursive und strategische Projekte mächtiger Ideengeber ................................ 27
4. Wegbereiter des Union-Busting in Deutschland .................................................................... 34 4.1 „Billigflaggen“ erobern die Schifffahrtsbranche .................................................. 34 4.2 Discount- und Handelsketten: Das „Harzburger Modell“ als Unternehmensstrategie .................................................................................. 35 4.3 Systemgastronomie: Fastfood-Ketten werden mitbestimmungsfrei ....................... 38 4.4 Paket- und Briefzustelldienste: Outsourcing als Geschäftsmodell ........................ 40 4.5 Schlachtbetriebe: Domäne von Leiharbeit und Werkverträgen ............................. 41 4.6 Fazit: Eine neue Unternehmenskultur macht Schule ............................................. 42
5. Das systematische Vorgehen gegen Betriebsräte – Union-Busting in Deutschland ............. 44 5.1 Die Bekämpfung von etablierten Betriebsräten .................................................... 45 5.2 Die Verhinderung von Betriebsratsgründungen .................................................... 52 5.3 An der Grenze zur Illegalität: Rechtsnihilismus als Methode ................................ 60
6. Private Akteure und Dienstleister ........................................................................................ 66 6.1 Rechtsanwälte und Wirtschaftskanzleien ............................................................. 67 6.2 Gelbe Gewerkschaften .......................................................................................... 77 6.3 PR-Agenturen und Überwachungsspezialisten ...................................................... 82
3
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
7. Zwei Fallbeispiele: Union-Busting bei SAP und Maredo ....................................................... 88 7.1 SAP: Eine „besondere Unternehmenskultur“ ....................................................... 88 7.2 Maredo: Sechs externe Dienstleister gegen NGG und Betriebsräte ...................... 92 8. Schlussbemerkung: Ein Geschäftsfeld expandiert ............................................................... 101 Anhang ...................................................................................................................................... 105 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................. 105 Literatur .................................................................................................................... 107 Hinweise zu den Autoren ............................................................................................ 111
4
T HESEN
UND
E RKENNTNISSE
Thesen und Erkenntnisse
1.
Professionelle Gewerkschaftsbekämpfung in den USA
Rund um die Dienstleistung Union-Busting (Gewerkschaftsbekämpfung) existiert in den USA
tions- und Human-Resources-Einrichtungen, gelbe Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.
3.
seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Branche,
Betriebsratsfreie Zonen schaffen und sichern
die in den 1970er Jahren zu neuer Blüte reifte.
Eine wesentliche Bestrebung des Union-Bus-
Die hochbezahlten Beratungs-, Rechtsver-
ting in Deutschland besteht darin, Betriebe und
tretungs- und Coaching-Dienste dieser auf Ge-
Konzerne zu betriebsratsfreien Zonen zu ma-
werkschaftsvermeidung spezialisierten Agen-
chen oder einen betriebsratsfreien Status quo
turen und Kanzleien hatten einen erheblichen
zu wahren. Diese Stoßrichtung gegen Betriebs-
Anteil am dramatischen Niedergang der tradi-
räte ergibt sich erstens aus dem besonderen
tionellen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewe-
Kündigungsschutz, den gewählte Betriebsrats-
gung in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg.
mitglieder in Deutschland durch das Betriebs-
Im Fortgang der Globalisierung haben Prak-
verfassungsgesetz genießen, sowie aus deren
tiken des Union-Busting auch in anderen Län-
Möglichkeiten, in die unternehmerische Ge-
dern Verbreitung gefunden, beispielsweise in
staltungsfreiheit einzugreifen. Zweitens sind in
Deutschland. Der Know-how-Transfer geschah
Betriebsratsgremien zumeist profilierte und
über verschiedene Wege.
erfahrene Vertreter von Arbeitnehmerinteressen zu finden, die im Konfliktfall als ernst zu
2.
Union-Busting als Teil professioneller Netzwerke in Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland haben sich im Laufe des vergangenen Jahrzehnts unterschiedlich miteinander verbundene Netzwerke
nehmende Gegenspieler der Geschäftsleitung auftreten können.
4.
Umkämpfte Betriebsratsmehrheiten und „andere Vertretungsorgane“
herausgebildet, in denen spezialisierte Akteu-
Wenn die Gründung eines Betriebsrats nicht zu
re ihre Dienstleistungen entwickeln und den
verhindern ist oder deren Verhinderung nicht
Unternehmensleitungen anbieten. Dazu gehö-
opportun erscheint, steht häufig die Wahl von
ren Universitäten, an denen Juristen und Be-
managementgesteuerten Betriebsräten oder
triebswirtschaftler ausgebildet werden, kleine
die Organisierung einer managementgesteuer-
und große Anwaltskanzleien deutscher wie US-
ten Mehrheit in Wahlvorständen und Betriebs-
amerikanischer Provenienz, Unternehmensbe-
räten als Ziel auf der Agenda der Union-Buster.
rater, Medienrechtskanzleien, PR-Agenturen,
Oft gerät ein Betriebsrat erst dann unter Be-
Stiftungen, Wirtschaftsdetekteien, arbeitge-
schuss, wenn er sich z. B. aktiv für Arbeitneh-
berfinanzierte Universitätsinstitute, Labor-Rela-
merbelange einsetzt. In solchen Fällen zeigt
5
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
sich deutlich, dass das bloße Vorhandensein
doch in moderaten Tönen „zwischen den Zei-
eines Betriebsrats noch wenig über die Quali-
len“ formuliert.
tät der betrieblichen Mitbestimmung aussagt. Die Übergänge zwischen arbeitnehmerorientierten und unternehmenshörigen Betriebsrä-
6.
ten beziehungsweise anderen Formen der Be-
Kampf gegen „Low Performer“: Mobbing, Bossing, Schikanen
legschaftsvertretung – z. B. durch andere Ver-
Personalleitungen und Human-Resources-Bera-
tretungsorgane (AVO) – sind oft fließend. Un-
ter gehen seit ca. ungefähr 15 Jahren zuneh-
ternehmensleitungen arbeiten bisweilen ge-
mend gegen „Low Performer“ (sog. „Minder-
zielt darauf hin, die Zusammensetzung der Be-
leister“) vor. Die in diesem Zusammenhang ent-
triebsräte in ihrem Sinne schrittweise zu ver-
wickelten Methoden verleiten nicht wenige
ändern.
Führungspersonen und Personalverantwortliche zu schikanösem Verhalten gegenüber Un-
5.
Explizite Union-Buster und etablierte Kanzleien
tergebenen. In manchen Unternehmen und Branchen speziell im Niedriglohnsektor kommt ein Generalverdacht gegen mutmaßlich oder
Nur eine Minderheit mittelständisch orientier-
potenziell delinquente Beschäftigte hinzu, der
ter Anwaltskanzleien und Berater wirbt explizit
sich in intensiver und extensiver Überwachung
mit gezielter Bekämpfung von Betriebsräten
spiegelt. Hinter Betriebsratsneugründungen
und Gewerkschaften in der Grauzone zum
steht häufig die Hoffnung der Belegschaft auf
Rechtsbruch bzw. Rechtsmissbrauch. Diese bil-
Schutz durch Interessenvertretung, gewerk-
den die Spitze eines Eisbergs, dessen größerer
schaftlichen Beistand und geltendes Recht.
Teil aus Dienstleistern besteht, die ihre Aktivi-
Zahlreiche Betriebsratsgründungen und Kon-
täten öffentlich unter das Prinzip der betriebli-
flikte um etablierte Betriebsräte gehen darauf
chen Effektivität und der Rechtsförmigkeit stel-
zurück, dass Arbeitnehmervertreter sich schüt-
len. Seit den 1990er Jahren haben führende
zend vor ihre Kollegen stellen, die verdächtigt
Wirtschaftskanzleien in den USA Methoden des
oder unter Druck gesetzt werden.
Union-Busting in ihr Portfolio aufgenommen. Vielfach zeigen sich ähnliche Dienstleistungen bei ihren Ablegern in Deutschland und bei deutschen Großkanzleien, die seit etwa dem Beginn
7.
Schwächung der Mitbestimmung durch Ausgliederung
der 2000er Jahre eigene Arbeitsrechtsabteilun-
Im Rahmen von Umstrukturierungen kommt es
gen aufgebaut haben. Die gezielte Bekämpfung
vielfach zur Zerschlagung und/oder Auslage-
von Gewerkschaften und Betriebsräten wird
rung von integrierten Unternehmen in einzel-
von ihnen nicht nach außen hin beworben, je-
ne, rechtlich (scheinbar) unabhängige Gesellschaften (Outsourcing). Diese Veränderung der
6
T HESEN
Unternehmensstruktur bringt eine Aufblähung von formell eigenständigen Verwaltungsappa-
9.
raten und Aufsichtsratsgremien mit sich. Sie
UND
E RKENNTNISSE
Das Arbeitsrecht an Hochschulen wird privatisiert
führt entsprechend den Bestimmungen des Be-
Selbst konservative Professoren für Arbeits-
triebsverfassungsgesetzes auch zu einer po-
recht wie Hans Carl Nipperdey verstanden in
tenziellen Zunahme von Betriebsratsgremien
den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik
und -mandaten. Gleichzeitig kann die Zerglie-
das Arbeitsrecht seiner Intention nach als
derung die Möglichkeiten gewerkschaftlicher
Schutzrecht für Arbeitnehmer. Diesem klassi-
Organisierung und somit die Organisations-
schen Prinzip folgt heute nur noch eine Minder-
macht einschränken. Hier liegt eine strukturel-
heit, die zudem öffentlich kaum sichtbar ist.
le Ursache für die Kluft zwischen dem Rechts-
Das Lager jener Arbeitsrechtler, die den Schutz
anspruch auf einen Betriebsrat und der realen
des Eigentums der Arbeitgeber und deren un-
Fähigkeit von Belegschaften und Gewerkschaf-
ternehmerische Freiheit in den Vordergrund
ten, dieses Recht im Ernstfall auch durchzuset-
stellen, nimmt heute eine dominante Position
zen. Die Bedeutung des Betriebsverfassungs-
ein. Das Arbeitsrecht ist in dieser Rechtsauffas-
gesetzes und die Rolle der Gewerkschaften
sung nur mehr ein Teil des bürgerlichen Rechts
scheinen bei einem Teil der Arbeitgeberseite
oder des Wirtschaftsrechts. Konzerne und Ar-
an Anerkennung zu verlieren; sie sehen das
beitgeberverbände finanzieren heute Universi-
deutsche Modell der Mitbestimmung in erster
tätsinstitute für Arbeitsrecht und Arbeitsbezie-
Linie als lästigen Kostenfaktor und Relikt einer
hungen. Arbeitgebernahe Anwälte haben
vergangenen Epoche.
immer häufiger Lehraufträge an Universitäten, privaten wie staatlichen.
8.
Vorreiter in Unternehmen und Branchen
10. Rechtsnihilismus
Spezifische Branchen und Betriebe gelten als
Zur Strategie der Union-Buster gehört es, ge-
Pioniere für gewerkschafts- und betriebsrats-
zielt Kündigungsgründe zu inszenieren; eben-
freie Zonen, etwa Reedereien (durch Aus-
so gehören dazu fristlose Kündigungen, die im
flaggung),
(Typ
Bewusstsein ausgesprochen werden, dass sich
McDonald’s), Einzelhandelsketten (Typ Aldi),
deren Begründung vor den Arbeitsgerichten
Paketzusteller (Typ UPS) oder Unternehmen der
gar nicht halten lässt. Damit werden jedoch
Informationstechnologie. Die Methoden der
Fakten geschaffen: Die betroffenen Beschäftig-
Ausflaggung, des Franchising, der Schein-
ten, Betriebsräte und Betriebsratsgründer wer-
selbstständigkeit u. Ä. wurden anschließend
den für Monate aus dem Betrieb entfernt. Oft
mit Hilfe der unter Punkt 2 genannten Netzwer-
enden die Konflikte mit Abfindungen. Die nach
ke verfeinert und verallgemeinert.
dem
die
Systemgastronomie
Betriebsverfassungsgesetz
geltende
7
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Strafbarkeit von Betriebsratsverhinderung und
Konfliktfall eine enorme betriebsrats- und ge-
-behinderung ist vermutlich eine der am sel-
werkschaftsfeindliche Aktivität zu entfalten.
tensten durchgesetzten rechtlichen Sanktio-
Des Weiteren sind Privatisierungen öffentli-
nen überhaupt. Ein allgemeines Unrechtsbe-
cher Unternehmen und Dienstleistungen Risi-
wusstsein und die Kenntnis von Rechten wei-
kosituationen für Beschäftigte, Gewerkschafter
chen in bestimmten Branchen und Beschäfti-
und Betriebsräte.
gungsformen einem sich ausbreitenden Rechtsnihilismus.
11. Risikosituationen für Betriebsräte
8
12. Angriff auf Meinungsfreiheit und kritische Berichterstattung Union-Busting schränkt oftmals auch die Pres-
In bestimmten Situationen werden Methoden
se- und Meinungsfreiheit ein. Einschüchte-
des Union-Busting besonders häufig einge-
rungsversuche sowie Kündigungen gegen Be-
setzt. Das gilt für Unternehmensaufkäufe durch
triebsräte und Gewerkschafter infolge von Mei-
Private-Equity-Investoren. Diese setzen von
nungsäußerungen in der betrieblichen Öffent-
vornherein auf einen Weiterverkauf oder einen
lichkeit stellen eine gebräuchliche Vorgehens-
Börsengang. Sie können den Kaufpreis nicht
weise dar. Eine häufig angewandte Methode
nur durch drastische Kostensenkungen, son-
sind ferner Kündigungen im Zusammenhang
dern auch durch ein betriebsratsfrei gemach-
mit Aussagen von Beschäftigten und Betriebs-
tes Unternehmen wesentlich in die Höhe trei-
räten gegenüber der Presse und der Öffentlich-
ben. Letzteres hilft etwa vor Insolvenzen und
keit.
geplanten Schließungen, Sozialpläne, Abfin-
Spezialisierte Medienanwälte unterdrü-
dungen, Transfergesellschaften etc. möglichst
cken und erschweren kritische Medienberichte
zu begrenzen oder zu vermeiden. Auch mittel-
mittels Abmahnungen, Gegendarstellungen
ständische Unternehmen sind in der Lage, im
oder Unterlassungserklärungen.
E INLEITUNG
1. Einleitung
1.1 Ein neues Konfliktfeld in den Arbeitsbeziehungen
wie gegen etablierte Betriebsräte und ihre Mitglieder feststellbar. Betriebsratsgründungen führen zu Konflikten, die immer öfter den Cha-
Im „dualen System“ der Arbeitsbeziehungen in
rakter von Arbeitskämpfen annehmen. Es
Deutschland wird die betriebliche und überbe-
scheint, als seien mit Hilfe von Rechtsanwälten
triebliche Interessenvertretung der Arbeitneh-
und Beratern Strategien entwickelt worden, um
mer arbeitsteilig von Betriebsräten und Ge-
einzelne Betriebsratsmitglieder oder Initiato-
werkschaften wahrgenommen. Die Arbeit der
ren einer Betriebsratsgründung gezielt zu kün-
deutschen Gewerkschaften konzentriert sich
digen, systematisch zur Amtsaufgabe zu trei-
auf verschiedene grundsätzliche Funktionen
ben sowie Betriebsratswahlen im Sinne des
und Bereiche: In Branchen und Regionen füh-
Managements zu beeinflussen.
ren sie Tarifverhandlungen und damit verbun-
Die Bekämpfung von Betriebsräten bildet
dene Konflikte; zudem sind sie als Verband in
sowohl den Ausgangspunkt als auch das Zen-
das politische System eingebunden. In einzel-
trum dieses Arbeitshefts. Für die Erstellung der
nen Betrieben wiederum sind gewerkschaftlich
Fallstudien in Kapitel 5 haben wir intensive In-
organisierte Beschäftigte hauptsächlich durch
terviews mit von Betriebsratszerschlagung und
Betriebsräte verankert, deren Status durch das
-verhinderung Betroffenen in Deutschland ge-
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geschützt
führt und ausgewertet. Hinzu kamen zahlreiche
1
und geregelt ist. Diese werden von den Gewerk-
Hintergrund- und Expertengespräche mit
schaften beraten und unterstützt.
Rechtsanwälten, Journalisten und Gewerk-
Über 75 Fälle von
Seit den 1990er Jahren engt ein starker
schaftssekretären. Insgesamt konnten wir über
Betriebsrat-Bashing
Trend zur Tarifflucht den überbetrieblichen und
75 Fälle von Betriebsratsbekämpfung durch ag-
in der Presse
überregionalen tariflichen Gestaltungsspiel-
gressive Methoden anhand von Presseveröf-
dokumentiert
raum stark ein. Diese Entwicklungen haben
fentlichungen nachweisen.
dazu geführt, dass anstelle von Flächentarifen
Es hat sich im Laufe der Untersuchung ge-
Haustarifverträge oder ähnliche Vereinbarun-
zeigt, dass bereits seit 2001 professionelle
gen auf lokaler Ebene an Bedeutung gewonnen
Strategien zur Betriebsratsvermeidung und
haben. Seit etwa zehn Jahren ist außerdem ein
-zerschlagung in Deutschland angewendet
verschärftes Vorgehen mancher Arbeitgeber
werden. Seit etwa 2006 finden entsprechende
gegen die Neugründung von Betriebsräten so-
Berichte vermehrt Eingang in Zeitungen und in-
1 Parallel zu Betriebsratsstrukturen, die formell unabhängig von Gewerkschaften sind, hatten die Gewerkschaften seit den 1950er Jahren Vertrauensleute-Körper in Betrieben aufgebaut. Diese sind heute in vielen Branchen selten geworden und sind in manchen Branchen nahezu unbekannt. Die sog. BISS-Befragung geht für 2005 von einem Anteil von vier Prozent in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten aus (Hauser-Ditz/Hertwig/Pries 2009).
9
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
vestigative TV-Formate. Das Adjektiv „betriebs-
ziehungen und -konflikten durch Betriebsräte,
ratsverseucht“ wurde 2009 gar zum Unwort des
mit einer umfangreichen Arbeitsgerichtsbar-
2
Jahres gewählt. Umso erstaunlicher war für
keit sowie autonomen Tarifpartnern steht seit
uns die Erkenntnis, dass bislang kein Versuch
einiger Zeit zunehmend in Frage. Insbesondere
unternommen wurde, solche Fälle gezielt zu
die Privatisierungs- und Deregulierungspoliti-
sammeln und auszuwerten sowie dahinterste-
ken seit den 1990er Jahren, die mit den Refor-
hende Muster und Strategien analytisch zu er-
men der „Agenda 2010“ ihren Höhepunkt er-
fassen.
reichten, haben zu Effekten auf dem Arbeits-
Den entscheidenden Schritt zur Entschlüs-
markt geführt, die das historisch gewachsene
selung der erkannten Phänomene und zur Be-
System der Arbeitsbeziehungen vor große He-
griffsbildung machten wir durch einen Blick
rausforderungen stellt. Die sprunghafte Zunah-
über den Atlantik, durch die Beschäftigung mit
me der Zeit- bzw. Leiharbeit, die Prekarisie-
Geschichte und Gegenwart der US-amerikani-
rung der Arbeitsverhältnisse oder die zuneh-
schen Arbeiterbewegung. Was in Deutschland
mende Ausgliederung von Kompetenzen aus
viele Arbeiter, Angestellte, ja selbst erfahrene
den Unternehmen durch Werkvertragsvergabe
Gewerkschafter noch ungläubig staunen lässt,
wirken sich negativ auf die Gestaltungsmög-
ist in den USA seit Jahrzehnten geläufig: Union-
lichkeiten der Gewerkschaften und die Voraus-
USA: Union-Busting
Busting – die systematische Bekämpfung von
setzungen der betrieblichen Mitbestimmung
etablierter
Mitbestimmung und gewerkschaftlicher Orga-
durch Betriebsräte aus. Bei der Durchsetzung
Bestandteil der
nisierung – ist dort eine offen auftretende
und ideellen Vorbereitung dieser Neuordnung
Arbeitsbeziehungen
Branche. Union-Busting ist in den USA zudem
des Arbeitsmarktes spielen einflussreiche Ak-
Gegenstand
For-
teure im Bereich von wissenschaftlichen Insti-
schung. Daher werden im ersten Kapitel – mit
tuten, Stiftungen und Thinktanks eine gewichti-
dem Ziel einer Perspektivierung und begründe-
ge Rolle. Die Gemengelage aus diesen Ideen-
ten Begriffsbildung – die öffentlichen und wis-
und Stichwortgebern und den Arbeitsmarktre-
senschaftlichen Diskussionen über Union-Bus-
formen wird in Kapitel 3 diskutiert.
sozialwissenschaftlicher
ting in den USA behandelt. Auch werden erste
Wichtig für das Verständnis der in dieser
Annäherungen an das Phänomen in Deutsch-
Studie diskutierten Phänomene sind zudem
land besprochen.
„Pionierbereiche“, in denen bestimmte Prakti-
Das Sondermodell Deutschland mit seiner
ken vorgezeichnet wurden (Kapitel 4). Hier er-
im internationalen Vergleich aufwendigen und
staunte uns vor allem, wie früh einzelne Unter-
niedrigschwelligen Regulation von Arbeitsbe-
nehmen in Teilen der deutschen Wirtschaft
2 Eine Recherche des TV-Magazins Monitor hatte aufgedeckt, dass das Wort im Personalmanagement der Einzelhandelskette Bauhaus geläufig war. Siehe: Redaktion: Bauhaus bespitzelt seine Mitarbeiter, Mindener Rundschau 2.9.2011, http://www.mindener-rundschau.de/index.php/2011/09/02/bauhaus-bespitzelt-seine-mitarbeiter-baumarkt-in-minden-geplant/, abgerufen 31.8.2013.
10
E INLEITUNG
bereits – teils seit den 1960er Jahren – be-
sources-Spezialisten agieren in Deutschland
stimmte Strategien zur Senkung von erreichten
weitgehend außerhalb des Aufmerksamkeits-
Arbeitsrechtsstandards erprobt und durchge-
radius der kritischen Öffentlichkeit. Obgleich
Netzwerke außerhalb
setzt hatten.
sie sich intensiv austauschen, werden die von
öffentlicher
ihnen erarbeiteten und verbreiteten Konzepte
Wahrnehmung
Der Kern der Untersuchung speist sich aus den in unseren Fallstudien gewonnenen typi-
kaum zur Kenntnis genommen.
schen Verläufen von Union-Busting-Konflikten
Wegen der fehlenden institutionellen Erfas-
(Kapitel 5). Die Untersuchungen haben wir sys-
sung von Fällen, in denen Betriebsräte syste-
tematisiert nach Ursprüngen und Hintergrün-
matisch behindert und sabotiert wurden, man-
den, Konfliktverläufen sowie Methoden der
gelt es auch an einer gesicherten Basis dafür,
Betriebsratsverhinderung bzw. -zerschlagung,
welche und wie viele Anwälte und Dienstleister
um Strukturmuster zu identifizieren und so bes-
in Deutschland an diesen Tätigkeiten tatsäch-
ser einordnen zu können, vor welchen konkre-
lich maßgeblich beteiligt sind. Gleichzeitig
ten betrieblichen Hintergründen sich diese
gilt, dass die hier diskutierten Anwälte, Kanz-
Konflikte entzünden und mit welchen Methoden
leien und Institute nicht alle im selben Maße
Arbeitgeber und ihre Dienstleister hierbei vor-
und in der gleichen Intensität als Union-Buster
gehen.
auftreten. Gemein ist ihnen dennoch, dass sie
Unser besonderes Augenmerk lag auf Ak-
an zentraler Stelle bei der Bekämpfung von
teuren und Dienstleistern, die aggressive Un-
Betriebsräten beteiligt waren. Als wichtiges
ternehmerstrategien nicht nur durchexerzieren
Instrument der Zurückdrängung des Einflusses
und flankieren, sondern diese oftmals selbst
unabhängiger Gewerkschaften und betriebli-
entwerfen, mitunter proaktiv bewerben (Kapi-
cher Mitbestimmung werden weiter die gelben
tel 6). Der Blick auf konkrete Akteure und Ver-
Gewerkschaften (sogenannte „wirtschaftsfried-
antwortliche ist in Deutschland erstaunlich sel-
liche“ Gewerkschaften; siehe unten, Kapitel
ten zu finden. In Presseberichten werden zwar
6.2) und andere arbeitgebernahe bzw. von Ar-
regelmäßig Anwälte von betroffenen Betriebs-
beitgebern arrangierte Institutionen darge-
räten genannt und Gewerkschaftssekretäre zi-
stellt.
tiert, wesentlich seltener jedoch finden sich die
Zur Veranschaulichung unserer These, dass
Namen ihrer Gegenspieler aus dem Manage-
Union-Busting im Kern die abgestimmte und
der Unternehmerseite
ment. Um die Anwaltskanzlei der Unternehmer
systematische Bekämpfung von Betriebsräten
meist unsichtbar
oder für einen Konzern aktive Unternehmens-
und gewerkschaftlicher Interessenvertretung
berater oder Detektive herauszufinden, muss-
durch das Zusammenwirken unterschiedlicher
ten wir fast immer telefonisch nachrecherchie-
arbeitsteiliger Akteure ist, stellen wir in Kapi-
ren. Arbeitsrechtsanwälte der Arbeitgebersei-
tel 7 Fallbeispiele vor.
te, Wirtschaftskanzleien und Unternehmensbe-
Die vorliegende Arbeit ist selektiv und ex-
rater, ebenso das breite Netz aus Human-Re-
plorativ, somit ein erster empirischer, aber not-
Anwälte und Berater
11
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
wendigerweise noch unzureichend systemati-
schaftliche Veröffentlichungen gesammelt,
sierter Einblick in ein relativ neues Konflikt-
die vor allem folgende Konflikte zum Thema
feld. Ziel einer solchen Untersuchung kann es
haben: Verhinderung von Betriebsratswah-
nur sein, ein solches neues Konfliktfeld in den
len, Kündigung von etablierten Betriebsrä-
deutschen Arbeitsbeziehungen zu beschrei-
ten und bekannten Gewerkschaftern, Arbeit-
ben, Fakten in eine allgemeine Entwicklung
nehmerklagen gegen Verdachts- und Baga-
einzuordnen, Akteure zu benennen und die Öf-
tellkündigungen und ähnliche Methoden,
fentlichkeit, die Politik und tatsächlich und po-
geplante und durchgeführte Streiks. Diese
tenziell betroffene Gewerkschaften und Be-
haben wir nach beteiligten Akteuren auf
triebsräte zu sensibilisieren.
Seiten der Arbeitgeber sowie nach Konfliktverläufen und erkennbaren Methoden aus-
1.2 Die Arbeitsmethoden dieser Studie
gewertet. Zusätzlich haben wir häufig telefonisch nachrecherchiert.
Eine genaue Bestimmung des Umfangs von Uni-
Die Veröffentlichungen finden sich in Lokal-
Keine genauen Zahlen
on-Busting-Konflikten in den Betrieben in
medien, überregionalen Medien, Gewerk-
über Betriebsräte
Deutschland ist, anders als in den USA, nicht
schaftsmedien, Blogs, Webmagazinen und
möglich. Das deutsche Betriebsverfassungsge-
Fachliteratur. Hinzu kamen Experteninter-
setz (BetrVG) kennt weder eine Behörde, die
views mit Anwälten, Gewerkschaftssekretä-
mit der Überwachung und Durchsetzung fairer
ren und Publizisten.
Verhaltensformen betraut wäre, noch eine Mel-
In einer Datenbank haben wir 75 Fälle von
depflicht.
Union-Busting in einzelnen deutschen Un-
Presseberichte als
Daher müssen sich unsere empirischen und
ternehmen erfasst, die durch die genannten
statistischen Möglichkeiten – im Unterschied
Veröffentlichungen dokumentiert sind. Die
zu den Arbeiten von US-Forschern wie Kate
Sammlung ist keineswegs vollständig – im
Bronfenbrenner, John Logan und anderen –
Gegenteil.3
zunächst bescheiden ausnehmen. Zusätzlich
Qualitative Interviews mit Betroffenen: Wir
zur Auswertung von Literatur aus den USA und
haben als vertiefenden Schritt 12 qualitati-
aus Deutschland haben wir folgende Informa-
ve Leitfaden-Interviews mit von Betriebs-
tionsmöglichkeiten genutzt:
ratsverhinderung
oder
Betriebsratsbe-
Hauptquelle der
Inhaltsanalyse öffentlicher Medien: Seit
kämpfung bzw. -zerschlagung Betroffenen
Recherche
Mitte 2011 haben wir Zeitungs-, Hörfunk-,
geführt und ausgewertet. Die qualitative
Buchbeiträge, TV-Sendungen und gewerk-
Methode haben wir einerseits gewählt, weil
3 Viele Lokalzeitungen etwa sind online nicht einsehbar und für Suchmaschinen nicht erreichbar, da sie keine Kapazitäten für Online-Archivierung und -Präsentation (mehr) haben oder weil sie inzwischen sog. Paywalls (Bezahlschranken) eingeführt haben.
12
E INLEITUNG
eine quantitative Analyse aufgrund der
der laufenden Berichterstattung über
Betriebsrats-
oben genannten Probleme nicht angemes-
Forschungen, Konferenzen und aktuelle
bekämpfung:
sen erschien. Über die Befragung der Be-
Auseinandersetzungen in den USA auf
Intensive Interviews
troffenen lassen sich andererseits ver-
der Seite www.americanrightsatwork.
mit Betroffenen
schiedene Dimensionen der Problematik er-
org;
kennen, die sich in den Medien kaum wie-
Meldungen aus weiteren Portalen wie
derfinden: Ursprung und Verlauf der Kon-
www.labournet.de, www.nachdenksei-
flikte, Motive der Akteure, Muster und Ab-
ten.de und Blogs, die von Gewerkschaf-
weichungen, emotionale Tiefe.
ten und einzelnen Betriebsräten unter-
Netzwerkrecherche: Insbesondere hinsicht-
halten werden.
lich der Union-Busting-Dienstleister – wie der marktbeherrschenden Anwaltskanzleien, PR-Agenturen, Wirtschaftsdetekteien, Stiftungen, Arbeitsrechts-Institute – waren die öffentlichen Medien nicht ergiebig. Deshalb haben wir hier andere Quellen erschlossen: Webauftritte und Selbstdarstellung der Akteure und ihrer Zusammenschlüsse, national wie international; Fachbücher und Fachartikel in der Medienlandschaft der unternehmensnahen Beraterszene. Arbeitsgerichte und Websites: Zusätzliche, außerhalb der großen Öffentlichkeit zugängliche Informationen und Einschätzungen haben wir folgenden Quellen entnommen: Urteilen von lokalen und regionalen Arbeitsgerichten über Landesarbeitsgerichte bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG); Hinweisen über den Weblog http:// arbeitsunrecht.de, den wir Anfang 2012 eingerichtet haben; Hinweisen der Journalisten Albrecht Kieser und Günter Wallraff, die die Webseite www.work-watch.de betreiben;
1.3 Definition des Union-Busting für die vorliegende Studie Union-Busting ist die gezielte Anwendung und modulare Kombination von Praktiken, um arbeitgeberunabhängige Organisierung und Interessenvertretung in einem Betrieb, einer Branche oder innerhalb eines Staates zu unterbinden, auszuhebeln oder im Entstehen zu be- und verhindern. Union-Busting wird sowohl betrieben, um den erreichten Status quo an Kollektivität, Mitbestimmung und arbeitsrechtlichem Schutz anzugreifen, wie auch, um Organisierungsbemühungen von Beschäftigten möglichst im Keim zu ersticken. Dazu gehören sehr häufig Maßnahmen gegen einzelne Meinungsführer aus der Belegschaft, insbesondere Mitglieder von Vertretungsorganen oder Gewerkschaften, mit dem Ziel, diese zu diskreditieren, zu isolieren, zu entlassen. Hinzu kommen direkte Maßnahmen, um die Or-
13
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
ganisierbarkeit von Beschäftigten zu er-
Bezug auf alle für gewerkschaftliche und be-
schweren und die Legitimität etwa von
triebliche Mitbestimmung unverzichtbaren
Streiks, Betriebsräten oder Gewerkschaf-
Handlungsgrundlagen.
Ziel ist die maximale
ten insgesamt in Frage zu stellen. Ziel der
Union-Busting geht oft Hand in Hand mit Ver-
Handlungsfreiheit der
Anstrengungen ist die größtmögliche un-
suchen, eine Belegschaft nach Kosten- und Effi-
Unternehmer
ternehmerische Gestaltungsfreiheit bei
zienzgesichtspunkten zu optimieren und solche
der Nutzung menschlicher Arbeit.
Arbeitnehmer zu identifizieren und auszusondern, die im Raster der Verantwortlichen und ih-
14
Neben diesen unmittelbaren Union-Busting-
rer Berater als zu teuer, zu langsam, unflexibel,
Praktiken sind zudem indirekte Strategien und
unangepasst oder delinquent erscheinen.
Mechanismen von großer Relevanz, die den
Wir haben uns im Sinne einer Fokussierung
ideellen und praktischen Bezugsrahmen für
und Eingrenzung entsprechend dem Modell der
dieses neue Phänomen bereitstellen. Dazu ge-
deutschen Arbeitsbeziehungen auf eine enge
hören die gezielte Beeinflussung von Gesetz-
Definition des Union-Busting entlang kollekti-
gebung und Rechtsprechung sowie die Etablie-
ver Organisierung und Interessenvertretung in
rung von Überzeugungen und Verhaltensmus-
Betrieben und Branchen konzentriert, also im
tern, das heißt: auch der gesamte Komplex der
Wesentlichen auf die oben blau unterlegte
Auseinandersetzungen um Deutungshoheit in
Textpassage.
U NION -B USTING
IN DEN
USA UND IN D EUTSCHLAND
2. Union-Busting in den USA und in Deutschland
Der Begriff Union-Busting kommt aus den USA
gefächertes Dienstleistungsunternehmen, das
und bedeutet wörtlich „Gewerkschaftszerschla-
in Deutschland vor allem durch Westernfilme
gung“. Im selben Zusammenhang ist auch von
populär geworden ist.6 Weniger bekannt ist,
Union Avoidance (Gewerkschaftsvermeidung),
dass Pinkerton zum Schrecken der amerikani-
Counter
(Gegenorganisierung)
schen Arbeiterschaft wurde, weil die Agentur
oder Union Prevention (Gewerkschaftsvorbeu-
eine schlagkräftige Streikbrecher-Armee aus
Organizing 4
gung) die Rede. In Deutschland hat sich, ob-
Schlägern und Pistoleros unterhielt sowie ein
wohl bereits seit einiger Zeit ähnliche Vorgän-
Netz aus Spionen und V-Leuten, die in Betriebe
ge zu beobachten sind, bislang kein eigener
und Gewerkschaften eingeschleust wurden
Terminus für diese Praktiken etabliert.
(Smith 2003: 75). Die erste Zusammenstellung gewerk-
2.1 Union-Busting in den USA
schaftsfeindlicher Methoden aggressiver Unternehmervereinigungen
entstand
bereits
Unter diesem Etikett firmiert in den Vereinigten
1917. Die Darstellung des Ökonomen Robert
Staaten eine Industrie, die seit den 1970er Jah-
Franklin Hoxie, der an der Universität Chicago
ren ein rapides Wachstum verzeichnet. Zu ihr
lehrte und Mitglied der staatlichen Kommis-
gehören vor allem spezialisierte Anwaltskanz-
sion für Arbeitsbeziehungen war, wurde als Ho-
leien, Institute für Arbeitsbeziehungen (Labor
xies Liste bekannt (Hoxie u. a. 1921). Die Zeit-
Hoxies Liste:
Relations Institutes) und zahlreiche kleine Be-
schrift „The Nation“ veröffentlichte 1937 die so-
bereits 1917 gewerk-
raterfirmen.
genannte Mohikanertal-Formel (Mowhawk Val-
schaftsfeindliche
In den 1980er Jahren waren mehr als 1500
ley Formula), die in Unternehmerkreisen kur-
Unternehmer-
Union-Busting-Consultants tätig. Die Unterneh-
sierte – eine macchiavellistische Handlungs-
methoden in USA
men ließen sich das Union-Busting in den
anweisung in zehn Punkten, wie die Macht von
1990er Jahren etwa eine Milliarde Dollar jähr-
Gewerkschaften im Streikfall mit aller Härte zu
lich kosten (Logan 2002: 198).
brechen sei (Stolberg 1937).
Das Union-Busting hat in den Vereinigten
Robert Michael Smith hat eine Geschichte
Staaten eine lange Tradition, die bis zur Grün-
des kommerzialisierten Streikbruchs und Uni-
5
dung der Pinkerton-Agentur im Jahre 1850 in
on-Busting in den Vereinigten Staaten ge-
Chicago zurückreicht. Hier entstand ein breit
schrieben. Sie blickt bis zu den Anfängen in
4 In den USA existieren keine Betriebsräte. Eine Gewerkschaft muss in einem Betrieb eine bestimmte Zahl von Unterstützungsunterschriften zusammenbringen. Dann kann sie sich per Wahl als Vertreterin der Belegschaft anerkennen lassen. Erhält eine Gewerkschaft bei der Anerkennungswahl die Mehrheit der Stimmen, vertritt sie fortan die gesamte Belegschaft. Sie hat dann das Recht, mit der Geschäftsleitung eine Art Haustarifvertrag zu verhandeln (collective bargaining). Sämtliche Übersetzungen von Zitaten aus englischsprachiger Literatur stammen von den Vf. 5 Pinkerton’s National Detective Agency, 1999 vom schwedischen Sicherheitskonzern Securitas aufgekauft, vgl. http://www.securitas.com/Global/Germany/documents/de/flyer_geschichte.pdf, abgerufen 1.2.2013. 6 Pinkerton-Agenten wurden u. a. auf Banditen wie Jesse James, die Reno-Gang sowie Butch Cassidy und Sundance Kid angesetzt.
15
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
den 1870er Jahren zurück und beschreibt die
1980er Jahre wechselte Levitt die Seiten und
aufschlussreiche, mitunter atemberaubende
arbeitete fortan als Berater für den Gewerk-
Entwicklung der Branche: „From Blackjacks to
schaftsverband AFL-CIO. Sein Buch über seine
Briefcases“ – von Totschlägern zu Aktenkoffern
Zeit bei der Beraterfirma Sheridan Associates
(Smith 2003).
bietet einen plastischen und detailreichen Ein-
Der Brite John Logan, inzwischen Professor
blick in Muster, Taktiken, Denkweisen und Ver-
an der San Francisco State University, geht auf
haltensformen der amerikanischen Union-Bus-
die Entwicklung seit den 1950er Jahren ein und
ter (vgl. Levitt 1993). Kurz darauf meldete sich
richtet sein Augenmerk auf aktuell am Markt
auch sein Ziehvater John Sheridan zu Wort, der
aktive Firmen und Agenturen (Logan 2002;
in Levitts Buch äußerst schlecht wegkommt,
2006). Er macht deutlich, dass der historische
und gewährte Einblicke in sein Geschäft. Laut
Niedergang der US-Gewerkschaften – im Jahre
Sheridan gestaltete sich die Konjunktur für
2006 waren nur noch 7,9 Prozent der Beschäf-
Union-Busting-Agenturen Anfang der 1990er
tigten im Privatsektor Gewerkschaftsmitglie-
Jahre in den USA schwierig, weil Personalab-
der – wesentlich durch die Union-Busting-Pro-
teilungen großer Unternehmen sowie Full-Ser-
fis mitverursacht wurde (vgl. Bronfenbrenner/
vice-Wirtschaftskanzleien mittlerweile deren
Juravic 1994).
Methoden erlernt hätten und selbst anwenden
Kate Bronfenbrenner, Leiterin der Industri-
könnten (Moberg 1992). Die Studien von Kate
al Labor School der Cornell University (Ithaca,
Bronfenbrenner aus den folgenden Jahrzehn-
Upstate New York), erforscht seit Anfang der
ten zeigen aber, dass die Union-Buster keine
1990er Jahre Methoden und Strategien von Un-
allzu große Angst um ihre Geschäftsgrundlage
ternehmern gegen Gewerkschaftswahlen in
haben mussten.
US-Betrieben. Mit ihrer Studie über deren Aus-
Die Bedingungen, unter denen amerikani-
wirkungen auf den Ausgang von Wahlen zur
sche Gewerkschaften insbesondere in der Pri-
Gewerkschaftsanerkennung machte sie erst-
vatwirtschaft versuchen müssen sich zu be-
mals aggressive Methoden des Unternehmer-
haupten, sind ungleich schwieriger als in
lagers in systematischer Weise zugänglich
Deutschland. Wer allerdings die dortigen Kon-
(ebd.).
flikte zwischen Gewerkschaften und Arbeitge-
Ein Jahr zuvor veröffentliche Martin Jay Le-
bern erforschen will, hat es in den USA wesentlich leichter.
„Bekenntnisse eines
vitt seine autobiografischen „Bekenntnisse ei-
Union-Busters“
nes Union-Busters“. Levitt hatte seine Karriere
Seit 1935 unter Franklin D. Roosevelt der
sorgen 1992 für
Ende der 1960er Jahre beim damaligen Markt-
Wagner Act (genauer: National Labor Relations
Wirbel in den USA
führer Sheridan Associates begonnen und sich
Act, NLRA) verabschiedet wurde, gibt es eine
in den 1970er Jahren als selbstständiger Anti-
Bundesbehörde für Arbeitsbeziehungen (Na-
Gewerkschafts-Berater im Hotel- und Gaststät-
tional Labor Relations Department). Sie unter-
tengewerbe einen Namen gemacht. Ende der
hält vor Ort Räte für Arbeitsbeziehungen (Na-
16
U NION -B USTING
IN DEN
USA UND IN D EUTSCHLAND
tional Labor Relation Boards, NLRB), die für die
perer 2007: 17). Die Autoren gehen davon aus,
Wahrung von gewerkschaftlichen Rechten zu-
dass Gewerkschaftsaktivisten oder Organizer
ständig und mit einer eigenen Gerichtsbarkeit
im Betrieb eine 15- bis 20-prozentige Wahr-
und juristischen Durchsetzungsmöglichkeiten
scheinlichkeit auf Entlassung haben, wenn es
7
ausgestattet sind. Hier müssen Wahlen zur An-
zu einer Kampagne für die Anerkennung einer
erkennung von Gewerkschaften angemeldet
Gewerkschaft kommt (ebd.).
werden, können Rechtsverstöße und unfaire
In ihrer Studie „No Holds Barred“ („Ohne
Praktiken vorgebracht, untersucht und ggf. be-
Rücksicht auf Verluste“, 2009b) untersuchte
straft werden. Aus dieser zentralen Funktion
Kate Bronfenbrenner den Einsatz von Metho-
ergibt sich ein umfangreiches Datenmaterial,
den, die bei Kampagnen gegen die Anerken-
das – begünstigt durch vergleichsweise weit
nung einer Gewerkschaft im Unternehmen ein-
Die Zeiten werden
reichende Rechte zur Informationsfreiheit –
gesetzt werden. Die Wissenschaftlerin konnte
härter: „Unser
von Forschern genutzt werden kann.
auf Daten von 1004 NLRB-Anerkennungs-Wah-
Arbeitsrechtssystem
So haben John Schmitt und Ben Zipperer die
len zwischen dem 1. Januar 1999 und dem
ist kaputt“
Entwicklung illegaler Entlassungen in mehre-
31. Dezember 2003 zurückgreifen. Davon hat
ren Kampagnen gegen Gewerkschaftswahlen
sie 562 Kampagnen eingehender untersucht
untersucht. Sie konnten auf belastbares Daten-
und kommt zu folgendem drastischen Befund:
material seit 1974 und auf frühere Studien zu-
„Unser Arbeitsrechtssystem ist kaputt“ (Bron-
rückgreifen; für Einzelaspekte war sogar eine
fenbrenner 2009b: 26).
Betrachtung ab 1951 möglich. Die Autoren kommen zu folgenden Schlüssen: „Beginnend mit
Ohne Rücksicht auf Verluste
dem Ende der 1970er, aber vor allem seit den
Die Forscherin Kate Bronfenbrenner
frühen 1980er Jahren, fingen amerikanische
schreibt im Jahr 2009 über Arbeitgeber-
Arbeitgeber an, als Strategie zur Untergrabung
Strategien in den USA gegen Wahlen zur
von
Gewerkschaftsanerkennung im Betrieb:
Gewerkschaftsvertretungs-Kampagnen
systematischen und weitverbreiteten Gebrauch
„In 96 Prozent der Fälle startete der Ar-
von illegalen Entlassungen zu machen. […] Von
beitgeber eine Anti-Gewerkschaftskampa-
diesem Höhepunkt in den frühen 1980ern ging
gne; in 89 Prozent der Fälle hielt er als ver-
die Rate in den 1990ern etwas zurück, auch
pflichtend angeordnete Belegschaftsver-
wenn sie verglichen mit früheren Maßstäben
sammlungen ab;8 in 53 Prozent der Fälle
hoch blieb. Ab 2000 jedenfalls stieg die Zahl
waren es mehr als 5 Versammlungen;
Illegale Entlassungen
illegaler Entlassungen stark an“ (Schmitt/Zip-
7 Die Realität dieser Räte ist allerdings ernüchternd. Amerikanische Quellen sprechen von einer systematischen Aushöhlung und Unterfinanzierung des NLRB und seiner ursprünglichen Möglichkeiten (siehe Logan 2011a). 8 Ziel dieser Versammlungen ist es, die Angestellten gezielt antigewerkschaftlich zu beeinflussen und einzuschüchtern.
17
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
in 75 Prozent der Fälle wurden externe Be-
vestment-Regeln, unterfinanzierten und
rater hinzugezogen; in 74 Prozent der Fäl-
schwachen
le wurden Anti-Gewerkschaftsflugblätter
scheint Arbeitgeber ermutigt zu haben,
verteilt; in 61 Prozent der Fälle waren es
sich zunehmend über das Bundesgesetz
mehr als 5 verschiedene“ (Bronfenbren-
für Arbeitsbeziehungen hinwegzusetzen.
ner 2009b: 11).
Es gibt keine Bußgelder oder Strafverfah-
Sie kommt daher zu drastischen Schlüs-
ren und keine gesonderten Strafen für
sen über den Zustand der regulierten Ar-
Wiederholungstäter (Bronfenbrenner
beitsbeziehungen in den USA:
2009b: 24-26).
Arbeitsaufsichtsbehörden
„Die Zeiten werden härter. […] Das Wesen der Gegenmaßnahmen wan-
John Logan hat die Entwicklung der Arbeitsauf-
delt sich hin zu Zwangs- und Bestrafungs-
sichtsbehörde NLRB analysiert: Seit ihrer Ein-
Errungenschaften
taktiken, die darauf zugeschnitten sind,
richtung während des New Deals in den 1930er
des New Deals syste-
Gewerkschaftsaktivitäten intensiv zu über-
Jahren unter Präsident Franklin Roosevelt ist
matisch demontiert
wachen und abzustrafen.
sie schrittweise zurückgebaut worden, sowohl
Der Einsatz von Beratern und als verpflich-
personell als auch durch den Entzug von Kom-
tend angeordneten Belegschaftsversamm-
petenzen. Unter Präsident Ronald Reagan wur-
lungen (Captive Audience Meetings) und
den unter dem Motto „Kampf gegen die Korrup-
Einzelgesprächen mit Vorgesetzten blieb
tion“ den Gewerkschaften, nicht jedoch den
in den letzten 20 Jahren relativ konstant,
Unternehmern erstickende bürokratische Be-
aber der Einsatz von Zwangs- und Vergel-
richtspflichten auferlegt. Unter Präsident
tungsmaßnahmen hat zugenommen.
George W. Bush wurde diese Praxis weiter ver-
Gleichzeitig hat die Bereitschaft der Ar-
schärft, und in der Amtszeit von Barack Obama
beitgeber abgenommen, Anreize zu setzen
läuft sie unverändert weiter. Dass Obama hier
wie außerplanmäßige Lohnerhöhungen,
nichts tut, obwohl er seine Wahlsiege auch den
Personalwechsel, Versprechen von Ver-
Gewerkschaften verdankt, verstärkt die Resig-
besserungen, Bestechung, Gefälligkeiten,
nation in der Arbeiterschaft (Logan 2011a).
Events, Weiterbildungsprogramme.
18
Forscher wie Logan, Bronfenbrenner und
Maßnahmen, die früher typisch für ag-
andere kamen deshalb Ende der 1990er Jahre
gressive Arbeitgeber wie Walmart waren,
zu der Feststellung, dass die Gewerkschaften
sind nicht länger dem extrem antigewerk-
sich reorganisieren müssen, etwa durch strate-
schaftlichen Spektrum des Arbeitgeberla-
gische Erschließung und gewerkschaftliche
gers vorbehalten.
Organisierung neuer Betriebe und Branchen
Die Kombination von Deregulierung, in-
(Organizing) sowie gezielte Aktionen gegen
vestorenfreundlichen Handels- und In-
Union-Busting, wenn sie nicht noch unbedeu-
U NION -B USTING
IN DEN
USA UND IN D EUTSCHLAND
tender werden wollten, als sie es schon gewor-
im Bereich des Arbeitslebens fest: Selbst wenn
den waren (vgl. Bronfenbrenner/Friedman/
Arbeitsgerichte Beschäftigten etwa nach einer
Hurd 1998).
Kündigung Recht gaben, hieß das meist nicht, dass die Beschäftigten wieder eingestellt wur-
2.2 Union-Busting in Deutschland
den oder gesetzlich geschützt eine Wahl zum Betriebsrat durchführen konnten. Der Schutz
Der Begriff Union-Busting oder ein entspre-
der Arbeitgeberinteressen sei und bleibe das
chender deutscher Begriff wurden lange Jahre
vorrangige Prinzip, Arbeitsrecht und Betriebs-
nicht verwendet. Es lag auch kein besonderes
verfassungsgesetz gälten erst in zweiter Linie
Augenmerk auf dem Spektrum an professionel-
(vgl. Zeuner 1991).
len Dienstleistern und proaktiven Beratern, die
Diese kritisch-analytischen Ansätze verlo-
von den Unternehmensleitungen herangezo-
ren sich im Trubel der „Wende-Zeit“. Die westli-
gen wurden, sowie auf unternehmensinternen
chen Gewerkschaften wurden in der öffentli-
Stabsstellen, die eigens für diese Aufgaben
chen Wahrnehmung als Verlierer des Zusam-
geschaffen wurden.
menbruchs der sozialistischen Staaten gehan-
Unternehmer-
1987 veröffentlichte das Rheinische Journa-
delt. Für die genannten Autoren waren, wie
methoden gegen
listenbüro eine Sammlung von Reportagen
schon erwähnt, professionelle Dienstleister
Betriebsratswahlen in
über Fälle aggressiver Betriebsratsverhinde-
beim Kampf der Unternehmensleitungen gegen
Deutschland bereits
rung bei BMW, beim WAZ-Zeitungskonzern (Es-
Gewerkschaften und Betriebsräte noch kein
1987 beschrieben
sen), beim damals größten deutschen Schnitt-
Thema. Man erwähnte zwar häufig nebenbei,
blumenbetrieb Buhk (Hamburg), bei der Ge-
dass auch „Anwälte“ beteiligt waren und zahl-
bäudereinigungsfirma Schäfer (Neukirchen-
reiche Abmahnungen verschickten. Aber kein
Vluyn), bei der Hühnerfarm Pohlmann (Neuen-
einziger Anwalt wurde beim Namen genannt.
kirchen-Nellinghof) und bei McDonald’s (vgl.
Arbeitsrechtsprofessoren, die den Unterneh-
Rheinisches Journalistenbüro 1987).
mensvorständen jahrzehntelang wissenschaft-
Etwa zu dieser Zeit wird das Thema auch
lich und medial zu Hilfe gekommen waren, wur-
zum Gegenstand wissenschaftlicher empiri-
den nicht als Teil des Problems betrachtet und
scher Untersuchungen: 1991 gab der Politikpro-
daher nicht erwähnt. Auch die bis in die 1980er
fessor Bodo Zeuner einen Sammelband über
Jahre wirkenden und weit verbreiteten Metho-
Betriebsratsbekämpfung in deutschen Unter-
den der Gewerkschaftsniederhaltung, die nach
nehmen heraus. Es handelte sich um die Berli-
dem „Harzburger Modell“ gestrickt waren,
ner Niederlassungen von Ford, Monheim (Scho-
blieben ausgeblendet. Diese modellhafte Pra-
koladenindustrie), BMW, Siemens und Bosch
xisanleitung wurde in der von Konzernen finan-
sowie um VW in Salzgitter und Hoechst in
zierten „Akademie für Führungskräfte der Wirt-
Frankfurt-Griesheim. Zeuner stellte anhand der
schaft“ in Bad Harzburg gelehrt und erlangte
konkreten Fälle die mangelnde Rechtsgeltung
bis in die 1980er Jahre hinein in deutschen Un-
19
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
ternehmen eine weite Verbreitung, ohne wis-
versucht worden, die Bildung von Betriebsrats-
senschaftlich und publizistisch gebührend Be-
gremien zu verhindern bzw. zu beeinflussen.
9
Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, wie
achtung zu finden.
klar Lucifero damals die Methodik erkannte – Frühe Warnsignale
und gleichzeitig überraschend, dass eine sys-
Der Thüringer ver.di-Sekretär Angelo Lucifero
tematische Beschäftigung mit der Problematik
berichtete im Jahr 2002 von Methoden, die
trotzdem ausblieb.
Gründung eines Betriebsrats (BR) zu verhindern und – aufgrund mangelnden Erfolgs – an-
Im Jahr 2003 protokollierte ein anonymer Ge-
schließend einzelne Betriebsratsmitglieder
werkschafter das Seminar „In Zukunft ohne
systematisch zur Aufgabe zu bringen: „In einer
Betriebsrat (BR)“, das die Kanzlei Schreiner +
Tochterfirma des HELIOS-Klinikums Erfurt, der
Partner mit Sitz in Attendorn damals regelmä-
Klinikum Erfurt Reinigungs GmbH, wurde 2001
ßig für Manager und Unternehmer abhielt und
erstmals versucht, einen Betriebsrat zu wäh-
auch heute noch in vergleichbarer Form abhält.
len. Die Wahl wurde mehrfach durch die Ge-
Darin werden vier Königswege skizziert, wie
schäftsführung angefochten, Wahlvorstands-
man eine betriebsratsfreie Zone schaffen kann:
mitglieder wurden gekündigt; es erfolgten
Durch die Bildung kleinerer Unternehmens-
Zwangsversetzungen und reihenweise Abmah-
einheiten kann dem bestehenden Betriebs-
nungen. Nachdem der Betriebsrat dann doch
rat die Basis entzogen werden.
rechtskräftig ins Amt kam, wurde durch die Ge-
Gegen den bestehenden Betriebsrat nach
schäftsführung rechtswidrig eine Bewachungs-
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kön-
firma beauftragt, ein unangenehmes Betriebs-
nen alternative Belegschaftsausschüsse
ratsmitglied zu bespitzeln. Über mehr als zwei
mit dem Ziel initiiert werden, den Betriebs-
Wochen wurde minutiös dokumentiert, wo sich
rat durch loyale Vertretungen zu ersetzen.
Frau H. aufgehalten und was sie getan hat. Auf
Die Konfrontationsstrategie besteht darin,
der Basis dieser Bespitzelungsprotokolle kam
den gesamten Betriebsrat oder einzelne Be-
wegen ungenügender Arbeitsleistung und -do-
triebsratsmitglieder wegen „grober Verstö-
kumentation die fristlose Kündigung.“
10
ße“ gegen das BetrVG gemäß § 23 Abs. 1 vor
Lucifero beschreibt hier auf komprimierte
Gericht zu bringen oder einzelne Betriebs-
Weise eine damals häufig angewandte Metho-
ratsmitglieder mit Hilfe des Zustimmungs-
de. Weiter berichtet er, bei den Betriebsrats-
ersetzungsverfahrens vor dem Arbeitsge-
wahlen 2001 sei von Unternehmerseite häufig
richt zu kündigen. Auch wenn das Gericht
9 Zum „Harzburger Modell“ siehe die Hinweise zu Aldi in Kapitel 4.2. 10 Angelo Lucifero: Bespitzelung und Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes, http://labournet.de/branchen/ dienstleistung/gw/helios.html vom 3.5.2002, abgerufen 31.1.2013.
20
U NION -B USTING
IN DEN
USA UND IN D EUTSCHLAND
die Klagen zurückweist, hat das starken ne-
– Der Rausschmeißer“; es ist die Rede von „sys-
gativen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit
tematischem Psychoterror“. Die Stuttgarter
des Betriebsrats.
ver.di-Sekretärin Christina Frank nannte Nau-
Naujoks sorgt
Mit der Wahlbeeinflussungsstrategie wird
joks „einen brutalen Betriebsratskiller, dem
für Empörung
12
versucht, auf die Wählerliste Einfluss zu
jedes Mittel recht ist“. Das Interesse der „Süd-
nehmen und somit darauf, wer wählen und
deutschen Zeitung“ wurde auch geweckt durch
wer sich zur Wahl stellen darf. Häufig ver-
den zähen Widerstand von Seiten der Betriebs-
sucht man dabei, leitende Angestellte für
rätin Andrea Widzinski, die von Naujoks nach
die Wahl zu positionieren. Dabei wird auch
elf Jahren Betriebsratstätigkeit in der Volks-
die Geschlechterquote instrumentalisiert,
bank Ludwigsburg zur Aufgabe ihres Arbeits-
indem unliebsame Kandidaten durch aus
platzes gebracht werden sollte.
Unternehmenssicht geeignetere (beein-
Der Schriftsteller Günter Wallraff, der seit
flussbare) Kandidatinnen und Kandidaten
den 1960er Jahren Reportagen aus der Arbeits-
ersetzt werden. Ziel der Strategie ist, eine
welt veröffentlicht, nahm ab 2008 solche Prak-
arbeitgeberfreundliche Liste zu etablieren.
tiken ebenfalls aufs Korn. Mit seinen „Expedi-
Auch eine formale Anfechtung der Wahl ge-
tionen ins Landesinnere“ machte Wallraff eine
11
hört zu den eingesetzten Strategien.
größere Öffentlichkeit mit dem Wirken der deutschen Union-Busting-Berater und Rechts-
Erst ab etwa 2007 wurde das Thema allmählich
anwälte Naujoks und Dirk Schreiner bekannt
von überregionalen Medien entdeckt. Auslöser
(vgl. Wallraff 2009). Der Kölner Autor Albrecht
waren die Aktivitäten des Rechtsanwalts Helmut
Kieser beschrieb – oft in Zusammenarbeit mit
Naujoks: Aufsehenerregende Fälle gezielter Be-
Wallraff – ausgehend von Informationen über
kämpfung von Betriebsräten drangen zunächst
die Tätigkeit Naujoks’ in Radio-Features und
an die lokale, dann an eine bundesweite Öffent-
TV-Reportagen seit 2008 einzelne Fälle aggres-
lichkeit. Durch Naujoks’ unverblümtes Auftreten
siven Betriebsrats-„Bossings“. Auch wenn Kie-
Der Begriff Bossing
wurde eine Systematik erkennbar, die nicht
ser und Wallraff für sich den Begriff des Bos-
taucht ab 2007 in
mehr mit den besonderen Neigungen einzelner
sings (Mobbing durch den Boss) verwendeten,
Deutschland auf
Vorgesetzter erklärbar war.
um die festgestellten Methoden zu benennen,
Uwe Ritzer titelte 2007 in der „Süddeutschen Zeitung“: „Ein Mann für besondere Fälle
beschreiben sie einige wichtige Aspekte unseres Themas.13
11 Anonymus: „In Zukunft ohne Betriebsrat“. Praxisseminar Schreiner. Protokoll eines ver.di-Mitarbeiters, der undercover teilnahm, Ort und Zeit unbekannt. Labournet 10.9.2003. www.labournet.de/archiv/gewerkschaft/ btrvg/ohnebr.pdf, abgerufen 15.2.2013. 12 Uwe Ritzer: Ein Mann für besondere Fälle – Der Rausschmeißer, in: Süddeutsche Zeitung, 13.7.2007. 13 Brennpunkt Betrieb: „Bossing als politisches Konzept“, http://www.work-watch.de/bossing-als-gesellschaftspolitisches-konzept/, abgerufen 26.6.2013; in den USA wird statt Bossing der Begriff „harrassement“ für systematische Schikanierung von Untergebenen verwendet (vgl. Bronfenbrenner 2009: 1, 19).
21
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Nicht zu unterschätzen für die öffentliche
In etwa zeitgleich zu unserer Arbeit hatte
Wahrnehmung des Problemfelds waren ferner
das Forscherteam Martin Behrens und Heiner
Investigative TV-
die Arbeiten investigativer Journalisten der TV-
Dribbusch vom Wirtschafts- und Sozialwissen-
Formate berichten
Magazine frontal21, Monitor, stern TV und RTL
schaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-
explosiv sowie der dritten ARD-Programme
Stiftung mit einer Umfrage unter DGB-Gewerk-
(NDR fakt, WDR Markt u. a.), die sich ebenfalls
schaften begonnen. Sie gingen einer ähnlichen
seit etwa 2008 stärker mit der Unterdrückung
Fragestellung nach wie unsere Studie, verfol-
von Betriebsräten und Gewerkschaftsmitglie-
gen aber eine andere Methode. Die Wissen-
dern befassen.
schaftler verschickten einen Multiple-Choice-
Insbesondere im Bereich der Supermarkt-
Fragebogen an Gewerkschaftssekretariate und
und Discounterketten regte es sich im gewerk-
fragten in lokalen Gliederungen der Gewerk-
schaftlichen Umfeld. Die Hans-Böckler-Stif-
schaften ver.di, NGG, IG Metall und IG BCE bun-
tung veröffentlichte eine Monografie von Sa-
desweit verschiedene Methoden der Betriebs-
rah Bormann zum Drogerie-Discounter Schle-
ratsverhinderung und -bekämpfung ab. Diese
Management-Opposi-
cker, in der sie mitbestimmungsfeindliche
wurden anonymisiert ausgewertet. Insgesamt
tion: 241 Versuche,
Strategien analysiert (Bormann 2007). Der
ließen sich 241 Betriebe finden, in denen Ar-
Betriebsratsgründun-
ver.di-Bezirk Rhein-Neckar veröffentlichte
beitgeber nach Kenntnis lokaler Gewerk-
gen zu verhindern
2010 eine umfangreiche Broschüre, in der die
schaftssekretäre seit 2010 versucht hatten, Be-
Schlecker-Kampagne 1994/1995 der Vorgän-
triebsratsgründungen zu verhindern – in
ger-Gewerkschaft HBV dargestellt und analy-
34 Prozent der Fälle mit Erfolg. Im Schnitt kann-
siert wurde. Schlecker hatte zahlreiche Be-
ten 59 Prozent der befragten Sekretäre Fälle
schäftigte gekündigt, die einen Betriebsrat
von Behinderungen der Betriebsratswahl durch
gründen wollten, und in einem Fall auch Be-
das Management. Die hierfür eingesetzten
stechungsgelder eingesetzt, um einen ge-
Maßnahmen waren die Einschüchterung mögli-
wählten Betriebsrat von einer Betriebsratssit-
cher Kandidaten (73 Prozent der Fälle), Verhin-
zung fernzuhalten (ver.di Rhein-Neckar 2007).
dern der Bestellung eines Wahlvorstandes
Die von der Gewerkschaft ver.di herausgege-
(43 Prozent), Kündigung von Kandidaten
benen Schwarzbücher über den Discounter
(24 Prozent), Kündigung von Mitgliedern des
Lidl in Deutschland und Europa vermitteln ge-
Wahlvorstandes (18 Prozent), „Herauskaufen“
nauere Einblicke in rabiate, vielfach geset-
von Kandidaten (16 Prozent), Verweigerung der
zeswidrige Strategien (ver.di 2004; 2006).
Herausgabe von Personallisten zur ordentli-
Hinzu kamen autobiografische Konfliktge-
chen Wahlvorbereitung (12 Prozent) (Behrens/
schichten
Dribbusch 2014: 143-145).
22
der
Lidl-Betriebsrätin
Ulrike
Schramm-de Robertis (2010) und des ausge-
Neben der Verhinderung von Neugründun-
stiegenen Aldi-Managers Andreas Straub
gen stand für Behrens und Dribbusch die von
(2012).
ihnen „Managementopposition“ genannte In-
U NION -B USTING
IN DEN
USA UND IN D EUTSCHLAND
tervention gegen etablierte Betriebsräte und
berfinanzierte Organisationen und Institute.
ihre Mitglieder im Fokus. Hier war der Rücklauf
Darin wurde detailliert die Arbeit der privatfi-
aus den lokalen Gliederungen der vier DGB-
nanzierten „Economic Development Partner-
Gewerkschaften niedriger. Im Schnitt gaben
ship of Alabama“ geschildert, die Unterneh-
38 Prozent der befragten Sekretäre an, solche
men bei der Verhinderung gewerkschaftlicher
Fälle zu kennen. Zu den festgestellten Maß-
Arbeit und Organisierung in den Betrieben pro-
nahmen gehörten die Kündigung von BR-Mit-
fessionell unterstützte und dafür eigens die
gliedern (56 Prozent), das Drängen zum Rück-
„Right-to-Work-Stiftung“ gegründet hatte.14 Die
tritt (36 Prozent), Beantragung der Auflösung
Stiftung finanzierte einen Berater, der die Inte-
des BR beim Amtsgericht (13 Prozent) und die
ressen der Stiftung und der Beschäftigten, die
gezielte Reorganisation/Aufspaltung des Un-
sich nicht von der UAW vertreten lassen wollten
ternehmens (12 Prozent) (Behrens/Dribbusch
und die sich im „Informationskommitee der
2014: 145-147).
Team-Mitglieder“ zusammengeschlossen hat-
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gast-
ten, im Werk vertreten sollte. Dieser in der ge-
stätten (NGG) hat unseres Wissens erstmals den
gengewerkschaftlichen Arbeit erfahrene Bera-
Begriff Union-Busting in einem deutschen Text
ter führte die mediale Begleitung der Anti-
verwendet. In einer Studie über McDonald’s
UAW-Kampagne durch.15
stellte die NGG fest: „Die aus der amerikani-
Dieselbe Zeitung veröffentlichte einen Be-
schen Sozialpolitik bekannte Strategie des
richt des Gewerkschafts-Campaigners Jeffrey
Vorreiter in
‚Union-Busting‘ soll auch in Deutschland salon-
Raffo. Er beschrieb einen erbitterten Konflikt
Deutschland
fähig gemacht werden“ (NGG 1999: 3).
im US-Bundesstaat Indiana beim Katalogver-
McDonald’s als
Im Jahr 2000 findet sich in der linksgewerk-
sand Brylane, der seit 1999 zum französischen
schaftlichen Zeitung „express“ die detaillierte
Konzern Pinault-Printemps-Redoute gehörte
Beschreibung eines Falls von Union-Busting in
(bekannt durch Marken wie Gucci oder Yves
Union-Busting
einem Werk von Mercedes-Benz im US-Bundes-
Saint-Laurent). Die etwa 1000 Beschäftigten,
bei Daimler Benz
staat Alabama. Es ging um die erfolgreiche Zer-
überwiegend Frauen, versuchten vergeblich,
in Alabama
schlagung einer Organisierungskampagne der
die Anerkennung ihrer Gewerkschaft Unite mit
United Automobile Workers (UAW, Vereinigte
Hilfe gesetzlich vorgeschriebener und garan-
Automobilarbeitergewerkschaft) durch einen
tierter Wahlen zu erreichen. Das Unternehmen
Union-Busting-Berater und spezielle arbeitge-
ging bei der Behinderung dieser Anerkennung
14 Right to work: Der Begriff beteuert ein Recht auf Arbeit, ist aber irreführend. Gemeint ist das Recht, trotz Streikaufrufs zu arbeiten und gewerkschaftsfrei zu bleiben. Die entsprechende Gesetzgebung, die gegenwärtig in 24 US-Staaten gilt, heißt „Right to Work Law“. Vgl. Richard Kahlenberg/Moshe Marvit: „Right to Work“ Isn’t a Civil Right. But Unionizing Should Be („Recht auf Arbeit“ ist kein Bürgerrecht, aber gewerkschaftliche Organisierung sollte es sein), in: New Republic, 13.12.2012. 1 5 Jeff Ball: Gehe zurück auf null? Zur Organisierungskampagne der UAW in Alabama, in: Wall Street Journal, 31.1.2000, erschienen in: express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Nr. 2/2000.
23
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
systematisch vor (antigewerkschaftliche Be-
Arbeiter auf Anordnung des Brylane Manage-
triebsversammlungen, Verbreitung von antige-
ments zur ersten Priorität der Firma.“16
werkschaftlichen Flugblättern und persönli-
Diese Berichte schildern erstmals Union-
chen Briefen, Entlassungsdrohungen etc.). Raf-
Busting mit detaillierter Nennung der Akteure
fo beschrieb dabei die handelnden Akteure als
und ihrer konkreten Tätigkeiten. Bisher richte-
„Union-Busters“: „Brylane musste diese unsau-
ten sich Aufmerksamkeit und Interesse in
bere Strategie nicht allein entwickeln. Ice-Mil-
Deutschland meist auf skandalöse Arbeitsbe-
ler, eines von vielen antigewerkschaftlichen
dingungen in einzelnen Betrieben und Bran-
Beratungsunternehmen (sogenannten ‚Union-
chen sowie auf besondere Aspekte oder Diskur-
Busters‘), wurde eigens dafür eingestellt. Auf
se wie Prekarität, Neoliberalismus oder Post-
ihren Websites bieten solche Unternehmen
fordismus. Dies hat sich, wie Kapitel 2 gezeigt
Serviceangebote wie ‚unionfree maintenance
hat, seit Anfang des Jahrzehnts geändert.
training‘ [Schulung dazu, wie man einen Be-
Inzwischen wird auch in deutschen Gewerk-
trieb
hält,
schaften an prominenter Stelle von Union-Bus-
A. d. Vf.] und ‚vulnerability audits‘ [Analyse ei-
ting als einer systematischen Praxis in Deutsch-
nes Betriebs im Hinblick auf die Ansprechbar-
land gesprochen (Boewe/Schulten 2013) und in
keit der Beschäftigten durch Gewerkschaften,
der Diskussion um das ebenfalls in den USA
A. d. Vf.] an. Ice-Miller machte die Kampagne
entwickelte Prinzip des Organizing berücksich-
gegen die organisierenden Arbeiterinnen und
tigt (Wetzel 2013).
dauerhaft
gewerkschaftsfrei
16 Jeffrey Raffo: Der Duft der weiten Welt. Von Brylane über Yves St. Laurent und Gucci zurück, in: express – Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 4/2003, www.orka-web.de/Weiterlesen/ DerDuftDerWeitenWelt.pdf, abgerufen 16.1.2013.
24
N EUORDNUNG DES A RBEITSMARKTES UND MÄCHTIGE I DEENGEBER
3. Die Neuordnung des Arbeitsmarktes und die Rolle mächtiger Ideengeber Um nachvollziehen und verstehen zu können, auf welcher Grundlage und infolge welcher Ver-
3.1 Die Neuordnung des Arbeitsmarktes
änderungen der Wirtschafts- und Arbeitswelt
Parallel zu den Finanz- und Unternehmensver-
sich Fälle von systematischer Bekämpfung von
hältnissen wurde mit besonderer Intensität seit
Betriebsräten ausbreiten, lohnt es sich, einen
Ende der 1990er Jahre auch der Arbeitsmarkt in
Blick auf die zentralen Arbeitsmarktreformen
Deutschland dereguliert. Die Ausweitung von
und strukturellen wirtschaftlichen Veränderun-
Leiharbeit, von Mini- und Midijobs, Soloselbst-
gen der letzten Jahre zu werfen.
ständigkeit, von Befristungen sowie erhöhte
Dabei darf nicht außer Acht gelassen wer-
Flexibilisierungsanforderungen und die Zunah-
den, dass bei diesen Entwicklungen auch ver-
me von Werkverträgen ist verbunden mit der
schiedene Institute und Stiftungen, die als
systematischen Auslagerung von Unterneh-
Ideengeber und Vordenker die politischen, wis-
mensteilen und der Problematik der Tarifflucht.
senschaftlichen und öffentlichen Diskussionen
Dies hat dazu geführt, dass gesicherte, kolle-
Kollegiale Arbeits-
beeinflussen und mitprägen, von erheblicher
giale Arbeitsverhältnisse und das damit ver-
verhältnisse
Bedeutung waren. Sie sind, direkt und indi-
bundene Selbstbewusstsein der Belegschaften
stehen unter Druck
rekt, in die praktische und theoretische Vorbe-
zunehmend unter Druck geraten sind.
reitung und Begünstigung von Union-Busting-
Die 2005 erfolgte Zusammenlegung von Ar-
Praktiken in Deutschland involviert. Diese
beitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslo-
Praktiken wurden durch die Neuregulierung
sengeld (ALG) II und der dadurch gestiegene
der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik begünstigt
Druck auf ALG-II-Bezieher, (aufgrund der Zu-
bzw. teilweise erst ermöglicht. Zudem treten
mutbarkeitsregelung) jedwede Arbeit anzuneh-
einige Juristen aus diesem Feld, die rechtliche
men, dürfte einen beträchtlichen Anteil an der
Gutachten und Aufträge für Unternehmen, An-
Expansion des Niedriglohnsektors haben.
Schaffung des
wälte und Verbände erstellen, mit einer dezi-
Durch die Zahlung von aufstockendem ALG II für
deutschen
diert und explizit mitbestimmungsfeindlichen
Geringverdiener subventioniert der Staat zu-
Niedriglohnsektors
Agenda auf. Einige der wichtigsten Akteure und
dem Niedriglöhne und schafft Anreize für Un-
ihre Arbeitsschwerpunkte werden im Folgen-
ternehmer, verstärkt auf geringfügige Beschäf-
den hier diskutiert. Zuerst seien jedoch die an-
tigung zu setzen. Zeitgleich und teilweise
gesprochenen grundsätzlichen Verschiebun-
dadurch befördert nahm der Druck auf langjäh-
gen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, die das
rig Beschäftigte mit regulären Verträgen zu.
Gelegenheitsfenster für Union-Busting weit
Zwar bedarf es für einen methodisch und
aufgestoßen haben, in gebotener Kürze skiz-
empirisch gesicherten Nachweis, inwiefern
ziert.
und in welchem Umfang diese Neustrukturierungen des Arbeitsmarktes zur Herausbildung der in dieser Untersuchung nachgewiesenen antigewerkschaftlichen Praktiken und Union-
25
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Busting-Strategien geführt haben, einer genau-
verbände, die sich auf bestimmte Bereiche der
eren wissenschaftlichen Analyse. Dennoch las-
zerklüfteten Arbeitsverhältnisse spezialisie-
sen sich einige grundlegende Zusammenhänge
ren, etwa bei den Briefzustelldiensten und bei
herstellen, die als maßgeblich für die Entste-
Dienstleistungen für Krankenhäuser und Su-
hung dieser Problematik betrachtet werden kön-
permärkte. Auch die Branche der Verleihfir-
nen. So ist nach wie vor eine starke Tendenz zur
men, die früher alle im Leiharbeitsgeschäft tä-
Aufgliederung und Heterogenisierung von Ar-
tig waren, hat sich auf einzelne Segmente spe-
beitsverhältnissen und Unternehmensformen zu
zialisiert, z. B. auf Werkvertragsarbeiter oder
Auslagerung und
beobachten. Unternehmen werden mit Hilfe von
Regaleinräumer.
Aufspaltung erschwe-
Unternehmensberatern, Wirtschaftsprüfern und
Diese neuen Arbeitgeberverbände und
ren Organisierung
Investmentbanken in viele Tochter- und Beteili-
Leiharbeitsfirmen können wiederum auf gelbe,
gungsunternehmen im In- und Ausland aufge-
wirtschaftsfreundliche Gewerkschaften zurück-
spalten. Die rechtlichen Unternehmenseinhei-
greifen, die sich vermehrt anbieten, um Tarif-
ten werden dadurch immer kleiner.
verträge der etablierten Gewerkschaften zu
Gleichzeitig werden die traditionellen For-
unterlaufen. Selbst wenn Tarifverträge beste-
men der lohnabhängigen Arbeit immer weiter
hen, kann ihre Umsetzung kaum kontrolliert
aufgeweicht. Dem „Normalarbeitsverhältnis“
werden. Sogar ein Weltmarktführer wie die
stehen heute zunehmend Formen von „atypi-
Verleihfirma Randstad kann so die Lohnabrech-
scher“ Arbeit gegenüber. Sie reicht von lang-
nungen zulasten der Leiharbeiter manipulieren
fristiger Leih- und Werkvertragsarbeit über zu-
und den eigenen Beschäftigten dafür Boni be-
nehmende Formen der Soloselbstständigkeit,
zahlen – ohne dass die Aufsichtsbehörden ein-
Minijobs bis zu prekären und niedrig bezahlten
greifen.17
Arbeitsverhältnissen, die vom Staat „aufge-
In dieser vielfältig zerklüfteten Landschaft
stockt“ werden müssen. Es haben sich insbe-
sind nun neuerdings die in dieser Studie be-
sondere in den unteren Arbeitsmarktsegmen-
schriebenen, professionellen Betriebsratsfein-
Der Trend zur
ten auch Mehrfachbeschäftigungen etabliert.
de im Auftrag der Unternehmensleitungen tä-
Tarifflucht und das
In Deutschland entstand so das lange Zeit nur
tig. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass
Entstehen neuer
aus den angloamerikanischen Ländern bekann-
die gewerkschaftliche Organisierung und die
Arbeitgeberverbände
te Phänomen der Arbeitsarmut („Working
Vertretung von Belegschaftsinteressen durch
Poor“) (Seils 2012).
gewählte Betriebsräte und vor allem die Neu-
Die Tarifflucht der Unternehmer ist zudem verbunden mit der Bildung neuer Arbeitgeber-
wahl von Betriebsräten immer schwieriger geworden sind.
17 Achim Pollmeier/Peter Onneken: Ausgetrickste Leiharbeiter. Das Totalversagen der Bundesagentur für Arbeit, ARD/Monitor 4.7.2013.
26
N EUORDNUNG DES A RBEITSMARKTES UND MÄCHTIGE I DEENGEBER
3.2 Diskursive und strategische Projekte mächtiger Ideengeber
wissenschaftliche und künstlerische Projekte fördern (z.B. Deutsche Bank, BMW/Quandt, McKinsey, Price Waterhouse Coopers). Einige
Insbesondere Unternehmensstiftungen und ar-
Stiftungen sind zugleich als Lobbyisten im Be-
beitgebernahe bzw. arbeitgeberfinanzierte
reich Arbeitsrecht tätig. Das wachsende Seg-
Ideologische
Wissenschaftsinstitute arbeiten seit längerer
ment des Lobbyismus ist seit einigen Jahren
Vorfeldarbeit
Zeit daran, Arbeitsrechte, kollektive Arbeit-
Objekt kritischer Analysen und bürgerrechtli-
nehmermitbestimmung und den sozialstaatli-
cher Initiativen.18 Wir greifen hier nur solche
chen Status quo umzugestalten.
Aktivitäten auf, mit denen Stiftungen auf politi-
Dabei ist es keinesfalls überraschend, dass
sche Parteien und auf die Öffentlichkeit Ein-
arbeitgebernahe Institutionen politisch an ei-
fluss zu nehmen versuchen und mit denen sie
ner Agenda im Sinne ihrer Auftraggeber arbei-
einen bedeutenden Anteil an der im vorigen
ten. Gleichwohl sind die folgenden Stiftungen
Kapitel beschriebenen Neuordnung des Ar-
und Institute zentral für das Verständnis des-
beitsmarktes haben. Sie bereiten in indirekter
sen, was sich in den vergangenen Jahren in Be-
Weise den Boden für die antigewerkschaftli-
zug auf gewerkschafts- und mitbestimmungs-
chen Praktiken der Union-Busting-Akteure.
feindliche Einstellungen und Strategien verän-
Beispielhaft hierfür werden aufgrund ihrer be-
dert und in diesem Sinne den ideellen und
sonderen Relevanz und Bedeutung zwei Stiftun-
praktischen Nährboden für Union-Busting be-
gen porträtiert.
reitet hat. Diese Akteure sind zudem in verschiedener Weise mit den in Kapitel 6 disku-
Bertelsmann Stiftung. Die Bertelsmann Stif-
tierten Akteuren verbunden. Auch wenn sie
tung besitzt den Großteil der Aktien des Ber-
nicht direkt als „Union-Buster“ in den Betrie-
telsmann-Konzerns. Nachdem sie vom NRW-
ben auftauchen, können sie als wesentlich für
Wissenschaftsministerium unter Johannes Rau
die Verbreitung von Union-Busting in Deutsch-
(SPD) 1977 als gemeinnützig anerkannt worden
land betrachtet werden.
war, konnte der größte europäische Medienkonzern seine Steuern erheblich verringern.
Unternehmensstiftungen
Dafür finanzierte der Konzern die Stiftung bis
Die Gesellschaftsform der Stiftung hat ein äu-
2012 mit einer Milliarde Euro; der Jahresetat
ßerst positives, weil wohltätiges Image. Auch
2012 betrug 111 Millionen Euro. Gegenwärtig
zahlreiche Unternehmen gründen staatlich ge-
beschäftigt sie 328 Mitarbeiter und 19 Füh-
förderte Stiftungen. Damit können sie Steuern
rungskräfte und unterhält Büros in Washington
senken (z.B. Aldi, Bertelsmann) und karitative,
und Brüssel (Bertelsmann 2013: 83-86). Schon
18 Etwa durch den Verein Lobbycontrol e. V.; siehe: www.lobbycontrol.de und www.lobbypedia.de.
27
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Anfang der 2000er Jahre war sie zum mächtigs-
Zumutbarkeitsregeln bei der Arbeitsaufnahme,
ten Einflüsterer deutscher Regierungen, Minis-
die stärkere Einbeziehung der Vermögen, ver-
terien, Kommunen und Parteien aufgestiegen
kürzte Anwartschaftszeiten und neue Sank-
(Böckelmann/Fischler 2004).
tionsmöglichkeiten in die Hartz-Gesetze Ein-
Die Stiftung war nicht in der Hartz-Kommis-
gang (Hassel/Schiller 2010).
sion vertreten, wollte und sollte aber bei der
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen
Deregulierung des Arbeitsmarktes mitwirken.
setzte die enge Zusammenarbeit mit der Stif-
Deshalb gründete das von der Stiftung schon
tung fort. Mit 1,35 Millionen Euro finanziert das
länger beratene Bundesarbeitsministerium
Ministerium das Bertelsmann-Projekt „Gesell-
(BMA) unter Wolfgang Clement im Jahre 2002
schaftliche Verantwortung im Mittelstand“. Die
zusammen mit der Stiftung den Arbeitskreis
Stiftung koordiniert in Absprache mit dem Mi-
„Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe“.
nisterium zudem 73 Projekte des Europäischen
Das Gremium war nicht an das Ministerium an-
Sozialfonds in Deutschland.19
gebunden, sondern an die Stiftung.
2007 veröffentlichte die Stiftung den in ih-
Der Arbeitskreis, in dem u. a. Martin Kan-
rem Auftrag erstellten Entwurf eines einheitli-
negießer vom Arbeitgeberverband Metall Mit-
chen Arbeitsvertragsgesetzes. Darin sollen die
glied war, propagierte die Einführung des
zwei Dutzend verstreuten Arbeitsgesetze (Kün-
Workfare-Systems nach dem Muster des US-
digungsschutz, Arbeitszeit, Schwangerschaft,
Bertelsmann Stiftung
Bundesstaates Wisconsin, in dem die Gewäh-
Behinderte …) zusammengefasst werden. Die
entwirft Workfare-
rung sozialer Unterstützungsleistungen für Ar-
Vorschläge entsprechen Unternehmerwün-
Strategien für
beitslose an besonders harte Auflagen gekop-
schen: Binnenflexibilisierung (erleichterte
Deutschland
pelt ist. Der Arbeitskreis tagte nichtöffentlich.
Vertragsänderung bei „dringenden betriebli-
Die Stiftung organisierte die wissenschaftliche
chen Gründen“), erweiterte Änderungsvorbe-
Expertise und Auslandsreisen. Hauptergebnis
halte in Arbeitsverträgen, erleichterte Kündi-
waren die Vorschläge zur Abschaffung der bis-
gungen und Befristungen, Abfindungsregelun-
herigen Form der Arbeitslosenhilfe und zum
gen statt arbeitsrechtlicher Auseinanderset-
Leistungsabbau in der Arbeitslosenversiche-
zungen (Schubert 2009: 70 ff.).
rung im Rahmen der „Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe“. Der Arbeits-
Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung. In Ge-
kreis präsentierte seine Vorschläge unter dem
schäftsführung und Vorstand dieser Stiftung –
Namen der rasch gegründeten „Kommission
sie ist nach dem Atomphysiker Carl Friedrich
von unabhängigen Sachverständigen“, die
von Weizsäcker benannt – sind neben Theolo-
danach in das Konzept der Hartz-Kommission
gieprofessoren vor allem pensionierte Vertre-
integriert wurden. So fanden die verschärften
ter von Unternehmen wie Aral und Messer-
19 Hans-Peter Siebenhaar: Geldsegen für Gütersloh, in: Handelsblatt 17.8.2012.
28
N EUORDNUNG DES A RBEITSMARKTES UND MÄCHTIGE I DEENGEBER
schmidt-Bölkow-Blohm vertreten.20 Ihr Ziel ist
in dem betroffenen Unternehmen oder der
es, die „Ethik der Moderne“ zu erarbeiten.
Branche zutreffen.
Das bezieht sich auch auf den Stiftungs-
Im Vorfeld des Gesetzentwurfs hatte die
schwerpunkt „Zukunft der Arbeit“. Leiter die-
Stiftung das Institut für Demoskopie Allens-
ses Bereichs ist Frank Meik vom Bonner Insti-
bach mit einer Umfrage beauftragt, die er-
tut für die Zukunft der Arbeit (IZA). Die Stif-
brachte, dass zwei Drittel der Befragten sich
tung organisiert Konferenzen, Expertenge-
für solche Einschränkungen ausgesprochen
spräche und Gutachten. Dabei bringt sie füh-
haben sollen.21 Für das Gutachten holte die Stif-
rende Mitarbeiter anderer Stiftungen sowie
tung Professoren verschiedener Universitäten
Weizsäcker-Stiftung
von Instituten, Kanzleien und Universitäten
zusammen: Martin Franzen (München), Gregor
für Streikverbot in
zusammen.
Thüsing (Bonn) und Christian Waldhoff (Berlin).
der „Daseinsvorsorge“
So veröffentlichte sie im März 2012 einen Gesetzesvorschlag, dem zufolge Streiks in Be-
Arbeitgeberfinanzierte Universitätsinstitute
reichen der Daseinsvorsorge eingeschränkt
Nach der klassischen Auffassung war das Ar-
werden sollen (Franzen/Thüsing/Waldhoff
beitsrecht ein Schutzrecht für Arbeitnehmer.
2012). Dazu gehören beispielsweise der Flug-
Die Vertreter dieser Richtung an den Universi-
und Schienenverkehr, medizinische Versor-
täten sind inzwischen fast vollständig abgelöst
gung, Telekommunikation, Bildungswesen,
worden durch Professoren, die Arbeitsrecht als
Versorgung mit Energie und Wasser, Entsor-
Teil des Privatrechts und als Kampfrecht im In-
gung, Zahlungsverkehr, Landesverteidigung
teresse der Unternehmensseite verstehen. Ver-
und innere Sicherheit sowie Feuerwehr und
stärkt wird diese Ausrichtung durch zahlreiche
Bestattung. Anlass für diesen Vorschlag war
Juristen, die als Unternehmensanwälte tätig
ein Streik von Fluglotsen und Bodenpersonal
sind und Lehraufträge an öffentlichen und pri-
am Flughafen Frankfurt und an anderen Flughä-
vaten Hochschulen innehaben. Dadurch wan-
fen. Streiks sollten zudem mindestens vier
delt sich auch die Auffassung beim Nachwuchs
Tage vorher angekündigt werden; mindestens
der Arbeitsrichter.
die Hälfte der Beschäftigten müsse in einer Ur-
Es handelt sich um eine „gefährliche Ent-
abstimmung für den Streik gestimmt haben,
wicklung, in der sich das Privatrecht das Ar-
damit er zulässig sei. Schließlich sollten Spar-
beitsrecht zurückholt“ (Rehder 2011). Die Spit-
tengewerkschaften nur dann streiken dürfen,
ze dieser Entwicklung bilden von Konzernen
wenn die erhobenen Tarifforderungen auf
und Arbeitgeberverbänden mehr oder weniger
mindestens 15 Prozent der Arbeitsverhältnisse
verdeckt finanzierte Universitätsinstitute.
20 www.cfvw.org/stiftung, abgerufen 20.11.2012. 21 Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung: Pressemitteilung 19.3.2012.
29
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeits-
ne Zeitung“ öffnet ihm regelmäßig ihre Spalten.
recht (ZAAR). 2003 gründeten der Verband der
Dort polemisiert er gegen „lügende“ und „pö-
Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, der
belnde“ Arbeitsrichter sowie gegen deren
Verband der Metall- und Elektroindustrie Ba-
„Machtanmaßung“ (FAZ 20.11.2010; 2.4.2009;
den-Württemberg und der Bundesarbeitgeber-
2.8.2008), hält Mindestlöhne für „schizophren“
verband Chemie die Stiftung für Arbeitsbezie-
(FAZ 8.11.2008) und beklagt die „Übermacht des
hungen und Arbeitsrecht (StAR). Sie zahlten
Kollektivs“ in Gestalt von Gewerkschaften und
Professor Rieble
aus ihrem Arbeitskampf-Fonds 55 Millionen
Betriebsräten (FAZ 8.8.2009). Er polemisiert
polemisiert
Euro als Stammkapital ein. Die bayerische Re-
gegen die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS):
gierung erkannte die Stiftung als gemeinnützig
Die Razzien der „Arbeitspolizei“ seien verfas-
22
an. Als alleinige Aufgabe finanziert die Stif-
sungswidrig (FAZ 10.7.2009). Unter der Über-
tung seit 2004 das Zentrum für Arbeitsbezie-
schrift „Mehr Spaß ohne Tarif“ bezeichnet er Ta-
hungen und Arbeitsrecht (ZAAR). Das ZAAR ist,
rifverträge als etwas, das man „schwer wieder
obgleich privat finanziert, ein Institut der Uni-
loswird“ (FAZ 27.3.2010). Der ZAAR-Professor kommt regemäßig zu
versität München. Volker Rieble, Abbo Junker und Richard Gie-
dem Befund, dass Arbeitnehmer von den Ar-
sen wurden von der Universität zu Professoren
beitsgerichten zu gut behandelt würden. So
und Lehrstuhlinhabern ernannt, anschließend
bezeichnete er die Berliner Kassiererin „Em-
sofort beurlaubt und werden, wie das Institut
mely“ als „notorische Lügnerin“, ihre „Rechts-
mit 17 Mitarbeitern und zwei Dutzend Hilfskräf-
verfolgungsstrategie“, die den Gang bis zum
ten, von der Stiftung bezahlt. Sie bezeichnen
Bundesarbeitsgericht (BAG) beinhalte, beruhe
sich weiter als Professoren der Universität.
„auf Lug und Trug“.24 Seit das BAG die Kündi-
Zum Forschungsdirektorium des ZAAR gehört
gung der streitbaren Kaiser’s-Kassiererin auf-
weiterhin der Arbeitsrechtler Professor Martin
grund einer Bagatelle als unverhältnismäßig
Institute als Bestand-
23
Franzen, der von der Universität bezahlt wird.
zurückgewiesen hat (Az. 2 AZR 541/09), pole-
teile öffentlicher
Die Arbeitgeber nutzen so das wissenschaftli-
misiert Rieble gegen das Urteil: Es führe zur
Universitäten
che Image der Universität.
Unsicherheit bei den Arbeitgebern, denn nun
Privat finanzierte
Geschäftsführender Direktor des ZAAR ist
gebe es „keine absoluten Kündigungsgründe“
Volker Rieble, der in besonders aggressiver
mehr.25 Die Entscheidung des BAG zur Tarifun-
Weise für eine Umgestaltung des klassischen
fähigkeit der Christlichen Gewerkschaft CGZP
Arbeitsrechts wirbt. Die „Frankfurter Allgemei-
hält er für rechtswidrig.26
22 Ralph Hötte/Georg Wellmann: Werkverträge: Das nächste Lohndumping-Modell der Arbeitgeber, ARD/Monitor 2.2.2012. 23 ZAAR-Tätigkeitsbericht 2009, S. 7 f. 24 Jost Müller-Neuhof: Rechtsprofessor nennt Emmely „notorische Lügnerin“, in: Der Tagesspiegel, 16.7.2009. 25 Volker Rieble: Bloß kein Urteil, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.12.2011. 26 Volker Rieble: Tariflose Zeitarbeit?, in: Betriebsberater 35/2012, 27.8.2012.
30
N EUORDNUNG DES A RBEITSMARKTES UND MÄCHTIGE I DEENGEBER
Das ZAAR betreibt eine eigene Schriftenrei-
walt Naujoks. Die Arbeitgeber benannten Rieb-
he und einen eigenen Verlag. Zu seinen Veröf-
le als Schlichter im Fluglotsenstreik 2012. Er
fentlichungen gehört der Leitfaden „Rechts-
sieht sich laut Interviewaussagen offensicht-
schutz gegen Mindestlohn“. Das ZAAR gibt die
lich als Teil einer „Mitbestimmungsvermei-
„Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht“
dungsindustrie“ und fühlt sich getragen von ei-
heraus. Es veranstaltet Konferenzen und jährli-
ner „Riesenfluchtbewegung vor der drohenden
che Kongresse, bei denen als Referenten Ver-
paritätischen Mitbestimmung“.28
treter der „christlichen“ Gewerkschaften ebenso auftreten wie Vertreter der Deutschen Bank
Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Im Zuge
und Vertreter großer Arbeitsrechts-Kanzleien,
der Privatisierung der Bundespost ernannte die
so z. B. Gleiss Lutz und Noerr Stiefenhofer.
Bundesregierung 1990 Klaus Zumwinkel zum
Bei der Tagung „Freie Industriedienstleis-
Geschäftsführer. Er war zuvor Mitglied in der
Werkverträge als
tungen als Alternative zur regulierten Zeitar-
Gesamtgeschäftsführung von McKinsey. Mit
Ausweichmöglichkeit
beit“ im Jahre 2011 stellte das ZAAR das neue
Hilfe von McKinsey und der US-Investmentbank
gegen Equal Pay in
Rechtskonstrukt der Werkverträge vor. Damit
Morgan Stanley organisierte er die Umstruktu-
der Leiharbeit
soll das seit 2009 geltende Prinzip „gleicher
rierung der Post zu einem privaten Weltkon-
Lohn für gleiche Arbeit“ für Leiharbeiter (equal
zern und im Jahre 2000 schließlich den Börsen-
pay) unterlaufen werden. Teilnehmer der teu-
gang der Deutsche Post World Net AG. Deren
ren und gut besuchten Konferenz waren Vertre-
Vorstandschef blieb er bis 2008. Auch nach sei-
ter u. a. von Bosch, BASF, BMW, Deutscher
nem vorzeitigen Ausscheiden als verurteilter
Bahn, Manpower, Randstad, Metro, Porsche,
Steuerhinterzieher blieb Zumwinkel noch jah-
Siemens und die arbeitsrechtlichen Top-Kanz-
relang Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen
27
leien.
Rieble ist nicht nur beamteter Universitätsprofessor, sondern geht nach eigenen Worten
Telekom, der Allianz, der Lufthansa, der Postbank AG sowie von Morgan Stanley Deutschland und Quelle/Arcandor.
wie andere solcher Professoren auch zusätz-
Nach der Privatisierung gründete er 1997
lich einer „freiberuflichen Nebentätigkeit“
die Deutsche Post-Stiftung. Diese stellt die
nach. Das gilt nicht nur für seine regelmäßigen
Grundförderung für das IZA bereit. Das Institut
Kolumnen in der FAZ. Er tritt häufig als Gutach-
hatte zunächst die Aufgabe, die Umstrukturie-
ter für Unternehmen und Anwälte auf, so für
rung der Arbeitsbeziehungen der privatisierten
Aldi und für den bereits genannten Rechtsan-
Post zu unterstützen. Wie das ZAAR ist es recht-
27 Ralph Hötte/Georg Wellmann: Werkverträge: Das nächste Lohndumping-Modell der Arbeitgeber, ARD/Monitor 2.2.2012. 28 „Der Arbeitgeber ist dem Richter ausgeliefert“, Interview mit Prof. Volker Rieble, in: impulse 2/2012, www.impulse.de/recht-steuern/der-arbeitgeber-ist-dem-richter-ausgeliefert, abgerufen 22.8.2013.
31
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
lich eingebunden in die Universität Bonn und
modell zu ersetzen31 – wie es auch der Entwurf
umgibt sich somit mit dem Image einer staatli-
des Arbeitsvertragsgesetzes der Bertelsmann
chen wissenschaftlichen Einrichtung. Es be-
Stiftung vorsieht. Reduzierung des Normalar-
zeichnet sich als „unabhängig“. Präsident der
beitsverhältnisses, mehr Arbeitsplätze für Ge-
Poststiftung wie auch des IZA war und ist Klaus
ringqualifizierte, Arbeitspflicht für alle Hilfe-
Zumwinkel. Institutsdirektor Klaus Zimmer-
empfänger (Workfare), Lohnflexibilität, flexib-
mann, ein bekennender Neoliberaler, war bis
lere und längere Arbeitszeiten, mehr Flexibili-
2011 zugleich Chef des Deutschen Instituts für
tät für Hochqualifizierte, Anhebung des Renten-
Wirtschaftsforschung (DIW).
eintrittsalters – das sind Stichworte aus dem
Das IZA spielte in der Vorbereitung der
Forschungsprogramm.32
Agenda 2020:
Hartz-Gesetze eine wichtige Rolle. Drei IZA-
Direktor Zimmermann schlägt den Renten-
Rente mit 70?
„Fellows“ (Mitglieder) gehörten der Hartz-
eintritt mit siebzig Jahren vor.33 Hilmar Schnei-
Kommission an: Hanns Eberhard Schleyer, Nor-
der stellte auf einer Tagung der Hanns-Martin-
bert Bensel und der Kommissionsvorsitzende,
Schleyer-Stiftung die Idee einer „Arbeitslosen-
29
Professor Günther Schmid. Hilmar Schneider,
Auktion“ vor. Seiner Vorstellung nach könnten
Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt im IZA, ar-
Arbeitslose leichter auf dem Arbeitsmarkt ver-
beitete in einem von der Bertelsmann Stiftung
mittelt werden, wenn man sie meistbietend für
und vom Arbeitsministerium parallel zur Hartz-
einen Arbeitseinsatz versteigerte. „Da kann je-
Kommission gegründeten Arbeitskreis mit, der
der bieten, ob Unternehmen oder Privathaus-
die Deregulierung des bisherigen Arbeitslo-
halt. Wer zum Beispiel Leute braucht, die ihm
sengeldes vorbereitete (Schneider u. a. 2004)
den Keller entrümpeln, gibt an, welchen Stun-
(siehe oben den Abschnitt über die Bertels-
denlohn er dafür zu zahlen bereit ist.“34
mann Stiftung). Das IZA führt die Agenda 2010 mit der Agen30
Den Arbeitsmarktteil der Agenda 2020 möchte das IZA in Abstimmung mit der Bundes-
da 2020 fort. In diesem Rahmen schlägt das
regierung europaweit durchsetzen; Zimmer-
Institut vor, den gesetzlichen Kündigungs-
mann lobte in Anwesenheit von Finanzminister
schutz zu streichen und durch ein Abfindungs-
Wolfgang Schäuble 2012 bei einer Konferenz
29 Helga Spindler: Stunde der Technokraten, in: junge welt, 22.2.2012. 30 Zur Agenda 2010 der SPD/Grünen-Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder gehörten seit 1999 die Hartz-Gesetze I bis IV, Steuervorteile für Kapitalgewinne, die Deregulierung des Finanzsystems und die Öffnung der deutschen Unternehmen für internationale Investoren. 31 Jochen Gaugeler/Olaf Gersemann/Dorothea Siems: Das ist der 15-Punkte-Plan für Deutschland, Welt Online, 25.8.2012. 32 Vgl. die Zusammenstellung „Propagandastudie des IZA für die INSM“ von Wolfgang Lieb, nachdenkseiten.de 18.12.2007, abgerufen 10.12.2012; siehe auch die Liste der IZA-Forschungsberichte seit 1999: www.iza.org/en/ webcontent/publications/reports. 33 Ein Mann sieht grün. Der Arbeitsökonom Klaus Zimmermann, in: Süddeutsche Zeitung, 8.1.2013. 34 Meistbietend: Arbeitslose zu versteigern, Focus Money Online, 14.2.2006, abgerufen 3.12.2012.
32
N EUORDNUNG DES A RBEITSMARKTES UND MÄCHTIGE I DEENGEBER
in Schweden das deutsche Vorbild: „Deutsch-
international vernetzter Thinktank (Denkfa-
land blickt zurück auf die größte Arbeitsmarkt-
brik). „Rund 1200 renommierte Ökonomen aus
und Sozialreform seiner Nachkriegsgeschich-
mehr als 45 Ländern sind Teil des weltweiten
te, deren Konzept vor zehn Jahren vorgestellt
IZA-Forschungsnetzwerks.“36 Es hält enge Ver-
IZA pflegt ein
bindungen zu etwa hundert sogenannten Re-
riesiges Netzwerk
Das IZA erstellt einen großen Teil seiner
search Fellows und Policy Fellows; das sind
aus „Fellows“
Gutachten für das Bundesarbeitsministerium,
oder waren aus Deutschland z. B. Martin Kan-
für die Bertelsmann Stiftung, für die Initiative
negießer (Gesamtmetall), Florian Gerster (Ex-
Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) oder den
Chef der Bundesagentur für Arbeit), Dirk Nie-
Deutschen Industrie- und Handelskammertag.
bel (FDP, ehemaliger Entwicklungshilfeminis-
Viele Initiativen der Bundesregierung gehen
ter), Professor Bert Rürup (Vorstand der Masch-
auf Vorschläge des Instituts zurück. So unter-
meyer Rürup AG), Thilo Sarrazin (Ex-Bundes-
stützte es z. B. die Initiative von Ex-Bundeswirt-
banker), Nikolaus Piper (Süddeutsche Zeitung)
schaftsminister Rösler zur Anwerbung von
und Heinz Buschkowsky (Bezirksbürgermeister
Fachkräften aus EU-Krisenstaaten.
Berlin-Neukölln). Das IZA vergibt Forschungs-
35
wurde.“
Das Institut berät nicht nur Regierungen in
stipendien und verleiht jährlich einen mit
aller Welt, sondern auch die Europäische Kom-
50.000 Euro dotierten Preis auf dem Gebiet der
mission und die Weltbank. Es versteht sich als
Arbeitsökonomie.
35 IZA-Experten fordern europaweite Initiative für flexibleren Arbeitsmarkt, www.iza.org/de/webcontent/news/ index_html#393, abgerufen 20.11.2012. 36 www.iza.org/de, abgerufen 3.12.2012.
33
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
4. Wegbereiter des Union-Busting in Deutschland
Neben diesen strategisch-wissenschaftlichen und diskursorientierten Akteuren haben sich
4.1 „Billigflaggen“ erobern die Schifffahrtsbranche
allerdings in bestimmten Branchen mitbestimmungsfeindliche Unternehmenskulturen schon
Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten deutsche
vor Jahren, teilweise vor Jahrzehnten als Prin-
Reedereien die Möglichkeit, ihre Schiffe in
zip durchgesetzt.
Kleinstaaten wie Liberia, Panama, Bermuda
Es stellt sich also zunächst die Frage, wann
und den Kaimaninseln zu registrieren. Gebüh-
bestimmte Entwicklungen, die wir heute als
ren und Steuern waren dort extrem niedrig, es
tiefgreifende Veränderungen der Arbeitswelt
gab kaum Tarifverträge; Sicherheits- und Ar-
sehen, angefangen haben, wer die Ersten wa-
beitsschutzbestimmungen bestanden nicht be-
ren, die sie konkret eingesetzt haben. Dabei
ziehungsweise wurden nicht kontrolliert. Das
zeigt sich, dass sich einzelne Konzerne als Vor-
richtete sich nicht zuletzt gegen die hohe
reiter betätigten, ohne auf neue Gesetze zu
Streik- und Organisationsfähigkeit, die See-
warten. Sie erklärten ihre Betriebe zur „be-
leute und Hafenarbeiter sich erkämpft hatten.
Ausflaggung von
triebsratsfreien Zone“ und führten eigenmäch-
Neben dieser sogenannten „Ausflaggung“
Schiffen seit
tig verschiedene Formen von Niedriglohnsyste-
bedienten sich die Reedereien der Möglich-
Anfang der 1970er
men ein. Sie unterliefen arbeitsrechtliche
keit, ausländische Seeleute etwa von den Phi-
Standards. Diese Praktiken wurden in den be-
lippinen, aus Pakistan und von den Gilbert- und
troffenen Branchen schrittweise auch von an-
Ellice-Inseln weithin rechtlos und zu gerings-
deren Unternehmen übernommen. Neben US-
ten Kosten anzuheuern. Die Reedereien unter-
Konzernen wie McDonald’s und UPS waren dar-
hielten dort eigene Rekrutierungsstellen. Bei
an auch deutsche Familienunternehmen wie
Streiks wurden häufig ganze Besatzungen
Aldi beteiligt. Schon in den 1970er Jahren be-
durch „Gefälligkeitsbesatzungen“ beziehungs-
gannen sie in der Bundesrepublik als betriebs-
weise „Streikbrecher-Crews“ ausgetauscht
rats- und tarifvertragsfeindliche Unternehmen.
(Geffken 1979: 71 ff.; zur neueren Entwicklung
Mitten im „rheinischen Kapitalismus“ setzten
vgl. Lillie 2006).
sie – von Regierungen und Staatsanwälten un-
Obwohl seit den 1950er Jahren die Gewerk-
gehindert – in ihrem Bereich das für das bun-
schaft Internationale Transportarbeiter-Föde-
desdeutsche Modell typische Mitbestimmungs-
ration (ITF; dazu gehörte auch die deutsche Ge-
recht der Arbeitnehmer außer Kraft und trugen
werkschaft ÖTV, heute ver.di) Streiks organi-
damit zur Herausbildung und Verbreitung einer
sierte, Schiffe in Häfen festhielt und immer
neuen Unternehmenskultur bei.
wieder Tarifverträge erzwingen konnte, war die Ausflaggung nicht zu bremsen. Seit Beginn der 1970er Jahre entwickelte sie sich zum internationalen Standard. Die Reedereien heuerten für kleines Geld asiatische Mannschaften
34
W EGBEREITER DES U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
ebenso an wie Techniker, die in den Konsulaten
Branchen ausgedehnt, z. B. auf Lkw-Speditio-
der Billigflaggen-Staaten günstig Seemanns-
nen und Fluglinien (Kummer u. a. 2006).
patente (Gewerbebefugnisse) kaufen konnten. Dafür mussten sie nicht die berufsqualifizierenden Abschlüsse vorweisen, die deutsche Seeämter für ein amtliches Befähigungszeugnis verlangt hätten.
4.2 Discount- und Handelsketten: Das „Harzburger Modell“ als Unternehmensstrategie
Die aus der Fusion der Reedereien Bremer
1962 strukturierten Aldi Nord und Aldi Süd ihre
Lloyd und Hapag 1971 hervorgegangene Hapag-
Supermärkte nach dem Discount-Prinzip um
Lloyd – damals die größte Reederei der Welt –
(Aldi = Albrecht-Discount): Die Kette der Gebrü-
forcierte diese Entwicklung in Deutschland.
der Albrecht konzentrierte sich auf wenige,
Der Verband der Deutschen Reeder (VDR) än-
aber häufig verkaufte Waren, kleine und
derte 1973 seine Satzung und konstituierte sich
schmucklose Verkaufsräume, hohe Mengenra-
als freiwillige Tarifgemeinschaft. Die Reeder
batte bei den Lieferanten, niedrige Verkaufs-
setzten sich dafür ein, dass Gewerkschaftsver-
preise. Beide Aldi-Konzerne sind gesell-
Das Aldi-System –
treter in den Häfen keine Schiffe betreten durf-
schaftsrechtlich komplex verschachtelt und be-
ein deutsches
ten, dass aber „Arbeitswillige“ jederzeit Zu-
treiben mehrere steuersparende Stiftungen,
Eigengewächs
gang hatten. Seeleute wurden aufgefordert,
über die nur sehr wenig an die Öffentlichkeit
die ÖTV zu verlassen oder ihr nicht beizutreten
dringt. Ähnlich fungiert die als gemeinnützig
(Geffken 1979: 87). Die Bundesregierung unter
anerkannte Dieter-Schwarz-Stiftung laut ver.di
Kanzler Helmut Kohl initiierte 1989 in Deutsch-
in der komplexen Konzernstruktur der Einzel-
land ein Zweitregister: Danach durften deut-
handelskette Lidl als „steuersparender Park-
sche Handelsschiffe die deutsche Flagge füh-
platz“ (Schramm-de Robertis 2010: 69).
ren und trotzdem die Besatzungen außerhalb
Zur Methode des rigorosen Kostensparens
des deutschen Arbeits- und Tarifrechts beschäf-
gehört bis heute auch das möglichst knappe
tigen.
Personal – überwiegend in Teilzeit – mit All-
Laut ITF gibt es heute 34 Billigflaggen-Staa-
roundeinsatz, hoher Arbeitsdichte, rigoroser
ten. Panama ist inzwischen der Standort der
Überwachung und unvergüteten Überstunden.
größten Handelsflotte der Welt. 3548 von
Schon in den 1970er Jahren führte Aldi bei sei-
insgesamt 3890 Schiffen deutscher Eigentümer
nen Mitarbeitern den Status „Geringverdiener“
sind ausgeflaggt. Die größte deutsche Flotte
ein: mit einer Entlohnung von maximal 410 DM
fährt unter liberianischer Flagge, die zweit-
pro Monat. Gezielt versucht man offenbar nicht
37
größte unter der von Antigua. Die Methode
nur „regulär“ Beschäftigte, sondern auch Azu-
des Ausflaggens wurde zudem auf weitere
bis oder ältere Filialleiter und untere Manager
37 Auskunft von Franziska Heine, ver.di-Vorstandsverwaltung, 3.12.2012.
35
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
aus Kostengründen aus dem Unternehmen zu
hatten die Beschäftigten Angst, ihre betriebs-
drängen (Straub 2012: 188). Als Anreiz wurde
verfassungsmäßig verbrieften Rechte weiter
für die Verantwortlichen, die ihre Filiale be-
wahrzunehmen.40 Seit in den 1980er Jahren die
triebsratsfrei halten und dadurch auch die Be-
Versuche zur Gründung von Betriebsräten zu-
triebskosten senken, ein Belohnungssystem
nahmen, bedient sich Aldi Nord der Angebote
geschaffen.
professioneller Union-Buster. So finanzierte
Das Aldi-System war keine spontane Erfin-
Aldi Nord auf Beschluss seines Verwaltungs-
dung der Albrecht-Brüder. Vielmehr übernah-
rats die gelbe Gewerkschaft Arbeitsgemein-
38
schaft Unabhängiger Betriebsangehöriger
Es wurde seit 1962 von der Akademie für Füh-
(AUB). Sie war ursprünglich heimlich vom Sie-
rungskräfte der Wirtschaft in Bad Harzburg ver-
mens-Vorstand als Alternative zur IG Metall
breitet. Die Akademie war 1956 von Professor
aufgebaut worden. Aldi Nord übernahm ver-
Reinhard Höhn gegründet worden. „Delegation
deckt jahrelang die Personalkosten eines AUB-
Aldi-Nord nutzt AUB,
von Verantwortung“ und „Führen im Mitarbei-
Referenten, der die bei Aldi exklusiv vertrete-
um ver.di auf
terverhältnis“ waren die Stichworte. Mitbe-
nen AUB-Betriebsräte schulte. Bei der heimli-
Distanz zu halten
stimmung wurde prinzipiell abgelehnt.
chen Umwegfinanzierung half eine Essener
men sie zunächst das „Harzburger Modell“.
In seinem Standardwerk legte Höhn dar,
Kanzlei.41
dass die Aufgaben der Mitarbeiter so eng und
Als Gutachter fungierte Professor Volker
präzise wie möglich definiert werden und mit
Rieble vom Zentrum für Arbeitsbeziehungen
den Methoden der Führung abgestimmt sein
und Arbeitsrecht (ZAAR), der darlegte, dass die
müssen (Höhn 1979). Die Bundeswehr und viele
Bestechung von Betriebsräten und Gewerk-
39
Seit den
schaftsvertretern „nicht von vornherein straf-
1990er Jahren orientiert sich Aldi an US-Ma-
bar“ sei.42 Eine Kanzlei half bei der Vorberei-
nagementkonzepten und nannte sein eigenes
tung von falschen Zeugenaussagen vor dem Ar-
Konzept um in Aldi Management System (AMS).
beitsgericht, so wurde unwidersprochen be-
Ergebnis dieser Managementstrategien ist,
richtet (Straub 2012: 121 f.). Die Ulmer Kanzlei
dass Aldi Süd bis 2010 in seinen 1500 Filialen
Urwantschky Dangel Borst & Partner sowie die
Aldi-Süd weitgehend
vollständig betriebsratsfrei blieb. Als in Mün-
Essener Kanzlei Schmidt von der Osten Huber
betriebsratsfrei
chen der erste Versuch an der Wahlbehinde-
sind darauf spezialisiert, Aldi-Mitarbeiter, die
rung durch die Geschäftsleitung scheiterte,
der Discounter loswerden will, nicht zu kündi-
Firmen übernahmen das Modell.
38 Susanne Amann/Janko Tietz: Konzern im Kontrollrausch, in: Der Spiegel, 18/2012, S. 65. 39 Führungsmodell mit Problemen, in: Der Spiegel, 35/1989. 40 Bernd Kastner: Die Aldi-Süd-Revolution: ein Betriebsrat, in: Süddeutsche Zeitung, 17.5.2010. 41 Uwe Ritzer/Klaus Ott: Aldi hat heimlich Gegenorganisation zu Verdi gefördert, in: Süddeutsche Zeitung, 11.5.2010. 42 Klaus Ott/Uwe Ritzer: Aldi wehrt sich, in: Süddeutsche Zeitung, 17.5.2010.
36
W EGBEREITER DES U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
gen, sondern dazu zu bewegen, Aufhebungsver43
Nicht nur die eigenen Beschäftigten werden
träge zu unterzeichnen. Detekteien führen ge-
bei Löhnen, Arbeitsverhältnissen und Mitbe-
trickste Testkäufe durch und bauen verdeckte
stimmung unter Druck gesetzt, sondern auch
und ungenehmigte Überwachungskameras ein.
die Beschäftigten der zahlreichen Lieferanten,
Andere, später gegründete Discounter und
die z. T. exklusiv für die Discounter arbeiten.
Konkurrenten wie Lidl, Netto und die mittler-
So haben Aldi und Lidl Hunderte Zulieferer al-
weile aufgelöste Drogeriemarktkette Schle-
lein in Deutschland: von Bäckereien über
cker (die 2012 in die Insolvenz ging) sind für
Schlachtbetriebe und Molkereien bis hin zu
vergleichbare Praktiken bekannt (ver.di 2004;
Blumenhändlern. In diesen Zulieferbetrieben
2006; Bormann 2007). Die 1994 von der Super-
sind die Arbeits- und Sozialstandards oftmals
marktkette Tengelmann (Tengelmann, Kaiser‘s)
noch prekärer, da sie nicht im Blick der Öffent-
gegründete Handelskette KiK (Abkürzung für
lichkeit stehen (Wallraff 2008). In noch schär-
„Kunde ist König“), inzwischen Deutschlands
ferem Maße gilt dies für die Discounter-Liefe-
Sozial-Dumping
größter Textildiscounter, hat die vergleichs-
ranten aus den Niedriglohnstaaten Asiens wie
durch Zulieferer
weise niedrigen arbeitsrechtlichen Standards
China, Bangladesch und Pakistan. Hier werden
und die Mitbestimmungsfeindschaft der Bran-
die Lieferanten mit extrem niedrigen Dumping-
che um eine weitere Stufe unterboten. So be-
Werklöhnen gegeneinander ausgespielt und
auftragte KiK die Auskunftei Creditreform, vier-
erpresst (Bianco 2006).
mal im Jahr die finanziellen Verhältnisse des
Aldi und Lidl traten 2007 und 2008 der Busi-
Bestandspersonals zu überprüfen und gegebe-
ness Social Compliance Initiative (BSCI) bei
nenfalls Entlassungen vorzunehmen oder die
und verpflichteten sich zu fairen Arbeitsbedin-
44
Situation anderweitig auszunutzen.
In den
gungen; dies gilt allerdings nur für ihre asiati-
3200 KiK-Filialen gab es 2010 keinen einzigen
schen Lieferanten, nicht in Deutschland. Doch
Betriebsrat (Schramm-de Robertis 2010: 52).
die Kontrolle ist mangelhaft. Auch ein von KiK
Textil-Discounter KiK
Durch die internationale Expansion der
inzwischen beschlossener „Verhaltenskodex“
legt die Latte noch
deutschen Discounter exportieren diese ihre
hat an den Praktiken so gut wie nichts geän-
tiefer
Praktiken in Tausende von Filialen in den neu-
dert.
45
en Märkten insbesondere Ost- und Südeuro-
Infolge gewerkschaftlicher Kampagnen zur
pas. In den USA, dem Heimatland des bekann-
Durchsetzung von Betriebsratgründungen bei
termaßen besonders mitbestimmungsfeindli-
Lidl und Schlecker, die insbesondere von ver.di
chen Weltmarktführers Walmart, sind dies
durchgeführt wurden, sind die Discounter unter
ohnehin vertraute Praktiken (Bianco 2006).
Druck geraten. Das offen ausgesprochene Ziel,
43 Susanne Amann/Janko Tietz: Konzern im Kontrollrausch, in: Der Spiegel, 18/2012, S. 69. 44 Sabine Pütz: Discounter KiK: Jagd auf arme Mitarbeiter, Panorama/NDR, 22.7.2010. 45 Christoph Lütgert: Die KiK-Story: Die miesen Methoden des Textildiscounters, Panorama/NDR, 7.4.2010.
37
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
betriebsratsfrei zu bleiben, haben viele, wie
Beschäftigten in Deutschland durchzusetzen,
z. B. Aldi, aufgegeben. Bei Aldi Nord bestehen
griff der Konzern zunächst auf die bevorzugte
zahlreiche Betriebsräte, die jedoch fast aus-
Anstellung von Aussiedlern, später von Studen-
schließlich durch die gelbe Gewerkschaft AUB
ten, Migranten, dann auch von Empfängern von
gestellt werden. Bei Aldi Süd gibt es so gut wie
Arbeitslosengeld II zurück. Unsichere Lebens-
keine Betriebsräte.
lagen, mangelnde Kenntnisse der Sprache so-
Bei Lidl konnten bisher in über 3000 deutschen Filialen nur knapp 10 Betriebsräte ge-
wie der Sozial- und Arbeitsrechte wurden so gezielt ausgenutzt.
McDonald’s: Union-
gründet werden; das dürfte auch damit zusam-
„McDonald’s ist grundsätzlich ein gewerk-
Busting als Teil der
menhängen, dass Lidl als vermeintliche Alter-
schaftsfreies Unternehmen und will das auch
Firmenphilosophie
native die Stelle eines Ombudsmannes einge-
bleiben“ – so das öffentliche Bekenntnis (Nol-
46
Bei Media Markt, zur Handels-
ting 2004: 12). Rechtswidrige Kündigungen
gruppe Metro gehörend, gibt es in 236 Nieder-
oder erpresste Aufhebungsverträge für Be-
lassungen mit 17.000 Mitarbeitern nur zwei Be-
triebsratsaktivisten waren in der Bundesrepu-
richtet hat.
47
triebsräte. Bei Rewe gibt es nach Angaben der
blik in den ersten drei Jahrzehnten nach Grün-
ARD-Sendung „Der Rewe-Check“ nur in ein bis
dung der ersten Filialen 1971 eher die Regel als
zwei Prozent der Filialen einen Betriebsrat.
48
die Ausnahme (NGG 1999: 5-25). Bis Ende der 1990er Jahre brachte der Konzern in Deutsch-
4.3 Systemgastronomie: FastfoodKetten werden mitbestimmungsfrei
land immer wieder hohe Summen auf, um durch die Zahlung von Abfindungen an Beschäftigte, die einen Betriebsrat oder gar einen Gesamt-
McDonald’s, 1940 in den USA gegründet, ist
betriebsrat für die Filialen einer Stadt gründen
heute mit 32.000 Restaurants in über 100 Staa-
wollten, die Etablierung von Mitarbeitervertre-
ten die umsatzstärkste Fastfood-Kette der Welt.
tungen zu verhindern. Die Angebote lagen zwi-
Die ersten europäischen Niederlassungen
schen 5000 und 200.000 DM. Die Kölner Boule-
gründete der Konzern 1971 in den Niederlan-
vardzeitung „Express“ berichtete 1995 über die
den und in Deutschland. McDonald’s Deutsch-
versuchte Gründung eines Gesamtbetriebsra-
land Inc. hat seinen rechtlichen Sitz in der
tes in allen Kölner McDonald’s-Filialen. Dies
größten Finanzoase der Welt, im US-Bundes-
hatte McDonald’s mit einem Angebot verhin-
staat Delaware (Royle/Towers 2002: 86).
dert: 46 Beschäftigte, darunter acht Betriebs-
Um niedrige Löhne, Teilzeitarbeit als Normalarbeitsverhältnis und Folgsamkeit bei den
räte, unterzeichneten für Beträge zwischen 5000 und 90.000 DM Aufhebungsverträge.49
46 Auskunft zu Aldi und Lidl von Ulrich Dalibor, Leiter der Fachgruppe Einzelhandel bei ver.di, 6.12.2012. 47 Stefan Weber: Media Markt: Konflikt mit Verdi. Betriebsratsfreie Zone, in: Süddeutsche Zeitung, 17.2.2011. 48 Eva Lindenau/Frauke Steffens: Der Rewe-Check, ARD, 7.1.2013, 20.15-21.00 Uhr. 49 Rolf Langenhuisen: McDonald’s kauft sich von Betriebsräten frei, in: Kölner Express, 7.12.1995.
38
W EGBEREITER DES U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Später bemühte sich McDonald’s, Beschäf-
eintägigen Praktikum (food court) in ein Mit-
tigte und Filialleiter eigener Wahl in die Be-
gliedsrestaurant ein.51 McDonald’s ist Mitglied
triebsräte zu befördern, teilweise mit Hilfe der
in der Amerikanischen Handelskammer in
Scheingewerkschaft Union Ganymed. Gany-
Deutschland und trat beim CDU-Parteitag 2012
med, ein Nachfolger des Deutschen Handlungs-
als Co-Sponsor auf.
gehilfenverbands (DHV) und Mitglied im Christ-
1989 schloss der BdS einen ersten Tarifver-
lichen Gewerkschaftsbund (CGB), hatte schon
trag mit der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und
damals nur 1500 Mitglieder.
Gaststätten. Als die NGG mehr verlangte, er-
Eine andere Methode, um die Tarifbindung
presste McDonald’s die Gewerkschaft erfolg-
zu umgehen und die Gründung von Betriebsrä-
reich damit, dass man andernfalls zu Union Ga-
ten, vor allem von Gesamtbetriebsräten, zu er-
nymed als Tarifpartner wechseln werde. Die
Das Franchise-System
schweren, war die verstärkte Einführung des
NGG gab nach (Royle/Towers 2002: 96). Aber
erschwert
Franchise-Systems, also des Verpachtens der
auch diese Vereinbarungen auf niedrigem Ni-
Organisierung und
Lizenz zum Betreiben von McDonald’s-Filialen
veau werden bis heute häufig nicht eingehal-
Mitbestimmung
an ehemalige Filialleiter oder andere Kleinun-
ten, z. B. die Gehaltserhöhung nach einem Jahr
ternehmer. Inzwischen betreibt McDonald’s
und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.52
nur noch etwa 15 Prozent der deutschen Filia-
Die generelle Einstellung zu Gewerkschaften
len direkt.
und Mitbestimmung scheint sich nicht sonder-
Fast zwei Jahrzehnte lang weigerte sich
lich verändert zu haben. Noch 1999 fanden sich
McDonald’s in Deutschland, in Verhandlungen
auf einem liegen gelassenen Personalzettel ei-
über einen Tarifvertrag einzutreten. Dann grün-
nes Filialleiters folgende Charakteristika von
McDonald’s gründet
dete die Kette 1988 den passenden Arbeitge-
Beschäftigten: „Sie ist eine Nutte von der Ge-
neuen Arbeitgeber-
berverband selbst: den Bundesverband der
werkschaft“; „arbeitet eng mit Arschloch von
verband
Systemgastronomie (BdS). Als Geschäftsführer
der NGG zusammen“ (NGG 1999: 11).
engagierte man Thomas Heyll, der zuvor Sekre-
Mit ähnlichen, inzwischen meist abgemil-
tär der Gewerkschaft Handel, Banken und Ver-
derten Methoden arbeiten derzeit einige Dut-
50
sicherungen (HBV, heute ver.di) gewesen war.
zend Gastronomieketten. Die meisten sind Mit-
Den Verband, dem die wichtigsten System-
glied im BdS. Der Verband betont heute, dass
gastronomie-Ketten angehören, dominiert
sich alle Mitglieder an die mit der NGG abge-
McDonald’s bis heute. Der BdS betreibt vielfäl-
schlossenen (niedrigen) Tarifverträge halten.
tige Lobbyarbeit. So lädt er Arbeitsrichter
Jedoch wird gleichzeitig versucht, keine Be-
ebenso wie Bundestagsabgeordnete zu einem
triebsräte zuzulassen, so dass die korrekte
50 Jakob Moneta: Gegen „Kapitalismus ohne Gewerkschaften“, in: SoZ – Sozialistische Zeitung, Nr. 17, 19.8.1999, S. 6, www.vsp-vernetzt.de/soz/991706.htm, abgerufen 29.3.2012. 5 1 www.bundesverband-systemgastronomie.de, abgerufen 24.10.2012. 52 Johannes Schulten: Ja keine Mitbestimmung, in: junge Welt, 6.11.2011.
39
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Gelbe Betriebsratslisten gefördert
Anwendung der Verträge nicht gewährleistet
Inzwischen haben sich in den 73 Regional-
werden kann. In wie vielen Filialen von
standorten immerhin 22 Betriebsräte etab-
McDonald’s, Burger King usw. heute in
liert.55 Dabei fördert UPS allerdings gelbe Be-
Deutschland Betriebsräte existieren, ist nach
triebsratslisten, z. B. die Arbeiterunion, die von
53
Auskunft der NGG nicht bekannt.
einem Manager, von Supervisoren und Personalreferenten geführt werden.56 Im Gesamtbe-
4.4 Paket- und Briefzustelldienste: Outsourcing als Geschäftsmodell United Parcel Service (UPS), 1907 in den USA
triebsrat sind die Gelben in der Mehrheit. Bei Betriebsratsmitgliedern, die der Gewerkschaft ver.di angehören, sucht die Geschäftsleitung nach Kündigungsgründen.57
gegründet und seit 1919 unter dem Firmenna-
Der Deutschlandchef der UPS-Abteilung La-
men UPS firmierend, ist mit 400.000 Mitarbei-
bour Relations, Gert Schröder, ist zugleich Vor-
tern der weltweit größte Paketzusteller. 1976
sitzender des Komitees „Social and Labour Af-
eröffnete er seine erste Niederlassung außer-
fairs“ in der Amerikanischen Handelskammer
halb der USA, und zwar in der Bundesrepublik
in Deutschland. Das Komitee entwickelt Forde-
Deutschland (Neuss/Rhein). Sie ist mit europa-
rungen zur Deregulierung von Arbeitsverhält-
weiten Aufgaben die größte UPS-Niederlas-
nissen und macht Lobbyarbeit in Berlin und
sung außerhalb der USA.
Brüssel.58 Es organisiert Seminare zum Ar-
UPS hat durch Outsourcing ein flächende-
beitsrecht in Zusammenarbeit mit der Kanzlei
ckendes System des Lohndumpings geschaf-
Freshfields, die zugleich UPS rechtlich vertritt.
fen; die früheren Angestellten sind entweder
Nach UPS kamen weitere Unternehmen auf
scheinselbstständige Unternehmer, die ihr
den Markt, übernahmen dessen Methoden und
Transportfahrzeug selbst finanzieren müssen,
entwickelten sie weiter. Das Sub-Subunterneh-
oder die Fahrer sind bei Subunternehmen an-
mersystem wurde am aggressivsten von Her-
gestellt, die häufig selbst wieder Subunterneh-
mes (Otto Group) ausgebaut: Per Werkvertrag
mer beauftragen. Die Einkommen liegen hier
mit niedriger Entlohnung vergibt Hermes die
bis zu 30 Prozent niedriger als bei den wenigen
Auslieferungsaufträge an Satellitendepot-Be-
noch „regulären“ Arbeitsplätzen.
54
treiber; diese wiederum vergeben die Aufträge
53 Auskunft der NGG-Hauptverwaltung Hamburg, 28.11.2012. 54 Daniel Behruzi: Stempeln beim WC-Gang, in: junge Welt, 1.9.2012. 5 5 Auskunft von Franziska Heine, ver.di-Vorstandsverwaltung, 3.12.2012. 56 Dave Candle: Skandalöse Rechtswidrigkeiten gegen ver.di-Betriebsräte durch Mitglieder der UPS-Geschäftsleitung, www.netzwerkit.de/projekte/galeere/ffm/document.2005-06-12, zuletzt geändert am 24.8.2008, abgerufen 25.10.2012. 57 ver.di Stuttgart: Schwerbehindertenvertreter wird schikaniert, Pressemitteilung 11.9.2012; Daniel Behruzi: Erneut Stress bei UPS, in: junge welt, 18.10.2012. 58 www.amcham.de/public-affairs/social-labor-affairs.html, abgerufen 2.11.2012.
40
W EGBEREITER DES U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
an Subunternehmer, die selbst weitere Subun-
beiter dazu, sich als selbstständige Subunter-
ternehmer beauftragen. Kein Auslieferer steht
nehmer anzumelden. Das ersparte den
in einem Rechtsverhältnis zu Hermes. So kön-
Schlachtbetrieben die Sozialabgaben und führ-
nen Tarifverträge und Sozialversicherungs-
te dazu, dass Gewerkschaften in dieser Bran-
59
pflichten umgangen werden.
che ihre Basis verloren.
Der Paketzusteller-Markt in Deutschland
Dieses neue Anstellungssystem über Werk-
wird heute neben UPS von vier Konzernen be-
verträge ist heute das dominante Beschäfti-
herrscht: DHL (Deutsche Post), Hermes, DPD
gungsmuster in der Fleischindustrie. In den
(gehört zu La Poste, Frankreich) und GLS (ge-
Schlachthöfen arbeiten heute 20 Prozent Fest-
hört der britischen Royal Mail). Weitere größe-
angestellte, 5 Prozent Leiharbeiter und 75 Pro-
re Unternehmen sind TNT und Fed Ex. Bei trans-
zent Werkvertragnehmer. Die Werkvertragneh-
In deutschen Schlacht-
o-flex hat 2007 ein Private-Equity-Investor die
mer sind mit in der Regel 7,50 Euro Stunden-
höfen kaum noch
Niederlassungen in selbstständige GmbHs um-
lohn nicht nur niedriger bezahlt als Leiharbei-
Festangestellte
gewandelt und so die Einzelbetriebsräte wie
ter, sondern sind auch hinsichtlich Arbeitsbe-
auch den Konzernbetriebsrat ausgehebelt (Rü-
dingungen, Arbeitsschutz und Beschäftigungs-
gemer 2007).
sicherheit schlechter gestellt (Klein-Schneider/Beutler 2013: 144; NGG 2012). Unternehmen in verschiedenen EU-Staaten
4.5 Schlachtbetriebe: Domäne von Leiharbeit und Werkverträgen
offerieren im Werkvertraggeschäft jeweils spe-
In den 1980er Jahren begannen Schlachtbetrie-
Bedarf miteinander kombinieren kann: So
be, aus Beschäftigten selbstständige Ausbei-
wirbt Abator im polnischen Glogow die Arbeits-
ner und Fleischzerleger zu machen und auf
kräfte an, das niederländische Unternehmen
Werkvertragsbasis zu beschäftigen. Diese hat-
Groenflex organisiert den Transport nach
ten zwar ihr eigenes Werkzeug, waren aber in
Deutschland und die Unterkünfte. In Koopera-
Wirklichkeit scheinselbstständig: Sie hatten
tion mit den deutschen Unternehmen MK Meat-
nur einen Arbeitgeber und handelten auf des-
production und maiale werden die Werkver-
sen Anweisungen. Auch kommunale Schlacht-
tragnehmer dann z. B. an den Schlachtbetrieb
höfe bedienten sich solcher Praktiken. Nach
Gustoland in Oer-Erkenschwick (Westfleisch,
dem Zusammenbruch der sozialistischen Staa-
1200 Mitarbeiter) vermittelt (Dietenberger
ten wurde diese Art Scheinselbstständigkeit
2012: 10). Das rumänische Unternehmen Sala-
weiter ausgebaut. Vermittler und Schleuser
mandra vermittelt sowohl für Rewes Fleisch-
brachten rumänische und bulgarische Leihar-
Tochterunternehmen Brandenburg wie auch für
zielle Dienste, die der Auftraggeber je nach
59 Monika Wagener/Ralph Hötte: Das Hermes-Prinzip, ARD, 3.8.2011; Monitor, 27.1.2011.
41
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
den Marktführer Vion untertariflich bezahlte Werkvertragnehmer aus Rumänien.
60
Meist
wird der rumänische Mindestlohn bezahlt.
Marktführer unter den Schlachtbetrieben in Deutschland ist die Vion Food Group mit Sitz in den Niederlanden.
Die Hans-Böckler-Stiftung ließ deren Ar-
Wesentliche Mit-Antreiber dieser Entwick-
beitsbedingungen untersuchen: Die Werkver-
lung waren und sind Discounter wie Aldi und
tragnehmer aus Polen, Bulgarien, Lettland,
Supermarktketten wie Edeka.63 Zudem hat sich
Serbien, Ungarn und sogar Korea „schuften für
die Bundesrepublik auf Kosten anderer EU-
einen Euro und weniger die Stunde“ (Doelfs
Staaten inzwischen zum führenden Fleischex-
2012). Die Stundenlöhne werden oft noch wei-
portland entwickelt. Von 6,8 Millionen Tonnen
ter abgesenkt, weil Akkordvorgaben schwer zu
Schlachtfleisch im Jahr 2011 wurden 2,8 Millio-
1,02 Euro pro
erfüllen sind: Pro geschlachtetes Schwein wer-
nen exportiert, das sind etwa 40 Prozent (Ver-
Schwein, mehr als
den mitunter nur 1,02 Euro gezahlt. Die Ar-
band der Fleischwirtschaft 2012: 40). Der welt-
14 Stunden Arbeit
beitszeiten werden bei Bedarf auf bis zu
weite Export in mittlerweile 120 Länder wird
am Tag
14 Stunden pro Tag ausgedehnt. Als bei einem
über German Meat koordiniert.64
Werkvertragsunternehmen ein Betriebsrat gegründet werden sollte, kündigte Danish Crown den Vertrag und holt sich seitdem die Schlachter über eine neue Werkvertragsfirma (ebd.).
4.6 Fazit: Eine neue Unternehmenskultur macht Schule
Ausländische Schlachtkonzerne wie Tulip
Die genannten Vorreiter haben schon lange vor
und Danish Crown haben sich wegen der für
den Änderungen der gesetzlichen Rahmenbe-
sie günstigen Arbeitsverhältnisse in Deutsch-
dingungen neue Standards in der Praxis durch-
land angesiedelt beziehungsweise deutsche
gesetzt. Das waren zunächst Insellösungen, die
Schlachthofketten wie Moksel, Nordfleisch und
lange Zeit als Ausnahmen galten. Dazu gehör-
Südfleisch aufgekauft. Danish Crown etwa
ten als unmittelbare Maßnahmen gegenüber
kaufte einen Schlachthof in Essen mit der Fol-
den Beschäftigten die systematisch ausgewei-
ge, dass von den ehemals 1200 Mitarbeitern
tete und niedrig bezahlte Teilzeitarbeit,
jetzt 1000 als Niedriglohnbeschäftigte vor-
Scheinselbstständigkeit und Konzepte autori-
nehmlich aus Osteuropa über Werkverträge
tärer Personalführung.
61
beschäftigt werden. Von den 6000 Mitarbei-
Weitere Kernelemente der Strategien die-
tern der Schlachtkette Tönnies sind lediglich
ser „Pioniere“ waren die Ablehnung von Tarif-
62
verträgen, die Bekämpfung und Bestechung
2400 beim Unternehmen direkt angestellt.
60 www.rosenheim-oberbayern.ngg-bayern.net, abgerufen 7.1.2013; Der Rewe-Check, ARD, 7.1.2013. 61 Thomas Oechsner: Sauerei im Schlachthof, in: Süddeutsche Zeitung, 15.11.2010. 62 Hans Leyendecker/Jürgen Nitschmann: Der Fleischkrieg, in: Süddeutsche Zeitung, 17.5.2010. 63 Marcus Rohwetter: Und bist du nicht billig …, in: Die Zeit, 7.4.2004. 64 www.germanmeat.org, abgerufen 15.11.2012.
42
W EGBEREITER DES U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
von Betriebsräten, massive Be- und Verhinde-
Solche Vorreiter traten immer wieder auf,
rung von Betriebsratsgründungen, schließlich
wenn neue Branchen entstanden oder Bran-
auch die Finanzierung und Neubelebung gelber
chen sich umstrukturierten oder wenn billigere
Gewerkschaften sowie der Aufbau eigener Ar-
Geschäftsmodelle aufkamen. Weitere Vorreiter
beitgeberverbände.
im Bereich der Werkverträge – wir haben exem-
Wir haben in diesem Kapitel Vorreiter der-
plarisch die Schlachthöfe genannt – sind heute
artiger Aktivitäten in der Geschichte der Bun-
in den Branchen Bau, Pflege und Versandhandel
desrepublik seit den 1970er Jahren dargestellt.
(Amazon) tätig (Siebenhüter 2013: 17-41).
43
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
5. Das systematische Vorgehen gegen Betriebsräte – Union-Busting in Deutschland Das im vorigen Kapitel dargestellte systemati-
klärten Willen der Unternehmensleitung er-
sche und offene Vorgehen gegen Betriebsräte
folgt ist.
und gewerkschaftliche Interessenvertretung
Leitfaden-Interviews mit Betroffenen
Neu gegründete
bleibt allerdings nicht auf die hier genannten
Verbreitung von Betriebsräten
Branchen und Unternehmen beschränkt. Viel-
in Deutschland
mehr ist zu beobachten, dass die in den Vorrei-
Es gibt keine genauen Zahlen zur Verbrei-
terbereichen bereits durchgesetzten Praktiken
tung von Betriebsräten in Deutschland,
sich zunehmend auch in anderen Branchen und
sondern nur repräsentative Schätzungen.
Arbeitsmarktbereichen ausbreiten. Ausgehend
Die bislang umfangreichste Studie, die
von dieser Beobachtung haben wir Fallstudien
sogenannte BISS-Studie, gibt Auskunft
durchgeführt, in denen Ursprünge, typische
über den Stand der Mitbestimmung im
Verläufe und das konkrete praktische Vorge-
Jahr 2005 (Hauser-Ditz 2009). Sie geht von
hen in Konflikten systematisch dargestellt wer-
110.000 Betriebsratsgremien in Deutsch-
den.
land aus. Detlef Ullenboom fasst den
Für die folgende Darstellung haben wir in-
Stand der Erkenntnisse im Jahr 2009 wie
tensive Interviews mit amtierenden ebenso wie
folgt zusammen: Nur 22 Prozent aller
mit teils sogar mehrfach gekündigten Betriebs-
deutschen Betriebe besitzen eine Interes-
ratsmitgliedern und Initiatoren von (geschei-
senvertretung nach dem Betriebsverfas-
terten) Betriebsratsgründungen geführt. Kursiv
sungsgesetz. Die BISS-Studie berück-
gesetzte Textteile sind den Interviews entnom-
sichtigt dabei nur Betriebe mit mehr als
men; sie wurden sprachlich überarbeitet, um
zehn Beschäftigten. In Großbetrieben mit
den Lesefluss und das Verständnis zu verbes-
mehr als 500 Beschäftigten liegt die Be-
sern. Wir haben sie anonymisiert, da die Be-
triebsratsquote allerdings bei über
troffenen andernfalls negative Konsequenzen
90 Prozent. In solchen Betrieben arbeite-
zu befürchten hätten.
ten im Jahr 2005 immerhin 20,3 Prozent
Die Bekämpfung bestehender Betriebsräte
aller sozialversicherungspflichtig Be-
folgt anderen Gesetzmäßigkeiten als die Ver-
schäftigten.(a) Andere Vertretungsorgane
hinderung einer Betriebsratsgründung; sie
(AVO), die keine gesetzlichen Rechte ha-
wird daher gesondert betrachtet.
ben, repräsentierten immerhin geschätz-
Ein besonderes Augenmerk verdienen neu
te 11 Prozent aller Beschäftigten in Betrie-
Betriebsräte
gegründete Betriebsräte, die – wie im Fall der
ben mit mehr als zehn Arbeitnehmern, vor
besonders gefährdet
Systemgastro Niedersachsen – in sich (noch)
allem in der Dienstleistungsbranche
nicht gefestigt sind. Sie müssen sich ihr Stan-
(Ullenboom 2009; Hauser-Ditz 2009).
ding und das dafür nötige Wissen erst erarbei-
Allerdings liegen zum Phänomen der AVO
ten und stehen häufig unter starkem Druck, wenn die Betriebsratsgründung gegen den er-
44
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
seit 2004 keine neuen Zahlen vor (vgl.
digungsschutz für Betriebsratsmitglieder so-
Ellguth/Kohaut 2013). Eine
Auswertung
des
ankern. Grund ist vor allem der besondere Kün-
IAB-Betriebs-
panels(b) ergab, dass im Jahr 2012 schätzungweise nur 9 Prozent aller infrage kommenden Betriebe in Deutschland (also solche mit mehr als fünf Beschäftigten) einen Betriebsrat hatten. Aufgrund der gut organisierten Großbetriebe wurden in der Privatwirtschaft Westdeutschlands schätzungsweise 43 Prozent der Beschäftigten (in Ostdeutschland 36 Prozent) durch einen Betriebsrat vertreten. Der Trend ist abnehmend, die Forscher weisen auf „ausgedehnte betriebliche Vertretungslücken“ und „weiße Flecken in der Tarif- und Mitbestimmungslandschaft“ hin (ebd.).
wie die Förderung ihrer Aktivitäten, z. B. durch die Bereitstellung nötiger Infrastruktur, von Weiterbildungen und Beratungsangeboten. Wir haben 75 Fälle von Angriffen auf gewählte und anerkannte Betriebsräte gefunden, die durch Presseveröffentlichungen gut dokumentiert sind. Mit fünf dieser Betriebsräte haben wir Leitfaden-Interviews geführt. Zum einen handelte es sich um einen neu gegründeten Betriebsrat in der Systemgastronomie, der direkt nach Amtsantritt unter starken Druck durch das Management geraten war; ein weiterer Betriebsrat war 2002 in einem neu gegründeten Unternehmen entstanden und erzielte 2006 eine gewerkschaftliche Mehrheit. In weiteren drei Fällen waren es fest etablierte Gremien, die z.T. seit den 1980er oder 1990er Jah-
(a) Beschäftigtenanteile nach Betriebsgröße 1994 bis 2005 in Deutschland, IAB-Kurzbericht 23/ 2008. (b) Das IAB-Betriebspanel ist eine repräsentative Arbeitgeberbefragung, die im Auftrag des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) jährlich durchgeführt wird und nach dessen Angaben knapp 16.000 Betriebe umfasst. Das IAB ist eine Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit.
ren bestanden und eine lange persönliche Kontinuität besaßen. Die Maßnahmen des Unternehmens richteten sich im Fall des neu gegründeten Betriebsrats der Systemgastro Niedersachsen sowohl gegen die Person des Betriebsratsvorsitzenden als auch gegen das Gremium an sich („Wir brau-
5.1 Die Bekämpfung von etablierten Betriebsräten
chen keinen Betriebsrat“). In den anderen Fällen versuchten die jeweiligen Unternehmensleitungen mit verschiedenen Methoden günsti-
Kündigungen sollen
Auch wenn Gewerkschaften und Betriebsräte in
ge Mehrheiten im Betriebsrat zu lancieren. Ge-
Betriebsratsmehrheit
Deutschland formal voneinander getrennt sind,
gen bestimmte Betriebsratsmitglieder wurde
kippen
gilt die Regel: Nur wo ein Betriebsrat existiert,
mit konstruierten Kündigungen und anderen
können Arbeiter und Angestellte dauerhaft of-
Zermürbungstaktiken vorgegangen. Die Be-
fen als Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb
triebsratsgremien wurden hierbei nicht grund-
auftreten; und nur dort gelingt es Gewerkschaf-
sätzlich in Frage gestellt, sondern vielmehr
ten, sich langfristig in der Belegschaft zu ver-
standen entweder der Einfluss der Gewerk-
45
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Tabelle 1:
Bekämpfung von Betriebsräten in Beispielunternehmen Betrieb(a)
Betroffene(b)
Gewerkschaft
Systemgastro Niedersachsen
Karla G.
NGG
> 20
2010
Briefzusteller
Siegmar Q.
ver.di
> 300
2002
Systemgastro Hessen
Nouri O./Tanja T.
NGG
> 50
vor 1994
Paketdienstzentrale
Adnan T.
ver.di
> 2400
vor 1992
Chemiebetrieb
Ingolf U.
IG BCE
> 500
vor 1980
(a)
Phantasienamen, redaktionell geändert.
(b)
Mitarbeiterzahl
Gründung des Betriebsrats
Anonymisiert und redaktionell geändert. Quelle: eigene Darstellung
Gewerkschaft als
schaft („Betriebsrat ist fremdgesteuert“; „Wir
„Gerade auch am Grill. Die haben 220 bis 240
‚Bedrohung von
sind eine Familie und brauchen hier keine Ro-
Stunden im Monat gearbeitet. Eine Betriebs-
außen‘
ten“) oder besonders exponierte Arbeitneh-
vereinbarung über die Arbeitszeiten und den
mervertreter („Betonkopf“, „Hardliner“, „un-
Urlaub wollten wir“ (Karla G., Systemgastro
belehrbarer Ideologe, der das Unternehmen
Niedersachsen).
gegen die Wand fährt“) im Fokus.
Ein häufiges Thema sind Überstunden. Hier gehen die Interessen von Arbeitgebern und Ar-
Ursprünge der Konflikte
beitnehmern deutlich auseinander. Auf die Fra-
Ein Betriebsrat wird nur in seltenen Fällen be-
ge nach den Erfolgen seiner Betriebsratstätig-
kämpft, weil er prinzipiell unerwünscht ist,
keit beim Briefzusteller antwortet Siegmar Q.:
sondern weil er konkrete Verbesserungen er-
„Wir haben ein paar Betriebsvereinbarungen
streiten kann bzw. dem unternehmerischen In-
rausgeholt: Arbeitszeitkonto, alle Überstunden
teresse an größtmöglicher Gestaltungsfreiheit
sind freiwillig zu leisten. Bei über 25 Plusstun-
Massive Überstunden,
Grenzen setzt. Die häufigsten Konflikte entzün-
den muss sich der Vorgesetzte mit dem Arbeit-
ungeregelte Arbeits-
deten sich laut Auskunft der Interviewpartner
nehmer verständigen, wann diese Stunden ab-
zeiten
an Fragen der Flexibilität, von Arbeitszeiten,
gebaut werden. Über 50 Überstunden darf kei-
der Arbeitsorganisation und des Arbeitskli-
ner machen. Da dreht die Geschäftsleitung
mas. Auch führen tarifliche Belange wie die
schon seit zwei oder drei Jahren dran“ (Sieg-
Höhe der Löhne oder Lohnunterschiede häufig
mar Q., Briefzusteller).
zu Auseinandersetzungen.
46
In der Paketdienstzentrale ging die Über-
In der Systemgastro Niedersachsen war
stundenfrage noch weiter. Hier gehörte es zur
eine Flut von Überstunden offenbar der Haupt-
Unternehmenspolitik, neue Beschäftigte zu-
grund für die Gründung eines Betriebsrats:
nächst mit befristeten Verträgen und geringen
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
Wochenstundenzahlen einzustellen. Um einen
Konfliktverläufe
akzeptablen Monatslohn zu erhalten, waren
Im Fall von Systemgastro Niedersachsen war
diese Arbeiter auf exzessive Überstunden an-
eine ausgefeilte Dramaturgie der beständig
gewiesen. Für das Unternehmen bedeutete das
gesteigerten Eskalation zu beobachten, begin-
einerseits ein Reservoir an Flexibilität, ande-
nend mit der Verweigerung, Fortbildungssemi-
rerseits konnte die Personalleitung Angestell-
nare für den Betriebsrat zu bezahlen, über per-
te durch die Gewährung von Überstunden be-
sönliche Bespitzelung bis in den privaten Be-
lohnen oder durch deren Entzug bestrafen.
reich hinein bis hin zu einem 7,5-stündigen
Dabei agierte das Unternehmen laut Adnan T.
„Personalgespräch“, das wie ein Kreuzverhör
Personalgespräch
offenbar auch außerhalb gesetzlicher Regelun-
geführt wurde. „Eigentlich war das von Anfang
als Kreuzverhör
gen: „2010 haben wir festgestellt, dass der Ar-
an schwierig. Vom ersten Tag an. Bei uns war
beitgeber die Mitarbeiter dort, wo die Flugzeu-
das nie harmonisch. 2010 haben wir uns ge-
ge sich bewegen [zur Be- und Entladung am
gründet und von da an mussten wir uns um je-
Frachtterminal, A. d. Vf.], teilweise über 15,
den Zettel streiten“ (Karla G., Systemgastro
17 Stunden hat arbeiten lassen. Sie haben aber
Niedersachsen).
auf der Stechkarte nur 10 Stunden eingetragen,
Die Unterstützung des Betriebsrats, der bei
und die restlichen sechs, sieben Stunden wur-
seiner Gründung 17 Stimmen von insgesamt
den auf ein Schmierblatt notiert, und die Mitar-
21 Wahlberechtigten erhalten hatte, die meis-
beiter haben das als Gutschrift irgendwann mal
ten bei der NGG organisiert, sank durch die Ein-
erhalten“ (Adnan T., Paketdienstzentrale).
schüchterung der Belegschaft mittels verschie-
In der Paketdienstzentrale führte die dis-
dener Methoden sukzessive drastisch auf am
kriminierende Behandlung nach Erkrankungen
Ende zwei bis drei Personen, die zunehmend
zu ernsten Konflikten zwischen Betriebsrat und
isoliert wurden: „Die anderen haben sich nicht
Personalmanagement: „Der Arbeitgeber hat
offen zu erkennen gegeben im Betrieb, dass sie
alle, die länger krank gewesen waren oder aus
noch hinter mir stehen. Nur mal ein Briefchen
Illegale Arbeitszeiten,
einer Krankheit zurückkamen, an einem Band
oder Zettelchen oder so“ (Karla G., Systemgas-
dubiose Zeiterfassung
versammelt und da arbeiten lassen wie auf ei-
tro Niedersachsen). Die Betriebsratsvorsitzen-
nem Schauplatz: Das ist hier das Krankenband,
de wurde außerhalb der Arbeit bespitzelt,
die Behinderten und so“ (Adnan T., Paket-
teilweise durch ihre eigenen Kollegen, und mit-
dienstzentrale).
tels juristischer Finten mehrfach fristlos gekündigt. Der 2002 gegründete Betriebsrat im Briefzusteller-Unternehmen erlebte ein turbulentes Auf und Ab. Siegmar Q. beschreibt die wechselhafte Geschichte des Gremiums, dem er seit 2006 angehört: „2002 war der Betriebsrat ar-
47
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
beitgebergesteuert ohne Ende. 2006 bekamen
verschlissen habe: „Die Geschäftsleitung hatte
wir als ver.di drei von elf Mandate. Wir haben
denen gesagt: Das ist deine Aufgabe, den Be-
in den zwei Jahren geschafft, dass fünf oder
triebsrat hier rauszukriegen. Natürlich haben
sechs Leute zu ver.di gewechselt sind, konnten
sie es nicht geschafft. Die mussten wieder ge-
dann die Neuwahl initiieren, und dann gab es
hen“ (Nouri O., Systemgastro Hessen). Diese
einen reinen ver.-di-Betriebsrat. 2011 gab es
relative Macht war allerdings teuer erkauft.
dann wegen Auflösung des Betriebsrates
Nouri O. fühlte sich schon seit Mitte der 1990er
wieder eine Wahl und dann war ver.di wieder
Jahre unter verstärkter Beobachtung durch die
im Hintertreffen mit nur drei Plätzen“ (Siegmar
Personalleitung. Er war offenbar so wachsam,
Q., Briefzusteller).
dass er keine Angriffsfläche bot. 2011 setzte
Im Chemiebetrieb gelang es der neuen Per-
die Geschäftsleitung schließlich renommierte
sonalleitung die jahrelang sicheren Mehr-
Rechtsanwälte sowie Detekteien ein, um den
heitsverhältnisse im Betriebsrat zu drehen.
Betriebsrat zu zerschlagen. Die Auseinander-
„Am Tag nach der Wahl hat die Personalleitung
setzung lief über ein Jahr und endete mit Abfin-
im Betriebsrat interveniert: Ihr habt eine Ver-
dungen. Nicht nur der Betriebsrat, sondern
antwortung für den Betrieb. Wenn ihr den In-
auch die Mehrheit der bisherigen Belegschaft
golf als Vorsitzenden wählt, dann geht der Be-
wurde erfolgreich aus der Filiale entfernt.
trieb den Bach runter“ (Ingolf U., Chemiebetrieb). Ingolf U. hatte mit Abstand die meisten
Konfliktfelder und Methoden des Union-Busting
Stimmen erhalten. Als der Betriebsrat bei sei-
Die Union-Busting-Strategien, die von profes-
ner konstituierenden Sitzung seinen Vorsitzen-
sionellen Dienstleistern und Beratern entwor-
den wählte, war er der einzige Kandidat. In der
fen und implementiert werden, sind modular
geheimen Wahl unterlag er jedoch mit sechs zu
zusammengesetzt und so an die speziellen Ge-
Willkürlich
sieben Stimmen. Schließlich wurde er u. a.
gebenheiten des jeweiligen Betriebs und der
konstruierte
wegen Beleidigung und Verstoßes gegen das
Branche angepasst. Sie variieren im Grad der
Kündigung
Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit
gegenüber Einzelnen eingesetzten Härte sowie
mehrfach abgemahnt, dann mit Zustimmung
in der einkalkulierten Rechtsübertretung und
des Betriebsrats fristlos gekündigt. Er konnte
-missachtung. Im Folgenden schildern wir häu-
sich dagegen erfolgreich zur Wehr setzen, um
fig auftretende Bestandteile, die sich in eine
Ende 2012 nach gut einem halben Jahr wieder
Gesamtstrategie einfügen:
an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren.
48
Im Fall der Systemgastronomie Hessen be-
Vom Management geförderte Oppositions-
richtet Nouri O., dass die gewerkschaftlich gut
gruppen. In den USA gründen Union-Buster so-
organisierte Belegschaft während seiner Zeit
genannte „Vote No Committees“ in Betrieben,
als Vorsitzender seit 1994 etwa 28 Filialleiter
in denen eine Gewerkschaftswahl bevorsteht.
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
Im Zuge unserer Nachforschungen konnten wir
gelben Liste zur Betriebsratswahl abzielen
für Deutschland ähnliche Formen identifizie-
oder diese bis zur Gründung einer gelben Haus-
ren. Es handelt sich um Initiativen, die schein-
gewerkschaft oder eines alternativen Vertre-
bar aus der Belegschaft kommen, aber zumeist
tungsorgans hinauszögern (siehe dazu Kapitel
von Personalleitung und Vorgesetzten ange-
6.2).
stoßen werden. Berater gewährleisten das
Siegmar Q. berichtet über die Methoden
Coaching und Briefing der führenden Köpfe.
einer gelben Gewerkschaft in seinem Betrieb:
Mitunter erhalten die beteiligten Angestellten
„Also als die GVPZ65 endlich einen Briefkasten
finanzielle Zuwendungen oder es werden ihnen
in Köln hatte [also eine offizielle Büroadresse;
Personalmanagement
Privilegien gewährt.
A. d. Vf.], da gab es aktive Abwerbe-Versuche
beeinflusst
Die Paketdienstzentrale tat sich durch
von Betriebsratsmitgliedern. Denen wurde
Betriebsratswahlen
akribische Vorbereitung der Betriebsratswahl
schon offeriert, was für ein schönes Leben man
hervor:
als GVPZ-Betriebsrat führen kann. Mit eigenem
„Bei uns hat ein Labor Relations Manager kandidiert. Zwei Gruppenleiter hat er [auf sei-
Büro, eigenem Auto und eigenem Budget“ (Siegmar Q., Briefzusteller).
ne Liste] mitgenommen und zwei normale ge-
Im Fall von Systemgastro Niedersachsen
werblich angestellte Frauen, die im Nachhinein
ging diese Strategie von einer Kerngruppe von
alle befördert worden sind oder mehr Geld er-
vier überzeugten Betriebsratsgegnern und
halten haben.“ Von einer fairen Wahl konnte
Freunden der Geschäftsleitung aus. Ein oft ein-
hier kaum die Rede sein: „Wir haben 600 neue
gesetztes Mittel sind Unterschriftensammlun-
Mitarbeiter, die ganz leicht zu beeinflussen
gen, die für die Absetzung des amtierenden
sind [zumal sie in der Probezeit sind oder be-
Betriebrats, dessen Rücktritt oder für Neuwah-
fristete Verträge haben; A. d. Vf.]. Erst haben
len plädieren. „Die Betriebsleitung hat den
Gezielte Demontage:
sie alle Gruppenleiter organisiert, danach wur-
Protestbrief gegen den Betriebsrat zirkulieren
Unterschriften gegen
den alle neuen Mitarbeiter informiert, wen sie
lassen. Auch Ausländer haben unterschrieben,
Betriebsrat gesam-
halt wählen sollen“ (Adnan T., Paketdienstzen-
die das eh nicht lesen konnten. Ich habe die
melt
trale).
später angerufen und die haben gesagt: Ich
Mit Hilfe dieser Gruppen wird im Betrieb Stimmung gegen gewerkschaftlich orientierte
wusste nicht, was in dem Brief stand“ (Karla G., Systemgastro Niedersachsen).
Betriebsratsmitglieder gemacht. Das kann eine Initiative sein, die nach dem Motto „Betriebs-
Kampf um Einzelne. Die Geschäftsleitungen
rat ja, aber nicht diesen“ offen gegen den Be-
versuchen einzelne Mitglieder des Betriebs-
triebsrat auftritt und seine Abwahl fordert. Die
rats umzustimmen oder dazu zu bewegen, das
Initiative kann auch auf die Aufstellung einer
Gremium zu verlassen, beispielsweise durch
65 Name geändert.
49
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Abwerbung, Beförderung oder indem Privile-
den springen ab“), Geheimnisverrat, Verstoß
Bestechung durch
gien angeboten werden. So kann entweder
gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusam-
Beförderung
eine Mehrheit im Gremium gekippt oder das
menarbeit (BetrVG). Dass diese Konstruktionen
Gremium selbst mangels Ersatzkandidaten zur
in den meisten Fällen vor Gerichten scheitern,
Auflösung gebracht werden. „Nach zwei Jahren
hindert die Strategen nicht daran, sie bestän-
hat der Arbeitgeber einige Betriebsräte beför-
dig einzusetzen. „Wir hatten im September
dert zum Supervisor Manager, die dann ihr Amt
eine Betriebsversammlung. Danach wurde mir
niedergelegt haben“ (Adnan T., Paketdienst-
unterstellt, ich hätte die Belegschaft aufgewie-
Zentrale). „Da gab es einen Kollegen, der woll-
gelt, den Betriebsfrieden zu stören“ (Ingolf U.,
te schon lange versetzt werden, und einen Tag,
Chemie-Betrieb).
nachdem das geklappt hatte, ist der aus dem
Karla G. erhielt eine von mehreren fristlo-
Betriebsrat ausgestiegen“ (Siegmar Q., Brief-
sen Kündigungen durch Systemgastro Nieder-
zusteller).
sachsen mit der Begründung, sie hätte angeb-
Im Chemiebetrieb ging die Lenkung der Be-
lich mit der Presse gesprochen und negative
triebsratsmehrheit durch die Geschäftsleitung
Berichterstattung provoziert. Häufig anzutref-
ziemlich weit: „Nach der Wahl kam ein Schrei-
fen ist auch der Vorwurf, Kollegen seien von
ben der Geschäftsleitung an den Betriebsrat,
Gewerkschaftern bedroht oder eingeschüchtert
mich in meiner Arbeit zu mäßigen. Ich hab dann
worden – Grundlage kann ein offenes Gespräch
versucht, im Betriebsrat zu erreichen, dass das
unter Kollegen sein, ob man nicht am Streik
zurückgewiesen wird. Das wurde abgelehnt.
teilnehmen wolle.
Daraufhin habe ich eine persönliche Stellungnahme im Betrieb verteilt. Ich kriegte zwei Ab-
Eindringen in die Privatsphäre. Das Übergrei-
Offene Observation
mahnungen“ (Ingolf U., Chemiebetrieb). Ingolf
fen der betrieblichen Konflikte in die Privat-
des Privatlebens
U. hat dagegen geklagt und gewonnen. Das hat
sphäre der Betroffenen gehört zu den verhee-
ihn nicht davor bewahrt, später aus ähnlichen
rendsten Effekten des Union-Busting. Hierfür
Gründen fristlos entlassen zu werden – was
werden Detekteien oder – in großen Unterneh-
ebenfalls vor Gericht keinen Bestand hatte.
men – spezialisierte Abteilungen eingesetzt, die Einzelne offen observieren, mitunter auch
50
Maulkorb. Bemühungen, Betriebsratsmitglie-
im direkten Wohnumfeld. In einem unserer In-
der wegen öffentlicher oder halböffentlicher
terviews wurde geschildert, wie Detektive ei-
Äußerungen zu belangen, gehören zum Stan-
ner Unternehmensstabsstelle in das Kinder-
dardrepertoire. Das Betriebsratsmitglied wird
zimmer eines Betroffenen gespäht oder sich in
in seinem Recht angegriffen, in einem demo-
der Tiefgarage eines Wohnhauses zu schaffen
kratischen Diskurs seine Meinung zu äußern.
gemacht hatten (Adnan T., Paketdienstzentra-
Häufige Begründungen sind: Beleidigung der
le). Es gehört bisweilen zum erkennbaren Kal-
Geschäftsführung, Geschäftsschädigung („Kun-
kül, dass sie dabei gesehen wurden. Folgen bei
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
den Betroffenen sind etwa Schlafstörungen und
me Dinge geschehen. Ich habe gesagt, ich ma-
zeitweilige Arbeitsunfähigkeit, in einigen Fäl-
che das nicht. Dann ist er weggefahren und eine
Krankheiten und
len seelische, pychosomatische oder physische
Stunde später mit der Assistentin der Betriebs-
Zusammenbrüche
Erkrankungen. Zu den psychologischen Takti-
leitung Nadine C. zurückgekommen. Und mit
als gesundheitliche
ken gehört es dabei auch, Abmahnungen und
seiner Lebensgefährtin. Den Gästen hatte ich
Folgen
Kündigungen kurz vor dem Wochenende zuzu-
das nicht so richtig erklärt, wer das gewesen
stellen, oftmals per Eilboten mit persönlicher
war. Und dann kam die Nadine an und meinte:
Übergabe. So dringt das belastende Schrift-
,Das war es für dich. Du schreibst jetzt sofort
stück in Freizeit und Familie, zumal die Betrof-
deine fristlose Kündigung.‘ Die Gäste dachten,
fenen am Wochenende keine Gelegenheit ha-
das wäre die Mafia. Ich habe gesagt, ich mache
ben, sich über Anwälte oder Gewerkschaften
das nicht. Die meinten dann, ich könnte nicht
Hilfe und Beratung zu holen.
arbeiten, wenn ich krank geschrieben wäre.
Die Betriebsratsvorsitzende Karla G. wur-
[Sie war aufgrund psychischer Belastung infol-
de von einem externen Mitarbeiter einge-
ge von Mobbing für die Arbeit in der System-
schüchtert, der in Diensten der Personallei-
gastronomie krank geschrieben; A. d. Vf.]
tung stand. Sie arbeitete in einem Nebenjob in
Ich habe gesagt, dass das alles seine Richtig-
einer Kneipe:
keit hat. Dann ist die total ausgeflippt. Der Typ
„Das war donnerstags, und freitags war ich
hatte noch so ein Wortgefrotzel mit ein paar
zum arbeiten im Ratskeller. Das ist in so einer
Gästen. Dann sind die alle aus dem Laden ge-
Seitenstraße, und dann sagten Gäste, da fährt
stürmt, wieder ins Auto. Dann haben die Gäste
so ein Spinner ohne Licht rum, mit Berliner
gesagt: Die fotografieren von draußen. Dann
Kennzeichen. Und das war mir schon bei Tanja
war mir klar, der kommt gleich rein zum Foto-
aufgefallen so ein Auto mit Berliner Kennzei-
grafieren. Dann bin ich in die Küche, habe mei-
chen. Jedenfalls ist dann einer rausgegangen
ne Jacke geholt. Da kam der rein und der eine
und hat den angehalten und hat gefragt, ob er
Gast sagte auch gleich: ,Verpiss dich – du be-
ihm helfen könnte. Und dann meinte er, nein, er
drohst hier die Bedienung!‘ Aber der ist stur
käme mit rein. Und dann kam er rein und mein-
stehen geblieben. Sobald er mich sehen konn-
te: ,Ach Karla, können wir mal nach hinten ge-
te, hat er mich fotografiert. Die Gäste hat er
hen?‘ Und ich bin auch noch weg von den Gäs-
auch fotografiert. Und von da an sind die jeden
ten, ich blöde Kuh, weil ich diesen Aufruhr nicht
Freitag gekommen“ (Karla G., Systemgastro
wollte. Und dann hatte er wieder das Schreiben
Niedersachsen).
dabei und meinte, ob ich mir das jetzt überlegt hätte zurückzutreten. Ich habe Nein gesagt und
Die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Wenn eine
er meinte wieder, das wäre doch besser für alle
professionelle Konfliktführung stattfindet,
und ich müsste doch verstehen, dass das auch
wird der Zeitpunkt der Aktionen strategisch
besser für mich wäre. Es könnten ganz schlim-
gewählt. Bereits aus den wenigen Interviews
51
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
ergab sich eine deutliche Tendenz in diese
triebsräte“ (BOB) tätig ist, sagte: „Wenn du ver-
Betriebsratsgründung
Richtung. Karla G. erzählt: „Im Oktober war ich
suchst einen Betriebsrat neu zu gründen, dann
ist verbrieftes Recht,
in Urlaub, und da hat mir ein Assistent vorher
kämpfst du quasi im Feindesland.“
das schwer durchzu-
den Tipp gegeben: ‚Stell dir vor, du hast eine
Der älteste der von uns untersuchten Fälle
setzen ist
total beliebte Betriebsratsvorsitzende und du
stammt aus dem Jahr 2000. Er fand in einer mit-
kommst nicht zwischen Belegschaft und Be-
telständischen IT-Firma statt, die von einem
triebsrat. Was würdest du machen, wenn die in
ausländischen Investor gekauft wurde und
Urlaub geht?‘ Eine Versammlung, habe ich ge-
danach profitabel aufgestellt und in ein euro-
sagt. Bingo! Also habe ich die zwei Tage vor dem
päisches Konsortium integriert werden sollte.
Urlaub nachts noch den Betriebsrat zusammen-
Drei Fälle stammen aus den Jahren 2011/2012.
geholt und habe denen gesagt: Die Geschäfts-
Zwei davon betreffen Supermärkte, einer einen
leitung wird versuchen, euch unter Druck zu set-
mittelständischen Metallbetrieb.
zen. Ich war zwei Stunden in der Luft. Da bekam
Eine Sonderstellung nimmt der Fall eines
ich schon die SMS, dass in der Woche danach
Briefzustellers ein, der seit nunmehr dreiein-
Betriebsversammlung ist und Anwesenheits-
halb Jahren die Gründung eines Betriebsrats
pflicht für alle“ (Karla G., Systemgastro Nieder-
mit ganz eigenen Methoden verhindert. Das
sachsen).
Unternehmen wird ständig umgebaut, so dass
Ähnlich ist die Situation, wenn die zustän-
bislang keine verwertbare Wählerliste erstellt
digen Gewerkschaftssekretäre in Urlaub ge-
werden konnte. Jeden Erfolg von Betriebsrats-
hen. In Göttingen hat der Discounter netto 2012
initiatoren und Gewerkschaft vor Gericht kon-
mehrere gewerkschaftlich organisierte Filialen
terte das Unternehmen mit einem weiteren Um-
handstreichartig schließen lassen, als die
bau seiner Struktur, mit Umbenennungen oder
ver.di-Sekretärin Katharina Wesenick im Ur-
Rechtsformänderungen, die wieder neue Kla-
laub war.
gen auf Herausgabe einer Wählerliste nötig machten. Hier wird der oben beschriebene
5.2 Die Verhinderung von Betriebsratsgründungen
Rechtsnihilismus (siehe These 11, S. 8) in besonders offensichtlicher Weise auf die Spitze getrieben.
Bei einem internen Workshop der IG Metall
Wir gehen nach derselben Darstellungsme-
stellte ein Gewerkschaftssekretär im November
thode vor wie im vorangehenden Kapitel 5.1,
2012 folgende Beobachtung in den Raum: „Die
„Die Bekämpfung von etablierten Betriebsrä-
Gründung eines Betriebsrats kommt heutzutage
ten“.
in vielen Fällen einem Arbeitskampf gleich –
52
und der Konflikt wird von Arbeitgeberseite auch
Ursprünge der Konflikte
genauso geführt.“ Eine weitere Teilnehmerin,
Betriebsratsgründungen sind meist mit konkre-
die im IG-Metall-Projekt „Betriebe ohne Be-
ten betrieblichen Problemen, neuen oder nicht
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
Tabelle 2:
Die Verhinderung von Betriebsratsgründungen Betrieb(a)
Betroffene(b)
Gewerkschaft
Zweigelt + Partner (IT-Firma)
Kalle K.
ver.di
> 100
2000
Briefzusteller XLS
Manfred W.
ver.di
> 60
2008
Discounter Hessen
Olga B./Milutin P. keine
> 20
2011
Supermarkt Karo
Hubert H.
ver.di
> 50
2011
Callcenter CBA
Rico S./Robert T.
ver.di
> 300
2012
Schaltkästen Hinz
Rudi K.
IG Metall
> 500
2012
(a)
Phantasienamen, redaktionell geändert.
(b)
Mitarbeiterzahl
Versuchte Gründung
Anonymisiert und redaktionell geändert. Quelle: eigene Darstellung
eingelösten Ansprüchen der Belegschaft oder
beiter schon sämtliche Betriebe der Konkur-
konkreten Verletzungen arbeitsrechtlicher
renz kennengelernt hatte und stets zu den Bes-
Standards verbunden. Zur Initiierung einer Be-
ten seiner Abteilung gehörte; ein pleitegegan-
triebsratswahl bedarf es einerseits einer kon-
gener Kurierunternehmer, der nun als lohnab-
kreten Motivlage, andererseits allerdings auch
hängiger Briefzusteller arbeitet; ein ehemali-
in der Belegschaft anerkannter „Aktivisten“,
ger Hausbesetzer und Antifa-Aktivist, der nun
die mit Durchsetzungsvermögen und spezifi-
in der IT-Branche arbeitet. Hinter dem Wunsch,
schen persönlichen Kompetenzen ausgestattet
ein demokratisches Mitbestimmungsorgan ins
sind.
Leben zu rufen, haben wir verstärkt Motive gefunden, die in der als mangelhaft empfundenen
Motive von Betriebsrats-Initiatoren. In den
Arbeitsorganisation, dem Führungsstil und der
von uns untersuchten Fällen waren die Be-
Firmenkultur lagen. Die Initiatoren von Be-
triebsrats-Initiatoren schon lange in der Firma;
triebsratsgründungen sind häufig von Form und
sie genossen sowohl bei Kollegen als auch Vor-
Inhalt der Arbeit unterfordert. Sie fühlen sich
Betriebsrats-
gesetzten und Kunden Ansehen und waren häu-
von ihren Vorgesetzten unterbewertet (finanzi-
Initiatoren häufig
fig mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet,
ell, menschlich oder auch in ihrer Position in
besonders kompetente
die in ihrer Position nicht zur Entfaltung kam-
der Hierarchie) und verfügen über Ressourcen
Mitarbeiter
men: etwa eine Hotelfachfrau mit jahrelanger
und Netzwerke, um über den Tellerrand zu
Berufserfahrung, die nun als Kassiererin ar-
schauen. Viele von ihnen besitzen Selbstbe-
beitet; ein politisch aktiver Studienabbrecher
wusstsein und Motivation, was sie in Konflikt
im Callcenter; ein Facharbeiter, der als Leihar-
mit willkürlich oder autoritär handelnden Vor-
53
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
gesetzten bringt. Sie haben außerdem weniger
dann hat er Himbeeren gefunden, die ver-
Angst als viele ihrer Kollegen, stattdessen die
schimmelt waren, und hat die mir dann vor den
Gewissheit, bei Entlassung eine andere Stelle
Kunden vor die Füße geschmissen. Der hat auch
zu finden, weil sie besonders qualifiziert sind.
dem Leiter der Warenannahme ein Paket Margarine hinterhergeworfen, eine Palette umge-
Motive der Beschäftigten. Die Motive, die zur
kippt, die schräg stand“ (Hubert H., Super-
Gründung von Betriebsräten anspornen, ähneln
markt Karo).
weitestgehend den Motiven bei Konflikten mit
Die Beschäftigten bei Schaltkästen Hinz
etablierten Betriebsräten: Niedriglohn und
hatten besonders unter Personalgesprächen
Lohndumping, exzessive oder willkürliche Ver-
im Büro zu leiden, wie Rudi K. schildert: „Die
pflichtung zur Leistung von Überstunden (siehe
greifen sich einen raus. Meistens einen Schwa-
Lohndumping,
Kapitel 5.1). In den Interviews mit Betriebsrats-
chen, der wird dann ins Büro gerufen, angeb-
Überstunden,
gründern stießen wir auf einige Besonderhei-
lich zu einem Vieraugengespräch. Da sitzen
Arbeitsverdichtung
ten, die wir für erwähnenswert halten und an-
dann aber vier Leute und dann wird massiv
hand einiger Beispiele illustrieren möchten.
Druck gemacht“ (Rudi K., Schaltkästen Hinz).
Gerade bei Discountern und Supermärkten
Außer der Übernahme (oftmals lokal ver-
scheint eine regelrechte Hire-and-Fire-Kultur
wurzelter) Unternehmen durch einen interna-
in Bezug auf langjährige Mitarbeiter gängige
tionalen Investor gibt es eine zweite Sollbruch-
Praxis zu sein. Hubert H. sagt dazu: „Leute, die
stelle, die beständig Konflikte hervorruft: der
zu teuer werden, fliegen als Erste, auch z. B.
Übergang vom Vater (von der Mutter) auf den
wenn man eine Führungskraft ist und schon ein
Sohn (die Tochter) in einer patriarchalischen
paar Jahre da ist. Das war in meinem Fall auch
Firmenkultur. Rudi K. formuliert es so: „Seit der
so. Die ganz hohen Führungskräfte können kos-
Junior am Hebel ist, ist der Laden den Bach run-
ten, was sie wollen. Nur alle, die im Verkauf
tergegangen. Kann sehr gut reden und verkau-
sind, müssen ganz billig sein“ (Hubert H.,
fen. Aber mit der Menschenführung – die
Supermarkt Karo).
stimmt gar nicht. Meines Erachtens ist der auch
Ein wesentliches Motiv für den Versuch, einen Betriebsrat zu gründen, ist das als schika-
einfach mit der Firma überfordert“ (Rudi K., Schaltkästen Hinz).
nös und willkürlich empfundene Verhalten von Schutz vor Willkür
Führungspersonen. Beim Supermarkt Karo war
Der Wendepunkt: Jetzt gründen wir einen Be-
und Kündigungen
dies so im Fall eines als Choleriker bekannten
triebsrat. In sämtlichen Fällen können klare
Vorgesetzten: „Der machte seinen Rundgang.
Punkte identifiziert werden, an denen die ein-
Also erst zu Obst und Gemüse, Frischekontrol-
zelnen Initiatoren für sich entscheiden, das Ri-
le. Wir hatten zwei Krankmeldungen, also wa-
siko einer Betriebsratsgründung einzugehen.
ren wir noch nicht richtig fertig. Da hat er schon
Beim Metallbetrieb Schaltkästen Hinz hatte
gemeckert, dass da noch Paletten standen. Und
dieser Schritt eine lange Vorlaufzeit. Es wur-
54
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
den sogar recht deutliche Versuche unternom-
krank. Neun Jahre keinen einzigen Tag Kranken-
men, die Geschäftsführung zur Kursänderung
stand‘“ (Olga B., Discounter Hessen).
zu bewegen: „Im Sommer 2010 hat ein Mitar-
Die Übernahme ihres regionalen Unterneh-
beiter einen handschriftlichen Brief geschrie-
mens durch einen internationalen Konzern
ben, hat all die Probleme angesprochen, von A
brachte die Kollegen des Briefzustellers XLS
bis Z. Hat es gut formuliert, aber knallhart ge-
auf die Idee, dass sie etwas unternehmen soll-
schrieben und den Brief haben über neunzig
ten: „Vorher war es so: Der Chef im eigenen
Leute unterschrieben. Den haben wir dem Chef
Haus hatte immer ein offenes Ohr. Es war uns
Chef ignoriert
persönlich zugestellt. Der hat ihn nicht beach-
klar, dass das beim Briefzusteller XLS nicht der
Verbesserungs-
tet. Die ersten drei, die unterschrieben haben,
Fall sein wird. Deswegen haben wir gesagt, wir
vorschläge
die hat er zu sich bestellt. Und hat die gefragt,
gründen einen Betriebsrat“ (Manfred W., Brief-
was das sollte, und hat die mehr oder weniger
zusteller XLS).
abgewatscht. Da kam der Entschluss, wir gründen einen Betriebsrat“ (Rudi K., Schaltkästen
Konfliktverläufe
Hinz).
Auch bei der Verhinderung von Betriebsrats-
In den beiden von uns untersuchten Super-
gründungen zeigt sich, dass manche Arbeitge-
märkten sind die Betriebsrats-Initiatoren aktiv
ber und ihre Berater mit einer großen Bandbrei-
geworden, um sich selbst vor Kündigungen
te an modular eingesetzten Methoden auf Indivi-
oder Repressalien zu schützen. Der Discounter
duen und Belegschaften einwirken. Mitunter
Hessen beschuldigte plötzlich Mitarbeiter der
entwickeln sie viel Phantasie, um ihre Möglich-
Filiale des systematischen Diebstahls und be-
keiten zu vergrößern und Schwachpunkte der
gann sie erst zu bespitzeln, dann Einzelne zu
abhängig Beschäftigten auszunutzen.
versetzen. Hier geschah die Initiative zur Be-
In den meisten von uns untersuchten Fällen
triebsratsgründung auf Anraten eines Anwalts.
waren die Unternehmen und die von ihnen be-
Die Kassiererin Olga B. schildert den Vorgang
auftragten Dienstleister erfolgreich darin, die
so: „Am 4. Januar ist mir mitgeteilt worden,
Gründung eines Betriebsrats zu verhindern.
dass wir verdächtig sind. Also erst Milutin,
Der Discounter Hessen wählte als Mittel will-
dann ich und dann noch einer. Und dann haben
kürliche Versetzungen von Betriebsrats-Initia-
die mich versetzt in eine Filiale im Industriege-
toren, so dass diese mit ihrer familiären Situa-
Versetzungen als
biet. Da habe ich zu dem Filialleiter gesagt: ‚Das
tion nicht vereinbare Fahrt- und Dienstzeiten
Druckmittel
mache ich nicht mit. Da sind Sie bei den ande-
auf sich nehmen mussten, beispielsweise
ren mit durchgekommen. Aber bei mir nicht.
54 Busstationen An- und Abfahrt plus Spät-
Ich werde dagegen kämpfen, dass Sie mich hier
schicht für eine alleinerziehende Mutter; zwei
als Diebin darstellen. Ich habe jetzt fünf Jahre
Wochen Montage im Ausland für einen teiler-
alleine gekämpft, alleinerziehend. Ich war nie
ziehenden Vater. Die Geschäftsleitung gründete einen gelben Betriebsrat, während eine Be-
55
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
triebsrats-Initiatorin im Urlaub war. Im neuen
(AVO) einer erneuten Betriebsratsgründung vor-
Betriebsrat fanden sich plötzlich Vorgesetzte,
zubeugen.
die unsere Interviewpartnerin zuvor schika-
Die angeschlagene IT-Firma Zweigelt + Part-
niert und damit erst den Grund für die Betriebs-
ner inszenierte eine aufwendige Firmenver-
ratsgründung geliefert hatten.
sammlung, um die angekündigte Gründung ei-
Die beiden Supermärkte (Discounter Hes-
nes Betriebsrates zu verhindern. Bei dieser
sen, Karo) wandten eine Methode an, die wir
Versammlung trennte das Management die Be-
„sozialer Tod“ nennen: Dazu gehören gezielter
legschaft in zwei etwa gleich große Gruppen,
Entzug menschlicher und kollegialer Wärme bei
um der einen Gruppe sogleich die kollektive
der Arbeit und Mobbing durch Vorgesetzte und
Kündigung mitzuteilen, was zu tumultartigen
Kollegen: Häme, Vorwürfe, Verhöre, Rufmord,
Szenen führte. Die Restmannschaft – 60 von
Gerüchte, Schikanen (siehe Kapitel 5.3). Diese
120 Mitarbeitern – konnte der Firma später
Besondere Härte:
Methoden sind aus Unternehmenssicht äußerst
gleichwohl einen Betriebsrat aufzwingen. Die
soziale Deprivation
effizient und hatten in den recherchierten Fällen
Firma überdauerte das Platzen der Internet-
und Schock-Aktionen
das „freiwillige“ Ausscheiden ohne Kündigung
Blase allerdings nur knapp zwei Jahre. Beim
zur Folge, nicht zuletzt aufgrund der psychi-
Briefzusteller XLS ließ sich der Betriebsrats-
schen und körperlichen Folgen. In einem Fall
Initiator in eine juristische Auseinanderset-
akzeptierte die Mitarbeiterin einer Discounter-
zung verwickeln, die seit Februar 2010 andau-
Filiale nach längeren Auseinandersetzungen
ert und um die Aushändigung einer verwertba-
und körperlichen Zusammenbrüchen eine Abfin-
ren Wählerliste kreist. Der Fall liegt seit dem
dungsregelung. Ein Betriebsrats-Mitinitiator in
22. Juni 2012 beim Bundesarbeitsgericht und
einer Filiale der Supermarktkette Karo ging auf
wird voraussichtlich im dritten Quartal 2014
ein Versetzungsangebot ein. Nach einem halben
verhandelt (7 ABR 53/12).66 Die Besonderheit
Jahr wurde er von seiner neuen Arbeitsstelle –
hier war, dass der Aktivist beruflich offenbar
entgegen zuvor gemachten Versprechungen –
völlig unbehelligt blieb.
betriebsbedingt gekündigt, mit Zustimmung des
Den geschilderten Niederlagen bei Be-
dortigen Betriebsrats, der nach Einschätzung
triebsratsgründungen steht unter den sechs
des zuständigen ver.di-Sekretärs als unterneh-
von uns untersuchten Fällen nur ein erfolgrei-
Nur eine Betriebs-
menshörig gilt. Auch Callcenter CBA blieb be-
cher Versuch gegenüber. Dieser Betriebsrat
ratsgründung hatte
triebsratsfrei. Hier war bereits drei Jahre früher
hat bis heute Bestand. Der Metallbetrieb
Bestand
eine Betriebsratsgründung gescheitert. Das das
Schaltkästen Hinz ging zunächst mit gezielten
Unternehmen patriarchalisch führende Grün-
Kündigungen gegen die Betriebsrats-Initiato-
derpaar hatte damals versucht, durch die Instal-
ren vor. Doch das Unternehmen musste nach
lation eines alternativen Vertretungsorgans
langer Auseinandersetzung, die die IG Metall
66 Laut telefonischer Auskunft der Geschäftsführung des 7. Senats, BAG Erfurt am 6.3.2014.
56
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
in der betrieblichen und regionalen Öffentlich-
Gerüstbauer, einen Arbeiter, der keinen Füh-
keit wie auch auf gerichtlichem Wege gegen
rerschein besaß, zum Rückzug von der Be-
den Firmenpatriarchen führte, einen Betriebs-
triebsratsgründung zu bewegen. Mit öffentli-
rat akzeptieren: den ersten in der jahrzehnte-
chen Verkehrsmitteln war der neu zugewiese-
langen Geschichte des Unternehmens. Der Sieg
ne Arbeitsplatz für den Familienvater nur mit
war teuer erkauft: Von drei gekündigten Initia-
mehreren Stunden täglicher Fahrtzeit zu errei-
toren der Betriebsratsgründung kehrte keiner
chen.67
in den Betrieb zurück. Zwei fanden neue Arbeit,
Die Firma Schaltkästen Hinz kam auf die
einer wurde infolge von Depressionen dauer-
Idee, Initiatoren der Betriebsratswahl auf Mon-
haft arbeitsunfähig.
tage ins Ausland zu versetzen: „Ich sage: ‚Ich kann nicht auf Montage gehen, ich muss mich
Konfliktfelder und Methoden
um meine Tochter kümmern.‘ Meine Freundin
Unternehmensleitung und Personalmanage-
geht Vollzeit arbeiten. Die bringt das Kind mor-
ment griffen auch bei der Verhinderung von
gens in den Kindergarten, ich gehe es mittags
Betriebsratsgründungen auf einen Methoden-
holen. Weil wir Gleitzeit haben, habe ich um
Mix zurück, der der Situation, den „Zielperso-
6 Uhr angefangen, um 15 Uhr war ich fertig und
nen“ und der Firmenkultur entsprechend modu-
um 15.30 das Kind holen. Das hat immer gut
„Du arbeitest hier,
lar angepasst wurde.
gepasst. Die Antwort war: ‚Du arbeitest hier,
nicht deine Familie“
nicht deine Familie‘“ (Rudi K., Schaltkästen Schikanöse Versetzungen. Eine Methode,
Hinz).
besonders um Familienväter und -mütter unter Druck zu setzen, ist die gezielte Versetzung an
Angedrohte Schließung und gezielte Falsch-
einen nur schwer und aufwendig erreichbaren
information. Je nach konjunktureller Lage oder
Ort. Vor Gericht schildert eine Betroffene den
Arbeitslosigkeit in der Region kann die Dro-
Zynismus des Discounters Hessen in dieser Fra-
hung mit der Betriebsschließung eine große
ge: „Und dann hat mein Anwalt gefragt: ‚Wisst
Wirkung entfalten. Das ist in Ostdeutschland
ihr denn überhaupt, wie die Frau B. mitten in
noch einfacher als in Westdeutschland: „Das
der Nacht nach Hause kommt? Die hat noch ein
hat er auch gesagt: ‚Wenn es jetzt einen Be-
Kind zu Hause.‘ Da hat der Verkaufsleiter ge-
triebsrat gibt, hat er keinen Spaß mehr an der
sagt: ‚Das ist hier keine emotionale Party. Vor
Investition.‘ Aber die feigen Kollegen haben
Mitternacht wird sie es ja wohl nach Hause
dann nicht den Chef angegriffen, sondern den
schaffen‘“ (Olga B., Discounter Hessen).
Mirko: ‚Wenn du den Betriebsrat gründest,
Mit der Methode der schikanösen Versetzung schaffte es auch ein niederrheinischer
kannst du dann damit leben, 300 Arbeitsplätze zu vernichten?‘“ (Rico S., Callcenter CBA).
67 Interview mit IG-BAU-Sekretär Reinhard Steffen am 12.10.2012.
57
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Dabei kann es sich ohne Weiteres um gezielt gestreute Falschinformationen handeln.
te erfolgreich zu sein. In dieser AVO-Variante werden von den Arbeitsteams, den unteren
Die CBA-Belegschaft zeichnete sich durch
Gliederungen am Arbeitsplatz, sogenannte
eine erhöhte Irritierbarkeit durch solcherlei
Vertrauensleute gewählt. Sie haben nichts mit
Desinformation aus: „Da wurde auch ständig
der gewerkschaftlichen Tradition des Vertrau-
von allen behauptet: ‚Wenn ein Betriebsrat
ensleutekörpers zu tun. Ein Interviewpartner
kommt, dann muss der jede einzelne Überstun-
war Teil solch eines recht simpel gestrickten
de absegnen.‘ Ich habe denen gesagt, dass das
AVO; Callcenter-Agent Rico S. berichtet: „Die
Quatsch ist. Trotzdem sind auch Leute, die stu-
Sitzungen waren immer nach Schema: Die Fir-
dieren [und eigentlich über einen weiteren Ho-
mengründer erzählen, was es Neues gibt. Das
rizont verfügen sollten; A. d. Vf.], übelst ausge-
waren totale Jubelarien. Die Leute wurden nach
rastet, weil sie meinten, da würde ihnen jetzt
Strich und Faden verarscht. Manchmal wurde
ein Betriebsrat reinfunken“ (Callcenter CBA).
auch über neue Projekte erzählt, z. B. ein Call-
Die Methodik gezielter Falschinformatio-
Center auf Malta. Mich als kleines Call-Center-
nen zur Verhinderung von Betriebsratsgrün-
Mäuschen hat das überhaupt nicht interessiert.
dungen ist bereits von Kate Bronfenbrenner
Immer am Ende eines Vertrauensleute-Mee-
empirisch untersucht worden. Bronfenbrenner
tings gab es Fragen aus der Belegschaft. Das
nahm die wachsenden Fälle von angedrohten
waren ganz banale Geschichten über Brötchen,
Unternehmensschließungen im Zuge von Wah-
Toiletten, solche Sachen. Es ging nie um Lohn.
len zur Gewerkschaftsanerkennung in den USA
Ganz selten mal um Feiertage“ (Robert T., Call-
unter die Lupe (siehe auch Kapitel 2.1). Bereits
center CBA).
1996 war sie zu der Erkenntnis gekommen, dass dieser Zusammenhang insbesondere
Einzelgespräche und Kreuzverhöre im Büro.
durch die Möglichkeiten, Unternehmensteile
Eine klassische Methode des Union-Busting
nach Mexiko zu verlagern, die sich US-Konzer-
sind wiederholte Einzelgespräche mit direkten
nen ab 1992 durch die Freihandelszone NAFTA
Vorgesetzten im Büro (vgl. Levitt 1993). Zu sol-
Versuchte
boten, eindeutig nachweisbar war und diese
chen kann es in der heißen Phase einer Be-
Beeinflussung seitens
Strategie stark zugenommen hatte (Bronfen-
triebsratsgründung mehrfach wöchentlich
des Personalbüros
brenner 1996).
kommen. Mitunter werden spezialisierte und psychologisch geschulte Kräfte aus dem mittle-
58
Alternatives Vertretungsorgan. Im Callcenter
ren bis oberen Management hinzugezogen. Die
CBA stießen wir auf ein alternatives Vertre-
Geschäftsleitung macht sich auf verschiedenen
tungsorgan (AVO). Es war vier Jahre zuvor ein-
Wegen, auch durch Auskunfteien wie Creditre-
gerichtet worden, um die bereits damals erfolg-
form, über ihre Mitarbeiter kundig, um gezielt
te Abwehr einer Betriebsratsgründung dauer-
Beeinflussungsmöglichkeiten bei Einzelnen
haft abzusichern. Die Strategie scheint bis heu-
ausfindig zu machen. „Da hat der Filialleiter für
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
alle Pizza ausgegeben. Und danach wurde jeder
center-Agent Rico S. berichtet von einem sol-
einzelne Mitarbeiter von der Bereichsleitung
chen Treffen: „Es hieß: ‚Wir wollen einiges
ins Büro geholt: ‚Sind Sie für oder gegen einen
verbessern, wir machen ein Team-Meeting,
Betriebsrat?‘ Zwei haben mir davon erzählt.
dann wollen wir mal über den Betriebsrat re-
Der eine hat gesagt, das hört sich gut an, der
den.‘ Leider war von uns Initiatoren nur der
wurde gleich auf eine Liste geschrieben, und
Marcel dabei, also jemand, der sehr ungern
der andere, der hat auch gesagt, das hört sich
vor Leuten redet. Der saß da mit fünfzehn Mit-
gut an. Und ein oder zwei Tage später hat der
arbeitern und dem Projektleiter, und dann wur-
Bereichsleiter ihn auf seinem Handy angeru-
de halt alles gegen den Betriebsrat gedreht
fen: ‚Herr Soundso, sind Sie für den Betriebs-
und wurden Gerüchte erzählt: Nur weil hier
rat?‘ Hat er gesagt: ‚Ja, eigentlich schon.‘ Hat
drei Studenten, die in ihrem Leben noch nie
der Bereichsleiter gesagt: ‚Nein, Sie sind dage-
richtig gearbeitet haben, einen Betriebsrat
gen. Sonst wird das Konsequenzen für Sie ge-
gründen wollten, haben wir bei Ausschreibun-
ben.‘ Der eine hat eine Freundin, der andere
gen gleich 15 bis 16 Projekte verloren“ (Robert T.,
hat ein Kind, der Dritte hat Schulden. Das wis-
Callcenter CBA).
sen die. Die informieren sich im Vorfeld über
Da die Zeit zwischen dem ersten Aushang
jeden Mitarbeiter, wo sie ihn angreifen kön-
zur Wahl eines Wahlvorstandes und der eigent-
nen“ (Olga B., Discounter Hessen).
lichen Betriebsratswahl knapp bemessen ist, werden diese Versammlungen häufig ange-
Verpflichtend angeordnete Belegschaftsver-
wandt, mitunter mehrmals pro Woche und in
sammlungen. In den Wochen zwischen dem ers-
Kombination mit Einzelgesprächen. Die Ge-
ten Aushang zur Wahl eines Wahlvorstands bis
sprächsgruppen werden gezielt zusammenge-
zur eigentlichen Betriebsratswahl wird ver-
stellt und umfassen manchmal nur ausgewähl-
Auch eindeutig
sucht, die ganze Belegschaft oder Teile wäh-
te Teile der Belegschaft. Diese Methode stammt
illegale Praktiken
rend der Arbeitszeit oder häufig auch danach
ebenfalls aus den USA (vgl. Levitt 1993), ist dort
werden gezielt
in Betriebsversammlungen gezielt zu beein-
das am häufigsten verwendete Mittel und wird
eingesetzt
flussen. Dabei wird auch gedroht und die Be-
mit dem Fachbegriff „Captive Audience Mee-
legschaften werden durch aggressives Auftre-
ting“ bezeichnet (Bronfenbrenner 2009b: 10).
ten eingeschüchtert. Entlassungsdrohungen
Die Juristin Elizabeth J. Masson hat diesen Ver-
kommen ebenso vor wie therapieartige Grup-
sammlungen eine eigene Studie gewidmet
pengespräche, bei denen sich Vorgesetzte
(Masson 2004). Die Methode stellt einen deut-
konziliant zeigen, Verbesserungen verspre-
lichen Verstoß gegen § 119 des BetrVG dar,
chen, zur Kritik ermuntern und Mitarbeiter,
wird aber bislang kaum zur Anzeige gebracht,
die sich gegen die Gründung eines Betriebs-
verfolgt oder geahndet.
rats aussprechen, auf ihre gewerkschaftlich organisierten Kollegen einwirken. Der Call-
59
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Gezielte Sabotage und inszeniertes Chaos bei
hatte für die Wahlveranstaltung eine Lautspre-
Wahlversammlungen. Nach dem Betriebsver-
cheranlage aufgebaut, die durch eigenes Per-
fassungsgesetz haben Beschäftigte das Recht,
sonal bedient wurde. Die Redner aus der IG
einen Betriebsrat zu gründen. Dies geschieht
Metall wurden leise gedreht, die Gegner einer
zunächst durch die Wahl eines Wahlvorstandes
Betriebsratsgründung entsprechend lauter. Im
in einer Betriebsversammlung. Die zur Wahl
Publikum stand ein Stimmungsmacher der Be-
stehenden Kandidaten werden dann durch Un-
triebsratsgegner, der mit einem eigenen Mi-
terstützungsunterschriften ermittelt und ent-
krofon ausgestattet war. Von einem Chemie-
sprechende Kandidatenlisten beim Wahlvor-
Betrieb aus dem Münsterland wurde uns von
stand eingereicht. Anschließend kann es eine
ähnlichen Vorfällen während einer Wahlver-
weitere Betriebsversammlung geben, auf der
sammlung berichtet. Hier bestand der dringen-
sich die Kandidaten vorstellen. Daraufhin wer-
de Verdacht, dass managementhörige Ange-
den die Kandidaten oder Listen in den Betriebs-
stellte im allgemeinen Chaos mehrfach gewählt
rat gewählt. In einigen von uns recherchierten
hätten. Zudem hatten Führungspersonen und
Fällen wurde die Betriebsratswahl gezielt ge-
Gehilfen ganz offen notiert, wenn sich Ange-
stört und manipuliert. Hier stach der Metallbe-
stellte positiv über den Betriebsrat äußerten.
trieb Hinz durch besonderen Aufwand und sorgfältige Planung hervor.
Diese Manipulations- und Verhinderungsstrategien bei Wahlversammlungen haben ne-
Es wurden uns folgende Maßnahmen be-
ben der unmittelbaren Störung einen weiteren
richtet, um die Wahl in einem inszenierten Cha-
Effekt, der gegen die Betriebsratsgründung ge-
os enden zu lassen:
nutzt werden kann: Die so erzeugten Unregel-
Führungspersonen, die nicht wahlberech-
mäßigkeiten können als Grundlage für eine
tigt waren, nahmen teil; sie weigerten sich trotz
aussichtsreiche juristische Anfechtung der
Wahlversammlung
eindeutiger Aufforderung des Wahlvorstands,
Wahl dienen.68
kann durch geschickte
der per BetrVG in diesem Moment das Haus-
Inszenierung im Chaos
recht besaß, den Raum zu verlassen. Zudem
versenkt werden
kandidierten – ebenfalls gegen die Bestimmungen im BetrVG – Führungspersonen. Ma-
5.3 An der Grenze zur Illegalität: Rechtsnihilismus als Methode
nagementhörige Angestellte postierten sich
Im folgenden Kapitel betrachten wir besonders
strategisch geschickt im Raum; sie machten
aggressive Methoden des Union-Busting, die
Lärm, Stimmung, mitunter Tumult, um einen
umso bedeutsamer erscheinen, als sie in der
Abbruch zu erwirken. Der Metallbetrieb Hinz
Literatur unseres Wissens bislang nicht be-
68 Der Autoteile-Händler A.T.U. sorgte an den Standorten Werl und Weiden laut Presse auf ähnliche Weise für Furore. Siehe: „Unruhe bei A.T.U. um Betriebsrat und Gerüchte“, in: Soester Anzeiger, 20.1.2013, sowie: „A.T.U.Betriebsratswahl geplatzt“, http://www.oberpfalznetz.de/onetz/3456580-118atu_betriebsratswahl_geplatzt,1.0.html, 9.11.2012, abgerufen 26.6.2013.
60
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
schrieben wurden. Es stellt sich insbesondere
ich in die neue Filiale gemusst und da haben
bei zwei der unten aufgeführten Punkte die Fra-
die mich alle angeguckt, die haben alle über
ge, wo ihre historischen Wurzeln liegen. Die
mich Bescheid gewusst, dass ich die Diebin
Methode „Sozialer Tod am Arbeitsplatz“ erin-
bin. Die haben mich morgens vor der Tür
nert an Berichte aus der japanischen Unterneh-
draußen gelassen, die haben mich nicht in den
menskultur (vgl. Bundesanstalt für Arbeits-
Laden rein gelassen. Die haben drinnen geses-
schutz und Arbeitsmedizin 2010: 5). Die von uns
sen und Kaffee getrunken. Ich habe keinen
„Shock and Awe“ genannte Methode über-
Spind-Schlüssel bekommen, meine Tasche lag
rascht durch ihren zugrunde liegenden Rechts-
offen auf dem Boden rum. Kleidung oder Essen,
nihilismus, der sowohl den Straftatbestand der
das ich gekauft habe, da haben sie reinge-
Nötigung erfüllt als auch eine langfristig ge-
spuckt oder das weggeschmissen. Da ist die Be-
plante Inszenierung umfasst, die auf konstru-
zirksleiterin vorbeigekommen mit Törtchen,
ierten Prämissen beruht.
und alle haben sich zusammen hingesetzt, und ich habe kassiert. Keiner hat mit mir gespro-
Der „soziale Tod“ am Arbeitsplatz
chen“ (Olga B., Discounter Hessen).
Gemeint ist ein von der Geschäftsleitung ange-
Ganz ähnlich erging es einem weiteren Be-
ordneter und von Vorgesetzten überwachter
triebsrats-Initiator im Supermarkt: „Ich wurde
Entzug sozialen, kollegialen Umgangs. Die Op-
von dem Tag an nur bespitzelt, wurde beobach-
fer dieser Methode wurden weiter im Betrieb
tet, mit wem ich gesprochen hatte. Die Leute,
belassen, jedoch wurde den Mitarbeitern unter
mit denen ich gesprochen hatte, die mussten
Androhung von Sanktionen verboten, mit ihnen
dann hoch zur Leitung und berichten, was wir
zu sprechen. Bei Zuwiderhandlung mussten die
besprochen haben. Der Hausdetektiv hat mich
Beschäftigten zu eindringlichen Gesprächen
beobachtet, wo ich war. Ich war das rote Tuch,
im Personalbüro erscheinen und über die In-
der Buhmann, der mit dem Schreiben von
halte ihrer Konversationen mit der Zielperson
ver.di kam, dass wir jetzt einen Betriebsrat
Auskunft geben. Jeder Schritt der fokussierten
gründen“ (Hubert H., Supermarkt Karo).
Personen wurde teils offen beobachtet, kon-
Gudrun Z., eine Kassiererin und gewerk-
trolliert, protokolliert. Der Interviewpartner
schaftliche Vertrauensperson, berichtet: „Die
Hubert H. wurde dadurch so unter Druck ge-
Tür war noch nicht hinter mir zu, da wurde ich
Soziale Deprivation:
setzt, dass er einer Versetzung zustimmte –
angeschrien von einer Kollegin, die die Filial-
„Keiner hat mit mir
wodurch eine Betriebsratswahl mangels Kan-
leitung gemacht hat. Es hat niemand mehr mit
gesprochen“
didaten verhindert wurde. Eine andere Inter-
mir gesprochen im Laden. Ein halbes Jahr habe
viewpartnerin berichtet von den psychischen
ich gedacht, ich schaffe es. Aber es ging nicht.
und physischen Auswirkungen, die bei ihr bis
Es war ja nachher keiner mehr im Laden, der
hin zu Lähmungserscheinungen führten. Die
mit mir gesprochen hat. Weder ‚Guten Morgen‘
Kassiererin Olga B. berichtete: „Montag habe
noch ‚Auf Wiedersehen‘.“ Diese äußerst effek-
61
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
tive Methode hat schwerwiegende gesundheit-
Krankheit wird von aggressiven Arbeitgebern
liche Folgen: „Also, ich hatte einen richtigen
und Beratern als Zeichen der Schwäche gewer-
Brechreiz, wenn ich auf Arbeit musste. Ich bin,
tet, als Indikator für einen Erfolg ihrer Gesamt-
bevor ich los bin, fünf- bis sechsmal auf Toilet-
strategie.
te. Ich hatte Durchfall, ich hatte Nasenbluten
Einem gesellschaftlichen Trend folgend,
bis zum Geht-nicht-mehr“ (Gudrun Z., Discoun-
werden vermehrt mentale Techniken wie Me-
ter Niedersachsen).
diation, Supervision und Coaching im Zusammenhang mit Arbeitskonflikten eingesetzt. Sie
Pathologisierung: „Sie sind krank“
können im Zusammenhang mit Union-Busting-
In den Schilderungen von Olga B. findet sich
Konflikten ebenfalls dazu dienen, die Betroffe-
ein wiederkehrendes Motiv, das auch in Ge-
nen zu pathologisieren und den Konflikt von
sprächen mit etablierten Betriebsräten zu fin-
einer kollektiven und im Kern wirtschaftlichen
den war, die systematisch bekämpft wurden:
Auseinandersetzung zu einer individuellen
die Pathologisierung. Den Betroffenen wird
oder zwischenmenschlichen Angelegenheit
suggeriert, sie seien krank, ihr Widerstand sei
umzudeuten.
pathologisch, neurotisch, Folge einer Persönlichkeitsstörung. Die Kassiererin beschreibt,
„Shock and Awe“ – Die Schock-Methode
wie ein solcher Vorgang auf sie wirkte: „Und
Wir sind auf drei Fälle gestoßen,69 in denen
dann sind der Verkaufsleiter und die Betriebs-
Unternehmen mit generalstabsmäßiger Pla-
leiterin gekommen und haben zu mir gesagt:
nung, Vorbereitung und Durchführung gegen
‚Sie sind krank. Sie müssen in die Psychiatrie.
ganze Belegschaften vorgegangen sind. Eine
Alle Leute hassen Sie. Sie sollten unbedingt
Art psychologischer Kriegsführung, die „Shock
ärztliche Hilfe annehmen.‘ Ich war schockiert,
and Awe“ (S&A, deutsch: „Furcht und Schre-
Häufige Folge:
ich war sprachlos“ (Olga B., Discounter Hes-
cken“, Schock-Methode) genannt wird.70 Die
Arbeitsunfähigkeit
sen).
Begrifflichkeit fand als Beschreibung für das
Tatsächlich gehen die erforschten Union-
US-amerikanische Vorgehen im Irakkrieg Ein-
Busting-Konflikte recht häufig mit einer zeit-
gang in den deutschen Wortschatz. Dabei wird
weiligen Arbeitsunfähigkeit aus seelischen
versucht, durch eine plötzliche Aktion Überra-
oder psychosomatischen Gründen einher.
schungseffekte zu nutzen, so dass rechtliche
Meist nimmt der Druck noch zu, wenn die Be-
Auseinandersetzungen und Möglichkeiten ei-
troffenen nach Ablauf der Krankschreibung
ner nennenswerten Gegenwehr mit großer
wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren. Die
Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten sind (vgl.
69 Die Fälle datieren vom Mai 2008, Januar 2011, November 2011, resultierende Arbeitsgerichts- und Strafprozesse endeten 2010, 2012 und 2013. Die Fälle sind durch Prozessbeobachtung, Hintergrundgespräche, in einem Fall durch ein Gruppeninterview mit drei Betroffenen dokumentiert. Aktenzeichen: ArbG Köln 12Ca73 93/11, ArbG Frankfurt a.M. 18 Bv 967/11 | 968/11 | 969/11, LAG Köln 3 Sa 561/12. 70 Constanze Stelzenmüller: Schock und Entsetzen, in: Die Zeit, 13/2003.
62
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
Klein 2007: 75 ff.). Wir betrachten dieses dras-
Das eingesetzte Personal durchsucht priva-
tische Vorgehen gesondert, weil es in Deutsch-
te Spinde und Taschen. Es ergehen Verbote in
land bislang wohl nur in Ausnahmen praktiziert
polizeilichem Stil: Niemand geht raus, keine
wird. Der Ablauf ist – ausgehend von einem
Gespräche, keine Telefonate! In separaten Räu-
Gruppeninterview mit Betroffenen sowie zwei
men werden die Beschäftigten einzeln von An-
weiteren Interviews – ähnlich wie ein Drehbuch
wälten, Personalleitern und Innerer Revision
verfasst. Tatsächlich ist beim Handeln der ver-
ins Kreuzverhör genommen. Diese präsentie-
schiedenen Akteure und Akteursgruppen auf
ren als Belastungsmaterial Überwachungspro-
Seiten des Arbeitgebers eine sorgfältige Insze-
tokolle, mitunter DVDs mit Ausschnitten aus
nierung des Ereignisses erkennbar.
Überwachungsvideos. Nouri O. wurde es ver-
Zu einem vorher verabredeten Zeitpunkt
wehrt, einen Beistand zu den Verhören mitzu-
wird der Betrieb von einem größeren Team be-
nehmen: „Da hat er gesagt: Herr O., Sie sind
setzt, Security-Leute verschließen die Türen, die
doch Betriebsrat, Sie brauchen doch keinen
Arbeit wird zum Stillstand gebracht. Der Betrieb
Zeugen. Ich hab gesagt: Doch, ich brauche je-
wird in eine Art privates Polizeirevier verwan-
manden, sonst führe ich mit Ihnen keine Ge-
delt, Verhörraum und Wartezonen werden abge-
spräche. Richtig wütend sagt er: ‚Wir wollten
trennt. Nouri O., langjähriger Betriebsratsvor-
Ihnen nur einen Gefallen tun! Wenn Sie das
sitzender, berichtet: „Da kamen sie rein, der
nicht wollen, dann müssen wir gegen Sie Straf-
Anwalt und der Personalleiter, es war wie ein
anzeige wegen Eigentumsdelikten erstatten.‘
Überfall. In diesen Nebenräumen haben sie Vi-
Hab ich gesagt: Ja, dann machen Sie es“ (Nou-
deogeräte, Laptops und Drucker aufgebaut und
ri O., Systemgastro Hessen).
haben diese Räume umfunktioniert in eine Art
Die Angestellten werden z. T. länger als
Verhörraum. Der Personalleiter und der Anwalt
eine Stunde unter Bewachung festgehalten. In
sagten mir: ,Schalten Sie Ihr Handy aus! Sie dür-
einem Fall gibt es zwei Zusammenbrüche: eine
fen nicht vom Betriebsratsbüro aus telefonie-
Herzattacke und einen Nervenzusammenbruch,
ren.‘ Ich war sprachlos, ich wusste gar nicht, was
über den die Angestellte Tanja T. berichtet: „Ich
ich machen sollte, ich war wie gelähmt, da lau-
hab Panik gekriegt, und dann hab ich irgend-
fen dir 1000 Dinge im Kopf herum. Ich wollte zu
wann keine Luft mehr gekriegt, Kopfschmerzen
Norbert rüber und fragen, was wir machen. Da
bekommen, ich wollte schon wegen gesund-
sagt der Anwalt: ‚Herr O., gehen Sie bitte an Ihre
heitlicher Gründe meine Tabletten nehmen. Ich
Stelle zurück! Bleiben Sie da, wo Sie sind!‘ Ich
bin aufgestanden und wollte Wasser holen. Auf 71
hab gesagt: ‚Was Sie hier machen, das ist Frei-
einmal ist der Ratkowski aufgesprungen und
heitsberaubung!‘ Da hat er mich nur angegrinst“
Marco P. hat zu mir gesagt: ‚Wo gehen Sie hin?
(Nouri O., Systemgastro Hessen).
Wenn Sie jetzt rausgehen, ist das Arbeitsver-
Freiheitsberaubung und Nötigung
71 Name geändert.
63
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Das Ziel: Aufhebungsverträge
64
weigerung!‘ Und dann hat er mich so angepackt
gelassen, und er hat zu mir gesagt, ich solle
an den Ellbogen und hat mich wie ein Stück
meinen Spind leer machen“ (Tanja T., System-
Scheiße weggeschoben. Und dann ist der Max
gastro Hessen).
aufgestanden, ein Kollege. Ich hab dann meine
Mehrere Mitarbeiter unterschreiben in ei-
Tablette genommen, Wasser getrunken. Und
nem ersten Impuls. Wir haben von drei Fällen
dann ist ein Kollege umgefallen, und die an-
erfahren, bei denen die Betroffenen nach dem
dern haben dann angefangen zu schreien. Dann
ersten Schock zur Gegenwehr übergegangen
sind der Personalleiter und der Anwalt gekom-
sind. Das geschah immer juristisch, auf dem
men mit Kuli und Zettel“ (Tanja T., Systemgas-
Klageweg, mitunter haben sie sich in der Hoff-
tro Hessen).
nung auf Unterstützung an Journalisten ge-
Langjährige Mitarbeiter werden bewusst
wandt, an eine Gewerkschaft oder eine Orts-
kriminalisiert und des Diebstahls beschuldigt:
gruppe der Partei Die Linke. In einem Fall wur-
„Wir sind da rein, die haben die Tür zugemacht,
de eine Solidaritätsgruppe gebildet.
die haben sich hingesetzt. Einer war sehr nett
In keinem der Schock-and-Awe-Fälle waren
zu mir. Aber der andere war ganz böse – guter
die bisher bekannten Union-Busting-Anwälte
Bulle, böser Bulle –, und dann hat er mit mir so
und Berater beteiligt, in zwei Fällen aber re-
geschrien, dem ist Schaum runtergekommen
nommierte Kanzleien aus dem mittleren bis
vor dem Mund. Hat er zu mir gesagt: Da und da
gehobenen Marktsegment. In einem Fall über-
haben Sie eine Karotte gegessen, da und da
nahm eine regionale Gliederung des Unterneh-
haben Sie eine Olive gegessen, da und da ha-
merverbands die Rechtsvertretung. Immer da-
ben Sie eine Pommes gegessen. Eine Pommes!
bei waren verdeckte Ermittler, entweder aus
Ich guck den an, ich denke: Der spinnt! Ich hab
Detekteien oder einer Unternehmens-Stabs-
gefragt, ob er mich verarschen will oder was?!“
stelle, der Inneren Revision. In zwei Fällen wur-
(Tanja T., Systemgastro Hessen).
de die Polizei zum Tatort gerufen, um gegen
Der Anwalt präsentiert daraufhin einen
Beschäftigte zu ermitteln und – so ihre unfrei-
Ausweg und bietet unter dem Hinweis, dass
willige Rolle im Drehbuch der Akteure – die
ansonsten eine Anzeige erstattet werde, einen
Drohkulisse zu verstärken. In einem Fall wurde
Aufhebungsvertrag an. „Und dann haben die
die Polizei von der Belegschaft gerufen, um
gesagt: Wer selber seine Kündigung schreibt,
gegen Freiheitsberaubung und Nötigung vorzu-
kriegt sechs, sieben Monate Geld, kriegt ein
gehen und zu ermitteln. Detektive und verdeck-
gutes Zeugnis, und damit hat es sich erledigt.
te Ermittler beschatteten im Vorfeld die Beleg-
Auf jeden Fall hab ich das nicht unterschrieben.
schaft und Betriebsräte. In einem weiteren Fall
Er hat dann zu mir gesagt, ich bekäme nirgend-
ließ der Arbeitgeber verschiedene Akteure auf
wo in Europa mehr einen Job, und die Polizei
unterschiedlichen Ebenen agieren: Interne Re-
käme zu mir nach Hause, untersuchte mein
vision, deutschlandweite Personalchefs, eine
Haus. Nach einer Stunde haben die mich raus-
renommierte Anwaltskanzlei, verschiedene
S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE
Detekteien, Security und eine PR-Agentur wur-
nen empfanden es dann zwar als Genugtuung
den als Dienstleister herangezogen.
und späten Sieg, von staatlicher Seite recht zu
In allen Fällen haben die Unternehmen ihr
bekommen. Da dieses Recht aber Monate, gar
strategisches Ziel erreicht, selbst wenn sie vor
Jahre später gewährt wurde, kehrten sie in ein
Gericht mitunter empfindliche Niederlagen
völlig verändertes, vom Arbeitgeber nach sei-
einstecken mussten, etwa die Wiedereinstel-
nen Wünschen umgestaltetes und disziplinier-
lung kriminalisierter Mitarbeiter. Die Betroffe-
tes Umfeld zurück.
65
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
6. Private Akteure und Dienstleister
Die heutigen Unternehmensleitungen sind in
Umstrukturierung findet nicht nur an vielen Or-
der Regel mit den Möglichkeiten der tiefgrei-
ten gleichzeitig statt, sondern kommt, wie die
fenden neoliberalen Umstrukturierung überfor-
Erfahrungen mit Leiharbeit und Werkverträgen
dert. Diese ist begleitet von einer Ausweitung
zeigen, auch an kein „natürliches Ende“. Stra-
an Bürokratie, Gesetzen, Vorschriften, neuen
tegien und Versuche der Senkung von Arbeits-
Gremien im nationalen wie internationalen Be-
kosten, die meist zu Lasten der Arbeitnehmer
reich. Das gilt in Bezug auf die Arbeitsverhält-
gehen, werden zunehmend von professionellen
nisse, wenn wir uns allein die hochkomplizier-
Beratern erdacht und durchgeführt. In einigen
ten Regelwerke der Hartz-Gesetze I bis IV und
Bereichen und Unternehmen wird die unmittel-
die damit verbundenen laufend neuen Anord-
bare Ausrichtung an Profit und Rentabilität in
nungen, Gesetzesänderungen und Gerichtsur-
einer solchen Intensität vollzogen, dass ver-
teile vergegenwärtigen. Dazu kommen neue
mehrt auch gesetzliche Mitbestimmungsrechte
Managementkonzepte, Medien und eine zu-
und grundlegende Arbeitsschutzrechte zum
nehmend sensible Öffentlichkeit, Gewerk-
Gegenstand des unternehmerischen Kosten-
schaften und Betriebsräte, die die Unterneh-
kalküls werden.
men vor große Herausforderungen stellen.
66
So konnten die professionellen Dienst-
Allein der Trend zur Flexibilisierung der Ar-
leister der Union-Busting-Branche auch in der
beit hat, wie der DGB Bayern im Einzelnen do-
EU und in Deutschland am Aufbau eines Ge-
kumentiert, zur „Ausbreitung einer speziali-
schäftsfeldes arbeiten. Sie lassen sich als Part-
sierten Management- und Rechtsberatungsin-
ner unternehmerischer Optimierungsstrategi-
dustrie“ geführt (Siebenhüter 2013: 7). Zur
en verstehen beziehungsweise gehören in un-
Durchsetzung aller bisher geschilderten Prak-
terschiedlicher Weise selbst zum Unterneh-
tiken stehen also zahlreiche Akteure und
mensmilieu. In bestimmten Fällen werden sie
Dienstleister zur Verfügung. Sie agieren auf
auch von sich aus, ohne ausdrücklichen Auftrag
verschiedensten Ebenen, auf der staatlichen,
tätig. Sie bilden öffentlich bisher wenig beach-
wissenschaftlichen, medialen, rechtlichen
tete Netzwerke, die vielfach ohne besondere
Ebene, auf nationaler, europaweiter und inter-
Absprache den gleichen Prinzipien folgen.
nationaler Ebene. Sie agieren aber auch dezen-
Bei diesen Dienstleistern handelt es sich
tral – und dies macht ihre Bedeutung gegen-
nicht nur um Rechtsanwälte, sondern um ein
über früheren Formen des Lobbyismus aus. Sie
großes Spektrum, das Unternehmensberater,
sind in vielen Betrieben und betrieblichen Kon-
alte und neue gelbe Gewerkschaften ebenso
flikten im Einsatz.
umfasst wie Wirtschaftsdetekteien, Medien-
Gegen die Umstrukturierung der Arbeits-
kanzleien und PR-Agenturen. Sie sind einge-
verhältnisse gibt es in den meisten Betrieben
bettet in eine, wenn auch wenig explizite, funk-
mehr direkte und indirekte, aktive und passive
tionale Arbeitsteilung und dadurch in verschie-
Widerstände, als öffentlich bekannt wird. Die
dener Weise Teil der Union-Busting-Branche.
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
Durch unsere Fallstudien, Experteninterviews und durch die umfangreiche Auswertung von Pressematerial konnten wir handelnde Akteu-
6.1 Rechtsanwälte und Wirtschaftskanzleien
re identifizieren, die aufgrund ihres dezidier-
Dienstleistungen mit entschieden antigewerk-
ten und oft systematischen Angebots der Be-
schaftlichem Charakter sind in den USA weit
und Verhinderung von Betriebsratsgründungen
verbreiteter Bestandteil der Portfolios externer
und der Arbeit von Betriebsräten mit Recht als
Kanzleien und Wirtschaftsberatungsunterneh-
„Union-Buster“ bezeichnet werden können.
men. Kate Bronfenbrenner registriert für die
Uns ist bewusst, dass wir – aufgrund der
USA zwischen 1993 und 2003 zwar einen leich-
mangelnden systematischen Erfassung solcher
ten Rückgang der Beteiligung externer Ma-
Fälle – im Rahmen dieser explorativen Studie
nagementberater bei der systematischen Be-
lediglich einen unvollständigen und selektiven
kämpfung von Gewerkschaften (Bronfenbren-
Einblick bieten können. Im Folgenden werden
ner 2009b: 13).72 Offenbar, so schließt sie, sind
jedoch diejenigen Akteure beschrieben, die bei
viele Arbeitgeber in ihren Oppositionsstrategi-
unseren Recherchen als Union-Buster aufgetre-
en mittlerweile raffiniert genug (im Original:
ten sind. Dass dieser Überblick nicht erschöp-
„sophisticated“) darin, die Verankerung von
fend ist, liegt auf der Hand. Dennoch sind wir
Gewerkschaften in ihrem Unternehmen zu ver-
sicher, dass die Arbeit der wichtigsten Berater,
eiteln, ohne auf externe Dienstleister zurück-
Anwälte und Agenturen im folgenden Kapitel
greifen zu müssen. Dennoch liegt die Beteili-
umrissen werden kann. Insbesondere Anwälte
gung externer Berater laut Bronfenbrenner in
und Kanzleien sind in der Art und Weise ihres
den USA bei über 70 Prozent (ebd.).
Auftretens und der Ausdrücklichkeit, mit der
John Logan kommt in seiner Beschreibung
sie ihre Angebote auf dem Markt anbieten, ver-
der jüngeren Entwicklung in den USA zu ähnli-
schieden und werden daher unter differenzier-
chen Beobachtungen: „Die meisten großen
ten Kategorien behandelt. Auch hier gilt, dass
Wirtschaftskanzleien bieten inzwischen Ge-
diese Systematisierung vorläufig ist und es
werkschaftsvermeidung und Anti-Organizing-
weiterer, differenzierender Beschäftigung mit
Beratung als Teil ihrer juristischen Dienstleis-
diesen Akteuren bedarf.
tungen an, und die meisten Arbeitgeber haben sich die Taktiken angeeignet, die von den Beratern zwischen 1950 und 1980 vorangetrieben und entwickelt wurden. In den frühen 1990er Jahren erklärte ein prominenter Berater, John Sheridan, dass eine Menge Unternehmen kei-
72 Die Beteiligung von angeheuerten Management-Beratern bei Kampagnen zu NRLB-Wahlen betrug: 1986-1987: 72 Prozent; 1993-1995: 82 Prozent; 1998-1999: 76 Prozent; 1999-2003 75 Prozent (Bronfenbrenner 2009b).
67
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
ne Berater mehr einsetzen: ‚Sie sind selbst ab-
sen Partner Britta Heilf und Tore Raulfs in der
gebrühter [im Original: „tougher“] geworden“
juristischen Fachpresse als Autoren wenig in
(Ü. d. Vf.) (Logan 2002: 213; vgl. dazu auch Mo-
Erscheinung. In führenden Branchenportalen
berg 1992).
wie juve.de oder Legal Tribune Online (lto.de)
Ein direktes Eindringen führender US-ame-
werden sie nicht erwähnt; ebenso wenig veröf-
rikanischer Union-Busting-Kanzleien und Be-
fentlichen sie regelmäßig Beiträge in den wich-
rater wie Seyfarth Shaw, Jackson Lewis, Burke
tigsten Fachzeitschriften wie „Neue Zeitschrift
Group u. a. (vgl. Logan 2006) in den deutschen
für Arbeitsrecht“ (NZA), „Arbeit und Arbeits-
Markt ist zwar nicht feststellbar. In Deutsch-
recht“ (AuA), „personalmagazin“, „Der Be-
land heuert zudem nur ein geringer Teil der
trieb“, „Arbeitsrecht Aktuell“, „BetriebsBera-
Unternehmer ausgewiesene Union-Busting-Be-
ter“ oder „Arbeits-Rechts-Berater“ (ArRB) . Ihre
rater als federführende Strategen an. Union-
Bücher erscheinen im Eigenverlag oder bei
Busting-Know-how gehört heute aber auch in
kleinen und unbekannten Verlagen. Sie unter-
Deutschland zum Repertoire großer wie klei-
scheiden sich von etablierten und als seriös
Know-how kursiert in
ner Kanzleien. Es kursiert in Ratgebern, News-
geltenden Juristen dadurch, dass sie weder ge-
verschiedenen Formen
lettern, Loseblattsammlungen, Seminaren,
räuschlos noch dezent auftreten und auch nicht
Fachzeitschriften und bei Kongressen verschie-
an ausländischen Elite-Universitäten studiert
denster, auch gemeinhin als seriös geltender
haben. Ein Alleinstellungsmerkmal von Nau-
und etablierter Anbieter. Auf diese Weise bil-
joks und Schreiner ist vor allem das offene Vor-
den sich Juristen und Teile des Managements
gehen und ein aggressiver Stil.
sowie beigeordnete Unternehmens-Stabsstellen beständig weiter.
Helmut Naujoks. Er ist bekannt durch regelmäßige Auftritte in Talkshows, durch TV-Features
Union-Busting-Berater
und Presseberichte. Die Journalisten Christian
Die in Deutschland gegenwärtig prominenteste
Esser und Alena Schröder nannten ihn „Be-
Figur unter den expliziten Gewerkschafts- und
triebsrätefresser“, „Vollstrecker für Bosse“,
Betriebsratsgegnern ist der Rechtsanwalt Hel-
„ausgebuffter Profi-Bösewicht“,73 mal wurde
mut Naujoks. Einschlägig bekannt ist manchen
er als „des Teufels Advokat“74 tituliert oder
in diesem Zusammenhang auch die Kanzlei
als „Anwalt des Schreckens“ (Wallraff 2009:
Schreiner + Partner. Obwohl deren Fälle regel-
269 ff.). Dieser Ruf scheint ihm persönlich
mäßig einige Aufmerksamkeit erregen, treten
nichts auszumachen und seinem Geschäft nicht
Helmut Naujoks und Dirk Schreiner sowie des-
abträglich zu sein.
73 Christian Esser/Alena Schröder: Vollstrecker für Bosse – Der Betriebsrätefresser, Spiegel.de, 5.4.2012, abgerufen 28.6.2013. 74 Anonymus: Des Teufels Advokat, http://www.terz.org/texte/texte_1010/naujoks.html, 30.9.2010, abgerufen 9.12.2012.
68
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
Auf seiner deutschsprachigen Website gibt
‚Sozialpläne sind das eine. Dank ihnen müssen
er an: „Seit Gründung unseres Unternehmens
oft die Leistungsträger gehen. Wie aber wird
Anfang 2000 verstehen wir uns im Arbeitsrecht
man schwer kündbare Minderleister los?‘
als Gegenpart zu gewerkschaftsorientierten
Antwort Helmut Naujoks, Fachanwalt für Ar-
Betriebsratsschulungen. Wir gehörten zu den
beitsrecht: ‚Drei Strategien sind möglich.
Ersten auf dem Markt, die die rechtliche Pro-
Erstens: Der Arbeitgeber kündigt dem Mitarbei-
blematik ‚Kündigung von Unkündbaren‘ thema-
ter verhaltensbedingt. Das gelingt oft. [...]
tisiert haben.“
75
Zweitens: Der Arbeitgeber geht mit aller Härte
Dabei begegnete er anfangs auch in etab-
vor. Er kündigt ebenfalls verhaltensbedingt und
lierten Kreisen offener Begeisterung. So
reicht zudem eine Schadensersatzklage ein. Wer
schrieb das Unternehmermagazin „Impulse“ im
als Arbeitnehmer grob fahrlässig Fehler begeht
April 2002: „Tipps vom Profi – Alteingesessene
und dem Arbeitgeber Schaden zufügt, haftet. [...]
Faulenzer, Alkoholiker, geschickte Simulanten
Drittens: betriebsbedingte Kündigung. Sie ist oft
und ähnliche ‚Problemfälle‘ gelten als prak-
erfolgversprechender. Beispiel: Ein Einzelhänd-
tisch unkündbar. Ein Irrtum, wie Helmut Nau-
ler fusioniert mit einer Firma, deren Filialleiter
joks mit seinem Rechtsratgeber ‚Kündigung von
als Minderleister bewertet werden. Das Aufga-
Unkündbaren‘ jetzt belegt. Auf 300 Seiten ana-
benfeld ‚Filialleiter‘ wird gestrichen. Die Ge-
lysiert der erfahrene Duisburger Rechtsanwalt
schäftsleitung übernimmt künftig die Aufgaben
anschaulich die wichtigsten einschlägigen Ur-
und kündigt den Minderleistern.“77
teile der Arbeitsgerichte. Dazu liefert er griffi-
Naujoks’ Zugang zu Publikumszeitschriften
ge Checklisten sowie psychologische Hinweise
wie „Impulse“ und „Wirtschaftswoche“ ist seit
für den Umgang mit schwierigen Mitarbeitern
Längerem passé. In seinem Buch „Die Kündi-
und Querulanten.“
76
gung von ‚Unkündbaren‘ “ ist zu seinem Werde-
Im Jahr 2006 erschien in der „Wirtschafts-
gang zu lesen: „Für die Arbeitsgemeinschaft
Die „Kündigung der
woche“ ein Interview mit Naujoks, in dem er die
Selbstständiger Unternehmer (ASU) und deren
Unkündbaren“ nach
Gelegenheit nutzte, unverblümt seine Konzep-
rund 6500 Mitglieder hat er die Broschüre ‚Aus-
Naujoks
te und Ideen in die Öffentlichkeit zu tragen. Der
tritt aus dem Arbeitgeberverband‘ erstellt.“
folgende Ausschnitt illustriert seine gängigen
Ferner gibt er Tätigkeiten für die Fachhoch-
Strategien, die (nicht nur) bei der Kündigung
schule für Ökonomie & Management/Manage-
von Betriebsräten angewandt werden: „Frage:
ment Akademie in Essen an und für den Bun-
75 http://www.fachseminare-naujoks.com/, abgerufen 14.4.2011. 76 http://www.anwaltskanzlei-naujoks.de/index.php/presse.html, abgerufen 9.12.2012. 77 Christian Schlesiger: Sozialpläne sind das eine. Dank ihnen müssen oft die Leistungsträger gehen. Wie aber wird man schwer kündbare Minderleister los? (Interview mit Helmut Naujoks), in: Wirtschaftswoche Nr. 30, 21.7.2006, S. 89; http://www.wiwo.de/erfolg/trends/-sozialplaene-sind-das-eine-dank-ihnen-muessen-oft-dieleistungs-traeger-gehen-wie-aber-wird-man-schwer-kuendbare-minderleister-los/5051636.html, abgerufen 11.3.2014.
69
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
desverband vhw und dessen Landesverbände,
Naujoks war nach unseren Presse- und Ei-
deren Behördenleiter er schulte (Naujoks
genrecherchen an vielen Union-Busting-Kon-
2002: 301). Naujoks hat nach eigenen Angaben
flikten in unterschiedlichsten Unternehmen als
in Bochum Jura studiert und „einige Jahre bei
Anwalt beteiligt, u. a. bei der Volksbank Lud-
einer großen Rechtsanwaltskanzlei in Düssel-
wigsburg,79 bei BTE – Biegetechnik-Enginee-
dorf gearbeitet“ (ebd.). Günter Wallraff trat ihm
ring,80 Kabel BW,81 Klüh (Sub-Unternehmer von
einmal – getarnt als hilfesuchender Unterneh-
Air Berlin am Flughafen Düsseldorf),82 Josef
mer – gegenüber. Er beschreibt Naujoks als
Weiss Plastic GmbH,83 Plattenhard KG,84 Dopp-
„von einem aggressiven, fast lustbetonten Ver-
stadt (Wallraff 2009: 284 ff.), Textilveredelung
„… fast lustbetonter
nichtungswillen beseelt“, wenn er von seinen
Dreiländereck (DLE, vormals Brennet),85 Sa-
Vernichtungswille“
Erfolgen berichtet (Wallraff 2009: 315).
xas,86 Nocado,87 Cornelius Schuler GmbH (als
Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt 2007 von einer Tagesgebühr von 995 Euro plus Mehr-
Caterer im Berliner Zoo),88 HatiCon GmbH,89 Burger King (Yo-Ki Holding).90
wertsteuer für ein Naujoks-Seminar.78 Die Ho-
Dabei handelt es sich vermutlich nur um die
norare für Rechtsvertretung und Union-Busting-
Spitze des Eisbergs. Naujoks arbeitet zudem
Beratung sind im Einzelnen unbekannt. Wall-
mit den folgenden Dienstleistern zusammen:
raff schreibt, dass der Konflikt bei Kabel BW
Detektei Meng (Mannheim), Medienkanzlei
Naujoks ca. 700.000 Euro eingebracht habe.
Prinz Neidhardt Engelschall (Hamburg) und
Naujoks’ Stundensatz läge bei 350 Euro (Wall-
Strafrechtler Sven Thomas (Düsseldorf) (Wall-
raff 2009: 315).
raff 2009: 311 ff.).
78 Uwe Ritzer: Ein Mann für besondere Fälle – Der Rausschmeißer, in: Süddeutsche Zeitung, 13.7.2007. 79 Thomas Trueten: Andrea Widzinski wiedergewählt, labournet.de, 2.8.2007, abgerufen 11.12.2012. 80 Uwe Ritzer: Ein Mann für besondere Fälle, in: Süddeutsche Zeitung, 19.5.2010. 81 Christian Esser, Alena Schröder: Vollstrecker für Bosse – Der Betriebsrätefresser, Spiegel Online, 5.4.2012, abgerufen 11.12.2012. 82 Christian Frings: Putz bei Klüh, labournet.de, 18.12.2012. 83 Anonymus: Des Teufels Advokat, http://www.terz.org/texte/texte_1010/naujoks.html, 30.9.2010, abgerufen 9.12.2012. 84 Andreas Kraft: Betriebsrats-Mobbing – Die Kündigungshelfer, in: Magazin Mitbestimmung 6/2012, http:// www.boeckler.de/40333_40400.htm; IG Metall Bezirk Baden-Württemberg: Bespitzelung bei Plattenhardt – Betriebsräte kriminalisiert, in: Metallzeitung 6/2011, S. 29. 85 Barbara Schmidt: Textilveredelung Dreiländereck (DLE) – Streit spitzt sich zu – Insolvenz steht im Raum, in: Badische Zeitung, 15.9.2012. 86 IG Metall Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen: Sieg der Demokratie – Betriebsrat bei SAXAS bestätigt, http:// www.igmetall-bbs.de, abgerufen 16.6.2013. 87 Fritz Arndt: Spalten, brechen und zermürben, in: Metallzeitung 1/2009, S. 14 f. 88 Elmar Wigand: Burger King: Franchise-Nehmer heuern Betriebratsfresser Naujoks an, www.arbeitsunrecht.de, abgerufen 19.6.2013. 89 Elmar Wigand: Betriebsratskiller und Detektive – Eine Solarfirma gegen Betriebsräte und IG Metall, in: Neues Deutschland, 3.8.2013. 90 Stefan Sauer: Schreckensherrschaft bei Burger King, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 18.6.2013.
70
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
Dr. Schreiner + Partner GbR. „Mehrere Tau-
tägige Seminar „Grenzen des Betriebsrats – so
send Führungskräfte besuchten bereits seine
weisen Sie Ihren Betriebsrat in die Schranken“
Seminare“, gibt die Website des Unternehmens
wird z. T. mehrfach im Monat in ganz Deutsch-
über das Wirken von Dr. Dirk Schreiner nüch-
land – von München bis Hamburg, von Köln bis
91
tern an. Schreiner + Partner sind der eindeuti-
Dresden – angeboten und kostet laut Website
ge Marktführer im Segment der explizit und of-
795,– Euro plus MwSt.
fen als Betriebsrats- und Gewerkschaftsfeinde
Die Kanzlei bietet weitere Seminare an:
auftretenden Anwälte und Berater. Die Kanzlei
„Effektive Strategien im Umgang mit schwieri-
gegen „fremdgesteu-
hat (Stand Juni 2013) ein Team aus fünfzehn An-
gen Betriebsräten. So reagieren Sie richtig auf
erte“ Betriebsräte
92
wälten,
Effektive Strategien
die als Referenten und Berater
blockierende, übereifrige oder fremdgesteuer-
deutschlandweit tätig sind. Unter ihnen haben
te Betriebsräte. So wehren Sie sich erfolgreich
Tore Raulfs und Britta Heilf den Status von Part-
gegen die gängigen Gewerkschafts- und Be-
nern. Die Kanzlei unterhält neben dem Stamm-
triebsratsstrategien“.94 Das folgende Angebot
haus in Attendorn Büros in Köln, München,
nimmt sich aus wie eine Anleitung und Hilfe-
Hamburg und Dresden. Neben Fortbildungen
stellung zum Rechtsbruch: „Die Kündigung ‚stö-
Büros im gesamten
und Union-Busting-Beratung übernehmen
render‘ Arbeitnehmer – So gestalten Sie krea-
Bundesgebiet
Schreiner + Partner auch Mandate für Unter-
95
tiv Kündigungsgründe“.
nehmen. Angeboten wird anwaltliche Hilfe
Eine Beteiligung von Schreiner + Partner
beim Austritt aus dem Arbeitgeberverband
wurde in folgenden Fällen publik: Borregaard
(„Wege aus der Tarifabhängigkeit“), beim Per-
(Karlsruhe), aktiv Gebäudereinigung (Kamp-
sonalabbau, bei der Reduzierung von Abfindun-
Lintfort), Wohnwelt Pallen (Würselen). Die So-
gen, beim Aushandeln von Haustarifverträgen,
larfirma HatiCon GmbH heuerte gleich beide
beim Einfädeln von „Belegschaftsausschüs-
an: Schreiner + Partner und Naujoks.96
sen“, die als arbeitgeberfreundliche Alternative zu den Betriebsräten agieren sollen u. Ä.93
BWRmed!a/Verlagsgruppe Rentrop. Union-
Daneben gibt die Kanzlei ein ständig aktuali-
Busting reinen Wassers enthalten die Angebo-
siertes „Praxis-Handbuch“ und einen „Praxis-
te des Verlages BWRmed!a mit Sitz in Bonn und
Brief“ heraus.
der angeschlossenen BWRmed!a-Akademie.
Die Kosten für ein Seminar bei Schreiner +
BWRmed!a hat nach eigenen Angaben 30 Mit-
Partner sind niedriger als bei Naujoks. Das ein-
arbeiter97 und gehört zur Verlagsgruppe Ren-
91 http://www.rae-schreiner.de/anwaelte/vita/mitarbeiter/schreiner/, abgerufen 11.12.2012. 92 http://www.rae-schreiner.de/anwaelte/, abgerufen 28.6.2013. 93 www.rae-schreiner.de/leistungen, abgerufen 21.1.2014. 94 http://www.schreiner-praxisseminare.de/seminare/, abgerufen 11.12.2012. 95 Ebd. 96 Elmar Wigand: Betriebsratskiller und Detektive – Eine Solarfirma gegen Betriebsräte und IG Metall, in: Neues Deutschland, 3.8.2013. 97 http://www.bwr-media.de/ueber-bwrmedia/, abgerufen 8.4.2014.
71
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
trop, unter deren Dach neben dem VNR Verlag
wann von diesem Grundsatz in der Praxis abge-
für die Deutsche Wirtschaft AG auch die Prisma
wichen werden darf und was man dabei beach-
Werbeagentur GmbH und Presse Service Bonn
ten sollte. Die außerordentliche Kündigung von
GmbH & Co. KG geführt werden.
Betriebsratsmitgliedern – In diesen Fällen dür-
Die Akademie kündigte für den 10./11. Sep-
fen Sie die ‚Reißleine‘ ziehen.“100 Für die Ham-
tember 2013 in Hamburg ihre jährlich stattfin-
burger Arbeitgebertage 2012 war mit Dr. Ma-
denden „Arbeitgebertage zum Brennpunkt Be-
thias Kühnreich auch ein Düsseldorfer Partner
98
Dort sollten Arbeitgeber und
der Kanzlei Buse Heberer Fromm angekündigt.
Personalleiter auf die bevorstehenden Be-
Er hatte damals schon die turnusgemäßen Be-
triebsratswahlen 2014 vorbereitet werden.
triebsratswahlen im Blick. Sein Referat hieß:
Professor Dr. jur. Burkhard Boemke (Uni Leip-
„Was Sie jetzt mit Blick auf die Betriebsrats-
zig) wurde für den 10. September 2013 ange-
wahl 2014 tun sollten – Das optimale Wahler-
BWRmed!a: „So
kündigt mit dem Vortrag: „So bekommen Sie
gebnis für Sie als Arbeitgeber: Betriebliche
bekommen Sie den
den Betriebsrat, den Sie sich wünschen“. Da-
Strukturen geschickt gestalten und Freistel-
Betriebsrat, den
rin: „Abbruch der Betriebsratswahl: So stoppen
lungsgrenzen beachten“. 101
Sie sich wünschen“
Sie die Wahl per einstweiliger Verfügung“ und
Ständiges Thema und integraler Bestand-
„Wenn Ihnen der gewählte Betriebsrat nicht
teil des Diskurses ist bei den Arbeitgebertagen
passt: Wahlanfechtung als Rettungsanker“. Ei-
auch der Kampf gegen sogenannte Minderleis-
nen Tag später sollte Boemke laut Ankündi-
ter (Low Performer). Mit dem Anwalt Rolf Dohm
gungstext fortfahren mit dem Referat: „Kündi-
konnte BWRmed!a einen Ford-Manager aus
gung der ‚Unkündbaren‘: So trennen Sie sich
dem Personalwesen als Referenten gewinnen,
selbst von Betriebsratsmitgliedern & Co.“ Ein
der zugleich ehrenamtlicher Richter am Ar-
Jahr zuvor – im Oktober 2012 im NH Hotel Ham-
beits- und Landesarbeitsgericht ist.102 Die viel-
burg-Horn – hatte der Jura-Professor folgende
fältigen Online-Aktivitäten des Verlages sind
Methode vorgestellt: „Mitbestimmung im Ar-
oft reißerisch, mitunter bizarr. So wurde im Fe-
beitskampf: Streikbrecher-Einsatz auch ohne
bruar 2013 ein kostenpflichtiger Download be-
triebsrat“ an.
99
Beteiligung des Betriebsrats“. Möglichkeiten
worben: „Arbeitsrecht für Männer. Kühn – kom-
zur „Kündigung der Unkündbaren“ erläuterte
petent – kreativ. So mahnen richtige Männer
damals auch Dr. Eckard Schwarz: „Ordentliche
ab: Mit dem brandneuen Abmahnungs-Notfall-
Kündigung ausgeschlossen? – Erfahren Sie,
Koffer!“103
98 BWRmed!a Akademie: Arbeitgebertage zum Brennpunkt Betriebsrat 2013, http://www.arbeitgebertage.de/ programm.pdf, abgerufen 28.6.2013. 99 http://www.bwrmedia-akademie.de/shop/product_info.php/info/p294_Tagungsunterlagen-zu-den-Arbeit gebertagen-zum-Brennpunkt-Betriebsrat-2012.html, abgerufen 19.12.2012. 100 Ebd. 101 Ebd. 102 Fordreport, Februar 2012, S. 22. 103 http://www.tipps-fuer-personalleiter.de/rechtssicher-abmahnen/index-2.html, abgerufen 8.4.2014.
72
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
Michael T. Sobik. Zum Konsortium des genann-
Anwälte und Kanzleien als
ten VNR Verlags gehören diverse Webseiten
Union-Busting-Dienstleister
wie beispielsweise arbeitgeber.org. Deren
Die Mehrheit der Arbeitsrechts-Juristen, die
Chefredakteur Michael Sobik hält zahlreiche –
sich ausdrücklich auf die Vertretung von Unter-
zumeist kostenpflichtige – Tipps bereit: „Über-
nehmensleitungen insbesondere großer und
triebene Betriebsratsarbeit: Was Sie tun kön-
international tätiger Konzerne konzentrieren,
nen, wenn sich Betriebsräte ständig abmel-
treten in ihrer Außendarstellung nicht annä-
104
den“.
Sobik arbeitet in der Hamburger Perso-
hernd so aggressiv auf wie Naujoks oder
nalabteilung der HanseMerkur Versicherungs-
Schreiner + Partner. Sie haben dafür aber ei-
105
gruppe.
Er ist außerdem Chefredakteur der
nen ungleich größeren Aktionsradius und Ein-
Loseblattsammlung „ArbeitGeberRechte Be-
fluss bis in die höchstrichterliche Urteilsebe-
triebsrat“ und des „Praxishandbuchs Betriebs-
ne. Anhand publik gewordener Fälle und Pro-
verfassungsrecht für Arbeitgeber“. Letzteres
zessberichte lässt sich nachweisen, dass auch
Werk bewirbt er mit folgendem Zitat: „Zentra-
etablierte Anwälte und Kanzleien bei Bedarf
les Thema der neuesten Aktualisierungsliefe-
auf Union-Busting-Methoden zurückgreifen.
rung von Praxishandbuch Betriebsverfassungsrecht für Arbeitgeber sind die sogenannten ‚Un-
Dr. Jan Tibor Lelley. Der unserer Meinung nach
kündbaren‘ und die Low Performer. Auch diese
extremste Union-Busting-Fall der letzten drei
Personenkreise genießen keinen grenzenlo-
Jahre geschah in Deutschland unter dem Man-
sen Schutz und Kündigungen sind – entgegen
dat der Kanzlei Buse Heberer Fromm, unter Fe-
allen Gerüchten – möglich und erlaubt! Aber
derführung von Dr. Jan Tibor Lelley LL.M. Dabei
Vorsicht! Speziell hier wird Ihr Betriebsrat
wurde massiv gegen NGG-Mitglieder und Be-
besonders sensibel und allergisch reagieren.
triebsräte der Steakhauskette Maredo vorge-
Gehört er doch selbst zu diesem Personenkreis,
gangen (siehe das Fallbeispiel Maredo in Kapi-
der vermeintlich unendlichen Schutz vor dem
tel 7.2).
‚bösen‘ Arbeitgeber genießt! Ihr Erfolgsrezept
Lelley ist mit Interviews, mit Zitaten und mit
sollte eine gute und präzise Vorbereitung
eigenen Beiträgen regelmäßig in Publikums-
sein.“
106
zeitschriften und deren Blogs,107 Fachblät-
104 http://arbeitgeber.org/, abgerufen 25.1.2013. 105 Stellenanzeige Online Marketing Manager/in, http://onlinemarketingjobs.de/jobs/online-marketing-mana gerin-hansemerkur-versicherungsgruppe-hamburg, abgerufen 29.6.2013. 106 http://www.business-best-practice.de/experten/index.php?meinung=5708, abgerufen 25.1.2013. 107 Jan Tibor Lelley, Matthias Kappus: „Der Fall Emmely als PR-Katastrophe und gefundenes Fressen für das Arbeitnehmerlager“, Handelsblatt Management-Blog, 18.6.2010, http://blog.handelsblatt.com/management/ 2010/06/18/der-fall-emmely-als-pr-katastrophe-und-gefundenes-fressen-fur-das-arbeitnehmerlager/, abgerufen 6.3.2014. – Claudia Tödtmann: Wenn der Arbeitgeber Schadenersatz fürs Diensthandy will: Vier Fragen an Arbeitsrechtler Jan Tibor Lelley, in: Wirtschaftswoche Management-Blog vom 13. Juni 2013, http:// blog.wiwo.de/management/2013/06/13/wenn-der-arbeitgeber-schadenersatz-furs-diensthandy-verlangtvier-fragen-an-arbeitsrechtler-jan-tibor-lelley/, abgerufen 6.3.2014.
73
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
tern108 und Fachportalen109 präsent. Er hat wie
kelzüge, wie Beschäftigte und Betriebsräte op-
viele andere Anwälte der etablierten Kanzlei-
timal überwacht, durchgecheckt, abgemahnt
en in den USA studiert und ist international
und gekündigt werden können.
bestens vernetzt; er ist Mitglied der Employ-
Das Wort Gewerkschaft vermeidet er in sei-
ment Law Alliance, des nach seinen Angaben
nem Buch. Über Twitter, dessen Möglichkeiten
weltweit größten Netzwerks von Arbeitsrecht-
Lelley intensiv nutzt, lässt sich jedoch nach-
lern. Sein Werk „Compliance im Arbeitsrecht“
vollziehen, dass er offenbar grundsätzlicher
ist in einem renommierten Verlag erschienen
Gegner von Gewerkschaften ist. Dort verbreitet
(Lelley 2010) und steht in den Bibliotheken von
er regelmäßig hämische bis zynische Kurz-
juristischen Fakultäten.
nachrichten wie diese: „Nicht bezahlen, son-
Wenn man die Bekämpfung von Maredo-
dern arbeiten, Michigan beschneidet Gewerk-
Betriebsräten in Frankfurt und Osnabrück un-
schaften“ (15. Dezember 2012), „Stalinisten-
ter seiner Federführung im Blick hat, lesen sich
Ergebnis für Gewerkschafts-Boss: Bzirske bei
die gedämpften Formulierungen in diesem
ver.di wiedergewählt“ (5. Oktober 2012).110
Buch ganz neu. Lelley hat das Thema Compliance (die Einhaltung von Gesetzen oder Re-
Thomas Ubber (Allen & Overy). Ein überaus
geln) in zweierlei Hinsicht aufbereitet: Wirt-
prominenter Anwalt des deutschen Arbeits-
schaftskriminalität ist für ihn nicht länger nur
rechts ist Thomas Ubber. Er wechselte Anfang
die Veruntreuung und Bestechlichkeit durch
2011 mit seinem dreiköpfigen Team von Hogan
Compliance als Waffe
Manager und leitende Angestellte, sondern es
Lovells zu Allen & Overy, einer großen Wirt-
gegen Beschäftigte
werden auch einfache Beschäftigte sowie Be-
schaftskanzlei.111 In diesem Marktsegment
und Betriebsräte
triebsratsmitglieder als potenzielle Wirt-
herrschen besonders starke Konkurrenzver-
schaftskriminelle einbezogen. Außerdem be-
hältnisse. Kanzleien wie Allen & Overy unter-
deutet Compliance in diesem Zusammenhang:
halten mittlerweile in ihren deutschen Nieder-
Wie erreiche ich als Arbeitgeber mein Ziel,
lassungen Arbeitsrechtsabteilungen mit vier-
ohne allzu sehr oder nachweisbar mit Gesetzen
zig und mehr Anwälten.
in Konflikt zu geraten? Lelley entwirft – ähnlich
Ubber stieg erst zum deutschen, dann sogar
wie Dirk Schreiner und Helmut Naujoks, aber
zum weltweiten Leiter der Arbeitsrechtsabtei-
wesentlich gediegener – Szenarien und Win-
lung von Allen & Overy auf – einer von vier
108 Jan Tibor Lelley: Twittern, aber richtig – Arbeitsrechtliche Fallstricke vermeiden, in: Personal 2/2011. – Redaktion: Tiefe Schrammen, in: Human Resources Manager, Februar/März 2012 (hier wird Lelley zitiert). 109 Jan Tibor Lelley: Compliance-Überwachung bei der Deutschen Bank, in: Legal Tribune Online, 29.7.2013, http:/ /www.lto.de/recht/hintergruende/h/compilance-datenbank-deutsche-bank-betriebsrat-datenschutz/, abgerufen 6.3.2014. 110 https://twitter.com/JanTiborLelley, abgerufen 26.1.2013 (Hashtags wurden entfernt, die Schreibweise Bzirske statt Bsirske ist Original Lelley); damals hatte der Account 412 Follower. 111 Geertje Oldermann: Arbeitsrechts-Coup: Allen & Overy holt Hogan-Lovells-Partner Thomas Ubber, http://juveverlag.at/nachrichten/namenundnachrichten/2011/01/arbeitsrechts-coup-allen-overy-holt-hogan-lovellspartner-thomas-ubber vom 21.1.2011, abgerufen 12.12.2012.
74
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
weltweit marktbeherrschenden Wirtschafts-
Kritikern darauf, die Durchsetzungskraft der
kanzleien. Dem ursprünglichen Sinn des Wor-
Gewerkschaften insgesamt zu schwächen,115
tes Union-Busting – Gewerkschaftszerschla-
und gilt verfassungsrechtlich als höchst proble-
gung – kommen Thomas Ubbers Aktivitäten
matisch.116 Die Arbeitsrechtsabteilung von Al-
Existenzbedrohende
einigermaßen nahe. Seine Versuche, wegen
len & Overy vertritt neben Konzernen aus der
Schadenersatz-
Streiks in Deutschland Schadenersatzforderun-
Verkehrsbranche wie Deutsche Bahn, Lufthan-
forderungen
gen gegen Gewerkschaften juristisch durchzu-
sa, Fraport, AirBerlin auch Amazon, Merck und
setzen, können vergleichsweise kleine Organi-
die Commerzbank.117
sationen wie die GdL und die GdF angesichts ihrer begrenzten Mittel buchstäblich die Exis-
Weitere Schlaglichter aus der Branche
tenz kosten.
Die – neben Gleiss Lutz – größte deutsche Wirt-
Zudem versucht Ubber, Streiks auf juristischer Ebene verbieten zu lassen
112
schaftskanzlei heißt CMS Hasche Sigle. Ihre
und Präze-
Arbeitsrechtsabteilung besteht gegenwärtig
denzurteile vor höchsten Gerichten zu erzie-
aus über achtzig Anwälten. Sie hatte zwei Man-
113
len, die fatale Auswirkungen für die gesamte
date in eklatanten Union-Busting-Fällen. Der
gewerkschaftliche Landschaft hätten. Seine
Paket-Dienstleister UPS, der aktive ver.di-Be-
Streikverbot per
Kanzlei ist maßgeblich an Vorstößen beteiligt,
triebsräte in Deutschland seit geraumer Zeit
Gerichtsurteil
über gesetzliche Regelungen zur „Tarifeinheit“
massiv bedrängt und in Betriebsratswahlen
berufsständische Gewerkschaften wie auch
eingreift, wurde am Standort Köln/Bonn von
114
den Marburger Bund zu marginalisieren. Die-
Dr. Volker Bissels vertreten.118 Um die knappe
ser Vorstoß, der 2013 Einzug in den Koalitions-
Mehrheit im Betriebsrat zu kippen – so die In-
vertrag der schwarz-roten Bundesregierung
terpretation von Beobachtern –, wurde im Jahr
gefunden hat, zielt nach der Einschätzung von
2012 z. B. dem Mitglied Ilker Erdener krank-
112 Redaktion: Analyse: Lange Gesichter bei der Bahn, in: Hamburger Morgenpost, 2.11.2007. – Geertje Oldermann: Streik verboten: Fraport und Lufthansa mit Allen & Overy erfolgreich, juve.de, 29.2.2012, http:// juve.de/nachrichten/verfahren/2012/02/streik-verboten-fraport-und-lufthansa-mit-allen-overy-erfolgreich, abgerufen 20.3.2014. 113 Redaktion: Lufthansa klagt gegen Fluglotsen – Millionenklage wird auch von Fraport unterstützt, in: Die Welt, 20.8.2012. 114 Thomas Ubber: Tarifeinheit: Das hohe Gut des sozialen Friedens sichern, in: Betriebs-Berater, Heft 28/2010. – Markulf Behrend/Hans-Peter Löw/Tobias Neufeld/Thomas Ubber: „Deutschlands Zukunft gestalten“. Arbeitsrechtliche Vorhaben im Koalitionsvertrag – 5. Tarifeinheit, www.allenovery.de, 29.11.2013, http:// www.allenovery.com/SiteCollectionDocuments/Allen__Overy_LLP_eAlert_Koalitionsvertrag.PDF, abgerufen 20.3.2014. 115 Eva Völpel: Debatte Tarifeinheit und Streikrecht – Ohne Not und Voraussicht, in: die tageszeitung, 18.12.2013. 116 Wolfgang Däubler: Die Gemeinsame Initiative von DGB und BDA zur Schaffung einer neuen Form von „Tarifeinheit“ – verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Probleme. Rechtsgutachten, http:// www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/110319_gutachten_tarifeinheit.pdf vom 23.3.2011, abgerufen am 20.3.2014. 117 Redaktion: Empfehlungen Deutschland 2014 Arbeitsrecht Allen & Overy LLP, http:// www.legal500.de/firms/82-allen-overy-llp/13997-frankfurt-am-main#LocalReferenceWorkArea2, abgerufen am 20.3.2014. 118 http://www.cms-hs.com/Alexander-Bissels, abgerufen 13.12.2012.
75
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
heitsbedingt gekündigt.119 Die ver.di-Betriebs-
Alexander Ulrich von der Kanzlei Kliemt &
gruppe hatte in dem Gremium in Koalition mit
Vollstädt, Düsseldorf, vertrat in einem regional
einer weiteren Liste eine knappe Mehrheit von
bekannt gewordenen Fall das mittelständische
10 zu 9 Stimmen.
Betriebsrat per Gerichtsbeschluss auflösen
120
Wuppertaler Unternehmen EDE. Die „West-
Ähnlich agierte CMS Hasche Sigle im Fall
deutsche Zeitung“, die regelmäßig über den
Atlas. Als der gewerkschaftsfeindliche Mana-
Fall berichtete, schrieb: „Die Entlassung einer
ger des US-Baumaschinen-Konzerns Terex, Fil
Betriebsratsvorsitzenden ist ein außergewöhn-
Filipov, kurzerhand den gesamten IG-Metall-
licher Vorgang, der nur umsetzbar ist, wenn der
Betriebsrat der Tochterfirma Atlas in Delmen-
Betriebsrat selbst den oder die Vorsitzende ab-
horst per Gerichtsentscheid auflösen lassen
wählt. Im Fall der EDE-Betriebsrätin hatte es
wollte,
121
wurde er von der CMS-Anwältin Dr. 122
Gerlind Wisskirchen vertreten.
Wir sind von ver.di-Sekretären aus NRW
eine knappe Kampfabstimmung gegeben. Mit 7:6 Stimmen wurde seinerzeit die Entlassung der langjährigen Vorsitzenden beschlossen.“125
besonders auf Martin Krömer aus der Kanzlei
Unter den eingesetzten Maßnahmen sticht
Ruge Krömer, Hamburg, aufmerksam gemacht
eine Hausdurchsuchung wegen angeblichen
worden. Mit dessen tatkräftiger Hilfe gelang es
Waffenbesitzes hervor, die auf eine Anzeige
dem niederländischen Konzern TNT Post, Be-
von Seiten unternehmerfreundlicher Betriebs-
triebsratsgründungen in NRW nahezu vollstän-
ratsmitglieder zurückging. Laut Polizei wurden
Unter der Rubrik „Urtei-
keine Waffen gefunden.126 „Die Frau macht gel-
le“ präsentiert seine Kanzlei ausgewählte Fäl-
tend, sie sei in mindestens 25 Fällen – unter
le zur Nachahmung bzw. Vermeidung von Feh-
anderem durch die aus ihrer Sicht rechtswidri-
lern auf der Firmenwebsite: Kündigung leis-
gen Kündigungen und mehrere unberechtigte
tungsschwacher Mitarbeiter, Kündigung eines
Abmahnungen – und wegen ihrer Weltanschau-
Schwerbehinderten, Blitzaustritt aus dem Ar-
ung diskriminiert worden. Zudem habe man sie
beitgeberverband, krankheitsbedingte Kündi-
unter Druck gesetzt, damit sie den Betriebs-
dig zu unterbinden.
124
gung.
123
ratsvorsitz niederlege. Als Folge des angebli-
119 International Transport Workers’ Federation: Anti-union Harassment at UPS in Germany, itfglobal.org, 1.11.2012, http://www.itfseafarers.org/maritime_news.cfm/newsdetail/8098/region/1/section/0/order/1, abgerufen 10.2.2014. 120 Gespräch mit Mitgliedern des Betriebsrats am 18.10.2012. 121 Tina Hayessen: Filipov will Betriebsrat auflösen lassen, in: Weserkurier, 23.7.2012, http://www.weserkurier.de/region/delmenhorst_artikel,-Filipov-will-Betriebsrat-aufloesen-lassen_arid,143318.html, abgerufen 13.12.2012. 122 Information durch Expertengespräch und Prozessbeobachtung. 123 Elmar Wigand: Verwirrspiel um Wählerlisten – Eine verhinderte Betriebsratsbildung bei TNT, in: Neues Deutschland, 10.8.2013. 124 http://www.ruge-kroemer.de/index.php?id=122&language=1, abgerufen 12.12.2012. 125 Andreas Spiegelhauer: EDE-Prozess: Teilerfolg für gefeuerte Betriebsrätin, in: Westdeutsche Zeitung, 17.5.2011. 126 Andreas Spiegelhauer: EDE-Betriebsrätin klagt gegen Kündigung, in: Westdeutsche Zeitung, 15.11.2010.
76
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
chen monatelangen Mobbings seien bei ihr
Christliche Gewerkschaften
massive gesundheitliche Beeinträchtigungen
Seit Beginn der Bundesrepublik spielen vor al-
127
aufgetreten.“
Das Arbeitsgericht konnte
lem als „christlich“ firmierende Gewerkschaf-
allerdings, wie die „Westdeutsche Zeitung“ wei-
ten diese Rolle. Sie waren und sind im Christli-
ter mitteilt, keine Beweise für eine Diskriminie-
chen Gewerkschaftsbund CGB zusammenge-
128
rung erkennen.
Ulrich kam über die Kanzlei
schlossen. Dazu gehören etwa die Christliche
Taylor Wessing – zuvor Clifford Chance – zum
Gewerkschaft Metall CGM und der Deutsche
mehr als vierzig Juristen umfassenden, bundes-
Handels- und Industrie- Angestellten Verband
weit tätigen Team von Kliemt & Vollstädt.
DHV – heute firmierend als DHV – Die Berufsgewerkschaft –, auch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen GÖD, der
6.2 Gelbe Gewerkschaften
Verein katholischer deutscher Lehrerinnen
1899 verklebten Streikbrecher in der französi-
VKDL, medsonet und Union Ganymed. Insge-
schen Stahlfabrik in Le Creusot die Fabrikfens-
samt gehören heute 14 Einzelgewerkschaften
Vierzehn „christliche“
ter mit gelben Streifen, unternehmerfreundli-
zum CGB. Sie spielten in den letzten Jahrzehn-
Gewerkschaften,
che Gruppen druckten gelbe Plakate, um sich
ten eine immer geringere Rolle. Die Mitglieder-
wenig Mitglieder
von „den Roten“ abzugrenzen. Seitdem werden
zahlen sind seit 2002 immer weiter abgesun-
als gelbe Gewerkschaften und Betriebsräte sol-
ken und heute vergleichsweise gering (vgl.
che bezeichnet, die unter gewerkschaftlicher
Greef 2014: 698).
Tarnkappe mehr oder weniger offensichtlich
Mit der Ausbreitung prekärer Arbeitsver-
die Interessen der Unternehmensleitung ver-
hältnisse wurden die gelben Gewerkschaften
treten und dem Arbeitskampf der Gewerkschaf-
aus ihrer jahrzehntelangen Bedeutungslosig-
ten die Betriebsfamilie entgegenstellen. Der
keit geholt. Plötzlich wurden zudem neue
Vorteil für Unternehmen liegt auf der Hand: Gel-
christliche Gewerkschaften gegründet wie die
be Gewerkschaften handeln Tarifverträge aus,
Christliche Gewerkschaft Postservice und Tele-
die unter dem Orts- und branchenüblichen Ni-
kommunikation (CGPT) und die Christliche Ge-
Spezialgebiet:
veau liegen. Wir skizzieren im Folgenden die
werkschaft für Zeitarbeit und Personalservice-
Abschluss von Dum-
Funktion und Handlungsweisen gelber Gremi-
Agenturen (CGZP). Arbeitgeber bedienen sich
ping-Tarifverträgen
en und Organisationen, die im Sinne der Ar-
ihrer gern. Sie haben mit ihnen im Bereich
beitgeber Organisierung und Mitbestimmung
Wach- und Schließdienste, Krankenkassen
erschweren und deren Gründung nicht selten
(Barmer Ersatzkasse, Deutsche Angestellten-
von
Krankenkasse), Banken und Versicherungen
Unternehmen
selbst
zumindest gefördert wird.
initiiert
oder
(BHW, Allianz, Gothaer, HDI), Handelskonzerne
127 Ebd. 128 Andreas Spiegelhauer: EDE-Betriebsratschefin: Klage auf Schadensersatz abgewiesen, in: Westdeutsche Zeitung, 1.3.2012.
77
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
(Metro, Rewe), im Gesundheitswesen (Rotes
In den Jahren 2003 bis Ende 2012 hat es der
Kreuz) und mit dem Münchner Flughafen Franz
DHV geschafft, nicht weniger als 916 einzelbe-
Josef Strauß Tarifverträge abgeschlossen.
triebliche und regionale Tarifverträge mit di-
Wegen ihrer niedrigen Mitgliederzahlen hat
versen Arbeitgebern und Arbeitgeberverbän-
aufgrund einer Klage von ver.di das Bundesar-
den abzuschließen. Schwerpunkte sind der öf-
beitsgericht (BAG) 2010 geurteilt, dass die mit
fentliche Dienst, insbesondere Sozialversiche-
Arbeitgeberhilfe neu gegründete CGZP nicht ta-
rungen, Krankenkassen und Kommunen, dann
129
riffähig ist.
2012 stellte das Arbeitsgericht
der Fach-, Groß- und Einzelhandel, die Metall-
Bonn aus denselben Gründen die Tarifunfähig-
und Elektroindustrie, die holzverarbeitende In-
keit des Arbeitnehmerverbands land- und ernäh-
dustrie, Banken und Versicherungen, im Ge-
130
rungswirtschaftlicher Berufe (ALEB) fest. Auch
sundheitswesen vor allem Privatkliniken,
der erst 2008 im Gesundheitsbereich gegründe-
schließlich Speditionen und Zeitarbeitsunter-
ten Vereinigung medsonet, Mitglied im CGB,
nehmen (Bundesregierung 2013: 5).
131
sprach das BAG 2013 die Tariffähigkeit ab.
Wenn es in einem Unternehmen zunächst keine DHV-Mitglieder gibt und gleichwohl ein
DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V.
Tarifvertrag geschlossen werden soll, bieten
Allerdings ist der DHV der heimliche Gewinner
Arbeitgeber auch Prämien an, um Beschäftig-
unter den christlichen Gewerkschaften. Dem
te zu einem Eintritt in die DHV zu bewegen. So
DHV, der inzwischen auch die Nachfolge der
wurde ein Fall publik, in dem Beschäftigten
Arbeitgeber belohnt
CGZB angetreten hat, hat das Arbeitsgericht
bei Eintritt eine Prämie von 650 Euro gezahlt
Eintritt in DHV mit
Hamburg seit 1956 in vier Urteilen die Tariffä-
wurde. Auch die Zahlung einer monatlichen
Prämie
higkeit zuerkannt, Kläger waren unter anderen
„Verantwortungszulage“ von 50 Euro bei
das Land Hessen und die IG Metall. Zwei neuer-
Gründung einer DHV-Betriebsgruppe gehörte
liche Verfahren aufgrund von Klagen der
hier zum Repertoire des Arbeitgebers. Die
Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sind beim
DHV handelt Tarifverträge mit vergleichs-
BAG anhängig; sie beziehen sich allerdings nur
weise niedrigen Löhnen und oftmals auch
auf die Bereiche Privatkliniken und den Blut-
ohne Urlaubs-, Weihnachtsgeld und Nachtzu-
spendedienst des DRK.
schläge aus.132
129 130 131 132
78
Bundesarbeitsgericht 14.12.2010, Az. ABR 19/10. Arbeitsgericht Bonn 31.10.2010, Az. 4 BV 90/12. BAG: Beschluss vom 11.6.2013, Az. 1 ABR 33/12. Thomas Dauser/Gottlob Schober: Gekaufte Pseudogewerkschaften, Report Mainz, 7.4.2008.
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
Arbeitsgemeinschaft unabhängiger
Aldi Nord. In der deutschen Niederlassung des
Betriebsangehöriger (AUB)
südkoreanischen Konzerns Hyundai (Rüssels-
Ende der 1970er Jahre gründete und finanzierte
heim) bediente sich die Chefetage der AUB, um
der Vorstand der Siemens AG selbst eine gelbe
die Amtsenthebung des bestehenden Betriebs-
Gewerkschaft: Die Arbeitsgemeinschaft unab-
rats zu fordern.135
hängiger Betriebsangehöriger (AUB). Die Initiative ging zunächst vom Standort Erlangen aus,
Gewerkschaft der neuen
aber die AUB wurde über die Jahre von Siemens
Briefzustelldienste (GNBZ)
mit mindestens 50 Millionen Euro gefördert
Auch der Medienkonzern Springer gründete
und konzernweit als Alternative und Konkur-
eine gelbe Gewerkschaft. Mit allerdings weit
renz zur IG Metall aufgebaut. Als erste Arbeit-
weniger Erfolg. Bevor in Deutschland 2008 die
nehmervertretung im Siemens-Konzern unter-
Briefzustellung privatisiert wurde, wurde als
zeichnete AUB einen Vertrag zur Arbeitszeitfle-
Konkurrenz zur Deutsche Post AG das private
xibilisierung mit unbezahlter Mehrarbeit und
Briefzustellunternehmen PIN gegründet. Sprin-
Lohnverzicht. Siemens habe damit unter dem
ger erwarb 2007 die Mehrheit der Anteile. Man
Strich viel Geld gespart, sagte ein Ex-Manager
wollte mit einer Niedriglohnstrategie das
133
vor Gericht aus.
Briefgeschäft der Post übernehmen. Die Post
Schließlich anerkannten auch andere Kon-
AG und die Gewerkschaft ver.di hatten sich auf
AUB ist nicht nur
zernvorstände wie die von Lufthansa, Daim-
einen Mindesttariflohn für Briefträger von
bei Siemens aktiv
lerChrysler und Karstadt für Teilbereiche die
9,80 Euro geeinigt. PIN zahlte etwa 6 Euro. Das
AUB als Tarifvertragspartner an. Die Mitglie-
Geschäftsmodell war bedroht, wenn der Bun-
derzahl der AUB ist vergleichsweise gering, die
destag einen verbindlichen Mindestlohn be-
Zahl der AUB-Betriebsräte im Verhältnis dazu
schließen würde.
ungewöhnlich hoch. 2007, als der langjährige
Deshalb wurde unter Führung von PIN/
AUB-Vorsitzende Wilhelm Schelsky wegen Be-
Springer zusammen mit anderen Verlagen wie
stechlichkeit und Steuerhinterziehung verur-
dem WAZ-Konzern und dem Zustelldienst TNT
teilt wurde, hatte die AUB 32.000 Mitglieder,
ein neuer Arbeitgeberverband gegründet: Ar-
134
beitgeberverband Neue Brief- und Zustell-
Nach der Verurteilung von Schelsky arbei-
dienste (AGV-NBZ). Um die gewünschten nied-
tete die AUB weiter und findet immer wieder
rigeren Löhne aushandeln zu können, gründe-
Gelbe Haus-
Unternehmen, die sich ihrer bedienen. So stellt
ten dieselben Akteure gleich noch die passen-
gewerkschaft
sie gegenwärtig praktisch alle Betriebsräte bei
de Gewerkschaft dazu: Gewerkschaft der Neu-
für Briefzusteller
davon waren 19.000 Betriebsrats-Mitglieder.
133 Thomas Magenheim: Wie Siemens Geld sparte, in: Frankfurter Rundschau, 25.9.2008. 134 Georg Etscheid: Vertrauensvolle Zusammenarbeit, ZEIT online, 13.3.2007. 135 Albrecht Kieser: Abriss-Birne Hyundai – Bossing aus Prinzip, www.work-watch.de, 19.12.2012, abgerufen 11.2.2013.
79
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
en Briefzustelldienste (GNBZ). Als Vorsitzender
mensleitung. Solche Vertretungen haben keine
des Arbeitgeberverbandes fand sich der Ex-
gesetzlichen Rechte, sondern sind auf den Kon-
„Betriebsrat light“
Chef der Bundesagentur für Arbeit, Florian Ger-
sens mit und letztlich auf das Wohlwollen der
ohne Rechtsanspruch
ster. Als Vorsitzenden der Gewerkschaft instal-
Unternehmensleitung angewiesen, die häufig
und Durchsetzungs-
lierte man einen Tengelmann-Manager, Arno
die Zusammensetzung der AVO bestimmt. Kon-
kraft
Doll.
takte zu den etablierten Gewerkschaften leh-
Die Kölner Kanzlei Axer brachte die Grün-
nen sie häufig, aber nicht immer ab. Man kann
dung in die passende juristische Form; dazu
sie nicht unterschiedslos unter gelbe Listen
gehörte auch die heimliche Weiterleitung von
fassen.
PIN-Geldern für das Gehalt des neuen Gewerk-
Meist handelt es sich um gemeinsame Gre-
schaftschefs. Für die Beratung bei der Gewerk-
mien aus Vertretern der Belegschaft und der
schaftsgründung stellte Axer PIN laut „Stern“
Unternehmensleitung; in weniger als der Hälf-
136
ein Honorar von 900.000 Euro in Rechnung.
te der Betriebe werden die Belegschaftsvertre-
Eine gelbe Gewerkschaft ließ man sich also
ter von der Belegschaft formal gewählt. Die
durchaus etwas kosten. Gegen den „drohenden“
AVO tagen wesentlich seltener und schließen
Beschluss des Gesetzgebers für einen Mindest-
wesentlich seltener Vereinbarungen ab als Be-
lohn im Bereich Briefzustellung ließ die GNBZ
triebsräte. Sie treffen sich häufiger mit der Un-
ihre schlecht bezahlten Briefträger vor dem Bun-
ternehmensleitung als untereinander. AVO
destag demonstrieren. Doch das Landesarbeits-
werden häufig als „Betriebsrat light“ bezeich-
gericht Köln sprach der GNBZ 2009 die Tariffä-
net (Hauser-Ditz u. a. 2009: 70-77).
higkeit ab, der Widerspruch vor dem Bundesar137
beitsgericht wurde zurückgezogen.
AVO sind heute weit verbreitet. In Betrieben ab zehn Beschäftigten gibt es bei 57 Prozent überhaupt keine Belegschaftsvertretung,
Andere Vertretungsorgane (AVO)
20 Prozent haben einen Betriebsrat; in 23 Pro-
Die anderen Vertretungsorgane (AVO) werden
zent der Betriebe bestehen AVO. Sie repräsen-
verschiedentlich auch alternative Vertretungs-
tieren etwa 11 Prozent aller Beschäftigten
organe genannt. Gelegentlich treten sie als
(ebd.; Stand 2009).
Runde Tische, Belegschaftsausschüsse, Ver-
Die AVO konzentrieren sich häufig in klei-
trauenspersonen oder als Belegschaftsspre-
nen und mittelständischen Unternehmen, etwa
cher auf. Diese Belegschaftsvertretungen wer-
auch in der Nürnberger Wurstfabrik des ehe-
den nicht nach dem Betriebsverfassungsgesetz
maligen Präsidenten des FC Bayern München,
gebildet, sondern bestehen aufgrund unter-
Uli Hoeneß – der ausgiebige Einsatz von Leih-
schiedlicher Vereinbarungen mit der Unterneh-
arbeitern findet deshalb keinen Widerstand.138
136 Redaktion: PIN: Springers grüne Hölle, in: Stern 16/2008, S. 142 ff. 137 LAG Köln 20.5.2009, Az. 9 Ta BV 105/108. 138 Kurt Stenger: Ein klarer Fall von Selbstgerechtigkeit, in: Neues Deutschland, 23.4.2013.
80
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
Aber auch in großen Familienunternehmen
Die verantwortlichen Führungspersonen in den
mit mehreren Tausend Mitarbeitern finden sich
Unternehmen lassen einen Betriebsrat, den sie
AVO. Die Würth-Gruppe (Adolf Würth GmbH &
nicht verhindern konnten, zwar bestehen, stre-
Co KG) des „Schraubenkönigs“ Reinhold Würth
ben aber an, ihn nach dem Vorbild AVO umzu-
beispielsweise hat mehrere Tausend Mitarbei-
gestalten und zu schwächen. So heißt es in der
ter in Deutschland und 66.000 weltweit. Einen
vertraulichen Anweisung des Textildiscounters
regulären Betriebsrat gemäß BetrVG gibt es
H&M an das Management zum Umgang mit dem
nur in zwei seiner Produktionsbetriebe (Fa. Ar-
Betriebsrat: „Die Auseinandersetzung mit Be-
nold, Ernsbach, und Fa. Reisser, Ingelfingen);
triebsräten als Investment begreifen […],
die Eigentümerfamilie wehrt sich grundsätzlich
Hyperaktive im Zaum halten. Die für uns geeig-
dagegen. Der gegenwärtige Firmenpatriarch
neten Kandidaten erreichen. Kosten für die Be-
Reinhold Würth hat 1983 einen „Vertrauensrat“
triebsratsarbeit verringern“ (Kieser 2012: 46).
gegründet und mit ausgesuchten Mitarbeitern
H&M lehnt also Betriebsräte nicht ab, sondern
„Vertrauensrat“ –
besetzt. Dieser Vertrauensrat besteht bis heu-
versteht ihre Zusammensetzung und Arbeits-
ein alternatives
te. Der Konzern steht außerhalb des Flächenta-
weise als sportliche Herausforderung, die es
Vertretungsorgan
rifvertrags der IG Metall; es gilt ein sogenann-
mit kreativen Methoden anzugehen gilt.
bei Würth
ter Haus-Tarifvertrag, der zwischen Geschäfts-
Unternehmensleitungen haben also in Zu-
führung und dem hauseigenen AVO vereinbart
sammenarbeit mit externen Beratern Techni-
wurde. Während die Konzernleitung jährlich in
ken entwickelt, um die Zusammensetzung von
anonymisierten Umfragen regelmäßig eine
Betriebsräten schrittweise zu ihren Gunsten zu
„hohe Mitarbeiterzufriedenheit“ feststellt,
verändern. Infolgedessen haben die internen
trauen sich, so die Einschätzung der örtlichen
Auseinandersetzungen zwischen den Betriebs-
IG Metall, die Beschäftigten aus Angst nicht,
ratsmitgliedern stark zugenommen – zur Freu-
einen Tarifvertrag zu fordern.
139
de der Manager und Eigentümer (Hocke 2012).
Der Erfolg der AVO erklärt sich einerseits
Der Software-Konzern SAP, der seit seiner
damit, dass in Teilen der Belegschaften heute
Gründung bis 2006 eine führungsloyale Mitar-
oftmals eine grundsätzliche Ablehnung von Ge-
beitervertretung hatte, hat es auch nach der
werkschaften und Betriebsräten zu beobachten
Wahl eines Betriebsrats geschafft, diesen
ist. Auf der anderen Seite haben nicht wenige
durch eine Mehrheit von Vertretern einer
Unternehmensleitungen ihre grundsätzliche
christlichen Gewerkschaft und anderer gelber
Ablehnung von Betriebsräten aufgegeben. Ge-
Listen führungsloyal zu halten (siehe Kapitel
ändert hat sich dabei ihre Handlungsstrategie:
7.1).
139 Stefan Scheytt: Brandbrief des Patriarchen, www.boeckler.de/41281_41309.htm, Magazin Mitbestimmung 10/2012, abgerufen 25.4.2013.
81
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
6.3 PR-Agenturen und Überwachungsspezialisten
legitimierung der Gewerkschaften, die als Wachstums- und Innovationshemmnis kritisiert werden. Wir konzentrieren uns im Folgenden
Wichtig zum Verständnis der Funktionsweise
auf die weniger bekannten Aktivitäten von Me-
von Union-Busting sind nicht nur in den Betrie-
dienkanzleien und PR-Agenturen. Sie segeln im
ben konkret handelnde Akteure, die die Träger
Windschatten der antigewerkschaftlichen Tä-
der Mitbestimmung mit den dargestellten Mit-
tigkeiten und agieren im direkten Auftrag von
teln und Instrumenten an ihrer gesetzlich ver-
Unternehmern gegen Betriebsräte und Be-
brieften Arbeit hindern. Anwälte, Unternehmen
schäftigte.
und Kanzleien greifen, wie im Folgenden dargestellt wird, auf PR-Agenturen, spezialisierte
Medienkanzleien. Etwa seit Beginn der 2000er
Medienkanzleien und Wirtschaftsdetekteien
Jahre haben sich spezialisierte Medienkanz-
zurück. Diese betreiben Reputationsmanage-
leien herausgebildet, die das Image von Unter-
ment und Krisen-PR, um öffentlichen Skanda-
nehmen verteidigen. Aufgabe und Ziel dieser
len vorzubeugen, und versuchen Klagen recht-
Kanzleien ist es, Unternehmen vor Falschdar-
lich durch „vorausschauende Beweissamm-
stellung, Verleumdung, Ruf- und Geschäfts-
lung“ abzusichern.
schädigung zu schützen. Dabei warten die Unternehmen nicht mehr ab, was über sie berich-
Medienkanzleien und Public-Relations-
tet wird, um dann gegebenenfalls einen Anwalt
Agenturen (PR)
zu beauftragen, der eine Klage gegen Betriebs-
Großangelegte Medien-Initiativen und Think-
räte oder Autoren verfasst. Heute werden Me-
tanks produzieren eigene Veröffentlichungen,
dienkanzleien bereits beauftragt, wenn z. B.
oft in „Medienpartnerschaften“ mit „konserva-
ein Konflikt mit dem Betriebsrat entstanden ist
tiven“ Leitmedien („Frankfurter Allgemeine
und dessen Veröffentlichung in diversen Medi-
Zeitung“, „Handelsblatt“, „Die Welt“, „Wirt-
en „droht“. „In der Branche gilt das Verhindern
schaftswoche“ u. a.), und beeinflussen Medien
von kritischen Berichten als Königsdisziplin“,
zugleich auch hinter den Kulissen, insbeson-
so fasst es der bekannte TV-Journalist Thomas
dere die öffentlich-rechtlichen TV-Sender. Das
Leif zusammen.140 Auf Englisch heißt das
bekannteste Beispiel hierfür ist die vom Arbeit-
„agenda cutting“ – von der Tagesordnung strei-
geberverband Gesamtmetall gegründete Initia-
chen.
tive Neue Soziale Marktwirtschaft, deren Akti-
Mit dieser Dienstleistung wirbt der Mitbe-
vitäten gut erforscht sind (Speth 2004; 2006;
gründer der Berliner Medienkanzlei Schertz
Lieb 2007). Sie arbeitet großflächig an der De-
Bergmann, Dr. Christian Schertz. Es sei mög-
140 Thomas Leif: In der Branche gilt das Verhindern von kritischen Berichten als Königsdiziplin, www.carta.info/ 45925, abgerufen 16.7.2012.
82
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
lich, „eine (Medien-)Kampagne entweder
dem gerichtlichen Vergleich den Autor ganz all-
bereits am Anfang im Keim zu ersticken oder im
gemein und grundsätzlich: „Günter Wallraff
besten Falle noch im Recherchestadium zu ver-
stellt in seinen angeblichen Enthüllungsrepor-
hindern“ (Schertz 2004). Die Kanzlei vertritt
tagen falsche und maßlos übertriebene Be-
vorzugsweise Unternehmensvorstände z. B.
hauptungen auf. Damit macht er […] seine Bü-
von Daimler, Karstadt/Berggruen, Springer,
cher spektakulärer und kann sie besser ver-
der Bank Sal. Oppenheim und Maredo (siehe
kaufen.“142 Inzwischen vertritt Höcker u. a. den
das Fallbeispiel Maredo in Kapitel 7.2).
Internetversandhändler Amazon in Deutsch-
Die Kölner Medienkanzlei Höcker arbeitet
land, der sich wegen bekannt gewordener ar-
nach ähnlichem Muster. Gründer Ralf Höcker
beitsrechtlicher Verstöße verteidigen muss.
ist Professor für Marken- und Medienrecht an
Die Verhinderung von Berichten über die Ar-
der Cologne Business School. An der Europäi-
beitswirklichkeit und die Diffamierung kriti-
schen Fachhochschule Brühl lehrt er Handels-,
scher Autoren gehört zum Geschäft der Union-
Gesellschafts- und Arbeitsrecht. Wie bei
Buster. Auch wenn es in diesem Fall nicht um
Schertz Bergmann gehört es zum Handwerks-
den konkreten Konflikt um einen Betriebsrat
Medienkanzlei Höcker
zeug, bei Nebensächlichem einzuhaken. So
geht, illustriert das Beispiel sehr gut das Vor-
vs. Günter Wallraff
vertrat Höcker die Großbäckerei Weinzheimer
gehen gegen kritische Berichte, die ebenso
gegen den Journalisten Günter Wallraff. Der
gegen Gewerkschaften und Betriebsräte einge-
hatte zahlreiche Missstände öffentlich ge-
setzt werden.
macht. Höcker griff sich die Darstellung Wallraffs heraus, der zufolge sich die Beschäftigten
PR-Agenturen. Die Öffentlichkeit ist sensibler
an heißen Blechen die Hände verbrannt hatten.
geworden. Der Wert eines Unternehmens und
Höcker argumentierte: „Verbrennungen kom-
die Verkäuflichkeit seiner Produkte hängen
men in Bäckereien typischerweise vor […].
heute mehr denn je vom öffentlichen Image ab.
Wallraffs Schilderungen wären also sehr un-
Deshalb wird Wert darauf gelegt, dass vom
spektakulär gewesen, wenn er nur wahrheits-
Pförtner über die Beschäftigten bis zum Topma-
gemäß berichtet hätte, dass es auch in der Bä-
nager gegenüber der Öffentlichkeit „alle mit
ckerei unseres Mandanten zu solchen bäcke-
einer Stimme sprechen“, auf Englisch heißt das
reitypischen Unfällen kam.“ Im Vergleich vor
„one voice policy“. Und die Stimme soll schön
Gericht heißt es deshalb: Wallraff darf nicht
und positiv sein. Dafür sorgen PR-Agenturen.
mehr berichten, „alle“ Beschäftigten hätten
Die biedere „Öffentlichkeitsarbeit“ alter Art,
„Fast alle haben sich
sich die Hände verbrannt, sondern nur noch
die z. B. im Verschicken von Pressemitteilun-
die Hände verbrannt“
„fast alle“.
141
Anwalt Höcker diffamierte nach
gen bestand, reicht nicht mehr aus. Heute orga-
141 Niederlage für Günter Wallraff, www.hoecker.eu, Pressemitteilung 12.1.2012. 142 Ebd.
83
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
nisieren PR-Profis vor allem im Konfliktfall eine
2001 auch in Deutschland. In jedem Staat veröf-
„strategische Kommunikation“. Diese präsen-
fentlicht die Agentur jährlich eine Liste der
tiert nach außen eine glänzende Story und
„Besten Arbeitgeber“. Die Kriterien für die
wirkt nach innen autoritär; so dürfen Beschäf-
Auszeichnung lauten Glaubwürdigkeit (offene
tigte und vor allem Betriebsräte nur dann an
Kommunikation und kompetente Führung), Re-
die Öffentlichkeit gehen, wenn der Unterneh-
spekt (Fürsorge und Balance), Fairness (Ge-
143
rechtigkeit – keine Diskriminierung), Stolz
mensvorstand ihnen das erlaubt.
PR-Agenturen gestalten die strategische
(Stolz auf die eigene Tätigkeit und die Leistun-
Kommunikation der Unternehmensleitungen,
gen des Unternehmens) und Teamgeist (an ei-
spätestens wenn etwa eine Übernahme bevor-
nem Strang ziehen). 2012 erhielten in Deutsch-
steht, wenn Entlassungen unverhofft bekannt
land diese Auszeichnung u. a. Rewe West, TUJA
werden und Konflikte mit dem Betriebsrat ent-
Zeitarbeit, Adolf Würth GmbH und accenture.145
stehen. Die Agenturen sollen dann inner- und
Während beim Softwarekonzern SAP der
außerbetrieblich dafür sorgen, dass das Unter-
Kampf um die Gründung des Betriebsrats tobte,
nehmen trotzdem gut dasteht.
verlieh Great Place to Work an SAP die Aus-
Die Beziehung zwischen dieser Art PR zur
zeichnung „Bester Arbeitgeber“ (SAP 2007:
gegenwärtig vorherrschenden Politik ist in vie-
37 f.; siehe das Fallbeispiel SAP in Kapitel 7.1).
len Fällen eng. Sebastian Turner war Chef der PR-Agentur Scholz & Friends. Sie gestaltete
Wirtschaftsdetekteien und
zum Beispiel den Auftritt der vom Arbeitgeber-
Überwachungsspezialisten
verband Gesamtmetall finanzierten Initiative
„Wer suchet, der findet“, heißt ein kluges
Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Turner
Sprichwort, mit dem die Kanzlei Dr. Schreiner+
war Gründungsmitglied der INSM, die als anti-
Partner auf ihren Internetseiten wirbt.146 Ab-
gewerkschaftlicher Stimmungsmacher das
mahnungen und Kündigungen gegen einzelne
Feld für Aktionen gegen Betriebsräte öffnete.
Personen brauchen Indizien und Anhaltspunk-
2012 stellte sich Turner als Kandidat der CDU in
te, die vor Gericht als Beweise präsentiert wer-
144
den können. Um diese zu beschaffen, arbeiten
Bei der Agentur Great Place to Work kön-
Wirtschaftsdetekteien und Überwachungsspe-
Nicht besonders
nen sich Unternehmen um die Auszeichnung
zialisten, häufig beauftragt durch externe
wertvoll: das Prädikat
„Bester Arbeitgeber“ bewerben. Die Agentur
Rechtsanwälte, eng mit Personalabteilungen
„Bester Arbeitgeber“
wurde 1991 in den USA gegründet und hat
zusammen; sie sind ein ständiger Begleiter von
inzwischen Niederlassungen in 45 Staaten, seit
aggressiven Maßnahmen gegen Betriebsräte
Stuttgart zur Wahl des Oberbürgermeisters.
143 Klaus Max Smolka: Public Relations: An der Leine der PR. PR wird in Deutschland immer autoritärer, in: Financial Times Deutschland, 6.12.2012. 144 Wolfgang Lieb: Clement übernimmt Vorsitz des INSM-Kuratoriums, www.nachdenkseiten.de, 6.7.2012. 145 www.greatplacetowork.de, abgerufen 5.1.2013. 146 http://www.rae-schreiner.de/philosophie/, abgerufen 31.8.2013.
84
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
(siehe das Fallbeispiel Maredo in Kapitel 7.2).
Detektive werden eingesetzt, um inszenier-
Ihre Aufgaben sind vielfältig: Personalcheck
te Diebstähle – etwa durch untergeschobene
bei Neueinstellungen; Einbau und Auswertung
Kuchenstücke – „aufzudecken“ (Wigand 2009a).
von Videoüberwachung; Ermittlung von Konto-
Eine bevorstehende BR-Gründung ruft beson-
und Adressdaten; Einschleusen von verdeckten
ders im Einzelhandel häufig Detektive auf den
Ermittlern, die als Werkstudenten, Praktikan-
Plan: „Wenn eine Betriebsratsgründung an-
ten oder neu eingestellte Mitarbeiter ausgege-
steht, wird bei den Rädelsführern im Dreck ge-
ben werden; Testkäufe (Mystery Shopper), um
wühlt. Die Frage ist: Findet der Detektiv was,
das Verhalten z. B. von Kassiererinnen zu er-
um ihn loszuwerden?“ Einerseits suchen die
mitteln (Schnelligkeit, Aufmerksamkeit bei
Ermittler nach persönlichen Schwachpunkten
Diebstählen, Freundlichkeit gegenüber den
(„Herr U. hat im Augenblick Probleme mit sei-
Kunden auch in Stress-Situationen); Beobach-
ner Ehefrau, die aus Albanien kommt“),
Observation bei
tung von Mitarbeitern bei Dienstgängen wie
andererseits nach verwertbaren Indizien für
Dienstgängen und
auch in ihrem Privatleben.
fristlose Kündigungen.
148
im Privatleben
So manche solcher „Beweise“ haben rechtInszenierte Beweise. Detektive werden vor al-
lich keinen Bestand. Der Autozulieferer Plat-
lem gegen Beschäftigte eingesetzt, die man aus
tenhardt etwa suchte nach Belegen, um den
verschiedenen Gründen loswerden will – Be-
Vorsitzenden des Betriebsrats zu kündigen.
triebsratsgründer, aktive Betriebsratsmitglie-
Der verdeckte Ermittler einer Detektei notierte
der, „zu teure“ Mitarbeiter. Die Steakhauskette
aus einem angeblich belauschten Gespräch,
Maredo beauftragte gleichzeitig drei Firmen:
die Zielperson habe einen Kollegen aufgefor-
Eine Detektei installierte die heimliche Video-
dert, das Büro des Personalleiters in die Luft zu
überwachung, die zweite Detektei schleuste ei-
sprengen. Rechtsanwalt Helmut Naujoks be-
nen verdeckten Ermittler ein, eine dritte Firma
gründete damit die fristlose Kündigung. Das
beschaffte Sicherheitsleute. In den bekannt ge-
Arbeitsgericht akzeptierte die Begründung
wordenen Fällen wurde der Betriebsrat meist
nicht, auch weil der Name der Detektei nicht
nicht um Zustimmung zu entsprechenden Über-
genannt wurde und der Detektiv vor Gericht
wachungs- und Bespitzelungsmaßnahmen ge-
nicht erschien. Das Unternehmen musste die
fragt; manchmal wurde fälschlicherweise be-
Kündigung zurücknehmen.149
hauptet, er habe zugestimmt.147
147 Christian Esser/Jo Sperling: Überwachte Mitarbeiter. Das Spitzelsystem bei Penny und Rewe, Frontal21, 30.4.2013. 148 Markus Grill: Überwachung – Systematische Bespitzelung im Handel, in: Stern, 15.4.2008. 149 Andreas Kraft: Die Kündigungshelfer, Die Mitbestimmung 6/2012, www.boeckler.de/40333.htm.
85
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
„Frauen als Detektive sind unauffälliger“.
Manche Detekteien werden kurzfristig en-
Es gibt in Deutschland unter den 1400 Detektei-
gagiert, andere haben ein über viele Jahre lau-
en etwa 100, die vorwiegend im Auftrag von Un-
fendes Dauermandat. So beauftragte die Deut-
ternehmen arbeiten.
150
Die Bandbreite reicht
sche Telekom die Detektei Argen während ei-
von 2-Mann-Firmen bis zu international tätigen
nes Jahrzehnts mit diversen „Aufklärungen in
Detekteien mit mehreren Niederlassungen im
rechtlichen Grauzonen“; 154 dazu gehörten Be-
In- und Ausland. So hat etwa EAAP, die bei der
wegungsprofile und Kontodaten. Die Detektei
Steakhauskette Maredo den verdeckten Ermitt-
Argen wurde in diesem Fall von der Detektei
ler einschleusten, 13 Niederlassungen in
Network Deutschland als Subunternehmer en-
Deutschland und weitere in Österreich, Liech-
gagiert.155
tenstein, Ungarn, Italien und der Schweiz.151
Die Deutsche Bahn setzte unter ihrem lang-
Der Bundesverband Deutscher Detektive
jährigen Vorstandsvorsitzenden Hartmut Meh-
(BDD) teilt mit, „dass Rechtsanwälte bei ihrer
dorn im Zuge der Umgestaltung des Staatsun-
anwaltlichen Tätigkeit zunehmend mit fach-
ternehmens in einen wettbewerbsfähigen Glo-
und sachkundigen Detektiven vertrauensvoll
bal Player sechs Detekteien gleichzeitig ein.
152
zusammenarbeiten“.
Sie sollten, so der Ausdruck Mehdorns, die „Lu-
Um das Image der Wirtschaftsdetektive zu
schen“ herausfinden, die man „rausschmei-
verbessern, organisiert die Industrie- und Han-
ßen“ müsse. Zu den beauftragten Detekteien
delskammer (IHK) Münster Seminare. Der Chef
gehörten – wie im Fall Telekom – Argen und
Die „Luschen“
einer Detektei, Anwälte und Kommunikations-
Network Deutschland, dann noch Detec Tronic
herausfinden
trainer treten als Referenten auf. Nach einem
Consulting und die Branchengröße KDM.156
Jahr bekommen die Seminarteilnehmer das Di-
Die Deutsche Bank-Abteilung Konzernsi-
plom „Privat- und Wirtschaftsermittler/-in
cherheit arbeitete mit Bernd Bühner, der von
IHK“. Hier werden neuerdings vermehrt Frauen
der Detektei Control Risks Deutschland (Zen-
gesucht: „Frauen sind unauffälliger, niemand
trale London) kam, und mit Bühners eigener Fir-
rechnet damit, dass sie Detektive sind. Leider
ma Private Risks Advisor zusammen. Zum Über-
gibt es zu wenig Frauen in unserem Beruf“, so
wachungsteam gehörte eine „attraktive junge
153
der BDD-Sprecher Josef Riehl.
Juristin“. Man ließ auch ein ver.di-Mitglied im
150 Vgl. die Mitgliederliste des Bundesverbandes der Deutschen Detektive (BDD), www.bdd.de, abgerufen 5.3.2012. 151 www.detektei-eaap.de, abgerufen 10.1.2013. 152 Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und Detektiven, www.bdd.de/presse, 10.2.2012, abgerufen 5.3.2012. 153 Julia Wäschenbach: Besserer Durchblick für Detektive, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 17.2.2012. 154 Redaktion: Ausspähaffäre: Telekom beschäftigt seit zehn Jahren umstrittene Detektei, Spiegel Online, 27.2.2009. 155 Christina Jäger: Die Zentrale der Detektei Network Deutschland ist verwaist, in: Hamburger Abendblatt, 4.6.2008, abgerufen 24.1.2013. 156 Markus Brandt: Der böse Geist, in: Stern, 1.3.2009, abgerufen 24.1.2013.
86
P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER
Aufsichtsrat überwachen, das den massiven Stellenabbau öffentlich kritisiert hatte.
157
sächlich oder mutmaßlich Mitglied der DKP waren. Die Siemens-Security beauftragte eine
Als der Siemens-Vorstand in den Jahren
Berliner Detektei, um sie außerhalb des Un-
2002 bis 2004 insgesamt 1700 Beschäftigte ent-
ternehmens beobachten zu lassen. Das Hono-
lassen wollte, wehrten sich im Betriebsrat
rar bezahlte der Konzern aus einer schwarzen
besonders zwei Mitglieder, die gleichzeitig tat-
Kasse.158
157 Markus Frühauf: Im Auftrag der Deutschen Bank, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.9.2009. 158 Jürgen Dahlkamp/Dinah Deckstein: Siemens und die Detektive, in: Der Spiegel, 21.4.2008.
87
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
7. Zwei Fallbeispiele: Union-Busting bei SAP und Maredo
Im vorigen Kapitel wurden Union Busting-
und Boni zusätzlich Tantiemen zwischen
Dienstleister und ihre Tätigkeiten dargestellt.
102.000 und 152.000 Euro – nicht zu vergessen
Diese Dienstleister agieren nicht unabhängig
die Aktienoptionen (SAP 2009: 79).
voneinander, sondern werden häufig in systematischer Weise von Unternehmen eingesetzt.
Widerstände in Belegschaft und Vorstand
Die beiden folgenden Fälle einer solchen syste-
Weltweit hat SAP 65.000 Beschäftigte (Stand
matischen Verhinderung von Betriebsratsar-
Ende 2013). Nach der Zahl der Beschäftigten in
beit sollen dies veranschaulichen.
Deutschland – 17.000 in der Zentrale Walldorf und in einigen Nebenstandorten – besteht Anspruch auf 39 Betriebsräte mit 13 Freigestell-
7.1 SAP: Eine „besondere Unternehmenskultur“
ten. Drei Mitglieder der IG Metall wollten 2006 nach dem Betriebsverfassungsgesetz einen
Aufsichtsrat und Vorstand des Softwarekon-
Betriebsrat gründen.160 Die Konzernleitung ver-
zerns SAP wehrten sich lange grundsätzlich
weigerte die Zustimmung und machte Stim-
gegen die Wahl eines Betriebsrates. Sie berie-
mung gegen einen Betriebsrat, der von außen
fen sich auf eine „besondere Unternehmenskul-
„fremdgesteuert“ werde. Gründer und Großak-
tur“, die für die kreative IT- und Software-Bran-
tionär Dietmar Hopp drohte mit dem möglichen
che typisch sei. Der Standardspruch des Fir-
Abzug der Konzernzentrale aus Walldorf. In
mengründers Dietmar Hopp lautete: „Wer ei-
keinem anderen Bereich sei eine Sitzverlage-
159
„Wer einen Betriebs-
nen Betriebsrat gründet, der fliegt.“
Deshalb
rat gründet, fliegt“
war SAP bis 2006 der einzige deutsche DAXKonzern ohne Betriebsrat.
rung ins Ausland so schnell möglich wie in der Softwarebranche. Die versuchte Verhinderung eines Betriebs-
Einen gesetzlichen Betriebsrat wollte die
rats ist, was wenige wissen, strafbar: „Mit Frei-
Konzernleitung auf keinen Fall. Sie berief acht
heitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstra-
Beschäftigte in den Aufsichtsrat, die zugleich
fe wird bestraft, wer die Wahl des Betriebsrats
als Arbeitnehmervertretung (ANV) galten. Die-
behindert oder durch Zufügung oder Andro-
se gelbe (d. h. vorstandsfreundliche, von der
hung von Nachteilen oder Gewährung oder Ver-
Belegschaft nicht gewählte) ANV wurde von der
sprechen von Vorteilen beeinflusst“ (BetrVG
Konzernleitung auch als „informeller Betriebs-
§ 119 Abs. 1). Strafbar ist es auch, wenn die
rat“ bezeichnet. Zu den acht Auserwählten ge-
Konzernleitung versucht, einen gesetzlichen
hörten auch leitende Angestellte. Im Aufsichts-
Betriebsrat durch eine ihr genehme Arbeitneh-
rat kassierten sie 2006 neben ihren Gehältern
mervertretung selbst zusammenzustellen.
159 Zur Chronologie und zu den Auseinandersetzungen bei der Betriebsratsgründung siehe „Betriebsratswahl bei SAP“, www.nci-net.de/Archiv/Historie/2006-SAP-BR-Wahl/SAP-BR.html, abgerufen 28.6.2012. 160 Cornelia Girndt: Die Betriebsratsgründer, Magazin Mitbestimmung 11/2006, www.boeckler.de/pdf/ magmb_2006_11_Girndt.pdf, 28.6.2012.
88
F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO
Dabei kommt es vor, dass diese Strategie mit
allerdings nicht daran gestört, dass die bis
der Drohung verbunden wird, Unternehmens-
dahin aktiven acht Belegschaftsvertreter über-
teile ins Ausland zu verlagern.
haupt nicht von der Belegschaft gewählt wor-
Bei einer Betriebsversammlung am Stand-
den waren. Dietmar Hopp
ort Walldorf am 30. Juni 2006 sprachen sich
Der Arbeitsrechtler Professor Volker Rieble
91 Prozent der Anwesenden gegen den von den
(ZAAR) unterstützte die Konzernleitung und riet
droht mit Standort-
drei Betriebsratsgründern vorgeschlagenen
ihr, bis zum Bundesverfassungsgericht zu
verlagerung
Wahlvorstand aus – wenige Tage nachdem
gehen.
163
Hopp mit der Sitzverlagerung gedroht hatte. Daraufhin beantragten die drei IG Metaller ent-
Gelbe Listen
sprechend dem BetrVG beim Arbeitsgericht die
Doch die Konzernleitung und ihre loyale Arbeit-
Einsetzung eines Wahlvorstands.
nehmervertretung warteten das unvermeidliche Urteil des Arbeitsgerichts nicht ab. Sie ga-
Politiker, Wissenschaftler, Arbeitgeber-
ben ihren Widerstand schnell auf und machten
funktionäre toben
eine Kehrtwendung: Plötzlich stimmten sie ei-
Im Unternehmermilieu der Bundesrepublik
nem Betriebsrat zu. Die Versammlung zur Wahl
brach ein Sturm der Entrüstung los. Der CDU-
des Wahlvorstands konnte stattfinden. Aus den
Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises, Karl
Reihen der 3233 anwesenden Wahlberechtig-
Lamers (CDU), sprach sich „entschieden gegen
ten wurde ein Wahlvorstand gewählt, darunter
einen SAP-Betriebsrat“ aus. BDA-Präsident
allerdings nicht die drei gewerkschaftlichen
Hundt forderte die Änderung des Betriebsver-
Initiatoren, sondern vier Mitglieder der vom
161
Die FDP-Bundestagsfrak-
Arbeitgeber ausgewählten Arbeitnehmerver-
tion stellte im Bundestag den Antrag auf des-
tretung, die auch im Aufsichtsrat vertreten
sen Änderung: Es müssten mindestens 25 Pro-
waren.
fassungsgesetzes.
zent aller wahlberechtigten Arbeitnehmer der
Die Wahl des Betriebsrats erfuhr großes
Wahl eines Betriebsrats zustimmen. Dies wür-
Interesse. 400 Kandidaten bewarben sich. Ne-
Betriebsratsgründung
de die „Selbstbestimmung der Arbeitnehmer
ben der IG-Metall-Liste „ProBetriebsrat“ traten
bei SAP beschäftigt
stärken“. Nur 500 der SAP-Wahlberechtigten
neun mehr oder weniger gelbe Listen an, die
den Bundestag
hätten die Einsetzung eines Wahlvorstands un-
zum Teil noch rasch gegründet worden waren.
terstützt, somit wären 91 Prozent der Wahlbe-
Sie hießen „Menschen statt Ressource“, „Die
rechtigten dagegen.
162
Die FDP hatte sich zuvor
FDP wird aktiv:
Unabhängigen“, „Der Mensch im Mittelpunkt“,
161 Die gesammelten Stellungnahmen siehe: IG Metall Heidelberg: www.sapler.igm.de/news/ meldung.html?id=7737, abgerufen 19.6.2012. 162 Bundestagsdrucksache 16/967; die FDP zog ihren Antrag allerdings zurück. 163 Dietrich Creutzburg/Dieter Fockenbrock: SAP denkt an Gang nach Karlsruhe, in: Handelsblatt, 9.3.2006. Zu Professor Rieble siehe in Kapitel 3.2, Abschnitt „Arbeitgeberfinanzierte Universitätsinstitute“.
89
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
TEAM, „Wir für Dich“, „Kommunikation statt
Besondere Vergünstigungen
Konfrontation“, ABS (Aktiv im Betriebsrat
Die Konzernleitung hatte schon in den Vor-Be-
SAP), MUT (Menschenverstand Unternehmens-
triebsrats-Zeiten mit korrumpierenden Mitteln
kultur Transparenz), „Weniger ist mehr“. Die
gearbeitet. Dafür stehen die hohen Aufsichts-
Wahlbeteiligung lag bei 65 Prozent. Fünf gelbe
ratstantiemen für vom Arbeitgeber berufene
Listen konnten Vertreter in den 37-köpfigen
Mitglieder der Arbeitnehmervertretung. Nach
Betriebsrat entsenden, ProBetriebsrat ent-
der Wahl des Betriebsrats fand die Leitung wei-
sandte drei Vertreter. MUT und Wir für Dich bil-
tere Formen der Vorteilsgabe: Der Vorstand und
164
Ein „Ver-
die Dietmar-Hopp-Stiftung spendeten mehrere
dienst“ dieses Betriebsrats ist unter anderem,
Millionen an zwei gemeinnützige Vereine. Der
dass kein Tarifvertrag besteht.
erste wurde im Zusammenhang mit der ersten
deten die Mehrheitskoalition.
Im Mai 2012 kandidierte für die Wahl der
Betriebsratswahl gegründet: Family@SAP e. V.
Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat erst-
Der Verein wird von zwei arbeitgeberfreundli-
mals auch eine gewerkschaftliche Liste. Sie
chen Belegschaftsvertreterinnen betrieben –
wurde von IG Metall und ver.di gemeinsam ge-
beide Mitglied im Betriebsrat, eine dessen
bildet: „Pro Mitbestimmung & Upgrade. Es ist
stellvertretende Vorsitzende. Er organisiert
Zeit“. Einer ihrer Kandidaten brachte die erfor-
u. a. eine Kinder-Ferienverschickung.
Imagepflege:
derlichen Stimmen zusammen. Daneben kandi-
Die beiden Frauen gründeten 2010 den
soziale Projekte
dierten als gelbe Listen die Kleinst- und bran-
nächsten Verein: family&kids@work gemein-
loyaler Mitarbeiter
chenfremden Gewerkschaften DBV (Deutscher
nützige UG („Haus der kleinen Füße“), einen
mit viel Geld
Bankangestellten-Verband), CGM (Christliche
Kindergarten für hundert Kinder. SAP spendete
gefördert
Gewerkschaft Metall) und VRFF (Vereinigung
ein Grundstück mit 6000 Quadratmetern Garten
der Rundfunk-, Film- und Fernsehschaffenden).
und eine Bobbycar-Rennstrecke. Die Dietmar-
Das gewerkschaftliche Mitglied im Aufsichts-
Hopp-Stiftung übernahm die Baukosten von
rat gibt 90 Prozent seiner Tantiemen an die
5 Millionen Euro. Der Kindergarten ist mit
Hans-Böckler-Stiftung ab. Die Tantiemen für die
30 MitarbeiterInnen personell gut bestückt.165
Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat im Jahre
Diesen Kindergarten dürfen auch einige Kinder
2011 betrugen zwischen 170.000 und 201.000
von SAP-Beschäftigten besuchen, die nach ei-
Euro (SAP 2012a: 59).
nem Punktesystem ausgesucht werden. Der Spendensegen ging weiter: Dem Verein der beiden vorstandsloyalen Frauen spendete der Konzern 2,5 Millionen Euro für ein Grundstück
164 IG Metall Heidelberg: Betriebsrat: 9 von 10 wollten ihn nicht, www.sapler.igm.de/news/ meldung.html?id=8870, abgerufen 22.6.2012. 165 SAP-Jahresbericht 2011, Konzernabschluss nach IFRS, Konzernanhang, S. 31: „Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen und Personen“.
90
F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO
neben dem SAP-Headquarter; die Dietmar-
schwerde einlegen. So könne SAP die Wahl des
Hopp-Stiftung spendete 2012 erneut 5 Millio-
Betriebsrats mehrere Jahre zumindest verzö-
nen für die Baukosten eines weiteren Kinder-
gern.167 Wie bereits geschildert, hat der SAP-
gartens, wiederum für hundert Kinder („Haus
Vorstand diese Strategie nicht übernommen,
der kleinen Hände“).
166
Im Konfliktjahr 2006 wurde SAP zum „bes-
weil er die Öffentlichkeitswirkung einer solchen langen Auseinandersetzung fürchtete.
ten Arbeitgeber“ gewählt. Den Preis vergab die
Die drei Mitglieder der gewerkschaftlichen
Unternehmens-PR-Agentur Great Place to
Liste ProBetriebsrat wollten 2007 den Mitarbei-
Work. Sie bewertet Unternehmen nach den Kri-
tern das SAP-Gehaltssystem 2007 („Zielgehäl-
terien Verantwortung, Stolz und Teamgeist. Im
ter(Z)-Systeme“) zur Kenntnis geben. Der Vor-
Gegenzug investieren die Unternehmen sechs-
stand versuchte dies durch eine einstweilige
stellige Geldbeträge. Die 1991 in den USA ge-
Verfügung zu verhindern. Er ließ sich in diesem
gründete und weltweit tätige Agentur betreibt
Fall von der Kanzlei Hogan Lovells vertreten,
seit 2002 eine Niederlassung in Deutschland.
die schon als Berater bei der Bildung des Be-
SAP widmete der Auszeichnung viel Platz in
triebsrats herangezogen worden war. Das Ge-
seinem Geschäftsbericht (SAP 2007: 37).
richt wies den Antrag in erster Instanz ab. SAP ließ durch Hogan Lovells Berufung einlegen.
Anwaltskanzleien
Aber einen Tag vor der Berufungsverhandlung
Der Vorstand engagierte für die Auseinander-
zog der Vorstand die Berufung zurück.
setzung mit Gewerkschaftern die Top-Arbeitsrechtler der Republik, die ausschließlich Ar-
Human Resources
beitgeberinteressen vertreten. So engagierte
In der Personalabteilung von SAP, genannt Glo-
SAP die Großkanzlei Gleiss Lutz für die Ausein-
bal Labour Relations (GLR), sind 800 Mitarbei-
Führende Großkanz-
andersetzung vor dem Arbeitsgericht Mann-
ter beschäftigt. Mehr als 30 dieser Mitarbeiter,
leien gegen IG-Metall-
heim gegen die drei IG-Metall-Mitglieder, die
hauptsächlich Juristen, sind damit befasst, die
Mitglieder und
2006 die Einsetzung eines Wahlvorstands für
Beziehungen zwischen dem Konzernvorstand
Betriebsratsgründer
die Betriebsratswahl gerichtlich erzwingen
und den Beschäftigtenvertretungen zu koordi-
wollten. Der Anwalt der Kanzlei, Jobst-Huber-
nieren.
tus Bauer, riet zu einer möglichst langen juris-
Die direkte Einwirkung auf den Betriebsrat
tischen Auseinandersetzung. SAP solle durch
wird ergänzt durch die Einwirkung auf die Be-
alle Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht
schäftigten, wobei dies der Mitbestimmung
gehen. Und auch gegen dessen Urteil könne
weitgehend entzogen ist. Die für einen Milliar-
man gegebenenfalls noch Verfassungsbe-
denbetrag von SAP aufgekaufte Firma Success-
166 Redaktion: Walldorf – Erster Spatenstich für das Haus der kleinen Hände, in: Mannheimer Morgen, 23.5.2012. 167 SAP denkt an Gang nach Karlsruhe, in: Handelsblatt, 9.3.2006; www.nci-net.de/Archiv/Historie/2006-SAP-BRWahl/SAP-BR.html, abgerufen 28.6.2012.
91
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Factors soll ab 2013 jährliche Assessments
Zur Strategie gehörten neben Bespitze-
Jährliche Leistungs-
(Leistungsmessungen) aller 65.000 Beschäftig-
lung, Überwachung und Kriminalisierung der
messungen und
ten durchführen. Dabei hilft eine Matrix: Auf
Belegschaft samt Schock-and-Awe-Aktion (sie-
Burn-out
der x-Achse wird die Performance abgebildet,
he dazu Kapitel 5.3) auch die systematische
auf der y-Achse das Potenzial. Die Getesteten
Beeinflussung und Verhinderung von Bericht-
werden dann in Stars, Emerging Stars (kom-
erstattung, wofür u. a. Prominenten-PR-Berater
mende Stars), Experienced Professionals (er-
und Medienanwälte engagiert wurden.
fahrene Profis), Low Performer (Minderleister)
Die Maredo Restaurants Holding GmbH ist
u. Ä. eingeteilt, und diese Einschätzung wird
ein Unternehmen aus dem Segment der System-
mit Empfehlungen versehen: „Needs coaching“
gastronomie mit Sitz in Düsseldorf. Die Kern-
(braucht Coaching), „questionable fit“ (bedingt
idee: Restaurants, die Rindfleisch aus Südame-
tauglich), „counsel out“ (aussortieren) u. Ä. Für
rika offerieren. Die 1973 gegründete Kette gibt
die in der Regel jährlichen Assessments wer-
für 2013 eine Zahl von 57 Restaurants in
den auch externe Coaches hinzugezogen. Ge-
Deutschland und drei in Österreich mit ca. 1800
werkschafter bei SAP weisen auf einen direk-
Mitarbeitern in Service, Grill, Küche und Ver-
ten Zusammenhang zwischen den geschilder-
waltung an. Pro Jahr werden nach eigenen An-
ten Methoden und einem hohen Krankenstand
gaben etwa 7,6 Millionen Gäste bedient. Im
einschließlich Burn-out hin (Kronig 2012,
Vergleich dazu kann der Nettoumsatz nicht be-
39 ff.).
eindrucken: Für das Geschäftsjahr 2007/2008 wird er auf rund 99 Millionen Euro beziffert.169
7.2 Maredo: Sechs externe Dienstleister gegen NGG und Betriebsräte
vom Frankfurter Finanzinvestor Equity Capital Management (ECM) übernommen,170 dem ne-
Das Management der Steakhauskette Maredo
ben diversen mittelständischen Industriebe-
ging seit November 2011 mit einer breiten Pa-
trieben auch die Bäckereikette Kamps und der
lette von Methoden frontal und aggressiv ge-
Tiefkühl-Heimservice Eismann gehören.
gen gewerkschaftliche Betriebsräte vor. Der
Der Maredo-Deal geschah im Rahmen eines
Frankfurter Anwalt der Betroffenen, Armin
Management Buy-outs (MBO, Übernahme eines
Franzmann, sah eine neue Qualität in diesem
Unternehmens durch das Management). 2008
Fall, die in der perfiden Brutalität des Vorge-
wechselte die Kette in den ECM-Fonds German
168
hens bestehe.
168 169 170 171
92
Maredo wurde laut Handelsblatt im Jahr 2005
Equity Partners III.171 ECM schreibt: „Das Mare-
Daniel Behruzi: Ein Jahr Maredo-Konflikt, in: junge Welt, 28.11.2012. ECM: Maredo, http://www.ecm-pe.de/deutsch/gep_III/content_03.htm, abgerufen 28.6.2013. Minusgeschäft für Barilla. Bäckereikette Kamps geht an Finanzinvestor, Handelsblatt.com, 12.8.2010. ECM: Maredo, http://www.ecm-pe.de/deutsch/gep_II/content_07.htm, abgerufen 28.6.2013.
F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO
do Management-Team hat im Rahmen dieses
terview mit der gewerkschaftsnahen Zeitung
MBO seine Gesellschaftsanteile auf 15 Prozent
„express“ aus Frankfurt. „Die Arbeitgeber in
aufstocken können.“
172
Dieses Team bestand
der Dehoga lachten uns aus, boten nichts für
aus dem geschäftsführenden Gesellschafter
das Jahr 2011 und 1,5 Prozent für 2012. Die drit-
Uwe Büscher, der Marketingdirektorin Rita
te Tarifrunde war für kurz vor Weihnachten an-
173
Hans und dem Finanzdirektor Dietrich Etzler.
beraumt. Da waren wir schon drei Wochen aus
Maredo ist Mitglied im Unternehmerverband
dem Weg geräumt ebenso wie die Betriebsrats-
Dehoga.
vorsitzende Jacqueline F. aus Osnabrück.“174 Dort gab es eine zweite Maredo-Filiale mit
Widerstandsnest Frankfurter Freßgass
Betriebsrat; daneben sollen noch weitere Filia-
Die Belegschaft der Maredo-Filiale in der
len mit gewählter Interessenvertretung exis-
Frankfurter Freßgass war in der traditionell be-
tiert haben. Weder konnte die Gewerkschaft
triebsratsfeindlichen Systemgastronomie eine
NGG deren Existenz bestätigen, noch hatten
große Ausnahme. Die Frankfurter Filiale hatte
diese durch Erfolge oder Konflikte auf sich auf-
seit über zwanzig Jahren eine gewählte Arbeit-
merksam gemacht.
nehmervertretung, die – laut Auskunft ihrer langjährigen Mitglieder – in den Anfangsjah-
Shock and Awe
ren stark zu kämpfen hatte, dann aber weitge-
Am 26. November 2011 kam es zum Showdown.
hend ungehindert die Interessen der Arbeit-
In der Frankfurter Freßgass-Filiale ging plötz-
nehmer vertreten konnte, bis sich der Wind im
lich das Licht aus, ein Sicherheitsunternehmen
Jahr 2011 drehte. Eine Betriebsratswahl wurde
besetzte die Ausgänge. Mehrere Mitarbeiter,
von Maredo angefochten, eine Neuwahl allem
die später Anzeige wegen Nötigung und Frei-
Maredo-Betriebsrat
Anschein nach sabotiert. Als die NGG-Tarifkom-
heitsberaubung stellten, seien über eine Stun-
existierte über
mission mit Mitgliedern aus der Freßgass-Be-
de lang im verschlossenen, abgedunkelten Re-
20 Jahre
175
legschaft auch noch auf den konfliktorientier-
staurant festgehalten worden. Mit der Andro-
ten Kurs der DGB-Gewerkschaften einschwenk-
hung von Anzeigen wegen Diebstahls soll eine
te, stand Ärger ins Haus: „Wir wollten mindes-
Abordnung der Maredo-Geschäftsleitung mit
tens 8,50 Euro Mindestlohn und sechs Prozent
Unterstützung eines Rechtsanwalts versucht
Lohnerhöhung“, so Michael Weißenfeldt im In-
haben, einen Großteil der Belegschaft zum Un-
172 ECM: Maredo, http://www.ecm-pe.de/deutsch/gep_III/content_03.htm, abgerufen 28.6.2013. 173 Redaktion: Maredo: Zweiter MBO – Expansionsstrategie wird fortgesetzt, foodservice, 15.5.2008, http:// www.cafe-future.net/gastro/branchennews/pages/Maredo-Zweiter-MBO-Expansionsstrategie-wirdfortgesetzt_14516.html, abgerufen 28.6.2013. 174 Karin Zennig/Kirsten Huckenbeck: Goldgräbermanieren bei Maredo – Interview mit Betriebsrat Michael Weißenfeldt, in: express Frankfurt, 12.4.2012. 175 Michael Brächer: Freiheitsberaubung. Schwere Vorwürfe gegen Steakhaus-Kette Maredo, in: Handelsblatt, 5.12.2011.
93
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
terschreiben ihrer Kündigung bzw. eines Auf-
Die von Maredo gewählte Frontalstrategie
hebungsvertrags zu bringen. Laut Maredo ha-
war allerdings nicht ohne Risiko. Betroffene,
ben 13 Mitarbeiter diese Möglichkeit wahrge-
Freunde und Gewerkschafter gründeten ein
nommen. Gegen 19 Unbeugsame wurden Straf-
Maredo-Solidaritätskomitee. Im April 2012
anzeigen gestellt. Eine Detektei war hinter dem
fand ein bundesweiter Protesttag vor Maredo-
Rücken des Betriebsrats mit intensiver Video-
Filialen statt,177 der am 16. Juni 2012 wiederholt
überwachung beauftragt worden. Maredo hatte
wurde. Beim Termin der Betriebsrätin Jaque-
über Wochen Spitzel als Angestellte getarnt in
line F. vor dem Arbeitsgericht Osnabrück am
der Filiale arbeiten lassen, um Beweise oder
19. April 2012 platzte der Saal aus allen Näh-
Indizien für angebliche Verstöße der Beleg-
ten. Am 8. Mai 2012 vor dem Arbeitsgericht
schaft zu sammeln, darunter, so schreibt der
Frankfurt war der Andrang so groß, dass die
Frankfurter Prozessbeobachter Daniel Behruzi,
vierstündige Verhandlung ins Audimax des Ge-
der angeblich kostenlose Genuss von Apfel-
richtsgebäudes verlegt wurden musste. Die ge-
schorle und der Verzehr von Baguette-Brotkan-
schassten Betriebsräte und Kollegen demons-
ten – vor Gericht stritt man sich, ob die Speisen
trierten über eineinhalb Jahre jeden Samstag
korrekt bonniert worden waren oder nicht.
in der hoch frequentierten Frankfurter Freß-
Vom Arbeitgeber wurde hier eine umfas-
gass vor ihrer Filiale gegen die Methoden ihres Arbeitgebers.
Aus Bagetellen krimi-
sende Bagatell-Kündigung in Stellung ge-
nelle Wiederholungs-
bracht. Aus vielen Petitessen versuchte man,
Im Juni 2013 schlossen die betroffenen Ma-
tat konstruiert
eine kriminelle Wiederholungstat zu konstru-
redo-Angestellten einen Vergleich mit dem Un-
ieren. Das hier als Wirtschaftskriminalität be-
ternehmen. Über die Höhe der Abfindungen und
wertete Spannungsfeld wird in vielen Firmen
die Dauer der Freistellung bei Lohnfortzahlung
kulant geregelt.
durften sie keine Aussagen machen. Keiner
Wie konzertiert und geplant das Vorgehen
kehrte in die Filiale zurück. Eine umsatzstarke,
von Maredo gegen Gewerkschafter und Be-
traditionsreiche Maredo-Filiale und jahrzehn-
triebsräte war, zeigt sich an dem Umstand, dass
telange NGG-Bastion war somit erfolgreich be-
die Betriebsratsvorsitzende in der Maredo-Fili-
triebsratsfrei gemacht worden.
ale Osnabrück, Jaqueline F., im selben Zeit-
Maredo hatte zahlreiche Profis eingesetzt,
Konzertiertes
raum durch verschiedene Union-Busting-Me-
um den Konflikt vorzubereiten, durchzuführen
Vorgehen in Frankfurt
thoden unter massiven Druck gesetzt und
und die erwartbare öffentliche Empörung zu
und Osnabrück
176
gleich mehrfach fristlos gekündigt wurde.
beherrschen:
176 Daniel Behruzi: Steakhauskette Maredo legt nach, in: junge Welt, 23.2.2012. 177 Daniel Behruzi: Keine Ruhe bei Maredo, in: junge Welt, 23.4.2012.
94
F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO
Arbeitsrecht: Buse Heberer Fromm
scheiterten Lelly und Maredo vor einem Ham-
Den Kern des Verfahrens, also die Formulie-
burger Gericht mit dem Versuch, einen Ange-
rung von Strafanzeigen und Abmahnungen ge-
stellten mit der Methode der Druckkündi-
gen Mitarbeiter und Betriebsräte, steuerte im
gung180 fristlos zu entlassen. Damals hatten
Fall Maredo die international tätige Anwalts-
drei Angestellte schriftlich erklärt, sie sähen
kanzlei Buse Heberer Fromm. Die Federführung
sich gezwungen, das Unternehmen zu verlas-
der Maredo-Verfahren lag beim Essener Sozius
sen, wenn die betreffende Person weiter am
Dr. Jan Tibor Lelley. Sein Ziel war es, durch die
Arbeitsplatz bliebe. Auch dieses Verfahren
Shock-and-Awe-Aktion am 26. November 2011
blieb vor Gericht erfolglos.181
möglichst viele Unterschriften unter vorberei-
Die Vorwürfe des Arbeitgebers stützen sich
tete freiwillige Aufhebungsverträge zu bekom-
auf Ermittlungen der Münchner Wirtschafts-
men. Den Fall des Betriebsrats in Osnabrück
detektei EAAP, die unter anderem Mitarbeiter-
erledigte Rechtsanwalt Jürgen Masling; ferner
überwachung zu ihren Spezialgebieten zählt.182
war die Anwältin Bianca Brier beteiligt.178
Ferner steuerte das Mainzer Detektivbüro
Jan Tibor Lelley war mindestens seit 2005
Euro-Team Josef Roth Erkenntnisse bei.
183
Das
für Maredo aktiv. Schon 2006 hatte er im Auf-
jedenfalls geht aus den Prozessterminen und
trag von Maredo versucht, Mitarbeiter mit Hilfe
-akten hervor.
Lelley bereits 2005 für Maredo aktiv
von Diebstahlsvorwürfen loszuwerden. So berichtete der „Bonner General-Anzeiger“, dass
Klassische PR: Faktenkontor
ein seit 17 Jahren bei Maredo beschäftigter
Die Hamburger Agentur Faktenkontor führte im
Mann fristlos gekündigt wurde, weil er ein
Oktober/November 2011 eine Umfrage durch,
Kölsch getrunken haben soll, ohne zu bezah-
auf deren Grundlage sie im Februar 2012 das
len. Das Gericht gab der Klage des Angestell-
Siegel „Berlins beste Arbeitgeber“ an Maredo
ten auf Wiedereinstellung statt. Der Artikel
verlieh – ein Zertifikat, das Maredo umgehend
nannte einen weiteren Fall, in dem es um Knob-
per Pressemitteilung verbreitete.184 Auf schrift-
lauchbrot gegangen sein soll.179 Im Jahr 2005
liche Nachfrage erläuterte Jörg Forthmann von
178 Solidaritätskomitee: Überwachen, bespitzeln, entlassen, in: BIG Business Crime 1/2013, S. 40. 179 Lisa Imhoffen: Kellner siegt im Streit um Kölsch, in: General-Anzeiger Bonn, 12.5.2006. 180 Eine Druckkündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung von sich aus nicht beabsichtigt, sich jedoch dem Druck von Seiten der Belegschaft beugt (oder solches vorgibt). Diese Art der Kündigung wird von der Rechtsprechung nur in engen Grenzen zugelassen; siehe: Hartmut Oetker, in: Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt (Hrsg.): Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht. § 1 KSchG, Rn. 182 ff. 181 ug (Autorenkürzel): Maredo: Schlappe vor Gericht, Hamburger Abendblatt, 24.2.2005. 182 http://www.detektei-eaap.de/wirtschaftsdetektei/mitarbeiterueberwachung.html, abgerufen 10.12.2013. 183 http://www.detektei-portal.net/detektei-josef-roth-in-mainz-690, abgerufen 8.4.2014. 184 http://www.maredo.de/maredo-gruppe/aktuelles/details/article/maredo-ausgezeichnet-als-bestergastronom.html, abgerufen 10.2.2013.
95
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Faktenkontor das Vorgehen: Professor Werner
Prozessbegleitende Medienarbeit:
Sarges von der Helmut-Schmidt-Universität
Michael Cramer
Hamburg – „einer von Deutschlands führenden
Michael Cramer kann als einer der großen in
Personaldiagnostikern“– habe die Umfrage zur
der Berliner PR-Szene gelten. So durfte er am
Ermittlung der „besten Arbeitgeber“ entwickelt
26. September 2012 an der Seite von Angela
Bester Arbeitgeber
und durchgeführt. Dabei seien 24 Unternehmen
Merkel eine Neuerung im Politbusiness gestal-
Berlins?
in Berlin befragt worden, Maredo sei auf Platz
ten, die man sich aus dem US-Wahlkampf abge-
10 gelandet, dem letzten Platz, der noch zur
schaut hatte: die sogenannte Tele-Townhall der
Qualifizierung „Berlins beste Arbeitgeber“ be-
CDU.186 Mitglieder fragen – die Kanzlerin ant-
rechtigte. Die Fragebögen an das Personal wur-
wortet.187
den von Vorgesetzten ausgeteilt und wieder
Michael Cramer war zuvor Chefredakteur
eingesammelt, bevor sie an Faktenkontor zu-
der ARD-Talkshow „Sabine Christiansen“ und
rückgeschickt wurden. Es hatten, laut Fakten-
Sat.1-Newschef gewesen. Seine Agentur Alt/
kontor, 8 Führungskräfte und 43 Mitarbeiter
Cramer kümmerte sich 2012 auch um die Pro-
teilgenommen. Die Maßnahme soll Maredo
zessberichterstattung im Fall Maredo. Mitar-
3900 Euro gekostet haben. Der Zeitraum der
beiter verteilten Presseunterlagen bei Ge-
Untersuchung – in zeitlicher Nähe zum Show-
richtsterminen, bauten Kontakte zu Journalis-
down in Frankfurt – könnte darauf hindeuten,
ten auf, die den Prozess beobachteten. Der
dass die Maßnahme im Rahmen einer konzer-
Medienprofi Cramer verfügt über gute Kontak-
tierten Aktion gebucht worden war, um im Be-
te zum Unternehmerverband Dehoga, dem auch
darfsfall positive Meldungen zur Mitarbeiter-
Maredo angehört. Das Dehoga-Jahrbuch 2010
zufriedenheit generieren zu können. Fakten-
verzeichnet einen Vortrag von Cramer, in dem
kontor legt Wert auf folgende Feststellung:
er „die Kommunikationsmechanismen der
„Die Teilnahme am Wettbewerb hat keinen Zu-
Presse im Zusammenhang mit der Mehrwert-
sammenhang zum Vorgehen von Maredo gegen
steuersenkung für Übernachtungen“ analy-
Betriebsräte; hiervon erfahren wir erstmalig
siert.188 Es ging um den sogenannten „Möven-
durch Ihre Anfrage. Es gibt keine weiteren Auf-
pick-Skandal“, der die Regierung Merkel, vor
träge, die Maredo an Faktenkontor vergeben
allem den Koalitionspartner FDP, Anfang 2010
185
hat.“
in Bedrängnis gebracht hatte.189 Mit seinen
185 E-Mail von Jörg Forthmann, geschäftsführender Gesellschafter der Faktenkontor GmbH, an Elmar Wigand, 13.6.2012. 186 Tele-Townhall. Mitglieder fragen – Angela Merkel antwortet, http://www.cdu.de/portal2009/ 26423_34977.htm, 26.9.2012, abgerufen 10.2.2013. 187 Hier zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=nkEBFe49BHo, abgerufen 10.2.2013. 188 http://www.dehoga-bundesverband.de/fileadmin/Inhaltsbilder/Publikationen/Jahrbuecher/ DEHOGA_Jahrbuch_2010_klein.pdf, S. 87-88, abgerufen 8.4.2014. 189 Florian Gathmann/Veit Medic: Debatte um FDP-Spende: Hohn und Spott für die „Mövenpick-Partei“, Spiegel Online.de, 19.1.2010, abgerufen 10.2.2013.
96
F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO
Kontakten in die Sender Sat.1 und ARD konnte
tung zu bedrängen. Er war bei der Aktion in der
Michael Cramer freien Mitarbeitern und klei-
Maredo-Filiale in der Frankfurter Freßgass per-
nen Produktionsfirmen, die auf Aufträge ange-
sönlich anwesend. Embedded Public Relations
wiesen sind, durchaus gefährlich werden – so
(teilnehmend in den Konflikt eingebettete PR-
befürchteten diese Mitarbeiter und deren Fir-
Arbeit) könnte man diese außergewöhnliche
men. Alt/Cramer wollte konkrete Interventio-
Betätigung wohl nennen.
nen gegenüber freien Mitarbeitern von RTL-„explosiv“ und ZDF-WISO sowie dem „Handels-
Vorgehen gegen kritische Berichterstattung:
blatt“ auf schriftliche Anfrage weder bestäti-
Schertz Bergmann
gen noch dementieren.
Am 12. Dezember 2011 hatte RTL in der Prime
Der Journalist Michael Brächer, der im
Time-Sendung „explosiv“ einen Beitrag gesen-
„Handelsblatt“ am 5. Dezember 2012 den ers-
det, der die Vorkommnisse in der Freßgass in
ten umfassenden Bericht über den Maredo-Ein-
einer Länge von 5:31 Minuten darstellte. Die
190
war am
Kanzlei Schertz Bergmann erwirkte daraufhin
Agenda-Cutting:
Nachmittag des 1. Dezember 2012 von Michael
eine einstweilige Verfügung dagegen, den Bei-
Michael Cramer ruft
Cramer angerufen worden: „Der Anruf war aus
trag zu wiederholen oder das darin enthaltene
Journalisten an
zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen hat
Material weiter zu verwenden. Am Landgericht
Herr Cramer einen rauen Tonfall an den Tag ge-
Köln waren zwei Verfahren Maredo gegen RTL
legt und wetterte, dass ihm derart unprofessio-
anhängig. Eins endete im Februar 2012 mit der
nelles Verhalten in seiner Karriere noch nie
Rücknahme des Antrags, das andere am
untergekommen sei. Dabei hatte ich zuvor
19. März 2012 mit einem Vergleich. RTL konnte
lediglich per Mail einige Fragen zu dem Vorfall
eine Gegendarstellung vermeiden.192 Der Sen-
in der Maredo-Filiale in Frankfurt gestellt. Ich
der hüllt sich in Schweigen darüber, welche Zu-
fühlte mich spontan durchaus bedroht. Zum an-
geständnisse er Maredo gemacht hatte;
deren gab er offen zu, dass er bei dem Einsatz
Schertz Bergmann spricht davon, dass
in der Filiale selbst zugegen gewesen sei. Er
„insgesamt sieben Kernbehauptungen als
wollte damit wohl belegen, dass er besser wis-
falsch gerichtlich verboten worden“ seien.
satz in der Freßgass veröffentlichte,
se als meine Quellen, was sich dort abgespielt
Bei RTL gibt man sich zufrieden mit dem
habe. Dieses Gebaren finde ich allerdings
Vergleich. „Explosiv“ hat seither allerdings
191
nicht mehr über Maredo berichtet; das RTL-Mit-
mehr als fragwürdig.“
Michael Cramer ruft also Journalisten an,
tagsmagazin „Punkt 12“ wollte – so hörte man
um sie aufgrund ihrer kritischen Berichterstat-
aus dem Sender – aber weiter am Ball bleiben.
190 Michael Brächer: Freiheitsberaubung. Schwere Vorwürfe gegen Steakhaus-Kette Maredo, in: Handelsblatt, 5.12.2011. 191 Schriftliche Aussage von Michael Brächer gegenüber Elmar Wigand. 192 Quellen: Gespräche mit RTL-Justiziar Hanno Panten und dem Pressesprecher des Landgerichts Köln.
97
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
ZDF-Magazin WISO berichtet nicht
Das ZDF-Magazin WISO berichtete nicht
dieser keine eigene Rechtsabteilung besitzt.
über den Fall Maredo. Bereits in der ersten Jah-
Ich machte dann aber eine Bürgerrundfunk-
reshälfte 2012 waren Interviews mit Maredo-
Sendung mit Frau F. am 19. März 2012. Den Na-
Mitarbeitern geführt worden, ein konkreter
men Maredo erwähnten wir nicht.“
zeitnaher Sendetermin wurde genannt und
Die Macher von Osna 104,8 arbeiten in
wieder verworfen. Ein umfangreicher Beitrag
weiten Teilen ehrenamtlich. Die Redaktion
soll in der Schublade geblieben sein. Der Blog
verfügt über wenig Mittel. Der genaue Ur-
Maredo-Solidarität berichtete am 21. März
sprung des Anrufs aus der Hauptstadt wurde in
2012: „Die Geschäftsleitung von Maredo hat mit
der alltäglichen Hektik nicht dokumentiert.
juristischen Drohungen verhindern können,
Redaktionsleiter Andreas Menke: „Uns als ge-
dass das ZDF in WISO am Montag, so wie ange-
meinnützigen Verein mit haftendem Vorstand
kündigt, über den Skandal bei Maredo berich-
hat das überfordert. Wir können uns keine Re-
tet.“
193
Alt/Cramer soll auch hier Medienvertre-
dakteure leisten, die lange recherchieren.“
ter bearbeitet und mit dem Verweis auf den Fall
So wurde die Maredo-Berichterstattung vor-
RTL-„explosiv“ argumentiert haben.
sorglich zurückgefahren.
Der Osnabrücker Bürgerfunksender Osna 104,8 berichtete am 10. März 2012 über einen
Maredo-Management:
Gerichtstermin der Maredo-Betriebsrätin Ja-
Briefe an Politiker und Betriebsräte
queline F. Auch sie war – mit einer anderen ju-
Maredo wurde in weiteren Fällen aktiv, um kri-
ristischen Konstruktion als in Frankfurt – von
tische Zeitgenossen auf verschiedene Arten zu
Maredo gekündigt worden. Die Nachrichten
beeindrucken. So erhielt die Linken-Politike-
enthielten den O-Ton eines lokalen Mitglieds
rin Janine Wissler am 24. Februar 2012 Post,
der Gewerkschaft NGG; sie erschienen außer-
weil die „Frankfurter Rundschau“ am selben
dem auf der Internetseite des Radios. Etwa eine
Tag berichtet hatte, dass Wissler an einer Soli-
halbe Stunde nach Ausstrahlung erhielt der
daritätsaktion für die entlassenen Maredo-Mit-
Sender einen Anruf, woraufhin der Beitrag aus
arbeiter teilnehmen wollte. Darin beschuldigt
dem Programm und die Meldung von der Home-
Maredo die betroffene Frankfurter Belegschaft
page genommen wurde. Einen Tag später er-
und ihre Gewerkschaft mit deutlichen Worten:
„Die NGG schützt
hielt die freie Mitarbeitern des Senders Silvia
„Die NGG schützt Diebe und Betrüger, statt sich
Diebe und Betrüger“
Buttler einen Anruf. Frau Buttler: „Es wurde mit
klar von diesen Menschen zu distanzieren.“
Klage gedroht und Frau F. als Kriminelle hinge-
Gleichzeitig wird der Politikerin die Möglich-
stellt. Der Sender wurde erstmal vorsichtig, da
keit zum Gespräch angeboten.194
193 http://maredosolidaritaet.blogsport.de/2012/03/21/maredos-druck-auf-zdf-vorerst-erfolgreich-kundge bung-am-samstag/, 21.3.2012, abgerufen 28.6.2013. 194 Der Brief liegt den Autoren vor.
98
F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO
Einen Brief mit ähnlichen Textbausteinen erhielt Thorsten Schäfer-Gümbel, Fraktions-
strafrechtlich relevante Aussagen getätigt, die Maredo u. a. verleumden würden.
vorsitzender der SPD im Hessischen Landtag. Dieser hatte auf Facebook offenbar den Aufruf
Fazit: Kostspielig, riskant, erfolgreich
„Maredo Solidarität“ unterstützt. Neben dem
Der Fall kann in mehreren Aspekten als Mus-
Maredo-Management
oben zitierten Satz bringt Maredo folgende
terbeispiel für eine modulare Union-Busting-
schreibt Briefe an
Vermutung in Stellung: „Hier wollen sich offen-
Strategie gelten. Die Schock-and-Awe Aktion
Politiker
bar Funktionäre auf Kosten eines Unterneh-
am 26. November 2011 sucht in Deutschland
mens profilieren.“ Gemeint waren Gewerk-
bislang ihresgleichen. Mit Jan Tibor Lelley, Jür-
schafter der NGG. Weiter: „1700 ehrliche Mitar-
gen Masling (Buse Heberer Fromm), dem PR-
beiter verstehen die Welt nicht mehr, wenn sich
Berater Michael Cramer, den Top-Anwälten
Politiker und Prominente wie Sie auf die Seite
Christian Schertz und Simon Bergmann und der
derer stellen, die gegen Gesetze verstoßen ha-
Wirtschaftsdetektei EAAP wurde ein beeindru-
ben und nun mit öffentlichen Diffamierungen
ckendes Netzwerk aktiviert. Hierin zeigt sich,
versuchen, das Unternehmen weiter zu schädi-
wie wichtig einem Finanzinvestor ein betriebs-
gen. […] Wir fordern Sie dazu auf, sich von die-
ratsfreies Unternehmen sein kann. Maredo hat
sen Machenschaften zu distanzieren und Ihre
sich die Entledigung von gewerkschaftlich akti-
Solidaritätsbekundung zurückzunehmen.“
195
ven Betriebsräten einiges kosten lassen.
Schäfer-Gümbel ließ sich davon jedoch nicht
Die gezielte Kündigung einzelner Gewerk-
beeindrucken und blieb bei seiner Solidari-
schafter und die Kriminalisierung einer gan-
tätserklärung.
zen Belegschaft wären eigentlich leicht zu
Der wegen angeblichen Diebstahls fristlos
durchschauen als Vergeltungsmaßnahme ge-
gekündigte Maredo-Betriebsrat Michael Wei-
gen engagierte gewerkschaftliche Tätigkeit.
ßenfeldt erhielt am 24. April 2012 per Boten
Der Frankfurter Arbeitsrichter Martin Becker
Post von Maredo-Regionalleiter Joachim Amend.
war dazu offenbar nicht in der Lage. Dass sei-
Das siebenseitige Schreiben beschäftigt sich
ne Urteile vor einem Landesarbeitsgericht Be-
detailliert mit zwei Interviews, die Weißenfeldt
stand gehabt hätten, bezweifelt nicht nur der
in zwei linken bzw. gewerkschaftsnahen Zei-
NGG-Anwalt Martin Franzmann. Dass aus dem
tungen („express – Zeitung für sozialistische
Betriebsrats-Bashing bei Maredo kein bun-
Betriebspolitik“, Frankfurt/Main, und „Der
desweiter Skandal wurde, zeigt, dass die ge-
Funke“, Wiesbaden) gegeben hatte, und kommt
wählte Gesamtstrategie des Unternehmens in-
zu dem Schluss, Weißenfeldt habe mehrfach
klusive Medienbeeinflussung und Agenda-
195 Brief liegt den Autoren vor.
99
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Cutting196 durchaus erfolgreich war. Die NGG
vorzubeugen. Die zentrale City-Lage mit ho-
muss sich fragen lassen, ob sie nicht bundes-
hem Fußgängerverkehr der meisten deut-
weit – vielleicht auch mit der Unterstützung
schen Maredo-Filialen bot Möglichkeiten, öf-
anderer Gewerkschaften – öffentlich gegen
fentlichen Druck auf die Marke Maredo zu er-
Maredo und den Finanzinvestor ECM hätte
zeugen, die nur in Frankfurt am Main ausge-
vorgehen müssen, auch um zukünftigen Fällen
schöpft wurden.
196 Zitat Ulrich Muller: „Agenda Cutting – Die höchste Kunst in der Krisen-PR – das ‚Abschalten‘ jeder weiteren medialen Berichterstattung zu einem bestimmten Thema. Möglichkeiten dazu gibt es mehrere – besonders beliebt ist der Anruf beim Chefredakteur“; Website der wikopreventkGmbh, 13.5.2011, http:// www.wikopreventk.com/2011/05/13/agenda-cutting-und-antizipieren/, abgerufen am 6.3.2014.
100
SCHLUSSBEMERKUNG
8. Schlussbemerkung: Ein Geschäftsfeld expandiert
Diese Arbeit ist explorativ. Sie hat den An-
Ausland, insbesondere in den Südstaaten der
spruch, für den deutschsprachigen Raum ein
USA. Angloamerikanische Investoren haben
neues Feld zu erschließen. Wir hoffen mit unse-
sich in zahlreiche große und mittlere Unterneh-
rer Studie dazu beizutragen, einen Begriff von
men in Deutschland eingekauft und importie-
Union-Busting in Deutschland zu begründen,
ren so entsprechende Union-Busting-Prakti-
mit dem aggressive Arbeitgeberstrategien ge-
ken.
gen Mitbestimmung und arbeitgeberunabhän-
Doch das Wissen diffundiert auch innerhalb
gige Organisierung besser verstanden werden
Deutschlands über einen intensiven Austausch:
Intensive Vernetzung
können.
Wirtschaftskanzleien, die große Abteilungen
von Arbeitsrechtlern,
Mit der vorliegenden Untersuchung wurde
für Arbeitsrecht unterhalten, veranstalten Kon-
Betriebswirtschaftlern
zudem erstmals das Feld der in Deutschland tä-
gresse, Fortbildungen und Konferenzen. Ar-
und Human-Resour-
tigen Union-Busting-Dienstleister durch fun-
beitsrechtler, PR-Agenturen, Medienkanzlei-
ces-Spezialisten
dierte Recherchen und Fallanalysen aufgear-
en, Institute, Wirtschaftsdetekteien usw. kom-
beitet und ihr Vorgehen dargestellt. Es zeigt
munizieren über Fachpublikationen, Zeitschrif-
sich, dass sich hier ein Geschäftszweig heraus-
ten, Akademien, Fortbildungsmaßnahmen und
bildet. Union-Busting und damit zusammenhän-
Newsletter. Juristische Verlage und Fortbil-
gende juristische Praktiken sind nicht nur Ni-
dungseinrichtungen engagieren für ihre Semi-
schen spezialisierter einzelner Anwälte oder
nare Praktiker aus den betreffenden Ressorts.
Kanzleien, das Know-how dazu verbreitet sich
So lernen auch Personalverantwortliche ihr
vielmehr in zunehmendem Maße durch inter-
Handwerkszeug. Der größte juristische Verlag
nationalen Austausch und berufliche Mobilität,
in Deutschland, C. H. Beck, veranstaltet u. a.
Wahrnehmung von Lehraufträgen oder Bera-
Seminare zum Arbeitsrecht, bei denen die Re-
tungstätigkeiten, Publikationen und Wissens-
ferenten aus dem in dieser Arbeit skizzierten
transfer.
personellen Umkreis kommen,198 ebenso orga-
Die Akteure in Deutschland orientieren sich
nisiert die BWRmed!a Akademie jährlich „Ar-
an Vorbildern aus dem angloamerikanischen
beitgebertage zum Brennpunkt Betriebsrat“.199
Bereich; Marktführer und Konzepte stammen
Anwälte der konkurrierenden Kanzleien, Wis-
vielfach von dort. Sie haben häufig an amerika-
senschaftler diverser Universitäten und Institu-
nischen Hochschulen studiert oder dort zusätz-
te, Mitarbeiter von Stiftungen, Vertreter vor al-
197
lich Titel wie LL.M. erworben.
Deutsche Kon-
lem christlicher Gewerkschaften, dazu Mana-
zerne erwerben Union-Busting-Know-how im
ger von Konzernen und von Verleih- und Werk-
197 LL.M. = Legum Magister, Master of Law; Postgraduiertenabschluss und akademische Zusatzqualifikation für Juristen. 198 www.beck-seminare.de, abgerufen 20.7.2013. 199 www.arbeitgebertage.de/programm.php, abgerufen 20.7.2013.
101
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
vertragsfirmen, aber auch Arbeitsrichter und
Lehrbeauftragter an der Universität Düssel-
Mitarbeiter von Ministerien bilden den Teilneh-
dorf.203
merkreis dieser Veranstaltungen. Bei solchen
All diese Austausch- und Vernetzungsakti-
Konferenzen stellen die Referenten beispiels-
vitäten sind legal und legitim. Bis zu einem ge-
weise neue juristische Konstruktionen zur Um-
wissen Punkt sind sie Teil der Interessenwahr-
gehung der Leiharbeitsregularien durch Werk-
nehmung im Kapital-Arbeit-Konflikt. Dennoch
verträge vor.
weisen die in der vorliegenden Arbeit darge-
Das Wissen über Betriebsratsvermeidungs-
stellten Vorgehensweisen von Anwälten, Wirt-
strategien wird zudem über die universitäre
schaftskanzleien oder Detekteien darauf hin,
Lehre weitergegeben: Zahlreiche Arbeitsrecht-
dass geschützte Arbeitnehmerrechte in ver-
ler, die hauptberuflich in Kanzleien angestellt
schiedenen Bereichen der deutschen Wirt-
sind, haben zugleich Lehraufträge an öffentli-
schaft zur Zielscheibe aggressiver Arbeitgeber
chen wie privaten Universitäten und Fachhoch-
werden und oftmals die Grenze zum Rechts-
schulen. Universitäre Arbeitsrechtler sind Mit-
bruch und Verstoß gegen die gesetzlichen be-
glieder in Beiräten von Ministerien, Zeitschrif-
trieblichen Mitbestimmungsrechte überschrit-
ten und Stiftungen.
ten wird. Die Arbeit möchte über diese Bedro-
Beispiele hierfür gibt es viele: Michael Kliemt, Gründer der Kanzlei Kliemt & Vollstädt, wurde von der Universität des Saarlandes zum 200
Honorarprofessor ernannt.
hung für das deutsche Modell der Mitbestimmung aufklären. Obgleich die Beispiele über zunehmende
Klaus-Stefan Ho-
Vernetzung und Wissenstransfer naturgemäß
henstatt von der Kanzlei Freshfields hat einen
nicht belegen können, dass ein expliziter Zu-
Lehrauftrag an der Bucerius Law School Ham-
sammenhang verschiedener Akteure mit einer
201
burg.
Marion Bernhardt von CMS Hasche Sig-
abgestimmten Agenda und strategischem Vor-
le hat sogar mehrere Lehraufträge, z. B. an der
gehen existiert, so wird doch klar, dass man
202
Vorgehen gegen
Humboldt-Universität Berlin.
Heinrich Klos-
von einer neuen Qualität antigewerkschaftli-
Mitbestimmung und
terkemper von Gleiss Lutz, der Kanzlei mit der
chen und mitbestimmungsfeindlichen Vorge-
Gewerkschaften
laut Eigendarstellung größten Abteilung für
hens ausgehen kann. Die zitierten Fälle zeigen,
erreicht neue Qualität
Arbeitsrecht in Deutschland, ist zugleich Mit-
dass diese Entwicklungen für die Zukunft der
glied verschiedener Ausschüsse der Bundes-
Mitbestimmung und der Gewerkschaftsrechte
vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbän-
in Deutschland weitreichende Konsequenzen
de (BDA), ehrenamtlicher Richter am BAG und
haben können.
200 201 202 203
102
www.kliemt.de/kliemt.html, abgerufen 26.3.2013. www.freshfields.com/profiles/klaus-stefan_hohenstatt, abgerufen 20.7.2013. www.cms-hs.com/marion-bernhardt, abgerufen 20.7.2013. www.gleisslutz.com/de/anwaelte, abgerufen 20.7.2013.
SCHLUSSBEMERKUNG
Die Betrachtung der angewandten Union-
narien vorbereitet werden, damit sie im Ernst-
Busting-Methoden und der zugrunde liegenden
fall nicht überrascht sind und im Vorfeld keine
Strategien macht deutlich, dass eine einseitige
taktischen Fehler machen oder zu Nachlässig-
Fixierung auf den Rechtsweg und die Verhand-
keiten verleitet werden.
lung vor Arbeitsgerichten, wie sie in Konflikt-
Es erscheint uns geboten, den vielschichtig
fällen zur Routine vieler Betriebsräte und Ge-
aufgebauten Angriffen aggressiver Arbeitgeber
Rechtsweg reicht in
werkschaften gehört, heute häufig nicht mehr
und ihrer Dienstleister eine adäquate Strategie
Union-Busting-Konflik-
zielführend sein kann. Vielmehr ist das Union-
entgegenzusetzen. Erfolgreiche Beispiele zei-
ten nicht mehr aus
Busting-Kalkül der Arbeitgeber und ihrer pro-
gen, dass neben dem rechtlichen Weg verschie-
fessionellen Helfer darauf ausgerichtet, Druck
dene Formen von Öffentlichkeit angesprochen
aufzubauen, Zeit zu gewinnen, Konflikte und
und aktiviert werden müssen: betrieblich, lokal
Protagonisten aus dem Betrieb hinauszubeför-
und überregional; nach Diskursen betrachtet:
dern. Die teilweise monatelangen Wartezeiten
gewerkschaftliche, bürgerrechtliche, unterneh-
bis zum Gerichtstermin sind ein Moment im Kal-
mens- und markenkritische.
kül der Union-Buster. Dass viele der dabei von
Die Straf- und Sanktionslosigkeit, mit der
Arbeitgeberseite vorgetragenen juristischen
direkte Vorgesetzte, Personalmanager sowie
Argumente arbeitsgerichtlich von vorneherein
externe Berater derzeit in Deutschland vorge-
keine Aussicht auf Erfolg haben, gehört eben-
hen können, ist geeignet, dem Ansehen eines
falls dazu.
Rechtsstaats und seiner Organe bei Opfern,
Vertrauen in den
Für die betroffenen Beschäftigten geht es in
Kollegen und Angehörigen nachhaltigen Scha-
Viele Verstöße gegen
der Regel um sehr viel. Nicht selten sind sie in
den zuzufügen. Es stellt sich die dringende Fra-
geltende Gesetze
ihrer privaten, wirtschaftlichen, gesundheitli-
ge, warum eindeutige, geplante und regelmä-
weder verfolgt noch
chen und familiären Existenz bedroht. Auch hat
ßige Verstöße gegen das Betriebsverfassungs-
geahndet
die zuständige Gewerkschaft als Organisation
gesetz (und andere Gesetze) derzeit weder ver-
in den genannten Konflikten einiges zu verlie-
folgt noch geahndet werden.
ren. Wenn man bedenkt, dass es sich bei den
Unsere Untersuchungen haben zu guter
betroffenen Betriebsratsmitgliedern zumeist
Letzt auch einen positiven Befund. Die Sensibi-
um (lokale) Multiplikatoren handelt, ist eine
lität für Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz und
kompetente und professionelle Unterstützung
skandalöse Arbeitsbedingungen hat in den
durch die Gewerkschaft hier auch über den Ein-
letzten Jahren spürbar zugenommen. Ein deut-
zelfall hinaus von entscheidender Bedeutung.
liches Indiz war die große Publikumsresonanz,
Gewerkschafter, Betriebsräte und aktive Be-
die investigative Reportagen aus der Arbeits-
schäftigte sollten deshalb vorab auf das heute
welt allein im Jahr 2013 erzielen konnten. Als
praktizierte Vorgehen und auf Worst-Case-Sze-
hervorragende Beispiele unter vielen seien die
103
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Berichterstattung der ARD über Leiharbeit beim 204
Ohne eine systematische Analyse und Be-
genannt oder Bei-
griffsbildung müssen die beständig auftau-
träge in der „Süddeutschen Zeitung“, die das
chenden Skandale aus der Arbeitswelt als zu-
traurige Los von Werkvertragsarbeitern thema-
fällige Aneinanderreihung von Einzelereignis-
tisierten, die in der Meyer-Werft Papenburg
sen erscheinen und letztlich unverstanden blei-
Online-Versand Amazon
205
beschäftigt waren.
Dadurch gerieten die be-
ben.
treffenden Unternehmen teilweise unter gro-
Wir hoffen daher, dass die hier vorliegende
ßen öffentlichen Druck. Auf einer lokalen und
Schilderung der Methoden, Strategien und
regionalen Ebene haben solche und ähnliche
vielfältig vernetzten Akteure des Union-Bus-
Berichte inzwischen einen festen Platz im The-
ting in Deutschland die Aufmerksamkeit für
menmix von Zeitungen und TV-Magazinen.
206
dieses Phänomen verstärken wird.
204 Diana Löble/Peter Onneken: Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon, ARD, 13.2.2013. Mit diesem Beitrag konnte die Online-Streaming-Plattform der ARD (www.ardmediathek.de) einen neuen Rekordwert an Zugriffen verbuchen. Bereits am 18.2.2013 war er 1,2 Millionen Mal aufgerufen worden: http://www.shortnews.de/id/ 1010579/amazon-enthuellungsreportage-bringt-ard-mediathek-rekordzugriffe, abgerufen 31.8.2013. 205 Kristina Läsker: Arbeitsbedingungen auf Werften: Problematische Werkverträge, Süddeutsche.de, 18.7.2013, abgerufen 31.12.2013. 206 Wir dokumentieren, kombinieren und analysieren entsprechende Veröffentlichungen seit Februar 2013 in der Presseschau auf unserem Blog http://arbeitsunrecht.de.
104
A NHANG
Anhang Abkürzungsverzeichnis
AFL-CIO
American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations
AGV-NBZ Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste ALEB
Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe
ALG II
Arbeitslosengeld II („Hartz IV“)
AMS
Aldi Management System
ANV
Arbeitnehmervertretung
AUB
Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger
BAG
Bundesarbeitsgericht
BDD
Bundesverband Deutscher Detektive
BdS
Bundesverband der Systemgastronomie
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BHW
Beamtenheimstättenwerk (deutscher Finanzdienstleister)
BSCI
Business Social Compliance Initiative
CGB
Christlicher Gewerkschaftsbund
CGM
Christliche Gewerkschaft Metall
CGPT
Christliche Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation
CGZP
Christliche Gewerkschaft für Zeitarbeit und Personalservice-Agenturen
CIETT
(Confédération Internationale des Entreprises du Travail Temporaire) Internationale Vereinigung von Zeitarbeitsverbänden
Dehoga
Unternehmensverband des Gastgewerbes
DGB
Deutscher Gewerkschaftsbund
DHV
DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V.
DIW
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
DRK
Deutsches Rotes Kreuz
ECM
Equity Capital Management GmbH
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FKS
Finanzkontrolle Schwarzarbeit
GNBZ
Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste
GÖD
Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen
HBV
Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (heute ver.di)
IAB
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
105
U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
106
IG BAU
Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
IG BCE
Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
INSM
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
ITF
Internationale Transportarbeiter-Föderation
IZA
Institut zur Zukunft der Arbeit
LL.M
Legum Magister
NAFTA
North American Free Trade Agreement
NGG
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
NLRA
National Labor Relations Act
NLRB
National Labor Relations Board
ÖTV
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr
StAR
Stiftung für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht
TNT
Thomas Nationwide Transport
UAW
United Automobile Workers (US-amerikanische Automobilarbeitergewerkschaft)
UPS
United Parcel Service
VDR
Verband Deutscher Reeder
ver.di
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
vhw
Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung (früher Deutsche Volksheimstättenwerk e. V.)
VKDL
Verein katholischer deutscher Lehrerinnen
ZAAR
Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht
A NHANG
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Hinweise zu den Autoren
Werner Rügemer, Dr. phil., lebt in Köln. Publizist, Berater, Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln. Mitglied bei ver.di, im PEN-Zentrum Deutschland, bei Business Crime Control (BCC) und im wissenschaftlichen Beirat von attac. Buchveröffentlichungen u. a.: arm und reich (2003); Privatisierung in Deutschland – eine Bilanz (2008); „Heuschrecken“ im öffentlichen Raum. Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments (2011); Ratingagenturen – Einblicke in die Kapitalmacht der Gegenwart (2012). Als Herausgeber: ArbeitsUnrecht. Anklagen und Alternativen (2009). www.werner-ruegemer.de Elmar Wigand, BA Film, lebt in Köln und arbeitet als Autor, Referent und Online-Konzeptioner. Er hat den Kongress ArbeitsUnrecht in Deutschland (14. März 2009) mit Werner Rügemer organisiert und war für Aufbau und Launch des lobbykritischen Online-Lexikons lobbypedia verantwortlich, das 2012 den Grimme Online Award gewann. Verantwortlich für den Blog www. arbeitsunrecht.de Werner Rügemer und Elmar Wigand sind Gründungsmitglieder des Vereins aktion ./. arbeitsunrecht e. V. – Initiative für Demokratie in Wirtschaft & Betrieb.
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Ausschreibung U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND
Otto Brenner Preis 2014
„Nicht Ruhe und Unterwürfigkeit gegenüber der Obrigkeit ist die erste Bürgerpflicht, sondern Kritik und ständige demokratische Wachsamkeit.“ (Otto Brenner 1968) Es werden Beiträge prämiert, die für einen kritischen Journalismus vorbildlich und beispielhaft sind und die für demokratische und gesellschaftspolitische Verantwortung im Sinne von Otto Brenner stehen. Vorausgesetzt werden gründliche Recherche und eingehende Analyse.
Der Otto Brenner Preis ist mit einem Preisgeld von 47.000 Euro dotiert, das sich wie folgt aufteilt: 1. Preis 10.000 Euro 2. Preis 5.000 Euro 3. Preis 3.000 Euro Zusätzlich vergibt die Otto Brenner Stiftung: für die beste Analyse (Leitartikel, Kommentar, Essay) den Otto Brenner Preis „Spezial“ 10.000 Euro für Nachwuchsjournalisten den „Newcomerpreis“ 2.000 Euro für Medienprojekte den „Medienprojektpreis“ 2.000 Euro und drei Recherche-Stipendien von je 5.000 Euro Bewerbungszeitraum: 1. April – 15. Juli Die Bewerbungsbögen mit allen erforderlichen Informationen erhalten Sie unter: www.otto-brenner-preis.de
112
Otto Brenner Stiftung Wilhelm-Leuschner-Str. 79 60329 Frankfurt am Main E-Mail: info@otto-brenner-preis.de Tel.: 069 / 6693 - 2576 Fax: 069 / 6693 - 2786
OBS-Arbeitsheft 77
Die Otto Brenner Stiftung …
ISSN 1863-6934 (Print)
... ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Als Forum für gesellschaftliche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Ausgleich zwischen Ost und West.
Herausgeber: Otto Brenner Stiftung Jupp Legrand Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main Tel.: 069-6693-2810
... initiiert den gesellschaftlichen Dialog durch Veranstaltungen, Workshops und Kooperationsveranstaltungen (z. B. im Herbst die OBS-Jahrestagungen), organisiert internationale Konferenzen (Mittel-Ost-Europa-Tagungen im Frühjahr), lobt jährlich den „Brenner-Preis für kritischen Journalismus“ aus, fördert wissenschaftliche Untersuchungen zu sozialen, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Themen, vergibt Kurzstudien und legt aktuelle Analysen vor.
Fax: 069-6693-2786 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de www.otto-brenner-stiftung.de Autoren: Dr. Werner Rügemer Subbelrather Straße 144 50823 Köln Tel.: 0221-551626 E-Mail: wer_ruegemer@web.de
… macht die Ergebnisse der geförderten Projekte öffentlich
www.werner-ruegemer.de
zugänglich und veröffentlicht z. B. die Ergebnisse ihrer Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“. Die Arbeitshefte werden, wie auch alle anderen Publikationen der OBS, kostenlos abgegeben. Über die Homepage der Stiftung können sie auch elektronisch bestellt werden. Vergriffene Hefte halten wir als PDF zum Download bereit. … freut sich über jede ideelle Unterstützung ihrer Arbeit. Aber wir sind auch sehr dankbar, wenn die Arbeit der OBS materiell gefördert wird. … ist zuletzt durch Bescheid des Finanzamtes Frankfurt am Main V (-Höchst) vom 6. Dezember 2011 als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig anerkannt worden. Aufgrund der Gemeinnützigkeit der Otto Brenner Stiftung sind Spenden steuerlich absetzbar bzw. begünstigt.
50823 Köln Tel.: 0221-9322290 E-Mail: koeln01@arbeitsunrecht.de http://aktion.arbeitsunrecht.de/ Redaktion:
Hinweis zu den Nutzungsbedingungen:
Dr. Burkard Ruppert und Julian Wenz
Dieses Arbeitsheft darf nur für nichtkommerzielle
Otto Brenner Stiftung
Zwecke im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und Beratung und ausschließlich in der von der Otto
Lektorat:
Brenner Stiftung veröffentlichten Fassung – vollstän-
Elke Habicht, M.A.
dig und unverändert – von Dritten weitergegeben so-
www.textfeile.de
wie öffentlich zugänglich gemacht werden.
Hofheim am Taunus
In den Arbeitsheften werden die Ergebnisse der Forschungsförderung der Otto Brenner Stiftung doku-
Satz und Gestaltung:
mentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
complot-mainz.de
Für die Inhalte sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.
Titelkarikatur: © Gerhard Mester, Wiesbaden
Bestellungen: Über die Internetseite der Otto Brenner Stiftung kön-
Druck:
nen weitere Exemplare dieses OBS-Arbeitsheftes kos-
mww.druck und so ... GmbH, Mainz-Kastel
tenlos bezogen werden – solange der Vorrat reicht. Dort besteht auch die Möglichkeit, das vorliegende
Redaktionsschluss:
und weitere OBS-Arbeitshefte als pdf-Datei kosten-
17. April 2014
los herunterzuladen.
OBS-Arbeitsheft 77 Werner Rügemer, Elmar Wigand
Union-Busting in Deutschland Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung
OBS-Arbeitsheft 76 Marvin Opp0ng
Verdeckte PR in Wikipedia Das Weltwissen im Visier von Unternehmen
OBS-Arbeitsheft 75 Olaf Hoffjann, Jeannette Gusko
Der Partizipationsmythos Wie Verbände Facebook, Twitter & Co. nutzen
OBS-Arbeitsheft 74 Alexander Hensel, Stephan Klecha
Die Piratenpartei Havarie eines politischen Projekts?
OBS-Arbeitsheft 73 Fritz Wolf
Im öffentlichen Auftrag Selbstverständnis der Rundfunkgremien, politische Praxis und Reformvorschläge
Elmar Wigand Glasstraße 7
Aktuelle Ergebnisse der Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“
Unterstützen Sie unsere Arbeit, z. B. durch eine zweckgebundene Spende
OBS-Arbeitsheft 72*
Spenden erfolgen nicht in den Vermögensstock der Stiftung, sie werden ausschließlich und zeitnah für die Durchführung der Projekte entsprechend dem Verwendungszweck genutzt.
Was Bohlen, Klum und Katzenberger so erfolgreich macht
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Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
• Förderung der internationalen Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens Konto: BLZ: Bank: IBAN: BIC:
905 460 03 500 500 00 oder HELABA Frankfurt/Main DE11 5005 0000 0090 5460 03 HELA DE FF
161 010 000 0 500 101 11 SEB Bank Frankfurt/Main DE81 5001 0111 1610 1000 00 ESSE DE 5F
Bernd Gäbler
Hohle Idole OBS-Arbeitsheft 71* „Bild“ und Wulff – Ziemlich beste Partner Fallstudie über eine einseitig aufgelöste Geschäftsbeziehung
OBS-Arbeitsheft 70* Andreas Kolbe, Herbert Hönigsberger, Sven Osterberg
Marktordnung für Lobbyisten Wie Politik den Lobbyeinfluss regulieren kann
OBS-Arbeitsheft 69* Sandra Siebenhüter
Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zu den Schwerpunkten: • Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland (einschließlich des Umweltschutzes) • Entwicklung demokratischer Arbeitsbeziehungen in Mittel- und Osteuropa • Verfolgung des Zieles der sozialen Gerechtigkeit Konto: 905 460 11 BLZ: 500 500 00 oder Bank: HELABA Frankfurt/Main IBAN: DE86 5005 0000 0090 5460 11 BIC: HELA DE FF
198 736 390 0 100 101 11 SEB Bank Berlin DE11 1001 0111 1987 3639 00 ESSE DE 5F 100
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Integrationshemmnis Leiharbeit Auswirkungen von Leiharbeit auf Menschen mit Migrationshintergrund
OBS-Arbeitsheft 68* Bernd Gäbler
„... und unseren täglichen Talk gib uns heute!“ Inszenierungsstrategien, redaktionelle Dramaturgien und Rolle der TV-Polit-Talkshows
OBS-Arbeitsheft 67* Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz
Drucksache „Bild“ – Eine Marke und ihre Mägde Die „Bild“-Darstellung der Griechenland- und Eurokrise 2010 * Printfassung leider vergriffen; Download weiterhin möglich. Diese und weitere Publikationen der OBS finden Sie unter www.otto-brenner-stiftung.de Otto Brenner Stiftung | Wilhelm-Leuschner-Straße 79 | D-60329 Frankfurt/Main
Otto Brenner Stiftung
OBS-Arbeitsheft 77
OBS-Arbeitsheft 77
Union-Busting in Deutschland
Werner Rügemer, Elmar Wigand
Union-Busting in Deutschland Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung
www.otto-brenner-stiftung.de
Eine Studie der Otto Brenner Stiftung Frankfurt/Main 2014