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feiern 2017
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Inhaltsverzeichnis
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Editorial
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Ökumenischer Familiengottesdienst
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Ökumenischer Gottesdienst
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Jugendgottesdienst
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Einführung Hungertuch
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Predigt zum Hungertuch
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Bildbetrachtung zum Kampagnenplakat
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Kolumne zu Ps 37 Predigtanregungen
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1. Fastensonntag
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2. Fastensonntag
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3. Fastensonntag
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4. Fastensonntag
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Palmsonntag
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Gebete
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Weiteres zur Kampagne
Sehen und handeln Fastenzeit oder Passionszeit – der Zeitraum vor Ostern, um innezuhalten und aufmerksamer zu werden. Mithilfe der Kirchgemeinden und Pfarreien bringen Brot für alle, Fastenopfer zusammen mit Partner sein jedes Jahr ein entwicklungspolitisches Thema an die breite Öffentlichkeit. Informieren und aufzeigen, wo und warum Mitmenschen in Armut, Not und unwürdigen Verhältnissen leben, ist eines. Diese Realität zur Kenntnis zu nehmen, genügt jedoch nicht. Deshalb zeigen die drei Werke der Landeskirchen Handlungsmöglichkeiten auf: politisch gerechtere Strukturen zu schaffen, ein Südprojekt mit einer Spende zu unterstützen oder sich an einer Aktion zu beteiligen. Dank Unterstützung in und um die Kirchen und der vielen Aktionen während der Ökumenischen Kampagne wird die Passions- beziehungsweise Fastenzeit zum Inbegriff der gelebten Solidarität. Dies seit 1969, als die reformierte Entwicklungsorganisation Brot für alle und das katholische Fastenopfer erstmals eine Ökumenische Kampagne durchführten. Seit 1994 beteiligt sich Partner sein, das Hilfswerk der christkatholischen Landeskirche. www.sehen-und-handeln.ch
Impressum Werkheft feiern 2017 Redaktion Mitarbeit Lektorat Gestaltung Druck Auflage Papier
Rita Gemperle, Jan Tschannen Sigfried Arends, Andrea-Maria Inauen Weber, Elisabeth Kienast-Bayer, Matthias Jäggi, Lenz Kirchhofer, Verena Sollberger Schwarzenbach, Josef Wirth, Regina Osterwalder, Michel Durussel, Bernard DuPasquier, Célestin Kabundi, Nassouh Toutoungi Franziska Landolt, www.1-2-fehlerfrei.ch ComMix AG, Kehrsatz Binkert Buag AG, Laufenburg 16 200 Exemplare Cyclus Offset, 100 % Recyclingpapier
© Brot für alle, Bern / Fastenopfer, Luzern, Herbst 2016
Das Label Oecumenica wurde 2009 der Ökumenischen Kampagne von Brot für alle, Fastenopfer und Partner sein verliehen. Die Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen in der Schweiz zeichnet mit dem Label vorbildliche ökumenische Projekte aus.
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Editorial
Boden zum Leben Liebe GottesdienstVerantwortliche Ein neues Layout, ein neuer Name. Werkheft feiern nennen wir das Heft, das wir mit einer Arbeitsgruppe von Praktikerinnen und Praktikern für die Praxis in Kirchgemeinden und Pfarreien erarbeitet haben. Die vorliegenden Beiträge sollen es Ihnen leicht
machen, die Inhalte der Ökumenischen Kampagne in Ihren Gemeinden aufzugreifen – und diese zu feiern. Land soll nicht dem Profit einiger weniger, sondern einem guten Leben für alle dienen. Das ist die Forderung der diesjährigen Ökumenischen Kampagne mit dem Slogan «Geld gewonnen, Land zerronnen». Angesichts der Zu-
Jan Tschannen Bildung und Theologie, Brot für alle
nahme von Land Grabbing heisst unser Anspruch Boden zum Leben! Er entspricht einem biblischen Verständnis von Landbesitz und Landnutzung. Halten wir die Erinnerung an dieses kostbare Erbe im gemeinsamen Feiern wach! Damit Boden künftig dem Leben aller dienen kann.
Rita Gemperle Bildung und Pfarreien, Fastenopfer
v.l.n.r. Andrea-Maria Inauen Weber, Rita Gemperle, Matthias Jäggi, Josef Wirth, Jan Tschannen, Siegfried Arends, Lenz Kirchhofer, Elisabeth Kiener-Bayer. Auf dem Bild fehlt: Verena Sollberger Schwarzenbach
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Inhaltsverzeichnis Ökumenischer Familiengottesdienst
Land ist Leben
Andrea-Maria Inauen Weber Gemeindeleiterin, Stüsslingen Elisabeth Kienast-Bayer Frauenfeld
Wir alle leben von dem, was auf der Erde wächst. Ausgehend von der Geschichte vom reichen Kornbauern zeigt der Gottesdienst Wege auf, wie wir mithelfen können, das Land und was darauf wächst gerechter zu verteilen. Vorbereitungen Wichtig: Mit der Anzucht der Pflanzen muss ca. 6 bis 8 Wochen im Voraus begonnen werden! Eröffnung Zu Musik werden Bilder zum Thema Boden zum Leben eingeblendet. Die Bilder stehen zum Download bereit. www.sehen-und-handeln.ch/feiern Liturgischer Gruss Gott gehört die Erde und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen (Ps 24,1). Ankommen Die Liturgin/der Liturge steht beim Pflanzbeet und lässt Erde durch die Hände gleiten. Wir leben auf dieser Erde. Sie trägt uns, gibt uns Halt. Nehmen wir uns einen Moment Zeit, den Boden unter unseren Füssen wahrzunehmen. Auf der Erde sind wir zu Hause, zusammen mit allen anderen Menschen auf den verschiedenen Kontinenten.
Wir leben auch von der Erde. Von den Früchten, dem Gemüse, den Pflanzen, die auf der Erde wachsen. Sie alle sind wertvoll und lebenswichtig für uns. Sie liefern uns Nährstoffe, Vitamine und vieles mehr. Rund um den Erdball warten Menschen darauf, gute Bedingungen vorzufinden um anzusäen und anzupflanzen. Denn wir alle leben von dem, was auf der Erde wächst. Besinnung Unsere Erde, ein Geschenk Gottes – können wir sie besitzen? Unsere Erde, Grundlage des Lebens – wer darf das Land nutzen und wer nicht? Unsere Erde, Spenderin von Nahrung – Reichtum für wenige oder Lebensgrundlage für uns alle? Lied Rise up plus 011, Erd und Himmel sollen singen Hinführung zum Thema Wer zu Hause einen Garten oder einen bepflanzten Balkon hat, weiss, dass dies Arbeit mit sich bringt. Pflanzen wollen gepflegt werden. Damit sie gedeihen, müssen sie begossen, gejätet und manchmal auch gedüngt werden. Diese Gartenarbeit kann Freude machen. Sie kann aber auch ganz schön anstrengend und mühsam sein.
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Ökumenischer Familiengottesdienst
«Geld gewonnen, Land zerronnen.» heisst der Slogan der Ökumenischen Kampagne von Brot für alle, Fastenopfer und Partner sein in diesem Jahr. Die Kampagne zeigt uns: Es gibt auf der einen Seite Menschen, die mit Erde, mit Land viel Geld verdienen – ohne etwas dafür zu tun, schon gar nicht die Arbeit auf dem Land. Und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die darauf angewiesen wären, ein Stück Erde zu bebauen, um sich ernähren zu können. Ihnen aber fehlt Land, weil Investoren oder Grossgrundbesitzer ihnen das Land weggenommen haben oder weil sie schon seit Jahren darauf warten, Land zu erhalten. In Südafrika ist es z. B. so, dass auch 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid das Land noch immer ungleich verteilt ist. Viele weisse Farmer besitzen riesige Plantagen, während die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung keinen Zugang hat zu Land. Trotz ihrer Versprechungen setzt die Regierung die entsprechenden Gesetze nicht um. Und Farmarbeiterfamilien werden unrechtmässig aus ihrem Zuhause vertrieben, damit die Plantagen weiter wachsen können.
Material • Pflanzbeet in der Kirche (Wanne oder grosser Blumentopf) bepflanzt mit Frühlingspflanzen in fortgeschrittener Wachstumsphase. Für diesen Gottesdienst empfehlen wir Kapuzinerkresse, ein schnell wachsendes Heilkraut, dessen Blätter und orange-gelbe Blüten in Salaten, Saucen und Desserts geniessbar sind. Hinweise zur Aussaat der Kapuzinerkresse siehe www.sehen-und-handeln.ch/gottesdienste. Alternativ können die Setzlinge auch beim Gärtner frühzeitig bestellt werden. • Wenn möglich zusätzlich vor der Kirche: Paletten-Beet gemäss Vorschlag der Aktion Neuland www.sehen-und-handeln.ch/neuland • Becher mit Erde und Samen für die Kinder oder alle Teilnehmenden • (Garten)scheren, Gartenharken und Papiertüten • Plakat zur Aktion Neuland
Hören wir, was Nokwanele Biko erlebt hat. Ich lebte 30 Jahre lang auf der Sandawana Farm, nahe Port Elizabeth, in der Zitrusgegend von Südafrika: Hier werden Zitronen und Orangen angebaut. Damals stellte mich der Grossgrundbesitzer ein. Dann verkaufte er die Farm im Juni 2014. Der neue Besitzer wollte das ganze Land zum Anbau nutzen, auch das, wo unser Haus drauf steht. Alle Angestellten wurden daraufhin vertrieben. Jetzt wohnen wir im Haus meiner Schwester. Wir haben keinen anderen Ort, wo wir hingehen können. Wenn wir unser eigenes Stück Land hätten, wäre uns das nicht passiert. Mein Mann arbeitet jetzt auf einer anderen Farm. Er muss dafür eine Stunde zu Fuss gehen, bis er bei der Arbeit ist. Dort muss er die Pflanzen mit Chemikalien besprühen und bei der Ernte helfen. Lied Rise up plus 277, Der Gewalt gewaltlos widerstehn Gebet Geschenkte Erde, siehe Seite 22 Biblische Geschichte Viel Land in den Händen von wenigen Reichen gab es schon zu biblischer Zeit. Der Kornbauer in der biblischen Geschichte, die wir jetzt hören, hat viel Land erworben. Und er hat erst noch Glück. Denn auf seinem Land ist die Ernte wunderbar herangewachsen. Gleichnis vom Kornbauern Lk 12,15–21
Vertiefung Der Kornbauer hat sich entschieden, für seine grosse Ernte neue Scheunen zu bauen. Es hätte aber auch ganz andere Lösungen gegeben. Was hätte der Kornbauer beim Anblick seiner grossen Ernte auch tun können? Die Teilnehmenden werden eingeladen, in Gruppen von drei bis vier Personen zwei bis drei Antworten auf diese Frage zu finden. Die Antworten mit dem Mikrofon einfangen bzw. die Geschichte von den Teilnehmenden verändert nochmals erzählen lassen: «Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er hin und her: Was soll ich tun? Ich weiss nicht, wo ich meine Ernte unterbringen soll. Schliesslich sagte er: So werde ich es machen ...» Mögliche Antworten dazu finden Sie unter www.sehen-und-handeln.ch/feiern Wir haben viele Anregungen gehört, wie der reiche Kornbauer mit seiner grossen Ernte hätte umgehen können. Sie alle zeigen, wie vielfältig die Wege sind, um eine bessere Welt zu schaffen. Die Entwicklungsorganisationen der Kirchen setzen sich in vielen Ländern für die Rechte der Landlosen ein. Zum Beispiel die Organisation Khanyisa, eine Partnerorganisation von Fastenopfer. Sie unterstützt Menschen wie Nokwanele Biko, damit sie ihre Rechte einfordern können. Auch wir 5
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Ökumenischer Familiengottesdienst
Wir leben in einem fruchtbaren Land, das eine Fülle von Pflanzen wachsen lässt. Lass uns trotzdem sorgfältig mit unseren Lebensmitteln umgehen, damit nichts von der reichen Ernte verdirbt. Gott, unser Leben ist begrenzt. Am Ende des Lebens werden wir nicht gefragt: Wie viel Geld hast du verdient? Wir werden gefragt: Wie viel Leben hast du ermöglicht? Höre auf unsere Bitten und hilf uns, für das Leben einzustehen. Darum bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Bruder und Freund. Kapuzinerkresse: nach 4 – 6 Wochen sind die Setzlinge bereit zum Einpflanzen. © www.flickr.com
können uns dafür einsetzen, dass Menschen, die Unrecht erleben, wieder zu ihrem Recht kommen. Die Vorschläge, die wir für den Kornbauern gemacht haben, können auch uns anregen. Auch wir können unsere Fülle teilen. Lied Rise up plus 199, Du bist da, wo Menschen leben (Zusatzstrophe: Du bist da, wo Menschen teilen, du bist da, wo Güte ist) Die Ernte teilen Wir freuen uns über das, was hier in diesem Beet gewachsen ist. Was wir ernten können, soll nicht nur einem Menschen Freude bereiten, sondern viele sollen etwas davon haben und sich daran freuen können. Kinder werden eingeladen, mit Scheren die Pflanzen abzuschneiden. Diese können gegessen, in Papiertüten für Salat mit nach Hause genommen oder verschenkt werden. Fürbitten Der reiche Kornbauer hat nur an sich gedacht. Er wollte ein gut abgesichertes Leben führen. Er hat dabei vergessen, dass Land Grundlage für die Nahrung von allen sein soll. So kommen wir zu dir, Gott des Lebens, mit unseren Bitten: Viel haben macht nicht froh. Lass uns unsere Gier nach immer mehr vermindern und die Freude entdecken, die dem Teilen innewohnt. Boden soll nicht in den Händen von einigen wenigen sein. Hilf, dass wir uns dafür einsetzen, dass mehr Menschen ihren eigenen Grund und Boden bebauen können. Die eigenen Rechte zu kennen, hilft Gerechtigkeit einzufordern. Stärke die Bauern und Bäuerinnen und die, die sie im Kampf um ihre Rechte unterstützen, damit sie sich gegen die Vertreibung von ihrem Land wehren können.
Vater unser Neuland schaffen und Neues ansäen Dieser Teil wird entweder beim abgeernteten Beet in der Kirche oder beim Palettenbeet (entsprechend dem Vorschlag der Aktion Neuland) vor der Kirche durchgeführt. Die Liturgin/der Liturge steht beim Pflanzbeet. Uns ist nicht egal, wenn Menschen von ihrem Land vertrieben und um ihre Nahrungsgrundlagen gebracht werden. Wir haben in diesem Gottesdienst miterlebt, warum Land und was darauf wächst allen zur Verfügung stehen soll. Wir wollen nun das Beet neu ansäen (oder bepflanzen). Was darauf wächst, soll allen zur Verfügung stehen. Sie dürfen sich also künftig daran bedienen. Wir schaffen symbolisch neues Land, Land zum Leben. Als Zeichen dafür, dass es nirgends auf der Welt an Boden zum Leben fehlen soll. Das Plakat zur Aktion Neuland am Palettenbeet anbringen. Wo nötig und möglich, wird die alte Erde untergeharkt. Die Erde in den Bechern wird in das Beet geschüttet. Die Teilnehmenden – vor allem die Kinder – besäen oder bepflanzen das Beet neu mit Kapuzinerkresse oder entsprechend den Anregungen im Dossier zur Aktion Neuland. Es kann ein Plan erstellt werden, wer wann für das Beet sorgt und den Pflanzen Wasser gibt. Die Aktion kann später beispielsweise im Ostergottesdienst, nochmals aufgenommen und zum Abschluss geführt werden. Siehe dazu Dossier zur Aktion Neuland www.sehen-und-handeln.ch/neuland Lied Rise up plus 28, Kleines Senfkorn Hoffnung Segen siehe Seite 22 Unter www.sehen-und-handeln.ch/lernen finden Sie zur Unterstufeneinheit einen Familiengottesdienst zum Schöpfungsmythos der Maya.
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Ökumenischer Gottesdienst
Ein Jubeljahr zum Schutz der Erde Das biblische Jubeljahr ermöglichte einen Neuanfang. Land wurde an die ursprünglichen Besitzer zurück geben. Der Gottesdienst erinnert an die befreiende Tradition des biblischen Jubeljahres und ermutigt zu einem respektvollen Umgang mit dem Land, denn letztlich gehört es Gott.
Michel Durussel Reformierter Pfarrer, Aubonne Nassouh Toutoungi Christkatholischer Pfarrer, La Chaux-de-Fonds
Gebet zur Eröffnung Komm, Herr unser Gott, bring dich ein in unseren Alltag, komm und fordere uns heraus, zu erfassen, was mit unserem Planeten geschieht. Komm und verleih unserem Leben neuen Schwung. Wir glauben, alles zu verstehen. Doch was uns fehlt, ist deine Sicht der Dinge, um unsere Welt neu zu ordnen, unsere Vergangenheit und Gegenwart zu deuten, uns inspirieren zu lassen durch dein Wort. Lied RG 63/KG 489/CG 685, Sende aus deinen Geist
Schuldbekenntnis Gott, der du bestimmst über Blumen, Tränen, Sorgenfalten, warum bleibt der Himmel leer, wenn wir nach oben schauen? Die Welt zerstört sich selbst, ist sie zu alt geworden? Erbarm dich unserer Erde. Du, der du doch unser Vater bist, beende deinen Zorn, hab Erbarmen mit dem Leben. Gott, du Schweigender, vergib die Gewalt, vergib die Arroganz der Menschen, die sich Götter wähnen. Lass sie wieder Kinder werden, dein Sohn tritt darum für sie ein. Erbarm dich unserer Erde, hab Erbarmen für das Leben. Lied RG 63/KG 489/CG 685, Sende aus deinen Geist Lob Himmlischer Vater, Dank sei dir! Du hast uns erwählt, jeden und jede von uns hast du gewollt, Dank sei dir! Durch dich erhält jeder Mensch sein Leben, gleich einem einzigartigen Stein, der seinen Platz hat im Haus der Schöpfung. Himmlischer Vater, Dank sei dir für deine Geistkraft,
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Ökumenischer Gottesdienst
Palmöl-Plantage – Profit für wenige statt Land für viele.
die uns trägt, und die uns hilft, den Ort zu finden, wo unser Stein am schönsten ist, wo wir deine Liebe zur Schöpfung widerspiegeln, deine Liebe, die jeden Tag neu ist. Lied RG 66/KG 520/CG 799, Nun danket Gott Schriftlesung Lev 25,8–19 Lobpreis-Psalm Psalm 104,1.5–18 Schriftlesung Lk 4,16–30 Zur Auslegung der Texte Der Bericht von Jesu öffentlichem Auftritt in Nazareth zu Beginn des Lukasevangeliums hat programmatischen Charakter. Indem er die Befreiung der Unterdrückten verkündigt und das von Jesaja angekündigte Gnadenjahr des Herrn ausruft, betont Jesus die befreiende Kraft des Evangeliums aus entfremdenden Gesellschaftsstrukturen. In der Regel wird dieses Jahr der Befreiung mit dem Jubeljahr, von dem im Buch Leviticus die Rede ist, in Verbindung gebracht. Eine Gesellschaft, die sich selbst überlassen bleibt, schafft Formen von Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Alle fünfzig Jahre aber bringt das Jubeljahr einen Ausgleich: Das Land muss seinen ursprünglichen Besitzern zurückgegeben werden, Schulden werden erlassen und Sklaven befreit. Dadurch wird das Volk vor zunehmender sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit bewahrt. Die Verarmung der Schwächsten und der Landraub durch eine kleine Minderheit wird so verhindert. Diese Regelung trägt utopische Züge. Dennoch halten wir fest an der tiefen Überzeugung, die darin zum Ausdruck kommt und an die Jesus bei seinem Auftritt in Nazareth anknüpft: Land darf nicht zum Objekt des Profits einiger weniger werden. Land muss eine echte
Lebensgrundlage für das gesamte aus der Knechtschaft Ägyptens befreite Volk bleiben. Impulse für die Predigt Es macht Sinn, auch in unserem Kontext ein Jubeljahr zu feiern. Es verbindet sich für uns mit dem Jahr der Barmherzigkeit innerhalb der Römisch-katholischen Kirche 2015–2016 und dem Reformationsjubiläum 2017. Innerhalb des mosaischen Gesetzes, der Thora, war das Jubeljahr eine Tradition, die es ermöglichen sollte, die drohende Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft regelmässig zu bekämpfen. Das Jubeljahr erinnerte daran, dass das Land nicht eine Minderheit reich machen soll, sondern dass es dazu da ist, das Überleben der gesamten Gemeinschaft zu sichern und einen Ausgleich zu schaffen. Indem Jesus bei seiner Antrittsrede in der Synagoge von Nazareth den Propheten Jesaja zitiert, bezieht er sich auf dieses Jahr des Ausgleichs. Unabhängig von der Frage, ob es diese Institution in der Geschichte des jüdischen Volkes tatsächlich gegeben hat, wurde dieser Text oftmals nur auf der spirituellen Ebene ausgelegt. Jesus ruft ein solches Jubeljahr aus und kündigt an, die Unterdrückten zu befreien. Wer aber sind die Unterdrücker? Die Römer? Oder diejenigen, die von den damaligen religiösen Autoritäten ermächtigt wurden? Die Zöllner? Ja, sicher. Aber vielleicht sollten wir die Sache aus einem weiteren Blickwinkel betrachten. Man kann das gesellschaftliche Zusammenleben systematischer hinterfragen. Genau das tut die Ökumenische Kampagne in Bezug auf das Thema Land Grabbing. Ein auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes System führt zu Ungleichheit und Unterdrückung. Indem Investoren und multinationale Unternehmen die Kleinbauern und -bäuerinnen von ihrem Land - ihrer einzigen verfügbaren Lebensgrundlage - vertreiben, stossen sie diese in die Armut. Ohne wirksame staatliche Regelungen produziert dieses System sehr viele Opfer.
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Ökumenischer Gottesdienst
Jesus kündigt ein Jahr der Befreiung an und greift auf die levitische Gesetzgebung zurück. Es geht ihm nicht nur um unseren je eigenen persönlichen Sinneswandel, sondern um die strukturelle Veränderung eines zutiefst ungerechten Systems. Die Einführung des Jubeljahres drückt die Grundüberzeugung aus, dass «das Land Gott gehört, und dass wir Menschen wie Fremde und Gäste sind in seinem Land» (Lev 25,23). Das heisst, dass wir damit nicht beliebig umgehen dürfen. Indem Jesus sich darauf bezieht, hinterfragt er ein Wirtschaftssystem, das auf der Macht des Geldes basiert. Ein System, in dem das Land demjenigen gehört, der über die nötigen Mittel verfügt, um es in seinen Besitz zu bringen und zu halten. Genau so haben auch Bäuerinnen und -bauern keine Chance gegenüber multinationalen Unternehmen und Investoren. Das Gesetz aber sollte die Schwächsten schützen. Wenn es dies nicht mehr tut, muss man sich die Frage stellen, ob es noch gerecht ist. Denn wenn nichts unternommen wird, um solchen Landraub zu verhindern, werden die Verarmung und die Zerstörung noch weiter zunehmen. Meist nutzen die multinationalen Unternehmen das Land, das sie in ihren Besitz gebracht haben, für den intensiven Anbau von Soja, Ölpalmen oder dergleichen. Darunter leidet die Biodiversität sehr stark. Darüber hinaus dient dieser Anbau hauptsächlich dazu, Viehfutter herzustellen oder Treibstoff zu produzieren. Der Beitrag zur Ernährung der Weltbevölkerung ist gering. Demgegenüber sorgen gerade die Kleinbauern und -bäuerinnen für die Existenzgrundlage der gesamten Gemeinschaft sorgen. Denn sie sind es, die die Welt ernähren, nicht die multinationalen Konzerne. Als Christinnen und Christen wollen wir uns inspirieren lassen von Jesus, der in Nazareth die Befreiung der Unterdrückten und ein Gnadenjahr unseres Gottes ausgerufen hat. Wir wollen uns für eine Landwirtschaft einsetzen, die respektvoll mit dem Boden umgeht, der letztendlich niemandem gehört als dem Schöpfer des Lebens allein. Hinweis zur Weiterarbeit Die Aktion «Neuland» regt an, Palettenbeete vor den Kirchen aufzustellen. Sie eignen sich, unsere Beziehung zur Erde und zu den Früchten, die sie uns schenkt, neu zu wecken. Gleichzeitig können wir öffentlich auf das Anliegen der Ökumenischen Kampagne aufmerksam machen, dass Menschen weltweit Boden zum Leben brauchen. Fürbitten Bäume und Äste, Früchte und Blüten, jede Jahreszeit, jede Pflanze schenkt mir die sanfte Gewissheit deiner Gegenwart, du Schöpfer-Gott.
Hilf mir, dass ich in dieser Erde die Lebenskraft erkenne, die mir fehlt. Wende mir dein Antlitz zu in diesem Garten, sodass deine Schöpfung darin aufleuchtet. Lass mich demütig bleiben in der Fülle, voller Liebe selbst für den unfruchtbaren Boden. Du hast ihn mir anvertraut, doch ich weiss: Fruchtbar wird er nur durch deinen Willen. Ich bin nur der Handwerker, der mit den Gaben deiner unendlichen Güte gestaltet. Beim Pflücken oder Ernten erhalte mir die Reinheit in Herz und Geist. Lass mich nicht so sehr danach streben, zu ernten, sondern zu empfangen, nicht zu herrschen, sondern zu bebauen, nicht zu machen als vielmehr bewundernd zu betrachten,auf dass der Glanz deines Reiches endlich Keime treibt in diesem Olivenhain. Lied RG 841/KG 575/CG 909, Gott gab uns Atem Den Glauben bekennen Schöpfungscredo siehe Seite 22 Lied RG 835/KG229/CG896, Gib uns Weisheit Schlussgebet Wir bauen am Frieden bis zum Ende jedes Tages und der Grundstein bei jedem Projekt soll die Güte sein. Wir überwinden die Bollwerke des Stolzes, die nichts als Spaltung säen in den Tiefen unseres Selbst. Wir befreien die Erde von ihrem Müll, geben ihr die Ursprungspracht zurück und ihre jubelnde Überschwänglichkeit zur Freude alles Lebendigen. Mit der Kraft deines Geistes, der uns mit Mut und Fantasie erfüllt, bauen wir an deiner Erde, Gott.
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Jugendgottesdienst
«Usverchauf»
Der biblische Naboth weigerte sich, das Land seiner Vorfahren zu verkaufen, dafür musste er aber mit seinem Leben bezahlen. Ist das richtig? Vom eigenen Erfahrungshorizont ausgehend nähern wir uns einer biblischen Geschichte und schauen hin, wo heute ähnliches geschieht.
Spielerischer Einstieg In der Gruppe: Landraub spielerisch erfahren: Tücher auslegen und Leute darauf stehen lassen. Tücher immer mehr zusammenlegen oder wegnehmen. Der Platz für die einzelnen Leute wird immer kleiner. Anschliessend Gedanken austauschen, was in der Gruppe passiert ist.
Fabio Carrisi Reformierter Pfarrer, Nidau
Oder zu zweit: Gegenseitig je 5 Minuten erzählen. Was ist mein Lieblingsort? Wie sieht es dort aus, was mag ich besonders? Beruhigt mich der Ort, fühle ich mich geborgen, oder möchte ich am dort am liebsten lostanzen?
Jan Tschannen Brot für alle
Vorbemerkung Der Jugendgottesdienst ist in fünf Sequenzen à je 10 Minuten aufgeteilt: Spielerischer Einstieg, Filmsequenz, Lesung, Predigt und Sendung. Ziel Anhand der Geschichte von Naboth (1. Kön 21), der sich weigert, das Land seiner Vorfahren dem König Achab zu verkaufen, wird das Thema Land Grabbing zur Sprache gebracht. Einstieg Lied Somebody’s Knocking At Your Door, Music Box 2, S. 109
Eine Möglichkeit, das Spiel weiter auszubauen, findet sich auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/feiern. Lied This Land is your Land, Music Box 1, S. 28 Film Kurzfilm «Geraubtes Land», 7' www.sehen-und-handeln.ch/filme Der Film zeigt die Bedeutung von Kulturland und die Rolle der Schweiz in der Finanzierung von Land Grabbing. Er veranschaulicht die Auswirkungen für die davon betroffene Bevölkerung und die Umwelt weltweit. Lesung 1. Kön 21,1–13b/13c–16
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Jugendgottesdienst
1. Kön 21,1–13b (bis vor der Steinigung Naboths) vorlesen. Unterbrechen und 2 Minuten Flüsterzeit geben. Frage dazu: Ihr seid gute Kollegen von Naboth und sitzt in der Versammlung, was tut ihr? Lösungsansätze sammeln. Predigt «Gott bewahre, dass ich dir das Erbe meiner Väter gebe!» Nach biblischem Verständnis ist für Naboth der Acker seiner Väter eine Leihgabe Gottes, die er als eine Art Treuhänder verwaltet und seinen Kindern zu gegebener Zeit übergibt. In diesem Fall ist nicht Naboth, eine Einzelperson, der legitime Besitzer des Bodens, sondern die ganze Familie über Generationen hinweg. Als Ackerbauer sieht er seine Lebensaufgabe darin, das seinem Vorfahren durch Los erteilte Stück Erde zu bebauen, um damit Gott sowie seine Ahnen zu ehren und seine Sippe zu ernähren. Verständlich, dass Naboth mit Leib und Seele an seinem Acker hing, denn als Gabe Gottes, Familienlos und Nahrungsquelle in einem hat er für ihn einen unermesslichen Wert. Das Angebot des Königs Achab macht für ihn daher wenig Sinn. Naboth lehnt das Angebot ab, ansonsten würde er die Erde verkaufen, durch deren Besitz die Familie Anteil an Gottes Segen hat. Ein Leben ohne Land ist für ihn kein wahres Leben. Aber was hat das für Konsequenzen? Verse 13c–16 lesen Naboth musste seine Haltung sogar mit dem Leben bezahlen, er wird also ermordet. Aber: Im folgenden Kapitel hat der Landraub für Achabs Nachfahren erhebliche Konsequenzen, Gott bestraft ihn dafür. Damit sagt die Bibel, Landraub darf sich nicht lohnen. Auf Ausverkauf folgt Wüste Im Film haben wir gesehen, dass wir das Land entwerten, wenn wir die uns vom Schöpfer zur Verfügung gestellte Erde nur als Mittel zum Zweck betrachten. Wollen wir das wirklich? Die Gefahr besteht nicht nur in Indonesien oder Afrika, weit weg von uns, sondern auch inmitten von Europa. Auch in Rumänien, Frankreich oder Ostdeutschland werden riesige Flächen aufgekauft, um möglichst hohe Renditen zu erzielen. Die Bauern vor Ort haben kaum noch Chancen, ihre Felder vor den gut gefüllten Portemonnaies und dem Einfluss der Spekulanten zu schützen. Und auch für Schweizer Bauern wird es immer schwieriger. Ihre Arbeit wird zwar von der Bevölkerung geschätzt, dennoch kehren viele der Landwirtschaft den Rücken, denn ihre Arbeit hat immer weniger Wert. Immer mehr lohnt sich dafür der Verkauf ihres Landes, und wenn sie ihr Land als Bauland verkaufen können, verdienen sie damit viel mehr Geld, als wenn sie es bebauen würden. Und die wenigen, die
weiter machen, müssen immer effizienter werden und grössere Flächen bebauen, um davon leben zu können. Die ökologische Konsequenzen aus dieser Landwirtschaftsindustrie aber sind zum Beispiel Massentierhaltung und kaputte Böden. Manche Felder in Europa werden von der Agroindustrie sogar einfach unbebaut gelassen, sie pflügen sie einmal um und streichen dann die Subventionen dafür ein. Aber dabei geht gerade die wertvollste Schicht des Bodens verloren, der Wind trägt sie ab und es gibt sogar Sandstürme wie etwa 2012 in Ostdeutschland. Um die Böden aber wieder nutzen zu können, braucht es anschliessend jahrelange Pflege und Aufbauarbeit. Also: Auch materiell macht das langfristig keinen Sinn. Fertig mit Ausverkauf Die Versuchung ist heute wie damals gross, ans schnelle Geld zu kommen. Wir haben vorhin gesehen, dass ein unüberlegter oder gar erzwungener Verkauf für die Menschen, aber auch für die Umwelt schädlich sein kann. Die Geschichte von Naboth kann man auch als Mahnfinger sehen für diejenigen, die wirklich mit dem Gedanken spielen, ihr Land zu verkaufen. Denn was bleibt dem Menschen, wenn er das Land verliert, von dem er lebt? Naboth versucht die Zukunft seiner Familie zu sichern und bezahlt dafür mit dem Leben. In der biblischen Erzählung bestraft Gott dafür den König Achab. Und heute? Land Grabbing geht uns heute wie damals alle an. Ihr habt Varianten entwickelt, wie die Geschichte anders ausgehen könnte. Vielleicht können wir ja eure Ideen nutzen und uns gegen Land Grabbing engagieren. Im Film wurde gezeigt, dass wir selbst Land schaffen können, gutes Land, auf dem etwas wächst. Und dann können wir es symbolisch unseren Banken schenken, damit sie nicht andernorts den Leuten das Land wegkaufen, wovon diese leben. Jede Generation ist aufgerufen, unserer Erde Sorge zu tragen; der Erde vielleicht wieder die eigentliche Bestimmung zu geben, wie es Naboth tat. Entdecken wir von Neuem: Die Erde ist unser Boden zum Leben, hüten wir uns vor dem Ausverkauf – von Land und von der Seele. Sendung Zwei Gebete zur Auswahl www.sehen-und-handeln.ch/feiern Lied Bewahre uns Gott, behüte uns Gott, Music Box 2, S. 6 Segen Gott sei mit dir, wenn du ihn suchst, er sei für dich da, wenn du ihn nicht erwartest, aber immer gegenwärtig, wenn du ihn brauchst. 11
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Einführung zum Hungertuch
Ich bin, weil du bist
Rita Gemperle Fastenopfer
Wir sind Teil eines Beziehungsnetzes und als Menschen auf Gegenseitigkeit hin angelegt. Das ist die Botschaft des Hungertuches mit dem Titel «Ich bin, weil du bist». «Was mich inspirierte, sind die beiden längsten Flüsse in Nigeria: die Ströme Niger und Benue. Der Niger ist schlammig, gelb, fast rostfarben. Der Benue ist von grünlicher Farbe. Sie fliessen zusammen und existieren friedlich nebeneinander, obwohl sie aus verschiedenen Quellen stammen. Wenn diese beiden Naturkräfte tatsächlich zusammenkommen, sich ansehen und sich sagen können: ‹Schau, ich bin, weil du bist›, dann ist das genau das, was ich auszudrücken versuche.» (Chidi Kwubiri) Ich bin, weil du bist Aus afrikanischer Sicht konstituiert sich der Mensch durch gegenseitige Beziehungen. Nicht nur andere Menschen sind notwendig für seine Entwicklung, auch der ganze Kosmos beeinflusst sein Werden. Diese in Afrika weit verbreitete Lebensphilosophie «Ubuntu» steht für den Glauben an ein «universelles Band des Teilens, das alles Menschliche verbindet». Diese Erfahrung von Geschwisterlichkeit bezieht auch den Kosmos mit ein. Wenn wir auf dem Hungertuch das Flirren der Farben als Natur in all ihren Erscheinungsweisen deuten, werden die menschlichen Figuren aus Hunderten dieser Pünktchen gebildet: Der Mensch zeugt und gebiert alles, mit dem er verbunden ist, und umgekehrt wird er von jenen Elementen hervorgebracht, die ihn umgeben.
Am Anfang war Beziehung Auch die Schöpfungsberichte der Bibel betonen die Bedeutung dieser drei fundamentalen Beziehungen: der Beziehung zu Gott, zu den Mitmenschen und zur Erde sowie den Mitgeschöpfen, von und mit denen wir leben. Die Beziehungen sind eng miteinander verbunden und voneinander abhängig, sodass eine Störung in der Beziehung zum Nächsten und zu den Mitgeschöpfen auch die innere Beziehung zu mir selbst, zur Erde und zu Gott zerstört. Dieses Bild prägt auch die Enzyklika Laudato si (LS): «Alles steht in Beziehung», betont Papst Franziskus und verweist auf die Naivität eines Denkens, das nur Einzelteile analysiert, aber die Zusammenhänge aus dem Blick verliert. Weil wir vergessen haben, dass wir selber Erde sind (LS 1), misshandeln wir unseren Planeten, der unser aller gemeinsames Gut und nicht in die Verfügungsgewalt einiger weniger gegeben ist. Nicht nur der Mensch, sondern die Welt ist «nach göttlichem Bild erschaffen und ein Gewebe von Beziehungen» (LS 240). Begegnung der Farben Das Bild setzt sich zusammen aus zwei Bildhälften. Aus dem körnigen Hintergrund treten zwei Gesichter hervor. Sie heben sich vom Hintergrund ab und bleiben gleichzeitig mit ihm verbunden. Es sind die beiden Flüsse Benue und Niger, die die Farbe des Hungertuches bestimmen. Die Pflanzen im Fluss Benue färben sein Wasser grün. In seinem Wasserlauf spiegelt sich die reiche Vegetation, denn er fliesst durch
Chidi Kwubiri © Dieter Härtl/Misereor
Zentrales Thema der Fastenzeit ist die Erneuerung der Beziehungen, auf die sich unser Menschsein gründet: der Beziehung zu Gott, zu unseren Mitmenschen und zur Schöpfung. Wie können wir diese Beziehungen leben? Das Hungertuch gibt uns dazu wichtige Impulse.
Chidi Kwubiri Künstler Chidi Kwubiri ist ein international bekannter Künstler. 1966 in Umuahia (Nigeria) geboren, lebt und arbeitet er heute in Pulheim bei Köln. Neben Einzelausstellungen hat er an den Biennalen von Casablanca (2014) und Venedig (2015) teilgenommen. www.chidi-kwubiri.com
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Einführung zum Hungertuch
Das Misereor-Hungertuch 2017: «Ich bin, weil du bist» von Chidi Kwubiri © Misereor
bewaldetes, fruchtbares Land. Das Grün steht für Fruchtbarkeit, die Wiedergeburt des Lebens nach dem winterlichen Absterben der Vegetation. Über das rechte Gesicht tanzt Sonnenstrahlen gleich das Gelb über das rechte Gesicht. Im körnigen Gelb lässt sich in Abgrenzung zum fruchtbaren Grün der Wüstensand erkennen. Der sandfarbene Schlamm ist es, der den Niger gelb färbt. Dieser fliesst durch den Süden der Saharawüste und speist sein sattes Gelb mit Sand und Sonne. Grün und Gelb treffen aufeinander. Das hat den Künstler zu diesem Werk inspiriert. Die Farben der beiden Flüsse bleiben auch nach deren Zusammenfluss anfänglich getrennt. «Und danach?», sind wir versucht zu fragen, «was passiert dann?» Verschwimmen sie doch? Wird eine Farbe die andere dominieren oder mischen sie sich neu? Grenze als Ort der Begegnung Die beiden Menschen auf dem Hungertuch sind einander zugewandt. Sie behalten sich im Blick. Die Hände auf die Schultern gelegt, bringen sie Zusammengehörigkeit und Verbundenheit zum Ausdruck. Der Zwischenraum zwischen den beiden Teilen scheint den harmonischen Austausch zu unterbrechen. Der Künstler hat ihn aber bewusst geschaffen. Das Hungertuch zeigt so, dass Annäherung über die Grenze hinweg möglich ist. Ein intensiver Blick, der das Gegenüber wahrnimmt, zeigt eine Verbundenheit,
die sich durch den Zwischenraum nicht stören lässt. Es ist ein Wiederherstellen der Beziehung, das die Bruchstelle nicht negiert. Eine Grenze wird zum Übergang – nicht im Sinne einer unechten Harmonisierung, sondern im Sinne tiefen Respektes und gegenseitigen Verstehens. Das Hungertuch lädt uns ein, uns neu auf Begegnungen und Beziehungen einzulassen und Grenzen zu überwinden. Und in den Beziehungen mit den Menschen, mit der Schöpfung und mit Gott zu entdecken: Ich bin, weil du bist.
Materialien zum Hungertuch Das Hungertuch ist als Stoffdruck in Gross- und Kleinformat und als A4-Papierdruck erhältlich. Die Texte von Regina Osterwalder im Meditationsheft «Mit weitem Blick» schaffen Zugänge zu einzelnen Bildausschnitten. Das ganze Bild und einzelne Bildausschnitte stehen zum Download bereit unter www.sehen-und-handeln.ch/ hungertuch.
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Predigt zum Hungertuch
Weil Augen dich ansehen Regina Osterwalder Pfarreileiterin, Kriens
Vermutlich kennen viele von Ihnen die Zeile aus einem Song des Pianisten und Sängers Udo Jürgens: «Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii.» Ich müsste diese Zeile umschreiben und sagen: Ich war noch niemals an den Ufern des Niger oder des Benue, der beiden grossen Flüsse, die durch Nigeria fliessen. Diese beiden Flüsse haben den aus Nigeria stammenden Künstler des diesjährigen Hungertuches Chidi Kwubiri inspiriert. Das Gelb-Braun symbolisiert den schlammigen, fast rostfarbenen Niger, der aus Benin kommend durch die Südsahara nach Nigeria fliesst. Der grüne Teil symbolisiert den grünlichen Fluss Benue. Er entspringt im Hochland von Kamerun und fliesst durch dichte Regenwälder. In der Stadt Lokoja fliessen die beiden Ströme zusammen. Dieser Zusammenfluss gleicht einem Naturwunder, so der Künstler. Die beiden Ströme existieren nach ihrem Zusammenfluss nebeneinander weiter, obwohl sie aus verschiedenen Quellen stammen. Sie können – so der Künstler – sich gegenseitig halten, ansehen und sagen: «Schau, ich bin, weil du bist.» Beim Blick auf das Hungertuch fallen die beiden Menschen im Profil auf, einer türkis-grün, der andere sandig-gelb. Sie schauen sich in die Augen. «Es gibt dich weil Augen dich wollen dich ansehen und sagen dass es dich gibt.»
schreibt Hilde Domin in einem ihrer Gedichte. Ich bin nicht allein auf der Welt. Der andere Mensch ist immer schon da. Wenn man sich in die Augen schaut, entsteht Begegnung. Nicht kreisen um sich selbst, sondern den anderen wahrnehmen. Wir wissen auch: Wir können andere Menschen auch ignorieren und die Kommunikation verweigern. Wir können gar verletzen, ausbeuten, Leid zufügen. Das tun die beiden Menschen auf dem Bild nicht. Die ausgestreckten Arme liegen auf den Schultern des oder der anderen und nehmen die Farbe des anderen an. «Ich bin, weil du bist», zitiert der Künstler ein afrikanisches Sprichwort. Das Hungertuch weist uns hin auf unsere Verbundenheit mit der Natur, mit den Mitmenschen und mit Gott. Diese Verbundenheit fordert uns heraus, hinzusehen, wenn die Natur geschunden oder Rechte der Menschen verletzt werden. In allen Erdteilen raffen Investoren, wirtschaftliche und politische Eliten Land und eignen es sich so an. Menschen, die bisher auf und von diesem Land gelebt haben, werden dadurch vom Land vertrieben.
Und nur die Aussicht auf Gewinn bestimmt, was auf den Flächen angebaut wird. Die Bedürfnisse der Menschen, die Fruchtbarkeit der Böden, der Lebensraum der Tiere und die Vielfalt der Pflanzen sind nicht wichtig. Als Menschen, die in Verbundenheit mit den Menschen, mit der Schöpfung und mit Gott leben wollen, sind wir aufgerufen, an einer gerechteren Welt mitzuarbeiten. Um als Christinnen und Christen stark und kreativ zu sein in der Welt, suchen wir uns Verbündete und Geschwister. Wir finden sie nicht nur in unserer Zeit, sondern auch in unseren Traditionen und in der Bibel. Wir erinnern uns an Franz von Assisi, Hildegard von Bingen oder Oscar Romero. Mit dem Blick in die Bibel suchen wir nach einer Form des Zusammenlebens, das alle Menschen von ihrer Würde her in den Blick nimmt. Jesus eröffnet uns die Möglichkeit, zu wählen, wen wir ansehen und wo der Geist der Gemeinschaft und Verbundenheit gedeihen kann. Das Hungertuch fordert uns auf, nach Wegen zu suchen, wie wir als Verbündete Gottes behutsam und geistreich mi t d e n M e nsc h e n u n d mi t d e r Schöpfung leben können.
Zur Bedeutung der Hungertücher Die Tradition der Hungertücher hat sich auf verschiedenen Wegen entwickelt. Es gab den Brauch, den Altar zu verhüllen, um dem Mysterium Christi Ehrfurcht zu erweisen und in der Zeit des Fastens den reichen Altarschmuck zu verhüllen. Ausserdem entwickelte sich in einigen Regionen die Bebilderung der Tücher, um die Verkündigung zu veranschaulichen. Unter www.sehen-und-handeln.ch/hungertuch finden Sie ein kleines Dossier zur Entstehungsgeschichte und zur Bedeutung der Hungertücher.
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Impuls zum Kampagnenplakat
Geld zerronnen, Leben gewonnen Josef Wirth Katholischer Pfarrer, St. Gallen
Zu Beginn werden einigen beliebig ausgewählten Personen Zehnernoten* verteilt. Gratulation den Glückspilzen, die eine Zehnernote gewonnen haben! Pech für jene, die leer ausgegangen sind. Stolz die Gewinnerinnen und Gewinner; enttäuscht die Verliererinnen und Verlierer. Ist das fair? Die einen haben Glück gehabt, den andern bleibt das Nachsehen! In der Schweiz gehören wir zu den Glückspilzen. Reiner Zufall, dass wir in einem Land leben, dem es wirtschaftlich gut geht. Die meisten von uns haben Geld in der Tasche oder eine Kreditkarte, um Geld zu beziehen. Genauso gut hätten wir in eine Familie geboren werden können, die in Asien, Afrika oder Südamerika um ihre Existenz als Bauern bangen muss. Ist das fair? Schön für jene, die jetzt einen Geldschein in den Händen halten. Ein schönes Gefühl, Geld zur freien Verfügung zu haben. «Und wenn es noch etwas mehr als zehn Franken wären? Was würde ich mir wohl kaufen? Ich könnte das Geld aber auch einsetzen und Gewinn machen.» Der Durst nach mehr ist geweckt! «Wenn ich geschickt vorgehe, besitze ich bald Berge von Geld, so wie auf dem Kampagnenplakat. Woher das Geld kommt? So genau wissen wir das nicht. Hauptsache, es ist ehrlich verdient!» Ehrlich verdient? Geld kommt nicht aus dem Nichts. Oft bedeutet mehr für die einen weniger für die andern: Reich werden auf Kosten anderer und wer verloren hat, verliert noch mehr. Auch Schweizer Konzerne verdienen auf Kosten anderer. Ihre Grossplantagen rauben den Menschen die Existenz, weil diese dann nicht mehr genügend Boden haben, um für ihren täglichen Bedarf anzubauen. Wenn wir die Geldscheine anschauen, sehen wir zwei Seiten: Auf der einen Seite eine kunstvolle Struktur, auf der anderen ein Gesicht. Die Struktur erinnert an die Strukturen, die unsere Welt ordnen. Sie sind wichtig und hilfreich, aber oft zementieren sie auch Machtverhältnisse und werden so zu ungerechten Strukturen, die Leben eher verhindern, anstatt es zu fördern. Das Menschengesicht erinnert an den Wunsch und das Ziel der Menschlichkeit, dass alle ein menschenwürdiges Leben führen können.
Auf dem Kampagnenplakat zerrinnt das Geld unter der Lupe. Die Strukturseiten der Zehnernote werden zu Baumaschinen, die den Boden aufreissen und die Häuser der Bauernfamilien zerstören. Das Gesicht der Fünfzigernote wird zum Feld mit den vertriebenen Bauern. Die menschliche Existenz wird hier sichtbar bedroht. Im Fokus der Lupe stehen also flüchtende Menschen: gross und im Vordergrund. So wie es auch Jesus stets um das Wohl der Menschen ging, so soll es auch im Mittelpunkt unseres Handelns stehen. Wenn wir beginnen, uns für die Menschlichkeit und den Menschen zu engagieren, liesse sich der Slogan «Geld gewonnen, Land zerronnen» auch neu schreiben: Geld zerronnen, Leben gewonnen. Über die verteilten Zehnernoten dürfen Sie frei verfügen. Warum nicht damit etwas Gutes tun? Der Slogan dazu könnte sein: Geld gespendet, Leid gewendet oder Geld gewonnen, Leben begonnen. * Achtung: Der Text bezieht sich auf die auf dem Plakat dargestellten «alten» Noten!
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Kolumne zu Psalm 37
Mutbürger Matthias Jäggi, Reformierter Pfarrer, Ostermundigen
Wenn ich Psalm 37 lese, frage ich mich, was wohl von Landraub betroffenen Menschen in Indonesien durch Kopf und Herz geht, wenn sie in ihrer Kirche einen solchen Text hören. Dessen Hauptaussage ist einfach und klar: Es gibt Frevler und Gerechte; Erstere werden von Gott bestraft werden, «die Gerechten aber werden das Land besitzen und für immer darin wohnen» (37,29). So weit, so paradox. Dabei sehen wir in dieser Ökumenischen Kampagne, dass doch gerade das Gegenteil passiert. Und als ob das nicht schon dramatisch genug wäre, mahnt der Psalm, nur ja kühlen Kopf zu bewahren: «Erhitze dich nicht über die Übeltäter. Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue auf ihn, er wird es vollbringen» (37,1.5). Als Indonesier würde ich beim Hören dieses Psalms bestimmt Unmut verspüren. Ärger. Ich käme mir verschaukelt vor, vertröstet – und Vertröstung ner v t. Meine Rück frage wäre: Wo kriege ich Reis und Kokosmilch her, wenn mir meine Landwirtschaftsflächen entzogen werden? Wann, du rätselhafter Gott, werden wir das Land wieder besitzen? Bleibt uns wirklich nichts anderes übrig als Dulden und Harren, wie du es dem exilgeplagten jüdischen Volk empfohlen hast, dem der Psalm ursprünglich galt? Wer ganz an die biblische Welt heranzoomt, kann bei aller Ratlosigkeit aber eine Spur wider die Vertröstung auf das Jenseits entdecken. Der Berner Theologe Kurt Marti beschreibt diese so: «Vertröstung erfolgt nicht im Blick auf jenseitige, sondern auf diesseitige Zukunft». Denn nach ersttestamentli-
Von Land Grabbing betroffen – die Familie will sich gegen den Landraub wehren.
cher Vorstellung gibt es gar kein Jenseits. Die Toten sind im Scheol. Der Scheol aber ist ein «Nicht-Ort», ein «Un-Land». Deshalb kann dort also weder Land besessen noch umverteilt werden. Sehen Sie die Spur? Land gehört für die Menschen des Ersten Testaments ins Diesseits. Die Pfeilbogen der Frevler, von denen der Psalm spricht, sollen also im Diesseits zerbrechen, die heute Gebeugten werden im Diesseits wieder Land besitzen «und sich freuen an der Fülle des Friedens» (37,11). Mit dieser kleinen, wunderbaren Spur ins Diesseits lässt sich natürlich kein Unternehmen zum Rück zug aus Investitionen in Land Grabbing bewegen. Psalm 37 taugt nicht für das Alltagsgeschäft, so wenig wie er über Nacht den um ihr Land gebrachten Menschen wieder Reis und Kokosmilch, schlicht Boden zum Leben beschert. Aber der Psalm und sein Fokus auf das Diesseits können unser Denken, Fühlen und Handeln inspirieren:
Die Frevler werden vom Erdboden verschwinden, die Zukunft gehört den Gerechten. Sie werden das Land besitzen. Auch wenn unsere Welt nicht schwarz-weiss, sondern glücklicherweise kunterbunt ist, habe ich Wahlmöglichkeiten. Land Grabbing ist nicht eingach Schicksal. Ich kann Teil der Bewegung sein, die sich dafür einsetzt, dass Land nicht der Profitgier weniger, sondern der Ernährung möglichst vieler dient. Wir können als Kirchgemeinde oder als Privatpersonen bei unserer Bank nachfragen, ob sie in Land investiert, und – falls ja – protestieren oder die Bank wechseln. Und auch die Psalm-Mahnung vor Überhitzung passt ganz gut in unsere Zeit. Es braucht heute nicht immer mehr Wut-Bürger, sondern Mut-Bürger. Mut-Bürgerinnen «meiden das Böse und tun das Gute» (37,27). Sie handeln mit kühlem Kopf, sie handeln beherzt.
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Predigt zum ersten Fastensonntag
Erdlinge und Erddinge Predigttext: Gen 2,7–9; 3,1–7a
Lenz Kirchhofer, Christkatholischer Pfarrer, Aarau
Wann haben Sie das letzte Mal in die Erde gefasst? Vielleicht im Garten? Oder beim Umtopfen einer Zimmerpflanze? Auf meinem Schreibtisch steht ein Blumentopf mit einer Yucca elephantipes, zu Deutsch Elefantenfuss-Palme. Die wächst da aus der Erde. Etwas Licht braucht sie auch, deswegen steht sie in der Nähe des Fensters. Und solange ich sie richtig giesse, gedeiht sie.Gebe ich ihr aber zu wenig Wasser, so verdorrt sie, gebe ich ihr zu viel, fault sie von unten her. Erst würden dann vielleicht noch allerlei Insekten aus der Erde schlüpfen. Möglicherweise sprössen kleine Pilze und die Erde finge anfangen nach Sumpf zu muffeln. Es ist beeindruckend, dass ein Haufen einfache Erde Grundlage für so viel verschiedenes Leben sein kann. Stellen wir uns nun einmal vor, aus der Erd e w ü rd e e i n k l e i n e r M e nsc h schlüpfen, ein kleines Erdmenschlein sozusagen. Es hat genug getrunken und genug Nährstoffe aus der Erde aufgenommen, das Klima stimmt, Gott haucht ihm seinen Segen ein und –
schwups – windet es sich aus dem Staub und steht auf. Etwa so könnte man sich die Erschaffung des Menschen, wie sie in Genesis 2 beschrieben ist, vorstellen. Dor t wird der Mensch aus dem Ackerboden heraus geschaffen. Die hebräischen Worte für Mensch und für Ackerboden sind übrigens beinahe identisch. Adam heisst Mensch, Adamah ist das Wort für den Ackerboden. Wir leben auf der Erde und wir leben aus der Erde, das spiegelt uns dieses biblische Bild des Adam, des Erdlings: Wir essen, was aus der Erde wächst – vielleicht auch, was auf ihr lebt. Wir wohnen in Häusern aus Stein, Sand, Holz oder Stahl; alles Dinge, die der Erde entstammen. Und auch wenn wir einmal nicht mehr sind, gehen wir in die Erde zurück – Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub – Sie kennen das. Wir brauchen die Erde, vom ersten bis zum letzten Atemzug, das macht uns zu «Erdlingen»! Schade aber, dass einige Erdlinge den anderen wegen gewisser Erddinge immer wieder den Erdboden streitig machen. Auf den Äckern, die sie an sich reissen, wachsen dann Zellulose, Soja oder Ölpalmen. Deren Anbau bringt wenigen Erdlingen – Investoren genannt – Gewinn. Vielen anderen Erdlingen aber – den Menschen, die auf und von diesen Äckern leben – wird damit allerdings buchstäblich der Boden unter den Füssen weggezogen. Sie verlieren ihr Feld, auf dem sie ihre Nahrung angepflanzt haben. Dem Adam wird also seine Lebensgrundlage, die Adamah, entzogen. So wird sich der Mensch schliesslich selbst zum Feind.
Dabei gibt uns gerade der biblische Text auch hier einen Fingerzeig. «Bewahren und bebauen» (Gen 2,16) sollen wir die Erde, das ist der Auftrag, den Gott uns gibt. Die Erde zu schützen und zu nutzen, das ist unsere Verantwortung. Im Gegensatz zu vielen der von Land Grabbing direkt betroffenen Menschen weltweit spüren wir die Abhängigkeit vom Ackerboden vielleicht nicht mehr so unmittelbar. Denn die meisten von uns können sich die tägliche Nahrung im Supermarkt kaufen. Aber auch für uns gilt: Wir leben von d e m, wa s au f d e m Ac ke r b o d e n wächst. Es liegt also im Interesse von uns allen, dass jedem Erdling der Zugang zum Erdboden, aus dem er spriessen kann, erhalten bleibt. Denn wie die Zimmerpflanze auch, braucht der Erdling Boden zum Leben. Und wie auch die Zimmerpflanze genug, aber nicht zu viel Wasser braucht, braucht der Mensch Pflege, um zu gedeihen. Das erfordert Vernunft, aber auch Einfühlungsvermögen. Wir sollten deshalb unsere Erde schützen und sie so nutzen, dass wir alle davon leben können. Indem wir nach dem Bild des Adam der Bibel die Adamah zum Wohl aller Erdlinge bewirtschaften.
Im Fastenkalender finden Sie zum gleichen Bibeltext eine Meditation (1. Fastensonntag).
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Predigt zum 2. Fastensonntag
Lebendige Vielfalt Predigttext: Gen 12,1–9 / Gal 3,6–9
Bernard DuPasquier Geschäftsleiter Brot für alle
Leben braucht Vielfalt. Die Biowissenschaften bestätigen uns heute, was uns die Bibel in Bildern beschreibt. Die Schöpfungsgeschichte nimmt mit einer undifferenzierbaren Masse ihren Anfang. Gott erschafft Leben, indem er Ordnung ins Chaos bringt. Er scheidet den Himmel vom Meer, den Tag von der Nacht, er erschafft Landschaften und Geschöpfe, damit das Leben seinen Lauf nehmen kann. Gott ordnet den Menschen in ein Ökosystem ein, doch der Mensch will sich über den Rest der Schöpfung erheben. Der aus dem Erdboden erschaffene Mensch reckt sich mit dem Turm zu Babel zum Himmel empor. Die Menschheit löst sich aus dem Ökosystem, in das sie eingebunden war, und entwickelt ein einseitiges Denken und Sprechen. Allein, diese Monokultur erweist sich als tödlich, denn sie negier t die Vielfalt der Schöpfung. Die Verdichtung der Kultur führt zur Masslosigkeit – symbolisiert durch den Turm – und droht die Welt wieder ins Chaos zu stürzen.
Was die Schöpfungsgeschichte beschreibt, bestätigt sich in der aktuellen Problematik des Land Grabbings. Seit 2008 haben Unternehmen und Investitionsfonds vor allem in Afrika eine Fläche, die zehnmal so gross wie die Schweiz ist, unter ihre Kontrolle gebracht. Dieses Land wird nach der Logik des transnationalen Marktes und des Profits bewirtschaftet. Agrarrohstoffe wie Palmöl, Soja oder Zellulose werden in Monokulturen angebaut und massenweise auf westliche Märkte geschwemmt. Zu oft führt dies zu Enteignungen von kleinen Landwirtschaftsbetrieben, zum Austrocknen von Böden und zur Zerstörung von Biodiversität. Endlose Felder haben den Turm ersetzt, aber die Symbolik bleibt dieselbe: Masslosigkeit und einseitiges Denken bedrohen wichtige Ökosysteme. Die landwirtschaftliche Monokultur widerspiegelt eine globalisierte Monokultur, die unser Denken lähmt und die Grundfeste des Lebens untergräbt. Was können wir tun? Auf die grosse Katastrophe warten? Welche Finanzmärkte oder Ökosysteme werden als Erste versagen? Ist Fatalismus der einzige Ausweg? Nach dem Fiasko zu Babel öffnet Gott mit der Berufung Abrahams ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte. In kleinen Schritten, denn Abraham erhält nichts als das Versprechen auf Land und Nachkommenschaft. Aber diese Vision ist so stark, dass sie ihn in Bewegung setzt. Wie Abraham haben Menschen heute immer mehr das Bedürfnis, sich auf den Weg zu machen und einen sinnvolleren, nachhaltigeren Lebensstil zu pflegen. Auch
wenn unsere komplexe Welt nicht viel Orientierung bietet, wird das Bedürfnis, im Hier und Jetzt aufzustehen, um etwas zu verändern, immer stärker. Wir können der Monokultur widerstehen. Etwa, wenn wir an den zahlreichen Transitions-Initiativen teilnehmen, mit denen Quartiere, Dörfer und Städte nach mehr Nachhaltigkeit streben, indem sie ihren ökologischen Fussabdruck verkleinern und gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt stärken. Wir können eine regionale Landwirtschaft und einen Fairen Handel unterstützen und so Mensch und Umwelt respektvoll begegnen. Es ist die Vielzahl dieser Ideen, aus denen eine neue Welt entsteht. Wie Abraham haben auch wir ein Versprechen bekommen. Wir nehmen darin wahr, was andere noch nicht spüren. Die Befürworter der Monokultur, die immer wieder sagen, dass es heute keine Alternative zum Wachstum und zu unserer Lebensweise gebe, halten es für eine Utopie. Allerdings ist es just diese Hoffnung, die uns antreibt, unsere Gesellschaft neu zu denken. Abraham zu folgen, bedeutet, sich ins Ungewisse zu begeben. Aber es heisst auch, in die Dynamik des Lebens einzutreten.
Im Fastenkalender finden Sie zu Gen 12,1-9 eine Mediation (3. Fastensonntag).
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Predigt zum 3. Fastensonntag
Zelofchads Töchter Predigttext: Num 27, 1–11
Sie wissen sehr genau, was sie wollen. Und: Sie sind schlau!
Verena Sollberger Schwarzenbach Reformierte Pfarrerin, Luzern
Machla, Noa, Chogla, Milka und Tirza sind mutige junge Frauen. Eben mussten sie ihren Vater zu Grabe tragen. Brüder haben sie keine und verheiratet sind sie offenbar auch nicht. Für damalige Verhältnisse eine schwierige Situation. Ohne Vater und ohne Ehemänner sind sie schutz- und rechtlos. Entsprechend haben sie auch kein Recht, die Landanteile ihres Vaters zu erben. Die fünf Schwestern haben zwei Möglichkeiten. Entweder sie akzeptieren, dass sie nach dem Tod ihres Vaters ihre Lebensgrundlage – den Anteil des Vaters am Gelobten Land (und damit auch den Namen ihres Vaterhauses) verlieren. Oder sie leisten Widerstand und erstreiten sich das Erbrecht. Die jungen Frauen entscheiden sich für die zweite Möglichkeit. Selbstbewusst analysieren sie ihre Situation. Ohne das Land ihrer Familie können sie nicht überleben. Sie brauchen Boden unter den Füssen. Boden, der sie ernähren kann und ihnen eine Zukunft ermöglicht.
Machla, Noa, Chogla, Milka und Tirza erkennen die Ungerechtigkeit der vorgegebenen Strukturen. Strukturen, die ihnen das Recht, Land zu erben, vorenthalten. Sie erkennen aber auch, dass sie chancenlos sind, wenn sie sich gegen das Gesetz auflehnen. Geschickt nützen sie aber das befreiende Potenzial innerhalb dieser Strukturen für ihre Zwecke, ohne sie damit grundsätzlich infrage stellen zu müssen. Sie gehen zu Mose, schildern ihm ihre Situation, äussern ihr Unverständnis, warum sie als Frauen von ihrem Vater kein Land erben sollen, und formulieren klar, was sie wollen. «Gib uns Grundbesitz bei den Brüdern unseres Vaters!» Mose bringt ihr Anliegen vor Gott. – Und: Gott gibt den Töchtern des Zelofchad Recht! Zugang zu Land und Gerechtigkeit ist in den Augen Gottes offensichtlich so wichtig, dass er die Gesetze anpassen lässt und nachhaltige Veränderungen eingeleitet werden. Zur Zeit Zelofchads war es das Erbrecht, das Menschen, insbesondere den Frauen, den eigenen Boden vorenthielt. Heute sind es multinationale Firmen, die Ländereien aufkaufen, der einheimischen Bevölkerung den Boden wegnehmen und diese zu Landlosen machen. Für die Firmen ist das Land oft bloss ein Investitionsobjekt, um ihr Kapital zu vermehren. Und dafür werden diejenigen Menschen vom Land vertrieben, die bisher von diesem Land gelebt haben.
Land Grabbing nennt sich das. Und dieses Land Grabbing trifft die Frauen meist doppelt. Sie erhalten kaum die von den Unternehmen zuvor versprochene Arbeit. Und sie verlieren auch das Land, von dem sie vorher sich und ihre Familien selbst ernähren konnten. Und Geld, um die Nahrungsmittel nun einzukaufen, fehlt meist. Wie die Töchter des Zelofchad nehmen heute die von ihrem Land Vertriebenen nicht einfach hin, dass ihnen ihre Lebensgrundlage genommen wird. Auch sie stehen auf, wehren sich und wissen genau, was sie wollen und brauchen: ihren eigenen Boden, eine Zukunft. Nicht immer gibt es Strukturen, die sie für ihre Sache nützen können. Aber: Wie Gott die Töchter des Zelofchad unterstützte, so wird er auch heute an der Seite der Menschen stehen, die um ihr Land, ihre Lebensgrundlage kämpfen. Wo stehen wir? Gehen wir mit?
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Predigt zum 4. Fastensonntag
Kinder des Lichts Predigttext: Eph 5,8–14
Wie kann die Kirche diese andere Welt jedoch sichtbar machen? Der Epheserbrief zeigt uns zwei Spuren:
Célestin Kabundi Kabengele Katholischer Pfarrer, Lausanne
Der Epheserbrief ist an entstehende christliche Gemeinden in Ephesus adressiert. Er setzt sich mit dem christlichen Leben in einer nicht christlichen Gesellschaft auseinander und richtet sich dabei insbesondere an bekehrte Heiden-Christen. Sie werden gewarnt, sich nicht wieder von ihrem ursprünglichen Kontext beeinflussen zu lassen, um die christliche Botschaft nicht zu verwässern. Als Christen heute sind wir erneut in der Minderheit innerhalb einer säkularisierten Gesellschaft, deren Werte wie Konkurrenz und Profit wir zutiefst verinnerlicht haben. Die Gefahr der Verwässerung droht uns genauso. Der Brief an die christliche Gemeinde ermahnt sie, eine neue Welt zu gestalten. Dem Autor zufolge verkörpert die Kirche den auferstandenen Christus in dieser Welt. Sie bildet daher eine Verbindung zwischen Erde und Himmel. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, von Grund auf eine bessere Welt aufzubauen, sondern diejenige, die bereits jetzt unter der Herrschaft Christi existiert, sichtbar zu machen. Für uns, die wir uns oftmals von Grösse und Komplexität der weltweiten Herausforderungen überfordert fühlen, bedeutet dies, dass eine andere Welt nicht nur möglich ist, sondern dass schon sie längst existiert.
Zum einen muss die Kirche nach Einheit streben (Eph 4,3) – unabhängig von der Herkunft oder dem Bekenntnis ihrer Glieder. Ein solches Zeichen der Einheit zeigt sich heute sowohl in der Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus als auch in der Vision des Ökumenischen Rates der Kirchen von einer «Wirtschaft im Dienst des Lebens». Beide fordern die Christen auf, einen anderen Lebensstil anstelle des krankmachenden Konsums zu fördern und vorzuleben: einfacher, nachhaltiger und verantwortungsvoller. Zum anderen ruft der Epheserbrief die Christen zum Widerstand gegen die übernatürlichen Mächte auf – das heisst, gegen diejenigen Mächte, die sich unserer Kontrolle entziehen. Die diesjährige Ökumenische Kampagne bringt die versteckten Mechanismen ans Licht, die bei der Finanzierung und der Spekulation hinter unseren Pensionskassen, Ersparnissen und Konsumgütern eine Rolle spielen. Was tun wir, wenn wir uns bewusst werden, worin wir verstrickt sind, ob gewollt oder ungewollt? Der Epheser-Text wird oftmals auf die individuelle Moral reduziert. Vor dem Hintergrund des aktuellen Phänomens von Landraub bekommt er jedoch eine konkrete Dimension. Wir sollen
nicht Anteil haben an den dunklen Mechanismen mit ihren verborgenen Auswirkungen, die sich unserem Blick entziehen. Wir sollen sie vielmehr verurteilen. Der Epheserbrief fordert uns auf, die Ungerechtigkeit, die wir wahrnehmen, anzuprangern und unser Verhalten zu ändern. Es geht nicht darum, uns aus der Welt herauszuhalten, aus einer Art sektiererischem Reflex heraus. Vielmehr können wir unseren Lebensstil nüchtern überdenken. Ein komfortables Leben muss nicht unbedingt die Gier nach mehr nach sich ziehen, wir können uns unser Leben auch mit wenigem, aber dafür besser einrichten. Auf diese Weise können wir auch den Einfluss, den unser Geld ausübt, allmählich verändern. Die Ökumenische Kampagne lädt uns ein, zu sehen und zu handeln – oder in den Worten des Epheserbriefes: Licht zu sein. Sie wird von drei Kirchen getragen. Im Kontext einer säkularisierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts zeigt sie, dass Christen gemeinsam die eine weltweite Kirche bilden. Diese hat noch etwas zu sagen und Christen können schon jetzt ein Zeichen setzen für eine andere Welt.
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Predigt zum Palmsonntag
König ohne Land Predigttext: Mt 21,1–11
Siegfried Arends Reformierter Pfarrer, Wilchingen SH
«Hosianna – gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!» Der Palmsonntag und die Palmprozessionen erinnern uns an den Einzug Jesu in Jerusalem, wo er wie ein König empfangen wird. Allerdings ist es ein merkwürdiger König, dem die Menschen auf den Strassen zujubeln und dem wir heute in unseren Gottesdiensten singen. Statt auf einem Pferd, wie es sich für einen Herrscher gehört, reitet er auf einem geliehenen Esel, dem Reittier des kleinen Mannes. Sieht so der Einzug eines Königs aus? Ja!, sagt Matthäus. Man muss jedoch schon genau hinschauen. Es kann kein Zufall sein, dass sowohl vor als auch unmittelbar nach dieser Geschichte von einer Blindenheilung die Rede ist. «Siehe, dein König kommt!» – offenbar muss man sich die Augen öffnen lassen, um diesen König zu erkennen. Es geht darum, den rechten Blick zu erlernen: Schaut her! Ein König ist das – euer König!
Die Menschen auf den Strassen Jerusalems erkennen ihn als einen der ihren. Ein König, wie ihn schon der Prophet Sacharja erträumt hatte: «Gerecht und siegreich, sanftmütig und auf einem Esel reitend» (Sach 9,9). Deshalb jubeln sie ihm zu, dem Anders-König, dem Feldherrn ohne Feld, dem König gerne klein, ihrem Bettlerkönig. Bettelarm sind sie ja selbst: 90 Prozent der Menschen im Römischen Reich galten als arm oder sehr arm. Ihre Hoffnungen sind auf ihn gerichtet, auf diesen König ohne Land. Denn ohne Land sind auch sie selbst: Viele Kleinbauern haben ihr Land unter der römischen Fremdherrschaft an Grossgrundbesitzer verloren und kämpfen ums nackte Überleben. Sie sind es, die ihm zurufen, mehr aus Verzweiflung als aus Begeisterung: «Hosianna!» – das heisst: «Herr, hilf!» Wie dieser «Herr» hilft, zeigt er gleich nach der sonderbaren Prozession. Angekommen im Tempel, im Zentrum der Macht, wird er die Tische der Händler und Geldwechsler umwerfen und die Geschäftemacher vertreiben. Bei diesem König verbinden sich Mut und Sanftmut auf überraschende Weise. Unmissverständlich macht er klar: Geld und Geschäft gehören nicht in den Mittelpunkt unserer Existenz. Nicht das Geld und die Wirtschaft sind heilig, sondern Gott, die Leben spendende Kraft. Man wird diese Störung der öffentlichen Ordnung nicht dankbar hinnehmen: Sie wird ihm die Verhaftung und die «Krönung» mit einer Dornenkrone einbringen.
Die Palmzweige, mit denen die Menschen Jesus begrüsst haben und die wir heute in unseren Palmsonntagsprozessionen verwenden, bergen eine unerwartete Aktualität: Sie verweisen auf den Anbau von Ölpalmen auf riesigen Plantagen. In vielen Gegenden der Welt sind die Ölpalmplantagen zum Synonym für Landraub geworden. Bauernfamilien bleiben mit leeren Händen zurück, weil Investoren ihnen das Land und damit ihre Lebensgrundlage entziehen. Die Profitgier triumphiert über den Lebensunterhalt der Landbevölkerung. Das Palmöl ist «big business». Die diesjährige Ökumenischen Kampagne erinnert uns daran, dass bei diesen Geschäften häufig auch Geld aus der Schweiz im Spiel ist. Der Palmsonntag und das Schwenken der Palmzweige zur Begrüssung des Friedenskönigs wird so auch heute zum Zeichen der Hoffnungen derer, die noch immer um Land und Leben kämpfen. Wir stimmen ein in ihren Ruf: «Hosianna – Herr, hilf!» Hilf uns, uns einzusetzen für das Recht auf Land und Leben – mit Mut und Sanftmut! Hilf uns, Geschäften, die Leben zerstören, ein Ende zu bereiten. Hosianna – Herr, hilf!
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Gebete
Gebet aus Madagaskar Unser Vater, wir schenken dir unsere Existenz auf der Erde, um dein Werkzeug auf diesem Planeten zu sein. Wir schenken dir unsere Augen, um die echten Gründe und Umstände der Verarmung unserer Brüder und Schwestern zu finden; wir bieten unsere Augen an, um die Leiden und die Sorgen der Benachteiligten zu sehen. Wir schenken dir unsere Ohren, um die Krisen der Unterdrückten zu hören, die Tränen derer, deren Besitz enteignet wurde. Wir schenken dir unsere Hände, um denen zu Hilfe zu kommen, die von den Mächtigen ausgenutzt werden. Gott, wir schenken dir unsere Herzen als Wohnstatt deiner geschwisterlichen Liebe und wir schliessen alle möglichen Tore des Egoismus. Wir schenken dir unsere Gedanken um die Schwachen zu beschützen und die, die sich betrogen fühlen.
Gemeinschaftsgarten in Madagaskar: Boden zum Leben
Geschenkte Erde Lebendiger Gott, von dir kommt das Leben. Du gibst uns die Erde, damit wir sie bepflanzen und bebauen können. Von deiner Fülle, die uns die Erde gibt, wollen wir alle leben können, denn es ist genug da. Wir möchten dazu beitragen, dass die Erde gerechter verteilt wird. Schenke uns dazu deinen guten Geist und deine Kraft. Amen. Andrea-Maria Inauen Weber
Wir schenken dir unsere Lippen, um die Ungerechtigkeit anzuklagen und um die Parteinahme für die Aufkäufer der Güter anderer zurückzuweisen. Wir schenken dir unsere Füsse, damit die, die keine Macht haben, ihren Besitz schützen und retten können.
Segen Gott stärke, was in dir wachsen will, schütze, was dich lebendig macht, behüte, was du weiterträgst, und bewahre, was du freigibst. Gott segne dich. Christoph Fankhauser
Daniel Rakotoarivola
Den 2. Teil des Gebetes von Daniel Rakotoarivola (Autor Impulstext) finden Sie unter www.sehen-und-handeln.ch/feiern
Schöpfungscredo Ich glaube, dass der Schöpfer-Gott dem Menschen die Erde anvertraut hat, damit er sie mit Behutsamkeit behandle,
sie mit Harmonie entwickle, sie zur Vollendung führe und dabei ihren Reichtum und ihre Schönheit bewahrt. Ich glaube, dass Jesus Christus die Hoffnung ist für unsere Welt. Gestorben am Kreuz in Verbundenheit mit allen Geschöpfen, befreit er uns durch seine grenzenlose Liebe. Vereint mit dem Schöpfer, verbindet er uns mit seiner Macht, die Krankheiten, Hass, Enttäuschung und Resignation zu überwinden vermag. Durch seine Auferstehung erweckt er uns zu neuem Leben. Ich glaube an den Heiligen Geist, der uns die Augen öffnet für das Geschenk der göttlichen Vergebung, der uns Klarheit schafft im Handeln und der uns zur Freiheit der Kinder Gottes führt. Trennungen und Grenzen schwinden durch ihn, dem Begleiter allen Lebens. www.prier.be
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Materialien Neue Materialdatenbank Suchen Sie ein Gebet aus Kenia? Oder einen Gottesdienstvorschlag zum Thema Klimawandel? Predigten, Gottesdienste, Gebete und Unterrichtsvorschläge aus früheren Kampagnen sind – nach Suchbegriffen geordnet – in der neuen Materialdatenbank zugänglich unter www.sehen-und-handeln.ch/materialdatenbank. Unter dem Stichwort Boden finden Sie zum Thema der diesjährigen Kampagne in der Materialdatenbank ergänzend einen Familiengottesdienst, einen Stationenweg, zwei Predigten und zahlreiche Gebete aus früheren Kampagnen.
Theologischer Impulstext Unter dem Titel «Erde – ein Ort der Versöhnung» bietet der theologische Impulstext aus Madagaskar biblische Vertiefungen und ethische Impulse zum Kampagnenthema. Er ist auf der Website www.sehen-und-handeln.ch/impulstext verfügbar. Inputtheater «Gier. Monolog über Palmöl und Land Grabbing» Mayumi Balmer kam als Kind in die Schweiz und it hier aufgewachsen. Gerade hat sie Kalimantan, den indonesischen Teil von Borneo, besucht und war dort, wo sie geboren wurde. Was sie dort gesehen hat, ist so ganz anders als die Bilder, die ihre Eltern ihr gezeigt hatten: nicht mehr der unberührte Wald, dafür verbrannte Erde. Feuer, Rauch und Smog umgeben die Menschen, die ihr Land für Ölpalmplantagen verkauft haben. Das Inputtheater eignet sich für die Aufführung im Gottesdienst. Weitere Informationen unter www.sehen-und-handeln.ch/kultur Kurzfilm: «Geraubtes Land» Der 7-minütige Kurzfilm unserer Kampagne zeigt die Bedeutung von Land und die Rolle der Schweiz im Land Grabbing. Er veranschaulicht die Auswirkungen für die betroffene Bevölkerung und die Umwelt weltweit. Der Film ist für den Einsatz vor breitem Publikum gedacht, z. B. für Suppentage und als Einstieg im Unterricht und an Bildungsveranstaltungen. Er steht zum Download bereit unter www.sehen-und-handeln.ch/filme
Musterpräsentation zur Kampagne Auf der Website befindet sich eine Musterpräsentation zur Kampagne. Sie zeigt die Bedeutung von Kulturland, die Rolle der Schweiz bei der Finanzierung von Land Grabbing sowie die Auswirkungen für die betroffene Bevölkerung sowie die Umwelt auf. Konkrete Fallbeispiele schaffen einen direkten Bezug zu unserer Arbeit in den Ländern des globalen Südens. Die Präsentation kann nach Belieben eingesetzt und den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden. www.sehen-und-handeln.ch/praesentation
Hungertuch zum Gedenkjahr 600 Jahre Niklaus von Flüe Auf der Website finden Sie eine Fotodatei des H u n g e r tu c h e s a u s dem Jahr 1981/1982 mit dem Radbild von Bruder Klaus sowie die Texte des Meditationsheftes 1982 von Bruno Dörig und Hans Ulrich Schäfer. www.sehen-und-handeln.ch/hungertuch.
Quellenangaben S. 7: Gebet zur Eröffnung: Bruno Chenu; Besinnung: Nana Mouskouri, www.prier.be S. 8: Fürbitten: Gebet des Gärtners von Gethsemane, www.prier.be S. 9: Schlussgebet, www.prier.be S. 12/13: Ich bin, weil du bist. Claudi Kolletzki in Arbeitsheft Hungertuch, Misereor, 2016 S. 22: Segen: Christof Fankhauser, Goldflügel, © Kreuz Verlag in der Verlag Herder GmbH, Freiburg i.Br. 1995 S. 22: Schöpfungscredo, Erzdiözese München, www.prier.be S.24: Dorothee Sölle, Lieben und arbeiten. Eine Theologie der Schöpfung, Stuttgart, 1985 Fotos © Fastenopfer und Brot für alle
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« Es ist ein Verbrechen, die Erde zur Ware zu machen. Die Erde gehört allen Arbeitenden, nicht ihren Käufern und Verkäufern.»
Dorothee Sölle
Wir bewegen Menschen Brot für alle ist die Entwicklungsorganisation der Evangelischen Kirchen der Schweiz. Wir bewegen Menschen im Norden zu einer verantwortungsvollen Lebensweise und engagieren uns entwicklungspolitisch für das Recht auf Nahrung und Ethisch Wirtschaften. Im Süden unterstützen wir Menschen, sich aus Not und Hunger zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Gemeinsam mit Partnern vor Ort zeigen wir Missstände auf und setzen uns für die Rechte der Betroffenen ein. Bürenstrasse 12, Postfach 1015, 3000 Bern 23, Tel. 031 380 65 65 bfa@bfa-ppp.ch, www.brotfueralle.ch, Postkonto 40-984-9
Wandel wagen – globale Gerechtigkeit fördern Fastenopfer ist das Hilfswerk der Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz. Wir setzen uns ein für benachteiligte Menschen – für eine gerechtere Welt und die Überwindung von Hunger und Armut. Wir fördern soziale, kulturelle, wirtschaftliche und auch individuelle Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Lebensweise. Dafür arbeiten wir mit Partnerorganisationen in 14 Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika sowie mit Organisationen in der Schweiz zusammen. Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 Luzern, Tel. 041 227 59 59 mail@fastenopfer.ch, www.fastenopfer.ch. Postkonto 60-19191-7
Solidarität weltweit Das christkatholische Hilfswerk Partner sein unterstützt Projekte für die soziale und wirtschaftliche Entfaltung benachteiligter Menschen in den ärmsten Ländern. Unsere Projekte dienen der Hilfe zur Selbsthilfe, ihre Schwerpunkte liegen auf Ernährung, Gesundheit und Bildung. Im Dialog mit den Partnern vor Ort stehen die Bedürfnisse der dortigen Menschen im Zentrum. Er ist Ausdruck einer vom Evangelium motivierten Solidarität für mehr Gerechtigkeit. Geschäftsstelle: Peter Grüter Kirchgässli 2, 4310 Rheinfelden, Tel. 061 831 50 13 info@partner-sein.ch, www.partner-sein.ch. Postkonto 25-10000-5
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