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Mitteilungen der evangelischen Werke fĂźr die Kirchgemeinden

Nr.4 | 2015

Š Act Alliance / Paul Jeffrey

Kirche und Integration: Das Leben gemeinsam gestalten


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INHALT

contigo Mitteilungen der evangelischen Werke für die Kirchgemeinden Herausgegeben von Brot für alle, HEKS, Mission 21 und den OeME-Fachstellen Erscheint viermal jährlich im März, Juni, September und Dezember ISSN 1660-3788

Brot für alle Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23 Tel. 031 380 65 65, Fax 031 380 65 64 Mail: info@bfa-ppp.ch, Web: www.brotfueralle.ch Spendenkonto: 40-984-9

© HEKS

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DOSSIER

HEKS – Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Seminarstrasse 28, Postfach, 8042 Zürich Tel. 044 360 88 00, Fax 044 360 88 01 Mail: info@heks.ch, Web: www.heks.ch Spendenkonto: 80-1115-1

S4 – 9

Integration, ein vielfältiger Begriff. Matthias Herren benennt die Aufgabe der Kirche, offen zu bleiben und alle Menschen in die Gemeinschaft aufzunehmen. Die Bibel unterscheidet nicht zwischen Starken und Schwachen, Gesunden und Kranken. Ein Beitrag aus der Schweiz zeigt, wie eine afghanische Familie sich einlebt, auch wenn den vorläufig Aufgenommenen jederzeit die Ausweisung droht. In Rumänien bleibt häusliche Gewalt verbreitet, doch ein Tabuthema. Betroffene Frauen werden darum allein gelassen und häufig ausgegrenzt. uw

BROT FÜR ALLE

S10 – Der neue Geschäftsleiter Bernard DuPasquier sieht eine doppelte Herausforderung

S12 – Verhaftungen in Äthiopien: Unterstützung und Hintergründe S13 – Die Gäste der Ökumenischen Kampagne 2016 HEKS

S14 – Sammelkampagne 2015: Eine Zukunft für brasilianische Kleinbauernfamilien im Savannengebiet Cerrado

S16 – Neue Ausstellung zu Garten und Integration S17 – Humanitäre Hilfe für Flüchtlinge in Serbien

Mission 21 – Evangelisches Missionswerk Basel Missionsstrasse 21, 4009 Basel Tel. 061 260 21 20, Fax 061 260 21 22 Mail: info@mission-21.org, Web: www.mission-21.org Spendenkonto: 40-726233-3 OeME-Fachstellen der Kantonalkirchen Web: www.oeme.ch Redaktion Dorothee Adrian (do), Mission 21 Heinz Bichsel (hb), OeME Olivier Schmid (os), HEKS Urs Walter (uw), Brot für alle Redaktionsleitung Urs Walter Tel. 031 380 65 71 Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23 Mail: walter@bfa-ppp.ch Adressänderungen und Abonnementsverwaltung Administration Brot für alle Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23 Mail: contigo@bfa-ppp.ch Tel. 031 380 65 65 Fax 031 380 65 64 Layout grafik.trieb, 2560 Biel Druck rubmedia, 3084 Wabern

MISSION 21

S18 – Das neue Arbeitsheft «Mission Frieden» S19 – Tansania: Waisenkinder fördern und zur Selbständigkeit begleiten S20 – In Nigeria ziehen christliche und muslimische Familien ins neue gemeinsame Dorf Gurku

HINWEISE UND MEDIENTIPPS

S22 – Agenda und Nachrichten S23 – Bücher- und Filmtipps

Titelbild: Arbeiten alle mit, lässt sich die gemeinsame Zukunft gestalten: Bewohnerinnen und Bewohner eines Dorfes in Darfur, Südsudan, freuen sich über den neu gebauten Brunnen. Rückseite: Im Chocó, Region an der Grenze zwischen Kolumbien und Panama, wächst der Ort Cacarica. Vetriebene aus indigenen Völkern und afrikanisch stämmigen Dörfern finden eine neue Heimat für sich und ihre Kinder.


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EDITORIAL

Das Recht auf Integration Andreas Kressler, Direktor HEKS

Die Integration von Men-

rechte, die ohne jede Bedingung zu schützen sind

schen, die in wirtschaft-

– ungeachtet seiner sozialen Herkunft, seiner eth-

licher oder sozialer Not

nischen Zugehörigkeit, seines Alters, Geschlechts

sind und am Rand der

oder Religion.

Gesellschaft stehen, ist

© HEKS/Sabine Buri

eine

zentrale

Aufgabe

Wer integriert ist, hat Zugang zum sozialen, wirt-

von HEKS, Mission 21

schaftlichen, politischen und kulturellen Leben.

und Brot für alle. Sei-

Integration zu fördern bedeutet darum, Vorausset-

en es Flüchtlinge in der

zungen zu schaffen, um das Leben gemeinsam zu

Schweiz, Roma in Osteu-

gestalten. Das Recht auf Integration ist das Recht

ropa, Kleinbauernfamilien

auf ein selbstbestimmtes Leben.

in Afrika oder indigene Bevölkerungsgruppen

in

Was aber bedeutet Integration für eine afghani-

Lateinamerika: Sie alle

sche Flüchtlingsfamilie, die seit fünf Jahren in der

sind besonders gefährdet,

Schweiz lebt, aber jederzeit ausgewiesen werden

in ihren Rechten eingeschränkt und von der Gesell-

kann? Und was bedeutet Integration für Frauen in

schaft ausgeschlossen zu werden.

Rumänien, die unter häuslicher Gewalt leiden? Diesen Fragen gehen die beiden anderen Beiträge im

Diese Menschen vor Diskriminierung zu schützen

Dossier nach.

und in die Gesellschaft zu integrieren, gehört zum Kernauftrag kirchlicher Werke. Dies hält auch der erste Dossier-Beitrag fest. Denn jedem Menschen kommt eine universale Würde zu und Menschen-

Die Leiterin und die Leiter der drei Werke Brot für alle, HEKS und Mission 21 sowie der OeME-Fachstellen wechseln sich beim Schreiben des Editorials ab.


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INTEGRATION UND RELIGION

Die Kirchen haben keine Wahl Matthias Herren*

Der Einsatz für Benachteiligte und die Integration von Ausgegrenzten gehören zum Kernauftrag der Kirchen. Wollen sie Kirche sein, müssen sie unbeirrt an diesem Auftrag festhalten – gegen alle Ängste und Widerstände. Wenn Tausende von Menschen aus Krisengebieten in unserem Land Schutz und Sicherheit suchen, wenn Menschen aufgrund von Krankheit, Behinderung oder Herkunft ausgegrenzt werden, dann wird sehr schnell auch die Frage gestellt: Was tun die Kirchen? Welchen Beitrag leisten die Religionsgemeinschaften zur Linderung der Not? Wo helfen sie, Menschen am Rand oder ausserhalb der Gesellschaft (wieder) einen Platz in der Gemeinschaft zu geben?

den Kirchen gegenüber kritisch eingestellt sind, ja selbst staatliche Gremien, die der religiösen Neutralität verpflichtet sind, messen den Kirchen bei der Integration von Benachteiligten eine hohe Bedeutung zu. So schreibt die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen, dass «den Kirchen und Religionsgemeinschaften bei der Integration von Zuwandernden eine wichtige Rolle zukommt». Sie seien «Orte der persönlichen Identifikation und der gesellschaftlichen Zugehörigkeit». Tatsächlich haben die Kirchen in Notsituationen und bei der Integration von Benachteiligten – so schwerfällig sie manchmal wirken, wenn es um Veränderungen geht – oft «die Nase vorn». Als vergangenen Sommer Tausende von Flüchtlingen in die Schweiz kamen, stellten viele reformierte Kirchgemeinden von Bubikon bis Zürich-Neumünster den Flüchtlingen kurzerhand ihre Pfarrhäuser als Unterkunft zur Verfügung. Und der Zürcher Generalvikar beherbergte in der Wohnung der früheren Weihbischöfe eine Flüchtlingsfamilie.

© HEKS/Annette Boutellier

Begegnung mit Christus

Vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge müssen sich in kurzer Zeit in der Schweiz zurechtfinden und eine neue Existenz aufbauen. Christliche Hilfswerke helfen ihnen dabei.

Diese Fragen stellen sich selbst in einer Gesellschaft, in der die Kirchen nur wenig Gewicht im öffentlichen Leben haben. Auch Menschen, die mit Religion nichts am Hut haben oder

Warum eigentlich fühlen sich die Kirchen zu den Schwachen hingezogen? Wieso engagieren sie sich für die Integration von benachteiligten Menschen? Ein Blick in die Bibel macht den Grund schnell klar: Das Engagement ist in den Genen des jüdisch-christlichen Glaubens angelegt. Der Einsatz für Benachteiligte ist für christliche Religionsgemeinschaften nicht eine Option unter vielen, sondern gehört zu ihrem Kernauftrag und ihrer eigentlichen Berufung. Im Alten Testament erinnert Gott das Volk Israel regelmässig daran, dass es einst in Ägypten als Sklave behandelt wurde – und ruft es vor diesem Hintergrund im Buch Deuteronomium (24,17f) zum Einsatz für Benachteiligte auf: «Du sollst das Recht des Fremden und der Waise nicht beugen und das Kleid der Witwe nicht als Pfand nehmen, sondern du sollst daran denken, dass du Sklave gewesen bist in Ägypten und dass der HERR, dein Gott, dich von dort befreit hat.» Das Neue Testament nimmt diesen Gedanken in gesteigerter Form auf. Im Fremden, im Schwachen und Be-


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nachteiligten begegnen Christinnen und Christen sogar Christus selbst. In einem Gleichnis erzählt Jesus, wie der König beim Weltgericht zu den Gerechten sagt (Mt 25,35f): «Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.» Als sie darauf den König fragten, wann sie ihm denn begegnet seien, antwortete Jesus (Mt 25,40): «Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.»

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seln öffnen, die Stricke der Jochstange lösen und Misshandelte freilassen und dass ihr jedes Joch zerbrecht? Bedeutet es nicht, dem Hungrigen dein Brot zu brechen und dass du Arme, Obdachlose ins Haus bringst?»

Der Mensch als Ebenbild Gottes

© HEKS/Andreas Schwaiger

Diese Aufrufe stehen in der Bibel nicht isoliert da. Ihnen liegt ein Menschenbild zugrunde, das keinen Unterschied zwischen Starken und Schwachen, Kranken und Gesunden oder Einheimischen und Fremden kennt. Die Bibel misst jedem Menschen dieselbe Würde zu. Gott selbst gewährte sie, als er «den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf» (Gen 1,27). Daraus folgt, dass die Menschenwürde ausnahmslos allen Menschen zukommt und sie ohne jede Bedingung zu schützen ist. Die Bibel kennt keinen Unterschied zwischen Starken und Schwachen, Gesunden und Kranken. Eine Mitarbeiterin von Diakonia, der christlichen Stiftung der reformierten Kirche in Rumänien, bei einem Krankenbesuch. Dies sind nicht einfach nur ein paar schöne Floskeln. Die Bibel verdeutlicht, wie die universale Würde des Menschen ganz konkret zu verstehen ist. Beispielsweise Die biblische Botschaft ist klar: Wenn die Kirchen ihsollen am Sabbat nicht nur die Israeliten, sondern auch der rem Auftrag nachkommen wollen, dann können sie gar «Fremde bei dir in deinen Toren» keinerlei Arbeit tun, «danicht anders, als sich für Benachteiligte einzusetzen und mit dein Knecht und deine Magd ruhen können wie du». Menschen, die sich am Rand der Gesellschaft befinden, zu Auch im Buch Numeri (15,15f) verlangt Gott: «Einerlei integrieren. Um diese Haltung muss in den Kirchen jedoch Weisung und einerlei Recht für euch und den Fremden, der immer wieder gerungen werden. Auch in den Kirchen gibt bei euch weilt.». Ein paar Schritte weiter geht Paulus. Wähes Unbehagen über eine Welt, die sich sehr schnell veränrend sich die Juden noch von Andersgläubigen abgrenzen, dert. Es gibt Ängste, dass die Aufnahme von Menschen hält der Apostel in seinem Brief an die Gemeinde in Gafremder Sprachen, Kulturen und Religionen unsere Kalatien fest (Gal 5,28): «Da ist weder Jude noch Grieche, da pazitäten übersteigt und die Identität unserer Gesellschaft ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. gefährdet. Umso wichtiger ist es, dass sich die Kirchen an Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus.» den biblischen Grundauftrag erinnern und an ihm unbeirrt festhalten – gegen alle Ängste und Widerstände. Der Gegen alle Ängste und Widerstände Einsatz für die Schwachen und die Integration der Ausgegrenzten sind für die Kirchen zentral. Distanzieren sie sich Hinter der Forderung nach gleichem Recht für alle steht von ihm, hören sie auf, Kirchen zu sein. der Anspruch, dass auch Schwache und Ausgegrenzte zu ihrem Recht kommen sollen – ja, mehr noch: Auch die Benachteiligten sollen an der Fülle von Gottes Gaben Anteil * Matthias Herren ist Beauftragter für Kirchliche Zusammenarbeit beim HEKS haben. Die gerechte Verteilung der Güter steht sogar über der religiösen Praxis. So sagt der Prophet Jesaja (Jes 58,6f): «Ist nicht dies ein Fasten, wie ich es will: Ungerechte Fes-


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SCHWEIZ

Im Land der Milch Bettina Filacanavo (Text) und Luca Bricciotti (Fotos)

Vor fünf Jahren ist die Familie Fazili aus Afghanistan in die Schweiz geflüchtet. Heute ist sie gut integriert. Als vorläufig Aufgenommene droht aber jederzeit die Ausweisung. Die Hürden für eine Niederlassungsbewilligung sind hoch.

Die Pädagogin und die Angst Layloma Fazili ist Lehrerin und ihr Mann Omar Ingenieur. Bildung ist für sie das Wichtigste. In Afghanistan gingen alle ihre Kinder zur Schule. «Wir haben die Schweiz gewählt, weil hier jedes Kind ein Recht auf Bildung hat», sagt Layloma. Sie und ihr Mann opfern alles, damit ihre Kinder eine Zukunft haben. Und die sind nach fünf Jahren in der Schweiz sehr gut integriert: Die 17-jährige Mirya und der 16-jährige Shair besuchen das Gymnasium, der Erstklässler Sarir ist ein Mathematiktalent und erhält Förderunterricht. Samir ist sehr aufgeweckt, ein wandelndes Lexikon und ein guter Zeichner dazu. Und Nasir streckt jedes Mal, wenn er etwas fragen möchte, den Zeigefinger in die Luft, so, wie er es im Kindergarten lernt.

© HEKS/Luca Bricciotti

Vor fünf Jahren standen Layloma und Omar Fazili mit ihren fünf Kindern am Hauptbahnhof in Zürich. Das Ziel ihrer dreimonatigen Flucht aus Afghanistan war erreicht. Es war Mitternacht und regnete. Nur wenige Leute waren unterwegs. Die beiden Kleinsten, Samir, damals drei Jahre, und Sarir, ein Jahr alt, waren erschöpft und weinten. Die Familie hatte Hunger und Durst. Die älteste Tochter Mirya war damals zwölf Jahre alt, ihr Bruder Shair elf, Schwester Urya sieben und der Kleinste, Nasir, sollte wenige Monate später auf die Welt kommen. Die Polizei empfahl ihnen, in ein Hotel zu gehen. Der Rezeptionist meinte, sie müssten zwei Zim-

mer nehmen. Ihr Geld reichte aber nur für eines. Schliesslich hatte der Rezeptionist ein Einsehen und die Familie konnte sich für zwei Stunden in einem Zimmer ausruhen. Um sechs Uhr stand sie wieder auf der Strasse. Nach vielen Umwegen erreichte sie endlich das Durchgangszentrum für Asylsuchende in Kreuzlingen, konnte essen, trinken und schlafen. Das war ihr erster Eindruck von der Schweiz, dem Land der Milch und der Schokolade.

Layloma zuhause mit ihren sechs Kindern: Shair, Samir, Urya, Nasir, Mirya, Sarir (v.l.n.r.; es fehlt Vater Omar).

Nicht nur die Ausbildung der eigenen Kinder ist dem Ehepaar wichtig. Jeweils am Sonntag unterrichten sie und ihr Mann in Zürich andere Kinder aus Afghanistan. «Es ist sehr wichtig, dass sich die Kinder irgendwo zu Hause fühlen. Das ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration. Deshalb legen wir Wert darauf, dass sie ihre Muttersprache, ihre Kultur und Religion gut kennen. Denn sonst sind sie nirgendwo zu Hause, nicht hier und nicht dort», sagt Layloma.


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Integration im Garten Einmal in der Woche besucht Layloma den HEKS-Garten für Flüchtlingsfrauen in Auzelg in Zürich-Schwamendingen. HEKS mietet Im HEKS-Garten für Flüchtlingsfrauen in Auzelg in Zürich-Schwamendingen lernt Layloma Fazili viel über das Gärtnern und kann für einen Moment ihre Sorgen vergessen. Gartenparzellen auf dem Familiengartenareal und bewirtschaftet diese Familie 7000 Franken betragen. Doch die Arbeiten, die zusammen mit Flüchtlingsfrauen. Auch Laylomas Söhne Omar Fazili als vorläufig Aufgenommener bekommt, beNasir, Sarir und Samir begleiten sie in den Garten, helfen wegen sich nicht in dieser Lohnklasse. mit, spielen mit den anderen Kindern oder machen ihre Hausaufgaben. «Die Kinder kommen sehr gerne hierher. Der grosse Wunsch Und ich treffe hier meine Kolleginnen, wir arbeiten zusammen, essen gemeinsam Zvieri, und ich lerne viel über das «Der Status F ist sehr schwierig», empfindet Layloma. Gärtnern», berichtet Layloma. Im HEKS-Garten arbeiten «Viele Arbeitgebende wollen niemanden mit diesem Status zurzeit 13 Frauen. Betreut werden sie von einer Garteneinstellen. Und es gibt viele Hindernisse, um aus diesem fachfrau und von freiwilligen Helferinnen. Es wird Deutsch Status herauszukommen, auch wenn man sich um eine gute gesprochen. Der Garten ist für die Frauen Treffpunkt und Integration bemüht. Die Hürden für eine NiederlassungsFreizeit zugleich. bewilligung sind sehr hoch.» Dabei würde sie gerne etwas ans Familieneinkommen beisteuern und arbeiten, sagt sie, Ingenieur – doch Sozialhilfe bleibt nötig aber die Jüngsten seien noch zu klein, um alleine zu Hause zu bleiben. Fazilis würden es begrüssen, wenn die eigenen «Wir sind unendlich dankbar, dass wir hier in der Integrationsleistungen etwas mehr Gewicht erhalten würSchweiz aufgenommen wurden», sagt Layloma. Die Menden und nicht nur das Geld, das man verdiene. Doch bevor schen seien ihnen immer entgegengekommen und hätten die Familie die Niederlassungsbewilligung erhält, muss sie sie unterstützt. Die Familie tut alles, was in ihrer Macht ohne Sozialhilfe auskommen. Tochter Mirya hat mit Hilfe steht, um sich so gut wie möglich zu integrieren. Die Kindes Gymnasiums ein Stipendium für das aktuelle Schuljahr der sprechen perfekt Schweizer- und Hochdeutsch. Vater erhalten. Dank Stipendium und einem Nebenjob ist sie nicht Omar, der Ingenieur, hat seit ihrer Ankunft in der Schweiz mehr von der Sozialhilfe abhängig. Auch Shair hat ein Stiimmer gearbeitet, sei es in der Reinigung oder in der Gaspendium erhalten und kann bald ohne Sozialhilfe leben. Sotronomie. Im Bereich Gastronomie hat er eine Ausbildung mit muss das Einkommen der Familie «nur» noch für sechs absolviert, konnte aber keine feste Stelle finden. Die GrünPersonen genügen. Die Niederlassungsbewilligung ist ein de: Zu hohe Kinderzulagen, Status F, sein Alter und seine kleines Stück näher gerückt. geringe Erfahrung in der Gastronomie. Schliesslich fand er in der Hauswirtschaft einen Job. Er arbeitet von Mittag bis Mitternacht und verdient mit Kinderzulagen 5000 Franken im Monat – zu wenig, um ohne Sozialhilfe zu leben. Laut Budget des Migrationsamtes müsste das Einkommen der

© HEKS/Luca Bricciotti

Sie selber möchte gerne noch besser Deutsch lernen. Aber die Kraft reicht kaum dafür. Im Deutschkurs kann sie sich nicht gut konzentrieren. Die schlimmen Ereignisse, die zur Flucht geführt haben, und die traumatisierende Flucht selber hinterliessen Spuren: «Das Leid, das wir erlebt haben, die Familienangehörigen, die zurückgeblieben sind, meine Mutter, die sehr krank ist und die ich nicht besuchen kann – all das beschäftigt mich». Und dann sei da auch immer die Angst vor der Ausweisung. Denn die Familie ist nur vorläufig aufgenommen. Asyl hat die Familie nicht erhalten. Was, wenn sie zurück muss?


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RUMÄNIEN

Die Opfer aus der Isolation holen Olivier Schmid

Häusliche Gewalt ist in Rumänien weit verbreitet, in der Öffentlichkeit jedoch ein Tabuthema. Beratungsstellen sind rar und die Opfer bleiben oft auf sich allein gestellt. Die Reformierte Kirche in Rumänien bietet ihnen Schutz und Unterstützung. Rumänien ist ein patriarchalisch geprägtes Land. Obwohl die Gleichberechtigung in der rumänischen Verfassung festgeschrieben ist, herrscht in der Bevölkerung noch immer die Meinung vor, dass Frauen gegenüber ihren Männern gehorsam und unterwürfig sein sollen. Gibt es in einer Familie Gewalt, wird sie als Privatangelegenheit betrachtet, als ein Problem, das innerhalb der Familie gelöst werden müsse. Viele Frauen glauben, dass es ihr Fehler sei, wenn ihr Partner oder auch ein Verwandter sie bedroht oder misshandelt – und trauen sich nicht, zur Polizei zu gehen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch können sich viele von ihnen keine eigene Wohnung leisten, da sie gar kein oder nur ein geringes Einkommen haben. Und staatliche Sozialwohnungen sind rar. Finanziell vom Gewalttäter abhängig, leben sie deshalb häufig weiterhin mit ihm unter einem Dach.

Vor diesem Hintergrund nimmt die Reformierte Kirche in Rumänien (RKR), die im ländlichen Raum oft die einzige lokale Organisation ist, eine wichtige soziale Aufgabe wahr. Im Rahmen ihrer diakonischen Aktivitäten fördert sie die Integration von sozial isolierten Bevölkerungsgruppen. Mit der Stiftung Lampas baut sie in Oradea im Bezirk Bihor seit 2014 ein Beratungszentrum für die Opfer von häuslicher Gewalt auf. Ziel von Lampas ist es, häusliche Gewalt in der Öffentlichkeit zu thematisieren und mittels Präventionsarbeit zu verringern. Die Opfer werden zudem psychologisch und juristisch unterstützt, damit sie ihr Leben neu ordnen und der Gewalt entkommen können.

Ein Netzwerk aufbauen

So werden in Rumänien Tausende von Frauen in ihren eigenen vier Wänden verbal bedroht, sozial isoliert, geschlagen oder sexuell missbraucht. In den meisten Fällen sind auch Kinder betroffen. Wie viele unter häuslicher Gewalt leiden, ist nicht bekannt. Denn in vielen Fällen wird diese von den Behörden nicht als solche betrachtet.

Um häusliche Gewalt wirkungsvoll zu bekämpfen, ist die Zusammenarbeit mit verschiedenen staatlichen sowie kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen wichtig. Nur so können die Menschen wirkungsvoll für das Thema sensibilisiert und die Opfer professionell unterstützt werden. Lampas knüpft darum Kontakte zu Spitälern, Sozialämtern, Universitäten und Schulen, ebenso zu Nichtregierungsorganisationen, die mit potenziellen Opfern von häuslicher Gewalt in Berührung kommen. Eine wichtige Rolle bei der Sensibilisierung der Bevölkerung spielen auch die Kirchgemeinden. Pfarrer, die mit den vielfältigen Formen, Ursachen und Wirkungen von häuslicher Gewalt vertraut sind, können in Gottesdiensten, während des Religionsunterrichts oder bei Hochzeitsvorbereitungen für das Thema sensibilisieren und so mithelfen, häusliche Gewalt zu erkennen und zu verhindern.

Manchmal endet die Gewalt tödlich. Allein im Jahr 2012 starben 360 Menschen an ihnen zugefügten Misshandlungen. Im gleichen Jahr verschärfte die Regierung ein Gesetz zur Prävention von innerfamiliärer Gewalt, und die Gerichte sprachen in den folgenden eineinhalb Jahren 2450 Schutzmassnahmen aus. Staatliche und private Frauenhäuser, wo die Opfer vor der Gewalt Zuflucht finden, gibt es in Rumänien aber zu wenige. Und seit wegen der Finanzkrise gespart wird, ist deren Zahl weiter gesunken.

Lampas organisiert auch «runde Tische», an denen sich Lehrpersonen, Schulvertreter, Sozialarbeiterinnen, forensische Mediziner, Anwältinnen und Polizeivorsteher über die Erfahrungen bei der Prävention und im Kampf gegen häusliche Gewalt austauschen und neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln. So führt Lampas seit Anfang Jahr mit der Polizeibehörde des Bezirks Bihor sowie mit «Social Assistance and Child Protection» und «Smiles Association» eine Präventionskampagne durch. Informationsveranstaltungen

Der Gewalt entkommen


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© HEKS/Andreas Schwaiger

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Im Frauenhaus «Home of Esther» der Reformierten Kirche in Rumänien erhalten Frauen und Kinder vorübergehend Schutz vor der erlittenen Gewalt sowie Hilfe, um ihr Leben neu ordnen zu können.

an Schulen, Universitäten und in Waisenhäusern sensibilisieren Kinder, Studierende und Lehrpersonen für die verschiedenen Formen von häuslicher Gewalt. Strassenaktionen in Bahnhöfen, Fussgängerzonen und an Märkten, Infomaterial wie Flyer, Plakate und T-Shirts sowie Beiträge im Fernsehen bringen das Tabuthema an die Öffentlichkeit. Broschüren mit Beispielen von möglichen Gewaltsituationen und Informationen über Beratungsstellen werden an Gemeinden, Spitäler, Polizeistationen und Organisationen verteilt.

wird. Kürzlich begann er, auch die Tochter zu misshandeln. Lampas informierte die Frau, die weiterhin mit ihrem ExMann zusammenlebte, über ihr Recht auf Schutz und über die Möglichkeit, in ein Frauenhaus zu gehen. Sie verzichtete darauf, ihren Ex-Mann anzuklagen, beantragte aber mit Hilfe von Lampas eine Sozialwohnung. Ihr Antrag ist bei den Behörden noch immer pendent – mittlerweile hat sie aber mit Unterstützung von Lampas eine erschwingliche Wohnung für sich und ihre Kinder gefunden.

Vertrauen gewinnen

Damit Lampas den Opfern in Fällen wie diesem auch kurzfristig Schutz anbieten kann, will die Stiftung in naher Zukunft ein Frauenhaus eröffnen. Ein solches führt seit 2008 «Home of Hope», eine andere soziale Organisation der RKR. Im «Home of Esther» im siebenbürgischen Braşov können die Opfer vorübergehend zur Ruhe kommen. Sie werden psychologisch unterstützt und erhalten Hilfe bei der Suche nach einer eigenen Wohnung oder einer Arbeitsstelle. So gewinnen sie Selbstvertrauen und finden einen Weg aus der Gewalt.

Bis die Opfer von den Unterstützungsangeboten Gebrauch machen, braucht es Zeit. Denn in Rumänien haben insbesondere Frauen nur sehr wenig Vertrauen in Institutionen. Daher kontaktieren sie die Anfang 2015 eröffnete Anlauf- und Beratungsstelle von Lampas nur sehr zögerlich und nehmen zuerst einmal telefonisch Kontakt auf. So auch eine 38-jährige Frau aus Oradea, Mutter einer 18-jährigen Tochter und eines achtjährigen Sohnes, die seit Jahren von ihrem Ex-Mann körperlich misshandelt und verbal bedroht


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Wurzeln: Wir kennen unsere Stellung in der Welt nicht mehr. In den Bereichen Recht auf Nahrung und Ethisch Wirtschaften setzt sich Brot für alle für eine Landwirtschaft und eine Produktion ohne Ausbeutung von Menschen und der natürlichen Ressourcen ein. Wir engagieren uns für ein neues Paradigma im Agrarbereich und eine Wirtschaft, die dem Leben dient. Brot für alle bejaht die Transformation zu einer anders gestalteten Vision der Menschlichkeit und der Welt. Mit Hilfe der Ökumenischen Kampagnen, die wir gemeinsam mit Fastenopfer und Partner sein durchführen, wollen wir auch die Öffentlichkeit bewegen und für diesen Wandel motivieren.

BERNARD DUPASQUIER

Für Modelle voller Hoffnung und Zukunft Urs Walter

Seit September leitet Bernard DuPasquier Brot für alle. «Wir müssen zeigen, welche Gesellschaftsmodelle Hoffnung und Zukunft in sich tragen», wünscht er sich. Und: «Die Verbindung der Engagements im

© Brot für alle / Kassem Belkalem

Norden und im Süden soll sichtbarer werden».

«Brot»-Wechsel bei Brot für alle: Beat Dietschy (l.) hat anlässlich der erfolgreichen Tagung zum Thema «Hunger, Wut & Wandel» die Leitung von Brot für alle an Bernard DuPasquier übergeben.

Bernard DuPasquier war Geschäftsleiter der Jugendorganisation Cevi Schweiz – doch wer sich für Brot für alle engagiert, ist in der Regel etwas älter. Wie viel jugendlicher Schwung kommt noch mit? Meine Töchter rufen mir immer wieder in Erinnerung, dass auch ich älter geworden bin! Für mich sind die heutigen Herausforderungen generationenübergreifend. Es geht um nichts weniger als darum, unsere Lebensweise und unsere Vision der Welt zu überdenken, damit die Menschlichkeit und die Erde eine Zukunft haben. Brot für alle hat nicht nur die Aufgabe, zur Solidarität mit den Ärmsten aufzurufen. Wir müssen auch zeigen, welche Gesellschaftsmodelle Hoffnung in sich tragen und eine gute Zukunft ermöglichen. Wie positioniert sich das Werk heute? Die Arbeitsfelder von Brot für alle sind ganz aktuell. Die Welt steht vor einer doppelten Herausforderung: der ökologischen und der ökonomischen Krise. Beide haben spirituelle

Und welche Akzente werden neu gesetzt? Ich wünsche mir, dass die Verbindung zwischen unserem Engagement im Norden und im Süden deutlicher sichtbar wird. Die Umstände sind unterschiedlich, doch die Themen bleiben die gleichen. Bringt Urban Gardening den Anbau von Lebensmittel auf die Dächer unserer Städte, dient das dem gleichen Ziel wie der Kampf der Bauernfamilien im Süden um die Kontrolle über ihr Saatgut: Es geht um Ernährungssouveränität. Oder in Bezug auf die multinationalen Konzerne: Ihre Geschäfte am Stammsitz in der Schweiz lassen sich nicht von jenen ihrer Tochterfirmen im Ausland trennen. Darum sind wir auch vom Geschehen bei beiden betroffen. Unsere Kampagnen müssen diese Verbindungen ebenso hervorheben wie unsere Möglichkeiten zum Handeln sowohl auf lokaler Ebene wie global. Noch eine ganz andere Frage: Eher selten leiten Westschweizer eine nationale Organisation. Macht das die Aufgabe anders? Mein Engagement für Brot für alle betrachte ich nicht unter einem sprachregionalen Aspekt. Ich sehe meine Rolle vielmehr darin, gemeinsam mit der ganzen Equipe und allen Ansprechpersonen und in Übereinstimmung mit unseren Werten die Organisation weiter zu entwickeln. Zusätzlich zu meiner Kultur bringe ich meine Sensibilität für neue Formen der Organisation ein, wie ich sie in anderen Bereichen erkenne. Ausdruck dafür ist meine Initiative, dass ich und die Mitarbeitenden Personen und Unternehmen besucht haben, die ausdrücklich ihre Werte in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Tun wir das als Nichtregierungsorganisation ebenfalls und strukturieren uns gemäss unseren Werten, folgt der Austausch der Sprachregionen von selbst.

Erfolgreiche Tagung

Rund 200 Gäste trafen sich zur Tagung von Brot für alle vom 11. September. Informationen, Diskussionen in Workshops und viel Austausch prägten den erfolgreichen Tag. Die Referate und ein Video finden Sie auf www.brotfueralle.ch/tagung.


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Zivilgesellschaft und Exporte

Gute Noten und Kritik an den SDG Deborah Dummermuth *

Erstmals sind nachhaltige Entwicklungsziele der UNO wirklich global. Positiv beurteilt Brot für alle, dass die Entwicklungsfrage des Nordens einbezogen wurde: Lebensstil, Konsum, Umweltverhalten. Erfolg bringt aber erst ein grundlegender Kurswechsel.

© Brot für alle / Urs Walter

Die Post-2015-Entwicklungsagenda 2030 umfasst viele Ziele. Ambitiös soll die «Transformation der Welt zum Besseren» erreicht werden. Hunger und Armut sollen nicht nur vermindert werden, sondern wie andere Plagen auch verschwinden. Punkt 1 der Sustainable Development Goals (SDG) postuliert «Ende der Armut in all ihren Formen und überall» und Punkt 2 dasselbe für den Hunger. Den Erfolg soll eine «nachhaltige Entwicklung» bringen: Nachhaltige Landwirtschaft, nachhaltiger Umgang mit Wasser, nachhaltige Energie. Diese nachhaltige Entwicklung soll wirtschaftlich, sozial und umweltbezogen erfolgen.

Weder Armut noch Hunger: Entwicklungspolitisch ist nicht alles in der Agenda 2030 zielführend – auch nicht für diesen Buben in Kamerun.

Als Voraussetzung dafür werden in der Agenda 2030 zu Recht die Förderung friedlicher Gesellschaften und der Einbezug aller Bevölkerungsgruppen genannt. Positiv bewertet Brot für alle insbesondere, dass neu die Länder des Nordens ausdrücklich in die globale Verantwortung gerufen werden. Dies entspricht auch dem Ziel der Konzernverantwortungsinitiative, für die Brot für alle und weitere Organisationen Unterschriften sammeln.

Der Privatsektor nimmt eine bedeutende Rolle in der Entwicklungsfinanzierung und damit in der Umsetzung der Agenda ein. Entsprechend erhält er viel Freiraum für wirtschaftliche Aktivitäten, Investitionen und Innovationen. Aus Sicht von Brot für alle fehlt das Augenmerk Die Finanzierung von mehr Bildung und weiteren auf internationale Standards Zielen der Agenda 2030 bleibt offen. und Abkommen, die den Schutz von Umwelt und Menschenrechten sicherstellen. Auch die Macht des finanzstarken Privatsektors, schwachen Ländern die Regeln zum eigenen Vorteil zu diktieren, muss begrenzt werden. Gegen diese Macht engagiert sich Brot für alle aktiv in internationalen Netzwerken. Der Einfluss der Finanzmärkte und internationaler Agrar- und Rohstoffkonzerne, die sich immer mehr öffentliche Güter wie Land und natürliche Ressourcen auf Kosten der bäuerlichen Produzentinnen und Produzenten aneignen, muss eingedämmt werden.

Umsetzung entscheidet über Erfolg Und nicht zuletzt gilt: Ziele auf Papier sind gut, entscheidend bleibt die Umsetzung. Diese ist Sache der Regierungen, Organisationen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft. Nur wenn sie alle die Menschen und «Mutter Erde« – in vielen Ländern und Regionen ein gängiger Ausdruck – tatsächlich ins Zentrum ihrer Tätigkeiten stellen, wird eine nachhaltige Entwicklung für alle erreicht. Link zum Dokument der UN mit Kurzfassung über www.eda.admin.ch/post2015 * Deborah Dummermuth, Praktikantin Entwicklungspolitik Brot für alle

© Brot für alle / Urs Walter

ENTWICKLUNGSAGENDA 2030

Noch ungenügend beschrieben bleibt in der neuen Agenda die Verantwortung der Zivilgesellschaft in diesem Wandel. Künftig sollen Konsum und Produktion nachhaltig sein und nur noch halb so viele Lebensmittel wie heute im Abfall landen. Solcher Wandel gelingt nur, wenn Viele umdenken und ihr Wirtschaftsverhalten ändern. Weitere wichtige Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung bleiben ausser Acht. Die Dominanz der Finanzmärkte oder die Idee des unbegrenzten Wirtschaftswachstums werden als systemische Ursachen des globalen Ungleichgewichts nicht thematisiert. Im Gegenteil: Globalisierung, der internationale Handel, sollen als Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung Armut vermindern. Zentral sei, dass sich dabei der Anteil der Exporte der Entwicklungsländer am Welthandel verdopple (SDG 17.11).


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ÄTHIOPIEN

Bei Verträgen mit Äthiopien Menschenrechte einfordern Wer in Äthiopien die Regierung kritisiert oder sich für die Rechte von Minderheiten einsetzt, wird schnell mit dem Verdikt «terroristisch» versehen. Sieben Personen wurden im März 2015 verhaftet. Dies, als sie an den von Brot für alle mitorganisierten Workshop zu Ernährungssicherheit, Landrecht und Saatgut in Kenia reisen wollten. Drei von ihnen wurden im September unter dem rigiden äthiopischen Antiterrorismus-Gesetz angeklagt. Die andern sind freigelassen worden. Omot Agwa, einer der drei Angeklagten, hatte schon an einer ähnlichen Veranstaltung von Brot für alle teilgenommen. «Der Vorwurf, die Festgenommenen seien Terroristen, ist absurd und wir weisen ihn als unbegründet zurück», betont Miges Baumann, Leiter Entwicklungspolitik bei Brot für alle. Doch ein diktatorisches und zentralistisches Regime wie in Äthiopien duldet keine Opposition. Das spürt nicht nur die Ethnie der Anuakaus, aus der Omot Agwa stammt. Umso wichtiger ist, dass diese Menschenrechtsverletzungen öffentlich gemacht werden. Aber: Ausländische Firmen investieren immer mehr in Äthiopien. Das beansprucht viel Land. Oft werden Kleinbauernfamilien vertrieben und verlieren ihre Lebensgrundlage. Äthiopien erhält auch hunderte Millionen Dollar Entwicklungsgelder. Aus der Schweiz sind es jährlich rund 8 Mio. Franken. Ende Oktober 2015 wurden weitere 6 Mio. Hilfe vereinbart, um die Lage der Flüchtlinge aus den Nachbarländern zu verbessern. Zwingend müssen bei jeder Vereinbarung die Rechte und die Würde von Minderheiten einbezogen werden, fordert Brot für alle. Für die Deza, die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit, ist verankert, dass die Schweiz die Einhaltung der Menschenrechte in der Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigt. uw

Vom anerkannten Übersetzer zum angeklagten «Terroristen» Wer Omat Agwa Okwoy traf, begegnete einem sympathischen Pfarrer und engagierten Fürsprecher der grossen Volksgruppe der Anuak im Südwesten des Landes. Doch

der Einsatz des prominenten Mannes für die vorwiegend christlichen Anuak brachte die Regierung in Addis Abeba immer wieder in Verlegenheit. Ungeschminkt sprach Omot Agwa über Gewalt und Tötungen gegen Angehörige des indigenen Volkes, die angeblich durch die staatlichen Sicherheitskräfte verübt wurden. Der Pastor hatte 2014 unter anderem als Übersetzer und Vermittler für eine Untersuchungskommission der Weltbank gearbeitet, die einer Beschwerde der Anuak nachging. Die Menschen in der Re- Omot Agwa Okwoy gion Gambella hatten bei der Weltbank interveniert, weil sie ein von der Bank in Gambella finanziertes Projekt als Auslöser für Zwangsumsiedlungen, Vergewaltigungen und weiteren Gewalttaten durch äthiopische Soldaten sahen.

Bitte um weitere Unterstützung für die inhaftierten Äthiopier Brot für alle nutzt diplomatische Kanäle und beteiligt sich an den Kosten des Anwaltes für die Inhaftierten. Aber auch Sie alle können sich für die Inhaftierten und ihre Familien einsetzen. Öffentlicher Druck, Spenden, aber auch Gebete helfen und dienen der Stärkung. Spende: www.indiegogo.com/projects und nach «Omot» suchen. Die Links und weitere Informationen zum Fall und das Vorgehen von Brot für alle: www.brotfueralle.ch/aethiopien

Omot Agwa pflegte weitere internationale Kontakte. Er nahm auch an einem 2014 von Brot für alle mitorganisierten Workshop mit anderen Engagierten im Kampf gegen Land Grabbing und seine Folgen für das Recht auf Nahrung der betroffenen Bevölkerung teil. Seinen Einsatz wollte er im März 2015 am Anlass zu Landrechten und der Sicherung von freiem Saatgut für Kleinbauern weiterführen. Der Workshop in Nairobi wurde von Brot für alle, Grain und Anywaa Survival Organization (ASO) organisiert. Heute lebt seine Familie in einem Flüchtlingslager im Sudan. Omot Agwas Gesundheitszustand sei schlecht, heisst es aus seinem Umfeld. Wird er schuldig gesprochen, erwarten ihn zwischen 20 Jahren und lebenslänglicher Haft. uw Informationen auf www.brotfueralle.ch/aethiopien

© Dead Donkeys Fear No Hyenas / WG Film

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ÖKUMENISCHE KAMPAGNE 2016

Impulsveranstaltungen

Was heisst Konzernverantwortung? Gäste aus Südafrika berichten Die Verantwortung der Schweizer Konzerne darf nicht an den Landesgrenzen halt machen. Ein Rohstoffhändler wie Vitol muss beim Bezug von Kohle aus Südafrika Menschenrechte und anerkannte Umweltstandards beachten. Doch vieles liegt im Argen, wissen die Beobachter der Bench Marks Foundation. Viele, meist junge Beobachterinnen und Beobachter, sammeln die Daten und dokumentieren Missbräuche. Recherchen und Analysen vor Ort zeigen die Folgen des Bergbaus. Vertieften Einblick geben während der ökumenischen Kampagne 2016 Moses Cloete, Vizedirektor der Bench Marks Foundation, und Präsident Bischof Johannes «Jo» Seoka.

Ab Mitte Januar können Sie zur Vorbereitung der Ökumenischen Kampagne 2016 Impulstagungen besuchen. Über zwanzig Veranstaltungen geben Einblick ins Kampagnenthema «Verantwortung tragen – Gerechtigkeit stärken» und Anregungen, wie dieses in Katechese, Gottesdienst oder Veranstaltungen in der Gemeinde umgesetzt werden könnte. Übersicht und aktuelle Informationen auf www.sehen-und-handeln.ch/impulsveranstaltungen. uw

Gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln Am 28. Februar 2016 wird über die Initiative «Stopp der Spekulation mit Nahrungsmitteln» abgestimmt. Im Bereich Recht auf Nahrung befasst sich Brot für alle seit Jahren mit dem Thema, unabhängig von der Initiative. Darum unterstützt Brot für alle das Anliegen der Initiative, ist aber nicht eine der Trägerorganisationen. uw

© Brot für alle

fairfuture.ch – eine ergänzende Webseite

Kampagnengäste Moses Cloete (links) und Johannes Seoka

Cloete ist Mitbegründer der Initiative verschiedener südafrikanischer Kirchen. Seoka leitete nach dem Theologiestudium in Chicago die Urban Industrial Mission, ein ökumenisches Programm für Fabrik-, Minen- und Farmarbeiter. Bekannt wurde er durch seinen Einsatz für die Opfer des Massakers bei der Mine von Marikana. uw

Verantwortliches Wirtschaften hat viele Facetten. Erkunden Sie das spielerisch auf www.ceo-for-a-day.ch. Wie unterschiedlich sich Entscheide auswirken, erhellen die Spinnendiagramme von fünf Managertypen. Mit dem Onlinespiel wurde die Adresse www.fairfuture. ch eingerichtet. Sie dient als Plattform für gemeinsame Aktivitäten und Kampagnen von Brot für alle und Fastenopfer. Werden Sie für gewisse Inhalte rund um unsere entwicklungspolitische Arbeit auf die Seite fairfuture.ch weitergeleitet, stecken also weder Tippfehler noch Hacker dahinter. Einstiegsseiten bleiben www.brotfueralle.ch und für die Ökumenischen Kampagnen www.sehen-und-handeln.ch. uw

Einsatzzeiten Moses Cloete: 12. bis 22. Febr. 2016; Jo Seoka: 24. Febr. bis 7. März 2016 Information und Anfragen: forster@bfa-ppp.ch, 031 380 65 92

PERSONALIA Sich elektronisch informieren Die Ökumenische Kampagne 2016 beginnt bereits am 10. Februar. Die Unterlagen für die Vorbereitung in den Kirchgemeinden wurden Anfang November versandt. Weitere Hinweise und die neusten Angebote auf www.sehenund-handeln.ch; die ausführlichen Bildungsunterlagen auf www.sehen-und-handeln.ch/bildung). uw

Neue Koordinatorin der KoGe Madeleine Bolliger hat am 1. Oktober 2015 die Stelle als Koordinatorin der KoGe (Kooperationsgemeinschaft) angetreten. Die KoGe und ihre Fachgruppen begleiten die Arbeit von elf reformierten Entwicklungswerken und unterstützen sie in der Qualitätssicherung. uw


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Zuckerrohr- und vor allem Eukalyptus-Monokulturen ersetzt. Die Eukalyptusbäume werden vor Ort zu Holzkohle für die Eisen- und Stahlindustrie verarbeitet. EukalyptusZellstoff wird exportiert und für die Herstellung von Toilettenpapier, Papiertaschentüchern oder Windeln verwendet.

SAMMELKAMPAGNE

Ein Traum in der grünen Wüste Hanspeter Bigler*

Der Cerrado in Brasilien ist ein fragiles Ökosystem, das von der expandierenden Agrarindustrie massiv bedroht wird. HEKS unterstützt Kleinbauernfamilien dabei, brachliegendes Land nachhaltig zu bewirtschaften und ihre Produkte gemeinsam zu vermarkten.

© HEKS / Christian Bobst

Die Eukalyptusbäume ziehen an der Fensterscheibe vorbei wie kleine Spielzeugsoldaten, eine Armee, ausgerichtet in Reih und Glied und so weit das Auge reicht. Der Staub der Autopiste, die den Wald in Stücke schneidet, erfüllt die Luft mit einem stickigen, roten Schleier. «Die «grünen Wüsten», wie die Eukalyptus-Monokulturen genannt werden, haben sich im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais bereits über 50 000 Quadratkilometer ausgebreitet. Der EukalyptusAnbau ist ein boomendes Geschäft. Weil die Bäume schnell wachsen, versprechen sie raschen Profit. Bereits nach fünf bis sieben Jahren können die Stämme gefällt werden. Nach drei Baumgenerationen ist der Boden ausgelaugt.

Cido und seine Familie bewirtschaften ihr Land im Einklang mit der Biodiversität des Cerrado.

Die Kleinbauern müssen weichen Der Cerrado, die artenreichste Savanne der Welt und mit einer Fläche von über zwei Millionen Quadratkilometern das zweitgrösste Ökosystem Brasiliens, wird vom Expansionsdrang der agrarindustriellen Grossprojekte massiv bedroht. Etwa zwei Drittel der ursprünglichen Vegetation wurden bereits niedergebrannt oder gerodet und durch Sojabohnen-,

In vielen Fällen machen die Agrar-Konzerne den einheimischen Kleinbauern ihr seit Generationen bewirtschaftetes Land streitig. «Die traditionellen Gemeinschaften wurden zwar rechtlich anerkannt und das Land ihnen zugesprochen; trotzdem werden viele dieser Territorien von Grossunternehmen beansprucht», erklärt Vicente Puhl, HEKS-Landesdirektor von Brasilien. Die Eukalyptus-Monokulturen zerstören nicht nur die biologische Vielfalt der Region, der hohe Wasserbedarf der Bäume führt auch zu einem tieferen Grundwasserspiegel. Die Flüsse trocknen aus und die in die Täler vertriebenen Kleinbauern verlieren ihre Wasserversorgung. Zudem gelangen Pestizide ins Wasser und in die Nahrungskette. «Das Überleben vieler landloser Bauern ist massiv bedroht», erklärt Vicente Puhl.

Ein alternatives Entwicklungsmodell Wie können die Kleinbauernfamilien so überhaupt überleben? Aparecido Alves de Souza, genannt Cido, lebt seit fünfzehn Jahren in der Siedlung Americana mitten im Cerrado. Als landloser Kleinbauer besetzte er im Jahr 2000 gemeinsam mit anderen Landlosen brachliegendes Land, um seine Familie zu ernähren. Gemäss brasilianischer Verfassung können Kleinbauern legale Nutzungsrechte erhalten, wenn sie unproduktives Land bewirtschaften. Die Zeit der Landbesetzung war äusserst entbehrungsreich. Während Jahren lebten die Familien in winzigen Strohhäusern und mussten drei Kilometer bis zur nächsten Wasserstelle laufen. Es gab keine Strassen oder Elektrizität. Die HEKS-Partnerorganisation Centro de Agricultura Alternativa (CAA) unterstützte die Landlosen, sich als Gemeinschaft zu organisieren und schulte sie in Agrarökologie. Gemeinsam entwickelten sie Methoden der Bewirtschaftung, die im Einklang mit der vorhandenen Biodiversität des Cerrado steht. Die Kleinbauern gründeten eine Genossenschaft, um gemeinsam ihre Produkte zu vermarkten. «Die Kooperative trägt eine grosse Verantwortung, traditionelle Territorien zu stärken», erklärt Cido. «Gleichzeitig hilft sie bei der Nutzung der Früchte, die hier wachsen. Wir sammeln die wildwachsenden Pflanzen und Früchte, zudem pflanzen wir einheimische Pflanzen, um unsere Produktion zu diversifizieren. Damit sichern wir die Existenzgrundlage der Bauernfamilien und schaffen einen Anreiz, dass sie hier weiterleben und ihr Land verteidigen können.» Sein Blick schweift immer wieder zu den Fruchtbäumen. Nicht ohne Stolz ergänzt er: «Das hat die Kooperative gemeinsam mit HEKS aufgebaut.»


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© HEKS / Christian Bobst

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Eukalyptus-Monokultur in der Region Minas Gerais in Brasilien

Die Apotheke im Hinterhof Heute leben siebzig ehemals landlose Kleinbauernfamilien in der Siedlung Americana. Vierzig Prozent ihres Einkommens generieren sie mit der Sammelwirtschaft. Cido und seine Frau Elei kultivieren rund sechzig verschiedene Pflanzensorten. Dank CAA haben sie gelernt, Medikamente herzustellen. «Der Cerrado ist wie eine Apotheke direkt in unserem Hinterhof», meint Elei lächelnd. «Wir stellen selber homöopathische Medizin her. Der Cerrado ist sehr reich und sehr wichtig für mich.»

Die Kleinbauern müssen sorgsam mit den vorhandenen Ressourcen umgehen. Wegen des Klimawandels bleibt die Regenzeit immer häufiger aus. CAA hat Bewässerungsmethoden entwickelt, die den klimatischen Bedingungen im Cerrado optimal angepasst sind. Trotzdem mussten Cido und Elei dieses Jahr mehrere Tiere verkaufen, um die Dürreperiode zu überstehen. Es ist deshalb wichtig, dass die Wertschöpfungskette der Bauern – von der Produktion über die Verarbeitung bis zur Vermarktung der Cerrado-Früchte – effizienter wird.

«Macht Spenden Sinn?» «Falls Sie sich fragen, ob Spenden Sinn macht – fragen Sie ihn!» fordert HEKS die Bevölkerung in seiner Sammelkampagne 2015 auf – und geht mit der Kampagnenwebsite www.fragen-sie-ihn.ch neue Wege im Dialog mit der Öffentlichkeit. Der brasilianische Kleinbauer Cido gibt in einem Video auf die Frage nach dem Sinn von Spendengeldern persönlich Antwort. Weitere Fragen, etwa, warum man für ein Schwellenland wie Brasilien überhaut spenden soll oder wie HEKS im Kleinen Grosses bewirkt, beantworten HEKS-Mitarbeitende im In- und Ausland. Sie können Cido und den HEKS-Mitarbeitenden aber auch ihre eigene Frage stellen. Weiter stellen wie jedes Jahr spannendes Hintergrundmaterial zum Thema «Zugang zu Land» sowie Zahlen und Fakten zum Schaufensterland Brasilien zur Verfügung – ebenso den 50-minütigen Dokumentarfilm zur Kampagne sowie zahlreiche Kurzfilme zum Cerrado. Sie können die Filme online ansehen oder als DVD bestellen: auf www.heks.ch/sammelkampagne oder per E-Mail an projektdienst@heks.ch.


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© HEKS / Christian Bobst

Abnehmer in der Stadt, etwa Fruchtsäfte an staatliche Schulen. «Der Betrieb hat grosses Potenzial», erklärt Cido. «Die Gemeinschaft hat die Chance, die Früchte selber zu verarbeiten. Wir haben damit endlich bessere Arbeitsbedingungen.» Die Menschen in der Siedlung Americana haben in den letzten 15 Jahren viel erreicht. Cido und Elei wünschen sich, dass ihre drei Kinder den von ihnen eingeschlagenen Weg weitergehen. «Unser Traum ist es, dass unsere Kinder eine gute Ausbildung erhalten», sagt Cido. «Aber die heutige Kultur bringt uns nicht bei, dass das Leben auf dem Land wichtig und wertvoll ist.» Cido und Elei geben ihren Kindern ihre Achtung für das Leben im Einklang mit dem Cerrado weiter. «Wir sind überzeugt, dass hier ein idealer Ort ist, um zu leben. Es gibt noch viele Herausforderungen, aber wir haben einen wichtigen Schritt geschafft.»

Elei de Souza stellt Fruchtsaft aus Ananas her. Dank der eigenen Verarbeitungsstätte kann die Kooperative der Siedlung Americana ihre Produkte zu besseren Preisen verkaufen.

Grosses Potenzial In einer kleinen Verarbeitungsstätte stellt die Kooperative Fruchtmark aus Ananas her. Ihre Produkte verkauft sie an

*Hanspeter Bigler ist Leiter des Bereichs Kommunikation bei HEKS. Kampagnenmaterial für Kirchgemeinden und Pfarrpersonen: www.heks.ch/sammelkampagne. Spenden: PC-Konto 80-1115-1 (Vermerk «HEKS-Sammlung») oder online.

WANDERAUSSTELLUNG

In der neuen Heimat Wurzeln schlagen HEKS lanciert eine Wanderausstellung zum Thema

Um die Integration von Migrantinnen und Migranten zu fördern, pachtet HEKS seit vielen Jahren in der ganzen Schweiz Familiengärten und bewirtschaftet diese zusammen mit Asylsuchenden, vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen. Die «Neuen Gärten» sind Treffpunkt und Arbeitsort zugleich, wo die Migrantinnen und Migranten gärtnern, mit den freiwilligen Gartenmitarbeitenden Deutsch lernen und mit den Gartennachbarn in Kontakt kommen. Sie erhalten ein Stück Boden und finden dabei auch ein Stück Heimat. Um die Öffentlichkeit für das Schicksal dieser Menschen zu sensibilisieren, hat HEKS die Wanderausstellung «In der neuen Heimat Wurzeln schlagen» gestaltet. Die Ausstellung porträtiert Projektteilnehmende der «Neuen Gärten» in den Kantonen Bern, Baselland und Basel-Stadt sowie in der Ostschweiz. Fotos und Texte berichten von ihrem Leben in der Schweiz. Die Migrantinnen und Migranten erzählen, wie die gemeinsame Gartenarbeit und Gespräche halfen, Vertrauen

© HEKS / Frank Egle

Gartenarbeit und Integration.

Gärtnern verbindet: Es entwickeln sich Freundschaften, die oft über Jahre weiterbestehen.

zu gewinnen und das Fremde kennen und schätzen zu lernen. Porträts von freiwilligen Gartenmitarbeitenden runden die Ausstellung ab. os Vernissage: 11. März 2016, um 18 Uhr in der reformierten Pauluskirche BielMadretsch. Die Ausstellung dauert bis 11. April 2016. Danach kann sie von Kirchgemeinden und weiteren Interessierten gebucht werden: als Begleitveranstaltung bei Gottesdiensten oder für Anlässe zu Themen wie Flucht, Migration, Integration, Jahreszeiten, Ernten, Garten und Kinder oder Freiwilligenarbeit. Mehr Informationen: «HEKS Neue Gärten Bern», Angela Losert, 031 385 18 47, angela.losert@heks.ch


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SERBIEN

Zwischen Angst und Hoffnung Olivier Schmid

Für Zigtausende von Menschen aus Syrien, Irak und Afghanistan ist Serbien Durchgangsland auf ihrer Flucht nach Europa. Die Flüchtlinge sind hungrig, erschöpft, ohne Obdach. HEKS leistet zusammen mit seiner lokalen Partnerorganisation Soforthilfe. In Serbien ist die Zahl der Flüchtlinge seit Anfang 2015 dramatisch angestiegen. Im August und im September strömten täglich rund 2500 Menschen ins Land. Sie kommen aus Syrien und dem Irak, aus Afghanistan und anderen Krisengebieten. Ihr Fluchtweg führte sie über die Türkei und Griechenland und weiter über Mazedonien oder Bulgarien nach Serbien. Dort bleiben viele von ihnen nur ein paar Tage. Sie wollen weiter nach Österreich, Deutschland oder Skandinavien.

medizinisch versorgt. Eine weitere wichtige Komponente des Projekts ist die Koordination vor Ort mit anderen Hilfsorganisationen und den Gemeinden sowie die Information der Flüchtlinge.

«Sie töten uns alle» An der serbisch-kroatischen Grenze in Šid steht auch der 32-jährige Syrier Adam Attiya aus Homs. «Wenn ich in Syrien geblieben wäre, hätte ich riskiert, zum Militärdienst eingezogen zu werden, obwohl ich ihn bereits geleistet habe. Sie sammeln die Männer auf der Strasse ein und stellen uns an die Front. Ob der Islamische Staat, die syrische Regierung oder die Miliz, spielt keine Rolle: Sie töten uns alle.» Adam Attiya arbeitete im Familienunternehmen, das Elektrokabel herstellte. «Es ging uns gut, sogar sehr gut, wie in Europa.» Aber die Miliz hat ihnen die Firma weggenommen. Seine Eltern, seine zwei Schwestern und zwei Brüder sind in Syrien geblieben. Ein dritter Bruder lebt in Deutschland. «Ich habe Angst. Ich hoffe, dass in Europa Frieden herrscht.»

Die lokalen Strukturen in Serbien sind dem Ansturm nicht gewachsen. Während die Flüchtlinge auf eine Gelegenheit warten, weiterzureisen, leben sie in prekären Verhältnissen auf der Strasse, auf den Feldern, in alten Fabriken oder in öffentlichen Parks. Sie sind müde, hungrig und verzweifelt. Sie haben alles aufgegeben und tragen nur gerade das Allernötigste auf sich.

HEKS leistet darum mit seiner Partnerorganisation Ecumenical Humanitarian Organisation (EHO) humanitäre Soforthilfe. Die Mitarbeitenden der HEKS-Partnerorganisation sind während sieben Tagen in der Woche in mobilen Einsatzteams im Einsatz. So kann EHO schnell auf die ändernden Routen der Flüchtlinge reagieren. «Wir verteilen keine Soforthilfe-Pakete», sagt die Projektkoordinatorin Borka Vrekic. «Um Ballast zu vermeiden, ist es für die Menschen einfacher, wenn sie nur das nehmen, was sie wirklich brauchen». An den Grenzorten Kanjiža, Subotica, Horgoš, Šid und Berkasovo versorgen die EHO-Teams täglich rund 600 Flüchtlinge mit energiereichen Lebensmitteln: Äpfel, Bananen, Brot, Schokoriegel und Biskuits. Weiter werden bei Bedarf warme Kleidung und Regenjacken, Schuhe und Socken sowie Decken, Schlafsäcke, Matten und Zelte abgegeben. Mütter bekommen für ihre Kinder Babynahrung, Babywindeln, Feuchttücher und weitere Hygieneprodukte. Ältere und kranke Menschen erhalten Medikamente und werden

© HEKS/András D. Hajdú

Soforthilfe für 600 Menschen pro Tag

Die serbische HEKS-Partnerorganisation EHO versorgt die Flüchtlinge rund um die Uhr mit dem Allernötigsten.

Adam Attiya isst mit Genuss einen Börek, ein Blätterteiggebäck mit Feta. Seit zehn Stunden hat er nichts gegessen. «Er ist ausgezeichnet, wollen Sie probieren? Wir werden sehr gut behandelt hier. Zum Glück ist es gratis. Denn mir bleiben gerade noch hundert Euro.» Spenden bitte auf das PC-Konto 80-1115-1 mit dem Vermerk «Humanitäre Hilfe Serbien»


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wie meine Familie sowohl an Weihnachten als auch zum Ende des Ramadans zusammenkommt», beschreibt er seine Vision. «Die Basis allen interreligiösen Dialogs ist Freundschaft», ist Dubut überzeugt. Deshalb organisiert er interreligiöse Workshops für christliche und muslimische Jugendliche.

FRIEDENSARBEIT

Aktiv für interreligiösen Frieden Sara Winter Sayilir* und Mara Wirthlin

Das neue Arbeitsheft «Mission Frieden» gibt Anregungen für Gottesdienst, Unterricht und Gemeindepraxis. Grundlage der Materialien sind die Erfahrungen aus der Projektarbeit von Mission 21.

Das Arbeitsheft und Materialpaket «Mission Frieden» enthält Einführungen, Bausteine, Predigten, Leitfäden, den neuen Kurzfilm «Friedenskirche unter Beschuss» sowie viele Tipps und Anregungen.

«Als mein ältester Bruder meine Mutter um Erlaubnis bat, eine muslimische Frau zu heiraten und zum Islam zu konvertieren, gab sie ihm ihren Segen», erzählt Darius Dubut, Christ und Mitbegründer des Dialogzentrums der Staatlichen Islamischen Universität in Yogyakarta (UIN), einer Partnerorganisation von Mission 21. Seine Mutter stellte damals nur eine einzige Bedingung: «Vergiss nicht, dass deine Brüder Christen sind.» Nicht alle Indonesierinnen und Indonesier sind so tolerant wie die Mutter von Darius Dubut. Die Erinnerungen an die massiven Gewaltausbrüche zwischen Christen und Muslimen nach dem Sturz des Diktators Haji Mohamed Suharto 1998 sind noch frisch. Seither ist das Land mit der weltweit grössten muslimischen Bevölkerung nicht mehr richtig zur Ruhe gekommen. Doch es gibt nicht nur verhärtete Fronten, sondern auch Menschen, die leidenschaftlich für den Frieden kämpfen und der Gewaltspirale ein Ende setzen wollen.

Information und Bestellung: www.mission-21.org/download

Verwurzelt im Eigenen, offen für das Andere Anders als in Indonesien gibt es in Nigeria keine klare religiöse Mehrheit: Vereinfacht gesagt, sind im Norden die Muslime, im Süden die Christen in der Mehrheit – während die Städte durch Landflucht und Migration religiös durchmischt sind. Neben der Bedrohung durch die islamistische Terrorgruppe Boko Haram im Nordosten sind es die massive Armut sowie grosse Migrationsbewegungen von Norden nach Süden, die zu Spannungen und Gewaltausbrüchen führen. Viele ehemals gemischte Wohnviertel in den Städten sind inzwischen ausschliesslich christlich oder muslimisch. Die Angst vor den jeweils anderen ist gross. Mission 21 unterstützt im Rahmen eines Soforthilfeprogramms ihre nigerianischen Partner nicht nur dabei, die unzähligen Flüchtlinge zu versorgen. Eine dringende Aufgabe ist es auch, dem wachsenden Misstrauen und der Isolierung der Religionsgemeinschaften entgegenzuwirken. Nur so können friedliche Beziehungen wachsen.

© Mission 21 / Heiner Heine

Und in Europa?

Arbeitsrunde mit Darius Dubut (links), dem Mitbegründer des Dialogzentrums der Staatlichen Islamischen Universität in Yogyakarta

Der 65-jährige Pfarrer Dubut engagiert sich seit mehr als 30 Jahren in der interreligiösen Friedensarbeit. Er wollte das Vorbild seiner eigenen Familie nutzen, um anderen zu zeigen, dass verschiedene Religionen sich nicht feindlich gegenüberstehen müssten. «Wir sollten die Unterschiede gemeinsam feiern, so

Nicht nur in Konfliktregionen wie Nigeria ist die interreligiöse Friedensarbeit relevant, sondern auch bei uns «um die Ecke»: Gerade in Europa stehen die Kirchen zunehmend unter Druck, wie in Indonesien und Nigeria leben sie als religiöse Minderheiten. Die Partnerkirchen von Mission 21 können ein Vorbild sein, zum eigenen Glauben zu stehen und gleichzeitig offen auf andere zuzugehen. Hier knüpft das neue Materialpaket von Mission 21 an: Neben einer Einführung ins Thema und Anregungen für Gottesdienst und Unterricht sind darin konkrete Tipps enthalten, um selbst aktiv zu werden.

* Aus Sara Winter Sayilirs Text «Ohne Vertrauen gibt es keinen Frieden», erschienen im Jubiläumsmagazin zu 200 Jahren Basler Mission. Gekürzt und ergänzt von Mara Wirthlin.


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Auswege aus finanzieller Not

Waisenkinder begleiten auf dem Weg zur Selbständigkeit Mara Wirthlin*

Im Südwesten Tansanias ist eine beispielhafte Projektarbeit mit Waisenkindern entstanden, die Kinder vielfältig und wirksam fördert. «Mein Traum ist es, dass es Aids in Afrika nicht mehr gibt.» Die Pfarrerin Nikwisa Mwakamele leitet ein Waisenkinderprojekt in Rungwe, Tansania. Es sind grosse Worte, die sie sagt. Und doch kommt die Realität in ihrem Heimatland ihrem Traum in kleinen Schritten näher. Die Zahl der AidsToten steigt erstmals nicht weiter, dank Aufklärung und kostenloser medikamentöser Versorgung.

© Mission 21/Regina-Mariola Sagan

Doch die Epidemie der vergangenen Jahrzehnte hat Folgen. Es gibt in Tansania bis zu 1,8 Millionen Aidswaisen. Angesichts dieser grossen Anzahl Hilfebedürftiger versagt die staatliche Fürsorge. Deshalb hat es sich die «Moravian Church» (Herrnhuter Brüdergemeine) mit zur Aufgabe gemacht, diese Lücke zu schliessen: Unterschiedliche Projekte, die von Mission 21 mitfinanziert werden, ermöglichen etwa 700 Kindern ein menschenwürdiges Leben. Umgesetzt werden sie vor allem in entlegenen Dörfern im Südwesten Tansanias: in der Stadt Mbeya sowie in den ländlichen Gegenden um Matema, Isoko und Rungwe.

Nikwisa Mwakamele, Leiterin des Waisenkinderprojekts in Rungwe, träumt von einem Afrika ohne HIV/Aids.

Die Waisenkinder werden auf vielfältige Weise unterstützt. Das meiste Geld fliesst in die Bildungsförderung – mit beachtlichen Resultaten: Die unterstützten Waisenkinder schliessen oft sogar besser ab als ihre Kameraden. Allein das Büro in Rungwe hat bereits 500 Kinder bei Schul- und Berufsbildungen unterstützt. Noch immer verfolgt Mwakamele deren Lebenslauf mit Stolz. Einige würden als Schreiner, Schneiderinnen oder Mechaniker bereits Geld verdienen, berichtet sie. Andere studierten, um Lehrerinnen oder Krankenpfleger zu werden.

© Mission 21/Regina-Mariola Sagan

PROJEKT

Neben der Bildungsarbeit gehören Pflegeplätze in Familien zum Projekt. Waisenkinder aus der eigenen Familie werden zwar meist mit Offenheit aufgenommen – dennoch sind sie eine finanzielle Belastung. Nötiges Zusatzeinkommen bringen Bienenzucht, Geflügelhaltung oder der Anbau von landwirtschaftlichen Produkten wie Mais. Ebenso wichtig wie die materielle Absicherung ist die psychosoziale Betreuung der oft traumatisierten Aidswaisen. Lehrkräfte und Sozialarbeiter werden an Workshops für die Erfahrungen der Waisenkinder sensibilisiert und darin geschult, wie sie mit den Betroffenen umgehen können. Manche werden in den Pflegefamilien als billige Arbeitskräfte ausgebeutet oder sogar sexuell misshandelt. Wird so etwas bekannt, versucht die Kirche, die Kinder in einem Internat oder in einer anderen Familie unterzubringen.

Unbeschwerte Momente: Waisenkinder in der Stadt Mbeya beim Flaschenrennen

Ohne die Freiwilligen aus kirchlichen Frauengruppen wäre das Projekt nicht annähernd so erfolgreich. Mwakamele schildert, wie in enger Zusammenarbeit mit dem Frauenbüro ein Hilfsnetzwerk entstanden ist: «Die Frauen sammeln Feuerholz und bringen gelegentlich Essen. Sie helfen mit Kleidung und anderen Dingen des täglichen Bedarfs, oder sie sammeln Geld für Schulhefte.» Dieses wachsende Netzwerk gibt Mwakamele Sicherheit. Die Spenden aus Europa machen einige Projekte zwar erst möglich, die Basisarbeit wird aber von den Menschen vor Ort geleistet.

*Mara Wirthlin arbeitet im Team Öffentlichkeitsarbeit von Mission 21. «HIV/Aids-Arbeit Afrika und Asien» ist eines von fünf Hoffnungsprojekten der Kampagne «200 Jahre unverschämt viel Hoffnung» zum Jubiläum der Basler Mission 2015. Weitere Infos: www.mission-21.org/hoffnungsprojekte Projekt: «Arbeit mit Waisenkindern», Nummer: 186.1509 Spenden: PC 40-726233-2, IBAN Nr. CH58 0900 0000 4072 6233 2 (Vermerk: «186.1509») Informationen: projektdienst@mission-21.org, 061 260 23 03


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Nr.4 | 2015

AKTUELL Indonesien: 100 interreligiöse Freundschaften Der muslimische indonesische Journalist Rio Tuasikal nahm an einem interreligiösen Jugendcamp der PasundanKirche (GKP), einer Partnerkirche von Mission 21, teil. Er lernte dort Risdo, einen orthodoxen Christen kennen, mit dem er sich anfreundete – der erste Nicht-Muslim in seinem Freundeskreis. «Es stellte sich heraus, dass ich nichts über die Vielfalt wusste, die um mich herum existiert», berichtet der Journalist. Schliesslich habe er gemerkt, «dass interreligiöse Beziehungen schön sind.» Nur leider wüssten das viele Menschen nicht. Deshalb hat er zusammen mit Freunden 100 Kurzgeschichten über interreligiöse Freundschaften zusammengetragen, die online als Blog und gedruckt als Buch veröffentlicht wurden. «So leiste ich meinen Beitrag zu einer fairen Gesellschaft ohne Diskriminierung», sagt Rio Tuasikal. kp

Nigeria: Gefragte interreligiöse Siedlung Mission 21 unterstützt im Rahmen ihres Soforthilfeprogramms für Nigeria ein interreligiöses Ansiedlungsprojekt im Dorf Gurku in der Nähe der Hauptstadt Abuja. Trägerin ist die Nichtregierungsorganisation (NGO) Lifeline Compassionate Global Initiative (LCGI). Inzwischen sind die ersten Bewohnerinnen und Bewohner eingezogen. Bereits im Frühjahr 2015 fand die offizielle Einweihungsfeier statt, die von Christen und Muslimen gemeinsam gestaltet wurde: Gebete des Imams von Gurku wechselten sich mit christlichen Andachten und traditionellen Tänzen ab.

Blog von Rio Tuasikal (auf Indonesisch): www.untukharmoni.com

© Mission 21 / zvg

Mehr zum Projekt: www.mission-21.org/frieden-indonesien

Tansania: Trauer um Rehema Mwakalo Die tansanische Krankenschwester Rehema Kabunga Mwakalo starb im September kurz vor ihrem 55. Geburtstag. Die beeindruckend selbstlose Frau war stets für andere da. Sie pflegte Kranke, zog Waisenkinder auf und engagierte sich in der Kirche der Herrnhuter Brüdergemeine. Mit alternativen Heilmethoden überwand sie die Grenzen zwischen moderner und traditioneller Medizin. Bewusst lebte und arbeitete sie auf dem Land, wo die Versorgung sehr viel schlechter ist. Sie baute eine Basisgesundheitsversorgung in den Dörfern auf und organisierte Aufklärungskampagnen. © Mission 21 / zvg

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Als ihre sechs Geschwister innert kurzer Zeit an Aids starben, nahm Rehema deren zwölf Kinder bei sich auf und zog sie gross. Sie motivierte andere Frauen, Ähnliches zu tun und baute die Gruppe «Huruma» (Barmherzigkeit) auf, die sich bis heute um Waisenkinder kümmert. Als sie einmal gefragt wurde, was ihr die Kraft zu ihrem grossen Einsatz gibt, antwortete sie: «Mein Glaube.» Mission 21 ist dankbar für alles, was Rehema Mwakalo für die Kirche und die ganze Gesellschaft getan hat und trauert um eine einzigartige Persönlichkeit. Johannes Klemm, Programmverantwortlicher für Tansania

Wohnen in der interreligiösen Siedlung Gurku Village ist gefragt. Über 60 von 100 geplanten Häusern sind bezogen.

Aktuell wohnen 70 Familien in 62 bereits fertig gestellten Häusern der neuen Siedlung. Weitere 89 Familien leben noch in temporären Unterkünften auf dem Gelände. Unter den Neuansiedlern in Gurku sind derzeit zehn muslimische Familien. In den kommenden Monaten werden weitere 40 Häuser fertiggestellt. «Die Auswahl der Bewohner war schwierig», berichtet Markus Gamache. Der Leiter von LCGI beherbergte in seinem eigenen Haus in Jos monatelang bis zu 50 Flüchtlinge. Einige Christen wie auch Muslime seien abgesprungen, weil es für sie nach den erlittenen Traumata unvorstellbar gewesen sei, mit Angehörigen der jeweils anderen Religionsgemeinschaft zusammenzuleben. Doch viele waren zu diesem mutigen Schritt bereit, und so füllt sich die neue Siedlung mit Leben. Gurku ist von einer visionären Grundsteinlegung auf einem weitgehend ungenutzten Gelände zu einem Vorbild für friedliches christlich-muslimisches Zusammenleben in Nigeria geworden. kp Mehr zur Soforthilfe: www.mission-21.org/soforthilfe-nigeria Weltweite Solidaritätskampagne für Nigeria: www.solidarity-nigeria.org


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Nr.2 | 2015

AGENDA Veranstaltungsorte:

Wenn nicht anders angegeben, finden die Veranstaltungen bei Mission 21 an der Missionsstrasse 21 in Basel statt. JANUAR

Impulstagung für Kirchenbasare Mittwoch, 20. Januar, 8.45-16 Uhr, Kirchgemeindehaus Johannes, Wylerstrasse 5, Bern

Anregungen in Theorie und Praxis für die Basararbeit in Kirchgemeinden. Informationen und Anmeldung: www.mission-21.org/impulstagung, hannes.liechti@mission-21.org,

JULI

von Partnern von Mission 21 lernen die Reisenden die reiche kulturelle und religiöse Vielfalt des Landes kennen.

Internationaler Bonhoeffer Kongress 6. bis 10. Juli

Informationen und Anmeldung: www.mission-21.org/indonesien2016 alfred.hirt@mission-21.org, Tel. 061 931 14 23

young@mission21-Weekend Samstag/Sonntag, 30. April-1. Mai Pfadiheim Einsiedeln

Ein Wochenende für 18- bis 30-Jährige. Zwei Tage Zeit, um über Gott und die Herausforderungen der globalisierten Welt zu diskutieren, gemeinsam zu kochen und Spass zu haben. Informationen und Anmeldung: www.mission-21.org/young barbara.moser@mission-21.org, Tel. 061 260 22 39

In Zusammenarbeit mit den Internationalen Bonhoeffer Gesellschaften und dem Institut für Hermeneutik und Religionsphilosophie der Universität Zürich. Die Konferenz will klären, wie Bonhoeffers eigene Theologie durch Auslandserfahrungen und ökumenische Begegnungen geprägt wurde. Kann Bonhoeffers Theologie auch in unserer heutigen globalisierten Situation noch hilfreich sein? Information und Anmeldung: www.mission-21.org/bonhoeffer2016 magdalena.zimmermann@mission-21.org, Tel. 061 260 22 59

Tel. 031 340 26 04

FEBRUAR

Fachtagung Interreligiöse Friedensarbeit «Tschüss, ich geh in den #Krieg» Montag, 29. Februar, 9-17 Uhr

Seit religiöser Fundamentalismus ein Problem im eigenen Land ist, gewinnt die Frage nach Prävention an Aufmerksamkeit: Was verhindert, dass Menschen sich religiös radikalisieren? Die Tagung verbindet die Perspektive eines Schweizer Muslims mit der eines christlichen Missionswerks. Mit: Dr. Edit Schlaffer, Vorsitzende Frauen ohne Grenzen, Wien Dr. Miryam Eser Davolio, ZHAW Soziale Arbeit, Zürich Mustafa Memeti, Imam, Schweizer des Jahres 2014, Bern

JUNI

NOVEMBER

young@mission21: Camp in Taizé mit Gästen aus Hongkong

Begegnungsreise nach Argentinien und Chile

22. Juni bis 5. Juli

Eine Freizeit gemeinsam mit jungen Erwachsenen aus Hongkong. Mitleben in der ökumenischen Gemeinschaft in Taizé (Frankreich), anschliessend einige Tage in der Schweiz. Gemeinsames Essen, Lachen, Diskutieren, Singen und den Alltag teilen prägen die Woche. Information und Anmeldung: www.mission-21.org/taize barbara.moser@mission-21.org, Tel. 061 260 22 39

6. bis 25. November

Zwei wunderschöne Länder und ihre kirchlichen Traditionen und Aufbrüche sind das Thema dieser Reise. Offen für alle Interessierte, beispielsweise Studierende, Mitarbeitende in Gemeinden, Pfarrpersonen. Information und Anmeldung: www.mission-21.org/lateinamerika2016 Daniel Frei: weltweite.kirche@refbl.ch, Tel. 061 260 22 67

Weitere Informationen unter www.mission-21.org/agenda

Informationen und Anmeldung: www.mission-21.org/fachtagung christa.nadler@mission-21.org, Tel. 061 260 22 67

© Mission 21 / Tobias Frey

APRIL

Begegnungsreise nach Indonesien 27. April bis 17. Mai

Eine Reise in den faszinierenden Inselstaat Indonesien. Neben Besuchen

Gemeinsam unterwegs, hier beim Jahresevent von young@mission21


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contigo

AGENDA

Nr.4 | 2015

Weitere Veranstaltungshinweise auf den Seiten der Werke 10 bis 21

VERANSTALTUNGEN JANUAR

Wer fördert Landnahmen und wem schaden sie? Donnerstag, 14. Jan., 16.15-18.45 Uhr Bern, Universität

Brot für alle, ihre Partnerorganisationen im Süden und Norden sowie der Universität Bern (Institut CDE) beschäftigen sich an einer gemeinsamen Fachtagung mit Land Grabbing. Sie zeigen Ursachen und Folgen, analysieren internationale und staatliche Regelwerke gegen Landnahmen und erarbeiten erfolgversprechende Gegenmassnahmen. Der öffentliche Anlass bietet Einblicke in die globalen Richtlinien zu Investitionen und zeigt wie sich die Betroffenen und lokale Behörden wehren können. Informationen und Anmeldung: www.brotfueralle.ch/veranstaltungen; veranstaltung@bfa-ppp.ch

Die Hoffnung geht im Westen auf Samstag, 23. Januar 2016, 9.15-15.30 Uhr Kirchgemeindehaus Schwamendingen, Zürich

Der Osteuropatag bietet Gelegenheit, sich vertieft mit den Ursachen und Konsequenzen der Migration in Osteuropa und dem Balkan auseinanderzusetzen. Bernhard Odehnal, Osteuropa-Korrespondent des Tages-Anzeigers, gibt einen Überblick. Die HEKS-Bereichsleiterin Inland, Antoinette Killias, erörtert, wie sich die Migration aus Osteuropa in der Schweiz auswirkt und wie Integration verbessert werden kann; Vertiefung einzelner Themen in Workshops. Informationen und Anmeldung: www.heks.ch/osteuropatag

NACHRICHTEN

ABSTIMMUNG

Gemeinsamer Aufruf für konsequentere Klimapolitik

Spekulation mit Essen eindämmen

Gemeinsam gegen den Klimawandel: Die Schweizer Bischofskonferenz, der Schweizerische Evangelische Kirchenbund und die christkatholische Kirche rufen dazu auf, sich für tiefere Belastungen durch Treibhausgase einzusetzen. Es gelte durch verbindliche Grenzen für Emissionen das Klima – und damit die Lebensgrundlagen der heutigen und der kommenden Generationen weltweit – zu schützen, steht im offenen Brief an den Bundesrat. Was vor der Weltklimakonferenz in Paris galt, soll auch künftig Bundesrat und Bevölkerung leiten, ist anzufügen: «Wir zählen auf die Weitsicht und den Mut», wie im Brief steht. uw

Positive Dynamik dank der SDG Die Spitzen der meisten UN-Staaten verabschiedeten im September 2015 in Paris die Sustainable Development Goals (SDG). 17 Ziele und 169 Unterziele in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit bilden ein globales Rahmenwerk, um auf nachhaltige Art zu wirtschaften und Armut und Not zu überwinden. Auch wenn die sogenannte Agenda 2030 nicht verbindlich ist, dürfte sie eine positive Dynamik auslösen. Wichtig wird der jährliche Bericht über die Umsetzung sein. Knacknuss bleibt, wie die 7000 Milliarden Dollar aufgebracht werden, die pro Jahr nötig sind, um die Ziele umzusetzen. Das gilt auch für die Schweiz, die aktiv an der Agenda 2030 mitgearbeitet hat. uw

Am 28. Februar 2016 wird über die Initiative der Jusos zur Nahrungsmittelspekulation abgestimmt. Eine Studie von Alliance Sud nennt Argumente. Der Bundesrat betont laut Alliance Sud den Nutzen der Spekulation, anstatt gegen Fehlentwicklungen zu handeln. Dabei weisen auch Schweizer Rohstoffhändler auf Probleme hin, die neue Finanzakteure auf dem Markt für Nahrungsmittelabsicherungsgeschäfte verursachen. Ihr Umsatz ist heute viel höher als der physische Handel mit Weizen, Mais oder Soja. Darum soll laut Initiative der Zugang der Finanzmarktakteure zur Nahrungsmittelspekulation eingegrenzt und auf konkrete Absicherungsgeschäfte beschränkt werden. Aus Sicht von Alliance Sud ist diese Regulierung eine von vielen Massnahmen, um das Recht auf Nahrung aller Menschen zu sichern. Hintergründe liefert eine von Markus Mugglin für Alliance Sud verfasste Studie. Unter den Regulierungen seien fünf zielführend: volle Transparenz; Positionslimiten in Termingeschäften oder Derivaten; Verbot des Eigenhandels von Banken und Handelsplattformen mit Derivaten; Handelsunterbruch bei zu starken Preisausschlägen; Transaktionsabgaben; Finanzakteure vom physischen Handel trennen. Die USA und die EU haben einige dieser Punkte in ihre Regulierung des Derivatehandels aufgenommen. uw «Nahrungsmittelspekulation - (k)ein Problem?», Markus Mugglin; Bezug: http://alliancesud.ch/de/publikationen/buecher oder als Broschüre (mail@alliancesud.ch).


HINWEISE & MEDIENTIPPS

Nr.2 | 2015

BUCHTIPPS Weniger Hunger dank Ernährungsdemokratie Es gibt genug zu essen für alle und doch hungern noch rund 700 Millionen Menschen. Im Buch «Zwischen Fairtrade und Profit» analysieren Fachleute ohne Denkbarrieren und ohne Schuldzuweisungen die zunehmende Machtkonzentration, die Ernährung und Demokratie gefährdet. Der Missbrauch von Macht gegenüber Menschen, Tieren und der Natur wird als Gewalt erfahren. Im Buch werden gelingende Projekte gezeigt, um mehr Demokratie in Politik und Wirtschaft und mehr Gerechtigkeit im Agrarhandel zu erwirken. Ziel ist eine gewaltfreie Lebensmittelproduktion und ein Handelssystem, das mithilft, Armut und Hunger zu beenden. uw Fausta Borsani, Thomas Gröbly (Hrsg.), Zwischen Fairtrade und Profit: Wer sät der erntet – oder doch nicht?, 360 Seiten, geb., 39.– Fr., ISBN 978-3-7272-1456-1, Stämpfli, Bern

«Zur Unübersichtlichkeit der Welt» − Analyse von Alliance Sud

ance Sud auf, wo zivilgesellschaftliche Organisationen gefordert sind und was die Schweiz tun müsste. uw Zur Unübersichtlichkeit der Welt –

FILMTIPP Neuland – erfolgreiche Wege zur Integration

Entwicklungspolitische Analysen und Aktionen, hrsg. von Alliance Sud, Editions d’en bas, Lausanne, 122 Seiten, Fr. 18.-, ISBN 978-2-8290-0525-1

In der Integrationsklasse von Lehrer Christian Zingg lernen Jugend-

Buchhandlungen oder bei Alliance Sud:

liche aus aller Welt innerhalb von

mail@alliancesud.ch.

zwei Jahren Sprache und Kultur unseres Landes kennen.

Der Lauf der Dinge Wir sind auf einem Spaziergang durch den brasilianischen Urwald: Es flattert und krabbelt, schreitet und gleitet – wie die Figuren eines Schattenspiels haben sich die Tiere erwartungsvoll in eine lange Schlange eingereiht. Nun kommt Farbe ins Bild: Eine geheimnisvolle Gestalt verleiht jedem Einzelnen ein schützendes Schuppenoder Federkleid, zeichnet Panzer oder Borsten, tupft ein tarnendes Muster aufs Fell. Doch dann zieht eine dicke Regenwolke am Himmel auf .... Der brasilianische Illustrator Marcelo Pimentel hat für seine Arbeit den Nami Concours 2015 erhalten. uw

Kommen die Jugendlichen zu Christian Zingg in die Integrationsklasse in Basel, möchten sie ihre Vergangenheit hinter sich lassen und in der Schweiz ihre Träume verwirklichen. Lehrer Zingg macht sich und ihnen keine Illusionen darüber, dass es schwierig ist, in einem fremden Land einen beruflichen Einstieg zu finden. Trotzdem wird er nicht müde, den Glauben seiner Schülerinnen und Schüler an sich selbst und an eine bessere Zukunft zu stärken.

© Gabriela Beschart | Fama Film, ZHdK]

contigo

Marcelo Pimentel

Alliance Sud lanciert die Diskussion, in welche Richtung sich die

Christian Zingg mit seiner Klasse

internationale Zusammenarbeit der

Der Film begleitet die Klasse zwei Jahre. Differenziert und feinfühlig bietet der mehrfach preisgekrönte Film Einsichten in eine weitgehend unbekannte Welt. Er bringt einem die porträtierten Menschen näher, relativiert Vorurteile und schafft Verständnis für die Situation von jugendlichen Migrantinnen und Migranten. Und er vermittelt eine tiefe Zuversicht: Menschen erreichen viel, wenn sie Vertrauen spüren.

Schweiz entwickeln sollte. Wie soll sich das Verhältnis der Schweiz zur Welt in den Jahren 20172020 entwickeln? Der Bundesrat bereitet eine Botschaft vor. Anstösse zur Diskussion liefert ein Buch von Alliance Sud, der entwicklungspolitischen Organisation grosser Hilfswerke. Ein Ziel sei, die Blockaden der internationalen Politik aufzubrechen. Die finden sich von der Handels- und Finanzpolitik bis zum Klimawandel und den neuen Klagen der westlichen Länder, sie seien zu arm, um den armen Ländern zu helfen. Nicht zuletzt zeigt Alli-

Eine Geschichte ohne Ende, Marcelo Pimentel, Bilderbuch ganz ohne Worte, ab 2 Jahren, Recyclingkarton und rein pflanzliche Farben, 20 Seiten, ISBN 978-3-905804-64-5, 19.80 Fr.

Dokumentarfilm von Anna Thommen, Schweiz 2013; 93 Min., ab 14 Jahren; Video on Demand VOD: www.education21.ch/vod Verkauf und Verleih (DVD): éducation21, 031 321 00 22, verkauf@education21.ch; Relimedia, 044 299 33 81

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Nr.4 | 2015

Š Act Aliance

contigo

Allein kannst du nichts erreichen, aber nur du allein kannst etwas verändern. Sprichwort aus Puerto Rico


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