Union-Busting in Deutschland

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Otto Brenner Stiftung

OBS-Arbeitsheft 77

OBS-Arbeitsheft 77

Union-Busting in Deutschland

Werner Rügemer, Elmar Wigand

Union-Busting in Deutschland Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung

www.otto-brenner-stiftung.de

Eine Studie der Otto Brenner Stiftung Frankfurt/Main 2014


OBS-Arbeitsheft 77

Die Otto Brenner Stiftung …

ISSN 1863-6934 (Print)

... ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Als Forum für gesellschaftliche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Ausgleich zwischen Ost und West.

Herausgeber: Otto Brenner Stiftung Jupp Legrand Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main Tel.: 069-6693-2810

... initiiert den gesellschaftlichen Dialog durch Veranstaltungen, Workshops und Kooperationsveranstaltungen (z. B. im Herbst die OBS-Jahrestagungen), organisiert internationale Konferenzen (Mittel-Ost-Europa-Tagungen im Frühjahr), lobt jährlich den „Brenner-Preis für kritischen Journalismus“ aus, fördert wissenschaftliche Untersuchungen zu sozialen, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Themen, vergibt Kurzstudien und legt aktuelle Analysen vor.

Fax: 069-6693-2786 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de www.otto-brenner-stiftung.de Autoren: Dr. Werner Rügemer Subbelrather Straße 144 50823 Köln Tel.: 0221-551626 E-Mail: wer_ruegemer@web.de

… macht die Ergebnisse der geförderten Projekte öffentlich

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17. April 2014

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OBS-Arbeitsheft 77 Werner Rügemer, Elmar Wigand

Union-Busting in Deutschland Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung

OBS-Arbeitsheft 76 Marvin Opp0ng

Verdeckte PR in Wikipedia Das Weltwissen im Visier von Unternehmen

OBS-Arbeitsheft 75 Olaf Hoffjann, Jeannette Gusko

Der Partizipationsmythos Wie Verbände Facebook, Twitter & Co. nutzen

OBS-Arbeitsheft 74 Alexander Hensel, Stephan Klecha

Die Piratenpartei Havarie eines politischen Projekts?

OBS-Arbeitsheft 73 Fritz Wolf

Im öffentlichen Auftrag Selbstverständnis der Rundfunkgremien, politische Praxis und Reformvorschläge

Elmar Wigand Glasstraße 7

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OBS-Arbeitsheft 72*

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Hohle Idole OBS-Arbeitsheft 71* „Bild“ und Wulff – Ziemlich beste Partner Fallstudie über eine einseitig aufgelöste Geschäftsbeziehung

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Integrationshemmnis Leiharbeit Auswirkungen von Leiharbeit auf Menschen mit Migrationshintergrund

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VORWORT

Vorwort

Kooperative Arbeitsbeziehungen, Tarifautonomie, breite Anerkennung von Gewerkschaften in Wirtschaft und Politik sowie hohe Zustimmung für Betriebs- und Personalräte waren prägende Merkmale des „deutschen Modells“ in der Bonner Demokratie. Unbestritten ist, dass sie nach 1945 bei der Zivilisierung der Konflikte in der Arbeitswelt und beim Auf- und Ausbau der sozialen Marktwirtschaft eine wichtige Rolle gespielt haben. Auch wenn nach der Zeitenwende von 1989 und im Zeitalter der Globalisierung der Ton gelegentlich rauer und die Auseinandersetzungen zuweilen härter wurden, gilt – unterm Strich – Gleiches auch heute für die Berliner Republik: Gewerkschaften werden als gewichtige Machtfaktoren respektiert, sind als legitime Interessenvertreter akzeptiert und die Arbeit Hunderttausender, zum großen Teil ehrenamtlich tätiger Personal- und Betriebsräte findet hohe Anerkennung. Weil sich das „deutsche Modell“ besonders in der Krise bewährt und als Stabilitätsanker ausgezeichnet habe, fordert Bundestagspräsident Norbert Lammert den Ausbau der Unternehmensmitbestimmung. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite wird sichtbar, wenn man dieser Tage einen Blick in die Presse wirft. Wegen fortlaufender Missachtung der Rechte des Betriebsrates bei Hyundai, fünftgrößter Autobauer der Welt, legte die IG Metall Beschwerde ein gegen die Verletzung der OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen, die grundlegende arbeitsrechtliche Normen beinhalten. In einer brandenburgischen Solarfirma ging der Gründung eines Betriebsrates eine mehrmonatige Auseinandersetzung voraus, bei der gewerkschaftlich orientierte Beschäftigte beeinflusst, überwacht und unter Druck gesetzt wurden. Bekannt sind Fälle systematischer Be- und Verhinderung von Betriebsratsarbeit schon seit längerer Zeit insbesondere aus dem Einzelhandel, der Gastronomie und neuerdings etwa im Windkraftanlagenbau. Lidl, Schlecker und Burger King sind dabei nur die bekanntesten Beispiele, Enercon ist der aktuell prominenteste Fall. Blickt man in die USA, hat das systematische und professionell geplante Vorgehen gegen gewerkschaftliche Interessenvertretung dort schon seit Jahrzehnten einen Namen: Union-Busting ist hier längst ein etabliertes Geschäftsfeld für spezialisierte Anwälte und Kanzleien. Unbestritten ist, dass in Deutschland die Ausgangslage für solche Akteure eine grundsätzlich andere ist. Wegen der Arbeitsteilung zwischen Betriebsräten und Gewerkschaften bedeutet Union-Busting in Deutschland deshalb vor allem die Be- und Verhinderung der Arbeit von Betriebsräten. Trotz der starken rechtlichen Stellung und hohen gesellschaftlichen Akzeptanz betrieblicher Interessenvertretungen deutet einiges darauf hin, dass in den letzten Jahren auch in Deutschland Teile der Arbeitgeberschaft zunehmend ähnliche Methoden anwenden. Systematisch versuchen

1


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

sie, die Etablierung und Arbeit gewerkschaftlicher Betriebsräte in ihren Betrieben zu be- und zu verhindern – oftmals unter Beteiligung spezialisierter Anwälte, Medienagenturen und Detekteien. Zu deren Repertoire gehören die Verhinderung oder Manipulierung von Betriebsratswahlen, die Einschüchterung und Überwachung von Betriebsräten oder Betriebsratswahlkandidaten, Vorteilsgewährung für unternehmerfreundliche Betriebsräte oder die Verhinderung von kritischen Presseberichten. Unser Arbeitsheft versucht, einen ersten empirischen Einblick in die Dienstleistungen und Arbeitsweisen von Union-Busting-Akteuren in Deutschland zu geben. Die Klärung der Frage, welchen Umfang dieses Phänomen hat und in welchem Maße von einer Zunahme aggressiven Arbeitgeberverhaltens gegenüber Betriebsräten und Gewerkschaften gesprochen werden kann, wird der weiteren Forschung vorbehalten bleiben müssen. Unser Autorenteam konzentriert sich in erster Linie auf betriebliche Fallstudien. Es wird in plastischer, eindrücklicher Weise und mit den Stilmitteln journalistischer Recherchearbeit dargelegt, mit welchen Strategien Gewerkschaften und Betriebsräte bzw. Betriebsratskandidaten heute konfrontiert sind. Maßgebliche Akteure werden benannt, Vorläufer solcher Entwicklungen aufgezeigt und diese in wirtschaftliche und politische Entwicklungen eingeordnet. Dass die hier präsentierten Union-Busting-Fälle keine krassen Ausnahmen sind und vielleicht nur die Spitze eines Eisberges darstellen, zeigt eine kürzlich erschienene Analyse von Heiner Dribbusch und Martin Behrens. 59% der von ihnen befragten Gewerkschaftssekretäre konnten über Versuche der Behinderung von Betriebsratswahlen berichten. Bei 43% dieser Fälle waren externe Dienstleister beteiligt. Und in 38% der befragten Gewerkschaftsgliederungen waren Versuche über die Zerschlagung bestehender Betriebsräte bekannt. Dies zeigt: Union-Busting ist kein Einzelphänomen, und der Problemdruck steigt – auch wenn wir meilenweit von den amerikanischen Verhältnissen entfernt sind, die die deutsche Öffentlichkeit kürzlich unter der Chiffre „Chattanooga“ kennengelernt hat. Die Otto Brenner Stiftung hofft, mit dieser Untersuchung einen Beitrag zur notwendigen Auseinandersetzung mit diesem neuen Phänomen in den deutschen Arbeitsbeziehungen liefern zu können.

Jupp Legrand Geschäftsführer der OBS

2

Frankfurt/Main, im April 2014


I NHALT

Inhalt

Thesen und Erkenntnisse ............................................................................................................. 5 1. Einleitung ............................................................................................................................... 9 1.1 Ein neues Konfliktfeld in den Arbeitsbeziehungen ................................................. 9 1.2 Die Arbeitsmethoden dieser Studie ...................................................................... 12 1.3 Definition des Union-Busting für die vorliegende Studie ...................................... 13

2. Union-Busting in den USA und in Deutschland ...................................................................... 15 2.1 Union-Busting in den USA .................................................................................... 15 2.2 Union-Busting in Deutschland .............................................................................. 19

3. Die Neuordnung des Arbeitsmarktes und die Rolle mächtiger Ideengeber ........................... 25 3.1 Die Neuordnung des Arbeitsmarktes .................................................................... 25 3.2 Diskursive und strategische Projekte mächtiger Ideengeber ................................ 27

4. Wegbereiter des Union-Busting in Deutschland .................................................................... 34 4.1 „Billigflaggen“ erobern die Schifffahrtsbranche .................................................. 34 4.2 Discount- und Handelsketten: Das „Harzburger Modell“ als Unternehmensstrategie .................................................................................. 35 4.3 Systemgastronomie: Fastfood-Ketten werden mitbestimmungsfrei ....................... 38 4.4 Paket- und Briefzustelldienste: Outsourcing als Geschäftsmodell ........................ 40 4.5 Schlachtbetriebe: Domäne von Leiharbeit und Werkverträgen ............................. 41 4.6 Fazit: Eine neue Unternehmenskultur macht Schule ............................................. 42

5. Das systematische Vorgehen gegen Betriebsräte – Union-Busting in Deutschland ............. 44 5.1 Die Bekämpfung von etablierten Betriebsräten .................................................... 45 5.2 Die Verhinderung von Betriebsratsgründungen .................................................... 52 5.3 An der Grenze zur Illegalität: Rechtsnihilismus als Methode ................................ 60

6. Private Akteure und Dienstleister ........................................................................................ 66 6.1 Rechtsanwälte und Wirtschaftskanzleien ............................................................. 67 6.2 Gelbe Gewerkschaften .......................................................................................... 77 6.3 PR-Agenturen und Überwachungsspezialisten ...................................................... 82

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U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

7. Zwei Fallbeispiele: Union-Busting bei SAP und Maredo ....................................................... 88 7.1 SAP: Eine „besondere Unternehmenskultur“ ....................................................... 88 7.2 Maredo: Sechs externe Dienstleister gegen NGG und Betriebsräte ...................... 92 8. Schlussbemerkung: Ein Geschäftsfeld expandiert ............................................................... 101 Anhang ...................................................................................................................................... 105 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................. 105 Literatur .................................................................................................................... 107 Hinweise zu den Autoren ............................................................................................ 111

4


T HESEN

UND

E RKENNTNISSE

Thesen und Erkenntnisse

1.

Professionelle Gewerkschaftsbekämpfung in den USA

Rund um die Dienstleistung Union-Busting (Gewerkschaftsbekämpfung) existiert in den USA

tions- und Human-Resources-Einrichtungen, gelbe Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.

3.

seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Branche,

Betriebsratsfreie Zonen schaffen und sichern

die in den 1970er Jahren zu neuer Blüte reifte.

Eine wesentliche Bestrebung des Union-Bus-

Die hochbezahlten Beratungs-, Rechtsver-

ting in Deutschland besteht darin, Betriebe und

tretungs- und Coaching-Dienste dieser auf Ge-

Konzerne zu betriebsratsfreien Zonen zu ma-

werkschaftsvermeidung spezialisierten Agen-

chen oder einen betriebsratsfreien Status quo

turen und Kanzleien hatten einen erheblichen

zu wahren. Diese Stoßrichtung gegen Betriebs-

Anteil am dramatischen Niedergang der tradi-

räte ergibt sich erstens aus dem besonderen

tionellen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewe-

Kündigungsschutz, den gewählte Betriebsrats-

gung in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg.

mitglieder in Deutschland durch das Betriebs-

Im Fortgang der Globalisierung haben Prak-

verfassungsgesetz genießen, sowie aus deren

tiken des Union-Busting auch in anderen Län-

Möglichkeiten, in die unternehmerische Ge-

dern Verbreitung gefunden, beispielsweise in

staltungsfreiheit einzugreifen. Zweitens sind in

Deutschland. Der Know-how-Transfer geschah

Betriebsratsgremien zumeist profilierte und

über verschiedene Wege.

erfahrene Vertreter von Arbeitnehmerinteressen zu finden, die im Konfliktfall als ernst zu

2.

Union-Busting als Teil professioneller Netzwerke in Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland haben sich im Laufe des vergangenen Jahrzehnts unterschiedlich miteinander verbundene Netzwerke

nehmende Gegenspieler der Geschäftsleitung auftreten können.

4.

Umkämpfte Betriebsratsmehrheiten und „andere Vertretungsorgane“

herausgebildet, in denen spezialisierte Akteu-

Wenn die Gründung eines Betriebsrats nicht zu

re ihre Dienstleistungen entwickeln und den

verhindern ist oder deren Verhinderung nicht

Unternehmensleitungen anbieten. Dazu gehö-

opportun erscheint, steht häufig die Wahl von

ren Universitäten, an denen Juristen und Be-

managementgesteuerten Betriebsräten oder

triebswirtschaftler ausgebildet werden, kleine

die Organisierung einer managementgesteuer-

und große Anwaltskanzleien deutscher wie US-

ten Mehrheit in Wahlvorständen und Betriebs-

amerikanischer Provenienz, Unternehmensbe-

räten als Ziel auf der Agenda der Union-Buster.

rater, Medienrechtskanzleien, PR-Agenturen,

Oft gerät ein Betriebsrat erst dann unter Be-

Stiftungen, Wirtschaftsdetekteien, arbeitge-

schuss, wenn er sich z. B. aktiv für Arbeitneh-

berfinanzierte Universitätsinstitute, Labor-Rela-

merbelange einsetzt. In solchen Fällen zeigt

5


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

sich deutlich, dass das bloße Vorhandensein

doch in moderaten Tönen „zwischen den Zei-

eines Betriebsrats noch wenig über die Quali-

len“ formuliert.

tät der betrieblichen Mitbestimmung aussagt. Die Übergänge zwischen arbeitnehmerorientierten und unternehmenshörigen Betriebsrä-

6.

ten beziehungsweise anderen Formen der Be-

Kampf gegen „Low Performer“: Mobbing, Bossing, Schikanen

legschaftsvertretung – z. B. durch andere Ver-

Personalleitungen und Human-Resources-Bera-

tretungsorgane (AVO) – sind oft fließend. Un-

ter gehen seit ca. ungefähr 15 Jahren zuneh-

ternehmensleitungen arbeiten bisweilen ge-

mend gegen „Low Performer“ (sog. „Minder-

zielt darauf hin, die Zusammensetzung der Be-

leister“) vor. Die in diesem Zusammenhang ent-

triebsräte in ihrem Sinne schrittweise zu ver-

wickelten Methoden verleiten nicht wenige

ändern.

Führungspersonen und Personalverantwortliche zu schikanösem Verhalten gegenüber Un-

5.

Explizite Union-Buster und etablierte Kanzleien

tergebenen. In manchen Unternehmen und Branchen speziell im Niedriglohnsektor kommt ein Generalverdacht gegen mutmaßlich oder

Nur eine Minderheit mittelständisch orientier-

potenziell delinquente Beschäftigte hinzu, der

ter Anwaltskanzleien und Berater wirbt explizit

sich in intensiver und extensiver Überwachung

mit gezielter Bekämpfung von Betriebsräten

spiegelt. Hinter Betriebsratsneugründungen

und Gewerkschaften in der Grauzone zum

steht häufig die Hoffnung der Belegschaft auf

Rechtsbruch bzw. Rechtsmissbrauch. Diese bil-

Schutz durch Interessenvertretung, gewerk-

den die Spitze eines Eisbergs, dessen größerer

schaftlichen Beistand und geltendes Recht.

Teil aus Dienstleistern besteht, die ihre Aktivi-

Zahlreiche Betriebsratsgründungen und Kon-

täten öffentlich unter das Prinzip der betriebli-

flikte um etablierte Betriebsräte gehen darauf

chen Effektivität und der Rechtsförmigkeit stel-

zurück, dass Arbeitnehmervertreter sich schüt-

len. Seit den 1990er Jahren haben führende

zend vor ihre Kollegen stellen, die verdächtigt

Wirtschaftskanzleien in den USA Methoden des

oder unter Druck gesetzt werden.

Union-Busting in ihr Portfolio aufgenommen. Vielfach zeigen sich ähnliche Dienstleistungen bei ihren Ablegern in Deutschland und bei deutschen Großkanzleien, die seit etwa dem Beginn

7.

Schwächung der Mitbestimmung durch Ausgliederung

der 2000er Jahre eigene Arbeitsrechtsabteilun-

Im Rahmen von Umstrukturierungen kommt es

gen aufgebaut haben. Die gezielte Bekämpfung

vielfach zur Zerschlagung und/oder Auslage-

von Gewerkschaften und Betriebsräten wird

rung von integrierten Unternehmen in einzel-

von ihnen nicht nach außen hin beworben, je-

ne, rechtlich (scheinbar) unabhängige Gesellschaften (Outsourcing). Diese Veränderung der

6


T HESEN

Unternehmensstruktur bringt eine Aufblähung von formell eigenständigen Verwaltungsappa-

9.

raten und Aufsichtsratsgremien mit sich. Sie

UND

E RKENNTNISSE

Das Arbeitsrecht an Hochschulen wird privatisiert

führt entsprechend den Bestimmungen des Be-

Selbst konservative Professoren für Arbeits-

triebsverfassungsgesetzes auch zu einer po-

recht wie Hans Carl Nipperdey verstanden in

tenziellen Zunahme von Betriebsratsgremien

den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik

und -mandaten. Gleichzeitig kann die Zerglie-

das Arbeitsrecht seiner Intention nach als

derung die Möglichkeiten gewerkschaftlicher

Schutzrecht für Arbeitnehmer. Diesem klassi-

Organisierung und somit die Organisations-

schen Prinzip folgt heute nur noch eine Minder-

macht einschränken. Hier liegt eine strukturel-

heit, die zudem öffentlich kaum sichtbar ist.

le Ursache für die Kluft zwischen dem Rechts-

Das Lager jener Arbeitsrechtler, die den Schutz

anspruch auf einen Betriebsrat und der realen

des Eigentums der Arbeitgeber und deren un-

Fähigkeit von Belegschaften und Gewerkschaf-

ternehmerische Freiheit in den Vordergrund

ten, dieses Recht im Ernstfall auch durchzuset-

stellen, nimmt heute eine dominante Position

zen. Die Bedeutung des Betriebsverfassungs-

ein. Das Arbeitsrecht ist in dieser Rechtsauffas-

gesetzes und die Rolle der Gewerkschaften

sung nur mehr ein Teil des bürgerlichen Rechts

scheinen bei einem Teil der Arbeitgeberseite

oder des Wirtschaftsrechts. Konzerne und Ar-

an Anerkennung zu verlieren; sie sehen das

beitgeberverbände finanzieren heute Universi-

deutsche Modell der Mitbestimmung in erster

tätsinstitute für Arbeitsrecht und Arbeitsbezie-

Linie als lästigen Kostenfaktor und Relikt einer

hungen. Arbeitgebernahe Anwälte haben

vergangenen Epoche.

immer häufiger Lehraufträge an Universitäten, privaten wie staatlichen.

8.

Vorreiter in Unternehmen und Branchen

10. Rechtsnihilismus

Spezifische Branchen und Betriebe gelten als

Zur Strategie der Union-Buster gehört es, ge-

Pioniere für gewerkschafts- und betriebsrats-

zielt Kündigungsgründe zu inszenieren; eben-

freie Zonen, etwa Reedereien (durch Aus-

so gehören dazu fristlose Kündigungen, die im

flaggung),

(Typ

Bewusstsein ausgesprochen werden, dass sich

McDonald’s), Einzelhandelsketten (Typ Aldi),

deren Begründung vor den Arbeitsgerichten

Paketzusteller (Typ UPS) oder Unternehmen der

gar nicht halten lässt. Damit werden jedoch

Informationstechnologie. Die Methoden der

Fakten geschaffen: Die betroffenen Beschäftig-

Ausflaggung, des Franchising, der Schein-

ten, Betriebsräte und Betriebsratsgründer wer-

selbstständigkeit u. Ä. wurden anschließend

den für Monate aus dem Betrieb entfernt. Oft

mit Hilfe der unter Punkt 2 genannten Netzwer-

enden die Konflikte mit Abfindungen. Die nach

ke verfeinert und verallgemeinert.

dem

die

Systemgastronomie

Betriebsverfassungsgesetz

geltende

7


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Strafbarkeit von Betriebsratsverhinderung und

Konfliktfall eine enorme betriebsrats- und ge-

-behinderung ist vermutlich eine der am sel-

werkschaftsfeindliche Aktivität zu entfalten.

tensten durchgesetzten rechtlichen Sanktio-

Des Weiteren sind Privatisierungen öffentli-

nen überhaupt. Ein allgemeines Unrechtsbe-

cher Unternehmen und Dienstleistungen Risi-

wusstsein und die Kenntnis von Rechten wei-

kosituationen für Beschäftigte, Gewerkschafter

chen in bestimmten Branchen und Beschäfti-

und Betriebsräte.

gungsformen einem sich ausbreitenden Rechtsnihilismus.

11. Risikosituationen für Betriebsräte

8

12. Angriff auf Meinungsfreiheit und kritische Berichterstattung Union-Busting schränkt oftmals auch die Pres-

In bestimmten Situationen werden Methoden

se- und Meinungsfreiheit ein. Einschüchte-

des Union-Busting besonders häufig einge-

rungsversuche sowie Kündigungen gegen Be-

setzt. Das gilt für Unternehmensaufkäufe durch

triebsräte und Gewerkschafter infolge von Mei-

Private-Equity-Investoren. Diese setzen von

nungsäußerungen in der betrieblichen Öffent-

vornherein auf einen Weiterverkauf oder einen

lichkeit stellen eine gebräuchliche Vorgehens-

Börsengang. Sie können den Kaufpreis nicht

weise dar. Eine häufig angewandte Methode

nur durch drastische Kostensenkungen, son-

sind ferner Kündigungen im Zusammenhang

dern auch durch ein betriebsratsfrei gemach-

mit Aussagen von Beschäftigten und Betriebs-

tes Unternehmen wesentlich in die Höhe trei-

räten gegenüber der Presse und der Öffentlich-

ben. Letzteres hilft etwa vor Insolvenzen und

keit.

geplanten Schließungen, Sozialpläne, Abfin-

Spezialisierte Medienanwälte unterdrü-

dungen, Transfergesellschaften etc. möglichst

cken und erschweren kritische Medienberichte

zu begrenzen oder zu vermeiden. Auch mittel-

mittels Abmahnungen, Gegendarstellungen

ständische Unternehmen sind in der Lage, im

oder Unterlassungserklärungen.


E INLEITUNG

1. Einleitung

1.1 Ein neues Konfliktfeld in den Arbeitsbeziehungen

wie gegen etablierte Betriebsräte und ihre Mitglieder feststellbar. Betriebsratsgründungen führen zu Konflikten, die immer öfter den Cha-

Im „dualen System“ der Arbeitsbeziehungen in

rakter von Arbeitskämpfen annehmen. Es

Deutschland wird die betriebliche und überbe-

scheint, als seien mit Hilfe von Rechtsanwälten

triebliche Interessenvertretung der Arbeitneh-

und Beratern Strategien entwickelt worden, um

mer arbeitsteilig von Betriebsräten und Ge-

einzelne Betriebsratsmitglieder oder Initiato-

werkschaften wahrgenommen. Die Arbeit der

ren einer Betriebsratsgründung gezielt zu kün-

deutschen Gewerkschaften konzentriert sich

digen, systematisch zur Amtsaufgabe zu trei-

auf verschiedene grundsätzliche Funktionen

ben sowie Betriebsratswahlen im Sinne des

und Bereiche: In Branchen und Regionen füh-

Managements zu beeinflussen.

ren sie Tarifverhandlungen und damit verbun-

Die Bekämpfung von Betriebsräten bildet

dene Konflikte; zudem sind sie als Verband in

sowohl den Ausgangspunkt als auch das Zen-

das politische System eingebunden. In einzel-

trum dieses Arbeitshefts. Für die Erstellung der

nen Betrieben wiederum sind gewerkschaftlich

Fallstudien in Kapitel 5 haben wir intensive In-

organisierte Beschäftigte hauptsächlich durch

terviews mit von Betriebsratszerschlagung und

Betriebsräte verankert, deren Status durch das

-verhinderung Betroffenen in Deutschland ge-

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geschützt

führt und ausgewertet. Hinzu kamen zahlreiche

1

und geregelt ist. Diese werden von den Gewerk-

Hintergrund- und Expertengespräche mit

schaften beraten und unterstützt.

Rechtsanwälten, Journalisten und Gewerk-

Über 75 Fälle von

Seit den 1990er Jahren engt ein starker

schaftssekretären. Insgesamt konnten wir über

Betriebsrat-Bashing

Trend zur Tarifflucht den überbetrieblichen und

75 Fälle von Betriebsratsbekämpfung durch ag-

in der Presse

überregionalen tariflichen Gestaltungsspiel-

gressive Methoden anhand von Presseveröf-

dokumentiert

raum stark ein. Diese Entwicklungen haben

fentlichungen nachweisen.

dazu geführt, dass anstelle von Flächentarifen

Es hat sich im Laufe der Untersuchung ge-

Haustarifverträge oder ähnliche Vereinbarun-

zeigt, dass bereits seit 2001 professionelle

gen auf lokaler Ebene an Bedeutung gewonnen

Strategien zur Betriebsratsvermeidung und

haben. Seit etwa zehn Jahren ist außerdem ein

-zerschlagung in Deutschland angewendet

verschärftes Vorgehen mancher Arbeitgeber

werden. Seit etwa 2006 finden entsprechende

gegen die Neugründung von Betriebsräten so-

Berichte vermehrt Eingang in Zeitungen und in-

1 Parallel zu Betriebsratsstrukturen, die formell unabhängig von Gewerkschaften sind, hatten die Gewerkschaften seit den 1950er Jahren Vertrauensleute-Körper in Betrieben aufgebaut. Diese sind heute in vielen Branchen selten geworden und sind in manchen Branchen nahezu unbekannt. Die sog. BISS-Befragung geht für 2005 von einem Anteil von vier Prozent in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten aus (Hauser-Ditz/Hertwig/Pries 2009).

9


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

vestigative TV-Formate. Das Adjektiv „betriebs-

ziehungen und -konflikten durch Betriebsräte,

ratsverseucht“ wurde 2009 gar zum Unwort des

mit einer umfangreichen Arbeitsgerichtsbar-

2

Jahres gewählt. Umso erstaunlicher war für

keit sowie autonomen Tarifpartnern steht seit

uns die Erkenntnis, dass bislang kein Versuch

einiger Zeit zunehmend in Frage. Insbesondere

unternommen wurde, solche Fälle gezielt zu

die Privatisierungs- und Deregulierungspoliti-

sammeln und auszuwerten sowie dahinterste-

ken seit den 1990er Jahren, die mit den Refor-

hende Muster und Strategien analytisch zu er-

men der „Agenda 2010“ ihren Höhepunkt er-

fassen.

reichten, haben zu Effekten auf dem Arbeits-

Den entscheidenden Schritt zur Entschlüs-

markt geführt, die das historisch gewachsene

selung der erkannten Phänomene und zur Be-

System der Arbeitsbeziehungen vor große He-

griffsbildung machten wir durch einen Blick

rausforderungen stellt. Die sprunghafte Zunah-

über den Atlantik, durch die Beschäftigung mit

me der Zeit- bzw. Leiharbeit, die Prekarisie-

Geschichte und Gegenwart der US-amerikani-

rung der Arbeitsverhältnisse oder die zuneh-

schen Arbeiterbewegung. Was in Deutschland

mende Ausgliederung von Kompetenzen aus

viele Arbeiter, Angestellte, ja selbst erfahrene

den Unternehmen durch Werkvertragsvergabe

Gewerkschafter noch ungläubig staunen lässt,

wirken sich negativ auf die Gestaltungsmög-

ist in den USA seit Jahrzehnten geläufig: Union-

lichkeiten der Gewerkschaften und die Voraus-

USA: Union-Busting

Busting – die systematische Bekämpfung von

setzungen der betrieblichen Mitbestimmung

etablierter

Mitbestimmung und gewerkschaftlicher Orga-

durch Betriebsräte aus. Bei der Durchsetzung

Bestandteil der

nisierung – ist dort eine offen auftretende

und ideellen Vorbereitung dieser Neuordnung

Arbeitsbeziehungen

Branche. Union-Busting ist in den USA zudem

des Arbeitsmarktes spielen einflussreiche Ak-

Gegenstand

For-

teure im Bereich von wissenschaftlichen Insti-

schung. Daher werden im ersten Kapitel – mit

tuten, Stiftungen und Thinktanks eine gewichti-

dem Ziel einer Perspektivierung und begründe-

ge Rolle. Die Gemengelage aus diesen Ideen-

ten Begriffsbildung – die öffentlichen und wis-

und Stichwortgebern und den Arbeitsmarktre-

senschaftlichen Diskussionen über Union-Bus-

formen wird in Kapitel 3 diskutiert.

sozialwissenschaftlicher

ting in den USA behandelt. Auch werden erste

Wichtig für das Verständnis der in dieser

Annäherungen an das Phänomen in Deutsch-

Studie diskutierten Phänomene sind zudem

land besprochen.

„Pionierbereiche“, in denen bestimmte Prakti-

Das Sondermodell Deutschland mit seiner

ken vorgezeichnet wurden (Kapitel 4). Hier er-

im internationalen Vergleich aufwendigen und

staunte uns vor allem, wie früh einzelne Unter-

niedrigschwelligen Regulation von Arbeitsbe-

nehmen in Teilen der deutschen Wirtschaft

2 Eine Recherche des TV-Magazins Monitor hatte aufgedeckt, dass das Wort im Personalmanagement der Einzelhandelskette Bauhaus geläufig war. Siehe: Redaktion: Bauhaus bespitzelt seine Mitarbeiter, Mindener Rundschau 2.9.2011, http://www.mindener-rundschau.de/index.php/2011/09/02/bauhaus-bespitzelt-seine-mitarbeiter-baumarkt-in-minden-geplant/, abgerufen 31.8.2013.

10


E INLEITUNG

bereits – teils seit den 1960er Jahren – be-

sources-Spezialisten agieren in Deutschland

stimmte Strategien zur Senkung von erreichten

weitgehend außerhalb des Aufmerksamkeits-

Arbeitsrechtsstandards erprobt und durchge-

radius der kritischen Öffentlichkeit. Obgleich

Netzwerke außerhalb

setzt hatten.

sie sich intensiv austauschen, werden die von

öffentlicher

ihnen erarbeiteten und verbreiteten Konzepte

Wahrnehmung

Der Kern der Untersuchung speist sich aus den in unseren Fallstudien gewonnenen typi-

kaum zur Kenntnis genommen.

schen Verläufen von Union-Busting-Konflikten

Wegen der fehlenden institutionellen Erfas-

(Kapitel 5). Die Untersuchungen haben wir sys-

sung von Fällen, in denen Betriebsräte syste-

tematisiert nach Ursprüngen und Hintergrün-

matisch behindert und sabotiert wurden, man-

den, Konfliktverläufen sowie Methoden der

gelt es auch an einer gesicherten Basis dafür,

Betriebsratsverhinderung bzw. -zerschlagung,

welche und wie viele Anwälte und Dienstleister

um Strukturmuster zu identifizieren und so bes-

in Deutschland an diesen Tätigkeiten tatsäch-

ser einordnen zu können, vor welchen konkre-

lich maßgeblich beteiligt sind. Gleichzeitig

ten betrieblichen Hintergründen sich diese

gilt, dass die hier diskutierten Anwälte, Kanz-

Konflikte entzünden und mit welchen Methoden

leien und Institute nicht alle im selben Maße

Arbeitgeber und ihre Dienstleister hierbei vor-

und in der gleichen Intensität als Union-Buster

gehen.

auftreten. Gemein ist ihnen dennoch, dass sie

Unser besonderes Augenmerk lag auf Ak-

an zentraler Stelle bei der Bekämpfung von

teuren und Dienstleistern, die aggressive Un-

Betriebsräten beteiligt waren. Als wichtiges

ternehmerstrategien nicht nur durchexerzieren

Instrument der Zurückdrängung des Einflusses

und flankieren, sondern diese oftmals selbst

unabhängiger Gewerkschaften und betriebli-

entwerfen, mitunter proaktiv bewerben (Kapi-

cher Mitbestimmung werden weiter die gelben

tel 6). Der Blick auf konkrete Akteure und Ver-

Gewerkschaften (sogenannte „wirtschaftsfried-

antwortliche ist in Deutschland erstaunlich sel-

liche“ Gewerkschaften; siehe unten, Kapitel

ten zu finden. In Presseberichten werden zwar

6.2) und andere arbeitgebernahe bzw. von Ar-

regelmäßig Anwälte von betroffenen Betriebs-

beitgebern arrangierte Institutionen darge-

räten genannt und Gewerkschaftssekretäre zi-

stellt.

tiert, wesentlich seltener jedoch finden sich die

Zur Veranschaulichung unserer These, dass

Namen ihrer Gegenspieler aus dem Manage-

Union-Busting im Kern die abgestimmte und

der Unternehmerseite

ment. Um die Anwaltskanzlei der Unternehmer

systematische Bekämpfung von Betriebsräten

meist unsichtbar

oder für einen Konzern aktive Unternehmens-

und gewerkschaftlicher Interessenvertretung

berater oder Detektive herauszufinden, muss-

durch das Zusammenwirken unterschiedlicher

ten wir fast immer telefonisch nachrecherchie-

arbeitsteiliger Akteure ist, stellen wir in Kapi-

ren. Arbeitsrechtsanwälte der Arbeitgebersei-

tel 7 Fallbeispiele vor.

te, Wirtschaftskanzleien und Unternehmensbe-

Die vorliegende Arbeit ist selektiv und ex-

rater, ebenso das breite Netz aus Human-Re-

plorativ, somit ein erster empirischer, aber not-

Anwälte und Berater

11


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

wendigerweise noch unzureichend systemati-

schaftliche Veröffentlichungen gesammelt,

sierter Einblick in ein relativ neues Konflikt-

die vor allem folgende Konflikte zum Thema

feld. Ziel einer solchen Untersuchung kann es

haben: Verhinderung von Betriebsratswah-

nur sein, ein solches neues Konfliktfeld in den

len, Kündigung von etablierten Betriebsrä-

deutschen Arbeitsbeziehungen zu beschrei-

ten und bekannten Gewerkschaftern, Arbeit-

ben, Fakten in eine allgemeine Entwicklung

nehmerklagen gegen Verdachts- und Baga-

einzuordnen, Akteure zu benennen und die Öf-

tellkündigungen und ähnliche Methoden,

fentlichkeit, die Politik und tatsächlich und po-

geplante und durchgeführte Streiks. Diese

tenziell betroffene Gewerkschaften und Be-

haben wir nach beteiligten Akteuren auf

triebsräte zu sensibilisieren.

Seiten der Arbeitgeber sowie nach Konfliktverläufen und erkennbaren Methoden aus-

1.2 Die Arbeitsmethoden dieser Studie

gewertet. Zusätzlich haben wir häufig telefonisch nachrecherchiert.

Eine genaue Bestimmung des Umfangs von Uni-

Die Veröffentlichungen finden sich in Lokal-

Keine genauen Zahlen

on-Busting-Konflikten in den Betrieben in

medien, überregionalen Medien, Gewerk-

über Betriebsräte

Deutschland ist, anders als in den USA, nicht

schaftsmedien, Blogs, Webmagazinen und

möglich. Das deutsche Betriebsverfassungsge-

Fachliteratur. Hinzu kamen Experteninter-

setz (BetrVG) kennt weder eine Behörde, die

views mit Anwälten, Gewerkschaftssekretä-

mit der Überwachung und Durchsetzung fairer

ren und Publizisten.

Verhaltensformen betraut wäre, noch eine Mel-

In einer Datenbank haben wir 75 Fälle von

depflicht.

Union-Busting in einzelnen deutschen Un-

Presseberichte als

Daher müssen sich unsere empirischen und

ternehmen erfasst, die durch die genannten

statistischen Möglichkeiten – im Unterschied

Veröffentlichungen dokumentiert sind. Die

zu den Arbeiten von US-Forschern wie Kate

Sammlung ist keineswegs vollständig – im

Bronfenbrenner, John Logan und anderen –

Gegenteil.3

zunächst bescheiden ausnehmen. Zusätzlich

Qualitative Interviews mit Betroffenen: Wir

zur Auswertung von Literatur aus den USA und

haben als vertiefenden Schritt 12 qualitati-

aus Deutschland haben wir folgende Informa-

ve Leitfaden-Interviews mit von Betriebs-

tionsmöglichkeiten genutzt:

ratsverhinderung

oder

Betriebsratsbe-

Hauptquelle der

Inhaltsanalyse öffentlicher Medien: Seit

kämpfung bzw. -zerschlagung Betroffenen

Recherche

Mitte 2011 haben wir Zeitungs-, Hörfunk-,

geführt und ausgewertet. Die qualitative

Buchbeiträge, TV-Sendungen und gewerk-

Methode haben wir einerseits gewählt, weil

3 Viele Lokalzeitungen etwa sind online nicht einsehbar und für Suchmaschinen nicht erreichbar, da sie keine Kapazitäten für Online-Archivierung und -Präsentation (mehr) haben oder weil sie inzwischen sog. Paywalls (Bezahlschranken) eingeführt haben.

12


E INLEITUNG

eine quantitative Analyse aufgrund der

der laufenden Berichterstattung über

Betriebsrats-

oben genannten Probleme nicht angemes-

Forschungen, Konferenzen und aktuelle

bekämpfung:

sen erschien. Über die Befragung der Be-

Auseinandersetzungen in den USA auf

Intensive Interviews

troffenen lassen sich andererseits ver-

der Seite www.americanrightsatwork.

mit Betroffenen

schiedene Dimensionen der Problematik er-

org;

kennen, die sich in den Medien kaum wie-

Meldungen aus weiteren Portalen wie

derfinden: Ursprung und Verlauf der Kon-

www.labournet.de, www.nachdenksei-

flikte, Motive der Akteure, Muster und Ab-

ten.de und Blogs, die von Gewerkschaf-

weichungen, emotionale Tiefe.

ten und einzelnen Betriebsräten unter-

Netzwerkrecherche: Insbesondere hinsicht-

halten werden.

lich der Union-Busting-Dienstleister – wie der marktbeherrschenden Anwaltskanzleien, PR-Agenturen, Wirtschaftsdetekteien, Stiftungen, Arbeitsrechts-Institute – waren die öffentlichen Medien nicht ergiebig. Deshalb haben wir hier andere Quellen erschlossen: Webauftritte und Selbstdarstellung der Akteure und ihrer Zusammenschlüsse, national wie international; Fachbücher und Fachartikel in der Medienlandschaft der unternehmensnahen Beraterszene. Arbeitsgerichte und Websites: Zusätzliche, außerhalb der großen Öffentlichkeit zugängliche Informationen und Einschätzungen haben wir folgenden Quellen entnommen: Urteilen von lokalen und regionalen Arbeitsgerichten über Landesarbeitsgerichte bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG); Hinweisen über den Weblog http:// arbeitsunrecht.de, den wir Anfang 2012 eingerichtet haben; Hinweisen der Journalisten Albrecht Kieser und Günter Wallraff, die die Webseite www.work-watch.de betreiben;

1.3 Definition des Union-Busting für die vorliegende Studie Union-Busting ist die gezielte Anwendung und modulare Kombination von Praktiken, um arbeitgeberunabhängige Organisierung und Interessenvertretung in einem Betrieb, einer Branche oder innerhalb eines Staates zu unterbinden, auszuhebeln oder im Entstehen zu be- und verhindern. Union-Busting wird sowohl betrieben, um den erreichten Status quo an Kollektivität, Mitbestimmung und arbeitsrechtlichem Schutz anzugreifen, wie auch, um Organisierungsbemühungen von Beschäftigten möglichst im Keim zu ersticken. Dazu gehören sehr häufig Maßnahmen gegen einzelne Meinungsführer aus der Belegschaft, insbesondere Mitglieder von Vertretungsorganen oder Gewerkschaften, mit dem Ziel, diese zu diskreditieren, zu isolieren, zu entlassen. Hinzu kommen direkte Maßnahmen, um die Or-

13


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

ganisierbarkeit von Beschäftigten zu er-

Bezug auf alle für gewerkschaftliche und be-

schweren und die Legitimität etwa von

triebliche Mitbestimmung unverzichtbaren

Streiks, Betriebsräten oder Gewerkschaf-

Handlungsgrundlagen.

Ziel ist die maximale

ten insgesamt in Frage zu stellen. Ziel der

Union-Busting geht oft Hand in Hand mit Ver-

Handlungsfreiheit der

Anstrengungen ist die größtmögliche un-

suchen, eine Belegschaft nach Kosten- und Effi-

Unternehmer

ternehmerische Gestaltungsfreiheit bei

zienzgesichtspunkten zu optimieren und solche

der Nutzung menschlicher Arbeit.

Arbeitnehmer zu identifizieren und auszusondern, die im Raster der Verantwortlichen und ih-

14

Neben diesen unmittelbaren Union-Busting-

rer Berater als zu teuer, zu langsam, unflexibel,

Praktiken sind zudem indirekte Strategien und

unangepasst oder delinquent erscheinen.

Mechanismen von großer Relevanz, die den

Wir haben uns im Sinne einer Fokussierung

ideellen und praktischen Bezugsrahmen für

und Eingrenzung entsprechend dem Modell der

dieses neue Phänomen bereitstellen. Dazu ge-

deutschen Arbeitsbeziehungen auf eine enge

hören die gezielte Beeinflussung von Gesetz-

Definition des Union-Busting entlang kollekti-

gebung und Rechtsprechung sowie die Etablie-

ver Organisierung und Interessenvertretung in

rung von Überzeugungen und Verhaltensmus-

Betrieben und Branchen konzentriert, also im

tern, das heißt: auch der gesamte Komplex der

Wesentlichen auf die oben blau unterlegte

Auseinandersetzungen um Deutungshoheit in

Textpassage.


U NION -B USTING

IN DEN

USA UND IN D EUTSCHLAND

2. Union-Busting in den USA und in Deutschland

Der Begriff Union-Busting kommt aus den USA

gefächertes Dienstleistungsunternehmen, das

und bedeutet wörtlich „Gewerkschaftszerschla-

in Deutschland vor allem durch Westernfilme

gung“. Im selben Zusammenhang ist auch von

populär geworden ist.6 Weniger bekannt ist,

Union Avoidance (Gewerkschaftsvermeidung),

dass Pinkerton zum Schrecken der amerikani-

Counter

(Gegenorganisierung)

schen Arbeiterschaft wurde, weil die Agentur

oder Union Prevention (Gewerkschaftsvorbeu-

eine schlagkräftige Streikbrecher-Armee aus

Organizing 4

gung) die Rede. In Deutschland hat sich, ob-

Schlägern und Pistoleros unterhielt sowie ein

wohl bereits seit einiger Zeit ähnliche Vorgän-

Netz aus Spionen und V-Leuten, die in Betriebe

ge zu beobachten sind, bislang kein eigener

und Gewerkschaften eingeschleust wurden

Terminus für diese Praktiken etabliert.

(Smith 2003: 75). Die erste Zusammenstellung gewerk-

2.1 Union-Busting in den USA

schaftsfeindlicher Methoden aggressiver Unternehmervereinigungen

entstand

bereits

Unter diesem Etikett firmiert in den Vereinigten

1917. Die Darstellung des Ökonomen Robert

Staaten eine Industrie, die seit den 1970er Jah-

Franklin Hoxie, der an der Universität Chicago

ren ein rapides Wachstum verzeichnet. Zu ihr

lehrte und Mitglied der staatlichen Kommis-

gehören vor allem spezialisierte Anwaltskanz-

sion für Arbeitsbeziehungen war, wurde als Ho-

leien, Institute für Arbeitsbeziehungen (Labor

xies Liste bekannt (Hoxie u. a. 1921). Die Zeit-

Hoxies Liste:

Relations Institutes) und zahlreiche kleine Be-

schrift „The Nation“ veröffentlichte 1937 die so-

bereits 1917 gewerk-

raterfirmen.

genannte Mohikanertal-Formel (Mowhawk Val-

schaftsfeindliche

In den 1980er Jahren waren mehr als 1500

ley Formula), die in Unternehmerkreisen kur-

Unternehmer-

Union-Busting-Consultants tätig. Die Unterneh-

sierte – eine macchiavellistische Handlungs-

methoden in USA

men ließen sich das Union-Busting in den

anweisung in zehn Punkten, wie die Macht von

1990er Jahren etwa eine Milliarde Dollar jähr-

Gewerkschaften im Streikfall mit aller Härte zu

lich kosten (Logan 2002: 198).

brechen sei (Stolberg 1937).

Das Union-Busting hat in den Vereinigten

Robert Michael Smith hat eine Geschichte

Staaten eine lange Tradition, die bis zur Grün-

des kommerzialisierten Streikbruchs und Uni-

5

dung der Pinkerton-Agentur im Jahre 1850 in

on-Busting in den Vereinigten Staaten ge-

Chicago zurückreicht. Hier entstand ein breit

schrieben. Sie blickt bis zu den Anfängen in

4 In den USA existieren keine Betriebsräte. Eine Gewerkschaft muss in einem Betrieb eine bestimmte Zahl von Unterstützungsunterschriften zusammenbringen. Dann kann sie sich per Wahl als Vertreterin der Belegschaft anerkennen lassen. Erhält eine Gewerkschaft bei der Anerkennungswahl die Mehrheit der Stimmen, vertritt sie fortan die gesamte Belegschaft. Sie hat dann das Recht, mit der Geschäftsleitung eine Art Haustarifvertrag zu verhandeln (collective bargaining). Sämtliche Übersetzungen von Zitaten aus englischsprachiger Literatur stammen von den Vf. 5 Pinkerton’s National Detective Agency, 1999 vom schwedischen Sicherheitskonzern Securitas aufgekauft, vgl. http://www.securitas.com/Global/Germany/documents/de/flyer_geschichte.pdf, abgerufen 1.2.2013. 6 Pinkerton-Agenten wurden u. a. auf Banditen wie Jesse James, die Reno-Gang sowie Butch Cassidy und Sundance Kid angesetzt.

15


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

den 1870er Jahren zurück und beschreibt die

1980er Jahre wechselte Levitt die Seiten und

aufschlussreiche, mitunter atemberaubende

arbeitete fortan als Berater für den Gewerk-

Entwicklung der Branche: „From Blackjacks to

schaftsverband AFL-CIO. Sein Buch über seine

Briefcases“ – von Totschlägern zu Aktenkoffern

Zeit bei der Beraterfirma Sheridan Associates

(Smith 2003).

bietet einen plastischen und detailreichen Ein-

Der Brite John Logan, inzwischen Professor

blick in Muster, Taktiken, Denkweisen und Ver-

an der San Francisco State University, geht auf

haltensformen der amerikanischen Union-Bus-

die Entwicklung seit den 1950er Jahren ein und

ter (vgl. Levitt 1993). Kurz darauf meldete sich

richtet sein Augenmerk auf aktuell am Markt

auch sein Ziehvater John Sheridan zu Wort, der

aktive Firmen und Agenturen (Logan 2002;

in Levitts Buch äußerst schlecht wegkommt,

2006). Er macht deutlich, dass der historische

und gewährte Einblicke in sein Geschäft. Laut

Niedergang der US-Gewerkschaften – im Jahre

Sheridan gestaltete sich die Konjunktur für

2006 waren nur noch 7,9 Prozent der Beschäf-

Union-Busting-Agenturen Anfang der 1990er

tigten im Privatsektor Gewerkschaftsmitglie-

Jahre in den USA schwierig, weil Personalab-

der – wesentlich durch die Union-Busting-Pro-

teilungen großer Unternehmen sowie Full-Ser-

fis mitverursacht wurde (vgl. Bronfenbrenner/

vice-Wirtschaftskanzleien mittlerweile deren

Juravic 1994).

Methoden erlernt hätten und selbst anwenden

Kate Bronfenbrenner, Leiterin der Industri-

könnten (Moberg 1992). Die Studien von Kate

al Labor School der Cornell University (Ithaca,

Bronfenbrenner aus den folgenden Jahrzehn-

Upstate New York), erforscht seit Anfang der

ten zeigen aber, dass die Union-Buster keine

1990er Jahre Methoden und Strategien von Un-

allzu große Angst um ihre Geschäftsgrundlage

ternehmern gegen Gewerkschaftswahlen in

haben mussten.

US-Betrieben. Mit ihrer Studie über deren Aus-

Die Bedingungen, unter denen amerikani-

wirkungen auf den Ausgang von Wahlen zur

sche Gewerkschaften insbesondere in der Pri-

Gewerkschaftsanerkennung machte sie erst-

vatwirtschaft versuchen müssen sich zu be-

mals aggressive Methoden des Unternehmer-

haupten, sind ungleich schwieriger als in

lagers in systematischer Weise zugänglich

Deutschland. Wer allerdings die dortigen Kon-

(ebd.).

flikte zwischen Gewerkschaften und Arbeitge-

Ein Jahr zuvor veröffentliche Martin Jay Le-

bern erforschen will, hat es in den USA wesentlich leichter.

„Bekenntnisse eines

vitt seine autobiografischen „Bekenntnisse ei-

Union-Busters“

nes Union-Busters“. Levitt hatte seine Karriere

Seit 1935 unter Franklin D. Roosevelt der

sorgen 1992 für

Ende der 1960er Jahre beim damaligen Markt-

Wagner Act (genauer: National Labor Relations

Wirbel in den USA

führer Sheridan Associates begonnen und sich

Act, NLRA) verabschiedet wurde, gibt es eine

in den 1970er Jahren als selbstständiger Anti-

Bundesbehörde für Arbeitsbeziehungen (Na-

Gewerkschafts-Berater im Hotel- und Gaststät-

tional Labor Relations Department). Sie unter-

tengewerbe einen Namen gemacht. Ende der

hält vor Ort Räte für Arbeitsbeziehungen (Na-

16


U NION -B USTING

IN DEN

USA UND IN D EUTSCHLAND

tional Labor Relation Boards, NLRB), die für die

perer 2007: 17). Die Autoren gehen davon aus,

Wahrung von gewerkschaftlichen Rechten zu-

dass Gewerkschaftsaktivisten oder Organizer

ständig und mit einer eigenen Gerichtsbarkeit

im Betrieb eine 15- bis 20-prozentige Wahr-

und juristischen Durchsetzungsmöglichkeiten

scheinlichkeit auf Entlassung haben, wenn es

7

ausgestattet sind. Hier müssen Wahlen zur An-

zu einer Kampagne für die Anerkennung einer

erkennung von Gewerkschaften angemeldet

Gewerkschaft kommt (ebd.).

werden, können Rechtsverstöße und unfaire

In ihrer Studie „No Holds Barred“ („Ohne

Praktiken vorgebracht, untersucht und ggf. be-

Rücksicht auf Verluste“, 2009b) untersuchte

straft werden. Aus dieser zentralen Funktion

Kate Bronfenbrenner den Einsatz von Metho-

ergibt sich ein umfangreiches Datenmaterial,

den, die bei Kampagnen gegen die Anerken-

das – begünstigt durch vergleichsweise weit

nung einer Gewerkschaft im Unternehmen ein-

Die Zeiten werden

reichende Rechte zur Informationsfreiheit –

gesetzt werden. Die Wissenschaftlerin konnte

härter: „Unser

von Forschern genutzt werden kann.

auf Daten von 1004 NLRB-Anerkennungs-Wah-

Arbeitsrechtssystem

So haben John Schmitt und Ben Zipperer die

len zwischen dem 1. Januar 1999 und dem

ist kaputt“

Entwicklung illegaler Entlassungen in mehre-

31. Dezember 2003 zurückgreifen. Davon hat

ren Kampagnen gegen Gewerkschaftswahlen

sie 562 Kampagnen eingehender untersucht

untersucht. Sie konnten auf belastbares Daten-

und kommt zu folgendem drastischen Befund:

material seit 1974 und auf frühere Studien zu-

„Unser Arbeitsrechtssystem ist kaputt“ (Bron-

rückgreifen; für Einzelaspekte war sogar eine

fenbrenner 2009b: 26).

Betrachtung ab 1951 möglich. Die Autoren kommen zu folgenden Schlüssen: „Beginnend mit

Ohne Rücksicht auf Verluste

dem Ende der 1970er, aber vor allem seit den

Die Forscherin Kate Bronfenbrenner

frühen 1980er Jahren, fingen amerikanische

schreibt im Jahr 2009 über Arbeitgeber-

Arbeitgeber an, als Strategie zur Untergrabung

Strategien in den USA gegen Wahlen zur

von

Gewerkschaftsanerkennung im Betrieb:

Gewerkschaftsvertretungs-Kampagnen

systematischen und weitverbreiteten Gebrauch

„In 96 Prozent der Fälle startete der Ar-

von illegalen Entlassungen zu machen. […] Von

beitgeber eine Anti-Gewerkschaftskampa-

diesem Höhepunkt in den frühen 1980ern ging

gne; in 89 Prozent der Fälle hielt er als ver-

die Rate in den 1990ern etwas zurück, auch

pflichtend angeordnete Belegschaftsver-

wenn sie verglichen mit früheren Maßstäben

sammlungen ab;8 in 53 Prozent der Fälle

hoch blieb. Ab 2000 jedenfalls stieg die Zahl

waren es mehr als 5 Versammlungen;

Illegale Entlassungen

illegaler Entlassungen stark an“ (Schmitt/Zip-

7 Die Realität dieser Räte ist allerdings ernüchternd. Amerikanische Quellen sprechen von einer systematischen Aushöhlung und Unterfinanzierung des NLRB und seiner ursprünglichen Möglichkeiten (siehe Logan 2011a). 8 Ziel dieser Versammlungen ist es, die Angestellten gezielt antigewerkschaftlich zu beeinflussen und einzuschüchtern.

17


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

in 75 Prozent der Fälle wurden externe Be-

vestment-Regeln, unterfinanzierten und

rater hinzugezogen; in 74 Prozent der Fäl-

schwachen

le wurden Anti-Gewerkschaftsflugblätter

scheint Arbeitgeber ermutigt zu haben,

verteilt; in 61 Prozent der Fälle waren es

sich zunehmend über das Bundesgesetz

mehr als 5 verschiedene“ (Bronfenbren-

für Arbeitsbeziehungen hinwegzusetzen.

ner 2009b: 11).

Es gibt keine Bußgelder oder Strafverfah-

Sie kommt daher zu drastischen Schlüs-

ren und keine gesonderten Strafen für

sen über den Zustand der regulierten Ar-

Wiederholungstäter (Bronfenbrenner

beitsbeziehungen in den USA:

2009b: 24-26).

Arbeitsaufsichtsbehörden

„Die Zeiten werden härter. […] Das Wesen der Gegenmaßnahmen wan-

John Logan hat die Entwicklung der Arbeitsauf-

delt sich hin zu Zwangs- und Bestrafungs-

sichtsbehörde NLRB analysiert: Seit ihrer Ein-

Errungenschaften

taktiken, die darauf zugeschnitten sind,

richtung während des New Deals in den 1930er

des New Deals syste-

Gewerkschaftsaktivitäten intensiv zu über-

Jahren unter Präsident Franklin Roosevelt ist

matisch demontiert

wachen und abzustrafen.

sie schrittweise zurückgebaut worden, sowohl

Der Einsatz von Beratern und als verpflich-

personell als auch durch den Entzug von Kom-

tend angeordneten Belegschaftsversamm-

petenzen. Unter Präsident Ronald Reagan wur-

lungen (Captive Audience Meetings) und

den unter dem Motto „Kampf gegen die Korrup-

Einzelgesprächen mit Vorgesetzten blieb

tion“ den Gewerkschaften, nicht jedoch den

in den letzten 20 Jahren relativ konstant,

Unternehmern erstickende bürokratische Be-

aber der Einsatz von Zwangs- und Vergel-

richtspflichten auferlegt. Unter Präsident

tungsmaßnahmen hat zugenommen.

George W. Bush wurde diese Praxis weiter ver-

Gleichzeitig hat die Bereitschaft der Ar-

schärft, und in der Amtszeit von Barack Obama

beitgeber abgenommen, Anreize zu setzen

läuft sie unverändert weiter. Dass Obama hier

wie außerplanmäßige Lohnerhöhungen,

nichts tut, obwohl er seine Wahlsiege auch den

Personalwechsel, Versprechen von Ver-

Gewerkschaften verdankt, verstärkt die Resig-

besserungen, Bestechung, Gefälligkeiten,

nation in der Arbeiterschaft (Logan 2011a).

Events, Weiterbildungsprogramme.

18

Forscher wie Logan, Bronfenbrenner und

Maßnahmen, die früher typisch für ag-

andere kamen deshalb Ende der 1990er Jahre

gressive Arbeitgeber wie Walmart waren,

zu der Feststellung, dass die Gewerkschaften

sind nicht länger dem extrem antigewerk-

sich reorganisieren müssen, etwa durch strate-

schaftlichen Spektrum des Arbeitgeberla-

gische Erschließung und gewerkschaftliche

gers vorbehalten.

Organisierung neuer Betriebe und Branchen

Die Kombination von Deregulierung, in-

(Organizing) sowie gezielte Aktionen gegen

vestorenfreundlichen Handels- und In-

Union-Busting, wenn sie nicht noch unbedeu-


U NION -B USTING

IN DEN

USA UND IN D EUTSCHLAND

tender werden wollten, als sie es schon gewor-

im Bereich des Arbeitslebens fest: Selbst wenn

den waren (vgl. Bronfenbrenner/Friedman/

Arbeitsgerichte Beschäftigten etwa nach einer

Hurd 1998).

Kündigung Recht gaben, hieß das meist nicht, dass die Beschäftigten wieder eingestellt wur-

2.2 Union-Busting in Deutschland

den oder gesetzlich geschützt eine Wahl zum Betriebsrat durchführen konnten. Der Schutz

Der Begriff Union-Busting oder ein entspre-

der Arbeitgeberinteressen sei und bleibe das

chender deutscher Begriff wurden lange Jahre

vorrangige Prinzip, Arbeitsrecht und Betriebs-

nicht verwendet. Es lag auch kein besonderes

verfassungsgesetz gälten erst in zweiter Linie

Augenmerk auf dem Spektrum an professionel-

(vgl. Zeuner 1991).

len Dienstleistern und proaktiven Beratern, die

Diese kritisch-analytischen Ansätze verlo-

von den Unternehmensleitungen herangezo-

ren sich im Trubel der „Wende-Zeit“. Die westli-

gen wurden, sowie auf unternehmensinternen

chen Gewerkschaften wurden in der öffentli-

Stabsstellen, die eigens für diese Aufgaben

chen Wahrnehmung als Verlierer des Zusam-

geschaffen wurden.

menbruchs der sozialistischen Staaten gehan-

Unternehmer-

1987 veröffentlichte das Rheinische Journa-

delt. Für die genannten Autoren waren, wie

methoden gegen

listenbüro eine Sammlung von Reportagen

schon erwähnt, professionelle Dienstleister

Betriebsratswahlen in

über Fälle aggressiver Betriebsratsverhinde-

beim Kampf der Unternehmensleitungen gegen

Deutschland bereits

rung bei BMW, beim WAZ-Zeitungskonzern (Es-

Gewerkschaften und Betriebsräte noch kein

1987 beschrieben

sen), beim damals größten deutschen Schnitt-

Thema. Man erwähnte zwar häufig nebenbei,

blumenbetrieb Buhk (Hamburg), bei der Ge-

dass auch „Anwälte“ beteiligt waren und zahl-

bäudereinigungsfirma Schäfer (Neukirchen-

reiche Abmahnungen verschickten. Aber kein

Vluyn), bei der Hühnerfarm Pohlmann (Neuen-

einziger Anwalt wurde beim Namen genannt.

kirchen-Nellinghof) und bei McDonald’s (vgl.

Arbeitsrechtsprofessoren, die den Unterneh-

Rheinisches Journalistenbüro 1987).

mensvorständen jahrzehntelang wissenschaft-

Etwa zu dieser Zeit wird das Thema auch

lich und medial zu Hilfe gekommen waren, wur-

zum Gegenstand wissenschaftlicher empiri-

den nicht als Teil des Problems betrachtet und

scher Untersuchungen: 1991 gab der Politikpro-

daher nicht erwähnt. Auch die bis in die 1980er

fessor Bodo Zeuner einen Sammelband über

Jahre wirkenden und weit verbreiteten Metho-

Betriebsratsbekämpfung in deutschen Unter-

den der Gewerkschaftsniederhaltung, die nach

nehmen heraus. Es handelte sich um die Berli-

dem „Harzburger Modell“ gestrickt waren,

ner Niederlassungen von Ford, Monheim (Scho-

blieben ausgeblendet. Diese modellhafte Pra-

koladenindustrie), BMW, Siemens und Bosch

xisanleitung wurde in der von Konzernen finan-

sowie um VW in Salzgitter und Hoechst in

zierten „Akademie für Führungskräfte der Wirt-

Frankfurt-Griesheim. Zeuner stellte anhand der

schaft“ in Bad Harzburg gelehrt und erlangte

konkreten Fälle die mangelnde Rechtsgeltung

bis in die 1980er Jahre hinein in deutschen Un-

19


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

ternehmen eine weite Verbreitung, ohne wis-

versucht worden, die Bildung von Betriebsrats-

senschaftlich und publizistisch gebührend Be-

gremien zu verhindern bzw. zu beeinflussen.

9

Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, wie

achtung zu finden.

klar Lucifero damals die Methodik erkannte – Frühe Warnsignale

und gleichzeitig überraschend, dass eine sys-

Der Thüringer ver.di-Sekretär Angelo Lucifero

tematische Beschäftigung mit der Problematik

berichtete im Jahr 2002 von Methoden, die

trotzdem ausblieb.

Gründung eines Betriebsrats (BR) zu verhindern und – aufgrund mangelnden Erfolgs – an-

Im Jahr 2003 protokollierte ein anonymer Ge-

schließend einzelne Betriebsratsmitglieder

werkschafter das Seminar „In Zukunft ohne

systematisch zur Aufgabe zu bringen: „In einer

Betriebsrat (BR)“, das die Kanzlei Schreiner +

Tochterfirma des HELIOS-Klinikums Erfurt, der

Partner mit Sitz in Attendorn damals regelmä-

Klinikum Erfurt Reinigungs GmbH, wurde 2001

ßig für Manager und Unternehmer abhielt und

erstmals versucht, einen Betriebsrat zu wäh-

auch heute noch in vergleichbarer Form abhält.

len. Die Wahl wurde mehrfach durch die Ge-

Darin werden vier Königswege skizziert, wie

schäftsführung angefochten, Wahlvorstands-

man eine betriebsratsfreie Zone schaffen kann:

mitglieder wurden gekündigt; es erfolgten

Durch die Bildung kleinerer Unternehmens-

Zwangsversetzungen und reihenweise Abmah-

einheiten kann dem bestehenden Betriebs-

nungen. Nachdem der Betriebsrat dann doch

rat die Basis entzogen werden.

rechtskräftig ins Amt kam, wurde durch die Ge-

Gegen den bestehenden Betriebsrat nach

schäftsführung rechtswidrig eine Bewachungs-

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kön-

firma beauftragt, ein unangenehmes Betriebs-

nen alternative Belegschaftsausschüsse

ratsmitglied zu bespitzeln. Über mehr als zwei

mit dem Ziel initiiert werden, den Betriebs-

Wochen wurde minutiös dokumentiert, wo sich

rat durch loyale Vertretungen zu ersetzen.

Frau H. aufgehalten und was sie getan hat. Auf

Die Konfrontationsstrategie besteht darin,

der Basis dieser Bespitzelungsprotokolle kam

den gesamten Betriebsrat oder einzelne Be-

wegen ungenügender Arbeitsleistung und -do-

triebsratsmitglieder wegen „grober Verstö-

kumentation die fristlose Kündigung.“

10

ße“ gegen das BetrVG gemäß § 23 Abs. 1 vor

Lucifero beschreibt hier auf komprimierte

Gericht zu bringen oder einzelne Betriebs-

Weise eine damals häufig angewandte Metho-

ratsmitglieder mit Hilfe des Zustimmungs-

de. Weiter berichtet er, bei den Betriebsrats-

ersetzungsverfahrens vor dem Arbeitsge-

wahlen 2001 sei von Unternehmerseite häufig

richt zu kündigen. Auch wenn das Gericht

9 Zum „Harzburger Modell“ siehe die Hinweise zu Aldi in Kapitel 4.2. 10 Angelo Lucifero: Bespitzelung und Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes, http://labournet.de/branchen/ dienstleistung/gw/helios.html vom 3.5.2002, abgerufen 31.1.2013.

20


U NION -B USTING

IN DEN

USA UND IN D EUTSCHLAND

die Klagen zurückweist, hat das starken ne-

– Der Rausschmeißer“; es ist die Rede von „sys-

gativen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit

tematischem Psychoterror“. Die Stuttgarter

des Betriebsrats.

ver.di-Sekretärin Christina Frank nannte Nau-

Naujoks sorgt

Mit der Wahlbeeinflussungsstrategie wird

joks „einen brutalen Betriebsratskiller, dem

für Empörung

12

versucht, auf die Wählerliste Einfluss zu

jedes Mittel recht ist“. Das Interesse der „Süd-

nehmen und somit darauf, wer wählen und

deutschen Zeitung“ wurde auch geweckt durch

wer sich zur Wahl stellen darf. Häufig ver-

den zähen Widerstand von Seiten der Betriebs-

sucht man dabei, leitende Angestellte für

rätin Andrea Widzinski, die von Naujoks nach

die Wahl zu positionieren. Dabei wird auch

elf Jahren Betriebsratstätigkeit in der Volks-

die Geschlechterquote instrumentalisiert,

bank Ludwigsburg zur Aufgabe ihres Arbeits-

indem unliebsame Kandidaten durch aus

platzes gebracht werden sollte.

Unternehmenssicht geeignetere (beein-

Der Schriftsteller Günter Wallraff, der seit

flussbare) Kandidatinnen und Kandidaten

den 1960er Jahren Reportagen aus der Arbeits-

ersetzt werden. Ziel der Strategie ist, eine

welt veröffentlicht, nahm ab 2008 solche Prak-

arbeitgeberfreundliche Liste zu etablieren.

tiken ebenfalls aufs Korn. Mit seinen „Expedi-

Auch eine formale Anfechtung der Wahl ge-

tionen ins Landesinnere“ machte Wallraff eine

11

hört zu den eingesetzten Strategien.

größere Öffentlichkeit mit dem Wirken der deutschen Union-Busting-Berater und Rechts-

Erst ab etwa 2007 wurde das Thema allmählich

anwälte Naujoks und Dirk Schreiner bekannt

von überregionalen Medien entdeckt. Auslöser

(vgl. Wallraff 2009). Der Kölner Autor Albrecht

waren die Aktivitäten des Rechtsanwalts Helmut

Kieser beschrieb – oft in Zusammenarbeit mit

Naujoks: Aufsehenerregende Fälle gezielter Be-

Wallraff – ausgehend von Informationen über

kämpfung von Betriebsräten drangen zunächst

die Tätigkeit Naujoks’ in Radio-Features und

an die lokale, dann an eine bundesweite Öffent-

TV-Reportagen seit 2008 einzelne Fälle aggres-

lichkeit. Durch Naujoks’ unverblümtes Auftreten

siven Betriebsrats-„Bossings“. Auch wenn Kie-

Der Begriff Bossing

wurde eine Systematik erkennbar, die nicht

ser und Wallraff für sich den Begriff des Bos-

taucht ab 2007 in

mehr mit den besonderen Neigungen einzelner

sings (Mobbing durch den Boss) verwendeten,

Deutschland auf

Vorgesetzter erklärbar war.

um die festgestellten Methoden zu benennen,

Uwe Ritzer titelte 2007 in der „Süddeutschen Zeitung“: „Ein Mann für besondere Fälle

beschreiben sie einige wichtige Aspekte unseres Themas.13

11 Anonymus: „In Zukunft ohne Betriebsrat“. Praxisseminar Schreiner. Protokoll eines ver.di-Mitarbeiters, der undercover teilnahm, Ort und Zeit unbekannt. Labournet 10.9.2003. www.labournet.de/archiv/gewerkschaft/ btrvg/ohnebr.pdf, abgerufen 15.2.2013. 12 Uwe Ritzer: Ein Mann für besondere Fälle – Der Rausschmeißer, in: Süddeutsche Zeitung, 13.7.2007. 13 Brennpunkt Betrieb: „Bossing als politisches Konzept“, http://www.work-watch.de/bossing-als-gesellschaftspolitisches-konzept/, abgerufen 26.6.2013; in den USA wird statt Bossing der Begriff „harrassement“ für systematische Schikanierung von Untergebenen verwendet (vgl. Bronfenbrenner 2009: 1, 19).

21


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Nicht zu unterschätzen für die öffentliche

In etwa zeitgleich zu unserer Arbeit hatte

Wahrnehmung des Problemfelds waren ferner

das Forscherteam Martin Behrens und Heiner

Investigative TV-

die Arbeiten investigativer Journalisten der TV-

Dribbusch vom Wirtschafts- und Sozialwissen-

Formate berichten

Magazine frontal21, Monitor, stern TV und RTL

schaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-

explosiv sowie der dritten ARD-Programme

Stiftung mit einer Umfrage unter DGB-Gewerk-

(NDR fakt, WDR Markt u. a.), die sich ebenfalls

schaften begonnen. Sie gingen einer ähnlichen

seit etwa 2008 stärker mit der Unterdrückung

Fragestellung nach wie unsere Studie, verfol-

von Betriebsräten und Gewerkschaftsmitglie-

gen aber eine andere Methode. Die Wissen-

dern befassen.

schaftler verschickten einen Multiple-Choice-

Insbesondere im Bereich der Supermarkt-

Fragebogen an Gewerkschaftssekretariate und

und Discounterketten regte es sich im gewerk-

fragten in lokalen Gliederungen der Gewerk-

schaftlichen Umfeld. Die Hans-Böckler-Stif-

schaften ver.di, NGG, IG Metall und IG BCE bun-

tung veröffentlichte eine Monografie von Sa-

desweit verschiedene Methoden der Betriebs-

rah Bormann zum Drogerie-Discounter Schle-

ratsverhinderung und -bekämpfung ab. Diese

Management-Opposi-

cker, in der sie mitbestimmungsfeindliche

wurden anonymisiert ausgewertet. Insgesamt

tion: 241 Versuche,

Strategien analysiert (Bormann 2007). Der

ließen sich 241 Betriebe finden, in denen Ar-

Betriebsratsgründun-

ver.di-Bezirk Rhein-Neckar veröffentlichte

beitgeber nach Kenntnis lokaler Gewerk-

gen zu verhindern

2010 eine umfangreiche Broschüre, in der die

schaftssekretäre seit 2010 versucht hatten, Be-

Schlecker-Kampagne 1994/1995 der Vorgän-

triebsratsgründungen zu verhindern – in

ger-Gewerkschaft HBV dargestellt und analy-

34 Prozent der Fälle mit Erfolg. Im Schnitt kann-

siert wurde. Schlecker hatte zahlreiche Be-

ten 59 Prozent der befragten Sekretäre Fälle

schäftigte gekündigt, die einen Betriebsrat

von Behinderungen der Betriebsratswahl durch

gründen wollten, und in einem Fall auch Be-

das Management. Die hierfür eingesetzten

stechungsgelder eingesetzt, um einen ge-

Maßnahmen waren die Einschüchterung mögli-

wählten Betriebsrat von einer Betriebsratssit-

cher Kandidaten (73 Prozent der Fälle), Verhin-

zung fernzuhalten (ver.di Rhein-Neckar 2007).

dern der Bestellung eines Wahlvorstandes

Die von der Gewerkschaft ver.di herausgege-

(43 Prozent), Kündigung von Kandidaten

benen Schwarzbücher über den Discounter

(24 Prozent), Kündigung von Mitgliedern des

Lidl in Deutschland und Europa vermitteln ge-

Wahlvorstandes (18 Prozent), „Herauskaufen“

nauere Einblicke in rabiate, vielfach geset-

von Kandidaten (16 Prozent), Verweigerung der

zeswidrige Strategien (ver.di 2004; 2006).

Herausgabe von Personallisten zur ordentli-

Hinzu kamen autobiografische Konfliktge-

chen Wahlvorbereitung (12 Prozent) (Behrens/

schichten

Dribbusch 2014: 143-145).

22

der

Lidl-Betriebsrätin

Ulrike

Schramm-de Robertis (2010) und des ausge-

Neben der Verhinderung von Neugründun-

stiegenen Aldi-Managers Andreas Straub

gen stand für Behrens und Dribbusch die von

(2012).

ihnen „Managementopposition“ genannte In-


U NION -B USTING

IN DEN

USA UND IN D EUTSCHLAND

tervention gegen etablierte Betriebsräte und

berfinanzierte Organisationen und Institute.

ihre Mitglieder im Fokus. Hier war der Rücklauf

Darin wurde detailliert die Arbeit der privatfi-

aus den lokalen Gliederungen der vier DGB-

nanzierten „Economic Development Partner-

Gewerkschaften niedriger. Im Schnitt gaben

ship of Alabama“ geschildert, die Unterneh-

38 Prozent der befragten Sekretäre an, solche

men bei der Verhinderung gewerkschaftlicher

Fälle zu kennen. Zu den festgestellten Maß-

Arbeit und Organisierung in den Betrieben pro-

nahmen gehörten die Kündigung von BR-Mit-

fessionell unterstützte und dafür eigens die

gliedern (56 Prozent), das Drängen zum Rück-

„Right-to-Work-Stiftung“ gegründet hatte.14 Die

tritt (36 Prozent), Beantragung der Auflösung

Stiftung finanzierte einen Berater, der die Inte-

des BR beim Amtsgericht (13 Prozent) und die

ressen der Stiftung und der Beschäftigten, die

gezielte Reorganisation/Aufspaltung des Un-

sich nicht von der UAW vertreten lassen wollten

ternehmens (12 Prozent) (Behrens/Dribbusch

und die sich im „Informationskommitee der

2014: 145-147).

Team-Mitglieder“ zusammengeschlossen hat-

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gast-

ten, im Werk vertreten sollte. Dieser in der ge-

stätten (NGG) hat unseres Wissens erstmals den

gengewerkschaftlichen Arbeit erfahrene Bera-

Begriff Union-Busting in einem deutschen Text

ter führte die mediale Begleitung der Anti-

verwendet. In einer Studie über McDonald’s

UAW-Kampagne durch.15

stellte die NGG fest: „Die aus der amerikani-

Dieselbe Zeitung veröffentlichte einen Be-

schen Sozialpolitik bekannte Strategie des

richt des Gewerkschafts-Campaigners Jeffrey

Vorreiter in

‚Union-Busting‘ soll auch in Deutschland salon-

Raffo. Er beschrieb einen erbitterten Konflikt

Deutschland

fähig gemacht werden“ (NGG 1999: 3).

im US-Bundesstaat Indiana beim Katalogver-

McDonald’s als

Im Jahr 2000 findet sich in der linksgewerk-

sand Brylane, der seit 1999 zum französischen

schaftlichen Zeitung „express“ die detaillierte

Konzern Pinault-Printemps-Redoute gehörte

Beschreibung eines Falls von Union-Busting in

(bekannt durch Marken wie Gucci oder Yves

Union-Busting

einem Werk von Mercedes-Benz im US-Bundes-

Saint-Laurent). Die etwa 1000 Beschäftigten,

bei Daimler Benz

staat Alabama. Es ging um die erfolgreiche Zer-

überwiegend Frauen, versuchten vergeblich,

in Alabama

schlagung einer Organisierungskampagne der

die Anerkennung ihrer Gewerkschaft Unite mit

United Automobile Workers (UAW, Vereinigte

Hilfe gesetzlich vorgeschriebener und garan-

Automobilarbeitergewerkschaft) durch einen

tierter Wahlen zu erreichen. Das Unternehmen

Union-Busting-Berater und spezielle arbeitge-

ging bei der Behinderung dieser Anerkennung

14 Right to work: Der Begriff beteuert ein Recht auf Arbeit, ist aber irreführend. Gemeint ist das Recht, trotz Streikaufrufs zu arbeiten und gewerkschaftsfrei zu bleiben. Die entsprechende Gesetzgebung, die gegenwärtig in 24 US-Staaten gilt, heißt „Right to Work Law“. Vgl. Richard Kahlenberg/Moshe Marvit: „Right to Work“ Isn’t a Civil Right. But Unionizing Should Be („Recht auf Arbeit“ ist kein Bürgerrecht, aber gewerkschaftliche Organisierung sollte es sein), in: New Republic, 13.12.2012. 1 5 Jeff Ball: Gehe zurück auf null? Zur Organisierungskampagne der UAW in Alabama, in: Wall Street Journal, 31.1.2000, erschienen in: express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Nr. 2/2000.

23


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

systematisch vor (antigewerkschaftliche Be-

Arbeiter auf Anordnung des Brylane Manage-

triebsversammlungen, Verbreitung von antige-

ments zur ersten Priorität der Firma.“16

werkschaftlichen Flugblättern und persönli-

Diese Berichte schildern erstmals Union-

chen Briefen, Entlassungsdrohungen etc.). Raf-

Busting mit detaillierter Nennung der Akteure

fo beschrieb dabei die handelnden Akteure als

und ihrer konkreten Tätigkeiten. Bisher richte-

„Union-Busters“: „Brylane musste diese unsau-

ten sich Aufmerksamkeit und Interesse in

bere Strategie nicht allein entwickeln. Ice-Mil-

Deutschland meist auf skandalöse Arbeitsbe-

ler, eines von vielen antigewerkschaftlichen

dingungen in einzelnen Betrieben und Bran-

Beratungsunternehmen (sogenannten ‚Union-

chen sowie auf besondere Aspekte oder Diskur-

Busters‘), wurde eigens dafür eingestellt. Auf

se wie Prekarität, Neoliberalismus oder Post-

ihren Websites bieten solche Unternehmen

fordismus. Dies hat sich, wie Kapitel 2 gezeigt

Serviceangebote wie ‚unionfree maintenance

hat, seit Anfang des Jahrzehnts geändert.

training‘ [Schulung dazu, wie man einen Be-

Inzwischen wird auch in deutschen Gewerk-

trieb

hält,

schaften an prominenter Stelle von Union-Bus-

A. d. Vf.] und ‚vulnerability audits‘ [Analyse ei-

ting als einer systematischen Praxis in Deutsch-

nes Betriebs im Hinblick auf die Ansprechbar-

land gesprochen (Boewe/Schulten 2013) und in

keit der Beschäftigten durch Gewerkschaften,

der Diskussion um das ebenfalls in den USA

A. d. Vf.] an. Ice-Miller machte die Kampagne

entwickelte Prinzip des Organizing berücksich-

gegen die organisierenden Arbeiterinnen und

tigt (Wetzel 2013).

dauerhaft

gewerkschaftsfrei

16 Jeffrey Raffo: Der Duft der weiten Welt. Von Brylane über Yves St. Laurent und Gucci zurück, in: express – Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 4/2003, www.orka-web.de/Weiterlesen/ DerDuftDerWeitenWelt.pdf, abgerufen 16.1.2013.

24


N EUORDNUNG DES A RBEITSMARKTES UND MÄCHTIGE I DEENGEBER

3. Die Neuordnung des Arbeitsmarktes und die Rolle mächtiger Ideengeber Um nachvollziehen und verstehen zu können, auf welcher Grundlage und infolge welcher Ver-

3.1 Die Neuordnung des Arbeitsmarktes

änderungen der Wirtschafts- und Arbeitswelt

Parallel zu den Finanz- und Unternehmensver-

sich Fälle von systematischer Bekämpfung von

hältnissen wurde mit besonderer Intensität seit

Betriebsräten ausbreiten, lohnt es sich, einen

Ende der 1990er Jahre auch der Arbeitsmarkt in

Blick auf die zentralen Arbeitsmarktreformen

Deutschland dereguliert. Die Ausweitung von

und strukturellen wirtschaftlichen Veränderun-

Leiharbeit, von Mini- und Midijobs, Soloselbst-

gen der letzten Jahre zu werfen.

ständigkeit, von Befristungen sowie erhöhte

Dabei darf nicht außer Acht gelassen wer-

Flexibilisierungsanforderungen und die Zunah-

den, dass bei diesen Entwicklungen auch ver-

me von Werkverträgen ist verbunden mit der

schiedene Institute und Stiftungen, die als

systematischen Auslagerung von Unterneh-

Ideengeber und Vordenker die politischen, wis-

mensteilen und der Problematik der Tarifflucht.

senschaftlichen und öffentlichen Diskussionen

Dies hat dazu geführt, dass gesicherte, kolle-

Kollegiale Arbeits-

beeinflussen und mitprägen, von erheblicher

giale Arbeitsverhältnisse und das damit ver-

verhältnisse

Bedeutung waren. Sie sind, direkt und indi-

bundene Selbstbewusstsein der Belegschaften

stehen unter Druck

rekt, in die praktische und theoretische Vorbe-

zunehmend unter Druck geraten sind.

reitung und Begünstigung von Union-Busting-

Die 2005 erfolgte Zusammenlegung von Ar-

Praktiken in Deutschland involviert. Diese

beitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslo-

Praktiken wurden durch die Neuregulierung

sengeld (ALG) II und der dadurch gestiegene

der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik begünstigt

Druck auf ALG-II-Bezieher, (aufgrund der Zu-

bzw. teilweise erst ermöglicht. Zudem treten

mutbarkeitsregelung) jedwede Arbeit anzuneh-

einige Juristen aus diesem Feld, die rechtliche

men, dürfte einen beträchtlichen Anteil an der

Gutachten und Aufträge für Unternehmen, An-

Expansion des Niedriglohnsektors haben.

Schaffung des

wälte und Verbände erstellen, mit einer dezi-

Durch die Zahlung von aufstockendem ALG II für

deutschen

diert und explizit mitbestimmungsfeindlichen

Geringverdiener subventioniert der Staat zu-

Niedriglohnsektors

Agenda auf. Einige der wichtigsten Akteure und

dem Niedriglöhne und schafft Anreize für Un-

ihre Arbeitsschwerpunkte werden im Folgen-

ternehmer, verstärkt auf geringfügige Beschäf-

den hier diskutiert. Zuerst seien jedoch die an-

tigung zu setzen. Zeitgleich und teilweise

gesprochenen grundsätzlichen Verschiebun-

dadurch befördert nahm der Druck auf langjäh-

gen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, die das

rig Beschäftigte mit regulären Verträgen zu.

Gelegenheitsfenster für Union-Busting weit

Zwar bedarf es für einen methodisch und

aufgestoßen haben, in gebotener Kürze skiz-

empirisch gesicherten Nachweis, inwiefern

ziert.

und in welchem Umfang diese Neustrukturierungen des Arbeitsmarktes zur Herausbildung der in dieser Untersuchung nachgewiesenen antigewerkschaftlichen Praktiken und Union-

25


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Busting-Strategien geführt haben, einer genau-

verbände, die sich auf bestimmte Bereiche der

eren wissenschaftlichen Analyse. Dennoch las-

zerklüfteten Arbeitsverhältnisse spezialisie-

sen sich einige grundlegende Zusammenhänge

ren, etwa bei den Briefzustelldiensten und bei

herstellen, die als maßgeblich für die Entste-

Dienstleistungen für Krankenhäuser und Su-

hung dieser Problematik betrachtet werden kön-

permärkte. Auch die Branche der Verleihfir-

nen. So ist nach wie vor eine starke Tendenz zur

men, die früher alle im Leiharbeitsgeschäft tä-

Aufgliederung und Heterogenisierung von Ar-

tig waren, hat sich auf einzelne Segmente spe-

beitsverhältnissen und Unternehmensformen zu

zialisiert, z. B. auf Werkvertragsarbeiter oder

Auslagerung und

beobachten. Unternehmen werden mit Hilfe von

Regaleinräumer.

Aufspaltung erschwe-

Unternehmensberatern, Wirtschaftsprüfern und

Diese neuen Arbeitgeberverbände und

ren Organisierung

Investmentbanken in viele Tochter- und Beteili-

Leiharbeitsfirmen können wiederum auf gelbe,

gungsunternehmen im In- und Ausland aufge-

wirtschaftsfreundliche Gewerkschaften zurück-

spalten. Die rechtlichen Unternehmenseinhei-

greifen, die sich vermehrt anbieten, um Tarif-

ten werden dadurch immer kleiner.

verträge der etablierten Gewerkschaften zu

Gleichzeitig werden die traditionellen For-

unterlaufen. Selbst wenn Tarifverträge beste-

men der lohnabhängigen Arbeit immer weiter

hen, kann ihre Umsetzung kaum kontrolliert

aufgeweicht. Dem „Normalarbeitsverhältnis“

werden. Sogar ein Weltmarktführer wie die

stehen heute zunehmend Formen von „atypi-

Verleihfirma Randstad kann so die Lohnabrech-

scher“ Arbeit gegenüber. Sie reicht von lang-

nungen zulasten der Leiharbeiter manipulieren

fristiger Leih- und Werkvertragsarbeit über zu-

und den eigenen Beschäftigten dafür Boni be-

nehmende Formen der Soloselbstständigkeit,

zahlen – ohne dass die Aufsichtsbehörden ein-

Minijobs bis zu prekären und niedrig bezahlten

greifen.17

Arbeitsverhältnissen, die vom Staat „aufge-

In dieser vielfältig zerklüfteten Landschaft

stockt“ werden müssen. Es haben sich insbe-

sind nun neuerdings die in dieser Studie be-

sondere in den unteren Arbeitsmarktsegmen-

schriebenen, professionellen Betriebsratsfein-

Der Trend zur

ten auch Mehrfachbeschäftigungen etabliert.

de im Auftrag der Unternehmensleitungen tä-

Tarifflucht und das

In Deutschland entstand so das lange Zeit nur

tig. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass

Entstehen neuer

aus den angloamerikanischen Ländern bekann-

die gewerkschaftliche Organisierung und die

Arbeitgeberverbände

te Phänomen der Arbeitsarmut („Working

Vertretung von Belegschaftsinteressen durch

Poor“) (Seils 2012).

gewählte Betriebsräte und vor allem die Neu-

Die Tarifflucht der Unternehmer ist zudem verbunden mit der Bildung neuer Arbeitgeber-

wahl von Betriebsräten immer schwieriger geworden sind.

17 Achim Pollmeier/Peter Onneken: Ausgetrickste Leiharbeiter. Das Totalversagen der Bundesagentur für Arbeit, ARD/Monitor 4.7.2013.

26


N EUORDNUNG DES A RBEITSMARKTES UND MÄCHTIGE I DEENGEBER

3.2 Diskursive und strategische Projekte mächtiger Ideengeber

wissenschaftliche und künstlerische Projekte fördern (z.B. Deutsche Bank, BMW/Quandt, McKinsey, Price Waterhouse Coopers). Einige

Insbesondere Unternehmensstiftungen und ar-

Stiftungen sind zugleich als Lobbyisten im Be-

beitgebernahe bzw. arbeitgeberfinanzierte

reich Arbeitsrecht tätig. Das wachsende Seg-

Ideologische

Wissenschaftsinstitute arbeiten seit längerer

ment des Lobbyismus ist seit einigen Jahren

Vorfeldarbeit

Zeit daran, Arbeitsrechte, kollektive Arbeit-

Objekt kritischer Analysen und bürgerrechtli-

nehmermitbestimmung und den sozialstaatli-

cher Initiativen.18 Wir greifen hier nur solche

chen Status quo umzugestalten.

Aktivitäten auf, mit denen Stiftungen auf politi-

Dabei ist es keinesfalls überraschend, dass

sche Parteien und auf die Öffentlichkeit Ein-

arbeitgebernahe Institutionen politisch an ei-

fluss zu nehmen versuchen und mit denen sie

ner Agenda im Sinne ihrer Auftraggeber arbei-

einen bedeutenden Anteil an der im vorigen

ten. Gleichwohl sind die folgenden Stiftungen

Kapitel beschriebenen Neuordnung des Ar-

und Institute zentral für das Verständnis des-

beitsmarktes haben. Sie bereiten in indirekter

sen, was sich in den vergangenen Jahren in Be-

Weise den Boden für die antigewerkschaftli-

zug auf gewerkschafts- und mitbestimmungs-

chen Praktiken der Union-Busting-Akteure.

feindliche Einstellungen und Strategien verän-

Beispielhaft hierfür werden aufgrund ihrer be-

dert und in diesem Sinne den ideellen und

sonderen Relevanz und Bedeutung zwei Stiftun-

praktischen Nährboden für Union-Busting be-

gen porträtiert.

reitet hat. Diese Akteure sind zudem in verschiedener Weise mit den in Kapitel 6 disku-

Bertelsmann Stiftung. Die Bertelsmann Stif-

tierten Akteuren verbunden. Auch wenn sie

tung besitzt den Großteil der Aktien des Ber-

nicht direkt als „Union-Buster“ in den Betrie-

telsmann-Konzerns. Nachdem sie vom NRW-

ben auftauchen, können sie als wesentlich für

Wissenschaftsministerium unter Johannes Rau

die Verbreitung von Union-Busting in Deutsch-

(SPD) 1977 als gemeinnützig anerkannt worden

land betrachtet werden.

war, konnte der größte europäische Medienkonzern seine Steuern erheblich verringern.

Unternehmensstiftungen

Dafür finanzierte der Konzern die Stiftung bis

Die Gesellschaftsform der Stiftung hat ein äu-

2012 mit einer Milliarde Euro; der Jahresetat

ßerst positives, weil wohltätiges Image. Auch

2012 betrug 111 Millionen Euro. Gegenwärtig

zahlreiche Unternehmen gründen staatlich ge-

beschäftigt sie 328 Mitarbeiter und 19 Füh-

förderte Stiftungen. Damit können sie Steuern

rungskräfte und unterhält Büros in Washington

senken (z.B. Aldi, Bertelsmann) und karitative,

und Brüssel (Bertelsmann 2013: 83-86). Schon

18 Etwa durch den Verein Lobbycontrol e. V.; siehe: www.lobbycontrol.de und www.lobbypedia.de.

27


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Anfang der 2000er Jahre war sie zum mächtigs-

Zumutbarkeitsregeln bei der Arbeitsaufnahme,

ten Einflüsterer deutscher Regierungen, Minis-

die stärkere Einbeziehung der Vermögen, ver-

terien, Kommunen und Parteien aufgestiegen

kürzte Anwartschaftszeiten und neue Sank-

(Böckelmann/Fischler 2004).

tionsmöglichkeiten in die Hartz-Gesetze Ein-

Die Stiftung war nicht in der Hartz-Kommis-

gang (Hassel/Schiller 2010).

sion vertreten, wollte und sollte aber bei der

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen

Deregulierung des Arbeitsmarktes mitwirken.

setzte die enge Zusammenarbeit mit der Stif-

Deshalb gründete das von der Stiftung schon

tung fort. Mit 1,35 Millionen Euro finanziert das

länger beratene Bundesarbeitsministerium

Ministerium das Bertelsmann-Projekt „Gesell-

(BMA) unter Wolfgang Clement im Jahre 2002

schaftliche Verantwortung im Mittelstand“. Die

zusammen mit der Stiftung den Arbeitskreis

Stiftung koordiniert in Absprache mit dem Mi-

„Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe“.

nisterium zudem 73 Projekte des Europäischen

Das Gremium war nicht an das Ministerium an-

Sozialfonds in Deutschland.19

gebunden, sondern an die Stiftung.

2007 veröffentlichte die Stiftung den in ih-

Der Arbeitskreis, in dem u. a. Martin Kan-

rem Auftrag erstellten Entwurf eines einheitli-

negießer vom Arbeitgeberverband Metall Mit-

chen Arbeitsvertragsgesetzes. Darin sollen die

glied war, propagierte die Einführung des

zwei Dutzend verstreuten Arbeitsgesetze (Kün-

Workfare-Systems nach dem Muster des US-

digungsschutz, Arbeitszeit, Schwangerschaft,

Bertelsmann Stiftung

Bundesstaates Wisconsin, in dem die Gewäh-

Behinderte …) zusammengefasst werden. Die

entwirft Workfare-

rung sozialer Unterstützungsleistungen für Ar-

Vorschläge entsprechen Unternehmerwün-

Strategien für

beitslose an besonders harte Auflagen gekop-

schen: Binnenflexibilisierung (erleichterte

Deutschland

pelt ist. Der Arbeitskreis tagte nichtöffentlich.

Vertragsänderung bei „dringenden betriebli-

Die Stiftung organisierte die wissenschaftliche

chen Gründen“), erweiterte Änderungsvorbe-

Expertise und Auslandsreisen. Hauptergebnis

halte in Arbeitsverträgen, erleichterte Kündi-

waren die Vorschläge zur Abschaffung der bis-

gungen und Befristungen, Abfindungsregelun-

herigen Form der Arbeitslosenhilfe und zum

gen statt arbeitsrechtlicher Auseinanderset-

Leistungsabbau in der Arbeitslosenversiche-

zungen (Schubert 2009: 70 ff.).

rung im Rahmen der „Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe“. Der Arbeits-

Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung. In Ge-

kreis präsentierte seine Vorschläge unter dem

schäftsführung und Vorstand dieser Stiftung –

Namen der rasch gegründeten „Kommission

sie ist nach dem Atomphysiker Carl Friedrich

von unabhängigen Sachverständigen“, die

von Weizsäcker benannt – sind neben Theolo-

danach in das Konzept der Hartz-Kommission

gieprofessoren vor allem pensionierte Vertre-

integriert wurden. So fanden die verschärften

ter von Unternehmen wie Aral und Messer-

19 Hans-Peter Siebenhaar: Geldsegen für Gütersloh, in: Handelsblatt 17.8.2012.

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N EUORDNUNG DES A RBEITSMARKTES UND MÄCHTIGE I DEENGEBER

schmidt-Bölkow-Blohm vertreten.20 Ihr Ziel ist

in dem betroffenen Unternehmen oder der

es, die „Ethik der Moderne“ zu erarbeiten.

Branche zutreffen.

Das bezieht sich auch auf den Stiftungs-

Im Vorfeld des Gesetzentwurfs hatte die

schwerpunkt „Zukunft der Arbeit“. Leiter die-

Stiftung das Institut für Demoskopie Allens-

ses Bereichs ist Frank Meik vom Bonner Insti-

bach mit einer Umfrage beauftragt, die er-

tut für die Zukunft der Arbeit (IZA). Die Stif-

brachte, dass zwei Drittel der Befragten sich

tung organisiert Konferenzen, Expertenge-

für solche Einschränkungen ausgesprochen

spräche und Gutachten. Dabei bringt sie füh-

haben sollen.21 Für das Gutachten holte die Stif-

rende Mitarbeiter anderer Stiftungen sowie

tung Professoren verschiedener Universitäten

Weizsäcker-Stiftung

von Instituten, Kanzleien und Universitäten

zusammen: Martin Franzen (München), Gregor

für Streikverbot in

zusammen.

Thüsing (Bonn) und Christian Waldhoff (Berlin).

der „Daseinsvorsorge“

So veröffentlichte sie im März 2012 einen Gesetzesvorschlag, dem zufolge Streiks in Be-

Arbeitgeberfinanzierte Universitätsinstitute

reichen der Daseinsvorsorge eingeschränkt

Nach der klassischen Auffassung war das Ar-

werden sollen (Franzen/Thüsing/Waldhoff

beitsrecht ein Schutzrecht für Arbeitnehmer.

2012). Dazu gehören beispielsweise der Flug-

Die Vertreter dieser Richtung an den Universi-

und Schienenverkehr, medizinische Versor-

täten sind inzwischen fast vollständig abgelöst

gung, Telekommunikation, Bildungswesen,

worden durch Professoren, die Arbeitsrecht als

Versorgung mit Energie und Wasser, Entsor-

Teil des Privatrechts und als Kampfrecht im In-

gung, Zahlungsverkehr, Landesverteidigung

teresse der Unternehmensseite verstehen. Ver-

und innere Sicherheit sowie Feuerwehr und

stärkt wird diese Ausrichtung durch zahlreiche

Bestattung. Anlass für diesen Vorschlag war

Juristen, die als Unternehmensanwälte tätig

ein Streik von Fluglotsen und Bodenpersonal

sind und Lehraufträge an öffentlichen und pri-

am Flughafen Frankfurt und an anderen Flughä-

vaten Hochschulen innehaben. Dadurch wan-

fen. Streiks sollten zudem mindestens vier

delt sich auch die Auffassung beim Nachwuchs

Tage vorher angekündigt werden; mindestens

der Arbeitsrichter.

die Hälfte der Beschäftigten müsse in einer Ur-

Es handelt sich um eine „gefährliche Ent-

abstimmung für den Streik gestimmt haben,

wicklung, in der sich das Privatrecht das Ar-

damit er zulässig sei. Schließlich sollten Spar-

beitsrecht zurückholt“ (Rehder 2011). Die Spit-

tengewerkschaften nur dann streiken dürfen,

ze dieser Entwicklung bilden von Konzernen

wenn die erhobenen Tarifforderungen auf

und Arbeitgeberverbänden mehr oder weniger

mindestens 15 Prozent der Arbeitsverhältnisse

verdeckt finanzierte Universitätsinstitute.

20 www.cfvw.org/stiftung, abgerufen 20.11.2012. 21 Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung: Pressemitteilung 19.3.2012.

29


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeits-

ne Zeitung“ öffnet ihm regelmäßig ihre Spalten.

recht (ZAAR). 2003 gründeten der Verband der

Dort polemisiert er gegen „lügende“ und „pö-

Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, der

belnde“ Arbeitsrichter sowie gegen deren

Verband der Metall- und Elektroindustrie Ba-

„Machtanmaßung“ (FAZ 20.11.2010; 2.4.2009;

den-Württemberg und der Bundesarbeitgeber-

2.8.2008), hält Mindestlöhne für „schizophren“

verband Chemie die Stiftung für Arbeitsbezie-

(FAZ 8.11.2008) und beklagt die „Übermacht des

hungen und Arbeitsrecht (StAR). Sie zahlten

Kollektivs“ in Gestalt von Gewerkschaften und

Professor Rieble

aus ihrem Arbeitskampf-Fonds 55 Millionen

Betriebsräten (FAZ 8.8.2009). Er polemisiert

polemisiert

Euro als Stammkapital ein. Die bayerische Re-

gegen die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS):

gierung erkannte die Stiftung als gemeinnützig

Die Razzien der „Arbeitspolizei“ seien verfas-

22

an. Als alleinige Aufgabe finanziert die Stif-

sungswidrig (FAZ 10.7.2009). Unter der Über-

tung seit 2004 das Zentrum für Arbeitsbezie-

schrift „Mehr Spaß ohne Tarif“ bezeichnet er Ta-

hungen und Arbeitsrecht (ZAAR). Das ZAAR ist,

rifverträge als etwas, das man „schwer wieder

obgleich privat finanziert, ein Institut der Uni-

loswird“ (FAZ 27.3.2010). Der ZAAR-Professor kommt regemäßig zu

versität München. Volker Rieble, Abbo Junker und Richard Gie-

dem Befund, dass Arbeitnehmer von den Ar-

sen wurden von der Universität zu Professoren

beitsgerichten zu gut behandelt würden. So

und Lehrstuhlinhabern ernannt, anschließend

bezeichnete er die Berliner Kassiererin „Em-

sofort beurlaubt und werden, wie das Institut

mely“ als „notorische Lügnerin“, ihre „Rechts-

mit 17 Mitarbeitern und zwei Dutzend Hilfskräf-

verfolgungsstrategie“, die den Gang bis zum

ten, von der Stiftung bezahlt. Sie bezeichnen

Bundesarbeitsgericht (BAG) beinhalte, beruhe

sich weiter als Professoren der Universität.

„auf Lug und Trug“.24 Seit das BAG die Kündi-

Zum Forschungsdirektorium des ZAAR gehört

gung der streitbaren Kaiser’s-Kassiererin auf-

weiterhin der Arbeitsrechtler Professor Martin

grund einer Bagatelle als unverhältnismäßig

Institute als Bestand-

23

Franzen, der von der Universität bezahlt wird.

zurückgewiesen hat (Az. 2 AZR 541/09), pole-

teile öffentlicher

Die Arbeitgeber nutzen so das wissenschaftli-

misiert Rieble gegen das Urteil: Es führe zur

Universitäten

che Image der Universität.

Unsicherheit bei den Arbeitgebern, denn nun

Privat finanzierte

Geschäftsführender Direktor des ZAAR ist

gebe es „keine absoluten Kündigungsgründe“

Volker Rieble, der in besonders aggressiver

mehr.25 Die Entscheidung des BAG zur Tarifun-

Weise für eine Umgestaltung des klassischen

fähigkeit der Christlichen Gewerkschaft CGZP

Arbeitsrechts wirbt. Die „Frankfurter Allgemei-

hält er für rechtswidrig.26

22 Ralph Hötte/Georg Wellmann: Werkverträge: Das nächste Lohndumping-Modell der Arbeitgeber, ARD/Monitor 2.2.2012. 23 ZAAR-Tätigkeitsbericht 2009, S. 7 f. 24 Jost Müller-Neuhof: Rechtsprofessor nennt Emmely „notorische Lügnerin“, in: Der Tagesspiegel, 16.7.2009. 25 Volker Rieble: Bloß kein Urteil, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.12.2011. 26 Volker Rieble: Tariflose Zeitarbeit?, in: Betriebsberater 35/2012, 27.8.2012.

30


N EUORDNUNG DES A RBEITSMARKTES UND MÄCHTIGE I DEENGEBER

Das ZAAR betreibt eine eigene Schriftenrei-

walt Naujoks. Die Arbeitgeber benannten Rieb-

he und einen eigenen Verlag. Zu seinen Veröf-

le als Schlichter im Fluglotsenstreik 2012. Er

fentlichungen gehört der Leitfaden „Rechts-

sieht sich laut Interviewaussagen offensicht-

schutz gegen Mindestlohn“. Das ZAAR gibt die

lich als Teil einer „Mitbestimmungsvermei-

„Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht“

dungsindustrie“ und fühlt sich getragen von ei-

heraus. Es veranstaltet Konferenzen und jährli-

ner „Riesenfluchtbewegung vor der drohenden

che Kongresse, bei denen als Referenten Ver-

paritätischen Mitbestimmung“.28

treter der „christlichen“ Gewerkschaften ebenso auftreten wie Vertreter der Deutschen Bank

Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Im Zuge

und Vertreter großer Arbeitsrechts-Kanzleien,

der Privatisierung der Bundespost ernannte die

so z. B. Gleiss Lutz und Noerr Stiefenhofer.

Bundesregierung 1990 Klaus Zumwinkel zum

Bei der Tagung „Freie Industriedienstleis-

Geschäftsführer. Er war zuvor Mitglied in der

Werkverträge als

tungen als Alternative zur regulierten Zeitar-

Gesamtgeschäftsführung von McKinsey. Mit

Ausweichmöglichkeit

beit“ im Jahre 2011 stellte das ZAAR das neue

Hilfe von McKinsey und der US-Investmentbank

gegen Equal Pay in

Rechtskonstrukt der Werkverträge vor. Damit

Morgan Stanley organisierte er die Umstruktu-

der Leiharbeit

soll das seit 2009 geltende Prinzip „gleicher

rierung der Post zu einem privaten Weltkon-

Lohn für gleiche Arbeit“ für Leiharbeiter (equal

zern und im Jahre 2000 schließlich den Börsen-

pay) unterlaufen werden. Teilnehmer der teu-

gang der Deutsche Post World Net AG. Deren

ren und gut besuchten Konferenz waren Vertre-

Vorstandschef blieb er bis 2008. Auch nach sei-

ter u. a. von Bosch, BASF, BMW, Deutscher

nem vorzeitigen Ausscheiden als verurteilter

Bahn, Manpower, Randstad, Metro, Porsche,

Steuerhinterzieher blieb Zumwinkel noch jah-

Siemens und die arbeitsrechtlichen Top-Kanz-

relang Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen

27

leien.

Rieble ist nicht nur beamteter Universitätsprofessor, sondern geht nach eigenen Worten

Telekom, der Allianz, der Lufthansa, der Postbank AG sowie von Morgan Stanley Deutschland und Quelle/Arcandor.

wie andere solcher Professoren auch zusätz-

Nach der Privatisierung gründete er 1997

lich einer „freiberuflichen Nebentätigkeit“

die Deutsche Post-Stiftung. Diese stellt die

nach. Das gilt nicht nur für seine regelmäßigen

Grundförderung für das IZA bereit. Das Institut

Kolumnen in der FAZ. Er tritt häufig als Gutach-

hatte zunächst die Aufgabe, die Umstrukturie-

ter für Unternehmen und Anwälte auf, so für

rung der Arbeitsbeziehungen der privatisierten

Aldi und für den bereits genannten Rechtsan-

Post zu unterstützen. Wie das ZAAR ist es recht-

27 Ralph Hötte/Georg Wellmann: Werkverträge: Das nächste Lohndumping-Modell der Arbeitgeber, ARD/Monitor 2.2.2012. 28 „Der Arbeitgeber ist dem Richter ausgeliefert“, Interview mit Prof. Volker Rieble, in: impulse 2/2012, www.impulse.de/recht-steuern/der-arbeitgeber-ist-dem-richter-ausgeliefert, abgerufen 22.8.2013.

31


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

lich eingebunden in die Universität Bonn und

modell zu ersetzen31 – wie es auch der Entwurf

umgibt sich somit mit dem Image einer staatli-

des Arbeitsvertragsgesetzes der Bertelsmann

chen wissenschaftlichen Einrichtung. Es be-

Stiftung vorsieht. Reduzierung des Normalar-

zeichnet sich als „unabhängig“. Präsident der

beitsverhältnisses, mehr Arbeitsplätze für Ge-

Poststiftung wie auch des IZA war und ist Klaus

ringqualifizierte, Arbeitspflicht für alle Hilfe-

Zumwinkel. Institutsdirektor Klaus Zimmer-

empfänger (Workfare), Lohnflexibilität, flexib-

mann, ein bekennender Neoliberaler, war bis

lere und längere Arbeitszeiten, mehr Flexibili-

2011 zugleich Chef des Deutschen Instituts für

tät für Hochqualifizierte, Anhebung des Renten-

Wirtschaftsforschung (DIW).

eintrittsalters – das sind Stichworte aus dem

Das IZA spielte in der Vorbereitung der

Forschungsprogramm.32

Agenda 2020:

Hartz-Gesetze eine wichtige Rolle. Drei IZA-

Direktor Zimmermann schlägt den Renten-

Rente mit 70?

„Fellows“ (Mitglieder) gehörten der Hartz-

eintritt mit siebzig Jahren vor.33 Hilmar Schnei-

Kommission an: Hanns Eberhard Schleyer, Nor-

der stellte auf einer Tagung der Hanns-Martin-

bert Bensel und der Kommissionsvorsitzende,

Schleyer-Stiftung die Idee einer „Arbeitslosen-

29

Professor Günther Schmid. Hilmar Schneider,

Auktion“ vor. Seiner Vorstellung nach könnten

Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt im IZA, ar-

Arbeitslose leichter auf dem Arbeitsmarkt ver-

beitete in einem von der Bertelsmann Stiftung

mittelt werden, wenn man sie meistbietend für

und vom Arbeitsministerium parallel zur Hartz-

einen Arbeitseinsatz versteigerte. „Da kann je-

Kommission gegründeten Arbeitskreis mit, der

der bieten, ob Unternehmen oder Privathaus-

die Deregulierung des bisherigen Arbeitslo-

halt. Wer zum Beispiel Leute braucht, die ihm

sengeldes vorbereitete (Schneider u. a. 2004)

den Keller entrümpeln, gibt an, welchen Stun-

(siehe oben den Abschnitt über die Bertels-

denlohn er dafür zu zahlen bereit ist.“34

mann Stiftung). Das IZA führt die Agenda 2010 mit der Agen30

Den Arbeitsmarktteil der Agenda 2020 möchte das IZA in Abstimmung mit der Bundes-

da 2020 fort. In diesem Rahmen schlägt das

regierung europaweit durchsetzen; Zimmer-

Institut vor, den gesetzlichen Kündigungs-

mann lobte in Anwesenheit von Finanzminister

schutz zu streichen und durch ein Abfindungs-

Wolfgang Schäuble 2012 bei einer Konferenz

29 Helga Spindler: Stunde der Technokraten, in: junge welt, 22.2.2012. 30 Zur Agenda 2010 der SPD/Grünen-Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder gehörten seit 1999 die Hartz-Gesetze I bis IV, Steuervorteile für Kapitalgewinne, die Deregulierung des Finanzsystems und die Öffnung der deutschen Unternehmen für internationale Investoren. 31 Jochen Gaugeler/Olaf Gersemann/Dorothea Siems: Das ist der 15-Punkte-Plan für Deutschland, Welt Online, 25.8.2012. 32 Vgl. die Zusammenstellung „Propagandastudie des IZA für die INSM“ von Wolfgang Lieb, nachdenkseiten.de 18.12.2007, abgerufen 10.12.2012; siehe auch die Liste der IZA-Forschungsberichte seit 1999: www.iza.org/en/ webcontent/publications/reports. 33 Ein Mann sieht grün. Der Arbeitsökonom Klaus Zimmermann, in: Süddeutsche Zeitung, 8.1.2013. 34 Meistbietend: Arbeitslose zu versteigern, Focus Money Online, 14.2.2006, abgerufen 3.12.2012.

32


N EUORDNUNG DES A RBEITSMARKTES UND MÄCHTIGE I DEENGEBER

in Schweden das deutsche Vorbild: „Deutsch-

international vernetzter Thinktank (Denkfa-

land blickt zurück auf die größte Arbeitsmarkt-

brik). „Rund 1200 renommierte Ökonomen aus

und Sozialreform seiner Nachkriegsgeschich-

mehr als 45 Ländern sind Teil des weltweiten

te, deren Konzept vor zehn Jahren vorgestellt

IZA-Forschungsnetzwerks.“36 Es hält enge Ver-

IZA pflegt ein

bindungen zu etwa hundert sogenannten Re-

riesiges Netzwerk

Das IZA erstellt einen großen Teil seiner

search Fellows und Policy Fellows; das sind

aus „Fellows“

Gutachten für das Bundesarbeitsministerium,

oder waren aus Deutschland z. B. Martin Kan-

für die Bertelsmann Stiftung, für die Initiative

negießer (Gesamtmetall), Florian Gerster (Ex-

Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) oder den

Chef der Bundesagentur für Arbeit), Dirk Nie-

Deutschen Industrie- und Handelskammertag.

bel (FDP, ehemaliger Entwicklungshilfeminis-

Viele Initiativen der Bundesregierung gehen

ter), Professor Bert Rürup (Vorstand der Masch-

auf Vorschläge des Instituts zurück. So unter-

meyer Rürup AG), Thilo Sarrazin (Ex-Bundes-

stützte es z. B. die Initiative von Ex-Bundeswirt-

banker), Nikolaus Piper (Süddeutsche Zeitung)

schaftsminister Rösler zur Anwerbung von

und Heinz Buschkowsky (Bezirksbürgermeister

Fachkräften aus EU-Krisenstaaten.

Berlin-Neukölln). Das IZA vergibt Forschungs-

35

wurde.“

Das Institut berät nicht nur Regierungen in

stipendien und verleiht jährlich einen mit

aller Welt, sondern auch die Europäische Kom-

50.000 Euro dotierten Preis auf dem Gebiet der

mission und die Weltbank. Es versteht sich als

Arbeitsökonomie.

35 IZA-Experten fordern europaweite Initiative für flexibleren Arbeitsmarkt, www.iza.org/de/webcontent/news/ index_html#393, abgerufen 20.11.2012. 36 www.iza.org/de, abgerufen 3.12.2012.

33


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

4. Wegbereiter des Union-Busting in Deutschland

Neben diesen strategisch-wissenschaftlichen und diskursorientierten Akteuren haben sich

4.1 „Billigflaggen“ erobern die Schifffahrtsbranche

allerdings in bestimmten Branchen mitbestimmungsfeindliche Unternehmenskulturen schon

Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten deutsche

vor Jahren, teilweise vor Jahrzehnten als Prin-

Reedereien die Möglichkeit, ihre Schiffe in

zip durchgesetzt.

Kleinstaaten wie Liberia, Panama, Bermuda

Es stellt sich also zunächst die Frage, wann

und den Kaimaninseln zu registrieren. Gebüh-

bestimmte Entwicklungen, die wir heute als

ren und Steuern waren dort extrem niedrig, es

tiefgreifende Veränderungen der Arbeitswelt

gab kaum Tarifverträge; Sicherheits- und Ar-

sehen, angefangen haben, wer die Ersten wa-

beitsschutzbestimmungen bestanden nicht be-

ren, die sie konkret eingesetzt haben. Dabei

ziehungsweise wurden nicht kontrolliert. Das

zeigt sich, dass sich einzelne Konzerne als Vor-

richtete sich nicht zuletzt gegen die hohe

reiter betätigten, ohne auf neue Gesetze zu

Streik- und Organisationsfähigkeit, die See-

warten. Sie erklärten ihre Betriebe zur „be-

leute und Hafenarbeiter sich erkämpft hatten.

Ausflaggung von

triebsratsfreien Zone“ und führten eigenmäch-

Neben dieser sogenannten „Ausflaggung“

Schiffen seit

tig verschiedene Formen von Niedriglohnsyste-

bedienten sich die Reedereien der Möglich-

Anfang der 1970er

men ein. Sie unterliefen arbeitsrechtliche

keit, ausländische Seeleute etwa von den Phi-

Standards. Diese Praktiken wurden in den be-

lippinen, aus Pakistan und von den Gilbert- und

troffenen Branchen schrittweise auch von an-

Ellice-Inseln weithin rechtlos und zu gerings-

deren Unternehmen übernommen. Neben US-

ten Kosten anzuheuern. Die Reedereien unter-

Konzernen wie McDonald’s und UPS waren dar-

hielten dort eigene Rekrutierungsstellen. Bei

an auch deutsche Familienunternehmen wie

Streiks wurden häufig ganze Besatzungen

Aldi beteiligt. Schon in den 1970er Jahren be-

durch „Gefälligkeitsbesatzungen“ beziehungs-

gannen sie in der Bundesrepublik als betriebs-

weise „Streikbrecher-Crews“ ausgetauscht

rats- und tarifvertragsfeindliche Unternehmen.

(Geffken 1979: 71 ff.; zur neueren Entwicklung

Mitten im „rheinischen Kapitalismus“ setzten

vgl. Lillie 2006).

sie – von Regierungen und Staatsanwälten un-

Obwohl seit den 1950er Jahren die Gewerk-

gehindert – in ihrem Bereich das für das bun-

schaft Internationale Transportarbeiter-Föde-

desdeutsche Modell typische Mitbestimmungs-

ration (ITF; dazu gehörte auch die deutsche Ge-

recht der Arbeitnehmer außer Kraft und trugen

werkschaft ÖTV, heute ver.di) Streiks organi-

damit zur Herausbildung und Verbreitung einer

sierte, Schiffe in Häfen festhielt und immer

neuen Unternehmenskultur bei.

wieder Tarifverträge erzwingen konnte, war die Ausflaggung nicht zu bremsen. Seit Beginn der 1970er Jahre entwickelte sie sich zum internationalen Standard. Die Reedereien heuerten für kleines Geld asiatische Mannschaften

34


W EGBEREITER DES U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

ebenso an wie Techniker, die in den Konsulaten

Branchen ausgedehnt, z. B. auf Lkw-Speditio-

der Billigflaggen-Staaten günstig Seemanns-

nen und Fluglinien (Kummer u. a. 2006).

patente (Gewerbebefugnisse) kaufen konnten. Dafür mussten sie nicht die berufsqualifizierenden Abschlüsse vorweisen, die deutsche Seeämter für ein amtliches Befähigungszeugnis verlangt hätten.

4.2 Discount- und Handelsketten: Das „Harzburger Modell“ als Unternehmensstrategie

Die aus der Fusion der Reedereien Bremer

1962 strukturierten Aldi Nord und Aldi Süd ihre

Lloyd und Hapag 1971 hervorgegangene Hapag-

Supermärkte nach dem Discount-Prinzip um

Lloyd – damals die größte Reederei der Welt –

(Aldi = Albrecht-Discount): Die Kette der Gebrü-

forcierte diese Entwicklung in Deutschland.

der Albrecht konzentrierte sich auf wenige,

Der Verband der Deutschen Reeder (VDR) än-

aber häufig verkaufte Waren, kleine und

derte 1973 seine Satzung und konstituierte sich

schmucklose Verkaufsräume, hohe Mengenra-

als freiwillige Tarifgemeinschaft. Die Reeder

batte bei den Lieferanten, niedrige Verkaufs-

setzten sich dafür ein, dass Gewerkschaftsver-

preise. Beide Aldi-Konzerne sind gesell-

Das Aldi-System –

treter in den Häfen keine Schiffe betreten durf-

schaftsrechtlich komplex verschachtelt und be-

ein deutsches

ten, dass aber „Arbeitswillige“ jederzeit Zu-

treiben mehrere steuersparende Stiftungen,

Eigengewächs

gang hatten. Seeleute wurden aufgefordert,

über die nur sehr wenig an die Öffentlichkeit

die ÖTV zu verlassen oder ihr nicht beizutreten

dringt. Ähnlich fungiert die als gemeinnützig

(Geffken 1979: 87). Die Bundesregierung unter

anerkannte Dieter-Schwarz-Stiftung laut ver.di

Kanzler Helmut Kohl initiierte 1989 in Deutsch-

in der komplexen Konzernstruktur der Einzel-

land ein Zweitregister: Danach durften deut-

handelskette Lidl als „steuersparender Park-

sche Handelsschiffe die deutsche Flagge füh-

platz“ (Schramm-de Robertis 2010: 69).

ren und trotzdem die Besatzungen außerhalb

Zur Methode des rigorosen Kostensparens

des deutschen Arbeits- und Tarifrechts beschäf-

gehört bis heute auch das möglichst knappe

tigen.

Personal – überwiegend in Teilzeit – mit All-

Laut ITF gibt es heute 34 Billigflaggen-Staa-

roundeinsatz, hoher Arbeitsdichte, rigoroser

ten. Panama ist inzwischen der Standort der

Überwachung und unvergüteten Überstunden.

größten Handelsflotte der Welt. 3548 von

Schon in den 1970er Jahren führte Aldi bei sei-

insgesamt 3890 Schiffen deutscher Eigentümer

nen Mitarbeitern den Status „Geringverdiener“

sind ausgeflaggt. Die größte deutsche Flotte

ein: mit einer Entlohnung von maximal 410 DM

fährt unter liberianischer Flagge, die zweit-

pro Monat. Gezielt versucht man offenbar nicht

37

größte unter der von Antigua. Die Methode

nur „regulär“ Beschäftigte, sondern auch Azu-

des Ausflaggens wurde zudem auf weitere

bis oder ältere Filialleiter und untere Manager

37 Auskunft von Franziska Heine, ver.di-Vorstandsverwaltung, 3.12.2012.

35


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

aus Kostengründen aus dem Unternehmen zu

hatten die Beschäftigten Angst, ihre betriebs-

drängen (Straub 2012: 188). Als Anreiz wurde

verfassungsmäßig verbrieften Rechte weiter

für die Verantwortlichen, die ihre Filiale be-

wahrzunehmen.40 Seit in den 1980er Jahren die

triebsratsfrei halten und dadurch auch die Be-

Versuche zur Gründung von Betriebsräten zu-

triebskosten senken, ein Belohnungssystem

nahmen, bedient sich Aldi Nord der Angebote

geschaffen.

professioneller Union-Buster. So finanzierte

Das Aldi-System war keine spontane Erfin-

Aldi Nord auf Beschluss seines Verwaltungs-

dung der Albrecht-Brüder. Vielmehr übernah-

rats die gelbe Gewerkschaft Arbeitsgemein-

38

schaft Unabhängiger Betriebsangehöriger

Es wurde seit 1962 von der Akademie für Füh-

(AUB). Sie war ursprünglich heimlich vom Sie-

rungskräfte der Wirtschaft in Bad Harzburg ver-

mens-Vorstand als Alternative zur IG Metall

breitet. Die Akademie war 1956 von Professor

aufgebaut worden. Aldi Nord übernahm ver-

Reinhard Höhn gegründet worden. „Delegation

deckt jahrelang die Personalkosten eines AUB-

Aldi-Nord nutzt AUB,

von Verantwortung“ und „Führen im Mitarbei-

Referenten, der die bei Aldi exklusiv vertrete-

um ver.di auf

terverhältnis“ waren die Stichworte. Mitbe-

nen AUB-Betriebsräte schulte. Bei der heimli-

Distanz zu halten

stimmung wurde prinzipiell abgelehnt.

chen Umwegfinanzierung half eine Essener

men sie zunächst das „Harzburger Modell“.

In seinem Standardwerk legte Höhn dar,

Kanzlei.41

dass die Aufgaben der Mitarbeiter so eng und

Als Gutachter fungierte Professor Volker

präzise wie möglich definiert werden und mit

Rieble vom Zentrum für Arbeitsbeziehungen

den Methoden der Führung abgestimmt sein

und Arbeitsrecht (ZAAR), der darlegte, dass die

müssen (Höhn 1979). Die Bundeswehr und viele

Bestechung von Betriebsräten und Gewerk-

39

Seit den

schaftsvertretern „nicht von vornherein straf-

1990er Jahren orientiert sich Aldi an US-Ma-

bar“ sei.42 Eine Kanzlei half bei der Vorberei-

nagementkonzepten und nannte sein eigenes

tung von falschen Zeugenaussagen vor dem Ar-

Konzept um in Aldi Management System (AMS).

beitsgericht, so wurde unwidersprochen be-

Ergebnis dieser Managementstrategien ist,

richtet (Straub 2012: 121 f.). Die Ulmer Kanzlei

dass Aldi Süd bis 2010 in seinen 1500 Filialen

Urwantschky Dangel Borst & Partner sowie die

Aldi-Süd weitgehend

vollständig betriebsratsfrei blieb. Als in Mün-

Essener Kanzlei Schmidt von der Osten Huber

betriebsratsfrei

chen der erste Versuch an der Wahlbehinde-

sind darauf spezialisiert, Aldi-Mitarbeiter, die

rung durch die Geschäftsleitung scheiterte,

der Discounter loswerden will, nicht zu kündi-

Firmen übernahmen das Modell.

38 Susanne Amann/Janko Tietz: Konzern im Kontrollrausch, in: Der Spiegel, 18/2012, S. 65. 39 Führungsmodell mit Problemen, in: Der Spiegel, 35/1989. 40 Bernd Kastner: Die Aldi-Süd-Revolution: ein Betriebsrat, in: Süddeutsche Zeitung, 17.5.2010. 41 Uwe Ritzer/Klaus Ott: Aldi hat heimlich Gegenorganisation zu Verdi gefördert, in: Süddeutsche Zeitung, 11.5.2010. 42 Klaus Ott/Uwe Ritzer: Aldi wehrt sich, in: Süddeutsche Zeitung, 17.5.2010.

36


W EGBEREITER DES U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

gen, sondern dazu zu bewegen, Aufhebungsver43

Nicht nur die eigenen Beschäftigten werden

träge zu unterzeichnen. Detekteien führen ge-

bei Löhnen, Arbeitsverhältnissen und Mitbe-

trickste Testkäufe durch und bauen verdeckte

stimmung unter Druck gesetzt, sondern auch

und ungenehmigte Überwachungskameras ein.

die Beschäftigten der zahlreichen Lieferanten,

Andere, später gegründete Discounter und

die z. T. exklusiv für die Discounter arbeiten.

Konkurrenten wie Lidl, Netto und die mittler-

So haben Aldi und Lidl Hunderte Zulieferer al-

weile aufgelöste Drogeriemarktkette Schle-

lein in Deutschland: von Bäckereien über

cker (die 2012 in die Insolvenz ging) sind für

Schlachtbetriebe und Molkereien bis hin zu

vergleichbare Praktiken bekannt (ver.di 2004;

Blumenhändlern. In diesen Zulieferbetrieben

2006; Bormann 2007). Die 1994 von der Super-

sind die Arbeits- und Sozialstandards oftmals

marktkette Tengelmann (Tengelmann, Kaiser‘s)

noch prekärer, da sie nicht im Blick der Öffent-

gegründete Handelskette KiK (Abkürzung für

lichkeit stehen (Wallraff 2008). In noch schär-

„Kunde ist König“), inzwischen Deutschlands

ferem Maße gilt dies für die Discounter-Liefe-

Sozial-Dumping

größter Textildiscounter, hat die vergleichs-

ranten aus den Niedriglohnstaaten Asiens wie

durch Zulieferer

weise niedrigen arbeitsrechtlichen Standards

China, Bangladesch und Pakistan. Hier werden

und die Mitbestimmungsfeindschaft der Bran-

die Lieferanten mit extrem niedrigen Dumping-

che um eine weitere Stufe unterboten. So be-

Werklöhnen gegeneinander ausgespielt und

auftragte KiK die Auskunftei Creditreform, vier-

erpresst (Bianco 2006).

mal im Jahr die finanziellen Verhältnisse des

Aldi und Lidl traten 2007 und 2008 der Busi-

Bestandspersonals zu überprüfen und gegebe-

ness Social Compliance Initiative (BSCI) bei

nenfalls Entlassungen vorzunehmen oder die

und verpflichteten sich zu fairen Arbeitsbedin-

44

Situation anderweitig auszunutzen.

In den

gungen; dies gilt allerdings nur für ihre asiati-

3200 KiK-Filialen gab es 2010 keinen einzigen

schen Lieferanten, nicht in Deutschland. Doch

Betriebsrat (Schramm-de Robertis 2010: 52).

die Kontrolle ist mangelhaft. Auch ein von KiK

Textil-Discounter KiK

Durch die internationale Expansion der

inzwischen beschlossener „Verhaltenskodex“

legt die Latte noch

deutschen Discounter exportieren diese ihre

hat an den Praktiken so gut wie nichts geän-

tiefer

Praktiken in Tausende von Filialen in den neu-

dert.

45

en Märkten insbesondere Ost- und Südeuro-

Infolge gewerkschaftlicher Kampagnen zur

pas. In den USA, dem Heimatland des bekann-

Durchsetzung von Betriebsratgründungen bei

termaßen besonders mitbestimmungsfeindli-

Lidl und Schlecker, die insbesondere von ver.di

chen Weltmarktführers Walmart, sind dies

durchgeführt wurden, sind die Discounter unter

ohnehin vertraute Praktiken (Bianco 2006).

Druck geraten. Das offen ausgesprochene Ziel,

43 Susanne Amann/Janko Tietz: Konzern im Kontrollrausch, in: Der Spiegel, 18/2012, S. 69. 44 Sabine Pütz: Discounter KiK: Jagd auf arme Mitarbeiter, Panorama/NDR, 22.7.2010. 45 Christoph Lütgert: Die KiK-Story: Die miesen Methoden des Textildiscounters, Panorama/NDR, 7.4.2010.

37


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

betriebsratsfrei zu bleiben, haben viele, wie

Beschäftigten in Deutschland durchzusetzen,

z. B. Aldi, aufgegeben. Bei Aldi Nord bestehen

griff der Konzern zunächst auf die bevorzugte

zahlreiche Betriebsräte, die jedoch fast aus-

Anstellung von Aussiedlern, später von Studen-

schließlich durch die gelbe Gewerkschaft AUB

ten, Migranten, dann auch von Empfängern von

gestellt werden. Bei Aldi Süd gibt es so gut wie

Arbeitslosengeld II zurück. Unsichere Lebens-

keine Betriebsräte.

lagen, mangelnde Kenntnisse der Sprache so-

Bei Lidl konnten bisher in über 3000 deutschen Filialen nur knapp 10 Betriebsräte ge-

wie der Sozial- und Arbeitsrechte wurden so gezielt ausgenutzt.

McDonald’s: Union-

gründet werden; das dürfte auch damit zusam-

„McDonald’s ist grundsätzlich ein gewerk-

Busting als Teil der

menhängen, dass Lidl als vermeintliche Alter-

schaftsfreies Unternehmen und will das auch

Firmenphilosophie

native die Stelle eines Ombudsmannes einge-

bleiben“ – so das öffentliche Bekenntnis (Nol-

46

Bei Media Markt, zur Handels-

ting 2004: 12). Rechtswidrige Kündigungen

gruppe Metro gehörend, gibt es in 236 Nieder-

oder erpresste Aufhebungsverträge für Be-

lassungen mit 17.000 Mitarbeitern nur zwei Be-

triebsratsaktivisten waren in der Bundesrepu-

richtet hat.

47

triebsräte. Bei Rewe gibt es nach Angaben der

blik in den ersten drei Jahrzehnten nach Grün-

ARD-Sendung „Der Rewe-Check“ nur in ein bis

dung der ersten Filialen 1971 eher die Regel als

zwei Prozent der Filialen einen Betriebsrat.

48

die Ausnahme (NGG 1999: 5-25). Bis Ende der 1990er Jahre brachte der Konzern in Deutsch-

4.3 Systemgastronomie: FastfoodKetten werden mitbestimmungsfrei

land immer wieder hohe Summen auf, um durch die Zahlung von Abfindungen an Beschäftigte, die einen Betriebsrat oder gar einen Gesamt-

McDonald’s, 1940 in den USA gegründet, ist

betriebsrat für die Filialen einer Stadt gründen

heute mit 32.000 Restaurants in über 100 Staa-

wollten, die Etablierung von Mitarbeitervertre-

ten die umsatzstärkste Fastfood-Kette der Welt.

tungen zu verhindern. Die Angebote lagen zwi-

Die ersten europäischen Niederlassungen

schen 5000 und 200.000 DM. Die Kölner Boule-

gründete der Konzern 1971 in den Niederlan-

vardzeitung „Express“ berichtete 1995 über die

den und in Deutschland. McDonald’s Deutsch-

versuchte Gründung eines Gesamtbetriebsra-

land Inc. hat seinen rechtlichen Sitz in der

tes in allen Kölner McDonald’s-Filialen. Dies

größten Finanzoase der Welt, im US-Bundes-

hatte McDonald’s mit einem Angebot verhin-

staat Delaware (Royle/Towers 2002: 86).

dert: 46 Beschäftigte, darunter acht Betriebs-

Um niedrige Löhne, Teilzeitarbeit als Normalarbeitsverhältnis und Folgsamkeit bei den

räte, unterzeichneten für Beträge zwischen 5000 und 90.000 DM Aufhebungsverträge.49

46 Auskunft zu Aldi und Lidl von Ulrich Dalibor, Leiter der Fachgruppe Einzelhandel bei ver.di, 6.12.2012. 47 Stefan Weber: Media Markt: Konflikt mit Verdi. Betriebsratsfreie Zone, in: Süddeutsche Zeitung, 17.2.2011. 48 Eva Lindenau/Frauke Steffens: Der Rewe-Check, ARD, 7.1.2013, 20.15-21.00 Uhr. 49 Rolf Langenhuisen: McDonald’s kauft sich von Betriebsräten frei, in: Kölner Express, 7.12.1995.

38


W EGBEREITER DES U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Später bemühte sich McDonald’s, Beschäf-

eintägigen Praktikum (food court) in ein Mit-

tigte und Filialleiter eigener Wahl in die Be-

gliedsrestaurant ein.51 McDonald’s ist Mitglied

triebsräte zu befördern, teilweise mit Hilfe der

in der Amerikanischen Handelskammer in

Scheingewerkschaft Union Ganymed. Gany-

Deutschland und trat beim CDU-Parteitag 2012

med, ein Nachfolger des Deutschen Handlungs-

als Co-Sponsor auf.

gehilfenverbands (DHV) und Mitglied im Christ-

1989 schloss der BdS einen ersten Tarifver-

lichen Gewerkschaftsbund (CGB), hatte schon

trag mit der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und

damals nur 1500 Mitglieder.

Gaststätten. Als die NGG mehr verlangte, er-

Eine andere Methode, um die Tarifbindung

presste McDonald’s die Gewerkschaft erfolg-

zu umgehen und die Gründung von Betriebsrä-

reich damit, dass man andernfalls zu Union Ga-

ten, vor allem von Gesamtbetriebsräten, zu er-

nymed als Tarifpartner wechseln werde. Die

Das Franchise-System

schweren, war die verstärkte Einführung des

NGG gab nach (Royle/Towers 2002: 96). Aber

erschwert

Franchise-Systems, also des Verpachtens der

auch diese Vereinbarungen auf niedrigem Ni-

Organisierung und

Lizenz zum Betreiben von McDonald’s-Filialen

veau werden bis heute häufig nicht eingehal-

Mitbestimmung

an ehemalige Filialleiter oder andere Kleinun-

ten, z. B. die Gehaltserhöhung nach einem Jahr

ternehmer. Inzwischen betreibt McDonald’s

und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.52

nur noch etwa 15 Prozent der deutschen Filia-

Die generelle Einstellung zu Gewerkschaften

len direkt.

und Mitbestimmung scheint sich nicht sonder-

Fast zwei Jahrzehnte lang weigerte sich

lich verändert zu haben. Noch 1999 fanden sich

McDonald’s in Deutschland, in Verhandlungen

auf einem liegen gelassenen Personalzettel ei-

über einen Tarifvertrag einzutreten. Dann grün-

nes Filialleiters folgende Charakteristika von

McDonald’s gründet

dete die Kette 1988 den passenden Arbeitge-

Beschäftigten: „Sie ist eine Nutte von der Ge-

neuen Arbeitgeber-

berverband selbst: den Bundesverband der

werkschaft“; „arbeitet eng mit Arschloch von

verband

Systemgastronomie (BdS). Als Geschäftsführer

der NGG zusammen“ (NGG 1999: 11).

engagierte man Thomas Heyll, der zuvor Sekre-

Mit ähnlichen, inzwischen meist abgemil-

tär der Gewerkschaft Handel, Banken und Ver-

derten Methoden arbeiten derzeit einige Dut-

50

sicherungen (HBV, heute ver.di) gewesen war.

zend Gastronomieketten. Die meisten sind Mit-

Den Verband, dem die wichtigsten System-

glied im BdS. Der Verband betont heute, dass

gastronomie-Ketten angehören, dominiert

sich alle Mitglieder an die mit der NGG abge-

McDonald’s bis heute. Der BdS betreibt vielfäl-

schlossenen (niedrigen) Tarifverträge halten.

tige Lobbyarbeit. So lädt er Arbeitsrichter

Jedoch wird gleichzeitig versucht, keine Be-

ebenso wie Bundestagsabgeordnete zu einem

triebsräte zuzulassen, so dass die korrekte

50 Jakob Moneta: Gegen „Kapitalismus ohne Gewerkschaften“, in: SoZ – Sozialistische Zeitung, Nr. 17, 19.8.1999, S. 6, www.vsp-vernetzt.de/soz/991706.htm, abgerufen 29.3.2012. 5 1 www.bundesverband-systemgastronomie.de, abgerufen 24.10.2012. 52 Johannes Schulten: Ja keine Mitbestimmung, in: junge Welt, 6.11.2011.

39


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Gelbe Betriebsratslisten gefördert

Anwendung der Verträge nicht gewährleistet

Inzwischen haben sich in den 73 Regional-

werden kann. In wie vielen Filialen von

standorten immerhin 22 Betriebsräte etab-

McDonald’s, Burger King usw. heute in

liert.55 Dabei fördert UPS allerdings gelbe Be-

Deutschland Betriebsräte existieren, ist nach

triebsratslisten, z. B. die Arbeiterunion, die von

53

Auskunft der NGG nicht bekannt.

einem Manager, von Supervisoren und Personalreferenten geführt werden.56 Im Gesamtbe-

4.4 Paket- und Briefzustelldienste: Outsourcing als Geschäftsmodell United Parcel Service (UPS), 1907 in den USA

triebsrat sind die Gelben in der Mehrheit. Bei Betriebsratsmitgliedern, die der Gewerkschaft ver.di angehören, sucht die Geschäftsleitung nach Kündigungsgründen.57

gegründet und seit 1919 unter dem Firmenna-

Der Deutschlandchef der UPS-Abteilung La-

men UPS firmierend, ist mit 400.000 Mitarbei-

bour Relations, Gert Schröder, ist zugleich Vor-

tern der weltweit größte Paketzusteller. 1976

sitzender des Komitees „Social and Labour Af-

eröffnete er seine erste Niederlassung außer-

fairs“ in der Amerikanischen Handelskammer

halb der USA, und zwar in der Bundesrepublik

in Deutschland. Das Komitee entwickelt Forde-

Deutschland (Neuss/Rhein). Sie ist mit europa-

rungen zur Deregulierung von Arbeitsverhält-

weiten Aufgaben die größte UPS-Niederlas-

nissen und macht Lobbyarbeit in Berlin und

sung außerhalb der USA.

Brüssel.58 Es organisiert Seminare zum Ar-

UPS hat durch Outsourcing ein flächende-

beitsrecht in Zusammenarbeit mit der Kanzlei

ckendes System des Lohndumpings geschaf-

Freshfields, die zugleich UPS rechtlich vertritt.

fen; die früheren Angestellten sind entweder

Nach UPS kamen weitere Unternehmen auf

scheinselbstständige Unternehmer, die ihr

den Markt, übernahmen dessen Methoden und

Transportfahrzeug selbst finanzieren müssen,

entwickelten sie weiter. Das Sub-Subunterneh-

oder die Fahrer sind bei Subunternehmen an-

mersystem wurde am aggressivsten von Her-

gestellt, die häufig selbst wieder Subunterneh-

mes (Otto Group) ausgebaut: Per Werkvertrag

mer beauftragen. Die Einkommen liegen hier

mit niedriger Entlohnung vergibt Hermes die

bis zu 30 Prozent niedriger als bei den wenigen

Auslieferungsaufträge an Satellitendepot-Be-

noch „regulären“ Arbeitsplätzen.

54

treiber; diese wiederum vergeben die Aufträge

53 Auskunft der NGG-Hauptverwaltung Hamburg, 28.11.2012. 54 Daniel Behruzi: Stempeln beim WC-Gang, in: junge Welt, 1.9.2012. 5 5 Auskunft von Franziska Heine, ver.di-Vorstandsverwaltung, 3.12.2012. 56 Dave Candle: Skandalöse Rechtswidrigkeiten gegen ver.di-Betriebsräte durch Mitglieder der UPS-Geschäftsleitung, www.netzwerkit.de/projekte/galeere/ffm/document.2005-06-12, zuletzt geändert am 24.8.2008, abgerufen 25.10.2012. 57 ver.di Stuttgart: Schwerbehindertenvertreter wird schikaniert, Pressemitteilung 11.9.2012; Daniel Behruzi: Erneut Stress bei UPS, in: junge welt, 18.10.2012. 58 www.amcham.de/public-affairs/social-labor-affairs.html, abgerufen 2.11.2012.

40


W EGBEREITER DES U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

an Subunternehmer, die selbst weitere Subun-

beiter dazu, sich als selbstständige Subunter-

ternehmer beauftragen. Kein Auslieferer steht

nehmer anzumelden. Das ersparte den

in einem Rechtsverhältnis zu Hermes. So kön-

Schlachtbetrieben die Sozialabgaben und führ-

nen Tarifverträge und Sozialversicherungs-

te dazu, dass Gewerkschaften in dieser Bran-

59

pflichten umgangen werden.

che ihre Basis verloren.

Der Paketzusteller-Markt in Deutschland

Dieses neue Anstellungssystem über Werk-

wird heute neben UPS von vier Konzernen be-

verträge ist heute das dominante Beschäfti-

herrscht: DHL (Deutsche Post), Hermes, DPD

gungsmuster in der Fleischindustrie. In den

(gehört zu La Poste, Frankreich) und GLS (ge-

Schlachthöfen arbeiten heute 20 Prozent Fest-

hört der britischen Royal Mail). Weitere größe-

angestellte, 5 Prozent Leiharbeiter und 75 Pro-

re Unternehmen sind TNT und Fed Ex. Bei trans-

zent Werkvertragnehmer. Die Werkvertragneh-

In deutschen Schlacht-

o-flex hat 2007 ein Private-Equity-Investor die

mer sind mit in der Regel 7,50 Euro Stunden-

höfen kaum noch

Niederlassungen in selbstständige GmbHs um-

lohn nicht nur niedriger bezahlt als Leiharbei-

Festangestellte

gewandelt und so die Einzelbetriebsräte wie

ter, sondern sind auch hinsichtlich Arbeitsbe-

auch den Konzernbetriebsrat ausgehebelt (Rü-

dingungen, Arbeitsschutz und Beschäftigungs-

gemer 2007).

sicherheit schlechter gestellt (Klein-Schneider/Beutler 2013: 144; NGG 2012). Unternehmen in verschiedenen EU-Staaten

4.5 Schlachtbetriebe: Domäne von Leiharbeit und Werkverträgen

offerieren im Werkvertraggeschäft jeweils spe-

In den 1980er Jahren begannen Schlachtbetrie-

Bedarf miteinander kombinieren kann: So

be, aus Beschäftigten selbstständige Ausbei-

wirbt Abator im polnischen Glogow die Arbeits-

ner und Fleischzerleger zu machen und auf

kräfte an, das niederländische Unternehmen

Werkvertragsbasis zu beschäftigen. Diese hat-

Groenflex organisiert den Transport nach

ten zwar ihr eigenes Werkzeug, waren aber in

Deutschland und die Unterkünfte. In Koopera-

Wirklichkeit scheinselbstständig: Sie hatten

tion mit den deutschen Unternehmen MK Meat-

nur einen Arbeitgeber und handelten auf des-

production und maiale werden die Werkver-

sen Anweisungen. Auch kommunale Schlacht-

tragnehmer dann z. B. an den Schlachtbetrieb

höfe bedienten sich solcher Praktiken. Nach

Gustoland in Oer-Erkenschwick (Westfleisch,

dem Zusammenbruch der sozialistischen Staa-

1200 Mitarbeiter) vermittelt (Dietenberger

ten wurde diese Art Scheinselbstständigkeit

2012: 10). Das rumänische Unternehmen Sala-

weiter ausgebaut. Vermittler und Schleuser

mandra vermittelt sowohl für Rewes Fleisch-

brachten rumänische und bulgarische Leihar-

Tochterunternehmen Brandenburg wie auch für

zielle Dienste, die der Auftraggeber je nach

59 Monika Wagener/Ralph Hötte: Das Hermes-Prinzip, ARD, 3.8.2011; Monitor, 27.1.2011.

41


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

den Marktführer Vion untertariflich bezahlte Werkvertragnehmer aus Rumänien.

60

Meist

wird der rumänische Mindestlohn bezahlt.

Marktführer unter den Schlachtbetrieben in Deutschland ist die Vion Food Group mit Sitz in den Niederlanden.

Die Hans-Böckler-Stiftung ließ deren Ar-

Wesentliche Mit-Antreiber dieser Entwick-

beitsbedingungen untersuchen: Die Werkver-

lung waren und sind Discounter wie Aldi und

tragnehmer aus Polen, Bulgarien, Lettland,

Supermarktketten wie Edeka.63 Zudem hat sich

Serbien, Ungarn und sogar Korea „schuften für

die Bundesrepublik auf Kosten anderer EU-

einen Euro und weniger die Stunde“ (Doelfs

Staaten inzwischen zum führenden Fleischex-

2012). Die Stundenlöhne werden oft noch wei-

portland entwickelt. Von 6,8 Millionen Tonnen

ter abgesenkt, weil Akkordvorgaben schwer zu

Schlachtfleisch im Jahr 2011 wurden 2,8 Millio-

1,02 Euro pro

erfüllen sind: Pro geschlachtetes Schwein wer-

nen exportiert, das sind etwa 40 Prozent (Ver-

Schwein, mehr als

den mitunter nur 1,02 Euro gezahlt. Die Ar-

band der Fleischwirtschaft 2012: 40). Der welt-

14 Stunden Arbeit

beitszeiten werden bei Bedarf auf bis zu

weite Export in mittlerweile 120 Länder wird

am Tag

14 Stunden pro Tag ausgedehnt. Als bei einem

über German Meat koordiniert.64

Werkvertragsunternehmen ein Betriebsrat gegründet werden sollte, kündigte Danish Crown den Vertrag und holt sich seitdem die Schlachter über eine neue Werkvertragsfirma (ebd.).

4.6 Fazit: Eine neue Unternehmenskultur macht Schule

Ausländische Schlachtkonzerne wie Tulip

Die genannten Vorreiter haben schon lange vor

und Danish Crown haben sich wegen der für

den Änderungen der gesetzlichen Rahmenbe-

sie günstigen Arbeitsverhältnisse in Deutsch-

dingungen neue Standards in der Praxis durch-

land angesiedelt beziehungsweise deutsche

gesetzt. Das waren zunächst Insellösungen, die

Schlachthofketten wie Moksel, Nordfleisch und

lange Zeit als Ausnahmen galten. Dazu gehör-

Südfleisch aufgekauft. Danish Crown etwa

ten als unmittelbare Maßnahmen gegenüber

kaufte einen Schlachthof in Essen mit der Fol-

den Beschäftigten die systematisch ausgewei-

ge, dass von den ehemals 1200 Mitarbeitern

tete und niedrig bezahlte Teilzeitarbeit,

jetzt 1000 als Niedriglohnbeschäftigte vor-

Scheinselbstständigkeit und Konzepte autori-

nehmlich aus Osteuropa über Werkverträge

tärer Personalführung.

61

beschäftigt werden. Von den 6000 Mitarbei-

Weitere Kernelemente der Strategien die-

tern der Schlachtkette Tönnies sind lediglich

ser „Pioniere“ waren die Ablehnung von Tarif-

62

verträgen, die Bekämpfung und Bestechung

2400 beim Unternehmen direkt angestellt.

60 www.rosenheim-oberbayern.ngg-bayern.net, abgerufen 7.1.2013; Der Rewe-Check, ARD, 7.1.2013. 61 Thomas Oechsner: Sauerei im Schlachthof, in: Süddeutsche Zeitung, 15.11.2010. 62 Hans Leyendecker/Jürgen Nitschmann: Der Fleischkrieg, in: Süddeutsche Zeitung, 17.5.2010. 63 Marcus Rohwetter: Und bist du nicht billig …, in: Die Zeit, 7.4.2004. 64 www.germanmeat.org, abgerufen 15.11.2012.

42


W EGBEREITER DES U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

von Betriebsräten, massive Be- und Verhinde-

Solche Vorreiter traten immer wieder auf,

rung von Betriebsratsgründungen, schließlich

wenn neue Branchen entstanden oder Bran-

auch die Finanzierung und Neubelebung gelber

chen sich umstrukturierten oder wenn billigere

Gewerkschaften sowie der Aufbau eigener Ar-

Geschäftsmodelle aufkamen. Weitere Vorreiter

beitgeberverbände.

im Bereich der Werkverträge – wir haben exem-

Wir haben in diesem Kapitel Vorreiter der-

plarisch die Schlachthöfe genannt – sind heute

artiger Aktivitäten in der Geschichte der Bun-

in den Branchen Bau, Pflege und Versandhandel

desrepublik seit den 1970er Jahren dargestellt.

(Amazon) tätig (Siebenhüter 2013: 17-41).

43


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

5. Das systematische Vorgehen gegen Betriebsräte – Union-Busting in Deutschland Das im vorigen Kapitel dargestellte systemati-

klärten Willen der Unternehmensleitung er-

sche und offene Vorgehen gegen Betriebsräte

folgt ist.

und gewerkschaftliche Interessenvertretung

Leitfaden-Interviews mit Betroffenen

Neu gegründete

bleibt allerdings nicht auf die hier genannten

Verbreitung von Betriebsräten

Branchen und Unternehmen beschränkt. Viel-

in Deutschland

mehr ist zu beobachten, dass die in den Vorrei-

Es gibt keine genauen Zahlen zur Verbrei-

terbereichen bereits durchgesetzten Praktiken

tung von Betriebsräten in Deutschland,

sich zunehmend auch in anderen Branchen und

sondern nur repräsentative Schätzungen.

Arbeitsmarktbereichen ausbreiten. Ausgehend

Die bislang umfangreichste Studie, die

von dieser Beobachtung haben wir Fallstudien

sogenannte BISS-Studie, gibt Auskunft

durchgeführt, in denen Ursprünge, typische

über den Stand der Mitbestimmung im

Verläufe und das konkrete praktische Vorge-

Jahr 2005 (Hauser-Ditz 2009). Sie geht von

hen in Konflikten systematisch dargestellt wer-

110.000 Betriebsratsgremien in Deutsch-

den.

land aus. Detlef Ullenboom fasst den

Für die folgende Darstellung haben wir in-

Stand der Erkenntnisse im Jahr 2009 wie

tensive Interviews mit amtierenden ebenso wie

folgt zusammen: Nur 22 Prozent aller

mit teils sogar mehrfach gekündigten Betriebs-

deutschen Betriebe besitzen eine Interes-

ratsmitgliedern und Initiatoren von (geschei-

senvertretung nach dem Betriebsverfas-

terten) Betriebsratsgründungen geführt. Kursiv

sungsgesetz. Die BISS-Studie berück-

gesetzte Textteile sind den Interviews entnom-

sichtigt dabei nur Betriebe mit mehr als

men; sie wurden sprachlich überarbeitet, um

zehn Beschäftigten. In Großbetrieben mit

den Lesefluss und das Verständnis zu verbes-

mehr als 500 Beschäftigten liegt die Be-

sern. Wir haben sie anonymisiert, da die Be-

triebsratsquote allerdings bei über

troffenen andernfalls negative Konsequenzen

90 Prozent. In solchen Betrieben arbeite-

zu befürchten hätten.

ten im Jahr 2005 immerhin 20,3 Prozent

Die Bekämpfung bestehender Betriebsräte

aller sozialversicherungspflichtig Be-

folgt anderen Gesetzmäßigkeiten als die Ver-

schäftigten.(a) Andere Vertretungsorgane

hinderung einer Betriebsratsgründung; sie

(AVO), die keine gesetzlichen Rechte ha-

wird daher gesondert betrachtet.

ben, repräsentierten immerhin geschätz-

Ein besonderes Augenmerk verdienen neu

te 11 Prozent aller Beschäftigten in Betrie-

Betriebsräte

gegründete Betriebsräte, die – wie im Fall der

ben mit mehr als zehn Arbeitnehmern, vor

besonders gefährdet

Systemgastro Niedersachsen – in sich (noch)

allem in der Dienstleistungsbranche

nicht gefestigt sind. Sie müssen sich ihr Stan-

(Ullenboom 2009; Hauser-Ditz 2009).

ding und das dafür nötige Wissen erst erarbei-

Allerdings liegen zum Phänomen der AVO

ten und stehen häufig unter starkem Druck, wenn die Betriebsratsgründung gegen den er-

44


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

seit 2004 keine neuen Zahlen vor (vgl.

digungsschutz für Betriebsratsmitglieder so-

Ellguth/Kohaut 2013). Eine

Auswertung

des

ankern. Grund ist vor allem der besondere Kün-

IAB-Betriebs-

panels(b) ergab, dass im Jahr 2012 schätzungweise nur 9 Prozent aller infrage kommenden Betriebe in Deutschland (also solche mit mehr als fünf Beschäftigten) einen Betriebsrat hatten. Aufgrund der gut organisierten Großbetriebe wurden in der Privatwirtschaft Westdeutschlands schätzungsweise 43 Prozent der Beschäftigten (in Ostdeutschland 36 Prozent) durch einen Betriebsrat vertreten. Der Trend ist abnehmend, die Forscher weisen auf „ausgedehnte betriebliche Vertretungslücken“ und „weiße Flecken in der Tarif- und Mitbestimmungslandschaft“ hin (ebd.).

wie die Förderung ihrer Aktivitäten, z. B. durch die Bereitstellung nötiger Infrastruktur, von Weiterbildungen und Beratungsangeboten. Wir haben 75 Fälle von Angriffen auf gewählte und anerkannte Betriebsräte gefunden, die durch Presseveröffentlichungen gut dokumentiert sind. Mit fünf dieser Betriebsräte haben wir Leitfaden-Interviews geführt. Zum einen handelte es sich um einen neu gegründeten Betriebsrat in der Systemgastronomie, der direkt nach Amtsantritt unter starken Druck durch das Management geraten war; ein weiterer Betriebsrat war 2002 in einem neu gegründeten Unternehmen entstanden und erzielte 2006 eine gewerkschaftliche Mehrheit. In weiteren drei Fällen waren es fest etablierte Gremien, die z.T. seit den 1980er oder 1990er Jah-

(a) Beschäftigtenanteile nach Betriebsgröße 1994 bis 2005 in Deutschland, IAB-Kurzbericht 23/ 2008. (b) Das IAB-Betriebspanel ist eine repräsentative Arbeitgeberbefragung, die im Auftrag des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) jährlich durchgeführt wird und nach dessen Angaben knapp 16.000 Betriebe umfasst. Das IAB ist eine Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit.

ren bestanden und eine lange persönliche Kontinuität besaßen. Die Maßnahmen des Unternehmens richteten sich im Fall des neu gegründeten Betriebsrats der Systemgastro Niedersachsen sowohl gegen die Person des Betriebsratsvorsitzenden als auch gegen das Gremium an sich („Wir brau-

5.1 Die Bekämpfung von etablierten Betriebsräten

chen keinen Betriebsrat“). In den anderen Fällen versuchten die jeweiligen Unternehmensleitungen mit verschiedenen Methoden günsti-

Kündigungen sollen

Auch wenn Gewerkschaften und Betriebsräte in

ge Mehrheiten im Betriebsrat zu lancieren. Ge-

Betriebsratsmehrheit

Deutschland formal voneinander getrennt sind,

gen bestimmte Betriebsratsmitglieder wurde

kippen

gilt die Regel: Nur wo ein Betriebsrat existiert,

mit konstruierten Kündigungen und anderen

können Arbeiter und Angestellte dauerhaft of-

Zermürbungstaktiken vorgegangen. Die Be-

fen als Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb

triebsratsgremien wurden hierbei nicht grund-

auftreten; und nur dort gelingt es Gewerkschaf-

sätzlich in Frage gestellt, sondern vielmehr

ten, sich langfristig in der Belegschaft zu ver-

standen entweder der Einfluss der Gewerk-

45


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Tabelle 1:

Bekämpfung von Betriebsräten in Beispielunternehmen Betrieb(a)

Betroffene(b)

Gewerkschaft

Systemgastro Niedersachsen

Karla G.

NGG

> 20

2010

Briefzusteller

Siegmar Q.

ver.di

> 300

2002

Systemgastro Hessen

Nouri O./Tanja T.

NGG

> 50

vor 1994

Paketdienstzentrale

Adnan T.

ver.di

> 2400

vor 1992

Chemiebetrieb

Ingolf U.

IG BCE

> 500

vor 1980

(a)

Phantasienamen, redaktionell geändert.

(b)

Mitarbeiterzahl

Gründung des Betriebsrats

Anonymisiert und redaktionell geändert. Quelle: eigene Darstellung

Gewerkschaft als

schaft („Betriebsrat ist fremdgesteuert“; „Wir

„Gerade auch am Grill. Die haben 220 bis 240

‚Bedrohung von

sind eine Familie und brauchen hier keine Ro-

Stunden im Monat gearbeitet. Eine Betriebs-

außen‘

ten“) oder besonders exponierte Arbeitneh-

vereinbarung über die Arbeitszeiten und den

mervertreter („Betonkopf“, „Hardliner“, „un-

Urlaub wollten wir“ (Karla G., Systemgastro

belehrbarer Ideologe, der das Unternehmen

Niedersachsen).

gegen die Wand fährt“) im Fokus.

Ein häufiges Thema sind Überstunden. Hier gehen die Interessen von Arbeitgebern und Ar-

Ursprünge der Konflikte

beitnehmern deutlich auseinander. Auf die Fra-

Ein Betriebsrat wird nur in seltenen Fällen be-

ge nach den Erfolgen seiner Betriebsratstätig-

kämpft, weil er prinzipiell unerwünscht ist,

keit beim Briefzusteller antwortet Siegmar Q.:

sondern weil er konkrete Verbesserungen er-

„Wir haben ein paar Betriebsvereinbarungen

streiten kann bzw. dem unternehmerischen In-

rausgeholt: Arbeitszeitkonto, alle Überstunden

teresse an größtmöglicher Gestaltungsfreiheit

sind freiwillig zu leisten. Bei über 25 Plusstun-

Massive Überstunden,

Grenzen setzt. Die häufigsten Konflikte entzün-

den muss sich der Vorgesetzte mit dem Arbeit-

ungeregelte Arbeits-

deten sich laut Auskunft der Interviewpartner

nehmer verständigen, wann diese Stunden ab-

zeiten

an Fragen der Flexibilität, von Arbeitszeiten,

gebaut werden. Über 50 Überstunden darf kei-

der Arbeitsorganisation und des Arbeitskli-

ner machen. Da dreht die Geschäftsleitung

mas. Auch führen tarifliche Belange wie die

schon seit zwei oder drei Jahren dran“ (Sieg-

Höhe der Löhne oder Lohnunterschiede häufig

mar Q., Briefzusteller).

zu Auseinandersetzungen.

46

In der Paketdienstzentrale ging die Über-

In der Systemgastro Niedersachsen war

stundenfrage noch weiter. Hier gehörte es zur

eine Flut von Überstunden offenbar der Haupt-

Unternehmenspolitik, neue Beschäftigte zu-

grund für die Gründung eines Betriebsrats:

nächst mit befristeten Verträgen und geringen


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

Wochenstundenzahlen einzustellen. Um einen

Konfliktverläufe

akzeptablen Monatslohn zu erhalten, waren

Im Fall von Systemgastro Niedersachsen war

diese Arbeiter auf exzessive Überstunden an-

eine ausgefeilte Dramaturgie der beständig

gewiesen. Für das Unternehmen bedeutete das

gesteigerten Eskalation zu beobachten, begin-

einerseits ein Reservoir an Flexibilität, ande-

nend mit der Verweigerung, Fortbildungssemi-

rerseits konnte die Personalleitung Angestell-

nare für den Betriebsrat zu bezahlen, über per-

te durch die Gewährung von Überstunden be-

sönliche Bespitzelung bis in den privaten Be-

lohnen oder durch deren Entzug bestrafen.

reich hinein bis hin zu einem 7,5-stündigen

Dabei agierte das Unternehmen laut Adnan T.

„Personalgespräch“, das wie ein Kreuzverhör

Personalgespräch

offenbar auch außerhalb gesetzlicher Regelun-

geführt wurde. „Eigentlich war das von Anfang

als Kreuzverhör

gen: „2010 haben wir festgestellt, dass der Ar-

an schwierig. Vom ersten Tag an. Bei uns war

beitgeber die Mitarbeiter dort, wo die Flugzeu-

das nie harmonisch. 2010 haben wir uns ge-

ge sich bewegen [zur Be- und Entladung am

gründet und von da an mussten wir uns um je-

Frachtterminal, A. d. Vf.], teilweise über 15,

den Zettel streiten“ (Karla G., Systemgastro

17 Stunden hat arbeiten lassen. Sie haben aber

Niedersachsen).

auf der Stechkarte nur 10 Stunden eingetragen,

Die Unterstützung des Betriebsrats, der bei

und die restlichen sechs, sieben Stunden wur-

seiner Gründung 17 Stimmen von insgesamt

den auf ein Schmierblatt notiert, und die Mitar-

21 Wahlberechtigten erhalten hatte, die meis-

beiter haben das als Gutschrift irgendwann mal

ten bei der NGG organisiert, sank durch die Ein-

erhalten“ (Adnan T., Paketdienstzentrale).

schüchterung der Belegschaft mittels verschie-

In der Paketdienstzentrale führte die dis-

dener Methoden sukzessive drastisch auf am

kriminierende Behandlung nach Erkrankungen

Ende zwei bis drei Personen, die zunehmend

zu ernsten Konflikten zwischen Betriebsrat und

isoliert wurden: „Die anderen haben sich nicht

Personalmanagement: „Der Arbeitgeber hat

offen zu erkennen gegeben im Betrieb, dass sie

alle, die länger krank gewesen waren oder aus

noch hinter mir stehen. Nur mal ein Briefchen

Illegale Arbeitszeiten,

einer Krankheit zurückkamen, an einem Band

oder Zettelchen oder so“ (Karla G., Systemgas-

dubiose Zeiterfassung

versammelt und da arbeiten lassen wie auf ei-

tro Niedersachsen). Die Betriebsratsvorsitzen-

nem Schauplatz: Das ist hier das Krankenband,

de wurde außerhalb der Arbeit bespitzelt,

die Behinderten und so“ (Adnan T., Paket-

teilweise durch ihre eigenen Kollegen, und mit-

dienstzentrale).

tels juristischer Finten mehrfach fristlos gekündigt. Der 2002 gegründete Betriebsrat im Briefzusteller-Unternehmen erlebte ein turbulentes Auf und Ab. Siegmar Q. beschreibt die wechselhafte Geschichte des Gremiums, dem er seit 2006 angehört: „2002 war der Betriebsrat ar-

47


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

beitgebergesteuert ohne Ende. 2006 bekamen

verschlissen habe: „Die Geschäftsleitung hatte

wir als ver.di drei von elf Mandate. Wir haben

denen gesagt: Das ist deine Aufgabe, den Be-

in den zwei Jahren geschafft, dass fünf oder

triebsrat hier rauszukriegen. Natürlich haben

sechs Leute zu ver.di gewechselt sind, konnten

sie es nicht geschafft. Die mussten wieder ge-

dann die Neuwahl initiieren, und dann gab es

hen“ (Nouri O., Systemgastro Hessen). Diese

einen reinen ver.-di-Betriebsrat. 2011 gab es

relative Macht war allerdings teuer erkauft.

dann wegen Auflösung des Betriebsrates

Nouri O. fühlte sich schon seit Mitte der 1990er

wieder eine Wahl und dann war ver.di wieder

Jahre unter verstärkter Beobachtung durch die

im Hintertreffen mit nur drei Plätzen“ (Siegmar

Personalleitung. Er war offenbar so wachsam,

Q., Briefzusteller).

dass er keine Angriffsfläche bot. 2011 setzte

Im Chemiebetrieb gelang es der neuen Per-

die Geschäftsleitung schließlich renommierte

sonalleitung die jahrelang sicheren Mehr-

Rechtsanwälte sowie Detekteien ein, um den

heitsverhältnisse im Betriebsrat zu drehen.

Betriebsrat zu zerschlagen. Die Auseinander-

„Am Tag nach der Wahl hat die Personalleitung

setzung lief über ein Jahr und endete mit Abfin-

im Betriebsrat interveniert: Ihr habt eine Ver-

dungen. Nicht nur der Betriebsrat, sondern

antwortung für den Betrieb. Wenn ihr den In-

auch die Mehrheit der bisherigen Belegschaft

golf als Vorsitzenden wählt, dann geht der Be-

wurde erfolgreich aus der Filiale entfernt.

trieb den Bach runter“ (Ingolf U., Chemiebetrieb). Ingolf U. hatte mit Abstand die meisten

Konfliktfelder und Methoden des Union-Busting

Stimmen erhalten. Als der Betriebsrat bei sei-

Die Union-Busting-Strategien, die von profes-

ner konstituierenden Sitzung seinen Vorsitzen-

sionellen Dienstleistern und Beratern entwor-

den wählte, war er der einzige Kandidat. In der

fen und implementiert werden, sind modular

geheimen Wahl unterlag er jedoch mit sechs zu

zusammengesetzt und so an die speziellen Ge-

Willkürlich

sieben Stimmen. Schließlich wurde er u. a.

gebenheiten des jeweiligen Betriebs und der

konstruierte

wegen Beleidigung und Verstoßes gegen das

Branche angepasst. Sie variieren im Grad der

Kündigung

Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit

gegenüber Einzelnen eingesetzten Härte sowie

mehrfach abgemahnt, dann mit Zustimmung

in der einkalkulierten Rechtsübertretung und

des Betriebsrats fristlos gekündigt. Er konnte

-missachtung. Im Folgenden schildern wir häu-

sich dagegen erfolgreich zur Wehr setzen, um

fig auftretende Bestandteile, die sich in eine

Ende 2012 nach gut einem halben Jahr wieder

Gesamtstrategie einfügen:

an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren.

48

Im Fall der Systemgastronomie Hessen be-

Vom Management geförderte Oppositions-

richtet Nouri O., dass die gewerkschaftlich gut

gruppen. In den USA gründen Union-Buster so-

organisierte Belegschaft während seiner Zeit

genannte „Vote No Committees“ in Betrieben,

als Vorsitzender seit 1994 etwa 28 Filialleiter

in denen eine Gewerkschaftswahl bevorsteht.


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

Im Zuge unserer Nachforschungen konnten wir

gelben Liste zur Betriebsratswahl abzielen

für Deutschland ähnliche Formen identifizie-

oder diese bis zur Gründung einer gelben Haus-

ren. Es handelt sich um Initiativen, die schein-

gewerkschaft oder eines alternativen Vertre-

bar aus der Belegschaft kommen, aber zumeist

tungsorgans hinauszögern (siehe dazu Kapitel

von Personalleitung und Vorgesetzten ange-

6.2).

stoßen werden. Berater gewährleisten das

Siegmar Q. berichtet über die Methoden

Coaching und Briefing der führenden Köpfe.

einer gelben Gewerkschaft in seinem Betrieb:

Mitunter erhalten die beteiligten Angestellten

„Also als die GVPZ65 endlich einen Briefkasten

finanzielle Zuwendungen oder es werden ihnen

in Köln hatte [also eine offizielle Büroadresse;

Personalmanagement

Privilegien gewährt.

A. d. Vf.], da gab es aktive Abwerbe-Versuche

beeinflusst

Die Paketdienstzentrale tat sich durch

von Betriebsratsmitgliedern. Denen wurde

Betriebsratswahlen

akribische Vorbereitung der Betriebsratswahl

schon offeriert, was für ein schönes Leben man

hervor:

als GVPZ-Betriebsrat führen kann. Mit eigenem

„Bei uns hat ein Labor Relations Manager kandidiert. Zwei Gruppenleiter hat er [auf sei-

Büro, eigenem Auto und eigenem Budget“ (Siegmar Q., Briefzusteller).

ne Liste] mitgenommen und zwei normale ge-

Im Fall von Systemgastro Niedersachsen

werblich angestellte Frauen, die im Nachhinein

ging diese Strategie von einer Kerngruppe von

alle befördert worden sind oder mehr Geld er-

vier überzeugten Betriebsratsgegnern und

halten haben.“ Von einer fairen Wahl konnte

Freunden der Geschäftsleitung aus. Ein oft ein-

hier kaum die Rede sein: „Wir haben 600 neue

gesetztes Mittel sind Unterschriftensammlun-

Mitarbeiter, die ganz leicht zu beeinflussen

gen, die für die Absetzung des amtierenden

sind [zumal sie in der Probezeit sind oder be-

Betriebrats, dessen Rücktritt oder für Neuwah-

fristete Verträge haben; A. d. Vf.]. Erst haben

len plädieren. „Die Betriebsleitung hat den

Gezielte Demontage:

sie alle Gruppenleiter organisiert, danach wur-

Protestbrief gegen den Betriebsrat zirkulieren

Unterschriften gegen

den alle neuen Mitarbeiter informiert, wen sie

lassen. Auch Ausländer haben unterschrieben,

Betriebsrat gesam-

halt wählen sollen“ (Adnan T., Paketdienstzen-

die das eh nicht lesen konnten. Ich habe die

melt

trale).

später angerufen und die haben gesagt: Ich

Mit Hilfe dieser Gruppen wird im Betrieb Stimmung gegen gewerkschaftlich orientierte

wusste nicht, was in dem Brief stand“ (Karla G., Systemgastro Niedersachsen).

Betriebsratsmitglieder gemacht. Das kann eine Initiative sein, die nach dem Motto „Betriebs-

Kampf um Einzelne. Die Geschäftsleitungen

rat ja, aber nicht diesen“ offen gegen den Be-

versuchen einzelne Mitglieder des Betriebs-

triebsrat auftritt und seine Abwahl fordert. Die

rats umzustimmen oder dazu zu bewegen, das

Initiative kann auch auf die Aufstellung einer

Gremium zu verlassen, beispielsweise durch

65 Name geändert.

49


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Abwerbung, Beförderung oder indem Privile-

den springen ab“), Geheimnisverrat, Verstoß

Bestechung durch

gien angeboten werden. So kann entweder

gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusam-

Beförderung

eine Mehrheit im Gremium gekippt oder das

menarbeit (BetrVG). Dass diese Konstruktionen

Gremium selbst mangels Ersatzkandidaten zur

in den meisten Fällen vor Gerichten scheitern,

Auflösung gebracht werden. „Nach zwei Jahren

hindert die Strategen nicht daran, sie bestän-

hat der Arbeitgeber einige Betriebsräte beför-

dig einzusetzen. „Wir hatten im September

dert zum Supervisor Manager, die dann ihr Amt

eine Betriebsversammlung. Danach wurde mir

niedergelegt haben“ (Adnan T., Paketdienst-

unterstellt, ich hätte die Belegschaft aufgewie-

Zentrale). „Da gab es einen Kollegen, der woll-

gelt, den Betriebsfrieden zu stören“ (Ingolf U.,

te schon lange versetzt werden, und einen Tag,

Chemie-Betrieb).

nachdem das geklappt hatte, ist der aus dem

Karla G. erhielt eine von mehreren fristlo-

Betriebsrat ausgestiegen“ (Siegmar Q., Brief-

sen Kündigungen durch Systemgastro Nieder-

zusteller).

sachsen mit der Begründung, sie hätte angeb-

Im Chemiebetrieb ging die Lenkung der Be-

lich mit der Presse gesprochen und negative

triebsratsmehrheit durch die Geschäftsleitung

Berichterstattung provoziert. Häufig anzutref-

ziemlich weit: „Nach der Wahl kam ein Schrei-

fen ist auch der Vorwurf, Kollegen seien von

ben der Geschäftsleitung an den Betriebsrat,

Gewerkschaftern bedroht oder eingeschüchtert

mich in meiner Arbeit zu mäßigen. Ich hab dann

worden – Grundlage kann ein offenes Gespräch

versucht, im Betriebsrat zu erreichen, dass das

unter Kollegen sein, ob man nicht am Streik

zurückgewiesen wird. Das wurde abgelehnt.

teilnehmen wolle.

Daraufhin habe ich eine persönliche Stellungnahme im Betrieb verteilt. Ich kriegte zwei Ab-

Eindringen in die Privatsphäre. Das Übergrei-

Offene Observation

mahnungen“ (Ingolf U., Chemiebetrieb). Ingolf

fen der betrieblichen Konflikte in die Privat-

des Privatlebens

U. hat dagegen geklagt und gewonnen. Das hat

sphäre der Betroffenen gehört zu den verhee-

ihn nicht davor bewahrt, später aus ähnlichen

rendsten Effekten des Union-Busting. Hierfür

Gründen fristlos entlassen zu werden – was

werden Detekteien oder – in großen Unterneh-

ebenfalls vor Gericht keinen Bestand hatte.

men – spezialisierte Abteilungen eingesetzt, die Einzelne offen observieren, mitunter auch

50

Maulkorb. Bemühungen, Betriebsratsmitglie-

im direkten Wohnumfeld. In einem unserer In-

der wegen öffentlicher oder halböffentlicher

terviews wurde geschildert, wie Detektive ei-

Äußerungen zu belangen, gehören zum Stan-

ner Unternehmensstabsstelle in das Kinder-

dardrepertoire. Das Betriebsratsmitglied wird

zimmer eines Betroffenen gespäht oder sich in

in seinem Recht angegriffen, in einem demo-

der Tiefgarage eines Wohnhauses zu schaffen

kratischen Diskurs seine Meinung zu äußern.

gemacht hatten (Adnan T., Paketdienstzentra-

Häufige Begründungen sind: Beleidigung der

le). Es gehört bisweilen zum erkennbaren Kal-

Geschäftsführung, Geschäftsschädigung („Kun-

kül, dass sie dabei gesehen wurden. Folgen bei


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

den Betroffenen sind etwa Schlafstörungen und

me Dinge geschehen. Ich habe gesagt, ich ma-

zeitweilige Arbeitsunfähigkeit, in einigen Fäl-

che das nicht. Dann ist er weggefahren und eine

Krankheiten und

len seelische, pychosomatische oder physische

Stunde später mit der Assistentin der Betriebs-

Zusammenbrüche

Erkrankungen. Zu den psychologischen Takti-

leitung Nadine C. zurückgekommen. Und mit

als gesundheitliche

ken gehört es dabei auch, Abmahnungen und

seiner Lebensgefährtin. Den Gästen hatte ich

Folgen

Kündigungen kurz vor dem Wochenende zuzu-

das nicht so richtig erklärt, wer das gewesen

stellen, oftmals per Eilboten mit persönlicher

war. Und dann kam die Nadine an und meinte:

Übergabe. So dringt das belastende Schrift-

,Das war es für dich. Du schreibst jetzt sofort

stück in Freizeit und Familie, zumal die Betrof-

deine fristlose Kündigung.‘ Die Gäste dachten,

fenen am Wochenende keine Gelegenheit ha-

das wäre die Mafia. Ich habe gesagt, ich mache

ben, sich über Anwälte oder Gewerkschaften

das nicht. Die meinten dann, ich könnte nicht

Hilfe und Beratung zu holen.

arbeiten, wenn ich krank geschrieben wäre.

Die Betriebsratsvorsitzende Karla G. wur-

[Sie war aufgrund psychischer Belastung infol-

de von einem externen Mitarbeiter einge-

ge von Mobbing für die Arbeit in der System-

schüchtert, der in Diensten der Personallei-

gastronomie krank geschrieben; A. d. Vf.]

tung stand. Sie arbeitete in einem Nebenjob in

Ich habe gesagt, dass das alles seine Richtig-

einer Kneipe:

keit hat. Dann ist die total ausgeflippt. Der Typ

„Das war donnerstags, und freitags war ich

hatte noch so ein Wortgefrotzel mit ein paar

zum arbeiten im Ratskeller. Das ist in so einer

Gästen. Dann sind die alle aus dem Laden ge-

Seitenstraße, und dann sagten Gäste, da fährt

stürmt, wieder ins Auto. Dann haben die Gäste

so ein Spinner ohne Licht rum, mit Berliner

gesagt: Die fotografieren von draußen. Dann

Kennzeichen. Und das war mir schon bei Tanja

war mir klar, der kommt gleich rein zum Foto-

aufgefallen so ein Auto mit Berliner Kennzei-

grafieren. Dann bin ich in die Küche, habe mei-

chen. Jedenfalls ist dann einer rausgegangen

ne Jacke geholt. Da kam der rein und der eine

und hat den angehalten und hat gefragt, ob er

Gast sagte auch gleich: ,Verpiss dich – du be-

ihm helfen könnte. Und dann meinte er, nein, er

drohst hier die Bedienung!‘ Aber der ist stur

käme mit rein. Und dann kam er rein und mein-

stehen geblieben. Sobald er mich sehen konn-

te: ,Ach Karla, können wir mal nach hinten ge-

te, hat er mich fotografiert. Die Gäste hat er

hen?‘ Und ich bin auch noch weg von den Gäs-

auch fotografiert. Und von da an sind die jeden

ten, ich blöde Kuh, weil ich diesen Aufruhr nicht

Freitag gekommen“ (Karla G., Systemgastro

wollte. Und dann hatte er wieder das Schreiben

Niedersachsen).

dabei und meinte, ob ich mir das jetzt überlegt hätte zurückzutreten. Ich habe Nein gesagt und

Die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Wenn eine

er meinte wieder, das wäre doch besser für alle

professionelle Konfliktführung stattfindet,

und ich müsste doch verstehen, dass das auch

wird der Zeitpunkt der Aktionen strategisch

besser für mich wäre. Es könnten ganz schlim-

gewählt. Bereits aus den wenigen Interviews

51


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

ergab sich eine deutliche Tendenz in diese

triebsräte“ (BOB) tätig ist, sagte: „Wenn du ver-

Betriebsratsgründung

Richtung. Karla G. erzählt: „Im Oktober war ich

suchst einen Betriebsrat neu zu gründen, dann

ist verbrieftes Recht,

in Urlaub, und da hat mir ein Assistent vorher

kämpfst du quasi im Feindesland.“

das schwer durchzu-

den Tipp gegeben: ‚Stell dir vor, du hast eine

Der älteste der von uns untersuchten Fälle

setzen ist

total beliebte Betriebsratsvorsitzende und du

stammt aus dem Jahr 2000. Er fand in einer mit-

kommst nicht zwischen Belegschaft und Be-

telständischen IT-Firma statt, die von einem

triebsrat. Was würdest du machen, wenn die in

ausländischen Investor gekauft wurde und

Urlaub geht?‘ Eine Versammlung, habe ich ge-

danach profitabel aufgestellt und in ein euro-

sagt. Bingo! Also habe ich die zwei Tage vor dem

päisches Konsortium integriert werden sollte.

Urlaub nachts noch den Betriebsrat zusammen-

Drei Fälle stammen aus den Jahren 2011/2012.

geholt und habe denen gesagt: Die Geschäfts-

Zwei davon betreffen Supermärkte, einer einen

leitung wird versuchen, euch unter Druck zu set-

mittelständischen Metallbetrieb.

zen. Ich war zwei Stunden in der Luft. Da bekam

Eine Sonderstellung nimmt der Fall eines

ich schon die SMS, dass in der Woche danach

Briefzustellers ein, der seit nunmehr dreiein-

Betriebsversammlung ist und Anwesenheits-

halb Jahren die Gründung eines Betriebsrats

pflicht für alle“ (Karla G., Systemgastro Nieder-

mit ganz eigenen Methoden verhindert. Das

sachsen).

Unternehmen wird ständig umgebaut, so dass

Ähnlich ist die Situation, wenn die zustän-

bislang keine verwertbare Wählerliste erstellt

digen Gewerkschaftssekretäre in Urlaub ge-

werden konnte. Jeden Erfolg von Betriebsrats-

hen. In Göttingen hat der Discounter netto 2012

initiatoren und Gewerkschaft vor Gericht kon-

mehrere gewerkschaftlich organisierte Filialen

terte das Unternehmen mit einem weiteren Um-

handstreichartig schließen lassen, als die

bau seiner Struktur, mit Umbenennungen oder

ver.di-Sekretärin Katharina Wesenick im Ur-

Rechtsformänderungen, die wieder neue Kla-

laub war.

gen auf Herausgabe einer Wählerliste nötig machten. Hier wird der oben beschriebene

5.2 Die Verhinderung von Betriebsratsgründungen

Rechtsnihilismus (siehe These 11, S. 8) in besonders offensichtlicher Weise auf die Spitze getrieben.

Bei einem internen Workshop der IG Metall

Wir gehen nach derselben Darstellungsme-

stellte ein Gewerkschaftssekretär im November

thode vor wie im vorangehenden Kapitel 5.1,

2012 folgende Beobachtung in den Raum: „Die

„Die Bekämpfung von etablierten Betriebsrä-

Gründung eines Betriebsrats kommt heutzutage

ten“.

in vielen Fällen einem Arbeitskampf gleich –

52

und der Konflikt wird von Arbeitgeberseite auch

Ursprünge der Konflikte

genauso geführt.“ Eine weitere Teilnehmerin,

Betriebsratsgründungen sind meist mit konkre-

die im IG-Metall-Projekt „Betriebe ohne Be-

ten betrieblichen Problemen, neuen oder nicht


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

Tabelle 2:

Die Verhinderung von Betriebsratsgründungen Betrieb(a)

Betroffene(b)

Gewerkschaft

Zweigelt + Partner (IT-Firma)

Kalle K.

ver.di

> 100

2000

Briefzusteller XLS

Manfred W.

ver.di

> 60

2008

Discounter Hessen

Olga B./Milutin P. keine

> 20

2011

Supermarkt Karo

Hubert H.

ver.di

> 50

2011

Callcenter CBA

Rico S./Robert T.

ver.di

> 300

2012

Schaltkästen Hinz

Rudi K.

IG Metall

> 500

2012

(a)

Phantasienamen, redaktionell geändert.

(b)

Mitarbeiterzahl

Versuchte Gründung

Anonymisiert und redaktionell geändert. Quelle: eigene Darstellung

eingelösten Ansprüchen der Belegschaft oder

beiter schon sämtliche Betriebe der Konkur-

konkreten Verletzungen arbeitsrechtlicher

renz kennengelernt hatte und stets zu den Bes-

Standards verbunden. Zur Initiierung einer Be-

ten seiner Abteilung gehörte; ein pleitegegan-

triebsratswahl bedarf es einerseits einer kon-

gener Kurierunternehmer, der nun als lohnab-

kreten Motivlage, andererseits allerdings auch

hängiger Briefzusteller arbeitet; ein ehemali-

in der Belegschaft anerkannter „Aktivisten“,

ger Hausbesetzer und Antifa-Aktivist, der nun

die mit Durchsetzungsvermögen und spezifi-

in der IT-Branche arbeitet. Hinter dem Wunsch,

schen persönlichen Kompetenzen ausgestattet

ein demokratisches Mitbestimmungsorgan ins

sind.

Leben zu rufen, haben wir verstärkt Motive gefunden, die in der als mangelhaft empfundenen

Motive von Betriebsrats-Initiatoren. In den

Arbeitsorganisation, dem Führungsstil und der

von uns untersuchten Fällen waren die Be-

Firmenkultur lagen. Die Initiatoren von Be-

triebsrats-Initiatoren schon lange in der Firma;

triebsratsgründungen sind häufig von Form und

sie genossen sowohl bei Kollegen als auch Vor-

Inhalt der Arbeit unterfordert. Sie fühlen sich

Betriebsrats-

gesetzten und Kunden Ansehen und waren häu-

von ihren Vorgesetzten unterbewertet (finanzi-

Initiatoren häufig

fig mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet,

ell, menschlich oder auch in ihrer Position in

besonders kompetente

die in ihrer Position nicht zur Entfaltung kam-

der Hierarchie) und verfügen über Ressourcen

Mitarbeiter

men: etwa eine Hotelfachfrau mit jahrelanger

und Netzwerke, um über den Tellerrand zu

Berufserfahrung, die nun als Kassiererin ar-

schauen. Viele von ihnen besitzen Selbstbe-

beitet; ein politisch aktiver Studienabbrecher

wusstsein und Motivation, was sie in Konflikt

im Callcenter; ein Facharbeiter, der als Leihar-

mit willkürlich oder autoritär handelnden Vor-

53


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

gesetzten bringt. Sie haben außerdem weniger

dann hat er Himbeeren gefunden, die ver-

Angst als viele ihrer Kollegen, stattdessen die

schimmelt waren, und hat die mir dann vor den

Gewissheit, bei Entlassung eine andere Stelle

Kunden vor die Füße geschmissen. Der hat auch

zu finden, weil sie besonders qualifiziert sind.

dem Leiter der Warenannahme ein Paket Margarine hinterhergeworfen, eine Palette umge-

Motive der Beschäftigten. Die Motive, die zur

kippt, die schräg stand“ (Hubert H., Super-

Gründung von Betriebsräten anspornen, ähneln

markt Karo).

weitestgehend den Motiven bei Konflikten mit

Die Beschäftigten bei Schaltkästen Hinz

etablierten Betriebsräten: Niedriglohn und

hatten besonders unter Personalgesprächen

Lohndumping, exzessive oder willkürliche Ver-

im Büro zu leiden, wie Rudi K. schildert: „Die

pflichtung zur Leistung von Überstunden (siehe

greifen sich einen raus. Meistens einen Schwa-

Lohndumping,

Kapitel 5.1). In den Interviews mit Betriebsrats-

chen, der wird dann ins Büro gerufen, angeb-

Überstunden,

gründern stießen wir auf einige Besonderhei-

lich zu einem Vieraugengespräch. Da sitzen

Arbeitsverdichtung

ten, die wir für erwähnenswert halten und an-

dann aber vier Leute und dann wird massiv

hand einiger Beispiele illustrieren möchten.

Druck gemacht“ (Rudi K., Schaltkästen Hinz).

Gerade bei Discountern und Supermärkten

Außer der Übernahme (oftmals lokal ver-

scheint eine regelrechte Hire-and-Fire-Kultur

wurzelter) Unternehmen durch einen interna-

in Bezug auf langjährige Mitarbeiter gängige

tionalen Investor gibt es eine zweite Sollbruch-

Praxis zu sein. Hubert H. sagt dazu: „Leute, die

stelle, die beständig Konflikte hervorruft: der

zu teuer werden, fliegen als Erste, auch z. B.

Übergang vom Vater (von der Mutter) auf den

wenn man eine Führungskraft ist und schon ein

Sohn (die Tochter) in einer patriarchalischen

paar Jahre da ist. Das war in meinem Fall auch

Firmenkultur. Rudi K. formuliert es so: „Seit der

so. Die ganz hohen Führungskräfte können kos-

Junior am Hebel ist, ist der Laden den Bach run-

ten, was sie wollen. Nur alle, die im Verkauf

tergegangen. Kann sehr gut reden und verkau-

sind, müssen ganz billig sein“ (Hubert H.,

fen. Aber mit der Menschenführung – die

Supermarkt Karo).

stimmt gar nicht. Meines Erachtens ist der auch

Ein wesentliches Motiv für den Versuch, einen Betriebsrat zu gründen, ist das als schika-

einfach mit der Firma überfordert“ (Rudi K., Schaltkästen Hinz).

nös und willkürlich empfundene Verhalten von Schutz vor Willkür

Führungspersonen. Beim Supermarkt Karo war

Der Wendepunkt: Jetzt gründen wir einen Be-

und Kündigungen

dies so im Fall eines als Choleriker bekannten

triebsrat. In sämtlichen Fällen können klare

Vorgesetzten: „Der machte seinen Rundgang.

Punkte identifiziert werden, an denen die ein-

Also erst zu Obst und Gemüse, Frischekontrol-

zelnen Initiatoren für sich entscheiden, das Ri-

le. Wir hatten zwei Krankmeldungen, also wa-

siko einer Betriebsratsgründung einzugehen.

ren wir noch nicht richtig fertig. Da hat er schon

Beim Metallbetrieb Schaltkästen Hinz hatte

gemeckert, dass da noch Paletten standen. Und

dieser Schritt eine lange Vorlaufzeit. Es wur-

54


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

den sogar recht deutliche Versuche unternom-

krank. Neun Jahre keinen einzigen Tag Kranken-

men, die Geschäftsführung zur Kursänderung

stand‘“ (Olga B., Discounter Hessen).

zu bewegen: „Im Sommer 2010 hat ein Mitar-

Die Übernahme ihres regionalen Unterneh-

beiter einen handschriftlichen Brief geschrie-

mens durch einen internationalen Konzern

ben, hat all die Probleme angesprochen, von A

brachte die Kollegen des Briefzustellers XLS

bis Z. Hat es gut formuliert, aber knallhart ge-

auf die Idee, dass sie etwas unternehmen soll-

schrieben und den Brief haben über neunzig

ten: „Vorher war es so: Der Chef im eigenen

Leute unterschrieben. Den haben wir dem Chef

Haus hatte immer ein offenes Ohr. Es war uns

Chef ignoriert

persönlich zugestellt. Der hat ihn nicht beach-

klar, dass das beim Briefzusteller XLS nicht der

Verbesserungs-

tet. Die ersten drei, die unterschrieben haben,

Fall sein wird. Deswegen haben wir gesagt, wir

vorschläge

die hat er zu sich bestellt. Und hat die gefragt,

gründen einen Betriebsrat“ (Manfred W., Brief-

was das sollte, und hat die mehr oder weniger

zusteller XLS).

abgewatscht. Da kam der Entschluss, wir gründen einen Betriebsrat“ (Rudi K., Schaltkästen

Konfliktverläufe

Hinz).

Auch bei der Verhinderung von Betriebsrats-

In den beiden von uns untersuchten Super-

gründungen zeigt sich, dass manche Arbeitge-

märkten sind die Betriebsrats-Initiatoren aktiv

ber und ihre Berater mit einer großen Bandbrei-

geworden, um sich selbst vor Kündigungen

te an modular eingesetzten Methoden auf Indivi-

oder Repressalien zu schützen. Der Discounter

duen und Belegschaften einwirken. Mitunter

Hessen beschuldigte plötzlich Mitarbeiter der

entwickeln sie viel Phantasie, um ihre Möglich-

Filiale des systematischen Diebstahls und be-

keiten zu vergrößern und Schwachpunkte der

gann sie erst zu bespitzeln, dann Einzelne zu

abhängig Beschäftigten auszunutzen.

versetzen. Hier geschah die Initiative zur Be-

In den meisten von uns untersuchten Fällen

triebsratsgründung auf Anraten eines Anwalts.

waren die Unternehmen und die von ihnen be-

Die Kassiererin Olga B. schildert den Vorgang

auftragten Dienstleister erfolgreich darin, die

so: „Am 4. Januar ist mir mitgeteilt worden,

Gründung eines Betriebsrats zu verhindern.

dass wir verdächtig sind. Also erst Milutin,

Der Discounter Hessen wählte als Mittel will-

dann ich und dann noch einer. Und dann haben

kürliche Versetzungen von Betriebsrats-Initia-

die mich versetzt in eine Filiale im Industriege-

toren, so dass diese mit ihrer familiären Situa-

Versetzungen als

biet. Da habe ich zu dem Filialleiter gesagt: ‚Das

tion nicht vereinbare Fahrt- und Dienstzeiten

Druckmittel

mache ich nicht mit. Da sind Sie bei den ande-

auf sich nehmen mussten, beispielsweise

ren mit durchgekommen. Aber bei mir nicht.

54 Busstationen An- und Abfahrt plus Spät-

Ich werde dagegen kämpfen, dass Sie mich hier

schicht für eine alleinerziehende Mutter; zwei

als Diebin darstellen. Ich habe jetzt fünf Jahre

Wochen Montage im Ausland für einen teiler-

alleine gekämpft, alleinerziehend. Ich war nie

ziehenden Vater. Die Geschäftsleitung gründete einen gelben Betriebsrat, während eine Be-

55


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

triebsrats-Initiatorin im Urlaub war. Im neuen

(AVO) einer erneuten Betriebsratsgründung vor-

Betriebsrat fanden sich plötzlich Vorgesetzte,

zubeugen.

die unsere Interviewpartnerin zuvor schika-

Die angeschlagene IT-Firma Zweigelt + Part-

niert und damit erst den Grund für die Betriebs-

ner inszenierte eine aufwendige Firmenver-

ratsgründung geliefert hatten.

sammlung, um die angekündigte Gründung ei-

Die beiden Supermärkte (Discounter Hes-

nes Betriebsrates zu verhindern. Bei dieser

sen, Karo) wandten eine Methode an, die wir

Versammlung trennte das Management die Be-

„sozialer Tod“ nennen: Dazu gehören gezielter

legschaft in zwei etwa gleich große Gruppen,

Entzug menschlicher und kollegialer Wärme bei

um der einen Gruppe sogleich die kollektive

der Arbeit und Mobbing durch Vorgesetzte und

Kündigung mitzuteilen, was zu tumultartigen

Kollegen: Häme, Vorwürfe, Verhöre, Rufmord,

Szenen führte. Die Restmannschaft – 60 von

Gerüchte, Schikanen (siehe Kapitel 5.3). Diese

120 Mitarbeitern – konnte der Firma später

Besondere Härte:

Methoden sind aus Unternehmenssicht äußerst

gleichwohl einen Betriebsrat aufzwingen. Die

soziale Deprivation

effizient und hatten in den recherchierten Fällen

Firma überdauerte das Platzen der Internet-

und Schock-Aktionen

das „freiwillige“ Ausscheiden ohne Kündigung

Blase allerdings nur knapp zwei Jahre. Beim

zur Folge, nicht zuletzt aufgrund der psychi-

Briefzusteller XLS ließ sich der Betriebsrats-

schen und körperlichen Folgen. In einem Fall

Initiator in eine juristische Auseinanderset-

akzeptierte die Mitarbeiterin einer Discounter-

zung verwickeln, die seit Februar 2010 andau-

Filiale nach längeren Auseinandersetzungen

ert und um die Aushändigung einer verwertba-

und körperlichen Zusammenbrüchen eine Abfin-

ren Wählerliste kreist. Der Fall liegt seit dem

dungsregelung. Ein Betriebsrats-Mitinitiator in

22. Juni 2012 beim Bundesarbeitsgericht und

einer Filiale der Supermarktkette Karo ging auf

wird voraussichtlich im dritten Quartal 2014

ein Versetzungsangebot ein. Nach einem halben

verhandelt (7 ABR 53/12).66 Die Besonderheit

Jahr wurde er von seiner neuen Arbeitsstelle –

hier war, dass der Aktivist beruflich offenbar

entgegen zuvor gemachten Versprechungen –

völlig unbehelligt blieb.

betriebsbedingt gekündigt, mit Zustimmung des

Den geschilderten Niederlagen bei Be-

dortigen Betriebsrats, der nach Einschätzung

triebsratsgründungen steht unter den sechs

des zuständigen ver.di-Sekretärs als unterneh-

von uns untersuchten Fällen nur ein erfolgrei-

Nur eine Betriebs-

menshörig gilt. Auch Callcenter CBA blieb be-

cher Versuch gegenüber. Dieser Betriebsrat

ratsgründung hatte

triebsratsfrei. Hier war bereits drei Jahre früher

hat bis heute Bestand. Der Metallbetrieb

Bestand

eine Betriebsratsgründung gescheitert. Das das

Schaltkästen Hinz ging zunächst mit gezielten

Unternehmen patriarchalisch führende Grün-

Kündigungen gegen die Betriebsrats-Initiato-

derpaar hatte damals versucht, durch die Instal-

ren vor. Doch das Unternehmen musste nach

lation eines alternativen Vertretungsorgans

langer Auseinandersetzung, die die IG Metall

66 Laut telefonischer Auskunft der Geschäftsführung des 7. Senats, BAG Erfurt am 6.3.2014.

56


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

in der betrieblichen und regionalen Öffentlich-

Gerüstbauer, einen Arbeiter, der keinen Füh-

keit wie auch auf gerichtlichem Wege gegen

rerschein besaß, zum Rückzug von der Be-

den Firmenpatriarchen führte, einen Betriebs-

triebsratsgründung zu bewegen. Mit öffentli-

rat akzeptieren: den ersten in der jahrzehnte-

chen Verkehrsmitteln war der neu zugewiese-

langen Geschichte des Unternehmens. Der Sieg

ne Arbeitsplatz für den Familienvater nur mit

war teuer erkauft: Von drei gekündigten Initia-

mehreren Stunden täglicher Fahrtzeit zu errei-

toren der Betriebsratsgründung kehrte keiner

chen.67

in den Betrieb zurück. Zwei fanden neue Arbeit,

Die Firma Schaltkästen Hinz kam auf die

einer wurde infolge von Depressionen dauer-

Idee, Initiatoren der Betriebsratswahl auf Mon-

haft arbeitsunfähig.

tage ins Ausland zu versetzen: „Ich sage: ‚Ich kann nicht auf Montage gehen, ich muss mich

Konfliktfelder und Methoden

um meine Tochter kümmern.‘ Meine Freundin

Unternehmensleitung und Personalmanage-

geht Vollzeit arbeiten. Die bringt das Kind mor-

ment griffen auch bei der Verhinderung von

gens in den Kindergarten, ich gehe es mittags

Betriebsratsgründungen auf einen Methoden-

holen. Weil wir Gleitzeit haben, habe ich um

Mix zurück, der der Situation, den „Zielperso-

6 Uhr angefangen, um 15 Uhr war ich fertig und

nen“ und der Firmenkultur entsprechend modu-

um 15.30 das Kind holen. Das hat immer gut

„Du arbeitest hier,

lar angepasst wurde.

gepasst. Die Antwort war: ‚Du arbeitest hier,

nicht deine Familie“

nicht deine Familie‘“ (Rudi K., Schaltkästen Schikanöse Versetzungen. Eine Methode,

Hinz).

besonders um Familienväter und -mütter unter Druck zu setzen, ist die gezielte Versetzung an

Angedrohte Schließung und gezielte Falsch-

einen nur schwer und aufwendig erreichbaren

information. Je nach konjunktureller Lage oder

Ort. Vor Gericht schildert eine Betroffene den

Arbeitslosigkeit in der Region kann die Dro-

Zynismus des Discounters Hessen in dieser Fra-

hung mit der Betriebsschließung eine große

ge: „Und dann hat mein Anwalt gefragt: ‚Wisst

Wirkung entfalten. Das ist in Ostdeutschland

ihr denn überhaupt, wie die Frau B. mitten in

noch einfacher als in Westdeutschland: „Das

der Nacht nach Hause kommt? Die hat noch ein

hat er auch gesagt: ‚Wenn es jetzt einen Be-

Kind zu Hause.‘ Da hat der Verkaufsleiter ge-

triebsrat gibt, hat er keinen Spaß mehr an der

sagt: ‚Das ist hier keine emotionale Party. Vor

Investition.‘ Aber die feigen Kollegen haben

Mitternacht wird sie es ja wohl nach Hause

dann nicht den Chef angegriffen, sondern den

schaffen‘“ (Olga B., Discounter Hessen).

Mirko: ‚Wenn du den Betriebsrat gründest,

Mit der Methode der schikanösen Versetzung schaffte es auch ein niederrheinischer

kannst du dann damit leben, 300 Arbeitsplätze zu vernichten?‘“ (Rico S., Callcenter CBA).

67 Interview mit IG-BAU-Sekretär Reinhard Steffen am 12.10.2012.

57


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Dabei kann es sich ohne Weiteres um gezielt gestreute Falschinformationen handeln.

te erfolgreich zu sein. In dieser AVO-Variante werden von den Arbeitsteams, den unteren

Die CBA-Belegschaft zeichnete sich durch

Gliederungen am Arbeitsplatz, sogenannte

eine erhöhte Irritierbarkeit durch solcherlei

Vertrauensleute gewählt. Sie haben nichts mit

Desinformation aus: „Da wurde auch ständig

der gewerkschaftlichen Tradition des Vertrau-

von allen behauptet: ‚Wenn ein Betriebsrat

ensleutekörpers zu tun. Ein Interviewpartner

kommt, dann muss der jede einzelne Überstun-

war Teil solch eines recht simpel gestrickten

de absegnen.‘ Ich habe denen gesagt, dass das

AVO; Callcenter-Agent Rico S. berichtet: „Die

Quatsch ist. Trotzdem sind auch Leute, die stu-

Sitzungen waren immer nach Schema: Die Fir-

dieren [und eigentlich über einen weiteren Ho-

mengründer erzählen, was es Neues gibt. Das

rizont verfügen sollten; A. d. Vf.], übelst ausge-

waren totale Jubelarien. Die Leute wurden nach

rastet, weil sie meinten, da würde ihnen jetzt

Strich und Faden verarscht. Manchmal wurde

ein Betriebsrat reinfunken“ (Callcenter CBA).

auch über neue Projekte erzählt, z. B. ein Call-

Die Methodik gezielter Falschinformatio-

Center auf Malta. Mich als kleines Call-Center-

nen zur Verhinderung von Betriebsratsgrün-

Mäuschen hat das überhaupt nicht interessiert.

dungen ist bereits von Kate Bronfenbrenner

Immer am Ende eines Vertrauensleute-Mee-

empirisch untersucht worden. Bronfenbrenner

tings gab es Fragen aus der Belegschaft. Das

nahm die wachsenden Fälle von angedrohten

waren ganz banale Geschichten über Brötchen,

Unternehmensschließungen im Zuge von Wah-

Toiletten, solche Sachen. Es ging nie um Lohn.

len zur Gewerkschaftsanerkennung in den USA

Ganz selten mal um Feiertage“ (Robert T., Call-

unter die Lupe (siehe auch Kapitel 2.1). Bereits

center CBA).

1996 war sie zu der Erkenntnis gekommen, dass dieser Zusammenhang insbesondere

Einzelgespräche und Kreuzverhöre im Büro.

durch die Möglichkeiten, Unternehmensteile

Eine klassische Methode des Union-Busting

nach Mexiko zu verlagern, die sich US-Konzer-

sind wiederholte Einzelgespräche mit direkten

nen ab 1992 durch die Freihandelszone NAFTA

Vorgesetzten im Büro (vgl. Levitt 1993). Zu sol-

Versuchte

boten, eindeutig nachweisbar war und diese

chen kann es in der heißen Phase einer Be-

Beeinflussung seitens

Strategie stark zugenommen hatte (Bronfen-

triebsratsgründung mehrfach wöchentlich

des Personalbüros

brenner 1996).

kommen. Mitunter werden spezialisierte und psychologisch geschulte Kräfte aus dem mittle-

58

Alternatives Vertretungsorgan. Im Callcenter

ren bis oberen Management hinzugezogen. Die

CBA stießen wir auf ein alternatives Vertre-

Geschäftsleitung macht sich auf verschiedenen

tungsorgan (AVO). Es war vier Jahre zuvor ein-

Wegen, auch durch Auskunfteien wie Creditre-

gerichtet worden, um die bereits damals erfolg-

form, über ihre Mitarbeiter kundig, um gezielt

te Abwehr einer Betriebsratsgründung dauer-

Beeinflussungsmöglichkeiten bei Einzelnen

haft abzusichern. Die Strategie scheint bis heu-

ausfindig zu machen. „Da hat der Filialleiter für


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

alle Pizza ausgegeben. Und danach wurde jeder

center-Agent Rico S. berichtet von einem sol-

einzelne Mitarbeiter von der Bereichsleitung

chen Treffen: „Es hieß: ‚Wir wollen einiges

ins Büro geholt: ‚Sind Sie für oder gegen einen

verbessern, wir machen ein Team-Meeting,

Betriebsrat?‘ Zwei haben mir davon erzählt.

dann wollen wir mal über den Betriebsrat re-

Der eine hat gesagt, das hört sich gut an, der

den.‘ Leider war von uns Initiatoren nur der

wurde gleich auf eine Liste geschrieben, und

Marcel dabei, also jemand, der sehr ungern

der andere, der hat auch gesagt, das hört sich

vor Leuten redet. Der saß da mit fünfzehn Mit-

gut an. Und ein oder zwei Tage später hat der

arbeitern und dem Projektleiter, und dann wur-

Bereichsleiter ihn auf seinem Handy angeru-

de halt alles gegen den Betriebsrat gedreht

fen: ‚Herr Soundso, sind Sie für den Betriebs-

und wurden Gerüchte erzählt: Nur weil hier

rat?‘ Hat er gesagt: ‚Ja, eigentlich schon.‘ Hat

drei Studenten, die in ihrem Leben noch nie

der Bereichsleiter gesagt: ‚Nein, Sie sind dage-

richtig gearbeitet haben, einen Betriebsrat

gen. Sonst wird das Konsequenzen für Sie ge-

gründen wollten, haben wir bei Ausschreibun-

ben.‘ Der eine hat eine Freundin, der andere

gen gleich 15 bis 16 Projekte verloren“ (Robert T.,

hat ein Kind, der Dritte hat Schulden. Das wis-

Callcenter CBA).

sen die. Die informieren sich im Vorfeld über

Da die Zeit zwischen dem ersten Aushang

jeden Mitarbeiter, wo sie ihn angreifen kön-

zur Wahl eines Wahlvorstandes und der eigent-

nen“ (Olga B., Discounter Hessen).

lichen Betriebsratswahl knapp bemessen ist, werden diese Versammlungen häufig ange-

Verpflichtend angeordnete Belegschaftsver-

wandt, mitunter mehrmals pro Woche und in

sammlungen. In den Wochen zwischen dem ers-

Kombination mit Einzelgesprächen. Die Ge-

ten Aushang zur Wahl eines Wahlvorstands bis

sprächsgruppen werden gezielt zusammenge-

zur eigentlichen Betriebsratswahl wird ver-

stellt und umfassen manchmal nur ausgewähl-

Auch eindeutig

sucht, die ganze Belegschaft oder Teile wäh-

te Teile der Belegschaft. Diese Methode stammt

illegale Praktiken

rend der Arbeitszeit oder häufig auch danach

ebenfalls aus den USA (vgl. Levitt 1993), ist dort

werden gezielt

in Betriebsversammlungen gezielt zu beein-

das am häufigsten verwendete Mittel und wird

eingesetzt

flussen. Dabei wird auch gedroht und die Be-

mit dem Fachbegriff „Captive Audience Mee-

legschaften werden durch aggressives Auftre-

ting“ bezeichnet (Bronfenbrenner 2009b: 10).

ten eingeschüchtert. Entlassungsdrohungen

Die Juristin Elizabeth J. Masson hat diesen Ver-

kommen ebenso vor wie therapieartige Grup-

sammlungen eine eigene Studie gewidmet

pengespräche, bei denen sich Vorgesetzte

(Masson 2004). Die Methode stellt einen deut-

konziliant zeigen, Verbesserungen verspre-

lichen Verstoß gegen § 119 des BetrVG dar,

chen, zur Kritik ermuntern und Mitarbeiter,

wird aber bislang kaum zur Anzeige gebracht,

die sich gegen die Gründung eines Betriebs-

verfolgt oder geahndet.

rats aussprechen, auf ihre gewerkschaftlich organisierten Kollegen einwirken. Der Call-

59


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Gezielte Sabotage und inszeniertes Chaos bei

hatte für die Wahlveranstaltung eine Lautspre-

Wahlversammlungen. Nach dem Betriebsver-

cheranlage aufgebaut, die durch eigenes Per-

fassungsgesetz haben Beschäftigte das Recht,

sonal bedient wurde. Die Redner aus der IG

einen Betriebsrat zu gründen. Dies geschieht

Metall wurden leise gedreht, die Gegner einer

zunächst durch die Wahl eines Wahlvorstandes

Betriebsratsgründung entsprechend lauter. Im

in einer Betriebsversammlung. Die zur Wahl

Publikum stand ein Stimmungsmacher der Be-

stehenden Kandidaten werden dann durch Un-

triebsratsgegner, der mit einem eigenen Mi-

terstützungsunterschriften ermittelt und ent-

krofon ausgestattet war. Von einem Chemie-

sprechende Kandidatenlisten beim Wahlvor-

Betrieb aus dem Münsterland wurde uns von

stand eingereicht. Anschließend kann es eine

ähnlichen Vorfällen während einer Wahlver-

weitere Betriebsversammlung geben, auf der

sammlung berichtet. Hier bestand der dringen-

sich die Kandidaten vorstellen. Daraufhin wer-

de Verdacht, dass managementhörige Ange-

den die Kandidaten oder Listen in den Betriebs-

stellte im allgemeinen Chaos mehrfach gewählt

rat gewählt. In einigen von uns recherchierten

hätten. Zudem hatten Führungspersonen und

Fällen wurde die Betriebsratswahl gezielt ge-

Gehilfen ganz offen notiert, wenn sich Ange-

stört und manipuliert. Hier stach der Metallbe-

stellte positiv über den Betriebsrat äußerten.

trieb Hinz durch besonderen Aufwand und sorgfältige Planung hervor.

Diese Manipulations- und Verhinderungsstrategien bei Wahlversammlungen haben ne-

Es wurden uns folgende Maßnahmen be-

ben der unmittelbaren Störung einen weiteren

richtet, um die Wahl in einem inszenierten Cha-

Effekt, der gegen die Betriebsratsgründung ge-

os enden zu lassen:

nutzt werden kann: Die so erzeugten Unregel-

Führungspersonen, die nicht wahlberech-

mäßigkeiten können als Grundlage für eine

tigt waren, nahmen teil; sie weigerten sich trotz

aussichtsreiche juristische Anfechtung der

Wahlversammlung

eindeutiger Aufforderung des Wahlvorstands,

Wahl dienen.68

kann durch geschickte

der per BetrVG in diesem Moment das Haus-

Inszenierung im Chaos

recht besaß, den Raum zu verlassen. Zudem

versenkt werden

kandidierten – ebenfalls gegen die Bestimmungen im BetrVG – Führungspersonen. Ma-

5.3 An der Grenze zur Illegalität: Rechtsnihilismus als Methode

nagementhörige Angestellte postierten sich

Im folgenden Kapitel betrachten wir besonders

strategisch geschickt im Raum; sie machten

aggressive Methoden des Union-Busting, die

Lärm, Stimmung, mitunter Tumult, um einen

umso bedeutsamer erscheinen, als sie in der

Abbruch zu erwirken. Der Metallbetrieb Hinz

Literatur unseres Wissens bislang nicht be-

68 Der Autoteile-Händler A.T.U. sorgte an den Standorten Werl und Weiden laut Presse auf ähnliche Weise für Furore. Siehe: „Unruhe bei A.T.U. um Betriebsrat und Gerüchte“, in: Soester Anzeiger, 20.1.2013, sowie: „A.T.U.Betriebsratswahl geplatzt“, http://www.oberpfalznetz.de/onetz/3456580-118atu_betriebsratswahl_geplatzt,1.0.html, 9.11.2012, abgerufen 26.6.2013.

60


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

schrieben wurden. Es stellt sich insbesondere

ich in die neue Filiale gemusst und da haben

bei zwei der unten aufgeführten Punkte die Fra-

die mich alle angeguckt, die haben alle über

ge, wo ihre historischen Wurzeln liegen. Die

mich Bescheid gewusst, dass ich die Diebin

Methode „Sozialer Tod am Arbeitsplatz“ erin-

bin. Die haben mich morgens vor der Tür

nert an Berichte aus der japanischen Unterneh-

draußen gelassen, die haben mich nicht in den

menskultur (vgl. Bundesanstalt für Arbeits-

Laden rein gelassen. Die haben drinnen geses-

schutz und Arbeitsmedizin 2010: 5). Die von uns

sen und Kaffee getrunken. Ich habe keinen

„Shock and Awe“ genannte Methode über-

Spind-Schlüssel bekommen, meine Tasche lag

rascht durch ihren zugrunde liegenden Rechts-

offen auf dem Boden rum. Kleidung oder Essen,

nihilismus, der sowohl den Straftatbestand der

das ich gekauft habe, da haben sie reinge-

Nötigung erfüllt als auch eine langfristig ge-

spuckt oder das weggeschmissen. Da ist die Be-

plante Inszenierung umfasst, die auf konstru-

zirksleiterin vorbeigekommen mit Törtchen,

ierten Prämissen beruht.

und alle haben sich zusammen hingesetzt, und ich habe kassiert. Keiner hat mit mir gespro-

Der „soziale Tod“ am Arbeitsplatz

chen“ (Olga B., Discounter Hessen).

Gemeint ist ein von der Geschäftsleitung ange-

Ganz ähnlich erging es einem weiteren Be-

ordneter und von Vorgesetzten überwachter

triebsrats-Initiator im Supermarkt: „Ich wurde

Entzug sozialen, kollegialen Umgangs. Die Op-

von dem Tag an nur bespitzelt, wurde beobach-

fer dieser Methode wurden weiter im Betrieb

tet, mit wem ich gesprochen hatte. Die Leute,

belassen, jedoch wurde den Mitarbeitern unter

mit denen ich gesprochen hatte, die mussten

Androhung von Sanktionen verboten, mit ihnen

dann hoch zur Leitung und berichten, was wir

zu sprechen. Bei Zuwiderhandlung mussten die

besprochen haben. Der Hausdetektiv hat mich

Beschäftigten zu eindringlichen Gesprächen

beobachtet, wo ich war. Ich war das rote Tuch,

im Personalbüro erscheinen und über die In-

der Buhmann, der mit dem Schreiben von

halte ihrer Konversationen mit der Zielperson

ver.di kam, dass wir jetzt einen Betriebsrat

Auskunft geben. Jeder Schritt der fokussierten

gründen“ (Hubert H., Supermarkt Karo).

Personen wurde teils offen beobachtet, kon-

Gudrun Z., eine Kassiererin und gewerk-

trolliert, protokolliert. Der Interviewpartner

schaftliche Vertrauensperson, berichtet: „Die

Hubert H. wurde dadurch so unter Druck ge-

Tür war noch nicht hinter mir zu, da wurde ich

Soziale Deprivation:

setzt, dass er einer Versetzung zustimmte –

angeschrien von einer Kollegin, die die Filial-

„Keiner hat mit mir

wodurch eine Betriebsratswahl mangels Kan-

leitung gemacht hat. Es hat niemand mehr mit

gesprochen“

didaten verhindert wurde. Eine andere Inter-

mir gesprochen im Laden. Ein halbes Jahr habe

viewpartnerin berichtet von den psychischen

ich gedacht, ich schaffe es. Aber es ging nicht.

und physischen Auswirkungen, die bei ihr bis

Es war ja nachher keiner mehr im Laden, der

hin zu Lähmungserscheinungen führten. Die

mit mir gesprochen hat. Weder ‚Guten Morgen‘

Kassiererin Olga B. berichtete: „Montag habe

noch ‚Auf Wiedersehen‘.“ Diese äußerst effek-

61


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

tive Methode hat schwerwiegende gesundheit-

Krankheit wird von aggressiven Arbeitgebern

liche Folgen: „Also, ich hatte einen richtigen

und Beratern als Zeichen der Schwäche gewer-

Brechreiz, wenn ich auf Arbeit musste. Ich bin,

tet, als Indikator für einen Erfolg ihrer Gesamt-

bevor ich los bin, fünf- bis sechsmal auf Toilet-

strategie.

te. Ich hatte Durchfall, ich hatte Nasenbluten

Einem gesellschaftlichen Trend folgend,

bis zum Geht-nicht-mehr“ (Gudrun Z., Discoun-

werden vermehrt mentale Techniken wie Me-

ter Niedersachsen).

diation, Supervision und Coaching im Zusammenhang mit Arbeitskonflikten eingesetzt. Sie

Pathologisierung: „Sie sind krank“

können im Zusammenhang mit Union-Busting-

In den Schilderungen von Olga B. findet sich

Konflikten ebenfalls dazu dienen, die Betroffe-

ein wiederkehrendes Motiv, das auch in Ge-

nen zu pathologisieren und den Konflikt von

sprächen mit etablierten Betriebsräten zu fin-

einer kollektiven und im Kern wirtschaftlichen

den war, die systematisch bekämpft wurden:

Auseinandersetzung zu einer individuellen

die Pathologisierung. Den Betroffenen wird

oder zwischenmenschlichen Angelegenheit

suggeriert, sie seien krank, ihr Widerstand sei

umzudeuten.

pathologisch, neurotisch, Folge einer Persönlichkeitsstörung. Die Kassiererin beschreibt,

„Shock and Awe“ – Die Schock-Methode

wie ein solcher Vorgang auf sie wirkte: „Und

Wir sind auf drei Fälle gestoßen,69 in denen

dann sind der Verkaufsleiter und die Betriebs-

Unternehmen mit generalstabsmäßiger Pla-

leiterin gekommen und haben zu mir gesagt:

nung, Vorbereitung und Durchführung gegen

‚Sie sind krank. Sie müssen in die Psychiatrie.

ganze Belegschaften vorgegangen sind. Eine

Alle Leute hassen Sie. Sie sollten unbedingt

Art psychologischer Kriegsführung, die „Shock

ärztliche Hilfe annehmen.‘ Ich war schockiert,

and Awe“ (S&A, deutsch: „Furcht und Schre-

Häufige Folge:

ich war sprachlos“ (Olga B., Discounter Hes-

cken“, Schock-Methode) genannt wird.70 Die

Arbeitsunfähigkeit

sen).

Begrifflichkeit fand als Beschreibung für das

Tatsächlich gehen die erforschten Union-

US-amerikanische Vorgehen im Irakkrieg Ein-

Busting-Konflikte recht häufig mit einer zeit-

gang in den deutschen Wortschatz. Dabei wird

weiligen Arbeitsunfähigkeit aus seelischen

versucht, durch eine plötzliche Aktion Überra-

oder psychosomatischen Gründen einher.

schungseffekte zu nutzen, so dass rechtliche

Meist nimmt der Druck noch zu, wenn die Be-

Auseinandersetzungen und Möglichkeiten ei-

troffenen nach Ablauf der Krankschreibung

ner nennenswerten Gegenwehr mit großer

wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren. Die

Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten sind (vgl.

69 Die Fälle datieren vom Mai 2008, Januar 2011, November 2011, resultierende Arbeitsgerichts- und Strafprozesse endeten 2010, 2012 und 2013. Die Fälle sind durch Prozessbeobachtung, Hintergrundgespräche, in einem Fall durch ein Gruppeninterview mit drei Betroffenen dokumentiert. Aktenzeichen: ArbG Köln 12Ca73 93/11, ArbG Frankfurt a.M. 18 Bv 967/11 | 968/11 | 969/11, LAG Köln 3 Sa 561/12. 70 Constanze Stelzenmüller: Schock und Entsetzen, in: Die Zeit, 13/2003.

62


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

Klein 2007: 75 ff.). Wir betrachten dieses dras-

Das eingesetzte Personal durchsucht priva-

tische Vorgehen gesondert, weil es in Deutsch-

te Spinde und Taschen. Es ergehen Verbote in

land bislang wohl nur in Ausnahmen praktiziert

polizeilichem Stil: Niemand geht raus, keine

wird. Der Ablauf ist – ausgehend von einem

Gespräche, keine Telefonate! In separaten Räu-

Gruppeninterview mit Betroffenen sowie zwei

men werden die Beschäftigten einzeln von An-

weiteren Interviews – ähnlich wie ein Drehbuch

wälten, Personalleitern und Innerer Revision

verfasst. Tatsächlich ist beim Handeln der ver-

ins Kreuzverhör genommen. Diese präsentie-

schiedenen Akteure und Akteursgruppen auf

ren als Belastungsmaterial Überwachungspro-

Seiten des Arbeitgebers eine sorgfältige Insze-

tokolle, mitunter DVDs mit Ausschnitten aus

nierung des Ereignisses erkennbar.

Überwachungsvideos. Nouri O. wurde es ver-

Zu einem vorher verabredeten Zeitpunkt

wehrt, einen Beistand zu den Verhören mitzu-

wird der Betrieb von einem größeren Team be-

nehmen: „Da hat er gesagt: Herr O., Sie sind

setzt, Security-Leute verschließen die Türen, die

doch Betriebsrat, Sie brauchen doch keinen

Arbeit wird zum Stillstand gebracht. Der Betrieb

Zeugen. Ich hab gesagt: Doch, ich brauche je-

wird in eine Art privates Polizeirevier verwan-

manden, sonst führe ich mit Ihnen keine Ge-

delt, Verhörraum und Wartezonen werden abge-

spräche. Richtig wütend sagt er: ‚Wir wollten

trennt. Nouri O., langjähriger Betriebsratsvor-

Ihnen nur einen Gefallen tun! Wenn Sie das

sitzender, berichtet: „Da kamen sie rein, der

nicht wollen, dann müssen wir gegen Sie Straf-

Anwalt und der Personalleiter, es war wie ein

anzeige wegen Eigentumsdelikten erstatten.‘

Überfall. In diesen Nebenräumen haben sie Vi-

Hab ich gesagt: Ja, dann machen Sie es“ (Nou-

deogeräte, Laptops und Drucker aufgebaut und

ri O., Systemgastro Hessen).

haben diese Räume umfunktioniert in eine Art

Die Angestellten werden z. T. länger als

Verhörraum. Der Personalleiter und der Anwalt

eine Stunde unter Bewachung festgehalten. In

sagten mir: ,Schalten Sie Ihr Handy aus! Sie dür-

einem Fall gibt es zwei Zusammenbrüche: eine

fen nicht vom Betriebsratsbüro aus telefonie-

Herzattacke und einen Nervenzusammenbruch,

ren.‘ Ich war sprachlos, ich wusste gar nicht, was

über den die Angestellte Tanja T. berichtet: „Ich

ich machen sollte, ich war wie gelähmt, da lau-

hab Panik gekriegt, und dann hab ich irgend-

fen dir 1000 Dinge im Kopf herum. Ich wollte zu

wann keine Luft mehr gekriegt, Kopfschmerzen

Norbert rüber und fragen, was wir machen. Da

bekommen, ich wollte schon wegen gesund-

sagt der Anwalt: ‚Herr O., gehen Sie bitte an Ihre

heitlicher Gründe meine Tabletten nehmen. Ich

Stelle zurück! Bleiben Sie da, wo Sie sind!‘ Ich

bin aufgestanden und wollte Wasser holen. Auf 71

hab gesagt: ‚Was Sie hier machen, das ist Frei-

einmal ist der Ratkowski aufgesprungen und

heitsberaubung!‘ Da hat er mich nur angegrinst“

Marco P. hat zu mir gesagt: ‚Wo gehen Sie hin?

(Nouri O., Systemgastro Hessen).

Wenn Sie jetzt rausgehen, ist das Arbeitsver-

Freiheitsberaubung und Nötigung

71 Name geändert.

63


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Das Ziel: Aufhebungsverträge

64

weigerung!‘ Und dann hat er mich so angepackt

gelassen, und er hat zu mir gesagt, ich solle

an den Ellbogen und hat mich wie ein Stück

meinen Spind leer machen“ (Tanja T., System-

Scheiße weggeschoben. Und dann ist der Max

gastro Hessen).

aufgestanden, ein Kollege. Ich hab dann meine

Mehrere Mitarbeiter unterschreiben in ei-

Tablette genommen, Wasser getrunken. Und

nem ersten Impuls. Wir haben von drei Fällen

dann ist ein Kollege umgefallen, und die an-

erfahren, bei denen die Betroffenen nach dem

dern haben dann angefangen zu schreien. Dann

ersten Schock zur Gegenwehr übergegangen

sind der Personalleiter und der Anwalt gekom-

sind. Das geschah immer juristisch, auf dem

men mit Kuli und Zettel“ (Tanja T., Systemgas-

Klageweg, mitunter haben sie sich in der Hoff-

tro Hessen).

nung auf Unterstützung an Journalisten ge-

Langjährige Mitarbeiter werden bewusst

wandt, an eine Gewerkschaft oder eine Orts-

kriminalisiert und des Diebstahls beschuldigt:

gruppe der Partei Die Linke. In einem Fall wur-

„Wir sind da rein, die haben die Tür zugemacht,

de eine Solidaritätsgruppe gebildet.

die haben sich hingesetzt. Einer war sehr nett

In keinem der Schock-and-Awe-Fälle waren

zu mir. Aber der andere war ganz böse – guter

die bisher bekannten Union-Busting-Anwälte

Bulle, böser Bulle –, und dann hat er mit mir so

und Berater beteiligt, in zwei Fällen aber re-

geschrien, dem ist Schaum runtergekommen

nommierte Kanzleien aus dem mittleren bis

vor dem Mund. Hat er zu mir gesagt: Da und da

gehobenen Marktsegment. In einem Fall über-

haben Sie eine Karotte gegessen, da und da

nahm eine regionale Gliederung des Unterneh-

haben Sie eine Olive gegessen, da und da ha-

merverbands die Rechtsvertretung. Immer da-

ben Sie eine Pommes gegessen. Eine Pommes!

bei waren verdeckte Ermittler, entweder aus

Ich guck den an, ich denke: Der spinnt! Ich hab

Detekteien oder einer Unternehmens-Stabs-

gefragt, ob er mich verarschen will oder was?!“

stelle, der Inneren Revision. In zwei Fällen wur-

(Tanja T., Systemgastro Hessen).

de die Polizei zum Tatort gerufen, um gegen

Der Anwalt präsentiert daraufhin einen

Beschäftigte zu ermitteln und – so ihre unfrei-

Ausweg und bietet unter dem Hinweis, dass

willige Rolle im Drehbuch der Akteure – die

ansonsten eine Anzeige erstattet werde, einen

Drohkulisse zu verstärken. In einem Fall wurde

Aufhebungsvertrag an. „Und dann haben die

die Polizei von der Belegschaft gerufen, um

gesagt: Wer selber seine Kündigung schreibt,

gegen Freiheitsberaubung und Nötigung vorzu-

kriegt sechs, sieben Monate Geld, kriegt ein

gehen und zu ermitteln. Detektive und verdeck-

gutes Zeugnis, und damit hat es sich erledigt.

te Ermittler beschatteten im Vorfeld die Beleg-

Auf jeden Fall hab ich das nicht unterschrieben.

schaft und Betriebsräte. In einem weiteren Fall

Er hat dann zu mir gesagt, ich bekäme nirgend-

ließ der Arbeitgeber verschiedene Akteure auf

wo in Europa mehr einen Job, und die Polizei

unterschiedlichen Ebenen agieren: Interne Re-

käme zu mir nach Hause, untersuchte mein

vision, deutschlandweite Personalchefs, eine

Haus. Nach einer Stunde haben die mich raus-

renommierte Anwaltskanzlei, verschiedene


S YSTEMATISCHES V ORGEHEN GEGEN B ETRIEBSRÄTE

Detekteien, Security und eine PR-Agentur wur-

nen empfanden es dann zwar als Genugtuung

den als Dienstleister herangezogen.

und späten Sieg, von staatlicher Seite recht zu

In allen Fällen haben die Unternehmen ihr

bekommen. Da dieses Recht aber Monate, gar

strategisches Ziel erreicht, selbst wenn sie vor

Jahre später gewährt wurde, kehrten sie in ein

Gericht mitunter empfindliche Niederlagen

völlig verändertes, vom Arbeitgeber nach sei-

einstecken mussten, etwa die Wiedereinstel-

nen Wünschen umgestaltetes und disziplinier-

lung kriminalisierter Mitarbeiter. Die Betroffe-

tes Umfeld zurück.

65


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

6. Private Akteure und Dienstleister

Die heutigen Unternehmensleitungen sind in

Umstrukturierung findet nicht nur an vielen Or-

der Regel mit den Möglichkeiten der tiefgrei-

ten gleichzeitig statt, sondern kommt, wie die

fenden neoliberalen Umstrukturierung überfor-

Erfahrungen mit Leiharbeit und Werkverträgen

dert. Diese ist begleitet von einer Ausweitung

zeigen, auch an kein „natürliches Ende“. Stra-

an Bürokratie, Gesetzen, Vorschriften, neuen

tegien und Versuche der Senkung von Arbeits-

Gremien im nationalen wie internationalen Be-

kosten, die meist zu Lasten der Arbeitnehmer

reich. Das gilt in Bezug auf die Arbeitsverhält-

gehen, werden zunehmend von professionellen

nisse, wenn wir uns allein die hochkomplizier-

Beratern erdacht und durchgeführt. In einigen

ten Regelwerke der Hartz-Gesetze I bis IV und

Bereichen und Unternehmen wird die unmittel-

die damit verbundenen laufend neuen Anord-

bare Ausrichtung an Profit und Rentabilität in

nungen, Gesetzesänderungen und Gerichtsur-

einer solchen Intensität vollzogen, dass ver-

teile vergegenwärtigen. Dazu kommen neue

mehrt auch gesetzliche Mitbestimmungsrechte

Managementkonzepte, Medien und eine zu-

und grundlegende Arbeitsschutzrechte zum

nehmend sensible Öffentlichkeit, Gewerk-

Gegenstand des unternehmerischen Kosten-

schaften und Betriebsräte, die die Unterneh-

kalküls werden.

men vor große Herausforderungen stellen.

66

So konnten die professionellen Dienst-

Allein der Trend zur Flexibilisierung der Ar-

leister der Union-Busting-Branche auch in der

beit hat, wie der DGB Bayern im Einzelnen do-

EU und in Deutschland am Aufbau eines Ge-

kumentiert, zur „Ausbreitung einer speziali-

schäftsfeldes arbeiten. Sie lassen sich als Part-

sierten Management- und Rechtsberatungsin-

ner unternehmerischer Optimierungsstrategi-

dustrie“ geführt (Siebenhüter 2013: 7). Zur

en verstehen beziehungsweise gehören in un-

Durchsetzung aller bisher geschilderten Prak-

terschiedlicher Weise selbst zum Unterneh-

tiken stehen also zahlreiche Akteure und

mensmilieu. In bestimmten Fällen werden sie

Dienstleister zur Verfügung. Sie agieren auf

auch von sich aus, ohne ausdrücklichen Auftrag

verschiedensten Ebenen, auf der staatlichen,

tätig. Sie bilden öffentlich bisher wenig beach-

wissenschaftlichen, medialen, rechtlichen

tete Netzwerke, die vielfach ohne besondere

Ebene, auf nationaler, europaweiter und inter-

Absprache den gleichen Prinzipien folgen.

nationaler Ebene. Sie agieren aber auch dezen-

Bei diesen Dienstleistern handelt es sich

tral – und dies macht ihre Bedeutung gegen-

nicht nur um Rechtsanwälte, sondern um ein

über früheren Formen des Lobbyismus aus. Sie

großes Spektrum, das Unternehmensberater,

sind in vielen Betrieben und betrieblichen Kon-

alte und neue gelbe Gewerkschaften ebenso

flikten im Einsatz.

umfasst wie Wirtschaftsdetekteien, Medien-

Gegen die Umstrukturierung der Arbeits-

kanzleien und PR-Agenturen. Sie sind einge-

verhältnisse gibt es in den meisten Betrieben

bettet in eine, wenn auch wenig explizite, funk-

mehr direkte und indirekte, aktive und passive

tionale Arbeitsteilung und dadurch in verschie-

Widerstände, als öffentlich bekannt wird. Die

dener Weise Teil der Union-Busting-Branche.


P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER

Durch unsere Fallstudien, Experteninterviews und durch die umfangreiche Auswertung von Pressematerial konnten wir handelnde Akteu-

6.1 Rechtsanwälte und Wirtschaftskanzleien

re identifizieren, die aufgrund ihres dezidier-

Dienstleistungen mit entschieden antigewerk-

ten und oft systematischen Angebots der Be-

schaftlichem Charakter sind in den USA weit

und Verhinderung von Betriebsratsgründungen

verbreiteter Bestandteil der Portfolios externer

und der Arbeit von Betriebsräten mit Recht als

Kanzleien und Wirtschaftsberatungsunterneh-

„Union-Buster“ bezeichnet werden können.

men. Kate Bronfenbrenner registriert für die

Uns ist bewusst, dass wir – aufgrund der

USA zwischen 1993 und 2003 zwar einen leich-

mangelnden systematischen Erfassung solcher

ten Rückgang der Beteiligung externer Ma-

Fälle – im Rahmen dieser explorativen Studie

nagementberater bei der systematischen Be-

lediglich einen unvollständigen und selektiven

kämpfung von Gewerkschaften (Bronfenbren-

Einblick bieten können. Im Folgenden werden

ner 2009b: 13).72 Offenbar, so schließt sie, sind

jedoch diejenigen Akteure beschrieben, die bei

viele Arbeitgeber in ihren Oppositionsstrategi-

unseren Recherchen als Union-Buster aufgetre-

en mittlerweile raffiniert genug (im Original:

ten sind. Dass dieser Überblick nicht erschöp-

„sophisticated“) darin, die Verankerung von

fend ist, liegt auf der Hand. Dennoch sind wir

Gewerkschaften in ihrem Unternehmen zu ver-

sicher, dass die Arbeit der wichtigsten Berater,

eiteln, ohne auf externe Dienstleister zurück-

Anwälte und Agenturen im folgenden Kapitel

greifen zu müssen. Dennoch liegt die Beteili-

umrissen werden kann. Insbesondere Anwälte

gung externer Berater laut Bronfenbrenner in

und Kanzleien sind in der Art und Weise ihres

den USA bei über 70 Prozent (ebd.).

Auftretens und der Ausdrücklichkeit, mit der

John Logan kommt in seiner Beschreibung

sie ihre Angebote auf dem Markt anbieten, ver-

der jüngeren Entwicklung in den USA zu ähnli-

schieden und werden daher unter differenzier-

chen Beobachtungen: „Die meisten großen

ten Kategorien behandelt. Auch hier gilt, dass

Wirtschaftskanzleien bieten inzwischen Ge-

diese Systematisierung vorläufig ist und es

werkschaftsvermeidung und Anti-Organizing-

weiterer, differenzierender Beschäftigung mit

Beratung als Teil ihrer juristischen Dienstleis-

diesen Akteuren bedarf.

tungen an, und die meisten Arbeitgeber haben sich die Taktiken angeeignet, die von den Beratern zwischen 1950 und 1980 vorangetrieben und entwickelt wurden. In den frühen 1990er Jahren erklärte ein prominenter Berater, John Sheridan, dass eine Menge Unternehmen kei-

72 Die Beteiligung von angeheuerten Management-Beratern bei Kampagnen zu NRLB-Wahlen betrug: 1986-1987: 72 Prozent; 1993-1995: 82 Prozent; 1998-1999: 76 Prozent; 1999-2003 75 Prozent (Bronfenbrenner 2009b).

67


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

ne Berater mehr einsetzen: ‚Sie sind selbst ab-

sen Partner Britta Heilf und Tore Raulfs in der

gebrühter [im Original: „tougher“] geworden“

juristischen Fachpresse als Autoren wenig in

(Ü. d. Vf.) (Logan 2002: 213; vgl. dazu auch Mo-

Erscheinung. In führenden Branchenportalen

berg 1992).

wie juve.de oder Legal Tribune Online (lto.de)

Ein direktes Eindringen führender US-ame-

werden sie nicht erwähnt; ebenso wenig veröf-

rikanischer Union-Busting-Kanzleien und Be-

fentlichen sie regelmäßig Beiträge in den wich-

rater wie Seyfarth Shaw, Jackson Lewis, Burke

tigsten Fachzeitschriften wie „Neue Zeitschrift

Group u. a. (vgl. Logan 2006) in den deutschen

für Arbeitsrecht“ (NZA), „Arbeit und Arbeits-

Markt ist zwar nicht feststellbar. In Deutsch-

recht“ (AuA), „personalmagazin“, „Der Be-

land heuert zudem nur ein geringer Teil der

trieb“, „Arbeitsrecht Aktuell“, „BetriebsBera-

Unternehmer ausgewiesene Union-Busting-Be-

ter“ oder „Arbeits-Rechts-Berater“ (ArRB) . Ihre

rater als federführende Strategen an. Union-

Bücher erscheinen im Eigenverlag oder bei

Busting-Know-how gehört heute aber auch in

kleinen und unbekannten Verlagen. Sie unter-

Deutschland zum Repertoire großer wie klei-

scheiden sich von etablierten und als seriös

Know-how kursiert in

ner Kanzleien. Es kursiert in Ratgebern, News-

geltenden Juristen dadurch, dass sie weder ge-

verschiedenen Formen

lettern, Loseblattsammlungen, Seminaren,

räuschlos noch dezent auftreten und auch nicht

Fachzeitschriften und bei Kongressen verschie-

an ausländischen Elite-Universitäten studiert

denster, auch gemeinhin als seriös geltender

haben. Ein Alleinstellungsmerkmal von Nau-

und etablierter Anbieter. Auf diese Weise bil-

joks und Schreiner ist vor allem das offene Vor-

den sich Juristen und Teile des Managements

gehen und ein aggressiver Stil.

sowie beigeordnete Unternehmens-Stabsstellen beständig weiter.

Helmut Naujoks. Er ist bekannt durch regelmäßige Auftritte in Talkshows, durch TV-Features

Union-Busting-Berater

und Presseberichte. Die Journalisten Christian

Die in Deutschland gegenwärtig prominenteste

Esser und Alena Schröder nannten ihn „Be-

Figur unter den expliziten Gewerkschafts- und

triebsrätefresser“, „Vollstrecker für Bosse“,

Betriebsratsgegnern ist der Rechtsanwalt Hel-

„ausgebuffter Profi-Bösewicht“,73 mal wurde

mut Naujoks. Einschlägig bekannt ist manchen

er als „des Teufels Advokat“74 tituliert oder

in diesem Zusammenhang auch die Kanzlei

als „Anwalt des Schreckens“ (Wallraff 2009:

Schreiner + Partner. Obwohl deren Fälle regel-

269 ff.). Dieser Ruf scheint ihm persönlich

mäßig einige Aufmerksamkeit erregen, treten

nichts auszumachen und seinem Geschäft nicht

Helmut Naujoks und Dirk Schreiner sowie des-

abträglich zu sein.

73 Christian Esser/Alena Schröder: Vollstrecker für Bosse – Der Betriebsrätefresser, Spiegel.de, 5.4.2012, abgerufen 28.6.2013. 74 Anonymus: Des Teufels Advokat, http://www.terz.org/texte/texte_1010/naujoks.html, 30.9.2010, abgerufen 9.12.2012.

68


P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER

Auf seiner deutschsprachigen Website gibt

‚Sozialpläne sind das eine. Dank ihnen müssen

er an: „Seit Gründung unseres Unternehmens

oft die Leistungsträger gehen. Wie aber wird

Anfang 2000 verstehen wir uns im Arbeitsrecht

man schwer kündbare Minderleister los?‘

als Gegenpart zu gewerkschaftsorientierten

Antwort Helmut Naujoks, Fachanwalt für Ar-

Betriebsratsschulungen. Wir gehörten zu den

beitsrecht: ‚Drei Strategien sind möglich.

Ersten auf dem Markt, die die rechtliche Pro-

Erstens: Der Arbeitgeber kündigt dem Mitarbei-

blematik ‚Kündigung von Unkündbaren‘ thema-

ter verhaltensbedingt. Das gelingt oft. [...]

tisiert haben.“

75

Zweitens: Der Arbeitgeber geht mit aller Härte

Dabei begegnete er anfangs auch in etab-

vor. Er kündigt ebenfalls verhaltensbedingt und

lierten Kreisen offener Begeisterung. So

reicht zudem eine Schadensersatzklage ein. Wer

schrieb das Unternehmermagazin „Impulse“ im

als Arbeitnehmer grob fahrlässig Fehler begeht

April 2002: „Tipps vom Profi – Alteingesessene

und dem Arbeitgeber Schaden zufügt, haftet. [...]

Faulenzer, Alkoholiker, geschickte Simulanten

Drittens: betriebsbedingte Kündigung. Sie ist oft

und ähnliche ‚Problemfälle‘ gelten als prak-

erfolgversprechender. Beispiel: Ein Einzelhänd-

tisch unkündbar. Ein Irrtum, wie Helmut Nau-

ler fusioniert mit einer Firma, deren Filialleiter

joks mit seinem Rechtsratgeber ‚Kündigung von

als Minderleister bewertet werden. Das Aufga-

Unkündbaren‘ jetzt belegt. Auf 300 Seiten ana-

benfeld ‚Filialleiter‘ wird gestrichen. Die Ge-

lysiert der erfahrene Duisburger Rechtsanwalt

schäftsleitung übernimmt künftig die Aufgaben

anschaulich die wichtigsten einschlägigen Ur-

und kündigt den Minderleistern.“77

teile der Arbeitsgerichte. Dazu liefert er griffi-

Naujoks’ Zugang zu Publikumszeitschriften

ge Checklisten sowie psychologische Hinweise

wie „Impulse“ und „Wirtschaftswoche“ ist seit

für den Umgang mit schwierigen Mitarbeitern

Längerem passé. In seinem Buch „Die Kündi-

und Querulanten.“

76

gung von ‚Unkündbaren‘ “ ist zu seinem Werde-

Im Jahr 2006 erschien in der „Wirtschafts-

gang zu lesen: „Für die Arbeitsgemeinschaft

Die „Kündigung der

woche“ ein Interview mit Naujoks, in dem er die

Selbstständiger Unternehmer (ASU) und deren

Unkündbaren“ nach

Gelegenheit nutzte, unverblümt seine Konzep-

rund 6500 Mitglieder hat er die Broschüre ‚Aus-

Naujoks

te und Ideen in die Öffentlichkeit zu tragen. Der

tritt aus dem Arbeitgeberverband‘ erstellt.“

folgende Ausschnitt illustriert seine gängigen

Ferner gibt er Tätigkeiten für die Fachhoch-

Strategien, die (nicht nur) bei der Kündigung

schule für Ökonomie & Management/Manage-

von Betriebsräten angewandt werden: „Frage:

ment Akademie in Essen an und für den Bun-

75 http://www.fachseminare-naujoks.com/, abgerufen 14.4.2011. 76 http://www.anwaltskanzlei-naujoks.de/index.php/presse.html, abgerufen 9.12.2012. 77 Christian Schlesiger: Sozialpläne sind das eine. Dank ihnen müssen oft die Leistungsträger gehen. Wie aber wird man schwer kündbare Minderleister los? (Interview mit Helmut Naujoks), in: Wirtschaftswoche Nr. 30, 21.7.2006, S. 89; http://www.wiwo.de/erfolg/trends/-sozialplaene-sind-das-eine-dank-ihnen-muessen-oft-dieleistungs-traeger-gehen-wie-aber-wird-man-schwer-kuendbare-minderleister-los/5051636.html, abgerufen 11.3.2014.

69


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

desverband vhw und dessen Landesverbände,

Naujoks war nach unseren Presse- und Ei-

deren Behördenleiter er schulte (Naujoks

genrecherchen an vielen Union-Busting-Kon-

2002: 301). Naujoks hat nach eigenen Angaben

flikten in unterschiedlichsten Unternehmen als

in Bochum Jura studiert und „einige Jahre bei

Anwalt beteiligt, u. a. bei der Volksbank Lud-

einer großen Rechtsanwaltskanzlei in Düssel-

wigsburg,79 bei BTE – Biegetechnik-Enginee-

dorf gearbeitet“ (ebd.). Günter Wallraff trat ihm

ring,80 Kabel BW,81 Klüh (Sub-Unternehmer von

einmal – getarnt als hilfesuchender Unterneh-

Air Berlin am Flughafen Düsseldorf),82 Josef

mer – gegenüber. Er beschreibt Naujoks als

Weiss Plastic GmbH,83 Plattenhard KG,84 Dopp-

„von einem aggressiven, fast lustbetonten Ver-

stadt (Wallraff 2009: 284 ff.), Textilveredelung

„… fast lustbetonter

nichtungswillen beseelt“, wenn er von seinen

Dreiländereck (DLE, vormals Brennet),85 Sa-

Vernichtungswille“

Erfolgen berichtet (Wallraff 2009: 315).

xas,86 Nocado,87 Cornelius Schuler GmbH (als

Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt 2007 von einer Tagesgebühr von 995 Euro plus Mehr-

Caterer im Berliner Zoo),88 HatiCon GmbH,89 Burger King (Yo-Ki Holding).90

wertsteuer für ein Naujoks-Seminar.78 Die Ho-

Dabei handelt es sich vermutlich nur um die

norare für Rechtsvertretung und Union-Busting-

Spitze des Eisbergs. Naujoks arbeitet zudem

Beratung sind im Einzelnen unbekannt. Wall-

mit den folgenden Dienstleistern zusammen:

raff schreibt, dass der Konflikt bei Kabel BW

Detektei Meng (Mannheim), Medienkanzlei

Naujoks ca. 700.000 Euro eingebracht habe.

Prinz Neidhardt Engelschall (Hamburg) und

Naujoks’ Stundensatz läge bei 350 Euro (Wall-

Strafrechtler Sven Thomas (Düsseldorf) (Wall-

raff 2009: 315).

raff 2009: 311 ff.).

78 Uwe Ritzer: Ein Mann für besondere Fälle – Der Rausschmeißer, in: Süddeutsche Zeitung, 13.7.2007. 79 Thomas Trueten: Andrea Widzinski wiedergewählt, labournet.de, 2.8.2007, abgerufen 11.12.2012. 80 Uwe Ritzer: Ein Mann für besondere Fälle, in: Süddeutsche Zeitung, 19.5.2010. 81 Christian Esser, Alena Schröder: Vollstrecker für Bosse – Der Betriebsrätefresser, Spiegel Online, 5.4.2012, abgerufen 11.12.2012. 82 Christian Frings: Putz bei Klüh, labournet.de, 18.12.2012. 83 Anonymus: Des Teufels Advokat, http://www.terz.org/texte/texte_1010/naujoks.html, 30.9.2010, abgerufen 9.12.2012. 84 Andreas Kraft: Betriebsrats-Mobbing – Die Kündigungshelfer, in: Magazin Mitbestimmung 6/2012, http:// www.boeckler.de/40333_40400.htm; IG Metall Bezirk Baden-Württemberg: Bespitzelung bei Plattenhardt – Betriebsräte kriminalisiert, in: Metallzeitung 6/2011, S. 29. 85 Barbara Schmidt: Textilveredelung Dreiländereck (DLE) – Streit spitzt sich zu – Insolvenz steht im Raum, in: Badische Zeitung, 15.9.2012. 86 IG Metall Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen: Sieg der Demokratie – Betriebsrat bei SAXAS bestätigt, http:// www.igmetall-bbs.de, abgerufen 16.6.2013. 87 Fritz Arndt: Spalten, brechen und zermürben, in: Metallzeitung 1/2009, S. 14 f. 88 Elmar Wigand: Burger King: Franchise-Nehmer heuern Betriebratsfresser Naujoks an, www.arbeitsunrecht.de, abgerufen 19.6.2013. 89 Elmar Wigand: Betriebsratskiller und Detektive – Eine Solarfirma gegen Betriebsräte und IG Metall, in: Neues Deutschland, 3.8.2013. 90 Stefan Sauer: Schreckensherrschaft bei Burger King, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 18.6.2013.

70


P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER

Dr. Schreiner + Partner GbR. „Mehrere Tau-

tägige Seminar „Grenzen des Betriebsrats – so

send Führungskräfte besuchten bereits seine

weisen Sie Ihren Betriebsrat in die Schranken“

Seminare“, gibt die Website des Unternehmens

wird z. T. mehrfach im Monat in ganz Deutsch-

über das Wirken von Dr. Dirk Schreiner nüch-

land – von München bis Hamburg, von Köln bis

91

tern an. Schreiner + Partner sind der eindeuti-

Dresden – angeboten und kostet laut Website

ge Marktführer im Segment der explizit und of-

795,– Euro plus MwSt.

fen als Betriebsrats- und Gewerkschaftsfeinde

Die Kanzlei bietet weitere Seminare an:

auftretenden Anwälte und Berater. Die Kanzlei

„Effektive Strategien im Umgang mit schwieri-

gegen „fremdgesteu-

hat (Stand Juni 2013) ein Team aus fünfzehn An-

gen Betriebsräten. So reagieren Sie richtig auf

erte“ Betriebsräte

92

wälten,

Effektive Strategien

die als Referenten und Berater

blockierende, übereifrige oder fremdgesteuer-

deutschlandweit tätig sind. Unter ihnen haben

te Betriebsräte. So wehren Sie sich erfolgreich

Tore Raulfs und Britta Heilf den Status von Part-

gegen die gängigen Gewerkschafts- und Be-

nern. Die Kanzlei unterhält neben dem Stamm-

triebsratsstrategien“.94 Das folgende Angebot

haus in Attendorn Büros in Köln, München,

nimmt sich aus wie eine Anleitung und Hilfe-

Hamburg und Dresden. Neben Fortbildungen

stellung zum Rechtsbruch: „Die Kündigung ‚stö-

Büros im gesamten

und Union-Busting-Beratung übernehmen

render‘ Arbeitnehmer – So gestalten Sie krea-

Bundesgebiet

Schreiner + Partner auch Mandate für Unter-

95

tiv Kündigungsgründe“.

nehmen. Angeboten wird anwaltliche Hilfe

Eine Beteiligung von Schreiner + Partner

beim Austritt aus dem Arbeitgeberverband

wurde in folgenden Fällen publik: Borregaard

(„Wege aus der Tarifabhängigkeit“), beim Per-

(Karlsruhe), aktiv Gebäudereinigung (Kamp-

sonalabbau, bei der Reduzierung von Abfindun-

Lintfort), Wohnwelt Pallen (Würselen). Die So-

gen, beim Aushandeln von Haustarifverträgen,

larfirma HatiCon GmbH heuerte gleich beide

beim Einfädeln von „Belegschaftsausschüs-

an: Schreiner + Partner und Naujoks.96

sen“, die als arbeitgeberfreundliche Alternative zu den Betriebsräten agieren sollen u. Ä.93

BWRmed!a/Verlagsgruppe Rentrop. Union-

Daneben gibt die Kanzlei ein ständig aktuali-

Busting reinen Wassers enthalten die Angebo-

siertes „Praxis-Handbuch“ und einen „Praxis-

te des Verlages BWRmed!a mit Sitz in Bonn und

Brief“ heraus.

der angeschlossenen BWRmed!a-Akademie.

Die Kosten für ein Seminar bei Schreiner +

BWRmed!a hat nach eigenen Angaben 30 Mit-

Partner sind niedriger als bei Naujoks. Das ein-

arbeiter97 und gehört zur Verlagsgruppe Ren-

91 http://www.rae-schreiner.de/anwaelte/vita/mitarbeiter/schreiner/, abgerufen 11.12.2012. 92 http://www.rae-schreiner.de/anwaelte/, abgerufen 28.6.2013. 93 www.rae-schreiner.de/leistungen, abgerufen 21.1.2014. 94 http://www.schreiner-praxisseminare.de/seminare/, abgerufen 11.12.2012. 95 Ebd. 96 Elmar Wigand: Betriebsratskiller und Detektive – Eine Solarfirma gegen Betriebsräte und IG Metall, in: Neues Deutschland, 3.8.2013. 97 http://www.bwr-media.de/ueber-bwrmedia/, abgerufen 8.4.2014.

71


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

trop, unter deren Dach neben dem VNR Verlag

wann von diesem Grundsatz in der Praxis abge-

für die Deutsche Wirtschaft AG auch die Prisma

wichen werden darf und was man dabei beach-

Werbeagentur GmbH und Presse Service Bonn

ten sollte. Die außerordentliche Kündigung von

GmbH & Co. KG geführt werden.

Betriebsratsmitgliedern – In diesen Fällen dür-

Die Akademie kündigte für den 10./11. Sep-

fen Sie die ‚Reißleine‘ ziehen.“100 Für die Ham-

tember 2013 in Hamburg ihre jährlich stattfin-

burger Arbeitgebertage 2012 war mit Dr. Ma-

denden „Arbeitgebertage zum Brennpunkt Be-

thias Kühnreich auch ein Düsseldorfer Partner

98

Dort sollten Arbeitgeber und

der Kanzlei Buse Heberer Fromm angekündigt.

Personalleiter auf die bevorstehenden Be-

Er hatte damals schon die turnusgemäßen Be-

triebsratswahlen 2014 vorbereitet werden.

triebsratswahlen im Blick. Sein Referat hieß:

Professor Dr. jur. Burkhard Boemke (Uni Leip-

„Was Sie jetzt mit Blick auf die Betriebsrats-

zig) wurde für den 10. September 2013 ange-

wahl 2014 tun sollten – Das optimale Wahler-

BWRmed!a: „So

kündigt mit dem Vortrag: „So bekommen Sie

gebnis für Sie als Arbeitgeber: Betriebliche

bekommen Sie den

den Betriebsrat, den Sie sich wünschen“. Da-

Strukturen geschickt gestalten und Freistel-

Betriebsrat, den

rin: „Abbruch der Betriebsratswahl: So stoppen

lungsgrenzen beachten“. 101

Sie sich wünschen“

Sie die Wahl per einstweiliger Verfügung“ und

Ständiges Thema und integraler Bestand-

„Wenn Ihnen der gewählte Betriebsrat nicht

teil des Diskurses ist bei den Arbeitgebertagen

passt: Wahlanfechtung als Rettungsanker“. Ei-

auch der Kampf gegen sogenannte Minderleis-

nen Tag später sollte Boemke laut Ankündi-

ter (Low Performer). Mit dem Anwalt Rolf Dohm

gungstext fortfahren mit dem Referat: „Kündi-

konnte BWRmed!a einen Ford-Manager aus

gung der ‚Unkündbaren‘: So trennen Sie sich

dem Personalwesen als Referenten gewinnen,

selbst von Betriebsratsmitgliedern & Co.“ Ein

der zugleich ehrenamtlicher Richter am Ar-

Jahr zuvor – im Oktober 2012 im NH Hotel Ham-

beits- und Landesarbeitsgericht ist.102 Die viel-

burg-Horn – hatte der Jura-Professor folgende

fältigen Online-Aktivitäten des Verlages sind

Methode vorgestellt: „Mitbestimmung im Ar-

oft reißerisch, mitunter bizarr. So wurde im Fe-

beitskampf: Streikbrecher-Einsatz auch ohne

bruar 2013 ein kostenpflichtiger Download be-

triebsrat“ an.

99

Beteiligung des Betriebsrats“. Möglichkeiten

worben: „Arbeitsrecht für Männer. Kühn – kom-

zur „Kündigung der Unkündbaren“ erläuterte

petent – kreativ. So mahnen richtige Männer

damals auch Dr. Eckard Schwarz: „Ordentliche

ab: Mit dem brandneuen Abmahnungs-Notfall-

Kündigung ausgeschlossen? – Erfahren Sie,

Koffer!“103

98 BWRmed!a Akademie: Arbeitgebertage zum Brennpunkt Betriebsrat 2013, http://www.arbeitgebertage.de/ programm.pdf, abgerufen 28.6.2013. 99 http://www.bwrmedia-akademie.de/shop/product_info.php/info/p294_Tagungsunterlagen-zu-den-Arbeit gebertagen-zum-Brennpunkt-Betriebsrat-2012.html, abgerufen 19.12.2012. 100 Ebd. 101 Ebd. 102 Fordreport, Februar 2012, S. 22. 103 http://www.tipps-fuer-personalleiter.de/rechtssicher-abmahnen/index-2.html, abgerufen 8.4.2014.

72


P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER

Michael T. Sobik. Zum Konsortium des genann-

Anwälte und Kanzleien als

ten VNR Verlags gehören diverse Webseiten

Union-Busting-Dienstleister

wie beispielsweise arbeitgeber.org. Deren

Die Mehrheit der Arbeitsrechts-Juristen, die

Chefredakteur Michael Sobik hält zahlreiche –

sich ausdrücklich auf die Vertretung von Unter-

zumeist kostenpflichtige – Tipps bereit: „Über-

nehmensleitungen insbesondere großer und

triebene Betriebsratsarbeit: Was Sie tun kön-

international tätiger Konzerne konzentrieren,

nen, wenn sich Betriebsräte ständig abmel-

treten in ihrer Außendarstellung nicht annä-

104

den“.

Sobik arbeitet in der Hamburger Perso-

hernd so aggressiv auf wie Naujoks oder

nalabteilung der HanseMerkur Versicherungs-

Schreiner + Partner. Sie haben dafür aber ei-

105

gruppe.

Er ist außerdem Chefredakteur der

nen ungleich größeren Aktionsradius und Ein-

Loseblattsammlung „ArbeitGeberRechte Be-

fluss bis in die höchstrichterliche Urteilsebe-

triebsrat“ und des „Praxishandbuchs Betriebs-

ne. Anhand publik gewordener Fälle und Pro-

verfassungsrecht für Arbeitgeber“. Letzteres

zessberichte lässt sich nachweisen, dass auch

Werk bewirbt er mit folgendem Zitat: „Zentra-

etablierte Anwälte und Kanzleien bei Bedarf

les Thema der neuesten Aktualisierungsliefe-

auf Union-Busting-Methoden zurückgreifen.

rung von Praxishandbuch Betriebsverfassungsrecht für Arbeitgeber sind die sogenannten ‚Un-

Dr. Jan Tibor Lelley. Der unserer Meinung nach

kündbaren‘ und die Low Performer. Auch diese

extremste Union-Busting-Fall der letzten drei

Personenkreise genießen keinen grenzenlo-

Jahre geschah in Deutschland unter dem Man-

sen Schutz und Kündigungen sind – entgegen

dat der Kanzlei Buse Heberer Fromm, unter Fe-

allen Gerüchten – möglich und erlaubt! Aber

derführung von Dr. Jan Tibor Lelley LL.M. Dabei

Vorsicht! Speziell hier wird Ihr Betriebsrat

wurde massiv gegen NGG-Mitglieder und Be-

besonders sensibel und allergisch reagieren.

triebsräte der Steakhauskette Maredo vorge-

Gehört er doch selbst zu diesem Personenkreis,

gangen (siehe das Fallbeispiel Maredo in Kapi-

der vermeintlich unendlichen Schutz vor dem

tel 7.2).

‚bösen‘ Arbeitgeber genießt! Ihr Erfolgsrezept

Lelley ist mit Interviews, mit Zitaten und mit

sollte eine gute und präzise Vorbereitung

eigenen Beiträgen regelmäßig in Publikums-

sein.“

106

zeitschriften und deren Blogs,107 Fachblät-

104 http://arbeitgeber.org/, abgerufen 25.1.2013. 105 Stellenanzeige Online Marketing Manager/in, http://onlinemarketingjobs.de/jobs/online-marketing-mana gerin-hansemerkur-versicherungsgruppe-hamburg, abgerufen 29.6.2013. 106 http://www.business-best-practice.de/experten/index.php?meinung=5708, abgerufen 25.1.2013. 107 Jan Tibor Lelley, Matthias Kappus: „Der Fall Emmely als PR-Katastrophe und gefundenes Fressen für das Arbeitnehmerlager“, Handelsblatt Management-Blog, 18.6.2010, http://blog.handelsblatt.com/management/ 2010/06/18/der-fall-emmely-als-pr-katastrophe-und-gefundenes-fressen-fur-das-arbeitnehmerlager/, abgerufen 6.3.2014. – Claudia Tödtmann: Wenn der Arbeitgeber Schadenersatz fürs Diensthandy will: Vier Fragen an Arbeitsrechtler Jan Tibor Lelley, in: Wirtschaftswoche Management-Blog vom 13. Juni 2013, http:// blog.wiwo.de/management/2013/06/13/wenn-der-arbeitgeber-schadenersatz-furs-diensthandy-verlangtvier-fragen-an-arbeitsrechtler-jan-tibor-lelley/, abgerufen 6.3.2014.

73


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

tern108 und Fachportalen109 präsent. Er hat wie

kelzüge, wie Beschäftigte und Betriebsräte op-

viele andere Anwälte der etablierten Kanzlei-

timal überwacht, durchgecheckt, abgemahnt

en in den USA studiert und ist international

und gekündigt werden können.

bestens vernetzt; er ist Mitglied der Employ-

Das Wort Gewerkschaft vermeidet er in sei-

ment Law Alliance, des nach seinen Angaben

nem Buch. Über Twitter, dessen Möglichkeiten

weltweit größten Netzwerks von Arbeitsrecht-

Lelley intensiv nutzt, lässt sich jedoch nach-

lern. Sein Werk „Compliance im Arbeitsrecht“

vollziehen, dass er offenbar grundsätzlicher

ist in einem renommierten Verlag erschienen

Gegner von Gewerkschaften ist. Dort verbreitet

(Lelley 2010) und steht in den Bibliotheken von

er regelmäßig hämische bis zynische Kurz-

juristischen Fakultäten.

nachrichten wie diese: „Nicht bezahlen, son-

Wenn man die Bekämpfung von Maredo-

dern arbeiten, Michigan beschneidet Gewerk-

Betriebsräten in Frankfurt und Osnabrück un-

schaften“ (15. Dezember 2012), „Stalinisten-

ter seiner Federführung im Blick hat, lesen sich

Ergebnis für Gewerkschafts-Boss: Bzirske bei

die gedämpften Formulierungen in diesem

ver.di wiedergewählt“ (5. Oktober 2012).110

Buch ganz neu. Lelley hat das Thema Compliance (die Einhaltung von Gesetzen oder Re-

Thomas Ubber (Allen & Overy). Ein überaus

geln) in zweierlei Hinsicht aufbereitet: Wirt-

prominenter Anwalt des deutschen Arbeits-

schaftskriminalität ist für ihn nicht länger nur

rechts ist Thomas Ubber. Er wechselte Anfang

die Veruntreuung und Bestechlichkeit durch

2011 mit seinem dreiköpfigen Team von Hogan

Compliance als Waffe

Manager und leitende Angestellte, sondern es

Lovells zu Allen & Overy, einer großen Wirt-

gegen Beschäftigte

werden auch einfache Beschäftigte sowie Be-

schaftskanzlei.111 In diesem Marktsegment

und Betriebsräte

triebsratsmitglieder als potenzielle Wirt-

herrschen besonders starke Konkurrenzver-

schaftskriminelle einbezogen. Außerdem be-

hältnisse. Kanzleien wie Allen & Overy unter-

deutet Compliance in diesem Zusammenhang:

halten mittlerweile in ihren deutschen Nieder-

Wie erreiche ich als Arbeitgeber mein Ziel,

lassungen Arbeitsrechtsabteilungen mit vier-

ohne allzu sehr oder nachweisbar mit Gesetzen

zig und mehr Anwälten.

in Konflikt zu geraten? Lelley entwirft – ähnlich

Ubber stieg erst zum deutschen, dann sogar

wie Dirk Schreiner und Helmut Naujoks, aber

zum weltweiten Leiter der Arbeitsrechtsabtei-

wesentlich gediegener – Szenarien und Win-

lung von Allen & Overy auf – einer von vier

108 Jan Tibor Lelley: Twittern, aber richtig – Arbeitsrechtliche Fallstricke vermeiden, in: Personal 2/2011. – Redaktion: Tiefe Schrammen, in: Human Resources Manager, Februar/März 2012 (hier wird Lelley zitiert). 109 Jan Tibor Lelley: Compliance-Überwachung bei der Deutschen Bank, in: Legal Tribune Online, 29.7.2013, http:/ /www.lto.de/recht/hintergruende/h/compilance-datenbank-deutsche-bank-betriebsrat-datenschutz/, abgerufen 6.3.2014. 110 https://twitter.com/JanTiborLelley, abgerufen 26.1.2013 (Hashtags wurden entfernt, die Schreibweise Bzirske statt Bsirske ist Original Lelley); damals hatte der Account 412 Follower. 111 Geertje Oldermann: Arbeitsrechts-Coup: Allen & Overy holt Hogan-Lovells-Partner Thomas Ubber, http://juveverlag.at/nachrichten/namenundnachrichten/2011/01/arbeitsrechts-coup-allen-overy-holt-hogan-lovellspartner-thomas-ubber vom 21.1.2011, abgerufen 12.12.2012.

74


P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER

weltweit marktbeherrschenden Wirtschafts-

Kritikern darauf, die Durchsetzungskraft der

kanzleien. Dem ursprünglichen Sinn des Wor-

Gewerkschaften insgesamt zu schwächen,115

tes Union-Busting – Gewerkschaftszerschla-

und gilt verfassungsrechtlich als höchst proble-

gung – kommen Thomas Ubbers Aktivitäten

matisch.116 Die Arbeitsrechtsabteilung von Al-

Existenzbedrohende

einigermaßen nahe. Seine Versuche, wegen

len & Overy vertritt neben Konzernen aus der

Schadenersatz-

Streiks in Deutschland Schadenersatzforderun-

Verkehrsbranche wie Deutsche Bahn, Lufthan-

forderungen

gen gegen Gewerkschaften juristisch durchzu-

sa, Fraport, AirBerlin auch Amazon, Merck und

setzen, können vergleichsweise kleine Organi-

die Commerzbank.117

sationen wie die GdL und die GdF angesichts ihrer begrenzten Mittel buchstäblich die Exis-

Weitere Schlaglichter aus der Branche

tenz kosten.

Die – neben Gleiss Lutz – größte deutsche Wirt-

Zudem versucht Ubber, Streiks auf juristischer Ebene verbieten zu lassen

112

schaftskanzlei heißt CMS Hasche Sigle. Ihre

und Präze-

Arbeitsrechtsabteilung besteht gegenwärtig

denzurteile vor höchsten Gerichten zu erzie-

aus über achtzig Anwälten. Sie hatte zwei Man-

113

len, die fatale Auswirkungen für die gesamte

date in eklatanten Union-Busting-Fällen. Der

gewerkschaftliche Landschaft hätten. Seine

Paket-Dienstleister UPS, der aktive ver.di-Be-

Streikverbot per

Kanzlei ist maßgeblich an Vorstößen beteiligt,

triebsräte in Deutschland seit geraumer Zeit

Gerichtsurteil

über gesetzliche Regelungen zur „Tarifeinheit“

massiv bedrängt und in Betriebsratswahlen

berufsständische Gewerkschaften wie auch

eingreift, wurde am Standort Köln/Bonn von

114

den Marburger Bund zu marginalisieren. Die-

Dr. Volker Bissels vertreten.118 Um die knappe

ser Vorstoß, der 2013 Einzug in den Koalitions-

Mehrheit im Betriebsrat zu kippen – so die In-

vertrag der schwarz-roten Bundesregierung

terpretation von Beobachtern –, wurde im Jahr

gefunden hat, zielt nach der Einschätzung von

2012 z. B. dem Mitglied Ilker Erdener krank-

112 Redaktion: Analyse: Lange Gesichter bei der Bahn, in: Hamburger Morgenpost, 2.11.2007. – Geertje Oldermann: Streik verboten: Fraport und Lufthansa mit Allen & Overy erfolgreich, juve.de, 29.2.2012, http:// juve.de/nachrichten/verfahren/2012/02/streik-verboten-fraport-und-lufthansa-mit-allen-overy-erfolgreich, abgerufen 20.3.2014. 113 Redaktion: Lufthansa klagt gegen Fluglotsen – Millionenklage wird auch von Fraport unterstützt, in: Die Welt, 20.8.2012. 114 Thomas Ubber: Tarifeinheit: Das hohe Gut des sozialen Friedens sichern, in: Betriebs-Berater, Heft 28/2010. – Markulf Behrend/Hans-Peter Löw/Tobias Neufeld/Thomas Ubber: „Deutschlands Zukunft gestalten“. Arbeitsrechtliche Vorhaben im Koalitionsvertrag – 5. Tarifeinheit, www.allenovery.de, 29.11.2013, http:// www.allenovery.com/SiteCollectionDocuments/Allen__Overy_LLP_eAlert_Koalitionsvertrag.PDF, abgerufen 20.3.2014. 115 Eva Völpel: Debatte Tarifeinheit und Streikrecht – Ohne Not und Voraussicht, in: die tageszeitung, 18.12.2013. 116 Wolfgang Däubler: Die Gemeinsame Initiative von DGB und BDA zur Schaffung einer neuen Form von „Tarifeinheit“ – verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Probleme. Rechtsgutachten, http:// www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/110319_gutachten_tarifeinheit.pdf vom 23.3.2011, abgerufen am 20.3.2014. 117 Redaktion: Empfehlungen Deutschland 2014 Arbeitsrecht Allen & Overy LLP, http:// www.legal500.de/firms/82-allen-overy-llp/13997-frankfurt-am-main#LocalReferenceWorkArea2, abgerufen am 20.3.2014. 118 http://www.cms-hs.com/Alexander-Bissels, abgerufen 13.12.2012.

75


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

heitsbedingt gekündigt.119 Die ver.di-Betriebs-

Alexander Ulrich von der Kanzlei Kliemt &

gruppe hatte in dem Gremium in Koalition mit

Vollstädt, Düsseldorf, vertrat in einem regional

einer weiteren Liste eine knappe Mehrheit von

bekannt gewordenen Fall das mittelständische

10 zu 9 Stimmen.

Betriebsrat per Gerichtsbeschluss auflösen

120

Wuppertaler Unternehmen EDE. Die „West-

Ähnlich agierte CMS Hasche Sigle im Fall

deutsche Zeitung“, die regelmäßig über den

Atlas. Als der gewerkschaftsfeindliche Mana-

Fall berichtete, schrieb: „Die Entlassung einer

ger des US-Baumaschinen-Konzerns Terex, Fil

Betriebsratsvorsitzenden ist ein außergewöhn-

Filipov, kurzerhand den gesamten IG-Metall-

licher Vorgang, der nur umsetzbar ist, wenn der

Betriebsrat der Tochterfirma Atlas in Delmen-

Betriebsrat selbst den oder die Vorsitzende ab-

horst per Gerichtsentscheid auflösen lassen

wählt. Im Fall der EDE-Betriebsrätin hatte es

wollte,

121

wurde er von der CMS-Anwältin Dr. 122

Gerlind Wisskirchen vertreten.

Wir sind von ver.di-Sekretären aus NRW

eine knappe Kampfabstimmung gegeben. Mit 7:6 Stimmen wurde seinerzeit die Entlassung der langjährigen Vorsitzenden beschlossen.“125

besonders auf Martin Krömer aus der Kanzlei

Unter den eingesetzten Maßnahmen sticht

Ruge Krömer, Hamburg, aufmerksam gemacht

eine Hausdurchsuchung wegen angeblichen

worden. Mit dessen tatkräftiger Hilfe gelang es

Waffenbesitzes hervor, die auf eine Anzeige

dem niederländischen Konzern TNT Post, Be-

von Seiten unternehmerfreundlicher Betriebs-

triebsratsgründungen in NRW nahezu vollstän-

ratsmitglieder zurückging. Laut Polizei wurden

Unter der Rubrik „Urtei-

keine Waffen gefunden.126 „Die Frau macht gel-

le“ präsentiert seine Kanzlei ausgewählte Fäl-

tend, sie sei in mindestens 25 Fällen – unter

le zur Nachahmung bzw. Vermeidung von Feh-

anderem durch die aus ihrer Sicht rechtswidri-

lern auf der Firmenwebsite: Kündigung leis-

gen Kündigungen und mehrere unberechtigte

tungsschwacher Mitarbeiter, Kündigung eines

Abmahnungen – und wegen ihrer Weltanschau-

Schwerbehinderten, Blitzaustritt aus dem Ar-

ung diskriminiert worden. Zudem habe man sie

beitgeberverband, krankheitsbedingte Kündi-

unter Druck gesetzt, damit sie den Betriebs-

dig zu unterbinden.

124

gung.

123

ratsvorsitz niederlege. Als Folge des angebli-

119 International Transport Workers’ Federation: Anti-union Harassment at UPS in Germany, itfglobal.org, 1.11.2012, http://www.itfseafarers.org/maritime_news.cfm/newsdetail/8098/region/1/section/0/order/1, abgerufen 10.2.2014. 120 Gespräch mit Mitgliedern des Betriebsrats am 18.10.2012. 121 Tina Hayessen: Filipov will Betriebsrat auflösen lassen, in: Weserkurier, 23.7.2012, http://www.weserkurier.de/region/delmenhorst_artikel,-Filipov-will-Betriebsrat-aufloesen-lassen_arid,143318.html, abgerufen 13.12.2012. 122 Information durch Expertengespräch und Prozessbeobachtung. 123 Elmar Wigand: Verwirrspiel um Wählerlisten – Eine verhinderte Betriebsratsbildung bei TNT, in: Neues Deutschland, 10.8.2013. 124 http://www.ruge-kroemer.de/index.php?id=122&language=1, abgerufen 12.12.2012. 125 Andreas Spiegelhauer: EDE-Prozess: Teilerfolg für gefeuerte Betriebsrätin, in: Westdeutsche Zeitung, 17.5.2011. 126 Andreas Spiegelhauer: EDE-Betriebsrätin klagt gegen Kündigung, in: Westdeutsche Zeitung, 15.11.2010.

76


P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER

chen monatelangen Mobbings seien bei ihr

Christliche Gewerkschaften

massive gesundheitliche Beeinträchtigungen

Seit Beginn der Bundesrepublik spielen vor al-

127

aufgetreten.“

Das Arbeitsgericht konnte

lem als „christlich“ firmierende Gewerkschaf-

allerdings, wie die „Westdeutsche Zeitung“ wei-

ten diese Rolle. Sie waren und sind im Christli-

ter mitteilt, keine Beweise für eine Diskriminie-

chen Gewerkschaftsbund CGB zusammenge-

128

rung erkennen.

Ulrich kam über die Kanzlei

schlossen. Dazu gehören etwa die Christliche

Taylor Wessing – zuvor Clifford Chance – zum

Gewerkschaft Metall CGM und der Deutsche

mehr als vierzig Juristen umfassenden, bundes-

Handels- und Industrie- Angestellten Verband

weit tätigen Team von Kliemt & Vollstädt.

DHV – heute firmierend als DHV – Die Berufsgewerkschaft –, auch die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen GÖD, der

6.2 Gelbe Gewerkschaften

Verein katholischer deutscher Lehrerinnen

1899 verklebten Streikbrecher in der französi-

VKDL, medsonet und Union Ganymed. Insge-

schen Stahlfabrik in Le Creusot die Fabrikfens-

samt gehören heute 14 Einzelgewerkschaften

Vierzehn „christliche“

ter mit gelben Streifen, unternehmerfreundli-

zum CGB. Sie spielten in den letzten Jahrzehn-

Gewerkschaften,

che Gruppen druckten gelbe Plakate, um sich

ten eine immer geringere Rolle. Die Mitglieder-

wenig Mitglieder

von „den Roten“ abzugrenzen. Seitdem werden

zahlen sind seit 2002 immer weiter abgesun-

als gelbe Gewerkschaften und Betriebsräte sol-

ken und heute vergleichsweise gering (vgl.

che bezeichnet, die unter gewerkschaftlicher

Greef 2014: 698).

Tarnkappe mehr oder weniger offensichtlich

Mit der Ausbreitung prekärer Arbeitsver-

die Interessen der Unternehmensleitung ver-

hältnisse wurden die gelben Gewerkschaften

treten und dem Arbeitskampf der Gewerkschaf-

aus ihrer jahrzehntelangen Bedeutungslosig-

ten die Betriebsfamilie entgegenstellen. Der

keit geholt. Plötzlich wurden zudem neue

Vorteil für Unternehmen liegt auf der Hand: Gel-

christliche Gewerkschaften gegründet wie die

be Gewerkschaften handeln Tarifverträge aus,

Christliche Gewerkschaft Postservice und Tele-

die unter dem Orts- und branchenüblichen Ni-

kommunikation (CGPT) und die Christliche Ge-

Spezialgebiet:

veau liegen. Wir skizzieren im Folgenden die

werkschaft für Zeitarbeit und Personalservice-

Abschluss von Dum-

Funktion und Handlungsweisen gelber Gremi-

Agenturen (CGZP). Arbeitgeber bedienen sich

ping-Tarifverträgen

en und Organisationen, die im Sinne der Ar-

ihrer gern. Sie haben mit ihnen im Bereich

beitgeber Organisierung und Mitbestimmung

Wach- und Schließdienste, Krankenkassen

erschweren und deren Gründung nicht selten

(Barmer Ersatzkasse, Deutsche Angestellten-

von

Krankenkasse), Banken und Versicherungen

Unternehmen

selbst

zumindest gefördert wird.

initiiert

oder

(BHW, Allianz, Gothaer, HDI), Handelskonzerne

127 Ebd. 128 Andreas Spiegelhauer: EDE-Betriebsratschefin: Klage auf Schadensersatz abgewiesen, in: Westdeutsche Zeitung, 1.3.2012.

77


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

(Metro, Rewe), im Gesundheitswesen (Rotes

In den Jahren 2003 bis Ende 2012 hat es der

Kreuz) und mit dem Münchner Flughafen Franz

DHV geschafft, nicht weniger als 916 einzelbe-

Josef Strauß Tarifverträge abgeschlossen.

triebliche und regionale Tarifverträge mit di-

Wegen ihrer niedrigen Mitgliederzahlen hat

versen Arbeitgebern und Arbeitgeberverbän-

aufgrund einer Klage von ver.di das Bundesar-

den abzuschließen. Schwerpunkte sind der öf-

beitsgericht (BAG) 2010 geurteilt, dass die mit

fentliche Dienst, insbesondere Sozialversiche-

Arbeitgeberhilfe neu gegründete CGZP nicht ta-

rungen, Krankenkassen und Kommunen, dann

129

riffähig ist.

2012 stellte das Arbeitsgericht

der Fach-, Groß- und Einzelhandel, die Metall-

Bonn aus denselben Gründen die Tarifunfähig-

und Elektroindustrie, die holzverarbeitende In-

keit des Arbeitnehmerverbands land- und ernäh-

dustrie, Banken und Versicherungen, im Ge-

130

rungswirtschaftlicher Berufe (ALEB) fest. Auch

sundheitswesen vor allem Privatkliniken,

der erst 2008 im Gesundheitsbereich gegründe-

schließlich Speditionen und Zeitarbeitsunter-

ten Vereinigung medsonet, Mitglied im CGB,

nehmen (Bundesregierung 2013: 5).

131

sprach das BAG 2013 die Tariffähigkeit ab.

Wenn es in einem Unternehmen zunächst keine DHV-Mitglieder gibt und gleichwohl ein

DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V.

Tarifvertrag geschlossen werden soll, bieten

Allerdings ist der DHV der heimliche Gewinner

Arbeitgeber auch Prämien an, um Beschäftig-

unter den christlichen Gewerkschaften. Dem

te zu einem Eintritt in die DHV zu bewegen. So

DHV, der inzwischen auch die Nachfolge der

wurde ein Fall publik, in dem Beschäftigten

Arbeitgeber belohnt

CGZB angetreten hat, hat das Arbeitsgericht

bei Eintritt eine Prämie von 650 Euro gezahlt

Eintritt in DHV mit

Hamburg seit 1956 in vier Urteilen die Tariffä-

wurde. Auch die Zahlung einer monatlichen

Prämie

higkeit zuerkannt, Kläger waren unter anderen

„Verantwortungszulage“ von 50 Euro bei

das Land Hessen und die IG Metall. Zwei neuer-

Gründung einer DHV-Betriebsgruppe gehörte

liche Verfahren aufgrund von Klagen der

hier zum Repertoire des Arbeitgebers. Die

Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sind beim

DHV handelt Tarifverträge mit vergleichs-

BAG anhängig; sie beziehen sich allerdings nur

weise niedrigen Löhnen und oftmals auch

auf die Bereiche Privatkliniken und den Blut-

ohne Urlaubs-, Weihnachtsgeld und Nachtzu-

spendedienst des DRK.

schläge aus.132

129 130 131 132

78

Bundesarbeitsgericht 14.12.2010, Az. ABR 19/10. Arbeitsgericht Bonn 31.10.2010, Az. 4 BV 90/12. BAG: Beschluss vom 11.6.2013, Az. 1 ABR 33/12. Thomas Dauser/Gottlob Schober: Gekaufte Pseudogewerkschaften, Report Mainz, 7.4.2008.


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Arbeitsgemeinschaft unabhängiger

Aldi Nord. In der deutschen Niederlassung des

Betriebsangehöriger (AUB)

südkoreanischen Konzerns Hyundai (Rüssels-

Ende der 1970er Jahre gründete und finanzierte

heim) bediente sich die Chefetage der AUB, um

der Vorstand der Siemens AG selbst eine gelbe

die Amtsenthebung des bestehenden Betriebs-

Gewerkschaft: Die Arbeitsgemeinschaft unab-

rats zu fordern.135

hängiger Betriebsangehöriger (AUB). Die Initiative ging zunächst vom Standort Erlangen aus,

Gewerkschaft der neuen

aber die AUB wurde über die Jahre von Siemens

Briefzustelldienste (GNBZ)

mit mindestens 50 Millionen Euro gefördert

Auch der Medienkonzern Springer gründete

und konzernweit als Alternative und Konkur-

eine gelbe Gewerkschaft. Mit allerdings weit

renz zur IG Metall aufgebaut. Als erste Arbeit-

weniger Erfolg. Bevor in Deutschland 2008 die

nehmervertretung im Siemens-Konzern unter-

Briefzustellung privatisiert wurde, wurde als

zeichnete AUB einen Vertrag zur Arbeitszeitfle-

Konkurrenz zur Deutsche Post AG das private

xibilisierung mit unbezahlter Mehrarbeit und

Briefzustellunternehmen PIN gegründet. Sprin-

Lohnverzicht. Siemens habe damit unter dem

ger erwarb 2007 die Mehrheit der Anteile. Man

Strich viel Geld gespart, sagte ein Ex-Manager

wollte mit einer Niedriglohnstrategie das

133

vor Gericht aus.

Briefgeschäft der Post übernehmen. Die Post

Schließlich anerkannten auch andere Kon-

AG und die Gewerkschaft ver.di hatten sich auf

AUB ist nicht nur

zernvorstände wie die von Lufthansa, Daim-

einen Mindesttariflohn für Briefträger von

bei Siemens aktiv

lerChrysler und Karstadt für Teilbereiche die

9,80 Euro geeinigt. PIN zahlte etwa 6 Euro. Das

AUB als Tarifvertragspartner an. Die Mitglie-

Geschäftsmodell war bedroht, wenn der Bun-

derzahl der AUB ist vergleichsweise gering, die

destag einen verbindlichen Mindestlohn be-

Zahl der AUB-Betriebsräte im Verhältnis dazu

schließen würde.

ungewöhnlich hoch. 2007, als der langjährige

Deshalb wurde unter Führung von PIN/

AUB-Vorsitzende Wilhelm Schelsky wegen Be-

Springer zusammen mit anderen Verlagen wie

stechlichkeit und Steuerhinterziehung verur-

dem WAZ-Konzern und dem Zustelldienst TNT

teilt wurde, hatte die AUB 32.000 Mitglieder,

ein neuer Arbeitgeberverband gegründet: Ar-

134

beitgeberverband Neue Brief- und Zustell-

Nach der Verurteilung von Schelsky arbei-

dienste (AGV-NBZ). Um die gewünschten nied-

tete die AUB weiter und findet immer wieder

rigeren Löhne aushandeln zu können, gründe-

Gelbe Haus-

Unternehmen, die sich ihrer bedienen. So stellt

ten dieselben Akteure gleich noch die passen-

gewerkschaft

sie gegenwärtig praktisch alle Betriebsräte bei

de Gewerkschaft dazu: Gewerkschaft der Neu-

für Briefzusteller

davon waren 19.000 Betriebsrats-Mitglieder.

133 Thomas Magenheim: Wie Siemens Geld sparte, in: Frankfurter Rundschau, 25.9.2008. 134 Georg Etscheid: Vertrauensvolle Zusammenarbeit, ZEIT online, 13.3.2007. 135 Albrecht Kieser: Abriss-Birne Hyundai – Bossing aus Prinzip, www.work-watch.de, 19.12.2012, abgerufen 11.2.2013.

79


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

en Briefzustelldienste (GNBZ). Als Vorsitzender

mensleitung. Solche Vertretungen haben keine

des Arbeitgeberverbandes fand sich der Ex-

gesetzlichen Rechte, sondern sind auf den Kon-

„Betriebsrat light“

Chef der Bundesagentur für Arbeit, Florian Ger-

sens mit und letztlich auf das Wohlwollen der

ohne Rechtsanspruch

ster. Als Vorsitzenden der Gewerkschaft instal-

Unternehmensleitung angewiesen, die häufig

und Durchsetzungs-

lierte man einen Tengelmann-Manager, Arno

die Zusammensetzung der AVO bestimmt. Kon-

kraft

Doll.

takte zu den etablierten Gewerkschaften leh-

Die Kölner Kanzlei Axer brachte die Grün-

nen sie häufig, aber nicht immer ab. Man kann

dung in die passende juristische Form; dazu

sie nicht unterschiedslos unter gelbe Listen

gehörte auch die heimliche Weiterleitung von

fassen.

PIN-Geldern für das Gehalt des neuen Gewerk-

Meist handelt es sich um gemeinsame Gre-

schaftschefs. Für die Beratung bei der Gewerk-

mien aus Vertretern der Belegschaft und der

schaftsgründung stellte Axer PIN laut „Stern“

Unternehmensleitung; in weniger als der Hälf-

136

ein Honorar von 900.000 Euro in Rechnung.

te der Betriebe werden die Belegschaftsvertre-

Eine gelbe Gewerkschaft ließ man sich also

ter von der Belegschaft formal gewählt. Die

durchaus etwas kosten. Gegen den „drohenden“

AVO tagen wesentlich seltener und schließen

Beschluss des Gesetzgebers für einen Mindest-

wesentlich seltener Vereinbarungen ab als Be-

lohn im Bereich Briefzustellung ließ die GNBZ

triebsräte. Sie treffen sich häufiger mit der Un-

ihre schlecht bezahlten Briefträger vor dem Bun-

ternehmensleitung als untereinander. AVO

destag demonstrieren. Doch das Landesarbeits-

werden häufig als „Betriebsrat light“ bezeich-

gericht Köln sprach der GNBZ 2009 die Tariffä-

net (Hauser-Ditz u. a. 2009: 70-77).

higkeit ab, der Widerspruch vor dem Bundesar137

beitsgericht wurde zurückgezogen.

AVO sind heute weit verbreitet. In Betrieben ab zehn Beschäftigten gibt es bei 57 Prozent überhaupt keine Belegschaftsvertretung,

Andere Vertretungsorgane (AVO)

20 Prozent haben einen Betriebsrat; in 23 Pro-

Die anderen Vertretungsorgane (AVO) werden

zent der Betriebe bestehen AVO. Sie repräsen-

verschiedentlich auch alternative Vertretungs-

tieren etwa 11 Prozent aller Beschäftigten

organe genannt. Gelegentlich treten sie als

(ebd.; Stand 2009).

Runde Tische, Belegschaftsausschüsse, Ver-

Die AVO konzentrieren sich häufig in klei-

trauenspersonen oder als Belegschaftsspre-

nen und mittelständischen Unternehmen, etwa

cher auf. Diese Belegschaftsvertretungen wer-

auch in der Nürnberger Wurstfabrik des ehe-

den nicht nach dem Betriebsverfassungsgesetz

maligen Präsidenten des FC Bayern München,

gebildet, sondern bestehen aufgrund unter-

Uli Hoeneß – der ausgiebige Einsatz von Leih-

schiedlicher Vereinbarungen mit der Unterneh-

arbeitern findet deshalb keinen Widerstand.138

136 Redaktion: PIN: Springers grüne Hölle, in: Stern 16/2008, S. 142 ff. 137 LAG Köln 20.5.2009, Az. 9 Ta BV 105/108. 138 Kurt Stenger: Ein klarer Fall von Selbstgerechtigkeit, in: Neues Deutschland, 23.4.2013.

80


P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER

Aber auch in großen Familienunternehmen

Die verantwortlichen Führungspersonen in den

mit mehreren Tausend Mitarbeitern finden sich

Unternehmen lassen einen Betriebsrat, den sie

AVO. Die Würth-Gruppe (Adolf Würth GmbH &

nicht verhindern konnten, zwar bestehen, stre-

Co KG) des „Schraubenkönigs“ Reinhold Würth

ben aber an, ihn nach dem Vorbild AVO umzu-

beispielsweise hat mehrere Tausend Mitarbei-

gestalten und zu schwächen. So heißt es in der

ter in Deutschland und 66.000 weltweit. Einen

vertraulichen Anweisung des Textildiscounters

regulären Betriebsrat gemäß BetrVG gibt es

H&M an das Management zum Umgang mit dem

nur in zwei seiner Produktionsbetriebe (Fa. Ar-

Betriebsrat: „Die Auseinandersetzung mit Be-

nold, Ernsbach, und Fa. Reisser, Ingelfingen);

triebsräten als Investment begreifen […],

die Eigentümerfamilie wehrt sich grundsätzlich

Hyperaktive im Zaum halten. Die für uns geeig-

dagegen. Der gegenwärtige Firmenpatriarch

neten Kandidaten erreichen. Kosten für die Be-

Reinhold Würth hat 1983 einen „Vertrauensrat“

triebsratsarbeit verringern“ (Kieser 2012: 46).

gegründet und mit ausgesuchten Mitarbeitern

H&M lehnt also Betriebsräte nicht ab, sondern

„Vertrauensrat“ –

besetzt. Dieser Vertrauensrat besteht bis heu-

versteht ihre Zusammensetzung und Arbeits-

ein alternatives

te. Der Konzern steht außerhalb des Flächenta-

weise als sportliche Herausforderung, die es

Vertretungsorgan

rifvertrags der IG Metall; es gilt ein sogenann-

mit kreativen Methoden anzugehen gilt.

bei Würth

ter Haus-Tarifvertrag, der zwischen Geschäfts-

Unternehmensleitungen haben also in Zu-

führung und dem hauseigenen AVO vereinbart

sammenarbeit mit externen Beratern Techni-

wurde. Während die Konzernleitung jährlich in

ken entwickelt, um die Zusammensetzung von

anonymisierten Umfragen regelmäßig eine

Betriebsräten schrittweise zu ihren Gunsten zu

„hohe Mitarbeiterzufriedenheit“ feststellt,

verändern. Infolgedessen haben die internen

trauen sich, so die Einschätzung der örtlichen

Auseinandersetzungen zwischen den Betriebs-

IG Metall, die Beschäftigten aus Angst nicht,

ratsmitgliedern stark zugenommen – zur Freu-

einen Tarifvertrag zu fordern.

139

de der Manager und Eigentümer (Hocke 2012).

Der Erfolg der AVO erklärt sich einerseits

Der Software-Konzern SAP, der seit seiner

damit, dass in Teilen der Belegschaften heute

Gründung bis 2006 eine führungsloyale Mitar-

oftmals eine grundsätzliche Ablehnung von Ge-

beitervertretung hatte, hat es auch nach der

werkschaften und Betriebsräten zu beobachten

Wahl eines Betriebsrats geschafft, diesen

ist. Auf der anderen Seite haben nicht wenige

durch eine Mehrheit von Vertretern einer

Unternehmensleitungen ihre grundsätzliche

christlichen Gewerkschaft und anderer gelber

Ablehnung von Betriebsräten aufgegeben. Ge-

Listen führungsloyal zu halten (siehe Kapitel

ändert hat sich dabei ihre Handlungsstrategie:

7.1).

139 Stefan Scheytt: Brandbrief des Patriarchen, www.boeckler.de/41281_41309.htm, Magazin Mitbestimmung 10/2012, abgerufen 25.4.2013.

81


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

6.3 PR-Agenturen und Überwachungsspezialisten

legitimierung der Gewerkschaften, die als Wachstums- und Innovationshemmnis kritisiert werden. Wir konzentrieren uns im Folgenden

Wichtig zum Verständnis der Funktionsweise

auf die weniger bekannten Aktivitäten von Me-

von Union-Busting sind nicht nur in den Betrie-

dienkanzleien und PR-Agenturen. Sie segeln im

ben konkret handelnde Akteure, die die Träger

Windschatten der antigewerkschaftlichen Tä-

der Mitbestimmung mit den dargestellten Mit-

tigkeiten und agieren im direkten Auftrag von

teln und Instrumenten an ihrer gesetzlich ver-

Unternehmern gegen Betriebsräte und Be-

brieften Arbeit hindern. Anwälte, Unternehmen

schäftigte.

und Kanzleien greifen, wie im Folgenden dargestellt wird, auf PR-Agenturen, spezialisierte

Medienkanzleien. Etwa seit Beginn der 2000er

Medienkanzleien und Wirtschaftsdetekteien

Jahre haben sich spezialisierte Medienkanz-

zurück. Diese betreiben Reputationsmanage-

leien herausgebildet, die das Image von Unter-

ment und Krisen-PR, um öffentlichen Skanda-

nehmen verteidigen. Aufgabe und Ziel dieser

len vorzubeugen, und versuchen Klagen recht-

Kanzleien ist es, Unternehmen vor Falschdar-

lich durch „vorausschauende Beweissamm-

stellung, Verleumdung, Ruf- und Geschäfts-

lung“ abzusichern.

schädigung zu schützen. Dabei warten die Unternehmen nicht mehr ab, was über sie berich-

Medienkanzleien und Public-Relations-

tet wird, um dann gegebenenfalls einen Anwalt

Agenturen (PR)

zu beauftragen, der eine Klage gegen Betriebs-

Großangelegte Medien-Initiativen und Think-

räte oder Autoren verfasst. Heute werden Me-

tanks produzieren eigene Veröffentlichungen,

dienkanzleien bereits beauftragt, wenn z. B.

oft in „Medienpartnerschaften“ mit „konserva-

ein Konflikt mit dem Betriebsrat entstanden ist

tiven“ Leitmedien („Frankfurter Allgemeine

und dessen Veröffentlichung in diversen Medi-

Zeitung“, „Handelsblatt“, „Die Welt“, „Wirt-

en „droht“. „In der Branche gilt das Verhindern

schaftswoche“ u. a.), und beeinflussen Medien

von kritischen Berichten als Königsdisziplin“,

zugleich auch hinter den Kulissen, insbeson-

so fasst es der bekannte TV-Journalist Thomas

dere die öffentlich-rechtlichen TV-Sender. Das

Leif zusammen.140 Auf Englisch heißt das

bekannteste Beispiel hierfür ist die vom Arbeit-

„agenda cutting“ – von der Tagesordnung strei-

geberverband Gesamtmetall gegründete Initia-

chen.

tive Neue Soziale Marktwirtschaft, deren Akti-

Mit dieser Dienstleistung wirbt der Mitbe-

vitäten gut erforscht sind (Speth 2004; 2006;

gründer der Berliner Medienkanzlei Schertz

Lieb 2007). Sie arbeitet großflächig an der De-

Bergmann, Dr. Christian Schertz. Es sei mög-

140 Thomas Leif: In der Branche gilt das Verhindern von kritischen Berichten als Königsdiziplin, www.carta.info/ 45925, abgerufen 16.7.2012.

82


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lich, „eine (Medien-)Kampagne entweder

dem gerichtlichen Vergleich den Autor ganz all-

bereits am Anfang im Keim zu ersticken oder im

gemein und grundsätzlich: „Günter Wallraff

besten Falle noch im Recherchestadium zu ver-

stellt in seinen angeblichen Enthüllungsrepor-

hindern“ (Schertz 2004). Die Kanzlei vertritt

tagen falsche und maßlos übertriebene Be-

vorzugsweise Unternehmensvorstände z. B.

hauptungen auf. Damit macht er […] seine Bü-

von Daimler, Karstadt/Berggruen, Springer,

cher spektakulärer und kann sie besser ver-

der Bank Sal. Oppenheim und Maredo (siehe

kaufen.“142 Inzwischen vertritt Höcker u. a. den

das Fallbeispiel Maredo in Kapitel 7.2).

Internetversandhändler Amazon in Deutsch-

Die Kölner Medienkanzlei Höcker arbeitet

land, der sich wegen bekannt gewordener ar-

nach ähnlichem Muster. Gründer Ralf Höcker

beitsrechtlicher Verstöße verteidigen muss.

ist Professor für Marken- und Medienrecht an

Die Verhinderung von Berichten über die Ar-

der Cologne Business School. An der Europäi-

beitswirklichkeit und die Diffamierung kriti-

schen Fachhochschule Brühl lehrt er Handels-,

scher Autoren gehört zum Geschäft der Union-

Gesellschafts- und Arbeitsrecht. Wie bei

Buster. Auch wenn es in diesem Fall nicht um

Schertz Bergmann gehört es zum Handwerks-

den konkreten Konflikt um einen Betriebsrat

Medienkanzlei Höcker

zeug, bei Nebensächlichem einzuhaken. So

geht, illustriert das Beispiel sehr gut das Vor-

vs. Günter Wallraff

vertrat Höcker die Großbäckerei Weinzheimer

gehen gegen kritische Berichte, die ebenso

gegen den Journalisten Günter Wallraff. Der

gegen Gewerkschaften und Betriebsräte einge-

hatte zahlreiche Missstände öffentlich ge-

setzt werden.

macht. Höcker griff sich die Darstellung Wallraffs heraus, der zufolge sich die Beschäftigten

PR-Agenturen. Die Öffentlichkeit ist sensibler

an heißen Blechen die Hände verbrannt hatten.

geworden. Der Wert eines Unternehmens und

Höcker argumentierte: „Verbrennungen kom-

die Verkäuflichkeit seiner Produkte hängen

men in Bäckereien typischerweise vor […].

heute mehr denn je vom öffentlichen Image ab.

Wallraffs Schilderungen wären also sehr un-

Deshalb wird Wert darauf gelegt, dass vom

spektakulär gewesen, wenn er nur wahrheits-

Pförtner über die Beschäftigten bis zum Topma-

gemäß berichtet hätte, dass es auch in der Bä-

nager gegenüber der Öffentlichkeit „alle mit

ckerei unseres Mandanten zu solchen bäcke-

einer Stimme sprechen“, auf Englisch heißt das

reitypischen Unfällen kam.“ Im Vergleich vor

„one voice policy“. Und die Stimme soll schön

Gericht heißt es deshalb: Wallraff darf nicht

und positiv sein. Dafür sorgen PR-Agenturen.

mehr berichten, „alle“ Beschäftigten hätten

Die biedere „Öffentlichkeitsarbeit“ alter Art,

„Fast alle haben sich

sich die Hände verbrannt, sondern nur noch

die z. B. im Verschicken von Pressemitteilun-

die Hände verbrannt“

„fast alle“.

141

Anwalt Höcker diffamierte nach

gen bestand, reicht nicht mehr aus. Heute orga-

141 Niederlage für Günter Wallraff, www.hoecker.eu, Pressemitteilung 12.1.2012. 142 Ebd.

83


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

nisieren PR-Profis vor allem im Konfliktfall eine

2001 auch in Deutschland. In jedem Staat veröf-

„strategische Kommunikation“. Diese präsen-

fentlicht die Agentur jährlich eine Liste der

tiert nach außen eine glänzende Story und

„Besten Arbeitgeber“. Die Kriterien für die

wirkt nach innen autoritär; so dürfen Beschäf-

Auszeichnung lauten Glaubwürdigkeit (offene

tigte und vor allem Betriebsräte nur dann an

Kommunikation und kompetente Führung), Re-

die Öffentlichkeit gehen, wenn der Unterneh-

spekt (Fürsorge und Balance), Fairness (Ge-

143

rechtigkeit – keine Diskriminierung), Stolz

mensvorstand ihnen das erlaubt.

PR-Agenturen gestalten die strategische

(Stolz auf die eigene Tätigkeit und die Leistun-

Kommunikation der Unternehmensleitungen,

gen des Unternehmens) und Teamgeist (an ei-

spätestens wenn etwa eine Übernahme bevor-

nem Strang ziehen). 2012 erhielten in Deutsch-

steht, wenn Entlassungen unverhofft bekannt

land diese Auszeichnung u. a. Rewe West, TUJA

werden und Konflikte mit dem Betriebsrat ent-

Zeitarbeit, Adolf Würth GmbH und accenture.145

stehen. Die Agenturen sollen dann inner- und

Während beim Softwarekonzern SAP der

außerbetrieblich dafür sorgen, dass das Unter-

Kampf um die Gründung des Betriebsrats tobte,

nehmen trotzdem gut dasteht.

verlieh Great Place to Work an SAP die Aus-

Die Beziehung zwischen dieser Art PR zur

zeichnung „Bester Arbeitgeber“ (SAP 2007:

gegenwärtig vorherrschenden Politik ist in vie-

37 f.; siehe das Fallbeispiel SAP in Kapitel 7.1).

len Fällen eng. Sebastian Turner war Chef der PR-Agentur Scholz & Friends. Sie gestaltete

Wirtschaftsdetekteien und

zum Beispiel den Auftritt der vom Arbeitgeber-

Überwachungsspezialisten

verband Gesamtmetall finanzierten Initiative

„Wer suchet, der findet“, heißt ein kluges

Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Turner

Sprichwort, mit dem die Kanzlei Dr. Schreiner+

war Gründungsmitglied der INSM, die als anti-

Partner auf ihren Internetseiten wirbt.146 Ab-

gewerkschaftlicher Stimmungsmacher das

mahnungen und Kündigungen gegen einzelne

Feld für Aktionen gegen Betriebsräte öffnete.

Personen brauchen Indizien und Anhaltspunk-

2012 stellte sich Turner als Kandidat der CDU in

te, die vor Gericht als Beweise präsentiert wer-

144

den können. Um diese zu beschaffen, arbeiten

Bei der Agentur Great Place to Work kön-

Wirtschaftsdetekteien und Überwachungsspe-

Nicht besonders

nen sich Unternehmen um die Auszeichnung

zialisten, häufig beauftragt durch externe

wertvoll: das Prädikat

„Bester Arbeitgeber“ bewerben. Die Agentur

Rechtsanwälte, eng mit Personalabteilungen

„Bester Arbeitgeber“

wurde 1991 in den USA gegründet und hat

zusammen; sie sind ein ständiger Begleiter von

inzwischen Niederlassungen in 45 Staaten, seit

aggressiven Maßnahmen gegen Betriebsräte

Stuttgart zur Wahl des Oberbürgermeisters.

143 Klaus Max Smolka: Public Relations: An der Leine der PR. PR wird in Deutschland immer autoritärer, in: Financial Times Deutschland, 6.12.2012. 144 Wolfgang Lieb: Clement übernimmt Vorsitz des INSM-Kuratoriums, www.nachdenkseiten.de, 6.7.2012. 145 www.greatplacetowork.de, abgerufen 5.1.2013. 146 http://www.rae-schreiner.de/philosophie/, abgerufen 31.8.2013.

84


P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER

(siehe das Fallbeispiel Maredo in Kapitel 7.2).

Detektive werden eingesetzt, um inszenier-

Ihre Aufgaben sind vielfältig: Personalcheck

te Diebstähle – etwa durch untergeschobene

bei Neueinstellungen; Einbau und Auswertung

Kuchenstücke – „aufzudecken“ (Wigand 2009a).

von Videoüberwachung; Ermittlung von Konto-

Eine bevorstehende BR-Gründung ruft beson-

und Adressdaten; Einschleusen von verdeckten

ders im Einzelhandel häufig Detektive auf den

Ermittlern, die als Werkstudenten, Praktikan-

Plan: „Wenn eine Betriebsratsgründung an-

ten oder neu eingestellte Mitarbeiter ausgege-

steht, wird bei den Rädelsführern im Dreck ge-

ben werden; Testkäufe (Mystery Shopper), um

wühlt. Die Frage ist: Findet der Detektiv was,

das Verhalten z. B. von Kassiererinnen zu er-

um ihn loszuwerden?“ Einerseits suchen die

mitteln (Schnelligkeit, Aufmerksamkeit bei

Ermittler nach persönlichen Schwachpunkten

Diebstählen, Freundlichkeit gegenüber den

(„Herr U. hat im Augenblick Probleme mit sei-

Kunden auch in Stress-Situationen); Beobach-

ner Ehefrau, die aus Albanien kommt“),

Observation bei

tung von Mitarbeitern bei Dienstgängen wie

andererseits nach verwertbaren Indizien für

Dienstgängen und

auch in ihrem Privatleben.

fristlose Kündigungen.

148

im Privatleben

So manche solcher „Beweise“ haben rechtInszenierte Beweise. Detektive werden vor al-

lich keinen Bestand. Der Autozulieferer Plat-

lem gegen Beschäftigte eingesetzt, die man aus

tenhardt etwa suchte nach Belegen, um den

verschiedenen Gründen loswerden will – Be-

Vorsitzenden des Betriebsrats zu kündigen.

triebsratsgründer, aktive Betriebsratsmitglie-

Der verdeckte Ermittler einer Detektei notierte

der, „zu teure“ Mitarbeiter. Die Steakhauskette

aus einem angeblich belauschten Gespräch,

Maredo beauftragte gleichzeitig drei Firmen:

die Zielperson habe einen Kollegen aufgefor-

Eine Detektei installierte die heimliche Video-

dert, das Büro des Personalleiters in die Luft zu

überwachung, die zweite Detektei schleuste ei-

sprengen. Rechtsanwalt Helmut Naujoks be-

nen verdeckten Ermittler ein, eine dritte Firma

gründete damit die fristlose Kündigung. Das

beschaffte Sicherheitsleute. In den bekannt ge-

Arbeitsgericht akzeptierte die Begründung

wordenen Fällen wurde der Betriebsrat meist

nicht, auch weil der Name der Detektei nicht

nicht um Zustimmung zu entsprechenden Über-

genannt wurde und der Detektiv vor Gericht

wachungs- und Bespitzelungsmaßnahmen ge-

nicht erschien. Das Unternehmen musste die

fragt; manchmal wurde fälschlicherweise be-

Kündigung zurücknehmen.149

hauptet, er habe zugestimmt.147

147 Christian Esser/Jo Sperling: Überwachte Mitarbeiter. Das Spitzelsystem bei Penny und Rewe, Frontal21, 30.4.2013. 148 Markus Grill: Überwachung – Systematische Bespitzelung im Handel, in: Stern, 15.4.2008. 149 Andreas Kraft: Die Kündigungshelfer, Die Mitbestimmung 6/2012, www.boeckler.de/40333.htm.

85


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

„Frauen als Detektive sind unauffälliger“.

Manche Detekteien werden kurzfristig en-

Es gibt in Deutschland unter den 1400 Detektei-

gagiert, andere haben ein über viele Jahre lau-

en etwa 100, die vorwiegend im Auftrag von Un-

fendes Dauermandat. So beauftragte die Deut-

ternehmen arbeiten.

150

Die Bandbreite reicht

sche Telekom die Detektei Argen während ei-

von 2-Mann-Firmen bis zu international tätigen

nes Jahrzehnts mit diversen „Aufklärungen in

Detekteien mit mehreren Niederlassungen im

rechtlichen Grauzonen“; 154 dazu gehörten Be-

In- und Ausland. So hat etwa EAAP, die bei der

wegungsprofile und Kontodaten. Die Detektei

Steakhauskette Maredo den verdeckten Ermitt-

Argen wurde in diesem Fall von der Detektei

ler einschleusten, 13 Niederlassungen in

Network Deutschland als Subunternehmer en-

Deutschland und weitere in Österreich, Liech-

gagiert.155

tenstein, Ungarn, Italien und der Schweiz.151

Die Deutsche Bahn setzte unter ihrem lang-

Der Bundesverband Deutscher Detektive

jährigen Vorstandsvorsitzenden Hartmut Meh-

(BDD) teilt mit, „dass Rechtsanwälte bei ihrer

dorn im Zuge der Umgestaltung des Staatsun-

anwaltlichen Tätigkeit zunehmend mit fach-

ternehmens in einen wettbewerbsfähigen Glo-

und sachkundigen Detektiven vertrauensvoll

bal Player sechs Detekteien gleichzeitig ein.

152

zusammenarbeiten“.

Sie sollten, so der Ausdruck Mehdorns, die „Lu-

Um das Image der Wirtschaftsdetektive zu

schen“ herausfinden, die man „rausschmei-

verbessern, organisiert die Industrie- und Han-

ßen“ müsse. Zu den beauftragten Detekteien

delskammer (IHK) Münster Seminare. Der Chef

gehörten – wie im Fall Telekom – Argen und

Die „Luschen“

einer Detektei, Anwälte und Kommunikations-

Network Deutschland, dann noch Detec Tronic

herausfinden

trainer treten als Referenten auf. Nach einem

Consulting und die Branchengröße KDM.156

Jahr bekommen die Seminarteilnehmer das Di-

Die Deutsche Bank-Abteilung Konzernsi-

plom „Privat- und Wirtschaftsermittler/-in

cherheit arbeitete mit Bernd Bühner, der von

IHK“. Hier werden neuerdings vermehrt Frauen

der Detektei Control Risks Deutschland (Zen-

gesucht: „Frauen sind unauffälliger, niemand

trale London) kam, und mit Bühners eigener Fir-

rechnet damit, dass sie Detektive sind. Leider

ma Private Risks Advisor zusammen. Zum Über-

gibt es zu wenig Frauen in unserem Beruf“, so

wachungsteam gehörte eine „attraktive junge

153

der BDD-Sprecher Josef Riehl.

Juristin“. Man ließ auch ein ver.di-Mitglied im

150 Vgl. die Mitgliederliste des Bundesverbandes der Deutschen Detektive (BDD), www.bdd.de, abgerufen 5.3.2012. 151 www.detektei-eaap.de, abgerufen 10.1.2013. 152 Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und Detektiven, www.bdd.de/presse, 10.2.2012, abgerufen 5.3.2012. 153 Julia Wäschenbach: Besserer Durchblick für Detektive, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 17.2.2012. 154 Redaktion: Ausspähaffäre: Telekom beschäftigt seit zehn Jahren umstrittene Detektei, Spiegel Online, 27.2.2009. 155 Christina Jäger: Die Zentrale der Detektei Network Deutschland ist verwaist, in: Hamburger Abendblatt, 4.6.2008, abgerufen 24.1.2013. 156 Markus Brandt: Der böse Geist, in: Stern, 1.3.2009, abgerufen 24.1.2013.

86


P RIVATE A KTEURE UND D IENSTLEISTER

Aufsichtsrat überwachen, das den massiven Stellenabbau öffentlich kritisiert hatte.

157

sächlich oder mutmaßlich Mitglied der DKP waren. Die Siemens-Security beauftragte eine

Als der Siemens-Vorstand in den Jahren

Berliner Detektei, um sie außerhalb des Un-

2002 bis 2004 insgesamt 1700 Beschäftigte ent-

ternehmens beobachten zu lassen. Das Hono-

lassen wollte, wehrten sich im Betriebsrat

rar bezahlte der Konzern aus einer schwarzen

besonders zwei Mitglieder, die gleichzeitig tat-

Kasse.158

157 Markus Frühauf: Im Auftrag der Deutschen Bank, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.9.2009. 158 Jürgen Dahlkamp/Dinah Deckstein: Siemens und die Detektive, in: Der Spiegel, 21.4.2008.

87


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

7. Zwei Fallbeispiele: Union-Busting bei SAP und Maredo

Im vorigen Kapitel wurden Union Busting-

und Boni zusätzlich Tantiemen zwischen

Dienstleister und ihre Tätigkeiten dargestellt.

102.000 und 152.000 Euro – nicht zu vergessen

Diese Dienstleister agieren nicht unabhängig

die Aktienoptionen (SAP 2009: 79).

voneinander, sondern werden häufig in systematischer Weise von Unternehmen eingesetzt.

Widerstände in Belegschaft und Vorstand

Die beiden folgenden Fälle einer solchen syste-

Weltweit hat SAP 65.000 Beschäftigte (Stand

matischen Verhinderung von Betriebsratsar-

Ende 2013). Nach der Zahl der Beschäftigten in

beit sollen dies veranschaulichen.

Deutschland – 17.000 in der Zentrale Walldorf und in einigen Nebenstandorten – besteht Anspruch auf 39 Betriebsräte mit 13 Freigestell-

7.1 SAP: Eine „besondere Unternehmenskultur“

ten. Drei Mitglieder der IG Metall wollten 2006 nach dem Betriebsverfassungsgesetz einen

Aufsichtsrat und Vorstand des Softwarekon-

Betriebsrat gründen.160 Die Konzernleitung ver-

zerns SAP wehrten sich lange grundsätzlich

weigerte die Zustimmung und machte Stim-

gegen die Wahl eines Betriebsrates. Sie berie-

mung gegen einen Betriebsrat, der von außen

fen sich auf eine „besondere Unternehmenskul-

„fremdgesteuert“ werde. Gründer und Großak-

tur“, die für die kreative IT- und Software-Bran-

tionär Dietmar Hopp drohte mit dem möglichen

che typisch sei. Der Standardspruch des Fir-

Abzug der Konzernzentrale aus Walldorf. In

mengründers Dietmar Hopp lautete: „Wer ei-

keinem anderen Bereich sei eine Sitzverlage-

159

„Wer einen Betriebs-

nen Betriebsrat gründet, der fliegt.“

Deshalb

rat gründet, fliegt“

war SAP bis 2006 der einzige deutsche DAXKonzern ohne Betriebsrat.

rung ins Ausland so schnell möglich wie in der Softwarebranche. Die versuchte Verhinderung eines Betriebs-

Einen gesetzlichen Betriebsrat wollte die

rats ist, was wenige wissen, strafbar: „Mit Frei-

Konzernleitung auf keinen Fall. Sie berief acht

heitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstra-

Beschäftigte in den Aufsichtsrat, die zugleich

fe wird bestraft, wer die Wahl des Betriebsrats

als Arbeitnehmervertretung (ANV) galten. Die-

behindert oder durch Zufügung oder Andro-

se gelbe (d. h. vorstandsfreundliche, von der

hung von Nachteilen oder Gewährung oder Ver-

Belegschaft nicht gewählte) ANV wurde von der

sprechen von Vorteilen beeinflusst“ (BetrVG

Konzernleitung auch als „informeller Betriebs-

§ 119 Abs. 1). Strafbar ist es auch, wenn die

rat“ bezeichnet. Zu den acht Auserwählten ge-

Konzernleitung versucht, einen gesetzlichen

hörten auch leitende Angestellte. Im Aufsichts-

Betriebsrat durch eine ihr genehme Arbeitneh-

rat kassierten sie 2006 neben ihren Gehältern

mervertretung selbst zusammenzustellen.

159 Zur Chronologie und zu den Auseinandersetzungen bei der Betriebsratsgründung siehe „Betriebsratswahl bei SAP“, www.nci-net.de/Archiv/Historie/2006-SAP-BR-Wahl/SAP-BR.html, abgerufen 28.6.2012. 160 Cornelia Girndt: Die Betriebsratsgründer, Magazin Mitbestimmung 11/2006, www.boeckler.de/pdf/ magmb_2006_11_Girndt.pdf, 28.6.2012.

88


F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO

Dabei kommt es vor, dass diese Strategie mit

allerdings nicht daran gestört, dass die bis

der Drohung verbunden wird, Unternehmens-

dahin aktiven acht Belegschaftsvertreter über-

teile ins Ausland zu verlagern.

haupt nicht von der Belegschaft gewählt wor-

Bei einer Betriebsversammlung am Stand-

den waren. Dietmar Hopp

ort Walldorf am 30. Juni 2006 sprachen sich

Der Arbeitsrechtler Professor Volker Rieble

91 Prozent der Anwesenden gegen den von den

(ZAAR) unterstützte die Konzernleitung und riet

droht mit Standort-

drei Betriebsratsgründern vorgeschlagenen

ihr, bis zum Bundesverfassungsgericht zu

verlagerung

Wahlvorstand aus – wenige Tage nachdem

gehen.

163

Hopp mit der Sitzverlagerung gedroht hatte. Daraufhin beantragten die drei IG Metaller ent-

Gelbe Listen

sprechend dem BetrVG beim Arbeitsgericht die

Doch die Konzernleitung und ihre loyale Arbeit-

Einsetzung eines Wahlvorstands.

nehmervertretung warteten das unvermeidliche Urteil des Arbeitsgerichts nicht ab. Sie ga-

Politiker, Wissenschaftler, Arbeitgeber-

ben ihren Widerstand schnell auf und machten

funktionäre toben

eine Kehrtwendung: Plötzlich stimmten sie ei-

Im Unternehmermilieu der Bundesrepublik

nem Betriebsrat zu. Die Versammlung zur Wahl

brach ein Sturm der Entrüstung los. Der CDU-

des Wahlvorstands konnte stattfinden. Aus den

Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises, Karl

Reihen der 3233 anwesenden Wahlberechtig-

Lamers (CDU), sprach sich „entschieden gegen

ten wurde ein Wahlvorstand gewählt, darunter

einen SAP-Betriebsrat“ aus. BDA-Präsident

allerdings nicht die drei gewerkschaftlichen

Hundt forderte die Änderung des Betriebsver-

Initiatoren, sondern vier Mitglieder der vom

161

Die FDP-Bundestagsfrak-

Arbeitgeber ausgewählten Arbeitnehmerver-

tion stellte im Bundestag den Antrag auf des-

tretung, die auch im Aufsichtsrat vertreten

sen Änderung: Es müssten mindestens 25 Pro-

waren.

fassungsgesetzes.

zent aller wahlberechtigten Arbeitnehmer der

Die Wahl des Betriebsrats erfuhr großes

Wahl eines Betriebsrats zustimmen. Dies wür-

Interesse. 400 Kandidaten bewarben sich. Ne-

Betriebsratsgründung

de die „Selbstbestimmung der Arbeitnehmer

ben der IG-Metall-Liste „ProBetriebsrat“ traten

bei SAP beschäftigt

stärken“. Nur 500 der SAP-Wahlberechtigten

neun mehr oder weniger gelbe Listen an, die

den Bundestag

hätten die Einsetzung eines Wahlvorstands un-

zum Teil noch rasch gegründet worden waren.

terstützt, somit wären 91 Prozent der Wahlbe-

Sie hießen „Menschen statt Ressource“, „Die

rechtigten dagegen.

162

Die FDP hatte sich zuvor

FDP wird aktiv:

Unabhängigen“, „Der Mensch im Mittelpunkt“,

161 Die gesammelten Stellungnahmen siehe: IG Metall Heidelberg: www.sapler.igm.de/news/ meldung.html?id=7737, abgerufen 19.6.2012. 162 Bundestagsdrucksache 16/967; die FDP zog ihren Antrag allerdings zurück. 163 Dietrich Creutzburg/Dieter Fockenbrock: SAP denkt an Gang nach Karlsruhe, in: Handelsblatt, 9.3.2006. Zu Professor Rieble siehe in Kapitel 3.2, Abschnitt „Arbeitgeberfinanzierte Universitätsinstitute“.

89


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

TEAM, „Wir für Dich“, „Kommunikation statt

Besondere Vergünstigungen

Konfrontation“, ABS (Aktiv im Betriebsrat

Die Konzernleitung hatte schon in den Vor-Be-

SAP), MUT (Menschenverstand Unternehmens-

triebsrats-Zeiten mit korrumpierenden Mitteln

kultur Transparenz), „Weniger ist mehr“. Die

gearbeitet. Dafür stehen die hohen Aufsichts-

Wahlbeteiligung lag bei 65 Prozent. Fünf gelbe

ratstantiemen für vom Arbeitgeber berufene

Listen konnten Vertreter in den 37-köpfigen

Mitglieder der Arbeitnehmervertretung. Nach

Betriebsrat entsenden, ProBetriebsrat ent-

der Wahl des Betriebsrats fand die Leitung wei-

sandte drei Vertreter. MUT und Wir für Dich bil-

tere Formen der Vorteilsgabe: Der Vorstand und

164

Ein „Ver-

die Dietmar-Hopp-Stiftung spendeten mehrere

dienst“ dieses Betriebsrats ist unter anderem,

Millionen an zwei gemeinnützige Vereine. Der

dass kein Tarifvertrag besteht.

erste wurde im Zusammenhang mit der ersten

deten die Mehrheitskoalition.

Im Mai 2012 kandidierte für die Wahl der

Betriebsratswahl gegründet: Family@SAP e. V.

Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat erst-

Der Verein wird von zwei arbeitgeberfreundli-

mals auch eine gewerkschaftliche Liste. Sie

chen Belegschaftsvertreterinnen betrieben –

wurde von IG Metall und ver.di gemeinsam ge-

beide Mitglied im Betriebsrat, eine dessen

bildet: „Pro Mitbestimmung & Upgrade. Es ist

stellvertretende Vorsitzende. Er organisiert

Zeit“. Einer ihrer Kandidaten brachte die erfor-

u. a. eine Kinder-Ferienverschickung.

Imagepflege:

derlichen Stimmen zusammen. Daneben kandi-

Die beiden Frauen gründeten 2010 den

soziale Projekte

dierten als gelbe Listen die Kleinst- und bran-

nächsten Verein: family&kids@work gemein-

loyaler Mitarbeiter

chenfremden Gewerkschaften DBV (Deutscher

nützige UG („Haus der kleinen Füße“), einen

mit viel Geld

Bankangestellten-Verband), CGM (Christliche

Kindergarten für hundert Kinder. SAP spendete

gefördert

Gewerkschaft Metall) und VRFF (Vereinigung

ein Grundstück mit 6000 Quadratmetern Garten

der Rundfunk-, Film- und Fernsehschaffenden).

und eine Bobbycar-Rennstrecke. Die Dietmar-

Das gewerkschaftliche Mitglied im Aufsichts-

Hopp-Stiftung übernahm die Baukosten von

rat gibt 90 Prozent seiner Tantiemen an die

5 Millionen Euro. Der Kindergarten ist mit

Hans-Böckler-Stiftung ab. Die Tantiemen für die

30 MitarbeiterInnen personell gut bestückt.165

Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat im Jahre

Diesen Kindergarten dürfen auch einige Kinder

2011 betrugen zwischen 170.000 und 201.000

von SAP-Beschäftigten besuchen, die nach ei-

Euro (SAP 2012a: 59).

nem Punktesystem ausgesucht werden. Der Spendensegen ging weiter: Dem Verein der beiden vorstandsloyalen Frauen spendete der Konzern 2,5 Millionen Euro für ein Grundstück

164 IG Metall Heidelberg: Betriebsrat: 9 von 10 wollten ihn nicht, www.sapler.igm.de/news/ meldung.html?id=8870, abgerufen 22.6.2012. 165 SAP-Jahresbericht 2011, Konzernabschluss nach IFRS, Konzernanhang, S. 31: „Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen und Personen“.

90


F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO

neben dem SAP-Headquarter; die Dietmar-

schwerde einlegen. So könne SAP die Wahl des

Hopp-Stiftung spendete 2012 erneut 5 Millio-

Betriebsrats mehrere Jahre zumindest verzö-

nen für die Baukosten eines weiteren Kinder-

gern.167 Wie bereits geschildert, hat der SAP-

gartens, wiederum für hundert Kinder („Haus

Vorstand diese Strategie nicht übernommen,

der kleinen Hände“).

166

Im Konfliktjahr 2006 wurde SAP zum „bes-

weil er die Öffentlichkeitswirkung einer solchen langen Auseinandersetzung fürchtete.

ten Arbeitgeber“ gewählt. Den Preis vergab die

Die drei Mitglieder der gewerkschaftlichen

Unternehmens-PR-Agentur Great Place to

Liste ProBetriebsrat wollten 2007 den Mitarbei-

Work. Sie bewertet Unternehmen nach den Kri-

tern das SAP-Gehaltssystem 2007 („Zielgehäl-

terien Verantwortung, Stolz und Teamgeist. Im

ter(Z)-Systeme“) zur Kenntnis geben. Der Vor-

Gegenzug investieren die Unternehmen sechs-

stand versuchte dies durch eine einstweilige

stellige Geldbeträge. Die 1991 in den USA ge-

Verfügung zu verhindern. Er ließ sich in diesem

gründete und weltweit tätige Agentur betreibt

Fall von der Kanzlei Hogan Lovells vertreten,

seit 2002 eine Niederlassung in Deutschland.

die schon als Berater bei der Bildung des Be-

SAP widmete der Auszeichnung viel Platz in

triebsrats herangezogen worden war. Das Ge-

seinem Geschäftsbericht (SAP 2007: 37).

richt wies den Antrag in erster Instanz ab. SAP ließ durch Hogan Lovells Berufung einlegen.

Anwaltskanzleien

Aber einen Tag vor der Berufungsverhandlung

Der Vorstand engagierte für die Auseinander-

zog der Vorstand die Berufung zurück.

setzung mit Gewerkschaftern die Top-Arbeitsrechtler der Republik, die ausschließlich Ar-

Human Resources

beitgeberinteressen vertreten. So engagierte

In der Personalabteilung von SAP, genannt Glo-

SAP die Großkanzlei Gleiss Lutz für die Ausein-

bal Labour Relations (GLR), sind 800 Mitarbei-

Führende Großkanz-

andersetzung vor dem Arbeitsgericht Mann-

ter beschäftigt. Mehr als 30 dieser Mitarbeiter,

leien gegen IG-Metall-

heim gegen die drei IG-Metall-Mitglieder, die

hauptsächlich Juristen, sind damit befasst, die

Mitglieder und

2006 die Einsetzung eines Wahlvorstands für

Beziehungen zwischen dem Konzernvorstand

Betriebsratsgründer

die Betriebsratswahl gerichtlich erzwingen

und den Beschäftigtenvertretungen zu koordi-

wollten. Der Anwalt der Kanzlei, Jobst-Huber-

nieren.

tus Bauer, riet zu einer möglichst langen juris-

Die direkte Einwirkung auf den Betriebsrat

tischen Auseinandersetzung. SAP solle durch

wird ergänzt durch die Einwirkung auf die Be-

alle Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht

schäftigten, wobei dies der Mitbestimmung

gehen. Und auch gegen dessen Urteil könne

weitgehend entzogen ist. Die für einen Milliar-

man gegebenenfalls noch Verfassungsbe-

denbetrag von SAP aufgekaufte Firma Success-

166 Redaktion: Walldorf – Erster Spatenstich für das Haus der kleinen Hände, in: Mannheimer Morgen, 23.5.2012. 167 SAP denkt an Gang nach Karlsruhe, in: Handelsblatt, 9.3.2006; www.nci-net.de/Archiv/Historie/2006-SAP-BRWahl/SAP-BR.html, abgerufen 28.6.2012.

91


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Factors soll ab 2013 jährliche Assessments

Zur Strategie gehörten neben Bespitze-

Jährliche Leistungs-

(Leistungsmessungen) aller 65.000 Beschäftig-

lung, Überwachung und Kriminalisierung der

messungen und

ten durchführen. Dabei hilft eine Matrix: Auf

Belegschaft samt Schock-and-Awe-Aktion (sie-

Burn-out

der x-Achse wird die Performance abgebildet,

he dazu Kapitel 5.3) auch die systematische

auf der y-Achse das Potenzial. Die Getesteten

Beeinflussung und Verhinderung von Bericht-

werden dann in Stars, Emerging Stars (kom-

erstattung, wofür u. a. Prominenten-PR-Berater

mende Stars), Experienced Professionals (er-

und Medienanwälte engagiert wurden.

fahrene Profis), Low Performer (Minderleister)

Die Maredo Restaurants Holding GmbH ist

u. Ä. eingeteilt, und diese Einschätzung wird

ein Unternehmen aus dem Segment der System-

mit Empfehlungen versehen: „Needs coaching“

gastronomie mit Sitz in Düsseldorf. Die Kern-

(braucht Coaching), „questionable fit“ (bedingt

idee: Restaurants, die Rindfleisch aus Südame-

tauglich), „counsel out“ (aussortieren) u. Ä. Für

rika offerieren. Die 1973 gegründete Kette gibt

die in der Regel jährlichen Assessments wer-

für 2013 eine Zahl von 57 Restaurants in

den auch externe Coaches hinzugezogen. Ge-

Deutschland und drei in Österreich mit ca. 1800

werkschafter bei SAP weisen auf einen direk-

Mitarbeitern in Service, Grill, Küche und Ver-

ten Zusammenhang zwischen den geschilder-

waltung an. Pro Jahr werden nach eigenen An-

ten Methoden und einem hohen Krankenstand

gaben etwa 7,6 Millionen Gäste bedient. Im

einschließlich Burn-out hin (Kronig 2012,

Vergleich dazu kann der Nettoumsatz nicht be-

39 ff.).

eindrucken: Für das Geschäftsjahr 2007/2008 wird er auf rund 99 Millionen Euro beziffert.169

7.2 Maredo: Sechs externe Dienstleister gegen NGG und Betriebsräte

vom Frankfurter Finanzinvestor Equity Capital Management (ECM) übernommen,170 dem ne-

Das Management der Steakhauskette Maredo

ben diversen mittelständischen Industriebe-

ging seit November 2011 mit einer breiten Pa-

trieben auch die Bäckereikette Kamps und der

lette von Methoden frontal und aggressiv ge-

Tiefkühl-Heimservice Eismann gehören.

gen gewerkschaftliche Betriebsräte vor. Der

Der Maredo-Deal geschah im Rahmen eines

Frankfurter Anwalt der Betroffenen, Armin

Management Buy-outs (MBO, Übernahme eines

Franzmann, sah eine neue Qualität in diesem

Unternehmens durch das Management). 2008

Fall, die in der perfiden Brutalität des Vorge-

wechselte die Kette in den ECM-Fonds German

168

hens bestehe.

168 169 170 171

92

Maredo wurde laut Handelsblatt im Jahr 2005

Equity Partners III.171 ECM schreibt: „Das Mare-

Daniel Behruzi: Ein Jahr Maredo-Konflikt, in: junge Welt, 28.11.2012. ECM: Maredo, http://www.ecm-pe.de/deutsch/gep_III/content_03.htm, abgerufen 28.6.2013. Minusgeschäft für Barilla. Bäckereikette Kamps geht an Finanzinvestor, Handelsblatt.com, 12.8.2010. ECM: Maredo, http://www.ecm-pe.de/deutsch/gep_II/content_07.htm, abgerufen 28.6.2013.


F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO

do Management-Team hat im Rahmen dieses

terview mit der gewerkschaftsnahen Zeitung

MBO seine Gesellschaftsanteile auf 15 Prozent

„express“ aus Frankfurt. „Die Arbeitgeber in

aufstocken können.“

172

Dieses Team bestand

der Dehoga lachten uns aus, boten nichts für

aus dem geschäftsführenden Gesellschafter

das Jahr 2011 und 1,5 Prozent für 2012. Die drit-

Uwe Büscher, der Marketingdirektorin Rita

te Tarifrunde war für kurz vor Weihnachten an-

173

Hans und dem Finanzdirektor Dietrich Etzler.

beraumt. Da waren wir schon drei Wochen aus

Maredo ist Mitglied im Unternehmerverband

dem Weg geräumt ebenso wie die Betriebsrats-

Dehoga.

vorsitzende Jacqueline F. aus Osnabrück.“174 Dort gab es eine zweite Maredo-Filiale mit

Widerstandsnest Frankfurter Freßgass

Betriebsrat; daneben sollen noch weitere Filia-

Die Belegschaft der Maredo-Filiale in der

len mit gewählter Interessenvertretung exis-

Frankfurter Freßgass war in der traditionell be-

tiert haben. Weder konnte die Gewerkschaft

triebsratsfeindlichen Systemgastronomie eine

NGG deren Existenz bestätigen, noch hatten

große Ausnahme. Die Frankfurter Filiale hatte

diese durch Erfolge oder Konflikte auf sich auf-

seit über zwanzig Jahren eine gewählte Arbeit-

merksam gemacht.

nehmervertretung, die – laut Auskunft ihrer langjährigen Mitglieder – in den Anfangsjah-

Shock and Awe

ren stark zu kämpfen hatte, dann aber weitge-

Am 26. November 2011 kam es zum Showdown.

hend ungehindert die Interessen der Arbeit-

In der Frankfurter Freßgass-Filiale ging plötz-

nehmer vertreten konnte, bis sich der Wind im

lich das Licht aus, ein Sicherheitsunternehmen

Jahr 2011 drehte. Eine Betriebsratswahl wurde

besetzte die Ausgänge. Mehrere Mitarbeiter,

von Maredo angefochten, eine Neuwahl allem

die später Anzeige wegen Nötigung und Frei-

Maredo-Betriebsrat

Anschein nach sabotiert. Als die NGG-Tarifkom-

heitsberaubung stellten, seien über eine Stun-

existierte über

mission mit Mitgliedern aus der Freßgass-Be-

de lang im verschlossenen, abgedunkelten Re-

20 Jahre

175

legschaft auch noch auf den konfliktorientier-

staurant festgehalten worden. Mit der Andro-

ten Kurs der DGB-Gewerkschaften einschwenk-

hung von Anzeigen wegen Diebstahls soll eine

te, stand Ärger ins Haus: „Wir wollten mindes-

Abordnung der Maredo-Geschäftsleitung mit

tens 8,50 Euro Mindestlohn und sechs Prozent

Unterstützung eines Rechtsanwalts versucht

Lohnerhöhung“, so Michael Weißenfeldt im In-

haben, einen Großteil der Belegschaft zum Un-

172 ECM: Maredo, http://www.ecm-pe.de/deutsch/gep_III/content_03.htm, abgerufen 28.6.2013. 173 Redaktion: Maredo: Zweiter MBO – Expansionsstrategie wird fortgesetzt, foodservice, 15.5.2008, http:// www.cafe-future.net/gastro/branchennews/pages/Maredo-Zweiter-MBO-Expansionsstrategie-wirdfortgesetzt_14516.html, abgerufen 28.6.2013. 174 Karin Zennig/Kirsten Huckenbeck: Goldgräbermanieren bei Maredo – Interview mit Betriebsrat Michael Weißenfeldt, in: express Frankfurt, 12.4.2012. 175 Michael Brächer: Freiheitsberaubung. Schwere Vorwürfe gegen Steakhaus-Kette Maredo, in: Handelsblatt, 5.12.2011.

93


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

terschreiben ihrer Kündigung bzw. eines Auf-

Die von Maredo gewählte Frontalstrategie

hebungsvertrags zu bringen. Laut Maredo ha-

war allerdings nicht ohne Risiko. Betroffene,

ben 13 Mitarbeiter diese Möglichkeit wahrge-

Freunde und Gewerkschafter gründeten ein

nommen. Gegen 19 Unbeugsame wurden Straf-

Maredo-Solidaritätskomitee. Im April 2012

anzeigen gestellt. Eine Detektei war hinter dem

fand ein bundesweiter Protesttag vor Maredo-

Rücken des Betriebsrats mit intensiver Video-

Filialen statt,177 der am 16. Juni 2012 wiederholt

überwachung beauftragt worden. Maredo hatte

wurde. Beim Termin der Betriebsrätin Jaque-

über Wochen Spitzel als Angestellte getarnt in

line F. vor dem Arbeitsgericht Osnabrück am

der Filiale arbeiten lassen, um Beweise oder

19. April 2012 platzte der Saal aus allen Näh-

Indizien für angebliche Verstöße der Beleg-

ten. Am 8. Mai 2012 vor dem Arbeitsgericht

schaft zu sammeln, darunter, so schreibt der

Frankfurt war der Andrang so groß, dass die

Frankfurter Prozessbeobachter Daniel Behruzi,

vierstündige Verhandlung ins Audimax des Ge-

der angeblich kostenlose Genuss von Apfel-

richtsgebäudes verlegt wurden musste. Die ge-

schorle und der Verzehr von Baguette-Brotkan-

schassten Betriebsräte und Kollegen demons-

ten – vor Gericht stritt man sich, ob die Speisen

trierten über eineinhalb Jahre jeden Samstag

korrekt bonniert worden waren oder nicht.

in der hoch frequentierten Frankfurter Freß-

Vom Arbeitgeber wurde hier eine umfas-

gass vor ihrer Filiale gegen die Methoden ihres Arbeitgebers.

Aus Bagetellen krimi-

sende Bagatell-Kündigung in Stellung ge-

nelle Wiederholungs-

bracht. Aus vielen Petitessen versuchte man,

Im Juni 2013 schlossen die betroffenen Ma-

tat konstruiert

eine kriminelle Wiederholungstat zu konstru-

redo-Angestellten einen Vergleich mit dem Un-

ieren. Das hier als Wirtschaftskriminalität be-

ternehmen. Über die Höhe der Abfindungen und

wertete Spannungsfeld wird in vielen Firmen

die Dauer der Freistellung bei Lohnfortzahlung

kulant geregelt.

durften sie keine Aussagen machen. Keiner

Wie konzertiert und geplant das Vorgehen

kehrte in die Filiale zurück. Eine umsatzstarke,

von Maredo gegen Gewerkschafter und Be-

traditionsreiche Maredo-Filiale und jahrzehn-

triebsräte war, zeigt sich an dem Umstand, dass

telange NGG-Bastion war somit erfolgreich be-

die Betriebsratsvorsitzende in der Maredo-Fili-

triebsratsfrei gemacht worden.

ale Osnabrück, Jaqueline F., im selben Zeit-

Maredo hatte zahlreiche Profis eingesetzt,

Konzertiertes

raum durch verschiedene Union-Busting-Me-

um den Konflikt vorzubereiten, durchzuführen

Vorgehen in Frankfurt

thoden unter massiven Druck gesetzt und

und die erwartbare öffentliche Empörung zu

und Osnabrück

176

gleich mehrfach fristlos gekündigt wurde.

beherrschen:

176 Daniel Behruzi: Steakhauskette Maredo legt nach, in: junge Welt, 23.2.2012. 177 Daniel Behruzi: Keine Ruhe bei Maredo, in: junge Welt, 23.4.2012.

94


F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO

Arbeitsrecht: Buse Heberer Fromm

scheiterten Lelly und Maredo vor einem Ham-

Den Kern des Verfahrens, also die Formulie-

burger Gericht mit dem Versuch, einen Ange-

rung von Strafanzeigen und Abmahnungen ge-

stellten mit der Methode der Druckkündi-

gen Mitarbeiter und Betriebsräte, steuerte im

gung180 fristlos zu entlassen. Damals hatten

Fall Maredo die international tätige Anwalts-

drei Angestellte schriftlich erklärt, sie sähen

kanzlei Buse Heberer Fromm. Die Federführung

sich gezwungen, das Unternehmen zu verlas-

der Maredo-Verfahren lag beim Essener Sozius

sen, wenn die betreffende Person weiter am

Dr. Jan Tibor Lelley. Sein Ziel war es, durch die

Arbeitsplatz bliebe. Auch dieses Verfahren

Shock-and-Awe-Aktion am 26. November 2011

blieb vor Gericht erfolglos.181

möglichst viele Unterschriften unter vorberei-

Die Vorwürfe des Arbeitgebers stützen sich

tete freiwillige Aufhebungsverträge zu bekom-

auf Ermittlungen der Münchner Wirtschafts-

men. Den Fall des Betriebsrats in Osnabrück

detektei EAAP, die unter anderem Mitarbeiter-

erledigte Rechtsanwalt Jürgen Masling; ferner

überwachung zu ihren Spezialgebieten zählt.182

war die Anwältin Bianca Brier beteiligt.178

Ferner steuerte das Mainzer Detektivbüro

Jan Tibor Lelley war mindestens seit 2005

Euro-Team Josef Roth Erkenntnisse bei.

183

Das

für Maredo aktiv. Schon 2006 hatte er im Auf-

jedenfalls geht aus den Prozessterminen und

trag von Maredo versucht, Mitarbeiter mit Hilfe

-akten hervor.

Lelley bereits 2005 für Maredo aktiv

von Diebstahlsvorwürfen loszuwerden. So berichtete der „Bonner General-Anzeiger“, dass

Klassische PR: Faktenkontor

ein seit 17 Jahren bei Maredo beschäftigter

Die Hamburger Agentur Faktenkontor führte im

Mann fristlos gekündigt wurde, weil er ein

Oktober/November 2011 eine Umfrage durch,

Kölsch getrunken haben soll, ohne zu bezah-

auf deren Grundlage sie im Februar 2012 das

len. Das Gericht gab der Klage des Angestell-

Siegel „Berlins beste Arbeitgeber“ an Maredo

ten auf Wiedereinstellung statt. Der Artikel

verlieh – ein Zertifikat, das Maredo umgehend

nannte einen weiteren Fall, in dem es um Knob-

per Pressemitteilung verbreitete.184 Auf schrift-

lauchbrot gegangen sein soll.179 Im Jahr 2005

liche Nachfrage erläuterte Jörg Forthmann von

178 Solidaritätskomitee: Überwachen, bespitzeln, entlassen, in: BIG Business Crime 1/2013, S. 40. 179 Lisa Imhoffen: Kellner siegt im Streit um Kölsch, in: General-Anzeiger Bonn, 12.5.2006. 180 Eine Druckkündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung von sich aus nicht beabsichtigt, sich jedoch dem Druck von Seiten der Belegschaft beugt (oder solches vorgibt). Diese Art der Kündigung wird von der Rechtsprechung nur in engen Grenzen zugelassen; siehe: Hartmut Oetker, in: Rudi Müller-Glöge, Ulrich Preis, Ingrid Schmidt (Hrsg.): Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht. § 1 KSchG, Rn. 182 ff. 181 ug (Autorenkürzel): Maredo: Schlappe vor Gericht, Hamburger Abendblatt, 24.2.2005. 182 http://www.detektei-eaap.de/wirtschaftsdetektei/mitarbeiterueberwachung.html, abgerufen 10.12.2013. 183 http://www.detektei-portal.net/detektei-josef-roth-in-mainz-690, abgerufen 8.4.2014. 184 http://www.maredo.de/maredo-gruppe/aktuelles/details/article/maredo-ausgezeichnet-als-bestergastronom.html, abgerufen 10.2.2013.

95


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Faktenkontor das Vorgehen: Professor Werner

Prozessbegleitende Medienarbeit:

Sarges von der Helmut-Schmidt-Universität

Michael Cramer

Hamburg – „einer von Deutschlands führenden

Michael Cramer kann als einer der großen in

Personaldiagnostikern“– habe die Umfrage zur

der Berliner PR-Szene gelten. So durfte er am

Ermittlung der „besten Arbeitgeber“ entwickelt

26. September 2012 an der Seite von Angela

Bester Arbeitgeber

und durchgeführt. Dabei seien 24 Unternehmen

Merkel eine Neuerung im Politbusiness gestal-

Berlins?

in Berlin befragt worden, Maredo sei auf Platz

ten, die man sich aus dem US-Wahlkampf abge-

10 gelandet, dem letzten Platz, der noch zur

schaut hatte: die sogenannte Tele-Townhall der

Qualifizierung „Berlins beste Arbeitgeber“ be-

CDU.186 Mitglieder fragen – die Kanzlerin ant-

rechtigte. Die Fragebögen an das Personal wur-

wortet.187

den von Vorgesetzten ausgeteilt und wieder

Michael Cramer war zuvor Chefredakteur

eingesammelt, bevor sie an Faktenkontor zu-

der ARD-Talkshow „Sabine Christiansen“ und

rückgeschickt wurden. Es hatten, laut Fakten-

Sat.1-Newschef gewesen. Seine Agentur Alt/

kontor, 8 Führungskräfte und 43 Mitarbeiter

Cramer kümmerte sich 2012 auch um die Pro-

teilgenommen. Die Maßnahme soll Maredo

zessberichterstattung im Fall Maredo. Mitar-

3900 Euro gekostet haben. Der Zeitraum der

beiter verteilten Presseunterlagen bei Ge-

Untersuchung – in zeitlicher Nähe zum Show-

richtsterminen, bauten Kontakte zu Journalis-

down in Frankfurt – könnte darauf hindeuten,

ten auf, die den Prozess beobachteten. Der

dass die Maßnahme im Rahmen einer konzer-

Medienprofi Cramer verfügt über gute Kontak-

tierten Aktion gebucht worden war, um im Be-

te zum Unternehmerverband Dehoga, dem auch

darfsfall positive Meldungen zur Mitarbeiter-

Maredo angehört. Das Dehoga-Jahrbuch 2010

zufriedenheit generieren zu können. Fakten-

verzeichnet einen Vortrag von Cramer, in dem

kontor legt Wert auf folgende Feststellung:

er „die Kommunikationsmechanismen der

„Die Teilnahme am Wettbewerb hat keinen Zu-

Presse im Zusammenhang mit der Mehrwert-

sammenhang zum Vorgehen von Maredo gegen

steuersenkung für Übernachtungen“ analy-

Betriebsräte; hiervon erfahren wir erstmalig

siert.188 Es ging um den sogenannten „Möven-

durch Ihre Anfrage. Es gibt keine weiteren Auf-

pick-Skandal“, der die Regierung Merkel, vor

träge, die Maredo an Faktenkontor vergeben

allem den Koalitionspartner FDP, Anfang 2010

185

hat.“

in Bedrängnis gebracht hatte.189 Mit seinen

185 E-Mail von Jörg Forthmann, geschäftsführender Gesellschafter der Faktenkontor GmbH, an Elmar Wigand, 13.6.2012. 186 Tele-Townhall. Mitglieder fragen – Angela Merkel antwortet, http://www.cdu.de/portal2009/ 26423_34977.htm, 26.9.2012, abgerufen 10.2.2013. 187 Hier zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=nkEBFe49BHo, abgerufen 10.2.2013. 188 http://www.dehoga-bundesverband.de/fileadmin/Inhaltsbilder/Publikationen/Jahrbuecher/ DEHOGA_Jahrbuch_2010_klein.pdf, S. 87-88, abgerufen 8.4.2014. 189 Florian Gathmann/Veit Medic: Debatte um FDP-Spende: Hohn und Spott für die „Mövenpick-Partei“, Spiegel Online.de, 19.1.2010, abgerufen 10.2.2013.

96


F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO

Kontakten in die Sender Sat.1 und ARD konnte

tung zu bedrängen. Er war bei der Aktion in der

Michael Cramer freien Mitarbeitern und klei-

Maredo-Filiale in der Frankfurter Freßgass per-

nen Produktionsfirmen, die auf Aufträge ange-

sönlich anwesend. Embedded Public Relations

wiesen sind, durchaus gefährlich werden – so

(teilnehmend in den Konflikt eingebettete PR-

befürchteten diese Mitarbeiter und deren Fir-

Arbeit) könnte man diese außergewöhnliche

men. Alt/Cramer wollte konkrete Interventio-

Betätigung wohl nennen.

nen gegenüber freien Mitarbeitern von RTL-„explosiv“ und ZDF-WISO sowie dem „Handels-

Vorgehen gegen kritische Berichterstattung:

blatt“ auf schriftliche Anfrage weder bestäti-

Schertz Bergmann

gen noch dementieren.

Am 12. Dezember 2011 hatte RTL in der Prime

Der Journalist Michael Brächer, der im

Time-Sendung „explosiv“ einen Beitrag gesen-

„Handelsblatt“ am 5. Dezember 2012 den ers-

det, der die Vorkommnisse in der Freßgass in

ten umfassenden Bericht über den Maredo-Ein-

einer Länge von 5:31 Minuten darstellte. Die

190

war am

Kanzlei Schertz Bergmann erwirkte daraufhin

Agenda-Cutting:

Nachmittag des 1. Dezember 2012 von Michael

eine einstweilige Verfügung dagegen, den Bei-

Michael Cramer ruft

Cramer angerufen worden: „Der Anruf war aus

trag zu wiederholen oder das darin enthaltene

Journalisten an

zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen hat

Material weiter zu verwenden. Am Landgericht

Herr Cramer einen rauen Tonfall an den Tag ge-

Köln waren zwei Verfahren Maredo gegen RTL

legt und wetterte, dass ihm derart unprofessio-

anhängig. Eins endete im Februar 2012 mit der

nelles Verhalten in seiner Karriere noch nie

Rücknahme des Antrags, das andere am

untergekommen sei. Dabei hatte ich zuvor

19. März 2012 mit einem Vergleich. RTL konnte

lediglich per Mail einige Fragen zu dem Vorfall

eine Gegendarstellung vermeiden.192 Der Sen-

in der Maredo-Filiale in Frankfurt gestellt. Ich

der hüllt sich in Schweigen darüber, welche Zu-

fühlte mich spontan durchaus bedroht. Zum an-

geständnisse er Maredo gemacht hatte;

deren gab er offen zu, dass er bei dem Einsatz

Schertz Bergmann spricht davon, dass

in der Filiale selbst zugegen gewesen sei. Er

„insgesamt sieben Kernbehauptungen als

wollte damit wohl belegen, dass er besser wis-

falsch gerichtlich verboten worden“ seien.

satz in der Freßgass veröffentlichte,

se als meine Quellen, was sich dort abgespielt

Bei RTL gibt man sich zufrieden mit dem

habe. Dieses Gebaren finde ich allerdings

Vergleich. „Explosiv“ hat seither allerdings

191

nicht mehr über Maredo berichtet; das RTL-Mit-

mehr als fragwürdig.“

Michael Cramer ruft also Journalisten an,

tagsmagazin „Punkt 12“ wollte – so hörte man

um sie aufgrund ihrer kritischen Berichterstat-

aus dem Sender – aber weiter am Ball bleiben.

190 Michael Brächer: Freiheitsberaubung. Schwere Vorwürfe gegen Steakhaus-Kette Maredo, in: Handelsblatt, 5.12.2011. 191 Schriftliche Aussage von Michael Brächer gegenüber Elmar Wigand. 192 Quellen: Gespräche mit RTL-Justiziar Hanno Panten und dem Pressesprecher des Landgerichts Köln.

97


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

ZDF-Magazin WISO berichtet nicht

Das ZDF-Magazin WISO berichtete nicht

dieser keine eigene Rechtsabteilung besitzt.

über den Fall Maredo. Bereits in der ersten Jah-

Ich machte dann aber eine Bürgerrundfunk-

reshälfte 2012 waren Interviews mit Maredo-

Sendung mit Frau F. am 19. März 2012. Den Na-

Mitarbeitern geführt worden, ein konkreter

men Maredo erwähnten wir nicht.“

zeitnaher Sendetermin wurde genannt und

Die Macher von Osna 104,8 arbeiten in

wieder verworfen. Ein umfangreicher Beitrag

weiten Teilen ehrenamtlich. Die Redaktion

soll in der Schublade geblieben sein. Der Blog

verfügt über wenig Mittel. Der genaue Ur-

Maredo-Solidarität berichtete am 21. März

sprung des Anrufs aus der Hauptstadt wurde in

2012: „Die Geschäftsleitung von Maredo hat mit

der alltäglichen Hektik nicht dokumentiert.

juristischen Drohungen verhindern können,

Redaktionsleiter Andreas Menke: „Uns als ge-

dass das ZDF in WISO am Montag, so wie ange-

meinnützigen Verein mit haftendem Vorstand

kündigt, über den Skandal bei Maredo berich-

hat das überfordert. Wir können uns keine Re-

tet.“

193

Alt/Cramer soll auch hier Medienvertre-

dakteure leisten, die lange recherchieren.“

ter bearbeitet und mit dem Verweis auf den Fall

So wurde die Maredo-Berichterstattung vor-

RTL-„explosiv“ argumentiert haben.

sorglich zurückgefahren.

Der Osnabrücker Bürgerfunksender Osna 104,8 berichtete am 10. März 2012 über einen

Maredo-Management:

Gerichtstermin der Maredo-Betriebsrätin Ja-

Briefe an Politiker und Betriebsräte

queline F. Auch sie war – mit einer anderen ju-

Maredo wurde in weiteren Fällen aktiv, um kri-

ristischen Konstruktion als in Frankfurt – von

tische Zeitgenossen auf verschiedene Arten zu

Maredo gekündigt worden. Die Nachrichten

beeindrucken. So erhielt die Linken-Politike-

enthielten den O-Ton eines lokalen Mitglieds

rin Janine Wissler am 24. Februar 2012 Post,

der Gewerkschaft NGG; sie erschienen außer-

weil die „Frankfurter Rundschau“ am selben

dem auf der Internetseite des Radios. Etwa eine

Tag berichtet hatte, dass Wissler an einer Soli-

halbe Stunde nach Ausstrahlung erhielt der

daritätsaktion für die entlassenen Maredo-Mit-

Sender einen Anruf, woraufhin der Beitrag aus

arbeiter teilnehmen wollte. Darin beschuldigt

dem Programm und die Meldung von der Home-

Maredo die betroffene Frankfurter Belegschaft

page genommen wurde. Einen Tag später er-

und ihre Gewerkschaft mit deutlichen Worten:

„Die NGG schützt

hielt die freie Mitarbeitern des Senders Silvia

„Die NGG schützt Diebe und Betrüger, statt sich

Diebe und Betrüger“

Buttler einen Anruf. Frau Buttler: „Es wurde mit

klar von diesen Menschen zu distanzieren.“

Klage gedroht und Frau F. als Kriminelle hinge-

Gleichzeitig wird der Politikerin die Möglich-

stellt. Der Sender wurde erstmal vorsichtig, da

keit zum Gespräch angeboten.194

193 http://maredosolidaritaet.blogsport.de/2012/03/21/maredos-druck-auf-zdf-vorerst-erfolgreich-kundge bung-am-samstag/, 21.3.2012, abgerufen 28.6.2013. 194 Der Brief liegt den Autoren vor.

98


F ALLBEISPIELE : SAP UND M AREDO

Einen Brief mit ähnlichen Textbausteinen erhielt Thorsten Schäfer-Gümbel, Fraktions-

strafrechtlich relevante Aussagen getätigt, die Maredo u. a. verleumden würden.

vorsitzender der SPD im Hessischen Landtag. Dieser hatte auf Facebook offenbar den Aufruf

Fazit: Kostspielig, riskant, erfolgreich

„Maredo Solidarität“ unterstützt. Neben dem

Der Fall kann in mehreren Aspekten als Mus-

Maredo-Management

oben zitierten Satz bringt Maredo folgende

terbeispiel für eine modulare Union-Busting-

schreibt Briefe an

Vermutung in Stellung: „Hier wollen sich offen-

Strategie gelten. Die Schock-and-Awe Aktion

Politiker

bar Funktionäre auf Kosten eines Unterneh-

am 26. November 2011 sucht in Deutschland

mens profilieren.“ Gemeint waren Gewerk-

bislang ihresgleichen. Mit Jan Tibor Lelley, Jür-

schafter der NGG. Weiter: „1700 ehrliche Mitar-

gen Masling (Buse Heberer Fromm), dem PR-

beiter verstehen die Welt nicht mehr, wenn sich

Berater Michael Cramer, den Top-Anwälten

Politiker und Prominente wie Sie auf die Seite

Christian Schertz und Simon Bergmann und der

derer stellen, die gegen Gesetze verstoßen ha-

Wirtschaftsdetektei EAAP wurde ein beeindru-

ben und nun mit öffentlichen Diffamierungen

ckendes Netzwerk aktiviert. Hierin zeigt sich,

versuchen, das Unternehmen weiter zu schädi-

wie wichtig einem Finanzinvestor ein betriebs-

gen. […] Wir fordern Sie dazu auf, sich von die-

ratsfreies Unternehmen sein kann. Maredo hat

sen Machenschaften zu distanzieren und Ihre

sich die Entledigung von gewerkschaftlich akti-

Solidaritätsbekundung zurückzunehmen.“

195

ven Betriebsräten einiges kosten lassen.

Schäfer-Gümbel ließ sich davon jedoch nicht

Die gezielte Kündigung einzelner Gewerk-

beeindrucken und blieb bei seiner Solidari-

schafter und die Kriminalisierung einer gan-

tätserklärung.

zen Belegschaft wären eigentlich leicht zu

Der wegen angeblichen Diebstahls fristlos

durchschauen als Vergeltungsmaßnahme ge-

gekündigte Maredo-Betriebsrat Michael Wei-

gen engagierte gewerkschaftliche Tätigkeit.

ßenfeldt erhielt am 24. April 2012 per Boten

Der Frankfurter Arbeitsrichter Martin Becker

Post von Maredo-Regionalleiter Joachim Amend.

war dazu offenbar nicht in der Lage. Dass sei-

Das siebenseitige Schreiben beschäftigt sich

ne Urteile vor einem Landesarbeitsgericht Be-

detailliert mit zwei Interviews, die Weißenfeldt

stand gehabt hätten, bezweifelt nicht nur der

in zwei linken bzw. gewerkschaftsnahen Zei-

NGG-Anwalt Martin Franzmann. Dass aus dem

tungen („express – Zeitung für sozialistische

Betriebsrats-Bashing bei Maredo kein bun-

Betriebspolitik“, Frankfurt/Main, und „Der

desweiter Skandal wurde, zeigt, dass die ge-

Funke“, Wiesbaden) gegeben hatte, und kommt

wählte Gesamtstrategie des Unternehmens in-

zu dem Schluss, Weißenfeldt habe mehrfach

klusive Medienbeeinflussung und Agenda-

195 Brief liegt den Autoren vor.

99


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Cutting196 durchaus erfolgreich war. Die NGG

vorzubeugen. Die zentrale City-Lage mit ho-

muss sich fragen lassen, ob sie nicht bundes-

hem Fußgängerverkehr der meisten deut-

weit – vielleicht auch mit der Unterstützung

schen Maredo-Filialen bot Möglichkeiten, öf-

anderer Gewerkschaften – öffentlich gegen

fentlichen Druck auf die Marke Maredo zu er-

Maredo und den Finanzinvestor ECM hätte

zeugen, die nur in Frankfurt am Main ausge-

vorgehen müssen, auch um zukünftigen Fällen

schöpft wurden.

196 Zitat Ulrich Muller: „Agenda Cutting – Die höchste Kunst in der Krisen-PR – das ‚Abschalten‘ jeder weiteren medialen Berichterstattung zu einem bestimmten Thema. Möglichkeiten dazu gibt es mehrere – besonders beliebt ist der Anruf beim Chefredakteur“; Website der wikopreventkGmbh, 13.5.2011, http:// www.wikopreventk.com/2011/05/13/agenda-cutting-und-antizipieren/, abgerufen am 6.3.2014.

100


SCHLUSSBEMERKUNG

8. Schlussbemerkung: Ein Geschäftsfeld expandiert

Diese Arbeit ist explorativ. Sie hat den An-

Ausland, insbesondere in den Südstaaten der

spruch, für den deutschsprachigen Raum ein

USA. Angloamerikanische Investoren haben

neues Feld zu erschließen. Wir hoffen mit unse-

sich in zahlreiche große und mittlere Unterneh-

rer Studie dazu beizutragen, einen Begriff von

men in Deutschland eingekauft und importie-

Union-Busting in Deutschland zu begründen,

ren so entsprechende Union-Busting-Prakti-

mit dem aggressive Arbeitgeberstrategien ge-

ken.

gen Mitbestimmung und arbeitgeberunabhän-

Doch das Wissen diffundiert auch innerhalb

gige Organisierung besser verstanden werden

Deutschlands über einen intensiven Austausch:

Intensive Vernetzung

können.

Wirtschaftskanzleien, die große Abteilungen

von Arbeitsrechtlern,

Mit der vorliegenden Untersuchung wurde

für Arbeitsrecht unterhalten, veranstalten Kon-

Betriebswirtschaftlern

zudem erstmals das Feld der in Deutschland tä-

gresse, Fortbildungen und Konferenzen. Ar-

und Human-Resour-

tigen Union-Busting-Dienstleister durch fun-

beitsrechtler, PR-Agenturen, Medienkanzlei-

ces-Spezialisten

dierte Recherchen und Fallanalysen aufgear-

en, Institute, Wirtschaftsdetekteien usw. kom-

beitet und ihr Vorgehen dargestellt. Es zeigt

munizieren über Fachpublikationen, Zeitschrif-

sich, dass sich hier ein Geschäftszweig heraus-

ten, Akademien, Fortbildungsmaßnahmen und

bildet. Union-Busting und damit zusammenhän-

Newsletter. Juristische Verlage und Fortbil-

gende juristische Praktiken sind nicht nur Ni-

dungseinrichtungen engagieren für ihre Semi-

schen spezialisierter einzelner Anwälte oder

nare Praktiker aus den betreffenden Ressorts.

Kanzleien, das Know-how dazu verbreitet sich

So lernen auch Personalverantwortliche ihr

vielmehr in zunehmendem Maße durch inter-

Handwerkszeug. Der größte juristische Verlag

nationalen Austausch und berufliche Mobilität,

in Deutschland, C. H. Beck, veranstaltet u. a.

Wahrnehmung von Lehraufträgen oder Bera-

Seminare zum Arbeitsrecht, bei denen die Re-

tungstätigkeiten, Publikationen und Wissens-

ferenten aus dem in dieser Arbeit skizzierten

transfer.

personellen Umkreis kommen,198 ebenso orga-

Die Akteure in Deutschland orientieren sich

nisiert die BWRmed!a Akademie jährlich „Ar-

an Vorbildern aus dem angloamerikanischen

beitgebertage zum Brennpunkt Betriebsrat“.199

Bereich; Marktführer und Konzepte stammen

Anwälte der konkurrierenden Kanzleien, Wis-

vielfach von dort. Sie haben häufig an amerika-

senschaftler diverser Universitäten und Institu-

nischen Hochschulen studiert oder dort zusätz-

te, Mitarbeiter von Stiftungen, Vertreter vor al-

197

lich Titel wie LL.M. erworben.

Deutsche Kon-

lem christlicher Gewerkschaften, dazu Mana-

zerne erwerben Union-Busting-Know-how im

ger von Konzernen und von Verleih- und Werk-

197 LL.M. = Legum Magister, Master of Law; Postgraduiertenabschluss und akademische Zusatzqualifikation für Juristen. 198 www.beck-seminare.de, abgerufen 20.7.2013. 199 www.arbeitgebertage.de/programm.php, abgerufen 20.7.2013.

101


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

vertragsfirmen, aber auch Arbeitsrichter und

Lehrbeauftragter an der Universität Düssel-

Mitarbeiter von Ministerien bilden den Teilneh-

dorf.203

merkreis dieser Veranstaltungen. Bei solchen

All diese Austausch- und Vernetzungsakti-

Konferenzen stellen die Referenten beispiels-

vitäten sind legal und legitim. Bis zu einem ge-

weise neue juristische Konstruktionen zur Um-

wissen Punkt sind sie Teil der Interessenwahr-

gehung der Leiharbeitsregularien durch Werk-

nehmung im Kapital-Arbeit-Konflikt. Dennoch

verträge vor.

weisen die in der vorliegenden Arbeit darge-

Das Wissen über Betriebsratsvermeidungs-

stellten Vorgehensweisen von Anwälten, Wirt-

strategien wird zudem über die universitäre

schaftskanzleien oder Detekteien darauf hin,

Lehre weitergegeben: Zahlreiche Arbeitsrecht-

dass geschützte Arbeitnehmerrechte in ver-

ler, die hauptberuflich in Kanzleien angestellt

schiedenen Bereichen der deutschen Wirt-

sind, haben zugleich Lehraufträge an öffentli-

schaft zur Zielscheibe aggressiver Arbeitgeber

chen wie privaten Universitäten und Fachhoch-

werden und oftmals die Grenze zum Rechts-

schulen. Universitäre Arbeitsrechtler sind Mit-

bruch und Verstoß gegen die gesetzlichen be-

glieder in Beiräten von Ministerien, Zeitschrif-

trieblichen Mitbestimmungsrechte überschrit-

ten und Stiftungen.

ten wird. Die Arbeit möchte über diese Bedro-

Beispiele hierfür gibt es viele: Michael Kliemt, Gründer der Kanzlei Kliemt & Vollstädt, wurde von der Universität des Saarlandes zum 200

Honorarprofessor ernannt.

hung für das deutsche Modell der Mitbestimmung aufklären. Obgleich die Beispiele über zunehmende

Klaus-Stefan Ho-

Vernetzung und Wissenstransfer naturgemäß

henstatt von der Kanzlei Freshfields hat einen

nicht belegen können, dass ein expliziter Zu-

Lehrauftrag an der Bucerius Law School Ham-

sammenhang verschiedener Akteure mit einer

201

burg.

Marion Bernhardt von CMS Hasche Sig-

abgestimmten Agenda und strategischem Vor-

le hat sogar mehrere Lehraufträge, z. B. an der

gehen existiert, so wird doch klar, dass man

202

Vorgehen gegen

Humboldt-Universität Berlin.

Heinrich Klos-

von einer neuen Qualität antigewerkschaftli-

Mitbestimmung und

terkemper von Gleiss Lutz, der Kanzlei mit der

chen und mitbestimmungsfeindlichen Vorge-

Gewerkschaften

laut Eigendarstellung größten Abteilung für

hens ausgehen kann. Die zitierten Fälle zeigen,

erreicht neue Qualität

Arbeitsrecht in Deutschland, ist zugleich Mit-

dass diese Entwicklungen für die Zukunft der

glied verschiedener Ausschüsse der Bundes-

Mitbestimmung und der Gewerkschaftsrechte

vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbän-

in Deutschland weitreichende Konsequenzen

de (BDA), ehrenamtlicher Richter am BAG und

haben können.

200 201 202 203

102

www.kliemt.de/kliemt.html, abgerufen 26.3.2013. www.freshfields.com/profiles/klaus-stefan_hohenstatt, abgerufen 20.7.2013. www.cms-hs.com/marion-bernhardt, abgerufen 20.7.2013. www.gleisslutz.com/de/anwaelte, abgerufen 20.7.2013.


SCHLUSSBEMERKUNG

Die Betrachtung der angewandten Union-

narien vorbereitet werden, damit sie im Ernst-

Busting-Methoden und der zugrunde liegenden

fall nicht überrascht sind und im Vorfeld keine

Strategien macht deutlich, dass eine einseitige

taktischen Fehler machen oder zu Nachlässig-

Fixierung auf den Rechtsweg und die Verhand-

keiten verleitet werden.

lung vor Arbeitsgerichten, wie sie in Konflikt-

Es erscheint uns geboten, den vielschichtig

fällen zur Routine vieler Betriebsräte und Ge-

aufgebauten Angriffen aggressiver Arbeitgeber

Rechtsweg reicht in

werkschaften gehört, heute häufig nicht mehr

und ihrer Dienstleister eine adäquate Strategie

Union-Busting-Konflik-

zielführend sein kann. Vielmehr ist das Union-

entgegenzusetzen. Erfolgreiche Beispiele zei-

ten nicht mehr aus

Busting-Kalkül der Arbeitgeber und ihrer pro-

gen, dass neben dem rechtlichen Weg verschie-

fessionellen Helfer darauf ausgerichtet, Druck

dene Formen von Öffentlichkeit angesprochen

aufzubauen, Zeit zu gewinnen, Konflikte und

und aktiviert werden müssen: betrieblich, lokal

Protagonisten aus dem Betrieb hinauszubeför-

und überregional; nach Diskursen betrachtet:

dern. Die teilweise monatelangen Wartezeiten

gewerkschaftliche, bürgerrechtliche, unterneh-

bis zum Gerichtstermin sind ein Moment im Kal-

mens- und markenkritische.

kül der Union-Buster. Dass viele der dabei von

Die Straf- und Sanktionslosigkeit, mit der

Arbeitgeberseite vorgetragenen juristischen

direkte Vorgesetzte, Personalmanager sowie

Argumente arbeitsgerichtlich von vorneherein

externe Berater derzeit in Deutschland vorge-

keine Aussicht auf Erfolg haben, gehört eben-

hen können, ist geeignet, dem Ansehen eines

falls dazu.

Rechtsstaats und seiner Organe bei Opfern,

Vertrauen in den

Für die betroffenen Beschäftigten geht es in

Kollegen und Angehörigen nachhaltigen Scha-

Viele Verstöße gegen

der Regel um sehr viel. Nicht selten sind sie in

den zuzufügen. Es stellt sich die dringende Fra-

geltende Gesetze

ihrer privaten, wirtschaftlichen, gesundheitli-

ge, warum eindeutige, geplante und regelmä-

weder verfolgt noch

chen und familiären Existenz bedroht. Auch hat

ßige Verstöße gegen das Betriebsverfassungs-

geahndet

die zuständige Gewerkschaft als Organisation

gesetz (und andere Gesetze) derzeit weder ver-

in den genannten Konflikten einiges zu verlie-

folgt noch geahndet werden.

ren. Wenn man bedenkt, dass es sich bei den

Unsere Untersuchungen haben zu guter

betroffenen Betriebsratsmitgliedern zumeist

Letzt auch einen positiven Befund. Die Sensibi-

um (lokale) Multiplikatoren handelt, ist eine

lität für Ungerechtigkeiten am Arbeitsplatz und

kompetente und professionelle Unterstützung

skandalöse Arbeitsbedingungen hat in den

durch die Gewerkschaft hier auch über den Ein-

letzten Jahren spürbar zugenommen. Ein deut-

zelfall hinaus von entscheidender Bedeutung.

liches Indiz war die große Publikumsresonanz,

Gewerkschafter, Betriebsräte und aktive Be-

die investigative Reportagen aus der Arbeits-

schäftigte sollten deshalb vorab auf das heute

welt allein im Jahr 2013 erzielen konnten. Als

praktizierte Vorgehen und auf Worst-Case-Sze-

hervorragende Beispiele unter vielen seien die

103


U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Berichterstattung der ARD über Leiharbeit beim 204

Ohne eine systematische Analyse und Be-

genannt oder Bei-

griffsbildung müssen die beständig auftau-

träge in der „Süddeutschen Zeitung“, die das

chenden Skandale aus der Arbeitswelt als zu-

traurige Los von Werkvertragsarbeitern thema-

fällige Aneinanderreihung von Einzelereignis-

tisierten, die in der Meyer-Werft Papenburg

sen erscheinen und letztlich unverstanden blei-

Online-Versand Amazon

205

beschäftigt waren.

Dadurch gerieten die be-

ben.

treffenden Unternehmen teilweise unter gro-

Wir hoffen daher, dass die hier vorliegende

ßen öffentlichen Druck. Auf einer lokalen und

Schilderung der Methoden, Strategien und

regionalen Ebene haben solche und ähnliche

vielfältig vernetzten Akteure des Union-Bus-

Berichte inzwischen einen festen Platz im The-

ting in Deutschland die Aufmerksamkeit für

menmix von Zeitungen und TV-Magazinen.

206

dieses Phänomen verstärken wird.

204 Diana Löble/Peter Onneken: Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon, ARD, 13.2.2013. Mit diesem Beitrag konnte die Online-Streaming-Plattform der ARD (www.ardmediathek.de) einen neuen Rekordwert an Zugriffen verbuchen. Bereits am 18.2.2013 war er 1,2 Millionen Mal aufgerufen worden: http://www.shortnews.de/id/ 1010579/amazon-enthuellungsreportage-bringt-ard-mediathek-rekordzugriffe, abgerufen 31.8.2013. 205 Kristina Läsker: Arbeitsbedingungen auf Werften: Problematische Werkverträge, Süddeutsche.de, 18.7.2013, abgerufen 31.12.2013. 206 Wir dokumentieren, kombinieren und analysieren entsprechende Veröffentlichungen seit Februar 2013 in der Presseschau auf unserem Blog http://arbeitsunrecht.de.

104


A NHANG

Anhang Abkürzungsverzeichnis

AFL-CIO

American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations

AGV-NBZ Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste ALEB

Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe

ALG II

Arbeitslosengeld II („Hartz IV“)

AMS

Aldi Management System

ANV

Arbeitnehmervertretung

AUB

Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger

BAG

Bundesarbeitsgericht

BDD

Bundesverband Deutscher Detektive

BdS

Bundesverband der Systemgastronomie

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

BHW

Beamtenheimstättenwerk (deutscher Finanzdienstleister)

BSCI

Business Social Compliance Initiative

CGB

Christlicher Gewerkschaftsbund

CGM

Christliche Gewerkschaft Metall

CGPT

Christliche Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation

CGZP

Christliche Gewerkschaft für Zeitarbeit und Personalservice-Agenturen

CIETT

(Confédération Internationale des Entreprises du Travail Temporaire) Internationale Vereinigung von Zeitarbeitsverbänden

Dehoga

Unternehmensverband des Gastgewerbes

DGB

Deutscher Gewerkschaftsbund

DHV

DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V.

DIW

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

DRK

Deutsches Rotes Kreuz

ECM

Equity Capital Management GmbH

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FKS

Finanzkontrolle Schwarzarbeit

GNBZ

Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste

GÖD

Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen

HBV

Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (heute ver.di)

IAB

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

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U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

106

IG BAU

Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt

IG BCE

Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

INSM

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

ITF

Internationale Transportarbeiter-Föderation

IZA

Institut zur Zukunft der Arbeit

LL.M

Legum Magister

NAFTA

North American Free Trade Agreement

NGG

Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

NLRA

National Labor Relations Act

NLRB

National Labor Relations Board

ÖTV

Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr

StAR

Stiftung für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht

TNT

Thomas Nationwide Transport

UAW

United Automobile Workers (US-amerikanische Automobilarbeitergewerkschaft)

UPS

United Parcel Service

VDR

Verband Deutscher Reeder

ver.di

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

vhw

Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung (früher Deutsche Volksheimstättenwerk e. V.)

VKDL

Verein katholischer deutscher Lehrerinnen

ZAAR

Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht


A NHANG

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Hinweise zu den Autoren

Werner Rügemer, Dr. phil., lebt in Köln. Publizist, Berater, Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln. Mitglied bei ver.di, im PEN-Zentrum Deutschland, bei Business Crime Control (BCC) und im wissenschaftlichen Beirat von attac. Buchveröffentlichungen u. a.: arm und reich (2003); Privatisierung in Deutschland – eine Bilanz (2008); „Heuschrecken“ im öffentlichen Raum. Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments (2011); Ratingagenturen – Einblicke in die Kapitalmacht der Gegenwart (2012). Als Herausgeber: ArbeitsUnrecht. Anklagen und Alternativen (2009). www.werner-ruegemer.de Elmar Wigand, BA Film, lebt in Köln und arbeitet als Autor, Referent und Online-Konzeptioner. Er hat den Kongress ArbeitsUnrecht in Deutschland (14. März 2009) mit Werner Rügemer organisiert und war für Aufbau und Launch des lobbykritischen Online-Lexikons lobbypedia verantwortlich, das 2012 den Grimme Online Award gewann. Verantwortlich für den Blog www. arbeitsunrecht.de Werner Rügemer und Elmar Wigand sind Gründungsmitglieder des Vereins aktion ./. arbeitsunrecht e. V. – Initiative für Demokratie in Wirtschaft & Betrieb.

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Ausschreibung U NION -B USTING IN D EUTSCHLAND

Otto Brenner Preis 2014

„Nicht Ruhe und Unterwürfigkeit gegenüber der Obrigkeit ist die erste Bürgerpflicht, sondern Kritik und ständige demokratische Wachsamkeit.“ (Otto Brenner 1968) Es werden Beiträge prämiert, die für einen kritischen Journalismus vorbildlich und beispielhaft sind und die für demokratische und gesellschaftspolitische Verantwortung im Sinne von Otto Brenner stehen. Vorausgesetzt werden gründliche Recherche und eingehende Analyse.

Der Otto Brenner Preis ist mit einem Preisgeld von 47.000 Euro dotiert, das sich wie folgt aufteilt: 1. Preis 10.000 Euro 2. Preis 5.000 Euro 3. Preis 3.000 Euro Zusätzlich vergibt die Otto Brenner Stiftung: für die beste Analyse (Leitartikel, Kommentar, Essay) den Otto Brenner Preis „Spezial“ 10.000 Euro für Nachwuchsjournalisten den „Newcomerpreis“ 2.000 Euro für Medienprojekte den „Medienprojektpreis“ 2.000 Euro und drei Recherche-Stipendien von je 5.000 Euro Bewerbungszeitraum: 1. April – 15. Juli Die Bewerbungsbögen mit allen erforderlichen Informationen erhalten Sie unter: www.otto-brenner-preis.de

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Otto Brenner Stiftung Wilhelm-Leuschner-Str. 79 60329 Frankfurt am Main E-Mail: info@otto-brenner-preis.de Tel.: 069 / 6693 - 2576 Fax: 069 / 6693 - 2786


OBS-Arbeitsheft 77

Die Otto Brenner Stiftung …

ISSN 1863-6934 (Print)

... ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Als Forum für gesellschaftliche Diskurse und Einrichtung der Forschungsförderung ist sie dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Ausgleich zwischen Ost und West.

Herausgeber: Otto Brenner Stiftung Jupp Legrand Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main Tel.: 069-6693-2810

... initiiert den gesellschaftlichen Dialog durch Veranstaltungen, Workshops und Kooperationsveranstaltungen (z. B. im Herbst die OBS-Jahrestagungen), organisiert internationale Konferenzen (Mittel-Ost-Europa-Tagungen im Frühjahr), lobt jährlich den „Brenner-Preis für kritischen Journalismus“ aus, fördert wissenschaftliche Untersuchungen zu sozialen, arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Themen, vergibt Kurzstudien und legt aktuelle Analysen vor.

Fax: 069-6693-2786 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de www.otto-brenner-stiftung.de Autoren: Dr. Werner Rügemer Subbelrather Straße 144 50823 Köln Tel.: 0221-551626 E-Mail: wer_ruegemer@web.de

… macht die Ergebnisse der geförderten Projekte öffentlich

www.werner-ruegemer.de

zugänglich und veröffentlicht z. B. die Ergebnisse ihrer Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“. Die Arbeitshefte werden, wie auch alle anderen Publikationen der OBS, kostenlos abgegeben. Über die Homepage der Stiftung können sie auch elektronisch bestellt werden. Vergriffene Hefte halten wir als PDF zum Download bereit. … freut sich über jede ideelle Unterstützung ihrer Arbeit. Aber wir sind auch sehr dankbar, wenn die Arbeit der OBS materiell gefördert wird. … ist zuletzt durch Bescheid des Finanzamtes Frankfurt am Main V (-Höchst) vom 6. Dezember 2011 als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig anerkannt worden. Aufgrund der Gemeinnützigkeit der Otto Brenner Stiftung sind Spenden steuerlich absetzbar bzw. begünstigt.

50823 Köln Tel.: 0221-9322290 E-Mail: koeln01@arbeitsunrecht.de http://aktion.arbeitsunrecht.de/ Redaktion:

Hinweis zu den Nutzungsbedingungen:

Dr. Burkard Ruppert und Julian Wenz

Dieses Arbeitsheft darf nur für nichtkommerzielle

Otto Brenner Stiftung

Zwecke im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und Beratung und ausschließlich in der von der Otto

Lektorat:

Brenner Stiftung veröffentlichten Fassung – vollstän-

Elke Habicht, M.A.

dig und unverändert – von Dritten weitergegeben so-

www.textfeile.de

wie öffentlich zugänglich gemacht werden.

Hofheim am Taunus

In den Arbeitsheften werden die Ergebnisse der Forschungsförderung der Otto Brenner Stiftung doku-

Satz und Gestaltung:

mentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

complot-mainz.de

Für die Inhalte sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.

Titelkarikatur: © Gerhard Mester, Wiesbaden

Bestellungen: Über die Internetseite der Otto Brenner Stiftung kön-

Druck:

nen weitere Exemplare dieses OBS-Arbeitsheftes kos-

mww.druck und so ... GmbH, Mainz-Kastel

tenlos bezogen werden – solange der Vorrat reicht. Dort besteht auch die Möglichkeit, das vorliegende

Redaktionsschluss:

und weitere OBS-Arbeitshefte als pdf-Datei kosten-

17. April 2014

los herunterzuladen.

OBS-Arbeitsheft 77 Werner Rügemer, Elmar Wigand

Union-Busting in Deutschland Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung

OBS-Arbeitsheft 76 Marvin Opp0ng

Verdeckte PR in Wikipedia Das Weltwissen im Visier von Unternehmen

OBS-Arbeitsheft 75 Olaf Hoffjann, Jeannette Gusko

Der Partizipationsmythos Wie Verbände Facebook, Twitter & Co. nutzen

OBS-Arbeitsheft 74 Alexander Hensel, Stephan Klecha

Die Piratenpartei Havarie eines politischen Projekts?

OBS-Arbeitsheft 73 Fritz Wolf

Im öffentlichen Auftrag Selbstverständnis der Rundfunkgremien, politische Praxis und Reformvorschläge

Elmar Wigand Glasstraße 7

Aktuelle Ergebnisse der Forschungsförderung in der Reihe „OBS-Arbeitshefte“

Unterstützen Sie unsere Arbeit, z. B. durch eine zweckgebundene Spende

OBS-Arbeitsheft 72*

Spenden erfolgen nicht in den Vermögensstock der Stiftung, sie werden ausschließlich und zeitnah für die Durchführung der Projekte entsprechend dem Verwendungszweck genutzt.

Was Bohlen, Klum und Katzenberger so erfolgreich macht

Bitte nutzen Sie folgende Spendenkonten: Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zum Schwerpunkt:

Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz

• Förderung der internationalen Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens Konto: BLZ: Bank: IBAN: BIC:

905 460 03 500 500 00 oder HELABA Frankfurt/Main DE11 5005 0000 0090 5460 03 HELA DE FF

161 010 000 0 500 101 11 SEB Bank Frankfurt/Main DE81 5001 0111 1610 1000 00 ESSE DE 5F

Bernd Gäbler

Hohle Idole OBS-Arbeitsheft 71* „Bild“ und Wulff – Ziemlich beste Partner Fallstudie über eine einseitig aufgelöste Geschäftsbeziehung

OBS-Arbeitsheft 70* Andreas Kolbe, Herbert Hönigsberger, Sven Osterberg

Marktordnung für Lobbyisten Wie Politik den Lobbyeinfluss regulieren kann

OBS-Arbeitsheft 69* Sandra Siebenhüter

Für Spenden mit zweckgebundenem Verwendungszweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung zu den Schwerpunkten: • Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland (einschließlich des Umweltschutzes) • Entwicklung demokratischer Arbeitsbeziehungen in Mittel- und Osteuropa • Verfolgung des Zieles der sozialen Gerechtigkeit Konto: 905 460 11 BLZ: 500 500 00 oder Bank: HELABA Frankfurt/Main IBAN: DE86 5005 0000 0090 5460 11 BIC: HELA DE FF

198 736 390 0 100 101 11 SEB Bank Berlin DE11 1001 0111 1987 3639 00 ESSE DE 5F 100

Geben Sie bitte Ihre vollständige Adresse auf dem Überweisungsträger an, damit wir Ihnen nach Eingang der Spende eine Spendenbescheinigung zusenden können. Oder bitten Sie in einem kurzen Schreiben an die Stiftung unter Angabe der Zahlungsmodalitäten um eine Spendenbescheinigung. Verwaltungsrat und Geschäftsführung der Otto Brenner Stiftung danken für die finanzielle Unterstützung und versichern, dass die Spenden ausschließlich für den gewünschten Verwendungszweck genutzt werden.

Integrationshemmnis Leiharbeit Auswirkungen von Leiharbeit auf Menschen mit Migrationshintergrund

OBS-Arbeitsheft 68* Bernd Gäbler

„... und unseren täglichen Talk gib uns heute!“ Inszenierungsstrategien, redaktionelle Dramaturgien und Rolle der TV-Polit-Talkshows

OBS-Arbeitsheft 67* Hans-Jürgen Arlt, Wolfgang Storz

Drucksache „Bild“ – Eine Marke und ihre Mägde Die „Bild“-Darstellung der Griechenland- und Eurokrise 2010 * Printfassung leider vergriffen; Download weiterhin möglich. Diese und weitere Publikationen der OBS finden Sie unter www.otto-brenner-stiftung.de Otto Brenner Stiftung | Wilhelm-Leuschner-Straße 79 | D-60329 Frankfurt/Main


Otto Brenner Stiftung

OBS-Arbeitsheft 77

OBS-Arbeitsheft 77

Union-Busting in Deutschland

Werner Rügemer, Elmar Wigand

Union-Busting in Deutschland Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung

www.otto-brenner-stiftung.de

Eine Studie der Otto Brenner Stiftung Frankfurt/Main 2014


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