Sehen und Handeln
2016
Gottesdienste
Verantwortung tragen – Gerechtigkeit stärken
Inhaltsverzeichnis
Sehen und Handeln Fastenopfer und Brot für alle führen seit 1969 jährlich eine ökumenische Kampagne in der vorösterlichen Fastenzeit durch. Seit 1994 beteiligt sich auch Partner sein, das Hilfswerk der christkatholischen Landeskirche. Die Kampagne hat zum Ziel, die breite Öffentlichkeit für die Ungerechtigkeit zu sensibilisieren, dass weltweit rund eine Milliarde Menschen an Hunger leidet. Diese Realität zur Kenntnis zu nehmen genügt jedoch nicht. Deshalb zeigen die drei Werke Handlungsmöglichkeiten auf: das eigene Konsumverhalten zu verändern, ein Südprojekt mit einer Spende zu unterstützen oder sich an einer Aktion zu beteiligen. So wird die Passions- beziehungsweise Fastenzeit zum Inbegriff der gelebten Solidarität. www.sehen-und-handeln.ch werden Sie unser Fan: facebook.com / sehenundhandeln
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Editorial
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Ökumenischer Familiengottesdienst
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Von Gold und Glanz
Ökumenischer Gottesdienst
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Von rechter und falscher Sorge
Versöhnungsfeier
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Gott oder Gold?
Jugendgottesdienst 13 For all or for nobody
Bildbetrachtung Hungertuch
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Hüter meines Bruders?
Bildbetrachtung zum Kampagnenplakat
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Glieder einer Kette
Bildbetrachtung zum Plakat der Konzernverantwortungsinitiative Nach unten, bitte!
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Predigtanregungen zu den Fastensonntagen 1. Fastensonntag 17 Das Erstbeste 2. Fastensonntag 18 Prüfet alles, das Gute behaltet 3. Fastensonntag 19 Echtheit üben 4. Fastensonntag Verantwortung in alle Himmelsrichtungen 5. Fastensonntag Gesetze, die dem Leben dienen
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Gebete 22 Weiteres zur Kampagne
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Impressum Werkheft Gottesdienste 2016 Redaktion Rita Gemperle, Jan Tschannen Mitarbeit Sigfried Arends, Andrea-Maria Inauen Weber, Elisabeth Kienast-Bayer, Lenz Kirchhofer, Ingrid Krucker, Verena Sollberger, Josef Wirth, Michel Durussel, Martina Schmidt, Nassouh Toutoungi Lektorat Franziska Landolt, www.1-2-fehlerfrei.ch Gestaltung ComMix AG, Wabern Druck Binkert Buag AG, Laufenburg Auflage 17‘000 Exemplare Papier Cyclus Offset, 100% Recyclingpapier © Brot für alle, Bern/Fastenopfer, Luzern, Herbst 2014
Editorial
Liebe Predigerinnen, liebe Prediger Wir wollen nicht Wasser predigen und Wein trinken. Dieses Sprichwort entstammt einem Versepos von Heinrich Heine. Der Dichter beschreibt darin ein singendes Mädchen. Allerdings missfällt ihm seine Weise, denn es vertröstet die Leidenden aufs Jenseits: «Sie sang vom irdischen Jammertal, … vom Jenseits, wo die Seele schwelgt, verklärt in ew’gen Wonnen.» Weiter wird auch die Absicht dahinter aufgedeckt, das Volk so ruhig zu halten: «Sie sang das alte Entsagungslied, das Eiapopeia vom Himmel, womit man einlullt, wenn es greint, das Volk, den grossen Lümmel.» Und schliesslich werden die Herrschenden als Verfasser der Weise entlarvt, ihnen dient diese Melodie: «Ich kenn auch die Herren Verfasser; ich weiss, sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser.» Aus dem weiteren Textverlauf wird deutlich, dass sich die Obrigkeitskritik nicht nur auf die staatlichen Instanzen, sondern ganz klar auch auf die Kirche bezieht. Der Dichter aber belässt es nicht bei der Kritik, er schreibt selber weiter, vom Himmelreich auf Erden. Und das liegt dort, wo die Fülle der Gaben für alle reicht: «Es wächst hienieden Brot genug, für alle Menschenkinder, auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, und Zuckererbsen nicht minder.» Mit der Ökumenischen Kampagne nehmen die Kirchen ihre Verantwortung in der Gesellschaft wahr und engagieren sich, dezidiert politisch. Unter dem Motto «Verantwortung tragen – Gerechtigkeit stärken» nehmen die kirchlichen Werke dieses Jahr den Umgang unserer Firmen mit Menschen- und Umweltrechten im globalen Süden unter die Lupe: Gerne fordern wir die Einhaltung der Menschenrechte in all diesen «Unrechtsstaaten» ein, dabei hat das Elend dort auch ganz direkt mit der Schweiz zu tun. Vielleicht sogar mehr, als es uns lieb ist. Die Schweiz ist einer der grössten Rohstoffhandelsplätze überhaupt. Der Umsatz der Goldbranche in der Schweiz ist grösser als derjenige der Pharma-, Banken- und Tourismussektoren zusammen. Nur glänzt unsere Goldindustrie in den Südländern leider mit allem anderen als dem Einhalten der Menschenrechte.
(v.l.n.r) Verena Sollberger, Matthias Jäggi, Josef Wirth, Rita Gemperle, Ingrid Krucker, Andrea-Maria Inauen, Jan Tschannen, Siegfried Arends. Auf dem Bild fehlt: Elisabeth Kienast-Bayer
Die Konzernverantwortungsinitiative verpflichtet deshalb in der Schweiz ansässige Grosskonzerne auf das Einhalten der Menschenrechte. Genauso wie ein Unternehmen eine saubere Buchführung nachweisen muss, soll eine Sorgfaltsprüfung eingeführt werden, damit Konzerne die aus ihrem Wirtschaften entstehende Verantwortung wahrnehmen. Das Engagement gegen Unrecht und Ausbeutung hat Christus ans Kreuz gebracht. Während wir im Abendmahl daran denken, trinken wir Wein. Dabei drücken wir zwei Dinge aus: Einerseits den Glauben, dass das Geschehen am Kreuz nicht umsonst war. Andererseits das Wissen, dass der Wein für alle da ist – es also an uns ist, ihn mit unseren Schwestern und Brüdern zu teilen. amit wahr werde, woran wir glauben, weil der volle Kelch für alle reicht. Danke für Ihr Engagement!
Jan Tschannen Brot für alle
Rita Gemperle Fastenopfer
P.S. Einen längeren Auszug aus dem Versepos «Deutschland. Ein Wintermärchen» finden Sie auf Seite 23.
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Ökumenischer Familiengottesdienst
Von Gold und Glanz Ist alles Gold, was glänzt? Die Lebensbedingungen des vom Goldabbau betroffenen Jungen Oumarou jedenfalls sind weder glänzend noch goldig. Anders die Zehn Gebote in der goldenen Bundeslade. Sie helfen uns, selber zu Goldmenschen zu werden. Birke Horváth-Müller, Matthias Wenk, Josef Wirth Ökumenische Gemeinde Halden, St. Gallen
Benötigte Materialien – Goldbarren in verschiedenen Grössen: mit Folie oder Spray vergoldete Tonbrocken – Fünfrappenstücke in genügender Menge – Bauchladen oder Marktstand – Goldpapier und Bibel (wird golden eingepackt) – Goldsirup (Mangosirup oder weisser Traubensaft) und kleine Becher
Vor Beginn des Gottesdienstes An der Kirchentüre verteilt ein «Bankangestellter» Fünfrappenstücke (vor allem an Kinder). Kinder und Erwachsene können damit die mit dem Bauchladen oder am Marktstand angebotenen Goldbarren kaufen. Ein grosser Goldbarren steht bereits auf dem Altar.
Liturgischer Gruss und Begrüssung Lied rise up Nr. 234 Du bist da, wo Menschen leben
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Gebet Guter Gott, dir sind wir Gold wert. Du tust alles für uns, was du kannst. Darauf möchten wir dir eine Antwort geben: Wir möchten selber zu Goldmenschen werden, zu Menschen, die sich für deine Frohbotschaft engagieren und sich für das Gute in der Welt einsetzen.Gib uns dazu deine Kraft und begleite uns heute und alle Tage.
Hinführung zum Thema Ihr konntet vor dem Gottesdienst Goldbarren erwerben. Was meint ihr: Habt ihr ein gutes Geschäft gemacht? Haben diese Goldbarren einen grossen Wert? Ist der Barren wirklich aus Gold? Hat schon jemand am Gold an der Oberfläche gekratzt? Die Kinder rubbeln die Goldbarren ab und entdecken, dass unter dem Gold Ton zum Vorschein kommt. Wir haben Gold gekauft, aber was wir in unseren Händen haben, ist simpler Ton. Ein schöner «Bschiss»! Da glaubten wir, wir hätten ein gutes Geschäft gemacht und unser Geld gut eingesetzt. Und nun müssen wir feststellen: Wir haben uns blenden lassen durch den Glanz des Goldes. Was wir von der Redewendung her kennen, trifft hier offenbar zu: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Was von aussen betrachtet kostbar aussieht, kann unter der Oberfläche etwas ganz anderes sein. Dieser kleine «Bschiss»
ist aber nichts im Vergleich zu einem viel grösseren «Bschiss». In den Einkaufszentren werden uns tolle Produkte angeboten: Turnschuhe, Fussbälle, Handys, Jeans, T-Shirts und vieles mehr. Aber leider gilt auch hier: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Jene, die diese Produkte herstellen, werden oft schlecht bezahlt, erhalten keinen fairen Lohn und müssen für wenig Geld zwölf Stunden am Tag und sieben Tage pro Woche arbeiten. Unrecht geschieht aber auch beim Abbau von echtem Gold. Wo Gold in industriellen Minen abgebaut wird, werden in vielen Fällen Menschen von ihrem Land vertrieben. Davon erzählt der 9-jährige Oumarou Maïga aus Burkina Faso.
Oumarous Geschichte «Eines Tages kamen zwei Männer in unser Dorf und sagten, das Wasser des Brunnens sei vergiftet. Seither fahre ich jeden Tag nach der Schule mit meinem Eselskarren zum Brunnen in unser Nachbardorf. Wegen der langen Warteschlange komme ich erst drei Stunden später wieder nach Hause. Früher hatten wir keine solchen Probleme: In Bissa holten wir das Wasser aus dem Dorfbrunnen. Weil dort aber eine Goldmine eröffnet wurde, sind wir aus unserem Dorf vertrieben worden. Heute wohne ich in einem neuen Dorf, in Neu-Bissa. Hier bin ich nicht glücklich. Nach der Umsiedlung habe ich immer wieder geweint. Im alten Dorf ging es uns viel besser. Wegen der Mine haben wir viel Land verloren. Auf dem verbliebenen Land wachsen Hirse, Mais und Sesam. Aber die Ernte reicht nicht aus. Während zwei Monaten können wir nur zweimal pro Tag essen.»
© Fastenopfer
Ökumenischer Familiengottesdienst
Oumarou in Neu Bissa: Im allten Dorf ging es uns besser.
Diese traurige Geschichte führt uns vor Augen, wie Menschen unter dem Goldabbau leiden, weil sie durch die Minen grosser Konzerne von ihrem Land vertrieben werden. Was in den Goldminen abgebaut wird, ist zwar echtes Gold, aber die Lebensbedingungen für die betroffenen Menschen sind weder glänzend noch goldig. Deshalb gilt auch hier: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Besinnung Vielleicht lassen auch wir uns blenden und kaufen gewisse Produkte, ohne zu ahnen, wie viel Unrecht bei der Herstellung dieser Produkte geschieht. Wir werden mitschuldig, ohne dass wir es wollen. Bevor wir überlegen, was wir gegen die Ungerechtigkeit tun können, bringen wir unsere Klagen vor Gott, indem wir singen:
Lied rise up Nr. 021 Meine engen Grenzen
Hinführung zur biblischen Geschichte Wir haben gesehen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Etwas Goldiges kann nur oberflächlich vergoldet sein. Oder es ist zwar echtes Gold, aber Menschen leiden unter den Auswirkungen des Goldabbaus. Ganz anders in der folgenden Geschichte. Sie erzählt von einer goldenen Truhe und ihrem kostbaren Inhalt. Die Geschichte berichtet von Mose und den Zehn Geboten. Sie ist im Ersten Testament, im zweiten Buch Mose, aufgeschrieben. Was glänzt in dieser Geschichte? Und was wird aus Gold gemacht?
Lesung Mose bringt die Steintafeln mit den Geboten vom Berg Sinai herunter. Sein Gesicht leuchtet und glänzt; denn er ist Gott begegnet. Gott hat die Zehn Gebote nochmals aufgeschrieben. Mose übergibt die Steintafeln mit den Geboten den Israeliten. Sie freuen sich darüber.
Deshalb bauen sie für die beiden Tafeln eine prächtige Truhe. Sie wird von tüchtigen Künstlern aus Akazienholz geschnitzt und aussen und innen mit Gold verziert. Auf dem Deckel thronen zwei goldene Cherube, das sind engelartige Wesen. Die Truhe mit den Gesetzestafeln wird in das heilige Zelt gestellt und wird nun Bundeslade genannt. Sie erinnert das Volk Israel an den Bund, den Gott mit ihm geschlossen hat. (nach Ex 34,29–35 und Ex 37,1–9)
Kurzpredigt Wo und wie sind uns Glanz und Gold in dieser Geschichte begegnet? Das Gesicht von Mose glänzt, weil er Gott begegnet ist. Er ist vom Glanz Gottes erfüllt. Dieses Strahlen von Mose steckt auch die Menschen an und erfüllt sie mit Freude. Sie erfreuen sich an den Tafeln mit den Zehn Geboten. Sie beschreiben den Weg zum Glück und für ein gutes Zusammenleben. Die Gebote sind für sie wie ein kostbarer Schatz. Deshalb 5
Ökumenischer Familiengottesdienst
© Fastenopfer
Lass die Kirchen an der Seite derer stehen, die Unrecht erleiden, und lass sie die Stimme erheben, wo Unrecht geschieht. Mach die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik bereit, Ausbeutung und Ungerechtigkeit zu vermeiden, und lass so immer mehr Menschen teilhaben am gemeinsamen Reichtum der Erde.
Kleinschürfer in Burkina Faso - sie verdienen damit ein wichtiges Zubrot.
erhalten die Gesetzestafeln eine goldene Truhe. Hier ist nicht nur das Äussere aus kostbarem Gold, sondern auch der Inhalt ist besonders wertvoll. Die Zehn Gebote finden wir auch hier drinnen (Bibel zeigen). Zum Zeichen, dass diese Gebote auch für uns wertvoll sind, fassen wir diese Bibel mit Gold ein und stellen sie neben den Goldbarren, der nur äusserlich glänzt. Diese Geschichte mit der Bundeslade und den Zehn Geboten will uns Mut machen, uns für ein gutes Zusammenleben der Menschen einzusetzen. So können wir dazu beitragen, dass Gegenstände, aber auch Beziehungen nicht nur oberflächlich glänzen, sondern auch echt und gerecht sind. Und dann können wir sagen: Was da glänzt, ist echt. Wir können unseren Beitrag leisten, indem wir uns für die Menschen engagieren, die ungerecht behandelt und ausgebeutet werden, und beim Kauf von Sachen wie Kleidern, Handy, Sportsachen, Essen oder auch Goldschmuck überprüfen und nachfragen, ob diese unter gerechten Bedingungen produziert wurden. Oder indem wir bereit sind, mehr für diese Produkte zu bezahlen, damit diejenigen, die sie produzieren, einen gerechten Lohn erhalten.
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Auch durch das Unterschreiben der Konzernverantwortungsinitiative können wir ein Zeichen setzen. Diese Initiative verlangt von weltweit tätigen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, dass sie die Menschenrechte einhalten. Wenn wir uns so einsetzen, glänzen wir selber immer mehr vor Gott. Ja, wir können sagen, wir werden zu Goldmenschen, die in sich den Geist Gottes tragen und wie Mose durch den Glanz Gottes auf dem Gesicht strahlen. Dann können wir auch von uns immer mehr sagen: Es ist wirklich Gold, was in mir glänzt.
Musik Fürbitten Guter Gott! Wir dürfen und sollen Goldmenschen sein und uns für das Wohl möglichst vieler Menschen einsetzen. Darum kommen wir mit unseren Bitten zu dir: Schenke uns Christinnen und Christen offene Augen und Ohren, damit wir erkennen, wo nicht alles Gold ist, was glänzt. Schenke uns Kraft und Mut, uns für mehr Gerechtigkeit einzusetzen.
Lass Arme und Ausgebeutete deine Nähe erfahren und führe sie in eine glücklichere, in eine goldene Zukunft. Mach uns selber zu Goldmenschen und lass uns unseren Teil beitragen für eine gerechtere und bessere Welt. Gott, nimm du all unsere Bitten an: Lass uns glänzen damit unsere Welt verwandeln – heute und alle Tage.
Lied rise up Nr. 047 Gott gab uns Atem
Segen Mit dem Lebensatem Gottes sei gesegnet diese Erde und alles Leben und Tun auf ihr. Mit dem Lebensatem Gottes seien gesegnet alle Länder und Nationen und alles Leben und Handeln in ihnen. Mit dem Lebensatem Gottes sei gesegnet die Gemeinschaft der Glaubenden und alles Leben und Wirken durch sie. So segne uns Gott, der Vater und der Sohn und die Heilige Geistkraft.
Die Geschichte von Oumarou Maïga ist auch in der Januar-Nummer des jumi nachzulesen. Bilder sind als PowerPoint-Präsentation auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/ gottesdienste verfügbar.
Ökumenischer Gottesdienst
Von rechter und falscher Sorge Übermässiger Konsum entsteht aus der Angst des Individuums zu kurz zu kommen. Die Begierde Einzelner stellt die Bedürfnisse Vieler infrage. Der Gottesdienst motiviert zur gemeinsamen Sorge um das Wohl aller. Nassouh Toutoungi, christkatholischer Pfarrer, Biel Jan Tschannen, Brot für alle
Durch Jesus, den Christus, unseren Bruder.
Lied Eingangswort «Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?» (Mt 6,26)
Ps 139, 1-16 Der Psalm erinnert uns an eine Grundhaltung des christlichen Lebens: das Vertrauen in Gott, dass er gegenwärtig ist und sich um unsere Bedürfnisse kümmert.
Gebet zur Umkehr Barmherziger Gott, du weisst besser als wir selbst, was wir brauchen. Dein Sohn hat uns gesagt, dass wir mehr wert sind als die Vögel des Himmels. Wir bitten dich: Hilf uns, unseren Blick zu ändern und zu sehen, was wirklich nottut. Hilf uns, über unsere Ängste und Zweifel hinauszugehen, um offen zu sein für die Bedürfnisse der Menschen in der Nähe und in der Ferne. Denn wir leben alle zusammen auf dieser Erde, mit begrenzten Ressourcen. Lass uns Wege finden, die vorhandenen Ressourcen gerecht aufzuteilen, und die Gerechtigkeit zu leben, die von dir kommt.
KG 67/RG 212/CG 750 O Herr, nimm unsere Schuld
Lesung Mt 6,25–34
Predigt «Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.» (Mt 6,33) Bedürfnisse genau anschauen Was brauche ich in meinem Leben? Was liegt meinen Bedürfnissen zugrunde? Unsere Bedürfnisse erinnern uns an unsere Abhängigkeit von den Früchten der Schöpfung. Anders können wir uns nicht ernähren. Genauso aber brauchen wir auch unsere Mitmenschen, denn wir sind Wesen, die dazu bestimmt sind, mit anderen zusammenzuleben. Unsere eigenen Bedürfnisse zu stillen, ist das Wichtigste zum Leben, zum Überleben. Aber weil die anderen auch Teil meiner Bedürfnisse sind, muss ich ein Gleichgewicht finden zwischen meinen eigenen Bedürfnissen und jenen der anderen. Ihre Bedürfnisse sollen durch meine Ansprüche nicht unterdrückt werden.
Es wird zum Problem, wenn meine eigenen Bedürfnisse einen unangemessenen Platz einnehmen und ich nur noch diese sehe. So entsteht der Kummer, die falsche Sorge, von der das heutige Evangelium spricht. Angst, zu kurz zu kommen Im Grunde ist es die Angst, zu kurz zu kommen, nicht genug zu haben, die mich umtreibt. Das heutige Wirtschafssystem, besonders multinationale Konzerne, nutzen diese Angst. Und wir lassen uns von dieser Angst erhaschen. Die Wirtschaft nutzt diese Angst, um uns zum Konsum zu drängen. Sie vermittelt mir die Illusion, dass ich nicht glücklich sein kann, wenn ich nicht dies oder das besitze. Sie lässt mich glauben, dass ich so etwas verpasse, dass mir etwas fehlt. Dadurch wird eine gesellschaftliche Schranke zwischen Arm und Reich geschaffen: zwischen denjenigen Menschen, welche die Mittel haben, um ihrer Begierde nachzugeben, und denjenigen, welche diese Möglichkeit nicht haben. In diesem System vermischen sich Begierde und Bedürfnisse. Ich vergesse, dass es nicht nur «meine» Bedürfnisse als Individuum gibt, sondern auch «unsere» Bedürfnisse als gesamte Menschheit. Echte Bedürfnisse erkennen Aus dieser Perspektive wird meine Sicht auf meine Bedürfnisse auf
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Ökumenischer Gottesdienst
den Kopf gestellt, denn: Mein Bedürfnis, zu essen und zu trinken, ist Teil der Sorge, dass alle zu essen und zu trinken haben. Mein Bedürfnis nach einer Unterkunft ist Teil der Sorge, dass alle ein Dach über dem Kopf haben. Man kann das Bedürfnis des Individuums nicht von denjenigen der Summe der Individuen, der Gesellschaft, trennen. Multinationale Konzerne sind in derselben fatalen Logik gefangen wie die Individuen: Anstatt einfach auf die Bedürfnisse der Konsument innen und Konsumenten zu antworten, laufen sie Gefahr, nur noch eine Sorge zu haben: ihr Bedürfnis, zu wachsen zu befriedigen. Wachstum um jeden Preis, auf Kosten ihrer Umwelt, einer zerstörten Natur und der Ausbeutung von Menschen. Einige unter ihnen verletzen die Menschenrechte, um ihren Durst nach Profit zu stillen: zum Beispiel wenn die ansässige Bevölkerung von ihrem Land umgesiedelt wird, um Bodenschätze abzubauen, ohne dass eine ordentliche Kompensation ausbezahlt wird, wie es die internationalen Übereinkommen bereits verlangen. Denn diese Regeln können einfach umgangen werden. Die Rechte der lokalen Bevölkerung werden nicht respektiert und auch Schweizer Firmen werden Vergehen an der Umwelt begangen. Unsere Bedürfnisse, nein vielmehr unsere Begierden in der Schweiz unterdrücken die Bedürfnisse der Menschen im Süden. Die Begierden weniger stellen die Bedürfnisse vieler infrage. Sich den anderen öffnen Sich gegenüber den anderen zu öffnen heisst nicht, sich selbst zu verlieren oder seine eigenen Bedürfnisse zu verneinen. Im Gegenteil, wenn ich offen bin für die Nöte und Sorgen
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anderer, werde ich gesellschaftsfähig. Das verschafft mir die Möglichkeit, mein Bedürfnis nach Anerkennung und Teilhabe zu stillen, ich höre die Sorgen anderer, aber auch meine Sorgen werden gehört. So kann aus der gemeinsamen Sorge eine gemeinschaftliche werden, eine Sorge, die nicht dem Einzelnen, sondern eben der Summe aller Individuen, der Gemeinschaft dient. Die Konzernverantwortungsinitiative richtet sich an uns Bürgerinnen und Bürger. Es liegt an uns, mit Gott zusammenzuarbeiten, um sein Reich zu errichten, indem wir Gerechtigkeit fordern. Wir können unsere Verantwortung auch wahrnehmen, wenn wir bevorzugt Produkte aus fairem Handel einkaufen, wie etwa das von Max Havelaar zertifizierte Gold. Das sind kleine Schritte zu mehr Gerechtigkeit. Indem wir uns den Bedürfnissen der anderen öffnen, erfüllen wir Gottes Willen und vertrauen ihm unsere Bedürfnisse jedes neuen Tages an: «Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.» (Mt 6,33).
Lied KG 592/RG 833/CG 899 Komm in unsere stolze Welt
Fürbitte Gott des Himmels und der Erde, wir Menschen sehnen uns nach dem Himmel. Wir sehnen uns nach dir. In Jesus Christus kommst du uns aus dem Himmel entgegen und nimmst mit ihm unsere Bitten und Sorgen zu dir in den Himmel auf.
Wir bitten dich: Für die Menschen, die nicht satt sind: dass sich für sie der Himmel auf Erden öffnet. Für die, denen dein Himmel unglaublich weit weg erscheint, die das Hoffen und Beten aufgegeben haben: Lass dich neu von den Menschen entdecken, die dich verloren haben. Für die Menschen, die aneinander vorbeireden: dass sie unter deinem Himmel eine neue Sprache sprechen. Für alle, die hoch hinaus wollen und tief stürzen; für alle, die ihre Grenzen überschreiten und sich überfordern: Lass sie ihre Grenzen annehmen und darin gelassen leben. Für diejenigen, die deinen Verheissungen trauen und den Himmel anderen Menschen weiterschenken. Lass sie leuchten in deinen Augen, dass sie viele werden und ihre Zahl wächst. Gott des Himmels und der Erde, mit unseren Bitten stehen wir fest auf dem Boden unseres Lebens und dieser Welt. Und doch richten wir uns auf und setzen unsere Hoffnung auf dein offenes Ohr, auf deine segnende Hand.
Agapefeier Im Teilen des Brotes verbinden sich unsere eigenen Bedürfnisse mit den Bedürfnissen einer Gemeinschaft. Deshalb schlagen wir vor, den Gottesdienst mit einer Agape abzuschliessen. Je nach Situation und Ort kann die Agape im einfachen Teilen von Brot und Wein bestehen (in der Kirche) oder als einfaches Essen im Rahmen eines Suppentages (Kirchgemeindesaal) gestaltet werden.
© Fastenopfer
Ökumenischer Gottesdienst
Durch die gemeinschaftliche Sorge werden alle satt.
Segnung der Speisen
Vater unser
Sendung
Gott, Quelle des Lebens. Wir bitten um deinen Segen für diese Speisen. Sie laden uns ein an den gemeinsamen Tisch und verbinden uns miteinander und mit den Menschen, die sie uns zubereitet haben. Wir danken dir dafür und für alles, was uns leben und in gutem Geist zusammenleben lässt. Lass uns nicht vergessen, dass im Reich Gottes ausnahmslos alle an diesen Tisch geladen sind. Alle sollen essen, trinken und satt werden. Alle sollen bekommen, was sie zum Leben brauchen. Lass uns im Alltag Mass nehmen an dieser Vision. Segne mit diesen Gaben auch uns, damit wir fähig sind, die Sorge um unser tägliches Brot mit der Sorge für das Wohl aller zu verbinden.
Teilen der Speisen
Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage. (Mt 6,34)
Lied
Lied
KG 577/RG 638/CG 330 Herr, gib uns unser täglich Brot
KG 448/RG 668/CG 882 In der Welt habt ihr Angst
Beim einfachen Teilen des Brotes kann hier Instrumentalmusik eingespielt werden. Wenn die Agape mit einem Essen verbunden ist, wird zu Tischgesprächen eingeladen.
Dank Gott, wir durften im Namen Jesu beisammen sein und miteinander essen und trinken. Unser Bedürfnis nach Nahrung, nach Gemeinschaft und Aufgeboben sein wurde gestillt. Dafür danken wir dir. Lass uns aus dieser Erfahrung der Teilhabe offen sein für die Bedürfnisse der anderen und hineinwachsen in die gemeinsame Sorge für das Wohl aller Menschen.
Doch sorgt euch um eure Nächsten, hier und anderswo, damit das Reich Gottes wahr werde. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. (2 Tim 1,7)
Segen Gott segne dich und behüte dich, Gott lasse sein Gesicht leuchten über dir und sei dir gnädig, Gott wende sich zu dir und schenke dir Frieden! (Num 6,24–26)
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Versöhnungsfeier
Gott oder Gold? Gold ist Inbegriff für Kostbarkeit und Schönheit, zugleich aber auch Objekt der Begierde und Ausdruck von Reichtum. Wo Gold und Geld zum höchsten Gut werden, werden sie zu Götzen. Anhand der Erzählung vom Goldenen Kalb thematisiert die Versöhnungsfeier diese Ambivalenz. Ein Ascheritual als Zeichen der Umkehr ergänzt die Feier. Siegfried Arends, reformierter Pfarrer, Wilchingen SH Rita Gemperle, Theologin, Fastenopfer
Einführung Gold fasziniert, ist Inbegriff für Kostbarkeit, Glanz und Schönheit. Nicht von ungefähr schmücken wir den Hals, die Finger oder auch andere Körperteile mit Goldschmuck. Gold zieht Blicke auf sich. In der Kunstgeschichte ist Gold die Farbe des Göttlichen. Sie steht für das Heilige, für die Herrlichkeit und den Glanz Gottes. Goldene oder vergoldete Gegenstände und Statuen in den Kirchen zeugen davon. Manchmal nimmt jedoch Gold den Platz von Gott ein: dann nämlich, wenn Besitz, Reichtum, Macht und Schönheit zu absoluten Werten, zum höchsten Gut werden.Biblisch formuliert: wenn Gold zum Mammon wird. Deshalb warnt Jesus: «Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.» (Mt 6,24) Gold ist also ambivalent: Kostbarkeit, Schönheit und Symbol des Heiligen einerseits, Versuchung zur Verabsolutierung von Reichtum und Besitz andererseits. Darum geht es in dieser Feier.
Lied KG 592/RG 833/CG 899 Komm in unsere stolze Welt
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Hinführung zur biblischen Geschichte Im Buch Exodus wird uns erzählt, wie Mose nach dem Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und der geglückten Durchquerung des Schilfmeeres auf den Berg Sinai steigt. Dort nimmt er die Zehn Gebote von Gott in Empfang. Durch sie soll das Leben in der eben gewonnenen Freiheit gelingen. «Verehre keine anderen Götter neben dem Gott, der dich befreit hat. Lege Gott nicht in Bildern fest. Und vergöttliche nichts und unterwirf dich niemandem.» Das wird uns in den ersten drei seiner Weisungen ans Herz gelegt. Doch Mose bleibt lange fort auf dem Berg und das Volk wird ungeduldig. Die Israeliten halten die Ungewissheit nicht aus und wenden sich an Moses Bruder Aaron, den Priester. Sie verlangen nach etwas Greifbarem, das ihnen Halt und Gewissheit verspricht. Sie fordern ein Gottesbild.
euren Frauen, Söhnen und Töchtern die goldenen Ringe ab, die sie an den Ohren tragen, und bringt sie her!
Besinnung Das Gottesbild, nach dem das Volk verlangt, fordert von den Menschen ihr Bestes: ihren Goldschmuck. Für Menschen auf der Flucht oft das einzige, was sie an Wertvollem mitnehmen können, ihre Lebensversicherung also. Der Wert des Schmucks erschöpft sich aber nicht im Geldwert. Mit ihm verknüpft sind oft auch Erinnerungen an wertvolle Beziehungen und an besonders kostbare Momente im Leben. Aus Unruhe und Ungeduld («Jetzt mache du uns ein Gottesbild!»), aus dem Verlangen nach Sicherheit und Halt geben die Israeliten ihr Wertvollstes her. Wir besinnen uns und fragen, was uns kostbar ist: – Was gibt meinem Leben Glanz und Schönheit? – Welche Beziehungen sind mir kostbar? Wie pflege ich sie? – Welche Werte sind mir für das Zusammenleben besonders wichtig? Was tue ich, damit diese Werte lebendig bleiben?
Der Text wird in drei Teilen gelesen, dazwischen halten wir inne zur Besinnung.
Musik
Ex 32,1–2:
Da nahm das ganze Volk die goldenen Ohrringe ab und brachte sie Aaron. Er nahm sie von ihnen entgegen, zeichnete mit dem Griffel eine Skizze und goss danach ein Kalb. Da sagten sie: Das sinddeine Götter, Israel, die die aus Ägypten heraufgeführt haben. Als Aaron das sah, bauter er vor dem Kalb einen Altar und rief aus: Morgen ist ein Fest zur Ehre des
Als das Volk sah, dass Mose noch immer nicht vom Berg herabkam, versammelte es sich um Aaron und sagte zu ihm: Komm, mach uns Götter, die vor uns herziehen. Denn dieser Mose, der uns aus Ägypten heraufgebracht hat - wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist. Aaron antwortete: Nehmt
Ex 32,3–6:
© Fastenopfer
Versöhnungsfeier
Gold nährt nicht - weder die Israeliten noch die Kleinschürfer von heute.
Herrn. Am folgenden Morgen standen sie zeitig auf, brachten Brandopfer dar und führten Tiere für das Heilsopfer herbei. Das Volk setzte sich zum Essen und Trinken und stand auf, um sich zu vergnügen.
Besinnung Wohl eher mit Absicht denn zufällig entsteht aus dem gesammelten Schmuck ein goldenes Stierbild, ein Symbol für Macht, Vitalität und Fruchtbarkeit. Dieses Bild trägt die Farbe Gottes, wird selbst zu Gott. Das Kalb, gegossen aus dem Gold des Volkes, wird zum Mammon, zum Götzen. Es wird nun als rettender Gott verehrt und fordert seine Opfer: Das Volk unter der Führung Aarons feiert ein Fest für den Herrn – den neuen Herrn. Auch wir haben heute unsere Götzen, Werte, die unser Leben bestimmen und denen wir uns unterordnen, als wären sie Gott. Ein Ideal unserer Gesellschaft ist eine immer weiter wachsende Wirtschaft. Viele unserer Lebensbereiche sind bestimmt von der Macht des Geldes, von ständig zunehmendem Konsum und dem Streben nach Besitz. Wir besinnen uns und fragen, wo Geld, Besitz und Macht heute den Platz des Leben fördernden Gottes einnehmen:
– Welche Bedeutung haben Geld und Besitz in meinem Leben? – Was bestimmt meine Beziehungen? – Wirtschaftliches Denken und Kalkül oder Sympathie, Freundschaft und Mitgefühl? – Wo kann ich mich dem Zwang, immer mehr haben zu wollen, entziehen?
Musik Ex, 32,19–20: Als Mose dem Lager näher kam und das Kalb und den Tanz sah, entbrannte sein Zorn. Er schleuderte die Tafeln fort und zerschmetterte sie am Fuss des Berges. Dann packte er das Kalb, das sie gemacht hatten, verbrannte es im Feuer und zerstampfte es zu Staub. Dern Staub streute er in Wasser und gab es den Israeliten zu trinken.
Besinnung Mose lässt das Volk nicht einfach gewähren. Was er sieht, macht ihn wütend. Er nimmt das Goldene Kalb, verbrennt und vernichtet es. Der Götze wird zu dem, was er eigentlich ist: zu Staub und Asche. Er ist vergänglich, irdisch und nun wieder Teil der Erde. Gott wird wieder Gott: unverfügbar. Mit dem Verbrennen des Kalbes führt
Mose den Israeliten den Irrtum vor Augen, dem sie erlegen sind: Sie haben sich erneut zu Sklaven gemacht. Diese Erkenntnis sollen sie im wahrsten Sinne des Wortes in sich aufnehmen, verinnerlichen. Sie müssen die ins Wasser gestreute Asche trinken, die angerichtete Suppe auslöffeln. Auch heute braucht es Menschen, die sich der Vergöttlichung des Materiellen widersetzen. Unter dem Titel «Verantwortung tragen – Gerechtigkeit stärken» lädt die Ökumenische Kampagne der kirchlichen Werke deshalb ein zum Engagement für gerechte Beziehungen in allen Lebensbereichen, auch in der globalisierten Wirtschaft. Wir besinnen uns und fragen, wie es um unser Engagement bestellt ist. Um dem Zauber der Götzen zu widerstehen, braucht es Menschen, die sich – wie Mose – mit Entschlossenheit und Mut einsetzen und sich nicht einfach mit dem Kult des «Mammon» arrangieren. – Finde ich etwas von dieser Ent schlossenheit und diesem Mut auch in mir? –H abe ich den Mut, einseitig gewinnorientiertes Denken kritisch zu hinterfragen? –E ngagiere ich mich – meinen Möglichkeiten entsprechend – für den nötigen Wandel, z.B. indem ich Produkte aus fairer Produktion bevorzuge, auch wenn sie teurer sind?
Musik Schuldbekenntnis Der kritische Blick auf unser Leben macht uns bewusst: Viel Kostbares ist uns anvertraut. Nicht alles leben wir so, wie wir es gerne möchten. Werte, die uns wichtig sind, drohen im Alltag unterzugehen. Für Beziehungen, die uns wichtig sind, finden wir immer wieder zu wenig Zeit. Im
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Versöhnungsfeier
Kyrie-Ruf, der Bitte um das Erbarmen Gottes, dürfen wir das, was uns leidtut und was wir bereuen, vor Gott hinlegen, im Vertrauen auf sein Erbarmen, auf seine befreiende Verwandlung.
Lied KG 70/RG 195/CG 430 Kyrie eleison
Ascheritual
© Fastenopfer
Als Zeichen der Umkehr laden wir die Teilnehmenden zu einem Ascheritual ein. Zur Auswahl stehen drei Varianten: – Variante 1: Die Teilnehmenden kommen nach vorne und lassen sich ein Aschenkreuz auf den Kopf streuen. – Variante 2: Den Teilnehmenden wird ein Aschenkreuz in die Hand gezeichnet. – Variante 3: Die Teilnehmenden werden eingeladen, ein wenig Asche aus einem bereitgestellten Aschetopf zu nehmen und in einen Topf mit Erde zu geben.
Mose verbrannte das Goldene Kalb, es wurde zu Staub, zu Asche. Mit dem Zeichen der Asche wollen wir deshalb ein Zeichen setzen: wir zeigen unsere Bereitschaft, den Götzen unserer Zeit – dem Vorrang von Geld, Reichtum und Besitz – Grenzen zu setzen. Wir geben Gott und seiner Botschaft den Platz in unserer Welt und in unserem persönlichen Leben zurück. Variante 1: Sie sind eingeladen, nach vorne zu kommen. Als Zeichen Ihrer Bereitschaft, umzukehren und neue Wege zu gehen, streuen wir Ihnen mit Asche ein kleines Kreuz auf den Kopf. Variante 2: Sie sind eingeladen, nach vorne zu kommen. Als Zeichen Ihrer Bereitschaft, Ihr Handeln neu auszurichten, zeichnen wir Ihnen ein Aschenkreuz in Ihre Hand. Variante 3: Sie sind eingeladen, nach vorne zu kommen und aus dem Aschetopf ein wenig Asche in die bereitgestellte Erde zu geben. So wie die Erde Pflanzen Nahrung gibt, kann aus Vergänglichem durch Gottes befreiendes Handeln neues Leben wachsen.
Ritual dazu Musik
Vergebungsbitte entsprechend eigener Formulierung
Vater unser Lied KG 229/RG 835/CG 896 Gib uns Weisheit
Abschluss Gold ist Symbol für Reichtum, Geld und Besitz. Gold ist auch die Farbe Gottes, Symbol für das Göttliche. Nicht Geld und materieller Gewinn sollen im Zentrum unseres Lebens stehen, sondern Gott und seine befreiende Botschaft. Wo wir uns an seinen Weisungen orientieren, finden wir Wege zum guten Leben, einem guten Leben für alle. Ps 19 formuliert es so: Die Verehrung des Lebendigen ist rein, sie hat Bestand auf Dauer. Die Urteile des Lebendigen sind verlässlich, gerecht sind sie allesamt. Begehrt sind sie, mehr als Gold, als reinstes Gold, süsser als Honig, als Bienenhonig.
Segen und Sendung Geh hin im starken Glauben, dass es das Licht und der Glanz Gottes ist, die in dir leuchten. Geh hin mit dem grossen Mut, dass du Wege findest zum guten Leben. Geh hin in der festen Gewissheit, dass es Gott ist, der dich leben lässt. Der Glanz und die Schönheit Gottes begleiten dich und führen dich in den Reichtum des Lebens.
Gold, das nährt - Hirseernte in Burkina Faso.
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Jugendgottesdienst
For all or for nobody Anhand der Geschichte vom grossen Gastmahl wird das Thema «Recht für die "Nobodys"» zur Sprache gebracht. Der Gottesdienst ist in vier Sequenzen aufgeteilt: Andacht, Eisbrecher, Vertiefung und konkrete Umsetzung.
zum visuellen, kommunikativen oder kreativen Typ zählen. So werden sie in drei Gruppen eingeteilt. Wechsel in eine andere Gruppe ist jederzeit möglich.
Jan Tschannen, Bildung und Theologie, Bfa Fabio Carrisi, reformierter Jugendpfarrer, Baden
Unsere Vorschläge für die Gruppenarbeit finden Sie unter www.sehenund-handeln.ch/gottesdienste
Ziel ist es, in einem guten Rhythmus durch die Sequenzen zu gelangen, ohne dass sich die Jugendlichen oder die Anleitenden gehetzt fühlen. Motto: weniger erklären, mehr erleben, selber denken lassen und Wissen sichern. Die Sequenzen können auch einzeln benutzt und angepasst werden.
Andacht Begrüssung Frage an die Jugendlichen: Wer von euch hat schon mal eine Party organisiert und dafür eine Gästeliste erstellt? Nach welchen Kriterien wählst du die Gäste aus? Wer soll kommen und wer auf keinen Fall? In diesem Jugendgottesdienst wollen wir uns damit beschäftigen, was es heisst, nicht eingeladen zu sein, schlicht und einfach: nicht dabei zu sein. Wir wollen uns aber, inspiriert durch eine biblische Geschichte, konkret dafür einsetzen, dass auch «Nobodys» auf der Gästeliste erscheinen. Lied «If Everyone Cared» von Nickelback (Band, Gitarre oder ab Konserve) Gebet Gott begegnen (siehe Website)
Geschichte Jean D. war sich das Feiern gewöhnt, schliesslich war er der unbestrittene Partyveranstalter seiner Stadt und Region. Wenn Jean D. rief, kamen alle. Ihm gehörten das HighHeel, das Minor und das Extra, alles sehr angesagte Orte. Als Jean D. Geburtstag hatte, lud er in der Szene alles, was Rang und Namen hatte, ein. Fussballstar Erimbolo sagte ab, weil er ein Aufgebot der Nati hatte und sich darauf vorbereiten wollte. Die sympathische und talentierte Sängerin und Schauspielerin Mila war gerade dabei, eine neue Filmrolle einzustudieren, und sagte ebenfalls ab. Auch der beliebte Entertainer auf allen erdenklichen Kanälen und Hipster Bruno glänzte mit Abwesenheit, weil er Besseres zu tun hatte. Und so sagte einer nach dem anderen ab. Lesen Sie den ganzen Text unter www.sehen-und-handeln.ch/ gottesdienste Plenum Wer weiss, welche biblische Geschichte hier in die heutige Zeit übertragen wurde? (Hilfestellung und Auflösung) Lied «Another day in paradise» von Phil Collins (Band, Gitarre oder ab Konserve), rise up 156
Eisbrecher Die Jugendlichen entscheiden spontan und schnell, ob sie sich eher
Vertiefung Im Plenum werden die Resultate der drei Gruppen vorgetragen. Eine Diskussion soll entstehen. Aufgabe der Leitung ist, für das Problem der Entrechtung zu sensibilisieren und Inhalt von Andacht und Eisbrecher zu verknüpfen. Pointe: Lass all die «Nobodys» (Vergessenen) zu ihrem Recht kommen. Schreiben wir die Nobodys in unserer Gästeliste ein…
Konkrete Umsetzung Animieren, Gruppen bilden, Unterschriftenbögen und vorbereitete Argumentation austeilen, selbst unterschreiben, wer volljährig ist, und raus auf die Strasse. Abschluss Zum Schluss steigt die Party. Hier kommen alle nochmal zusammen und schauen, wer wie viele «Nobodys» auftreiben konnte. Die Erfahrungen werden ausgetauscht, die Unterschriften gezählt, die Party beginnt. Motto: Wow, das haben wir erreicht! Im Unterricht kann die Party auch beim nächsten Treffen stattfinden.
Die ausführliche Version finden Sie auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/ gottesdienste
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Bildbetrachtung zum Hungertuch
Hüter meines Bruders? © MVG Medienproduktion 2009
meinschaft, zu der sich alle versammeln, trägt sie. Und sie hüten sie, die Gemeinschaft, die Erde und ihre Schätze. «Bin ich denn der Hüter meines Bruders?» Die Antwort ist klar: Ja, sicher!
Das MISEREOR-Hungertuch «Gottes Schöpfung bewahren – damit alle leben können» von Tony Nwachukuwu
Verena Sollberger Schwarzenbach, reformierte Pfarrerin, Luzern
Mutterseelenallein, mit fragendem und verängstigtem Blick treibt das Kind auf dem Fass flussabwärts. Der Totenkopf auf dem Fass und das Fischgerippe im Wasser weisen auf die tödliche Gefahr der Substanz hin, die in den Fluss läuft und das Wasser vergiftet. Im Hintergrund sind rauchende Fabrikschlote erkennbar. Der Boden ist braun, kaum ein Halm wächst mehr. Die Hütten am Ufer drohen in den Fluss zu rutschen. Menschliches Leben hat hier keinen Platz mehr. Das Kind im Fluss hat in dieser Welt keine Zukunft. Da ist niemand, der sich seiner annimmt, sich kümmert, sich sorgt. «Bin ich denn der Hüter meines Bruders?», fragt Kain, als Gott sich nach seinem Bruder Abel erkundigt. Kain wüsste es eigentlich, denn er hat ihn erschlagen. Aus Neid. Aus Zorn. «Bin ich denn der Hüter meines Bruders?» So fragen sich vielleicht 14
auch jene, die bei ihren Geschäften kaum oder zu wenig Rücksicht nehmen auf das Wohlergehen von Mensch und Natur. Was zählt, sind Wirtschaftswachstum und Erfolg. Die Menschen und ihre Lebensgrundlage sind für sie nicht wichtig. Sie nehmen in Kauf, dass durch ihr Wirtschaften im wahrsten Sinne des Wortes alles «den Bach runtergeht»! Ganz anders die Atmosphäre in der rechten Bildhälfte. Das Kind, das links verlassen im Fluss trieb, ist hier nun aufgehoben in einer Gemeinschaft von Menschen. Es sind Menschen, die glücklich und zufrieden scheinen. Vielleicht, weil sie füreinander und auch für ihr Lebensumfeld, die Natur, Hüterinnen und Hüter sind? Vielleicht spüren sie, dass sie nicht allein sind, sondern aufgehoben in einer Gemeinschaft. In einer Gemeinschaft, zu der das Lämmchen, der Getreidehalm, der Vogel, der Fisch, das Wasser, die blühende Blume und auch die Schätze dieser Erde genauso dazugehören wie sie selber. Die Erde als grosse Tischge-
Die Fabrik im Hintergrund auf der rechten Bildhälfte ist kein Fremdkörper, sondern ein integrierter Bestandteil des Lebens. Die Umwelt scheint hier intakt. Im Fluss schwimmen Fische. Tiere weiden in der Nähe. Das Gras ist grün und die Luft sauber. Hier lässt sich leben. Das Wachstum beschränkt sich hier wohl nicht auf die Wirtschaft. Gewinnmaximierung und Profit sind nicht oberstes Kriterium. Wichtig scheint auch das Wohlergehen der Menschen, die hier leben und arbeiten, ebenso wie die Sorge um die Umwelt. Wer so wirtschaftet, dient dem Leben. Wo die Unternehmen zu «Hüterinnen und Hütern ihres Bruders, ihrer Schwester» werden, da geht nichts «den Bach runter». Da bleibt das Leben im Fluss.
Materialien zum Hungertuch Das Hungertuch ist als Stoffdruck im Gross- und Kleinformat, als A4-Druck und als Hellraumfolienset erhältlich. Als spiritueller Begleiter zu den Bildern des Hungertuchs dient das Meditationsheft mit Texten von Luzia Sutter Rehmann. Meditationsheft, Hungertuch und Erklärungen zu den einzelnen Bildelementen des Hungertuchs und sind auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/ hungertuch verfügbar.
Bildbetrachtung zum Kampagnenplakat
Glieder einer Kette © Brot für alle/Fastenopfer
Glied an Glied zieht mich hinein, die goldene Kette, die ich trage, verbindet mich mit Menschen, weit weg und doch nah, ich trage sie auf meiner Haut, ihr Ruf dringt an mein Ohr… Nicht auf äusseren Schmuck sollt ihr Wert legen, auf Haartracht, Gold und prächtige Kleider, sondern was im Herzen verborgen ist, das sei euer unvergänglicher Schmuck: ein sanftes und ruhiges Wesen. Das ist wertvoll in Gottes Augen. (1. Petr 3,3.4) Siegfried Arends, reformierter Pfarrer, Wilchingen SH
Nicht selten verbindet Schmuck uns mit Menschen, die uns am Herzen liegen, oder mit schönen Momenten. Glieder einer Kette können Menschen aber in ganz unterschiedlicher Weise miteinander verbinden, sodass das eigene Glück plötzlich mit dem Unglück anderer verkettet ist. Du hast mich betört, meine Schwester, Braut, mit einem einzigen deiner Blicke hast du mich betört, mit einer einzigen Kette von deinem Halsschmuck. Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, Braut … (Hl 4,9.10a) Glied an Glied schmiegt sich an meinen Hals, die goldene Kette, die ich trage, erzählt Geschichten von
Freundschaft und Liebe, sagt, dass ich wertvoll bin und schön, versprüht den Glanz von Fest und Feier, von kostbaren Stunden, von goldenen Zeiten. Gott spricht: Das Silber, mit dem ich sie überhäufte, und das Gold machten sie zum Baal. (Hos 2,10) Glied an Glied wiegt schwer um meinen Hals, die goldene Kette, die ich trage, erzählt Geschichten von Elend, von Leid, in den Gruben und Schächten der Armen, von Minen, die Land zerstören, von Wasser, das schmeckt nach Krankheit und Tod.
Glied an Glied schmiedet uns zusammen, die goldene Kette, die ich trage, Glieder der einen Kette sind wir im grossen Spiel um arm und reich, Mensch an Mensch, wertvoll in den Augen dessen, der uns schuf, zu spiegeln seinen göttlichen Glanz.
Das Plakat zur Ökumenischen Kampagne 2016 ist als Bild und als Bild mit Titel auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/ gottesdienste verfügbar.
Wie ein Goldring und eine Goldkette, so sind Menschen, die weise richten und die ein hörendes Ohr haben. (Spr 25,12)
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Bildbetrachtung zum Plakat der Konzernverantwortungsinitiative
© Fastenopfer/Brot für alle
Nach unten, bitte!
Matthias Jäggi, reformierter Pfarrer, Ostermundigen BE In der obersten Etage brennt noch Licht. Im Besprechungsraum gleich neben dem Büro des CEO stösst die Konzernleitung auf ihr neustes PRProjekt an. «Genial, wie Sie unsere Richtlinien zur Sozial- und Umweltverträglichkeit visualisiert haben», lobt der Verwaltungsratspräsident. «Zwei Hände, der Globus – das geht unmittelbar zu Herzen.» Ob sich das Motiv auf der Fassade mit den Geschäftspraktiken deckt, die hinter der Fassade gepflegt werden? – In den Wirtschafts- und Finanzzentren dieser Welt mit ihren himmelwärts strebenden Bürotürmen geht der Bodenkontakt manch16
mal verloren. Dass auf Kakaoplantagen in Westafrika Kinder ausgebeutet werden, blendet man aus; dass beim Rohstoffabbau in Südamerika ganze Landstriche zerstört werden, blendet man aus. – Man? Fairerweise muss ich sagen: Geschieht mir auch, ich liebe Schokolade und brauche mein Smartphone täglich. Himmelwärts strebende Türme sind keine neue Erfindung. Schon damals im alten Babylon gab es ein visionäres Turmbauprojekt (Gen 11,1–9). Ziel: an den Wolken kratzen, mit der Spitze den Himmel berühren. Ziel – im übertragenen Sinn: Gott gleich werden. Resultat: Plötzlich verstand keiner mehr die Sprache des andern. Wirrwarr, Chaos, Entfremdung. – Wer auf Biegen und Brechen hoch hinaus will, entfremdet sich, verliert die Bodenhaftung, den Kontakt zur Umwelt und zu den Mitmenschen. In der obersten Etage brennt noch Licht. Doch irgendwann wird das Prosecco-Glas leer sein, das Licht gelöscht werden, der Lift die Konzernspitze nach unten bringen – raus auf die Strasse. Nach unten, auf die Strassen des Lebens. Da klingt eine ganz andere biblische Geschichte an – die von der Menschwerdung Gottes: «Jesus Christus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäusserte sich
und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.» (Phil 2,6–8) Das ist die Bewegung, in die uns christlicher Glaube hineinnehmen will: nach unten auf die Strassen des Lebens, zu den Menschen in den Kakaoplantagen, zu den Menschen in den Goldminen. Hin- statt wegschauen, sich berühren lassen, in Beziehung treten. Unser Weg zu Gott führt zu den Menschen. Die Konzernverantwortungsinitiative bringt nicht den Himmel auf Erden. Aber sie zielt auf diese Bewegung nach unten. Sie zielt darauf, dass die Menschen in den Chefetagen nicht nur auf Quartalszahlen und Aktienkurse schielen, sondern auch Verantwortung übernehmen für die Menschen unten auf der Strasse und für die Natur, denen sie ihre Gewinne verdanken. Ein Nachtrag aus der Zukunft: In der obersten Etage brennt noch Licht. Im Besprechungsraum gleich neben dem Büro des CEO stösst die Konzernleitung <mit einer Delegation von peruanischen Minenarbeitern auf die gelungene Renaturierung eines stillgelegten Goldtagebaus an. – Und die zwei Hände und der Globus draussen an der Fassade leuchten wie noch nie. Das Plakat zur Konzernverantwortungsinitiative ist als Bild und als Bild mit Titel auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/ gottesdienste verfügbar.
Predigtanregung zum ersten Fastensonntag
Das Erstbeste Predigttext: Dtn 26, 1–11
Ingrid Krucker-Manser, Pfarreibeauftragte in Oberuzwil und Bichwil SG
«Chasch mer eifach s’Erschtbeschte gäh!» – Das sagen wir zum Beispiel in einer gemütlichen Tischrunde, wenn uns jemand den Teller füllt, und wir meinen damit: Es spielt keine Rolle, welches Stück Brot oder welches Stück Käse – nimm einfach irgendeines, «s’Erschtbescht».
In unserer Zeit und Gesellschaft ist es nicht nur der fruchtbare Ackerboden, der uns geschenkt und geliehen ist. Wir leben in der Schweiz ebenso auf fruchtbarem Wirtschaftsboden. Vieles wächst hier an vielseitigem Kleingewerbe. Aber auch Grosskonzerne gedeihen bestens auf dem Boden, der uns zur Verfügung steht. Die Schweiz ist der weltweit zweitgrösste Handelsplatz für Rohstoffe. Mehr als die Hälfte des weltweit gehandelten Goldes wird in der Schweiz verarbeitet. Obwohl wir keinen Kaffee anbauen, gehört die Schweiz zu den grössten Kaffee-Exporteuren der Welt. Und rund ein Drittel aller Schweizer Arbeitnehmenden sind in weltweit tätigen Firmen angestellt.
Das Erstbeste wird auch in der Lesung aus dem Buch Deuteronomium genommen – hier ist es aber das Beste aus den ersten Erträgen, der erste Gewinn. Er wird genommen, in den Tempel gebracht und dem Priester überreicht.
Was bedeutet in diesem globalen Zusammenhang das Wort aus der Lesung: «Siehe, ich bringe die ersten Erträge von den Früchten des Landes, das du mir gegeben hast»? Die Grundhaltung der Dankbarkeit, die den Bibeltext wie einen roten Faden durchzieht, ist der Schlüssel zu dieser Frage:
Der Mensch schenkt, bevor er überhaupt besitzt. Dies geschieht aus dem tiefen Grundgefühl heraus: Mir gehört letztlich nichts. Alles ist mir geschenkt. Alles ist geliehen. Im Lesungstext ist es das Land, das von Gott geschenkt ist. Es besteht kein Anspruch darauf; es wurde nicht durch irgendeine Leistung erworben. Die Bauern sind deshalb nur Pächter, Verwalter.
Dankbarkeit lässt uns spüren, dass Besitz und Gewinn Verantwortung mit sich bringen. Beide dienen nicht nur dem eigenen Wohlergehen, sondern einem grösseren Ziel. Der Bauer, der sich vor Gott niederwirft, gesteht damit ein: Es gibt Grösseres als mich und meinen persönlichen Gewinn. Ich diene mit meiner Arbeit und meinem Besitz Gott – und damit dem Leben und Wohlergehen aller.
In der Ethik gibt es den Begriff «Sozialpflichtigkeit des Eigentums»: Mit dem, was ich besitze – und das ist nicht nur Boden oder Geld, das ist auch Sicherheit, Bildung, Freunde, Körperkraft … –, ist eine Verantwortung für das Gemeinwohl verknüpft. Für globale Unternehmen macht diese Verantwortung nicht an der Landesgrenze halt, sondern umschliesst alle betroffenen Menschen und Ressourcen. (Hier wäre ein Hinweis auf die Konzernverantwortungsinitiative möglich.) Und Dankbarkeit führt zur Freude: «Du sollst fröhlich sein und dich freuen über alles Gute, was Gott dir gegeben hat.» – heisst es in Vers 11 des heutigen Bibeltextes. Und auch hier klingt wieder der soziale Gedanke an. Diese Freude ist nichts Egoistisches, denn freuen sollen sich alle: Auch Leviten, die im Tempel arbeiten und keinen Boden besitzen. Ebenso Fremde in deiner Mitte – der Gewinn und die Freude sollen allen zugutekommen. Dankbar sein für das, was uns geschenkt ist. Uns freuen an dem, was wir besitzen und daraus erwirtschaften. Und beides – Geschenk und Gewinn – verantwortungsvoll einsetzen und teilen zum Wohl möglichst vieler – so können wir heute unsere Erstlingsfrüchte vor Gott bringen.
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Predigtanregung zum zweiten Fastensonntag
Prüfet alles, das Gute behaltet Predigttexte: Gen 41,42–43; Hiob 28,1–11; 1. Thess 5,19–22 deren Verdienst oder eine aussergewöhnliche Leistung auszuzeichnen. Es soll seinen Glanz sozusagen weitergeben. Damit verbunden war und ist aber immer auch die Gefahr, diesen Glanz für den eigenen Ruhm und persönliche Interessen zu missbrauchen. Michel Durussel reformierter Pfarrer , Aubonne Übersetzung: Jan Tschannen
«Prüfet alles, das Gute behaltet.» Mit dieser Aufforderung ermahnt Paulus (1.Thess 5,21) die Christen aus Thessaloniki, einen kritischen Blick auf die Geistesoffenbarungen in der Gemeinde zu werfen. Gewiss seien sie gut, sie sollten weder unterdrückt noch geringgeschätzt werden. Trotzdem sei es wichtig, die Augen offen zu halten, um die wirklich vom Geist inspirierten Offenbarungen zu erkennen. Die Ökumenische Kampagne überträgt diesen kritischen Blick und nimmt damit die wunderbar glänzende Halskette auf ihrem Kampagnenplakat unter die Lupe. Eine Goldkette ist an sich eine gute Sache: Sie drückt Wertschätzung und Verdienst aus. Sie ist vergleichbar mit Medaillen, die Sportler heutzutage gewinnen. In alten Zeiten genauso wie heute spielt das Gold eine wichtige symbolische Rolle, die jede Gesellschaft auch braucht: Gold dient dazu, mit seinem Glanz einen beson-
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Nicht so in der Josephsgeschichte. Joseph hat im Laufe seines Lebens viele Höhen und Tiefen durchlebt. Als er im Gefängnis zu versauern droht, erlaubt ihm seine Gabe, Träume zu deuten, zu erklären, was der Pharao im Dunst der Nacht geschaut hat: nämlich sieben Jahre des Hungers, gefolgt von sieben Jahren der Fülle. Die von Joseph erteilten Ratschläge erlaubten Ägypten, sich auf diese schwierigen Zeiten vorzubereiten. Der Pharao, beeindruckt von der Weisheit und der Voraussicht Josephs, die nur von göttlichem Ursprung rühren kann, macht ihn zum starken Mann des Landes und ehrt ihn, indem er ihm seinen königlichen Ring an den Finger steckt, ihn mit prächtigen Kleidern ausstatten lässt und ihm eine goldene Kette um den Hals legt. Joseph zieht daraus nicht Macht und Ansehen. Er erhält sich als Wichtigstes vielmehr die Beziehungen, die er pflegt: Er gründet eine Familie (Gen 41,50–52), versöhnt sich mit seinen Brüdern. Und er bleibt ein Wegbereiter dafür, dass sich durch die Bestimmung Israels die Geschichte des Heils weiterhin fortschreibt.
Bezug zur Kampagne Die Kampagne «Sehen und Handeln» hält ihre Lupe über die Goldkette, um aufzuzeigen, was sich hinter dem Prestigeobjekt verbirgt: die Arbeit in den Minen. Sie ist gefährlich, gewaltsam und zerstört die Umwelt. Der Text aus dem Buch Hiob (28,1–15) setzt sich kritisch mit dem Graben nach den Schätzen der Erde auseinander. Was nützt die von den Menschen entwickelte Findigkeit, um nach den Schätzen des Untergrundes zu jagen, während die Weisheit doch unfassbar bleibt? Christus folgend (vgl. z.B. Mt 23,27– 28; Mk 12,41–44), regt der Apostel Paulus die Menschen in Thessaloniki an, «alles zu prüfen, das Gute zu behalten und sich vor dem Schlechten zu hüten». Diese Aufforderung ermutigt die Christen aller Zeiten, einen besonnenen Blick auf die Welt, die sie umgibt, zu werfen. In diesem Geiste lädt uns die Ökumenische Kampagne ein, die Rohstoffindustrie näher «zu prüfen». Gold ist ein den Menschen zur Verfügung gestellter Reichtum der Schöpfung. «Das Gute zu behalten» heisst, dazu Sorge zu tragen. «Uns vor dem Schlechten zu hüten» heisst, dafür zu kämpfen, dass die Ausbeutung dieses Reichtums nicht auf Kosten der lokalen Bevölkerung und der Umwelt geschieht. Die Konzernverantwortungsinitiative zu unterschreiben ist ein Schritt in diese Richtung.
Predigtanregung zum dritten Fastensonntag
Echtheit üben
Predigttext: 1. Kor 10,1–13
Lenz Kirchhofer, christkatholischer Pfarrer, Aarau
«Wasser predigen und Wein trinken». Diese Redewendung berührt mich als Prediger, Predigerin. Ich möchte nicht, dass dieser Vorwurf auf mich zutrifft. Diese Redewendung geht auf Heinrich Heines Versepos «Deutschland. Ein Wintermärchen» zurück. Das Gedicht kritisiert die herrschende Klasse, die Kirche inklusive, regt aber auch an, mich selbst zu prüfen. Glaubwürdig und echt zu sein, ist eine Herausforderung für uns alle, Kirche, Staat, Gesellschaft, aber auch ganz persönlich. Lebe ich die Werte, die ich gegen aussen vertrete, auch wirklich? Wo es mir nicht gelingt, echt und glaubwürdig zu sein, muss ich mir die Frage gefallen lassen: Sind meine Ziele zu hoch? Oder fehlt es mir an Entschiedenheit? Was kann ich tun, um glaubwürdig zu bleiben? Wohl noch häufiger als mir selber stelle ich die Frage nach der Glaubwürdigkeit anderen. Dann werde ich zum kritischen Gegenüber. Paulus schlüpfte oft in diese Rolle. Leute aus der Gemeinde in Korinth zum Beispiel hatten geglaubt, dass es nach der
Taufe nicht mehr darauf ankommt, wie sie sich verhalten. Aktiv an Ritualen von anderen Religionen teilzunehmen, war für sie kein Problem. Für Paulus aber hatte die Gemeinde in Korinth damit ein Glaubwürdigkeitsproblem. Für ihn war dadurch die Echtheit ihres christlichen Bekenntnisses infrage gestellt. Die Frage nach der Übereinstimmung von Worten und Taten stellt aktuell auch die Konzernverantwortungsinitiative. Sie verlangt, dass weltweit tätige Unternehmen in der Schweiz überprüfen, ob die Einhaltung der Menschenrechte durch ihr Wirtschaften tatsächlich gewährleistet ist. Die kirchlichen Werke weisen auf die problematischen Folgen des Goldabbaus hin. Durch die Rohstoffförderung werden immer wieder Menschen von ihrem Land vertrieben oder Umweltprobleme geschaffen. Inoussa Ouédraogo aus Burkina Faso erzählt: «Die neue Strasse der Minengesellschaft führt durch mein Land. Sie hindert den Regen am Abfliessen: Auf der einen Seite vertrocknet der Mais, auf der andern steht er im Wasser. Eine Kompensation für das Land gab es bislang nicht.» Die Erfahrungen der Betroffenen zeigen: Das Bekenntnis der Unternehmen zu den Menschenrechten wird nicht überall glaubwürdig umgesetzt. Unternehmen sind wie wir selber auch gefordert, an der eigenen Glaubwürdigkeit zu arbeiten. Das ist auch in ihrem eigenen Interesse, denn ihre Glaubwürdigkeit hat Einfluss auf ihren Erfolg.
Paulus schreibt der Gemeinde in Korinth zur Ermahnung folgenden Satz: «Wer also zu stehen meint, der gebe Acht, dass er nicht falle.» (1. Kor 10,12) Die Idee, unsere Werthaltung ist noch nicht das Leben selbst. Echtheit kommt erst durch den Einklang von Wort und Tat zustande. Diesen herzustellen, ist immer wieder anstrengend. Paulus schreibt den Korinthern deshalb ermutigend: «Noch ist keine Versuchung über euch gekommen, die den Menschen überfordert. Gott ist treu; er wird nicht zulassen, dass ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet. Er wird euch in der Versuchung einen Ausweg schaffen, sodass ihr sie bestehen könnt.» (1. Kor 10,13) Glaubwürdigkeit, Echtheit sind uns nicht einfach geschenkt, wir müssen sie immer wieder üben. Wie eine Melodie auf einem Musikinstrument. Erst wenn die Töne richtig angeschlagen sind, klingen sie rein, erst wenn sie aufeinander abgestimmt sind, entsteht Harmonie. Erst wenn Wort und Tat harmonieren, sind wir wirklich echt glaubwürdig.
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Predigtanregung zum vierten Fastensonntag
Verantwortung in alle Himmelsrichtungen Predigttext: Gen 2,10–14
Martina Schmidt, Secrétaire Romande, Brot für alle Übersetzung: Jan Tschannen
Der Text Ein Fluss fliesst aus dem Garten in Eden. Er wässert den Garten und symbolisiert Harmonie und Fruchtbarkeit. Der Fluss unterteilt sich in vier Arme; so ist in allen vier Himmelsrichtungen jede Ecke des Gartens bewässert und die Pflanzenwelt gedeiht prächtig. Die Flüsse bergen Gold und Edelsteine. Der Fluss Pischon umfliesst das Land Chawila, wo sich das Gold findet. Ein richtig irdisches Paradies, das in uns einen Kindheitstraum hervorruft! Auf die Beschreibung des Gartens folgt der Auftrag an den ersten Menschen, den Boden zu bebauen und zu bewahren (Gen 2,15). Wenn die Versuchung aufkommt, alles zu nehmen, den Reichtum des Bodens auszubeuten, um sich egoistisch zu bereichern, widerspricht dies dem Auftrag, der sich an die ganze Menschheit richtet, von den ersten Bewohnern des Gartens ausgehend.
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Der Kontext
Der Bezug zur Kampagne
Die Erzählung vom Garten Eden (Gen 2,4b–3,24) folgt den sieben Schöpfungstagen. Während das mit diesem Namen bezeichnete Gebiet sich heute nicht eindeutig geographisch zuzuordnen lässt, ist seine Bedeutung umso deutlicher: der «Genuss»; es ist wohlgefällig, es lässt sich gut leben in diesem irdischen Paradies. Diese Wonne des Anbeginns gipfelt im Freudenschrei des Menschen am Ende des zweiten Kapitels, nachdem Gott ihm eine Gefährtin beigesellt. Der anfänglich wunderbaren Harmonie, die in diesem grünenden Garten herrscht, folgt das Drama des verlorenen Paradieses (Kap. 3). Der Wendepunkt tritt mit der Vorwarnung ein: Du kannst von allen guten Früchten essen zu deinem Gefallen, aber wenn du vom Baum der Erkenntnis des Guten und Schlechten isst, wirst du sterben (Vers 16). Das Verbot vervollständigt den in Vers 15 gegebenen Auftrag und entlässt in die Freiheit: Seit Anbeginn gibt es eine Wahl, zu handeln nach dem, was zum Leben, und dem, was zum Tod führt. Nach Art der altertümlichen Sagen des Orients erörtert die Erzählung vom Garten Eden die fundamentalen Dimensionen der menschlichen Existenz: Freiheit, Leben, Tod, Liebe, Glück, Pech. Sie stellt Fragen über den Menschen und seine Beziehung zur Welt und den anderen.
Der Bezug zur Ökumenischen Kampagne drückt sich in der Verantwortung der multinationalen Konzerne aus, besonders durch die Respektierung der Menschen- und Umweltrechte. Diese fordert, dass Führungskräfte das Prinzip der Sorgfalt anwenden, um zu vermeiden, dass die Arbeitskräfte ausgebeutet und der Boden durch die Rohstoffgewinnung verseucht werden. Die Goldgewinnung ist ein vielsagendes Beispiel: Der massive Einsatz von Quecksilber gefährdet die Gesundheit und zerstört die Umwelt. Das Gold, Symbol des Reichtums, ist Teil der Schöpfungsmythen und seit der Antike kennt man die Förderung durch Kleinschürfer (vgl. Hiob 28,6). Als Element der harmonischen Zier des Gartens stellt es Segen und Versuchung zugleich dar: sich daran ohne Grenzen zu bedienen, endet in der Zerstörung des anfänglich vorgesehenen Gleichgewichtes. Ebenso wie beim Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen, ist hier Respekt vor den Grenzen geboten. Der Text lädt ein, unsere Beziehung zur Welt anzupassen und unser Verlangen gegenüber den Schätzen, die die Natur grosszügig der gesamten Menschheit anbietet, die aber nicht unendlich sind, zu mässigen. Der Mensch wurde mit Freiheit versehen. Davon muss er auch heute noch mit Bedacht Gebrauch machen. Umsicht und Sorgfalt sind angebracht, um zwischen dem Guten und dem Schlechten zu wählen. Wie die vier Arme des Flusses endet die Verantwortung nicht vor unserer Tür, sondern erstreckt sich in alle vier Himmelsrichtungen.
Predigtanregung zum fünften Fastensonntag
Gesetze, die dem Leben dienen Predigttext: Joh 8,1–11
versuchen Jesus anzuprangern und als unglaubwürdig darzustellen. Aber Jesus verurteilt nicht. Mit seiner Reaktion, schafft er eine Perspektive des Lebens und eröffnet allen Beteiligten, ob schuldig oder nicht, die Möglichkeit, sich selbst zu prüfen und sich neu auszurichten. Andrea-Maria Inauen Weber, Gemeindeleiterin Stüsslingen-Rohr
Viele von uns tragen Ehe- oder Freundschaftsringe aus Gold. Sie sind Zeichen einer besonders kostbaren Beziehung. Sie verlieren ihren Glanz, wenn die Gefühle von Liebe und Zuneigung, für die sie stehen, nicht mehr lebendig sind und Beziehungen zerbrechen. Im Evangeliumstext steht auf den ersten Blick eine zerbrochene Beziehung im Mittelpunkt. Eine Frau wird beim Ehebruch ertappt und öffentlich angeklagt. Nach dem damaligen Gesetz soll sie gesteinigt werden. Der Ehebruch der Frau scheint jedoch nur ein Vorwand zu sein. Die Schriftgelehrten wollen Jesus prüfen. Einer, der im Namen Gottes spricht, darf die geltenden religiösen Gesetze nicht missachten. Die geforderte Steinigung jedoch widerspricht Jesu Botschaft von Liebe und Versöhnung. Ein zweiter Blick vermittelt den Eindruck, dass die «Gesetzeshüter» das Schicksal der Frau für ihre eigenen Interessen benützen. Sie
Auch wir sind in der Fastenzeit aufgefordert, unser Verhalten zu überprüfen und uns neu auszurichten. Der Evangeliumstext stellt auch an uns Fragen: Wie lebensfördernd ist unser Umgang mit den Menschen? Und wie steht es um unsere Gesetze? Dienen sie dem Leben, schützen sie die Menschen? Die kirchlichen Werke stellen diese Fragen in der diesjährigen Fastenkampagne vor allem in Bezug auf die Konzerne. Sie richten dabei den Blick auf den Goldabbau: Woher kommt das Gold für unseren Schmuck? Wer profitiert und wer leidet unter dem Goldabbau? Wer die Gesichter der Menschen auf dem Kampagnenplakat genauer betrachtet, kann die Not der Menschen, die vom Goldabbau betroffen sind, erahnen: Landraub, Umsiedlungen, vergiftetes Trinkwasser und schlecht bezahlte Arbeit gehören dazu Der 62-jährige -Florent Ouedraogo (Name geändert) aus Burkina Faso berichtet: «Die Goldmine hat mit einem Wehr meine Felder unter Wasser gesetzt. Jetzt kann ich fünf Hektaren nicht mehr bebauen. Geblieben ist mir ein kleines Feld von
1,5 Hektaren. Damit muss ich zehn Kinder ernähren.» Gesetze, die Menschen wie ihn schützen, gibt es längst nicht überall. Hier setzt die Konzernverantwortungsinitiative an. Sie verpflichtet die in der Schweiz ansässigen multinationalen Unternehmen, die Menschenrechte überall auf der Welt einzuhalten. Jesus machte sich zum Anwalt der Schwachen; im geschilderten Fall zum Retter dieser Frau. Ihre Not – das Gesetz der Steinigung – ging ihm zu Herzen. Heute schreit das Leid von Tausenden von Menschen, die vom Goldabbau betroffen sind, aber auch von Arbeiterinnen und Arbeitern in Textilfabriken oder Kakaoplantagen zum Himmel. Verbindliche Gesetze, die weltweite Konzerne in die Pflicht nehmen und die Ausbeutung von Mensch und Umwelt begrenzen, sind im wahrsten Sinn not-wendend. Unsere Goldringe sind Zeichen von persönlicher Zuneigung und Liebe für einen Menschen. Wie gut, wenn sie auch Zeichen von Gerechtigkeit und Achtung gegenüber den vom Goldabbau betroffenen Menschen werden. Das tun sie, wenn wir uns engagieren für Gesetze, die dem Leben dienen.
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Gebete
Du hast um unsere Hände gebeten, damit du sie für deine Sache nutzen kannst. Wir gaben sie dir nur für einen kurzen Augenblick – und zogen sie zurück, denn der Auftrag war uns zu schwer. Du hast um unseren Mund gebeten, um gegen die Ungerechtigkeit zu protestieren. Wir waren nur zu einem Flüstern bereit, damit man uns nicht anklagt. Du hast um unsere Augen gebeten, um die Qual der Armut wahrzunehmen. Aber wir haben sie geschlossen, weil wir sie nicht sehen wollten. Du hast um unser Leben gebeten, damit du dein Werk durch uns tun kannst. Aber wir haben dir nur einen ganz kleinen Teil zur Verfügung gestellt, damit wir nicht zu sehr beansprucht werden. Vergib uns unsere beschränkten Versuche, dir zu dienen: nur wenn es ohne Mühe möglich war, es zu tun; nur an Orten, an denen es harmlos war, es zu tun; und nur mit denen zusammen, die es leicht machten, dir zu dienen.
Alle in die Arme schliessen
Gebet für unsere Erde
Guter Gott, Vater und Mutter, Geist und Leben aller Völker und Kulturen: Danke, dass du uns trägst und Leben gibst. Belebe uns mit dem Geist Jesu, damit wir nach seinem Beispiel Zärtlichkeit, Gerechtigkeit, Frieden und Hoffnung in den Herzen wachsen lassen. An den vielen Orten, wo das Leben bedroht und zerstört wird, hilf du uns, nicht Zuschauer/-innen zu sein angesichts von Schmerz, Diskriminierung und Ausbeutung unserer Schwestern und Brüder. Aber lass uns auch in Zärtlichkeit und Liebe fähig sein, alle in die Arme zu schliessen, besonders diejenigen, die sich von uns in Glaube, Sprache, Volk und Kultur unterscheiden. Gib uns genügend Mut und Tapferkeit, sodass wir mit unserem Einsatz für alles Leben auf dieser Erde dein Evangelium verbreiten. So sei es. Amen.
Allmächtiger Gott, der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist und im kleinsten deiner Geschöpfe, der du alles, was existiert, mit deiner Zärtlichkeit umschliesst, giesse uns die Kraft deiner Liebe ein, damit wir das Leben und die Schönheit hüten. Überflute uns mit Frieden, damit wir als Brüder und Schwestern leben und niemandem schaden. Gott der Armen, hilf uns, die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde, die so wertvoll sind in deinen Augen, zu retten. Heile unser Leben, damit wir Beschützer der Welt sind und nicht Räuber, damit wir Schönheit säen und nicht Verseuchung und Zerstörung. Rühre die Herzen derer an, die nur Gewinn suchen auf Kosten der Armen und der Erde. Lehre uns, den Wert von allen Dingen zu entdecken und voll Bewunderung zu betrachten; zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind mit allen Geschöpfen auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht. Danke, dass du alle Tage bei uns bist. Ermutige uns bitte in unserem Kampf für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden. Papst Franziskus
Sr. Raquel Peralta, Paraguay © Fastenopfer
Du hast um unsere Hände gebeten
Gott, vergib uns, erneuere uns, sende uns aus als brauchbare Instrumente, damit wir den Sinn deines Kreuzes begreifen.
Weitere Gebete sind auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/ gottesdienste verfügbar.
Aus Südafrika Danke, dass du Leben gibst.
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Weiteres zur Kampagne
Material zur Vertiefung Theologischer Impulstext Unter dem Titel «Leben für alle anstatt Leben auf Kosten anderer» bietet der theologische Impulstext biblische Vertiefungen und ethische Impulse zum Kampagnenthema. Er ist auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/ impulstext verfügbar.
globalen Südens zu befassen. Fiktiv zeigt er, dass das goldhaltige Napfgebiet in wenigen Jahren komplett abgetragen wäre, wenn es in einem Land wie Peru liegen würde. Der Film ist auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/filme verfügbar.
Informationen zu Gold
Musterpräsentation zur Kampagne
Hintergrundinformationen und Unterlagen zum Thema Gold finden Sie auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/gold
Auf der Website befindet sich eine Musterpräsentation zur Kampagne. Sie enthält:
Kurzfilm: Wenn der Napf ein Peruaner wäre Kurzfilm (5 Min) über Goldausbeutung von C. Schwingruber, Schweiz, aktualisiert 2015, ab 14 Jahren Der Anspielfilm lädt ein, sich aus Schweizer Sicht mit der Problematik des Rohstoffabbaus in Ländern des
– Ethische und theologische Grundgedanken zum Kampagnenthema – Forderungen der Konzernverantwortungsinitiative –H intergrundinformationen zu Gold- und Rohstoffhandel in der Schweiz – I nformationen zu den Projekten von Fastenopfer und Brot für alle
Gedicht von H. Heine Sie sang vom irdischen Jammertal, Von Freuden, die bald zerronnen, Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt Verklärt in ew’gen Wonnen. Sie sang das alte Entsagungslied, Das Eiapopeia vom Himmel, Womit man einlullt, wenn es greint, Das Volk, den grossen Lümmel. Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, Ich kenn auch die Herren Verfasser; Ich weiss, sie tranken heimlich Wein. Und predigten öffentlich Wasser.
Die Präsentation kann nach Belieben eingesetzt und den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden: www. sehen-und-handeln.ch/praesentation
Gut wie Gold – ein Inputtheater Céline, 28, in Aarau, macht sich schön für ihr Date und träumt von einem besseren Leben. Einem Leben nicht bloss mit Goldkette am Hals, sondern auch mit goldenem Ehering am Finger. Die jugendliche Malina macht sich in Burkina Faso schmutzig, weil sie in der Erde für einen Hungerlohn nach Gold schürft und auch von einem besseren Leben träumt … Ein Stück über Gold und den Zusammenhang von Luxus und Elend. Weitere Informationen finden Sie zusammen mit einem Begleitdossier unter www.sehen-und-handeln.ch/kultur
Quellenangaben
Ein neues Lied, ein besseres Lied, O Freunde, will ich euch dichten! Wir wollen hier auf Erden schon Das Himmelreich errichten. Wir wollen auf Erden glücklich sein, Und wollen nicht mehr darben; Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, Was fleissige Hände erwarben. Es wächst hienieden Brot genug Für alle Menschenkinder, Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, Und Zuckererbsen nicht minder.
. 22 Du hast um unsere Hände gebeten, S aus Südafrika. In: Velllguth Klaus (Hg). Wo die Sehnsucht Heimat findet. Verlag Butzon +Berker, Kevelaer 2002, S. 90 . 22 Gebet für unsere Erde. Papst S Franziskus. In: Laudato si, Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus, Über die Sorge für das gemeinsame Haus, Nr. 146 S. 22 Alle in die Arme schliessen. Sr. Raquel Peralta, Paraguay, ©Liturgische Bausteine 2013, MISEREOR, Aachen, S. 41. Fotos © Fastenopfer (Annette Boutellier, Meinrad Schade, Christoph Wider)
Aus: Deutschland. Ein Wintermärchen (vgl. Editorial) 23
«Wir können nur mit Gott reden, wenn wir unsere Arme um die Welt legen, und Gottes Wahrheit und Gerechtigkeit in alles hineintragen.» nach Martin Buber
Brot für alle – Wir bewegen Menschen
Fastenopfer – Menschen stärken Menschen
Partner sein – Solidarität weltweit
Brot für alle ist die Entwicklungsorganisation der Evangelischen Kirchen der Schweiz. Wir bewegen Menschen im Norden zu einer verantwortungsvollen Lebensweise und engagieren uns entwicklungspolitisch für das Recht auf Nahrung und Ethisch Wirtschaften. Im Süden unterstützen wir Menschen, sich aus Not und Hunger zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Gemeinsam mit Partnern vor Ort zeigen wir Missstände auf und setzen uns für die Rechte der Betroffenen ein.
Fastenopfer ist das Hilfswerk der Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz. Wir setzen uns im Norden wie im Süden für eine gerechtere Welt ein, in der die Menschen nicht unter Hunger und Armut leiden, sondern ein würdiges Leben führen. Wir arbeiten mit Partnerorganisationen in 14 Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika zusammen. Nebst dem Engagement vor Ort setzen wir uns in der Schweiz und weltweit für gerechte Strukturen ein, etwa bei Handels- und Wirtschaftsabkommen.
Das christkatholische Hilfswerk Partner sein sensibilisiert Menschen für die Themen Mission und Entwicklungszusammenarbeit. Es unterstützt und begleitet Projekte für die soziale und wirtschaftliche Entfaltung von benachteiligten Menschen. Die Projekte von Partner sein dienen der Hilfe zur Selbst- hilfe, wobei der Dialog mit den Projektpartnerinnen und den Projektpartnern Zeichen einer gelebten Solidarität mit den Christinnen und Christen anderer Länder ist.
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