Mitteilungen der evangelischen Werke für die Kirchgemeinden
Nr.2| 2016
© Jãšrg Mâÿller/HEKS
Kirchen helfen! 70 Jahre HEKS
contigo
Nr.2 | 2016
INHALT
contigo Mitteilungen der evangelischen Werke für die Kirchgemeinden Herausgegeben von Brot für alle, HEKS, Mission 21 und den OeME-Fachstellen Erscheint viermal jährlich im März, Juni, September und Dezember ISSN 1660-3788
© act alliance / Paul Jeffrey
2
DOSSIER
Brot für alle Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23 Tel. 031 380 65 65, Fax 031 380 65 64 Mail: info@bfa-ppp.ch, Web: www.brotfueralle.ch Spendenkonto: 40-984-9
HEKS – Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz Seminarstrasse 28, Postfach, 8042 Zürich Tel. 044 360 88 00, Fax 044 360 88 01 Mail: info@heks.ch, Web: www.heks.ch Spendenkonto: 80-1115-1
S4 – 9
Wer flüchten muss, kommt oft mit leeren Händen. Umso wichtiger ist die Hilfe, die kirchliche Organisationen unterwegs oder bei der Ankunft in der Schweiz leisten. Das hat Tradition, wie das Dossier mit Beiträgen zum 70. Geburtstag von HEKS zeigen. War es 1946 die Not im kriegszerstörten Europa, braucht es heute die Solidarität mit den vielen Menschen, die vor Gewalt und Bürgerkrieg vor allem in Asien und Afrika flüchten. uw BROT FÜR ALLE
S10 – Partnerorganisation Silnorf in Sierra Leone unterstützt Bauern,
damit sie nicht erneut unter dem Addax-Zuckerrohrprojekt leiden
Mission 21 – Evangelisches Missionswerk Basel Missionsstrasse 21, 4009 Basel Tel. 061 260 21 20, Fax 061 260 21 22 Mail: info@mission-21.org, Web: www.mission-21.org Spendenkonto: 40-726233-3 OeME-Fachstellen der Kantonalkirchen Web: www.oeme.ch Redaktion Dorothee Adrian (da) Mission 21 Heinz Bichsel (hb), OeME Olivier Schmid (os), HEKS Urs Walter (uw), Brot für alle
S11 – Studie: «Ungenügend» für Menschenrechtspolitik der
Redaktionsleitung Urs Walter Tel. 031 380 65 71 Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23 Mail: walter@bfa-ppp.ch
HEKS
Layout comDesign AG, 3210 Kerzers
Schweizer Grosskonzerne
S14 – Grosse Aktion «Farbe bekennen für Menschen auf der Flucht» S17 – Sensibilisierungskampagne: Berufliche Qualifikation der Migrantinnen und Migranten erkennen und nutzen
MISSION 21
S18 – Kirchliches Umweltengagement in Peru im Schatten
Druck rubmedia, 3084 Wabern Adressänderungen und Abonnementsverwaltung Administration Brot für alle Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23 Mail: contigo@bfa-ppp.ch Tel. 031 380 65 65 Fax 031 380 65 64
der Industriekamine
S19 – Das Theologische Institut im Südsudan wurde in der Hauptstadt Juba wieder eröffnet
HINWEISE UND MEDIENTIPPS
S22 – Agenda und Nachrichten S23 – Bücher- und Filmtipps Tätigkeitsberichte 2015 veröffentlicht
Diesem «contigo» liegen Flyer der drei Werke bei, um den Jahresbericht 2015 zu bestellen. Ausführliche Informationen auch auf www.brotfueralle.ch/ jahresbericht, www.heks2015.ch und www.mission-21.org/jahresbericht.
Titelbild: Flüchtende kommen immer wieder aus anderen Ländern (im Bild Frauen und Kinder aus Vietnam). Doch das Leid und die Not, die zur Flucht bewegen, wiederholen sich und erfordern immer wieder unsere Hilfe. Rückseite: Der vierjährige Ritan und seine Familie flüchteten aus Syrien. In Presevo, nahe der Grenze von Serbien zu Mazedonien, erhält er eine Suppe zur Stärkung.
contigo
3
Nr.2 | 2016
EDITORIAL
Die Hilfe der Kirchen ist nötiger denn je Andreas Kressler, HEKS-Direktor
Seit siebzig Jahren setzen sich die Kirchen gemeinsam für notleidende und benachteiligte Menschen ein – und stellen im Zeichen der christlichen Nächstenliebe Hoffnung gegen Resignation. Dieses Engagement ist heute nötiger denn je. Weltweit sind so viele Menschen auf der Flucht wie noch nie. Wie konnte es zu einem solchen Flüchtlingsstrom kom-
© Franz R. & Gerry A./HEKS
men? Und wie können wir Menschlichkeit zeigen? Damals wie heute geht es darum, den vor Krieg und Verfolgung geflüchteten Menschen Schutz zu gewähren. Gleichzeitig gilt es, mit nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit zu einer menschlicheren und gerechteren Welt beizutragen, in der alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Frieden, Sicherheit Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als Millionen
und Würde führen können. Darum unterstützen Brot
Menschen unter grosser Not litten, rief der Evan-
für alle, HEKS und Mission 21 die Menschen in vie-
gelische Kirchenbund die reformierten Kirchen der
len Ländern, ihre Lebensgrundlagen zu sichern und
Schweiz zu einer Hilfsaktion zugunsten der Schwes-
Konflikte mit gewaltfreien Mitteln zu lösen. Natür-
terkirchen in den Nachbarländern auf. Pfarrer Hein-
lich hoffen wir auch dabei auf die Hilfe der Kirchen.
rich Hellstern wurde damit beauftragt, als Sekretär die verschiedenen Sammelaktionen der Kantonalkirchen zu organisieren: HEKS, das «Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz», war geboren.
Die Leiterin und die Leiter der drei Werke Brot für alle, HEKS und Mission 21 sowie der OeME-Fachstellen wechseln sich beim Schreiben des Editorials ab.
contigo
Nr.2 | 2016
DOSSIER
FLÜCHTLINGSHILFE
Die Geschichten ähneln sich Olivier Schmid (Mitarbeit: Regula Demuth)
1945 herrschten in Europa Hunger und Armut. Innerhalb von zwei Jahren verteilte HEKS 3150 Tonnen Lebensmittel, Kleider und Bücher. Auch heute sind wieder Millionen Menschen auf der Flucht – und noch immer setzt sich HEKS für die Notleidenden ein.
ohne Milch und ohne Pflege. Die Kranken und Sterbenden lagen fast alle ohne Strohsack, ohne Unterlage auf dem nackten Waggonfussboden. […] Erschöpfte Kinder kauerten in den Winkeln, vollständig verschmutzt, manche mit geschwollenen Beinchen und aufgedunsenem Gesicht – Hunger – Ödem! Viele hatten kein Hemd mehr, nur das blanke Kleidchen am Leib. Der eintretende Frost fand sie ohne jeden Schutz. Tagelang schleppten unsere Schwestern zusammengebettelte Wäsche, Kleider, Schuhe zu diesem Elendswinkel der zusammengebrochenen Zivilisation.»
Notkirchen und Literaturhilfen Nur langsam drangen Informationen über das Ausmass des Elends in die Schweiz. «Je mehr sich die Grenzen öffnen, desto zahlreicher werden die Nachrichten aus den notleidenden Schwesterkirchen», berichtete Pfarrer Heinrich Hellstern, der erste Sekretär von HEKS, in den «HEKS-Mitteilungen». «Und damit steht die Aufgabe immer dringender vor uns, das Viele, das uns Gott in dieser Kriegszeit gelassen hat, mit denen zu teilen, die nichts mehr haben.»
© Jãšrg Mâÿller/HEKS
4
Äpfel für Flüchtlingskinder: Die Schweizer Bauernfamilien spendeten in der
Die Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) beschloss, die protestantischen Schwesterkirchen in den europäischen Nachkriegsländern mit einer Hilfsaktion zu unterstützen und rief die Evangelisch-reformierten Kirchen in der Schweiz zu einer Sammlung auf. «Wir hoffen, diesen Heimatlosen, deren Zukunft noch ganz im Ungewissen liegt, soweit es in unseren Kräften liegt, ein klein wenig von der Hilfe zukommen zu lassen, die sie so dringend nötig haben», schrieben die «HEKS-Mitteilungen».
Nachkriegszeit Tonnen von Lebensmitteln.
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges lag Europa in Schutt und Asche. Die Menschen waren auf der Flucht, unterernährt und krank, von ihren Familien getrennt. «Sie hungerten und nährten sich nur von Gemüse und Kartoffeln, die sie sich auf den Feldern zusammensuchten», beschrieben die «HEKS-Mitteilungen» damals die Not der Menschen. «Viele Kleinkinder waren ohne die geringste Kindernahrung,
Die Kirchen sammelten Geld für «Notkirchen», die den Flüchtlingen als Unterkunft dienten, ebenso Nahrungsmittel, Medikamente, Wäsche, Kleider, Schuhe, Geschirr und Haushaltgeräte sowie Spielzeug. Die Kirchen leisteten auch «Literaturhilfe» und schickten den Schwesterkirchen für die «geistige Nahrung» theologische Bücher. Pfarrer und Familienangehörige, die während des Krieges in Konzentrationslagern oder durch Trennungen besonders gelitten hatten,
contigo
Nr.2 | 2016
DOSSIER
5
Die Solidarität in der Bevölkerung war gross. Die Schweizer Bauernfamilien spendeten Tonnen von Lebensmitteln, wie in den «HEKSMitteilungen» über die Sammelaktion im Kanton Zürich steht: «Sie haben […] dem Hilfswerk 32 Eisenbahnwagen Lebensmittel zur Verteilung zur Verfügung stellen können. Davon sind 190 000 kg Kartoffeln, 18 000 kg Mehl, 20 000 kg Dörrobst, 4600 kg Teigwaren, 2600 kg Tafelfett, 2600 kg Kondensmilch, 1000 kg Käse usw. Die Lebensmittel sollen vor allem Flüchtlingskindern zugutekommen. Drei Siebtel der Waren sind für Österreich, zwei Siebtel für Deutschland und zwei Siebtel für Ungarn bestimmt.»
© András D. Hajdú /HEKS
wurden zu einem «Erholungsurlaub» in die Schweiz eingeladen.
Nachdem Ungarn seine Grenzen im September 2015 dicht gemacht hatte, verschob sich die Balkanroute an die serbischkroatische Grenze: Flüchtlinge warten auf eine Gelegenheit, weiterzureisen.
Serbien, September 2015 Auch heute, siebzig Jahre später, sind wieder Millionen Menschen auf der Flucht – mit weltweit sechzig Millionen so viele wie noch nie. Im Sommer 2015 waren die Bahnhöfe in Ungarn, Deutschland und Österreich überfüllt mit Menschen, die nur dabeihatten, was sie mit sich tragen konnten. Der Flüchtlingsstrom über die Balkanroute riss nicht ab. Im September 2015 kamen täglich Tausende in Serbien an. In einer Online-Reportage berichtete HEKS: «Ein doppelstöckiger Bus hält unweit der serbischen Stadt Šid auf freiem Feld. Es ist bereits der siebzehnte an diesem Morgen. Er kommt aus Preševo an der mazedonischen Grenze. Unter den 65 Fahrgästen ist auch Sur Suhaila. Die 30-jährige Syrierin ist seit zehn Tagen mit ihren vier Kindern und den vier Töchtern der Schwester unterwegs. [Sie füllt] die Taschen mit Lebensmitteln […]. Sie bittet um eine Hose für ihren zehnjährigen Sohn, nimmt Strumpfhosen für die jüngeren Mädchen. […] Bloss nicht zurückschauen und jeden Gedanken an den Ehemann, dessen Spur sie verloren hat, wegschieben.» Wie siebzig Jahre zuvor in den Nachkriegsländern fehlt es den Menschen auch auf der Balkanroute am Notwendigsten. Und wie damals zeigte die Bevölkerung im Herbst 2015 grosse Solidarität. Unzählige private Hilfsaktionen versuchten vor Ort die Not der Flüchtlinge zu lindern. Und die «Glückskette» sammelte innerhalb eines Monats 20 Millionen Franken – so viel wie seit dem Kosovokrieg 1999 nicht mehr. Auch HEKS leistete Hilfe. Im Gegensatz zu damals werden die Hilfsgüter heute aber nicht mehr in der Schweiz gesammelt und ins Ausland transportiert. Als international tätiges Hilfswerk verfügt HEKS mittlerweile über langjährige lokale Partnerorganisationen und kann bei Krisen rasch
Hilfe vor Ort organisieren – so auch in Serbien. Mobile Einsatzteams des lokalen ökumenischen Hilfswerks Ecumenical Humanitarian Organization (EHO) versorgten die Flüchtlinge mit dem Nötigsten: «Allein am 18. September verteilte EHO 800 kg Äpfel, 400 kg Bananen, 1000 Brote, 1200 Wasserflaschen, 1000 Schokoriegel, 600 Pakete Biscuits, 10 Paar Schuhe für Mütter und Kinder, 400 Regenjacken, 30 Zelte, 20 Matten und 20 Schlafsäcke», berichtete HEKS im Herbst 2015.
In Echtzeit Vor siebzig Jahren waren es notleidende Menschen im kriegsversehrten Europa, die Hilfe benötigten. Heute suchen Menschen aus dem Nahen Osten, Asien und Afrika in Europa Schutz und Unterstützung. Sie fliehen vor Krieg und Verfolgung, vor den prekären Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern in Libanon oder Jordanien, wegen fehlender Perspektiven. Während damals die Informationen nur langsam in die Schweiz gelangten, werden wir heute praktisch in Echtzeit mit der Not der Menschen konfrontiert. Wir lesen über die Kriege in Syrien und im Irak, hören von überfüllten Flüchtlingsbooten, von Hunderten von Toten. Wir sehen die frierenden Menschen, verzweifelte Gesichter, die angeschwemmte Leiche eines Jungen – und lesen von Grenzschliessungen, Quoten, kollektiven Rückführungen in die Türkei. In der oben zitierten Reportage aus Serbien fragte HEKS: «Wie kann es im 21. Jahrhundert zu einem solchen Flüchtlingsstrom kommen? […] Wie können wir Menschlichkeit zeigen? Es sind nicht die Flüchtlinge, die uns Angst machen sollten. Sondern die Tatsache, dass Menschen auf der Flucht sind.»
6
contigo
Nr.2 | 2016
DOSSIER
KONFLIKTBEARBEITUNG
Die Stimme der Zivilgesellschaft Interview: Olivier Schmid
HEKS setzt sich seit seiner Gründung für Frieden und Gerechtigkeit ein. Heute würden Friedensprojekte aber professioneller durchgeführt, sagt Una Hombrecher*. Der Ansatz sei aber derselbe geblieben: Menschen durch eine gemeinsame Aufgabe zusammenzubringen. Was waren die ersten Aktivitäten von HEKS im Bereich Konfliktbearbeitung? Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete HEKS in Zusammenarbeit mit dem Weltkirchenrat die «Casa Locarno». Menschen verschiedener Nationalitäten verbrachten dort ihre Ferien und kamen miteinander in Kontakt. Indem sie gemeinsam den Haushalt besorgten, traten sie miteinander in den Dialog und bauten ihre feindseligen Gefühle gegen-
über anderen Nationalitäten ab. Auf diese Weise machten sie erste Schritte auf dem Weg zur Versöhnung. Wie hat sich das Engagement von HEKS seither entwickelt? Im Gegensatz zu früher werden Friedensprojekte heute professioneller durchgeführt – von der Planung über die systematische Analyse des Umfelds und die Implementierung bis hin zur Wirkungsmessung. Aber im Kern ist der Ansatz derselbe geblieben: Menschen werden durch eine gemeinsame Aufgabe zusammengebracht, damit sie in einen konstruktiven Dialog treten, ihre Werte und Einstellungen hinterfragen, Stereotypen abbauen und ihr Verhalten ändern. Was ist, über diese individuelle Ebene hinaus, das konkrete Ziel? Bei den meisten Konflikten handelt es sich nicht um direkte, physische Gewalt, sondern vielmehr um indirekte, unsichtbare Gewalt, die in den herrschenden gesellschaftlichen Strukturen und in der jeweiligen Kultur verankert ist und die Rechte einzelner Gruppen missachtet. HEKS verfolgt deshalb das Ziel, die auf der individuellen Ebene vermittelten Werte und Normen auch auf der politischen Ebene zu verankern und so an einer Gesellschaft mitzubauen, die auf Gerechtigkeit und Gleichberechtigung basiert.
© HEKS
Gibt es ein Beispiel für strukturell und kulturell bedingte Gewalt?
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Menschen verschiedener Nationalitäten in der «Casa Locarno» miteinander in Kontakt und machten erste Schritte auf dem Weg zur Versöhnung.
Ein gutes Beispiel sind die indigenen Dalits in Bangladesch, die kein Recht auf eigenes Land haben und nur niedrigste Arbeiten verrichten dürfen. Diese strukturell verankerte Diskriminierung wird durch das Kastensystem legitimiert, nach welchem die Dalits als «Unberührbare» zur untersten sozialen Stufe gehören und als schmutzig gelten. Oft nehmen die Opfer ihre Diskriminierung gar nicht als Gewalt wahr: Da sie in diese Strukturen und Wertesysteme hineingeboren wurden, ist die erlebte Ungerechtigkeit für sie selbstverständlich. Es ist deshalb zentral, die Menschen über ihre Rechte aufzuklären und sie zu befähigen, sich gegen die Diskriminierung zu wehren.
Nr.2 | 2016
Wie werden die benachteiligten Menschen dabei unterstützt, ihre Rechte einzufordern? Wir fördern den Aufbau und die Vernetzung lokaler zivilgesellschaftlicher Organisationen, damit sie die Regierungen in die Verantwortung nehmen können. Nur mit geeinter Stimme kann die Zivilgesellschaft in Sensibilisierungskampagnen eine breite Öffentlichkeit auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen und auf diskriminierende Gesetze und gesellschaftliche Strukturen einwirken. In Israel zum Beispiel wurde durch die Advocacy-Arbeit der HEKSPartner das von der Regierung tabuisierte Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge ein öffentlich diskutiertes Thema. Und in Honduras rückten dank dem Lokalradio «La Voz de Zacate Grande» die Landvertreibungen der Kleinbauernfamilien in den öffentlichen Fokus, wodurch die Gewalt gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger im Projektgebiet zurückging. Die Regierungen erlassen aber immer restriktivere Gesetze, die den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft einschränken. Es gilt darum, auch auf globaler Ebene die Rechte der Zivilgesellschaft einzufordern, etwa über internationale Netzwerke wie ACT Alliance («Action by Churches Together»).
DOSSIER
7
der Zivilgesellschaft angesehen, der Werte vermittelt – nicht zuletzt zur Bekämpfung von religiösem Fundamentalismus. Indem wir den ausgegrenzten Menschen eine Friedensvision vermitteln und Perspektiven aufzeigen, bekämpfen wir die Ursachen von Extremismus: Mangelnde Partizipation und Perspektivlosigkeit. HEKS ist mehr eine Entwicklungs- denn eine Friedensorganisation. Warum konzentriert sich HEKS nicht auf die Entwicklungszusammenarbeit? Entwicklungszusammenarbeit und Friedensarbeit sind nicht voneinander zu trennen. Es ist nicht nachhaltig, nur die materiellen Lebensbedingungen zu verbessern. Langfristig
Wie engagiert sich HEKS in Kriegskonflikten? Wir zeigen durch Friedensbildung Wege auf, wie mit Konflikten gewaltlos umgegangen und so die herrschende Keinen Zugang zu Bildung und menschenwürdiger Arbeit zu haben, ist diskriminierend: An Dorfversammlungen in Bangladesch werden Dalit-Frauen über ihre Rechte aufgeklärt. Gewalt verringert werden kann. Ziel ist es, die Menschen widerstandsfäkönnen die Menschen ihre Existenzgrundlagen nur sichern, hig zu machen: sei es gegen die Kriegspropaganda der Rewenn die gesellschaftlichen und politischen Strukturen sie gierungen wie zum Beispiel im Südkaukasus, wo wir die vor der Verletzung ihrer grundlegenden Rechte schützt. Auch Menschen dabei unterstützen, in einem konstruktiven Diaungelöste Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen hindern log eine gemeinsame Friedensvision zu entwickeln, die den die Entwicklung. Früher standen die Konflikte im Umfeld herrschenden Diskurs vom «fremden Bösen» verändert und von Entwicklungsprojekten noch nicht so stark im Zentrum. die gemeinsame Kultur in Erinnerung ruft; sei es gegen die In Kambodscha zum Beispiel funktionierte die ZusammenRekrutierung und Instrumentalisierung von Jugendlichen arbeit zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen wedurch die Kriegsparteien wie zum Beispiel im Südsudan. gen ungelöster Spannungen aus der Zeit der «Khmer Rouge» Dort planen wir Projekte, die die Berufsbildung fördern und nicht, der Unterhalt der zur Verfügung gestellten Bewässeeinkommensfördernde Massnahmen unterstützen. rungssysteme wurde vernachlässigt. Wir schulten die MitarHat ein kirchliches Hilfswerk im Kontext von Konbeitenden der Partnerorganisationen in Konfliktbearbeitung, flikten einen Vorteil? und die Dorfgemeinschaften erkannten, dass es für die Entwicklung besser ist, wenn sie miteinander statt gegeneinanIch denke, dass wir in bestimmten Ländern als kirchliche der arbeiten. Mittlerweile integrieren wir friedensfördernde Organisation über lokale kirchliche Strukturen einen besonMassnahmen in alle Entwicklungsprojekte. deren Zugang zur Zivilgesellschaft haben. Zudem sind glaubensbasierte Organisationen in der Entwicklungszusammenarbeit angesichts des Werteverlusts in einer säkularisierten Welt immer mehr gefragt. Wir werden als wichtiger Akteur *U na Hombrecher ist Beauftragte für Frieden und Konfliktbearbeitung bei HEKS
© Pieder Casura/HEKS
contigo
8
contigo
Nr.2 | 2016
DOSSIER
OSTEUROPA
Hilfe von Kirche zu Kirche Franz Schüle *
Während der Zeit des Kalten Krieges unterstützte
Geburt der «zwischenkirchlichen Hilfe»
HEKS Kirchgemeinden in Osteuropa bei der Reno-
Ab 1948 war der Kontinent durch den Eisernen Vorhang aufgeteilt in West und Ost. Keine Frage, dass HEKS auch Kirchen und Kirchgemeinden in der Sowjetunion, in der DDR, in Jugoslawien, Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn unterstützte: Die zwischenkirchliche Hilfe von HEKS war geboren. Die sozialistischen Regimes in Osteuropa waren kirchenfeindlich; es wurde damit gerechnet, dass Glauben und Kirchen verschwinden würden, sobald der Sozialismus eingeführt wäre. Viele Kirchgemeinden hielten dagegen mit Mut und Trotz. In grosser Treue verkündeten sie das Evangelium. Sie wurden dabei von HEKS unterstützt, oft in Zusammenarbeit mit Werken in Deutschland und Holland. In Ungarn wurden zum Beispiel Renovationen und Neubauten der Theologischen Hochschulen mitfinanziert, in der DDR und in Ungarn der Bau von Heimen für Behinderte sowie die Renovation der Kirchen, in Rumänien Bibeldrucke oder Stipendien für Pfarrerinnen und Pfarrer.
vation von Kirchen und förderte den Aufbau diakonischer Strukturen. Aus diesem langjährigen Engagement ist eine enge Zusammenarbeit entstanden.
© Andreas Schwaiger/HEKS
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges beschlossen die reformierten Schweizer Kirchen, ihre Hilfe für Kriegsopfer in Europa zu bündeln. Ob mit dieser Hilfe Kirchen unterstützt wurden, Not oder Wiederaufbauhilfe geleistet wurde, spielte keine Rolle: Was zählte, war die Hilfe von Kirche zu Kirche. Denn ohne lokale Kirchgemeinden als Partner konnte HEKS die Menschen vor Ort nicht unterstützen.
Die Reformierte Kirche in Ungarn fördert die Integration der Roma und baut Vorurteile der Mehrheitsbevölkerung ab.
Zwei Fragen stellten sich in den ersten Jahren mit grösster Dringlichkeit: Sollten die Hilfsgüter auch nach Deutschland geliefert werden, zu den «Tätern»? Oder nur zu den «Opfern» nach Holland oder Frankreich? Die Antwort der Schweizer Kirchen war zum Glück eindeutig: Nothilfe dürfe nicht Belohnung für Opfer sein, verweigerte Hilfe nicht Bestrafung der Täter.
Als ich 1982 meine Arbeit bei HEKS aufnahm, war die zwischenkirchliche Hilfe ein wichtiges Standbein der Auslandarbeit. Die Arbeit in diesem Bereich war aber schwierig und zuweilen fast konspirativ. So pflegte ich bei Besuchen in Rumänien oder Tschechien nicht nur Kontakte mit Menschen der Kirchenleitung, die dem Staat nahestanden; sondern ich traf im Schutz dieser offiziellen Kontakte auch dissidente Kirchenmitglieder. Auf diese Weise äufnete HEKS in den beiden Ländern Nothilfekassen für Pfarrer, die vom Staat kaltgestellt worden waren. Das schaffte Verwirrung: In der Schweiz wurde HEKS beargwöhnt und wegen der Zusammenarbeit mit kommunistischen Organisationen von der Bundespolizei fichiert. Sich zu rechtfertigen war nicht möglich, um das Beziehungsnetz in den osteuropäischen Ländern nicht preiszugeben. In Rumänien hatte ich Freunde, die ich kaum treffen durfte – ich wollte sie nicht zusätzlich in Schwierigkeiten bringen. Brauchten sie Unterstützung für eine dringend notwendige Aufgabe, schickten wir ihnen diese über Mittelsleute. Das setzte Vertrauen voraus und förderte es zugleich.
contigo
Nr.2 | 2016
DOSSIER
ten fortan viele ihrer Hilfsaktionen in Bosnien, Serbien und Mazedonien mit der EHO durch. Das kleine Werk der protestantischen Kirchen im Norden von Serbien ist mittlerweile ein wichtiger, zuverlässiger Partner. So leistet HEKS heute gemeinsam mit EHO Soforthilfe für die Flüchtlinge auf der Balkanroute.
Aufbau von diakonischen Strukturen
Aber der einzige Laie der Behörde, Károly Béres, flüsterte mir beim Abschied zu: «Das machen wir, dieses Hilfswerk». Wenige Jahre später, nach Ausbruch der Jugoslawienkriege, gründete er zusammen mit beherzten Frauen und Männern das ökumenische Hilfswerk «Ecumenical Humanitarian Organisation» (EHO). Der Ökumenische Rat der Kirchen aus Genf, HEKS und weitere europäische Hilfswerke führ-
© ARuedi Lüscher/HEKS
© Andreas Schwaiger/HEKS
Vielleicht ist dies das Wichtigste, was HEKS in der «Kirchlichen Zusammenarbeit», wie die zwischenkirchliche Hilfe heute heisst, bewirkt hat: Kirchen und ihre Gemeinden zu ermutigen und zu unterstützen, diakonische Strukturen aufzubauen. Was die Schweizer Kirchen mit der Gründung von HEKS bezweckten, können auch die Partnerkirchen: ihre eigenen Die Stiftung Diakonia der Reformierten Kirche in Rumänien betreibt einen Hauspflegedienst für pflegebedürftige und ältere Menschen. Hilfswerke zur Unterstützung von notleidenden und benachteiligten Menschen gründen. Nebst der EHO in Serbien gibt es davon Nach dem Sturz Ceausescus Ende 1989 führte ich im Januar mehrere: die diakonischen Organisationen der reformierten 1990 eine Delegation grosser Schweizer Hilfswerke nach RuKirchen in Tschechien, der Ukraine und in Rumänien oder mänien. Dank diesem Vertrauen brachten die Freunde jedes die ökumenischen Werke in Ungarn und Rumänien. Weitere der Werke mit seinem Partner vor Ort zusammen, ob Rotes Beispiele sind Regionalentwicklungsorganisationen in RuKreuz, Gewerkschaften oder katholische Priester. Und ich mänien, Frauenschutzwerke und vieles mehr. HEKS arbeitet durfte meine Freunde Béla Kató und Miklós Ménessy zum seit Jahren eng mit diesen kirchlichen Hilfswerken und den ersten Mal seit Jahren ganz offiziell treffen. Kirchen in Osteuropa zusammen. Sei es in der humanitären «Das machen wir, dieses Hilfswerk» Hilfe für Flüchtlinge, in der Entwicklungszusammenarbeit oder als Hilfe von Kirche zu Kirche: Im Zentrum der kirchliIn Jugoslawien unterstützte HEKS die kleine reformierchen Zusammenarbeit steht die Linderung von Not und der te Kirche von 1947 bis 1989 mit bescheidenen Mitteln: ein Einsatz für mehr Gerechtigkeit. paar Patenschaften für Kinder, etwas Literaturhilfe und vereinzelte Stipendien für Theologinnen und Theologen. Die Rechnung der staatlichen Behörden schien aufzugehen: Die Kirchgemeinden zogen sich mehr und mehr aus dem öffentlichen Raum zurück und versanken in scheinbare Bedeutungslosigkeit. Gegen Ende der 1980er-Jahre schlitterte das Land in eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise. Als ich anlässlich einer Dienstreise mit der Kirchenleitung über die Möglichkeit sprach, eine kleine reformierte Organisation zu gründen, um den verarmten Menschen zu helfen, stiess ich aber eher auf Ablehnung. Zu gross schien diese Aufgabe.
Franz Schüle bei der Vernissage seines Buches «Hinterfragen und Handeln – Ein Vierteljahrhundert HEKS-Geschichte(n)».
* Franz Schüle war von 1982 bis 1997 Leiter der Europa-Abteilung von HEKS und von 1997 bis 2007 Zentralsekretär.
9
10
contigo
Nr.2 | 2016
Bioenergy Ltd. brächte neue Fragen: Sunbird hat enge Verbindungen mit den Firmen China New Energy und Global Lock China. Doch diese stehen auf der Liste der «Dubiosen 40 China AIM Casino Firmen» der britischen Aktienanalysten Share Prophets.
ADDAX
Firma vor dem Verkauf – Felder verbrannt
Ernteausfall droht Kürzlich besuchte Silva Lieberherr die Region Makeni in Sierra Leone, um das weitere Vorgehen von Silnorf zu planen. «Die Bevölkerung steckt bis zum Hals in Problemen», hat sie beobachtet. Seit bald einem Jahr stehe alles still. Das bedeute keine Arbeit, fehlender Verdienst, kein Land und auch keine Möglichkeit mehr, beim Unternehmen Traktoren zum Pflügen der verbliebenen eigenen Felder zu mieten. Diese Dienstleistung hatte Addax auf Druck von Silnorf zugesichert. «Die Gefahr ist gross, dass die Bauernfamilien die bevorstehende Regenzeit zu wenig nutzen können und später die Ernte fehlt. Hunger droht», befürchtet Lieberherr.
© Brot für alle / Miges Baumann
Urs Walter
Statt Agrotreibstoff für Europa und Strom für Sierra Leone zu liefern, hinterlässt das Projekt von Addax verbrannte Zuckerrohrfelder.
Zuckerrohrprojekt von Addax in Sierra Leone: Erst musste die Bevölkerung für die Verbesserung der Landverträge kämpfen. Jetzt steht alles still und das Projekt dürfte verkauft werden: Nach dem Land haben die Menschen nun auch ihre Arbeit verloren. Das Grossprojekt der Schweizer Addax Bioenergy zur Herstellung von Agrotreibstoff aus Zuckerrohr in Sierra Leone soll verkauft werden. Das Landwirtschaftsministerium bestätigte entsprechende Gespräche mit der britischen Sunbird Bioenergy. Brot für alle und Silnorf, Partnerorganisation vor Ort, fordern Addax auf, dafür zu sorgen, dass bei einem Verkauf die Landpachtverträge überarbeitet werden. Darauf sollen auch die beteiligten öffentlichen Geldgeber, darunter die Schweiz via Seco, hinwirken. «Die Bäuerinnen und Bauern dürfen nicht erneut das Nachsehen haben», sagt Silva Lieberherr, Fachperson für Land Grabbing bei Brot für alle. Seit die Arbeiten in der Fabrik und auf den Feldern gestoppt wurden, gibt Addax keine Auskünfte mehr. Das Projekt habe nicht die erwarteten Resultate gebracht, ist einzig zu hören (Stand Mai). Eine Übernahme durch Sunbird
Im traditionellen Wechselanbau brennen die Bauern gewisse Gebiete vor dem Regen ab. Dieses Jahr ist vielerorts auch das Zuckerrohr auf den vernachlässigten Addax-Feldern verbrannt. Noch schlimmer, wie eine Bäuerin erzählt: «In Romaro sind auch Häuser – mitsamt dem Reis und dem Saatgut fürs kommende Jahr – verbrannt.»
Verfehlte Partnerschaft Staat/Private Addax hat in das Makeni-Projekt etwa 500 Millionen Franken investiert. Rund 235 Millionen davon brachten acht öffentliche Entwicklungsbanken ein. Aus der Schweiz flossen Steuergelder via das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco. Die Investition mit Addax galt bisher als Vorzeigeprojekt für eine nachhaltige Entwicklungsfinanzierung und als Erfolg einer Partnerschaft öffentliche Hand und Privatwirtschaft (PPP). «Beim Verkauf des Projektes müssen Addax, die Entwicklungsbanken und auch das Seco ihre Verantwortung übernehmen», fordert Brot für alle. Das Makeni-Projekt dürfe nicht an eine dubiose Firma verkauft werden, präzisiert Miges Baumann, Leiter Entwicklungspolitik. Besonders wichtig sei, dass die Arbeitsplätze und die Programme zur Unterstützung von Bäuerinnen und Bauern bestehen bleiben. «Auch ist eine grundlegende Überarbeitung der Pachtverträge notwendig.» Gewisse Verbesserungen für die lokale Bevölkerung konnten Brot für alle und Silnorf seit 2010 aushandeln. Unklar ist, wie sich ein Verkauf auf die auf 50 Jahre vereinbarten Pachtverträge und die öffentlichen Gelder auswirkt.
Projekt: Recht auf Nahrung, Silnorf 835.8076 Aktuelle Informationen: www.brotfueralle.ch/addaxbioenergy
contigo
11
Nr.2 | 2016
SCHWEIZER KONZERNE
Nur elf Prozent befolgen Uno-Leitprinzipien Urs Walter
Nur 11 Prozent der 200 grössten Schweizer Konzerne richten ihre Unternehmenspolitik umfassend nach den Leitprinzipien der Uno zu Wirtschaft und Menschenrechten aus. Dies zeigt eine Studie, die
Konzerne sollten weltweit bei allen Tätigkeiten die Menschenrechte einhalten. Diese Vorgabe hat vor fünf Jahren der Uno-Menschenrechtsrat verabschiedet. Doch die Realität bei den 200 Schweizer Konzernen mit den grössten Umsätzen (2014) ist anders, ergibt eine von Brot für alle und Fastenopfer veröffentlichte Analyse: • 61,5 Prozent der Konzerne veröffentlichen keinerlei Hinweise auf eine Menschenrechtspolitik. • 27,5 Prozent veröffentlichen einen Verhaltenskodex für ihren Konzern und die Geschäftsbeziehungen mit den wichtigen Lieferanten. • 11 Prozent bekennen sich umfassend zu den Uno-Leitprinzipien. Von diesen 22 Konzernen sind 19 börsenkotiert und 8 Teil einer ausländischen Gruppe. • Der Grossteil der Konzerne, die sich zu den Uno-Leitprinzipien bekennen und diese teilweise umsetzen, stand in den letzten Jahren unter öffentlichem Druck. Sie wurden angeschuldigt, Menschenrechte verletzt oder gravierende Umweltschäden verursacht zu haben. Basis der Analyse bilden alle im Herbst 2015 verfügbaren Angaben auf Webseiten oder speziellen Berichten der Firmen zu Corporate Social Responsability (CSR) und Nachhaltigkeit. Chantal Peyer, Fachperson für Ethisch Wirtschaften bei Brot für alle und Autorin der Studie, zeigt sich enttäuscht: «Fast zwei von drei Unternehmen haben keine Uno-konforme Menschenrechtspolitik und auch keinen Verhaltenskodex. Damit fehlt eine ausformulierte Vorgabe zur Einhaltung der Menschenrechte im Konzern und den abhängigen Lieferanten.» Einige Firmen sagten auf Anfrage, sie hätten intern entsprechende Leitlinien. Doch ohne Transparenz lässt sich weder die Qualität solcher Vorgaben überprüfen noch wie weit diese tatsächlich umgesetzt werden. Insgesamt, folgert Peyer aus der Studie, «scheint eine Mehrheit der Konzernleitungen noch immer wenig Gewicht auf die Frage zu legen, ob auch ihre Tochterfirmen und Lieferanten ausserhalb der Schweiz die Menschenrechte respektieren».
© Brot für alle / Spinas Civil Voices
Brot für alle erarbeitet hat.
Zum Beispiel Mais: Ausländische Konzerne bauen Mais für Agrotreibstoff an – auch wenn dafür Familien aus ihren Dörfern vertrieben werden.
Die 14 unabhängigen Schweizer Konzerne mit einer veröffentlichten Menschenrechtspolitik oder einem Verhaltenskodex wurden vertieft analysiert. Das Fazit: Teilweise lassen sich sehr innovative Ansätze erkennen, einige dokumentieren diese auch gut. Beim grössten Teil der Konzerne reichen die Angaben aber nicht, um zu überprüfen, ob die Massnahmen auch wirksam sind und der Konzern so seine Sorgfaltspflicht erfüllt. Ein positives Beispiel ist der Reisekonzern Kuoni. Er veröffentlichte sämtliche Informationen zu den Wirkungsanalysen, den dabei gefundenen Menschenrechtsproblemen und den Gegenmassnahmen. Generell folgert Chantal Peyer, dass «in den Konzernen die umfassende Einordnung der Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Menschen und Umwelt fehlt». Noch immer habe die Menschenrechtspolitik nicht den gleichen Stellenwert wie das Erzielen von Gewinn, ein transparentes Rechnungswesen und Controlling oder die Bekämpfung von Korruption und Geldwäscherei.
Studie und Zusammenfassung: www.sehen-und-handeln.ch/thema/konzerne-und-menschenrechte
contigo
Nr.2 | 2016
MENSCHENRECHTE
Aktivisten in Äthiopien noch immer im Gefängnis Seit März 2015 hält Äthiopien drei Menschenrechtverteidiger gefangen. Bisher konnte die Staatsanwaltschaft keine Zeugen für ihre Anklage vorbringen.
Land an ausländische Investoren und nationale Eliten zu verteilen. Allein in Gambela, der Provinz, aus der zwei der Verhafteten stammen, wurden in den letzten Jahren bis zu einer Million Hektaren (etwa zwei Mal die Fläche des Kantons Wallis) von Investoren übernommen. uw Zur Unterstützung der Familienangehörigen und für juristischen Beistand für die Angeklagten sammelt Brot für alle: Postkonto 40-984-9, Vermerk «Projektnummer 835.8086» Aktuelle Informationen: www.brotfueralle.ch/aethiopien
Brot für alle und weitere Organisationen fordern, diese politischen Gefangenen frei zu lassen.
Die internationale Allianz «Free Omot», zu der auch Brot für alle gehört, wehrt sich seit einem Jahr gegen die unbegründeten Verhaftungen sowie das lange Verfahren. Die Organisationen fordern die Regierung in Addis Abeba auf, diese politischen Gefangenen frei zu lassen. Kritik soll nicht mit Verhaftungen und Einschüchterungen zum Schweigen gebracht werden. Auch die Weltbank und die internationalen Geberländer, welche Äthiopien finanziell grosszügig unterstützen, sollen auf Einhaltung der Menschenrechte bestehen und sich für die Freilassung der drei Männer einsetzen, fordert die Allianz. Von der Weltbank finanzierte Programme haben in Äthiopien zu Umsiedlungen und Menschenrechtsverletzungen geführt. Das rief Kritik an der Regierungspolitik hervor,
HONDURAS
Berta Cáceres erschossen Brot für alle trauert um Berta Cáceres. Die prominente Exponentin der honduranischen Gemeinschaft der Lencas wurde am 3. März in ihrem Haus in der Stadt La Esperanza erschossen. Der Druck auf Menschen, die sich für Menschenrechte und die Folgen grosser Projekte einsetzen, ist auch in Honduras gross. Berta Cáceres wehrt sich seit Jahren gegen den Bau eines grossen Staudamms auf dem Territorium der Lencas. Das Projekt führt zu enormen UmweltBerta Cáceres schäden und zerstört Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung. Europäische Entwicklungsbanken und Unternehmen sind beteiligt. Die Wohngemeinde von Cáceres ist Mitglied des Netzwerkes Anafae – dem langjährigen Südpartner von Brot für alle in Honduras. Noch im November 2015 bat Brot für alle den Schweizer Botschafter und das DEZA-Büro vor Ort, sich für den Schutz der Lencas einzusetzen. Diese werden zunehmend Opfer von Polizeigewalt und Bedrohungen. uw
© Brot für alle/ Copinha
Vor über einem Jahr verhaftete die äthiopische Polizei auf dem Flughafen Addis Abeba Omot Agwa Okwoy, Ashinie Astin und Jamal Oumar Hojele sowie vier weitere Äthiopierinnen und Äthiopier. Sie und weitere Experten und Vertreterinnen von Nichtregierungsorganisationen aus Omot Agwa Okwoy verschiedenen Ländern wollten an einem Workshop zum Recht auf Nahrung, Saatgut und Landrechte in Kenia teilnehmen. Dieser wurde von Brot für alle und ihren Partnerorganisationen Grain und Anywaa Survival Organisation durchgeführt. Inzwischen wurden drei Menschenrechtsverteidiger des Terrorismus angeklagt. Das ist völlig haltlos. Eine Anschuldigung betrifft die geplante Teilnahme am Workshop. Die bisherigen Anhörungen vor Gericht verliefen ergebnislos, die Verhandlungen werden immer wieder verschoben. © Brot für alle / WG Film
12
contigo
13
Nr.2 | 2016
Neue Mitarbeiterin
ENTWICKLUNGSGELDER
Politik muss Wort halten! Mit einem «Weckruf gegen Hunger und Armut» wehren sich Brot für alle und 30 weitere Organisationen gegen das Sparen auf dem Buckel der Ärmsten: Die Mittel für Entwicklungsarbeit dürfen nicht gekürzt werden. In den bevorstehenden Sessionen entscheidet als Erstes der Nationalrat, ob – wie vom Bundesrat vorgeschlagen – der Kredit für die Entwicklungszusammenarbeit gekürzt wird. Dabei verfehlt die Schweiz schon jetzt das Ziel, 0,7 Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen. Dieser von der Uno gesetzte Anteil wurde bereits vor einigen Jahren mit einer Ökumenischen Kampagne gefordert.
Seit Anfang März arbeitet Anna Rutishauser als Fachperson Rechnungswesen und Controlling bei Brot für alle. uw
2015: Erfolge und guter Abschluss Im letzten Jahr brachte die Ökumenische Kampagne zu Ernährung und Klimawandel viel Aufmerksamkeit. Ende August wurden die negativen Auswirkungen des Kohleabbaus in Südafrika thematisiert. Das Beispiel belegt, wie wichtig es ist, dass Brot für alle die Konzernverantwortungsinitiative mitträgt. Die Spendeneinnahmen stiegen leicht. Dank dieser Unterstützung konnten Brot für alle und die Partnerwerke 2015 leicht mehr Mittel für die Entwicklungsarbeit einsetzen. uw
Wissen Sie, • wie viele Kilogramm Fastenagenden 2015 in Olten
verteilt wurden? • welcher Manager-Typ Sie sind? • wo es Bäuerinnen und Bauern verboten ist, ihr
eigenes Saatgut zu verwenden?
Falls nicht – bestellen Sie unseren Jahresbericht.
Jahresbericht: Mit der beiliegenden Karte bestellen oder auf www.brotfueralle.ch/jahresbericht herunterladen
Weil der Bund aus dem gleichen Kredit mehr Geld für den Asylbereich abzweigen will, schrumpfen die Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit besonders kräftig. Das gefährdet die erfolgreiche Aufbauarbeit der Schweiz im Kampf gegen Hunger und Armut. Statt am falschen Ort zu sparen, sollte die Schweiz mithelfen, die Uno-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, fordert Brot für alle. Noch im Herbst 2015 hat sich der Bundesrat zu diesen bekannt. uw Informationen und unterschreiben: www.weckruf-armut.ch
NACHRICHTEN Klimafonds wird übergeben Vor einigen Jahren hat Brot für alle mit Erfolg den Klimafonds aufgebaut. Auf Ende Jahr wird das Projekt für Klimamassnahmen von Partnerwerken geschlossen. Die aus dem Fonds finanzierten Arbeiten werden von den einzelnen Werken übernommen. uw
KONZERNVERANTWORTUNG Initiative zu Stande gekommen: Dank an alle, die zum Erfolg beigetragen haben Bis Mitte April 2016 haben über 140 000 Personen die Konzernverantwortungsinitiative unterschrieben. Sie ist damit zu Stande gekommen. Dank der grossen Unterstützung in Kirchgemeinden und Pfarreien sammelten Brot für alle und Fastenopfer dabei je über 12 000 Unterschriften. Das ist mehr als erwartet. Vielen Dank! Wie der Beitrag auf Seite 11 zeigt, braucht es weiterhin viel Druck, bis die Menschenrechte für alle und in allen Ländern gleichermassen gelten und weltweit zum selbstverständlichen und befolgten Teil der Geschäftspolitik jedes Konzerns werden. Der Weg bis zur erfolgreichen Abstimmung und Umsetzung unseres Anliegens ist noch lang. Bitte senden Sie rasch alle restlichen Bogen mit Unterschriften zurück. uw
14
contigo
Nr.2 | 2016
SENSIBILISIERUNGSKAMPAGNE
«Wir müssen Farbe bekennen für Menschen auf der Flucht» Bettina Filacanavo
2015 war geprägt von unzähligen Bildern von Flüchtlingen, die auf der Balkanroute in Richtung Westeuropa unterwegs waren. Auch 2016 werden viele Flüchtlinge erwartet. Dies stellt auch die
© Franz R. & Gerry A./HEKS
Schweiz vor grosse Herausforderungen. Gefordert sind Lösungen, aber vor allem Solidarität und Menschlichkeit. Deshalb hat HEKS Anfang Mai 2016 die Kampagne «Farbe bekennen» lanciert, um die Stimmen aller Menschen in diesem Land, welche das menschliche Gesicht der Schweiz ausmachen, zu vereinen und in die öffentliche Debatte zu tragen. Stimmen, die wichtiger sind denn je angesichts der dramatischen Situation zahlreicher Flüchtlinge. Ein Interview mit Antoinette Killias, Bereichsleiterin Inland.
krassem Gegensatz zur seit Jahren politisch instrumentalisierten und aufgebauten ausländerfeindlichen Stimmung. HEKS lancierte die Flüchtlingskampagne «Farbe bekennen». Was steckt dahinter? Angefangen hat alles im letzten Sommer, als die Flüchtlingstragödie in der Schweiz eine grosse Solidaritätswelle ausgelöst hat. Auch HEKS wurde regelrecht überhäuft mit Anfragen von Privatpersonen, die sich freiwillig für Flüchtlinge engagieren und unsere Arbeit mit Spenden unterstützen wollten. Viele andere Organisationen, Hilfswerke und die Kirchen haben das Gleiche erlebt. Mit der Kampagne möchten wir diesen Menschen eine Stimme geben und aufzeigen, dass es uns gibt. Es geht uns gut hier in der Schweiz, und wir sehen auf der anderen Seite die vielen Menschen, die bei uns Schutz suchen. In solchen Momenten ist es uns ein inneres Bedürfnis zu helfen. Für mich hat die Schweiz ihr zutiefst menschliches Gesicht gezeigt. Durch das Tragen des Menschlichkeitsarmbands möchten wir demonstrieren, dass wir Viele sind, und dass wir für eine menschliche Schweiz stehen und als solche auch gesehen und gehört werden wollen. Die Kampagne soll uns vereinen und in unserer Haltung und unserem Engagement stärken. Wir möchten einen starken Akzent in der öffentlichen Diskussion setzen. Nebst der grossen Solidaritätswelle gibt es aber sicher auch Schwierigkeiten, mit denen die Schweiz in Bezug auf die Flüchtlingssituation zu kämpfen hat?
Antoinette Killias, wie schätzen Sie die Stimmung in der Schweiz gegenüber Flüchtlingen ein?
Eine Herausforderung ist die Unterbringung. Eine Unterkunft muss menschenwürdig sein. Zivilschutzanlagen sind das nicht und für einen mehrmonatigen Aufenthalt nicht zumutbar. Wir brauchen dringend mehr Unterkünfte mit Tageslicht.
Es gibt sehr viele Menschen in diesem Land, die sich spontan bereit erklärt haben, sich für die Flüchtlinge zu engagieren und sie zu unterstützen. Dies steht allerdings in
Ein weiteres Thema sind die unbegleiteten Minderjährigen, von denen viel mehr als je zuvor hier angekommen sind.
Antoinette Killias, Bereichsleiterin
© András D. Hajdú/HEKS
Inland bei HEKS.
Oktober 2015, serbisch-kroatische Grenze: Die flüchtenden Menschen tragen nur das auf sich, was sie unbedingt brauchen. Sie wünschen sich nur eines: Schutz vor Krieg und Gewalt.
contigo
15
Nr.2 | 2016
Für eine menschliche Schweiz – Farbe bekennen auch am Flüchtlingssonntag Angesichts der enormen Anzahl von Menschen auf der Flucht setzt HEKS mit der Kampagne «Farbe bekennen» ein deutliches
© HEKS
Zeichen für Menschlichkeit und bündelt die Stimmen der Solida-
Bekennen Sie Farbe und machen Sie mit: Mit dem Armband setzen Sie ein Zeichen für Menschlichkeit und Solidarität mit Menschen auf der Flucht.
Viele von ihnen leben in Asylunterkünften mit Erwachsenen zusammen. Für sie bräuchte es aber dringend separate Unterbringungen mit einer altersgemässen Betreuung. Auch ihre Rechtsvertretung müsste in allen Kantonen gewährleistet werden. Viele der Asylsuchenden werden einen Schutzstatus erhalten und in der Schweiz bleiben können. Leider müssen sie lange auf ihren Asylentscheid warten, was zur Folge hat, dass sie nicht an den Integrationsprogrammen teilnehmen können. Dies wäre aber für eine raschere Integration sehr wichtig. Zudem stellen wir einen Mangel an Information und Orientierung fest. Ein Ja zur Revision des Asylgesetzes würde dazu führen, dass die Verfahren beschleunigt werden können und diese Menschen schneller Gewissheit über ihre Zukunft haben.
rität aus der Schweizer Bevölkerung. Wir bekennen Farbe zu unserer Überzeugung, dass wir – die Menschen in der Schweiz – die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam meistern können. Wenn wir uns nicht von Ängsten leiten lassen, sondern uns darauf besinnen, was uns alle verbindet: unsere Menschlichkeit und unser Mitgefühl. Unsere Stimme ist wichtig! Überlassen wir die Diskussion nicht jenen, die uns lautstark Probleme und Ängste eintrichtern. Als sichtbares Bekenntnis zu Menschlichkeit und zu Solidarität mit Menschen auf der Flucht rufen wir Sie dazu auf, das Menschlichkeitsband mit der Aufschrift «Farbe bekennen» zu bestellen und bis zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni 2016 zu tragen. os Bestellen: www.farbe-bekennen.jetzt
Bekennen Sie Farbe, machen Sie mit –
Was ist damit gemeint? Die Flüchtlinge waren lange unterwegs, haben mehrere Länder durchquert, sind nun in der Schweiz angekommen und sie wissen nicht, was mit ihnen geschieht. Sie kennen das Asylverfahren nicht, wissen nicht, ob und wann sie arbeiten oder ihre Familie nachziehen dürfen. Gleichzeitig stehen sie Betreuenden oder Freiwilligen gegenüber, denen oft die Kenntnisse dazu fehlen und die Fragen der Asylsuchenden nicht beantworten können. Hier sehen wir Handlungsbedarf. Wie kann HEKS da konkret helfen? Wir haben in verschiedenen Regionen der Schweiz das Projekt «infoRefugee» lanciert. Ein mobiles Team von Beraterinnen und Beratern, begleitet von Dolmetschenden, besucht die Aufnahmezentren oder nahe gelegene Treffpunkte und informiert dort die Asylsuchenden in Gruppen oder Einzelgesprächen. Bei Bedarf organisieren wir Informationsanlässe auch für die Betreuenden. HEKS verfügt dank seiner zahlreichen Rechtsberatungsstellen für Asylsuchende und die Hilfswerksvertretung über grosses Wissen und langjährige Erfahrung in allen asyl- und ausländerrechtlichen Fragen sowie verwandten Themen.
auch am Flüchtlingssonntag mit einer Veranstaltung in Ihrer Kirchgemeinde! Nebst dem Armband stellt Ihnen HEKS Plakate, Predigtbausteine, Kollektenansagen, Reportagen, Porträts und Filmvorschläge zur Verfügung. os Information: www.heks.ch/fluechtlingssonntag
16
contigo
Nr.2 | 2016
Die Schattenseiten der Moderne
SENEGAL
Kleinbauern in Bedrängnis Dieter Wüthrich
Im westafrikanischen Staat Senegal unterstützt HEKS seit den 1980er-Jahren ländliche Gemeinschaften bei der Umstellung auf eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft mit traditionellen, an die lokalen Klimabedingungen angepassten Sorten. In der Küstenregion Niayes wachsen über 30 Prozent aller Früchte und Gemüse Senegals. Doch die in den letzten Jahren massiv gewachsene Siedlungsdichte rund um die Hauptstadt Dakar hat dazu geführt, dass immer mehr fruchtbares Agrarland Wohn- und Industriebauten weichen musste. Die verbliebenen Flächen werden intensiv genutzt und der übermässige Einsatz von Pestiziden und Insektiziden droht das fragile Ökosystem aus dem Gleichgewicht zu bringen. HEKS unterstützt deshalb die lokale Bauernorganisation Fédération des Agro-Pasteurs de Diender (FAPD) bei der Einführung ökologischer Anbaumethoden.
Seit Jahren wird am neuen internationalen Flughafen zwischen Dakar und der Provinzstadt Thiès gebaut. Jetzt soll er 2017/2018 eröffnet werden. Politik und Wirtschaft des Senegals verbinden damit grosse Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung. Doch mit dem Bau des Flughafens hat die Bodenspekulation in der Region massiv zugenommen. Grossinvestoren aus dem In- und Ausland eignen sich Ländereien an, für welche die lokale Bevölkerung keine offiziellen Landtitel besitzt. Häufig werden die Kleinbauern vom Staat enteignet und an Orte ohne nutzbares Agrarland umgesiedelt. Dadurch droht ihnen der Verlust ihrer Lebensgrundlagen. HEKS unterstützt deshalb FAPD bei der Kartographierung der Grundstücke der Bauernfamilien und der Eingabe von Gesuchen um offizielle Landtitel.
Pionierin des biologischen Landbaus Zu diesen Produzentenfamilien gehören auch Nogaye Ndiaye und ihr Mann Ibrahim Deme. Zusammen bewirtschaften sie eine rund eine Hektare grosse Parzelle. Dort pflanzen sie unter anderem Tomaten, Kohl, Zwiebeln und Petersilie an. Die Kleinbäuerin ist eine eigentliche Pionierin des biologischen Landbaus in der Region Niayes. Seit bald zwanzig Jahren verwendet sie keine chemischen Insektizide und Pestizide mehr. Nogaye Ndiaye erinnert sich: «Früher haben wir auch Chemikalien verwendet und diese oft mit blossen Händen auf unseren Feldern ausgebracht. Dadurch litten wir zunehmend unter Augen- und Atembeschwerden. Seit wir nur noch biologischen Landbau betreiben, geht es uns auch gesundheitlich viel besser.»
Wasser – ein kostbares Gut Viele Produzenten können nicht alle ihrer Parzellen bewirtschaften, denn dafür reicht das Wasser vor allem in der Trockenzeit oft nicht aus. Auch muss das Wasser mühsam von Hand aus 80 bis 90 Meter tiefen Brunnen geschöpft werden. Eine generatorenbetriebene Wasserpumpe würde helfen, doch für die Anschaffung fehlen Ibrahim Deme und seiner Frau die Mittel.
© Corina Flühmann/HEKS
Bald ein Bio-Label?
Die Kleinbäuerin Nogaye Ndiaye muss das Wasser von Hand aus tiefen Brunnen schöpfen. Für eine Wasserpumpe und einen Generator reicht das Geld nicht.
Auch bei der Vermarktung ihrer Produkte brauche es noch Verbesserungen, meint Nogaye Ndiaye. Der Biolandbau sei gegenüber dem konventionellen Anbau im Nachteil, weil Gemüse und Früchte ohne Kunstdünger bis zu zwei Monaten länger bräuchten bis zur Erntereife. Sie werden auch zu den gleichen Preisen gehandelt wie konventionell hergestellte Produkte. Dazu kommt, dass es in Senegal für biologisch produzierte Produkte noch kein einheitliches, national anerkanntes Bio-Label gibt. FAPD und HEKS erarbeiten deshalb Standards für ein einheitliches und verlässliches Bio-Label.
contigo
17
Nr.2 | 2016
SENSIBILISIERUNGSKAMPAGNE
als Antwort auf den Fachkräftemangel, aber auch als klares Zeichen für mehr Chancengleichheit auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. os
Qualifiziert, aber kaum beachtet
© HEKS
www.sie-sind-die-antwort.ch
20
Diese qualifizierten Migrantinnen und Migranten können ihr berufliches Potenzial nicht ausschöpfen. HEKS gibt ihnen ein Gesicht und eine Stimme – als Antwort auf den Fachkräftemangel in der Schweiz.
Über ein Viertel der Migrantinnen und Migranten aus Drittstaaten verrichten in der Schweiz eine Arbeit, für die sie klar überqualifiziert sind. So ist es keine Seltenheit, wenn eine Anwältin aus Mexiko als Raumpflegerin oder ein Umwelttechniker aus Madagaskar auf dem Bau arbeiten. Zahlreiche Hindernisse auf dem Schweizer Arbeitsmarkt führen dazu, dass sie ihr berufliches Potenzial nicht ausschöpfen können: langwierige Verfahren zur Anerkennung ausländischer Diplome, fehlende Kenntnisse des schweizerischen Arbeitsmarktes, mangelnde Sprachkenntnisse, ein unsicherer Aufenthaltsstatus oder Vorurteile seitens der Arbeitgeber.
Dass qualifizierte Migrantinnen und Migranten aus Drittstaaten ihre Kompetenzen in der Schweiz nicht nutzen können, stellt nicht nur für sie persönlich, sondern auch für die Volkswirtschaft einen Verlust dar. Dennoch bleibt dieses Potenzial im aktuellen Diskurs um eine bessere Nutzung des inländischen Fachkräftepotenzials bisher weitgehend unbeachtet. Darum möchte HEKS diesen beruflich gut qualifizierten Menschen mit der Kampagne «Chancengleichheit zahlt sich aus» ein Gesicht und eine Stimme geben. Auf der Website www.sie-sind-die-antwort.ch stellt HEKS rund 40 Personen vor. Weitere Beispiele folgen. Im Herbst soll mit einer breiten Sensibilisierungskampagne mit den gesammelten Porträts der Schweizer Wirtschaft das brachliegende Potenzial «vor ihrer Haustür» vor Augen geführt werden –
Migrantinnen und Migranten gesucht! Sind Sie eine Migrantin oder ein Migrant aus einem Drittstaat (Herkunft ausserhalb des EU-/EFTA-Raums) und in der Schweiz von beruflicher Überqualifizierung betroffen? Möchten Sie im Rahmen der Kampagne porträtiert werden? Oder kennen Sie jemanden in dieser Situation? Jetzt anmelden!
Mehr Informationen: www.sie-sind-die-antwort.ch
AUSSTELLUNG
«Weg der Menschlichkeit» 60 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Verzweifelt suchen sie Zuflucht – auch in der Schweiz. Doch nicht alle heissen sie willkommen. Was bedeutet uns heute «Menschlichkeit»? Und wie viel Menschlichkeit leistet sich die Schweiz? Diesen Fragen geht die Ausstellung «Weg der Menschlichkeit» vom 28. Mai bis 26. Juni 2016 im Tramdepot Burgernziel in Bern nach. Die Ausstellung richtet sich an ein breites Publikum. Mit den Mitteln der Kunst und des Dialogs macht sie auf die aktuelle menschliche Not aufmerksam. Nebst Werken verschiedener zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstlern, die sich mit Fragen der Humanität und des humanitären Engagements auseinandersetzen, präsentieren sich an der Ausstellung auch mehrere Hilfswerke mit eigenen Projekten. HEKS ist mit seiner Ausstellung «Zaungäste» vertreten. Ehemalige Teilnehmende des Ökumenischen Begleitprogramms EAPPI, das HEKS in der Öffentlichkeits- und Sensibilisierungsarbeit unterstützt, berichten mit Texten, Bildern und Videos über ihren Einsatz als MenschenrechtsBeobachterinnen und -Beobachter im Westjordanland. os Informationen: www.parcourshumain.ch
LUNCHKINOS
«Lunchkinos» in verschiedenen Schweizer Städten Auch dieses Jahr präsentiert Ihnen HEKS im Rahmen von «Lunchkinos» in sechs Schweizer Städten den Film zur jährlichen HEKS-Kampagne «Fragen Sie ihn». Der Film zeigt die Arbeit von HEKS im Kosovo auf. Für Verpflegung ist gesorgt. • • • • •
Zürich: 29. August Basel: 9. September Bern: 15. September St. Gallen: 16. September Schaffhausen: 27. September
Informationen: www.heks.ch/lunchkino
contigo
Nr.2 | 2016
menischer Zusammenarbeit mit allen Menschen guten Willens in El Agustino, darunter der katholische Priester und verschiedene Quartiervereine.
PERU
Kirche im Schatten der Industriekamine
Blei im Blut
Hildegard Willer*
Fabriken verpesten die Luft in El Agustino, Lima. Mitglieder der kirchlichen Umweltgruppe halten dagegen. Auch wenn sie sich wie eine Maus gegen einen Elefanten fühlen.
«Nachts ist der Rauch aus den Schornsteinen so beissend, dass man kaum atmen kann», sagt Oscar Juscamayta von der Umweltgruppe. Wie die anderen Mitglieder lebt er seit Jahrzehnten hier. Die Fabriken loszuwerden, ist nicht einfach. Denn die pochen darauf, dass sie vorher da waren, und sich erst danach Menschen angesiedelt hätten. Über 10 000 Bürgerinnen und Bürger sind heute direkt von den Abgasen der Fabrik Mepsa, einer Zulieferfabrik für den Bergbau, betroffen. In jeder anderen Stadt müssen die Fabriken umsiedeln, in eigens dafür ausgewiesene Industriegebiete. Vor zehn Jahren war es fast so weit. Medizinstudenten der staatlichen Universität San Marcos hatten im Blut von hundert Kindern aus El Agustino Bleiwerte weit über den Grenzwerten gefunden. Der Bürgermeister von Lima widerrief daraufhin die Betreiberlizenz. Doch sein Nachfolger machte den Beschluss wieder rückgängig. Die letzte staatliche Luftmessung fand 2014 an einem Feiertag statt – mit dem Ergebnis, dass die Luftbelastung unter den Grenzwerten blieb.
Kleine Erfolge © Mission 21 / Hildegard Willer
18
Angelina Salazar kämpft unermüdlich für bessere Luft in El Agustino.
Wenn Angelina Salazar sich mit der Umweltgruppe in ihrer Kirche «Iglesia Evangélica de los Peregrinos» in El Agustino trifft, muss sie schreien, um sich bemerkbar zu machen. Das Kirchengebäude aus Beton liegt an einer der Hauptverkehrsstrassen Limas. Durch das offene Dach dringt der Lärm unzähliger Autos, Busse und Lastwagen, die wild durcheinanderhupen, abbremsen oder Gas geben. Nicht zu reden vom Abgasgestank, der bis zu den Kirchenbänken dringt. Sich als Christin für den Schutz der Umwelt einzusetzen, ist für die 58-jährige Sozialarbeiterin und Pastorin eine Selbstverständlichkeit. Schliesslich ist die Verschmutzung das drängendste Problem. El Agustino gehört zu den dreckigsten Quartieren Limas. Seit sechs Jahren leitet sie das Projekt «Förderung und Aufbau einer gesunden und umweltbewussten Gemeinde», das von Mission 21 unterstützt wird. Dazu gehört an erster Stelle die Auseinandersetzung mit dem grössten Umweltverschmutzer des Viertels, einer metallverarbeitenden Fabrik. Diesen Kampf führt sie in öku-
«Wir stossen mit mächtigen Interessen zusammen», sagt Angelina Salazar. «Wir sind wie eine Maus gegen einen Elefanten.» Deswegen hat es sie besonders gefreut, dass die Umweltgruppe dieses Jahr von der zuständigen Staatsanwaltschaft für Umweltfragen angehört wurde und ihr in Aussicht gestellt wurde, dass die Fabrik das Quartier verlassen müsse. Dies wurde möglich, weil die Umweltgruppe sich inzwischen als Verein eingetragen hat. Mit ihrem Engagement fangen Angelina und die Umweltgruppe mit 15 Mitgliedern an der Basis an: In zwei Schulen des Viertels geben sie Kurse in Umwelterziehung und pflanzen mit Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern Hecken auf dem Schulgelände. Mit Gemeindemitgliedern verarbeiten sie Supermarkt-Plastiktüten zu Handtaschen und stellen aus Plastikflaschen vielfältige Gebrauchsgegenstände her, von der Blumenvase bis zum Serviettenhalter. Für ihr Recycling-Engagement erhielten sie vor zwei Jahren eine Anerkennungsurkunde des Umweltministeriums. Die Umweltgruppe bleibt im Kleinen wie im Grossen hartnäckig am Ball. Es ist für sie langfristige Aufgabe und Verpflichtung. * Hildegard Willer ist Regionalkoordinatorin Peru-Bolivien für Mission 21. Sie lebt in Lima. Projekt: «Stärkung der sozialdiakonischen Arbeit», Nr. 476.1004 Spenden: Konto PC 40-726233-2, IBAN Nr. CH58 0900 0000 4072 6233 2 Information: www.mission-21.org/peru, projektdienst@mission-21.org, Telefon 061 260 23 03
contigo
19
Nr.2 | 2016
AKTUELL
Südsudan Nile Theological College spendet Hoffnung in Kriegszeiten
© Mission 21
Das Nile Theological College (NTC) in Malakal musste 2013 nach Ausbruch des Bürgerkriegs die Pforten schliessen. Es lag in einem der am stärksten vom Krieg betroffenen Gebiete. Im Sommer 2015 konnte das theologische Bildungsinstitut in der südsudanesischen Hauptstadt Juba neu eröffnen. Das Institut spendet den Studierenden Hoffnung in Kriegszeiten und ermöglicht ihnen eine Weiterführung der Ausbildung unter widrigsten Umständen.
Mathias Waldmeyer (r.), Landeskoordinator Südsudan, im Gespräch mit Studenten.
Als wir den Studenten Kasara Peter Lieh im Februar 2016 kennenlernen, ist er offen und freundlich und bedankt sich für die langjährige Partnerschaft und Unterstützung durch Mission 21. Erst beim näheren Hinsehen fällt auf, dass er sein Bein etwas nachzieht. «Ich wurde angeschossen», erzählt er offen. Als Kasara Peter im Dezember 2013 aus Malakal vor dem entflammten Bürgerkrieg fliehen musste, ging er zurück in seine Heimatstadt Bentiu im Bundesstaat Unity. Doch auch dort kam es bald zu Unruhen. Ende April 2014 stürmten Rebellen sein Zuhause und schossen ihm nachts, während er im Bett schlief, ins Bein. Gute medizinische Hilfe ist im Südsudan schwer zu bekommen, weshalb er für Behandlungen zunächst nach Äthiopien und dann in den Sudan reisen musste. Kasara Peter hatte Glück, dass er fliehen konnte und seine Verletzungen verheilt sind. Die seelischen Verletzungen heilen allerdings nur langsam. Einige seiner früheren Lehrer und Kommilitonen wurden getötet, das Schicksal anderer ist ungewiss.
Seit vergangenem Juli studiert Kasara wieder am NTC. Nach seinem Abschluss möchte er Gott dienen und in seinem Namen Gutes tun. Denn er ist dankbar, dass er überlebte und weiter studieren kann: «Solange ich leben darf, werde ich ihm zur Verfügung stehen.» Dorina und Mathias Waldmeyer, Landeskoordinatoren Südsudan
DR Kongo: Neue Modell-Fischteiche im Kwango Die Communauté Evangélique du Kwango (CEK), Partnerorganisation von Mission 21 in der Demokratischen Republik Kongo, berät Menschen in der abgelegenen Kwango-Region seit über vierzig Jahren, damit sie ihre Ernährung verbessern können. Im August 2015 hat sie einen grossen Modell-Fischteich in Betrieb genommen. Der Teich ist Beispielprojekt für die landwirtschaftliche Beratungsarbeit, soll aber auch Einkommen bringen. So wird er zum kleinen Schritt auf dem Weg zur Unabhängigkeit von europäischen Geldern. Der Teich ist 35 auf 75 Meter gross und wurde mit 2000 Fischsetzlingen bestückt. Im Frühsommer 2016 können erstmals Fische verkauft werden. Die CEK unterhält auch eine Geflügel- und Gemüsezucht. Mithilfe der CEK wurden in den Dörfern bereits 50 Fischteiche angelegt, weitere sind in Planung. Fisch ist ein wichtiger Proteinlieferant und somit ein gutes Mittel gegen die verbreitete Mangelernährung. Viele Menschen ernähren sich fast ausschliesslich mit Maniokbrei. Eine Folge davon ist Diabetes. Die Projekte der CEK fördern auch das Wissen über Gemüsezucht und Tierhaltung. Ziel ist nicht nur Quantität, sondern auch eine nachhaltige Qualität der grösstenteils biologischen Produkte. mw
Kamerun: HIV-Prävention in weiterführenden Schulen Emery Mpwate ist HIV/Aids-Koordinator von Mission 21 in Afrika. Er berät die Partnerkirchen und begleitet ihre Aids-Arbeit. Mpwate hat mit der Presbyterianischen Kirche in Kamerun (PCC) neues Unterrichtsmaterial über HIV-Prävention und Sexualität entwickelt, das im Juni veröffentlicht wird. In allen 21 weiterführenden Schulen der PCC wurden regelmässige Unterrichtsstunden eingeplant, die sich dieser wichtigen Thematik widmen. Die Lehrkräfte wurden speziell geschult. «Das Unterrichtsmaterial wurde sehr gut aufgenommen. Die 86 Lehrpersonen sagten, es sei bereichernd und hilfreich», so Emery Mpwate. Auch die Schülerinnen und Schüler bezeichneten das Projekt als «sehr relevant und zeitgemäss» und berichteten,
contigo
Nr.2 | 2016
dass im Unterricht offene Gespräche über HIV/Aids und Sexualität möglich wurden. Da Sexualität und HIV/Aids immer noch oft tabuisiert werden, ist das neue Lehrmaterial der PCC eine wichtige Errungenschaft. Die PCC nimmt somit eine nationale Vorreiterrolle ein, denn von offizieller Seite fehlt noch immer englischsprachiges Unterrichtsmaterial. da/mw
Japan: Fünf Jahre nach Fukushima Das starke Erdbeben am 11. März 2011 löste einen verheerenden Tsunami und eine der gravierendsten Atomkatastrophen der Geschichte aus. Auch fünf Jahre danach bleiben die Folgen überall spürbar: Geisterstädte in verstrahlten Gebieten, eine Bevölkerung, die versucht, irgendwie mit der unsichtbaren Gefahr zu leben, Kinder, die fast nie draussen spielen dürfen.
Mission 21 hat in Japan mehrere Partnerkirchen und -organisationen und startete 2011 in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS) einen Spendenaufruf. Die Solidarität aus der Schweiz war gross: Über 360 000 Franken kamen zusammen. Daraus wurden unter anderem erste Nothilfemassnahmen, Freiwilligeneinsätze, Angebote zur Traumabewältigung sowie Stipendien für den Schulbesuch von Kindern finanziert. Zudem konnte das Sommercamp-Programm der Young Women‘s Christian Organization (YWCA) aufgebaut werden: Es ermöglicht Kindern und Familien aus Fukushima, Ferien in Erholungscamps ausserhalb der verstrahlten Region zu verbringen. 2015 nahmen über 300 Personen am Programm teil. Die Soforthilfe von Mission 21 für Fukushima ist abgeschlossen. Die Sommercamps des YWCA und andere Programme gehen weiter und ermöglichen den in der verstrahlten Region Verbliebenen unbeschwerte Momente. kp
© Jonathan Liechti
20
Filmstill aus der DVD zum Theater «Da draussen bei den Heiden» des Theaterensembles Johannes, Bern
Schweiz: «Da draussen bei den Heiden» auf DVD Mit seinem Stück zu Mission, Rassismus und Sklaverei landete das Theaterensemble Johannes einen Publikumserfolg. «Spannend von der ersten bis zur letzten Minute», sagte eine Besucherin. Jetzt ist das Stück auf DVD erhältlich. Es erzählt die Geschichte des Missionsehepaars Johannes Zimmermann und Catherine Mulgrave, macht aber auch Schlenker auf ein Sklavenschiff oder in eine Basler Bankiersfamilie. Das collagenhafte Theater zeigt verschiedenste Welten, deren Widersprüche zum Weiterdenken anregen. So sucht Missionar Zimmermann den engen Kontakt zur lokalen Bevölkerung, heiratet gar eine ehemalige Sklavin. Das macht das Missionskomitee in Basel rasend wütend. Die Livemusik von
Moritz Achermann haucht dem Geschehen Rhythmus und Leben ein. Der Film ist dank aussergewöhnlicher Kamerafahrten ein ganz eigenes Erlebnis. Er ist für den kirchlichen Unterricht oder die Erwachsenenbildung geeignet. Mit einzelnen Szenen können spannende Diskussionen ausgelöst oder vertieft werden. Dauer: 117 Minuten, Sprache: Schweizer Mundart, Preis: Fr. 10.– Bestellen: www.theaterensemble.ch
contigo
21
Nr.2 | 2016
FRAUEN
AGENDA
Neues Advocacy-Programm
Veranstaltungsorte:
Veranstaltungen finden in der Regel bei Mission 21, Missionsstrasse 21, Basel, statt.
Mittwoch, 29. Juni 2016, 18–19.30 Uhr Oekolampad, Schönenbuchstrasse 9, Basel
JUNI
Tansaniatag Samstag, 11. Juni, 11–17 Uhr Zinzendorfhaus, Leimenstrasse 10, Basel
Im Zentrum des Tansaniatages steht die 125-Jahr-Feier der Herrnhuter Brüdergemeine in Ostafrika. Mit persönlichen Blitzlichtern.
Camp in Taizé mit Gästen aus Hongkong 22. Juni bis 5. Juli
Freizeit gemeinsam mit jungen Erwachsenen aus Hongkong, Mitleben in der ökumenischen Gemeinschaft in Taizé (Frankreich), danach einige Tage in der Schweiz.
Das neue Programm «Frauen-Menschenrechte, faith-based» vernetzt und stärkt Frauen in ihrem Kampf gegen jegliche Formen von Gewalt und Diskriminierung. Wir laden Sie ein, diesen Aufbruch in unserem Engagement für und mit Frauen weltweit zu feiern.
Information und Anmeldung: www.mission-21.org/advocacy sibylle.dirren@mission-21.org, 061 260 22 66
WENDEPUNKTE Horizonte weiten: Rituale neu entdecken
Information und Anmeldung: www.mission-21.org/taize barbara.grass@mission-21.org, 061 260 22 39
JULI
Internationaler Bonhoeffer Kongress 6. bis 10. Juli
Mit der Internationalen Bonhoeffer Gesellschaft und dem Institut für Hermeneutik und Religionsphilosophie der Universität Zürich. Wie wurde Bonhoeffers Theologie durch Auslandserfahrungen und ökumenische Begegnungen geprägt? Kann sie auch in unserer globalisierten Situation hilfreich sein? Information und Anmeldung: www.mission-21.org/bonhoeffer2016 magdalena.zimmermann@mission-21.org, 061 260 22 59
Samstag, 10. September, 10-16.30 Uhr
Mitten im Alltag wie an den grossen Wendepunkten geben Rituale dem Leben Tiefe. Die «Sprache der Gesten» schafft Brücken zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem. Besser als Worte sind Rituale über kulturelle Grenzen hinweg verständlich. In den Referaten und Workshops bringen wir Erfahrungen aus der Schweiz, Südamerika und Indonesien ein. Mit Lorenz Marti, Gisula Tscharner, Andrea Marco Bianca u.a. «Horizonte weiten» öffnet den Blick auf die weltweite Kirche, gibt Impulse für das Engagement vor Ort und motiviert mit der Kraft christlicher Spiritualität. Für Engagierte und Mitarbeitende, Kirchenpflegen und OeME-Gruppen. Herzlich willkommen! Information und Anmeldung: www.mission-21.org/horizonte detlef.lienau@mission-21.org, 061 260 23 35
contigo
AGENDA
Nr.2 | 2016
AGENDA JUNI
Weg der Menschlichkeit Bis 26. Juni, Tramdepot Burgernziel, Bern
60 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Verzweifelt suchen sie Zuflucht – auch in der Schweiz. Doch nicht alle heissen sie willkommen. Was bedeutet uns heute «Menschlichkeit»? Und wie viel Menschlichkeit leistet sich die Schweiz? Diesen Fragen geht die Ausstellung «Weg der Menschlichkeit» vom 28. Mai bis 26. Juni 2016 im Tramdepot Burgernziel in Bern nach.
© ACT Alliance / Paul Jeffrey
22
Habiba Ibrahim Ali floh mit ihren Kindern aus Somalia. Erstes Ziel der 20-jährigen Frau ist das riesige Lager
Weitere Informationen: www.ms-kunstverknuepft.org
Flüchtlingstage 18. Juni, Nationaler Flüchtlingstag 20. Juni, Weltflüchtlingstag
Der nationale Flüchtlingstag wurde 1980 von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe SFH ins Leben gerufen. Die Uno-Generalversammlung bestimmte den 20. Juni als internationalen Gedenktag für Flüchtlinge. Beide sind die wichtigste Sensibilisierungskampagne für die Rechte und Bedürfnisse von Flüchtlingen in der Schweiz. Die Kampagne wird von der SFH, dem Staatssekretariat für Migration und dem Uno-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR organisiert. Kirchen und zahlreiche Hilfswerke organisieren Anlässe und Begegnungen. www.together2016.ch
Dada und Afrika Mittwoch 22. Juni, 19.30 Uhr, Museum Rietberg
Im Rahmen der Ausstellung «Dada Afrika – Dialog mit dem Fremden» bringen Al Imfeld und Raoul Schrott, Autoren, Issa Kouyaté, Kora, und Fabienne Hadorn, Sprecherin, Lautpoesie. www.rietberg.ch/ausstellungen
Dadaab im Nordosten Kenias.
Flüchtlingssonntag der Kirchen 19. Juni 2016
Es gibt fast 60 Millionen Flüchtlinge auf der Welt. Fast jeden Tag berichten Medien von Schicksalen und den politischen Spannungsfeldern und Diskussionen in der Schweiz und anderswo. Darum begehen die Kirchen den Flüchtlingssonntag. Die Weltweite Evangelische Allianz regt einen Gebetstag an. www.each.ch/fluechtlingssonntag
JULI
Campus Kappel 18.–22. Juli, Kloster Kappel
Zum vierten Mal findet im Kloster Kappel der Campus Kappel statt, eine Theologiewoche für junge Menschen. Die Woche wird von den Reformierten Kirchen und Theologischen Fakultäten der Deutschschweiz organisiert. Aus dem Programm: Ist Gott tot? Wie aggressiv darf ich sein? Wie viel Fremdes vertragen wir? Wie perfekt muss ich sein? Dabei sind prominente Gäste wie der Musiker Dabu Bucher, die Schauspielerin Zoë Holthuizen, der plastische Chirurg Urs Hug oder der Aargauer Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg. www.campuskappel.ch; Anmeldung (bis Mitte Juni): Matthias Bachmann, matthias.bachmann@zh.ref.ch, 044 258 92 35, 076 352 14 48
NACHRICHT Werke helfen beim Weckruf Die Schweiz hilft mit, damit weltweit Hunger und Armut überwunden werden. Dazu hat sie sich 2015 an der Konferenz zu den Sozialzielen der Uno verpflichtet. Damit bei den Verhandlungen im Parlament das Budget für die Entwicklungsarbeit nicht gekürzt wird, haben über 45 Organisationen einen «Weckruf» gestartet. «Weiterhin mindestens 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Entwicklungsarbeit», ist eine Forderung. Wichtig sei auch, die langfristige Hilfe verlässlich zu finanzieren. Eine Petition fordert darum vom Parlament, nicht aus dem Entwicklungsgeld auch die stark schwankenden Kosten der humanitären Hilfe und Ausgaben im Asylwesen zu decken. Brot für alle, HEKS und Mission 21 tragen die Petition von Alliance Sud mit. uw Information und unterschreiben: www.weckruf-armut.ch
HINWEISE & MEDIENTIPPS
Nr.2 | 2016
BUCHTIPPS Mit Zwingli auf das Luther-Jahr einstimmen
Buchprojekt von Theologinnen aus Afrika und Europa
FILMTIPP Eine Giraffe im Regen Eine Giraffe, welche sich gegen
Ulrich Zwingli, Prophet, Ket-
die offensichtliche Ungerechtig-
zer, Pionier: Unter diesem Titel
keit in ihrer Heimat wehrt, muss
spannt das kleine Bändchen
ihr Land verlassen. Sie landet
einen Bogen über Leben und
in der Stadt der Hunde – ein Flüchtlingsschicksal.
Wirken des Zürcher Reformators. Umfangreich sind die Publikationen zum Jubiläum 500 Jahre Reformation. Davon hebt sich der schmale Band von Peter Opitz über Leben und Wirken von Ulrich Zwingli (1484–1531), bekannter unter seinem «Künstlernamen» Huldrich Zwingli, wohltuend ab. Inhalt und Darstellung mit vielen erhellenden Illustrationen ziehen durchs Werk – sodass es auch ganz gelesen wird. Opitz skizziert Zwingli als Mensch mit Schwächen, wie auch als manchmal ungestümer Reformer in Zürich. Zugleich breitet der Historiker und Theologe die wesentlichen geistesgeschichtlichen Strömungen während der kurzen Wirkungszeit von Zwingli aus. Opitz ist Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte von der Reformation bis zur Gegenwart an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich und leitet das Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte. Das Buch ordnet die Reformation nach Zwingli theologisch ein und erhellt seine Rolle für die Zürcher und Schweizer Geschichte wie den weltweiten reformierten Protestantismus. uw Peter Opitz: Ulrich Zwingli, Prophet, Ketzer und Pionier der Reformation, 120 Seiten, Paperback mit zahlreichen farbigen und s/w-Abbildungen; ISBN 978-3-290-17828-4, Theologischer Verlag Zürich; Fr. 22,80
23
Das interkontinentale Dialogforum Tsena Malalaka mit 19 Theologinnen aus Afrika und Europa hat ein zweisprachiges Buch herausgegeben: There is Something We Long For – Nous avons un désir (Wir haben eine Sehnsucht). Wie stellen sich christliche Theologinnen aus den beiden benachbarten Kontinenten die Zukunft vor? Was wünschen sie sich, persönlich, politisch, für die theologische Wissenschaft, für die Kirchen, für die Welt? Wie lassen sie sich von biblischen Texten inspirieren? Wie gehen sie mit Bedrohungen, Widersprüchen und Differenzen um? Welche Hoffnung trägt sie? uw
Verena Naegeli, Josée Ngalula, Ina Praetorius, Brigitte Rabarijaona (Hg.); There is Something We Long For – Nous avons un désir; Edition Tsena Malalaka, Kinshasa 2015 (www.malalaka.org); Bestellung an verena.naegeli@gmx.ch; ca. Fr. 20.–
Alleine und auf sich gestellt im fremden Land kämpft die Giraffe mit ihrer Grösse, den Essgewohnheiten der Hunde und deren abweisender Haltung. Bei der Die Giraffe mit ihren neuen Freunden Arbeitssuche wird sie abgewiesen, oder die Stelle ist plötzlich nicht mehr zu haben. Ihr Schicksal wendet sich, als ein freundlicher Gärtner ihre Fertigkeit beim Stutzen von Hecken und Bäumen entdeckt. Mit ihren neuen Freunden, dem Gärtner und einem kleinen Vogel, der vor seiner Besitzerin geflohen ist, bildet sie ein erfolgreiches Team, dessen Arbeit grosse Wertschätzung erfährt. Doch dann wird der Asylantrag der Giraffe abgelehnt. Sie wird verhaftet und soll ausgeschafft werden. Ihren Freunden gelingt es im letzten Moment, sie vor der Ausschaffung zu bewahren und in eine verheissungsvolle Gartenstadt zu bringen. Doch das Happy End wird im Abspann in Frage gestellt. Der Regisseurin Pascale Hecquet gelingt es mit diesem kurzen Animationsfilm, der Kinder wie Erwachsene anspricht, die ernsthaften Themen Flucht, Asyl und Fremdsein mit humorvollen Bildern umzusetzen, ohne sie zu beschönigen. dg Animationsfilm; Belgien/Frankreich 2007; 12 Min.; ab 8 Jahren; Teil der DVD «anderswo daheim»; Verkauf und Verleih (DVD, Fr. 60.-) bei éducation21, verkauf@education21.ch, 031 321 00 22, Relimedia, 044 299 33 81
© Pascale Hecquet
contigo
Nr.2 | 2016
© act alliance / Paul Jeffrey
contigo
Die Hoffnung ist wie Zucker im Kaffee: Auch wenn sie klein ist, versüsst sie alles. Sprichwort aus Lettland