TRANSIT MEDELLIN
TRANSIT Medellin Š 2010 Copyright by Oliver Berlin Gestaltung und Satz OHA Werbeagentur GmbH Interviews Paulo Fillion, Jhonny Morales Bilder Daniel Beusch, Oliver Berlin Korrektorat die-architexten.ch
TRANSIT MEDELLIN
Rollende Stadt Um sie kommt in Medellin niemand rum: die farbenfrohen Busse, welche die meisten Einwohner der 2 Millionen-Metropole im Herzen Kolumbiens benutzen, um von einem Ort zum anderen zu gelangen. Für die Einheimischen sind sie die wichtigsten Transportmittel in der City, was nicht weiter verwunderlich ist. Eine Fahrt, ganz egal wie lange sie dauert, kostet bloss 1‘100 Pesos, umgerechnet etwa 60 Rappen. Und obwohl – oder gerade weil – die unzähligen Busse in der Stadt omnipräsent sind, existiert kein Fahrplan – zumindest bis zum Zeitpunkt unseres letzten Besuches im Jahr 2010. Ein Handzeichen genügt und der Fahrer hält am Strassenrand an, um die Fahrgäste aufzunehmen. Vorausgesetzt natürlich, er hat gerade Lust dazu. Man könnte meinen, dass jeder einfach fährt, wie es ihm gerade passt. Doch der Schein trügt: Jeder Bus hat eine bestimmte Route, die er bedient und es gelten auch klar geregelte Fahrzeiten. Von der Arbeit, die durch die Busse entsteht, hängt die Existenz zahlreicher Familien ab. Nebst den Busfahrern, die den Grossteil des Tages Gas geben, um dann doch gerade wieder anzuhalten, sind da auch noch Mechaniker, die zwei schrottreife Busse wieder zu einem funktionierenden Vehikel zusammenflicken können, Buskoordinatoren, die den Fahrplan der Busse festlegen, Busreiniger, die für 18‘000 Pesos (ca. 10 CHF) einen einzigen Bus den ganzen Tag über sauber halten, Schriftenmaler und Gestalter, die den Bussen das unverwechselbare Äussere verleihen und nicht zu vergessen das Wachpersonal, das für Ruhe und Ordnung in den Busterminals sorgt. Die Lebensgeschichten und Szenerien rund um die russspeienden Farbbüchsen faszi nieren – vieles ist improvisiert und einiges funktioniert nur, weil es einfach funktionieren muss. Auf der Suche nach den Gesichtern hinter den rollenden Ungetümen Medellins sind wir einfach den Bussen gefolgt, um die Personen kennen zu lernen, die direkt oder indirekt von ihnen leben. In diesen kurzen Begegnungen wurden wir beeindruckt und bewegt durch Menschen, die dasselbe versprühen wie die Busse, mit denen sie zu tun haben: ungebrochene Lebensfreude, immer wieder gepaart mit Dankbarkeit sowie einer immerwährenden Hoffnung. Und das trotz der oft widrigen Umstände des täglichen Lebens. Hinter den Bussen Medellins stecken Menschen und ihre Lebensgeschichten. Dieser Bildband verleiht ihnen eine Stimme. Auf dass uns die Bilder inspirieren und immer wieder ermutigen, nie unseren Glauben, unsere Hoffnung und die Dankbarkeit für unser Sein zu verlieren. * 7 *
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Ram iro Agu del o
Übername: El Galileo Alter: 46 Beruf: Busfahrer seit 1999 Arbeitszeit: 04:00 bis 14:00 Uhr
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Mit einem Bus der Firma ›Transportes Medellin‹ fahre ich rund 9 bis 10 Stunden pro Tag und das den ganzen Monat lang, jeden einzelnen Tag. Danach mache ich jeweils für zwei Tage Pause. Ich arbeite sehr gerne als Fahrer. Es ist eine bequeme Arbeit. Klar: manchmal ist es ein wenig stressig. Schwierig sind zum Beispiel die Stoßzeiten, wenn alle zur Arbeit wollen, oder von dieser wieder nach Hause kommen. Dann gibt es schon mal Rempeleien zwischen den Fahrgästen, denn jeder möchte sich natürlich einen Platz ergattern, ganz egal ob er nun sitzen kann oder stehen muss. Aber es ist eine gute Arbeit, ein Segen von Gott! Vieles daran gefällt mir, zum Beispiel wenn ein Musiker mit seinem Instrument in meinen Bus steigt und den Leuten ein Lied vorträgt. Oder auch die ›Witzerzähler‹, die den ganzen Bus zum Lachen bringen. Je besser die Darbietung, umso mehr Pesos sammelt er am Schluss ein. Apropos Pesos: Finanziell geht es mir gut. Gott sei Dank wurde ich noch nie in einen Unfall verwickelt. Ich danke Gott auch, dass meine Kinder gesund sind. Von meiner Arbeit leben mit mir insgesamt sieben Personen.
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Santiago Velasq
Übername: Tato Alter: 39 seit 2001 Beruf: Busreiniger :00 Uhr bis 16 Arbeitszeit: 05:00
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Seit neun Jahren bin ich nun schon darum besorgt, dass die Wagen wieder auf Vordermann gebracht werden. Ich wasche den Bus aussen und innen, poliere alles wieder auf Hochglanz und entferne Abfälle, die von Fahrgästen liegen gelassen wurden. Dafür benötige ich je nach Zustand des Busses zwischen fünfzehn und dreissig Minuten. Geputzt wird mit Bürste, Seife und Wasser sowie dem Mittel »SuperBlue«. Um den Lack zum Glänzen zu bringen, aber natürlich auch als Schutzschicht, benutze ich Wachs. Eine ordentliche Portion Schuhcreme sorgt dafür, dass die Reifen schön schwarz bleiben. Das Ganze ist natürlich eine Zeitfrage. Wenn ich viel Zeit habe, dann mache ich auch mehr sauber, ist die Zeit gerade mal knapp, dann sind der Motor und die Kabine am wichtigsten. Jeden Tag putze ich den gleichen Bus, diesen dafür mehrmals. Aufgrund einer städtisch angeordneten Umstrukturierung, die mehr Arbeitsplätze schaffen soll, darf man nur noch einen putzen. Angestellt bin ich jedoch nicht bei der Stadt oder dem Busterminal, sondern beim Busfahrer direkt. Einerseits bin ich froh um meine tägliche Arbeit, weil ich so nicht ständig auf Jobsuche sein muss. Andererseits bin ich auch völlig abhängig von meinem Chef. Wenn er gerade einen Frust hat und deshalb Lust, mich zu entlassen, kann er das einfach tun und ich muss mich nach einer neuen Arbeit umsehen. Mir gefällt meine Arbeit, die mir pro Tag um die 18‘000 Pesos (ca. 10 CHF) einbringt. Man muss sich einfach mit seinen Vorgesetzten arrangieren. Jeder Chauffeur hat wieder seine eigenen Vorlieben. Bei meinem Boss ist es einfach: Solange der Motor und die Fahrerkabine sauber sind, ist er zufrieden. Wenn er zufrieden ist, bin ich es auch.« * 15 *
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arlos Enrico C Bustamante
che Übername: Bu5 Alter: 4 2006 usfahrer seit 0 Uhr B f: ru Be :00 bis 22:0 Arbeitszeit: 04
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Als Buschauffeur bin ich noch ein Frischling. Ich habe damit erst vor drei Jahren begonnen. Daneben arbeite ich noch als Taxifahrer. Das Busfahren gefällt mir nicht wirklich. Die Arbeit nimmt oft den ganzen Tag ein. 10 oder 12 Stunden zu fahren wäre noch okay, aber 17, manchmal sogar 18 Stunden, sind die reinste Tortur. Natürlich existieren diese kurzen Momente, in denen mir das Fahren Freude macht – aber der Frust, ausgelöst durch die langen Arbeitszeiten, überwiegt doch meistens deutlich. Ausserdem wird man von den Passagieren in der Regel eher schlecht behandelt. Ich habe den Job eigentlich nur angenommen, um den Unterhalt für meine Familie bezahlen zu können. Eine grosse Wahl hatte ich dabei nicht. Was will man anderes? – meine Frau und unsere fünf Kinder müssen ernährt werden. Aber wenigstens kann ich sie ernähren, was nicht selbstverständlich ist. Die gegenwärtige Entwicklung im öffentlichen Verkehr könnte zur Folge haben, dass der Bus mehr und mehr aus dem Stadtzentrum verdrängt wird. Das würde viele von uns den Job kosten. Wie bei vielen anderen, gehört auch mein Bus der Firma ›Transportes Medellin‹, die mir etwa 800‘000 bis 900‘000 Pesos (ca. 450 bis 500 CHF) im Monat bezahlt. Pro Passagier, den ich transportiere, bekomme ich einfach 120 Pesos (ca. 6,5 Rp) und an einem Tag können das bis zu 430 Personen sein.« * 20 *
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* * * * * * * * * * * * * * * * * ermo Serna
Juan Guil
Übername: - 8 Alter: 4 er seit 1979 Beruf: Busfahr s 17:00 Uhr :00 bi Arbeitszeit: 04
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Busfahren liegt mir in den Genen. Es ist so was wie ein Erbe, denn bereits mein Vater war Busfahrer. Um Busfahrer zu werden macht man hier eine Ausbildung an einer Berufsschule. Man nimmt Stunden, lässt sich ausbilden und legt eine Prüfung ab. Seit sechs Jahren fahre ich nun schon jeden Tag bis zu fünfzehn Stunden Bus. Vorher transportierte ich Waren mit einem Kipplastwagen von A nach B. Diese Arbeit gefiel mir eigentlich besser. Aber im Leben gibt es manchmal einfach Situationen, die zwingen dich, etwas zu tun, obwohl du es weder möchtest noch gerne machst. Du hast diese Situation vielleicht nicht gesucht, aber darum geht es gar nicht. Solche Situationen finden dich, auch wenn du gar nicht danach gefragt hast. An meiner Arbeit gefällt mir am meisten, dass ich das Geld für meine vierköpfige Familie verdienen kann. Das tagtägliche Busfahren mag ich eigentlich überhaupt nicht – bei mir sind das 28 Tage pro Monat. Jeden zweiten Sonntag habe ich frei und ruhe mich aus. Ich habe, wie viele andere, gar keine grosse Wahl. Man ist einfach gezwungen, sein tägliches Brot zu verdienen. In Medellin sind alle Stadtteile relativ gut erreichbar. Der eigentliche Knackpunkt im Verkehr ist, dass einfach zu viel Stress herrscht. Ständig muss man sich an vorgegebene Fahrtzeiten halten. Deswegen passieren sehr viele Unfälle mit Bussen. Meinen Bus – ein 76er Dodge mit der ›Nase‹ von einem 92er Chevrolet – habe ich selber hergerichtet, geschweisst, lackiert und gestaltet. Ursprünglich war er in einem sehr schlechten Zustand. Völlig verbeult und rostig. Zwei Jahre habe ich gebraucht, um ihn in die heutige Form zu bringen. Doch leider ist seine Zeit auf der Strasse bald zu Ende und er wird auf dem Schrottplatz landen – und mit ihm all die vielen Geschichten, die er erlebt hat. Da darf man schon ein wenig wehmütig sein. Es ist, als nähme man Abschied von einem guten Freund, mit dem man nun schon jahrelang unterwegs sein durfte.« * 23 *
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* * * * * * * * * * * * * * * * * Jhon
Fredy Gomez
Übername: El Marinillo Alter: 27 Beruf: B Arbeitszeit: 04usfahrer seit 1997 :00 bis 22:00 Uhr
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Busfahren ist die Bewegung von einem Ort zum anderen. Es ist Unterwegssein und immer etwas Neues sehen. Deswegen liebe ich meine Arbeit. Man erlebt dabei unvergessliche Momente, wie der, als während einer Fahrt einmal ein Blitz ganz nahe beim Bus einschlug. Die Passagiere und ich erschraken dabei natürlich fast zu Tode. Acht bis neun Mal pro Tag fahre ich ins Stadtzentrum und wieder zurück. Dabei transportiere ich 450 bis 500 Passagiere in meinem Dodge-Bus. Also eigentlich ist es gar nicht mein Bus, ich fahre ihn für eine Firma. Mit der grossen Verantwortung tue ich mich manchmal ein wenig schwer. Während einer Fahrt hat man viele stehende Passagiere. Wenn die Gänge voll mit Leuten sind und ich eine Vollbremsung machen muss, kann es schon passieren, dass der eine oder andere hin und her geworfen wird und sich dabei verletzt. Aber noch schlimmer ist für mich eine Panne. Normalerweise kriege ich 130 Pesos (ca. 7 Rp) pro Passagier. Steht der Bus aber einmal still, dann verdiene ich keinen einzigen Peso. Und das ist gar nicht angenehm, denn von meinem Lohn lebt nebst meiner Familie auch der Busreiniger. Das habe ich früher übrigens auch mal gemacht, bevor man mir einen Bus übergab. Natürlich erst, nachdem ich das Busfahren erlernt hatte. Wie man das bei uns lernt? Indem man den Bus Zentimeter für Zentimeter vorwärts bewegt – so lernt man das zumindest hier bei uns.«
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Wilson Efren Gisal do Aristizabal
Übername: El Br illosito Alter: 20 Beruf: Busfa Arbeitszeit: 04:00 hrer seit 2006 bis 20:00 Uhr
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Bevor ich Busfahrer wurde, startete ich meine Karriere als Busreiniger für den Bus meines Onkels. Alles begann hier im Terminal – man hilft Busse zu parken, bevor man sie wäscht. So erlernte ich das Fahren. An meiner Arbeit gefällt mir vor allem, dass ich mir mein eigenes Geld verdienen kann. Davon leben nebst mir und meiner Mutter auch noch meine Geschwister. Natürlich nagt der Stress schon sehr oft an den Nerven – alles ist sehr hektisch und der Verkehr lässt nur wenige Verschnaufpausen zu. Mit meinem 48er Chevrolet transportiere ich täglich ungefähr 350 bis 500 Personen. Mein Bus ist ein Traummodel! Als ich ihn das erste Mal fuhr, verliebten wir uns ineinander. Seither sind wir so was wie verheiratet und erleben natürlich so einiges. Einmal habe ich tatsächlich einen betrunkenen Mann überfahren. Er sass benebelt am Strassenrand und ich hatte ihn zu spät gesehen. Weshalb ich das erzähle? Alles hat ein gutes Ende genommen. Glücklicherweise habe ich nur seinen Fuss erwischt. Ich habe gelernt, dass du als Buschauffeur in Medellin auf alles gefasst sein musst. Die Strassen hier in der Stadt sind nichts für schwache Nerven.«
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P Luis Guillermo
nturita Übername: Ci9 Alter: 2 seit 2000 uskoordinator 0 Uhr B f: ru Be :00 bis 13:0 Arbeitszeit: 04
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Fahrten verteilen, die Zeiten festlegen, die Papiere der Fahrer überprüfen, den Zustand des Wagens checken – das alles sind Bestandteile meiner Arbeit, die mir recht gut gefällt. Sehen Sie, keinen Bus hier in Medellin gibt es zweimal. Es fahren so viele verschiedene Busse wie Busfahrer herum. Auch gerade deshalb ist mein Job vielseitig und vor allem nie im Leben so stressig wie das Busfahren selbst. Aber ich lebe sowieso nach dem Grundsatz, dass man sich nicht stressen lassen sollte. Wenn man die Sachen einfach genug locker angeht, dann klappt so ziemlich alles. So sehe ich das zumindest hier im Terminal. Wenn du entspannt auf andere zugehst, dann reagieren sie auch entspannt und man kommt gut miteinander aus. Mein Verdienst liegt nur knapp über dem Mindestlohn. Das Entspannende daran ist, dass es ein Fixlohn ist. Dadurch habe ich den Lebensunterhalt für meine Familie – meine Frau und unsere beiden Töchter – beisammen und muss nicht jeden Monat um das Einkommen bangen. Ich kann also mit gutem Gewissen sagen, dass ich dankbar und zufrieden bin.«
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Fernando Hernan
llina Übername: La Ga Alter: 52 it 1975 Beruf: Busfahrer se :00 Uhr bis 20 Arbeitszeit: 04:00
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Bereits im Alter von 20 Jahren habe ich mit Busfahren begonnen. Man hat mir diese Arbeit damals angeboten und nun bin ich tatsächlich seit 32 Jahren Busfahrer. Schon weit mehr als die Hälfte meines Lebens – unglaublich. Trotz der langen Schichten, was den Job sehr anstrengend macht, habe ich viel Spass am Fahren. Als schwierig empfinde ich es, die richtige Art zu finden, den Launen der Passagiere zu begegnen. Es gibt ab und zu mal eine Konversation oder Begebenheiten, die man sich gerne erspart hätte. Aber im Bus bin ich halt einfach für die Laune meiner rund 50 Gäste verantwortlich. Je nach Tag befördere ich zwischen 350 und 380 Passagiere. Dadurch verdiene ich genug, um zu leben und meine Familie zu unterstützen. Auf Medellins Strassen erlebt man in dieser langen Zeit doch so einiges. Zwei Mal ist es mir in meinen 32 Jahren bereits passiert, dass mir die Bremsen ausgefallen sind. Bei den vielen steilen Strassen ist das nicht ungefährlich – und ziemlich unangenehm, wenn es passiert. Gott sei Dank konnte ich den Bus gerade noch knapp in eine andere Strasse lenken und so zum Stillstand bringen.«
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Arias
Übername: Sa n Martin Alter: 42 Beruf: B Arbeitszeit: - usfahrer seit 1989
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Die Entscheidung, Busfahrer zu werden, habe ich in den letzten 21 Jahren noch keinen Tag bereut. Es ist ein anspruchsvoller Beruf. Du musst deine Gäste sicher durch Medellins Verkehr bringen und das ist nicht ganz ohne. Es gibt immer mehr Autos, das heisst mehr Verkehr insgesamt. Dadurch kommt es natürlich häufiger zu Unfällen und öfters mal zu Verspätungen. Das nagt teilweise schon an den Nerven. Aber am besten nimmt man es locker und arbeitet einfach für sein Geld. Davon muss ich nämlich meine zwei Kinder und natürlich auch meine Frau ernähren, was bis jetzt ganz gut klappt. Toll an meinem Beruf sind die unterhaltsamen Erlebnisse, die man tagtäglich hat. Dazu gehören zum Beispiel Scherze unter den Busfahrern oder auch nette Begegnungen mit den Gästen. Ja, es ist jeder Tag spannend und wieder ganz anders als der gestrige.«
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Jhon Jairo Marin Arbelaez
neja Übername: La Go 3 Alter: 3 it 1997 Beruf: Busfahrer se :00 Uhr bis 22 Arbeitszeit: 04:30
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Vor meiner Zeit als Busfahrer war ich schon jahrelang als Taxifahrer mit einem eigenen Wagen unterwegs. Dann ergab sich eine gute Gelegenheit zum Wechsel auf den Bus. Zusammen mit meiner Frau besitze ich nun einen. Also eigentlich zahlen wir ihn immer noch ab. Mir gefällt es, dass ich mit meiner Arbeit anderen ganz einfach dienen kann, indem ich sie von A nach B bringe. Eigentlich eine sehr simple Sache. Dafür bekomme ich dann meinen Lohn. Das Herausforderndste bei diesem Job ist sicher, immer die Ruhe zu bewahren. Vor allem, wenn gewisse Fahrgäste schlecht gelaunt sind und ihre Stimmung an mir auslassen wollen, obwohl ich gar nichts dafür kann. In diesen Situationen ist es gut, wenn man die Kunst beherrscht, einfach ruhig Blut zu bewahren. Übrigens sind die Leute auf meiner Route grösstenteils sehr anständig. Natürlich gibt es immer solche, die sich ärgern, weil beispielsweise der Bus nicht genau vor ihrer Haustüre hält, sondern erst fünf Meter weiter vorne zum Stehen kommt. Na ja, jeder hat halt so seine Problemchen ... oder mal einen schlechten Tag. Die Arbeitszeiten sind ziemlich unterschiedlich. Heute bin ich zum Beispiel von 4.30 bis 20 Uhr unterwegs. Das ist schon sehr lange – durchschnittlich fahre ich jedoch ›nur‹ 12 bis 14 Stunden pro Tag.«
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Ec Juan Fernando
Pantera Übername: La4 Alter: 2 2002 usreiniger seit B f: ru Be Arbeitszeit:
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Ich putze die Busse so, dass sie wirklich schön und gemütlich aussehen. An einem Tag putze ich immer nur denselben Bus und kassiere dafür 18‘000 Pesos (ca. 10 CHF). Pro Woche arbeite ich an vier oder fünf Tagen, aber einen fixen Arbeitsplan habe ich nicht. Mit dem, was ich verdiene, kann ich meiner Mutter und meinen vier Schwestern helfen. Mir macht die Arbeit extrem viel Spass, weil ich sowieso ein Fan von Autos und Bussen bin. Sie zu putzen, ist das Einzige, was ich wirklich gut kann. Gibt es etwas Schöneres, als einen Bus wieder auf Hochglanz zu polieren? Damit mache ich nämlich nicht nur dem Fahrer eine Freude. Jeder Gast möchte doch in einem frischen Bus sitzen. Und wenn einer glänzt, dann steigen wegen mir vielleicht sogar mehr Leute ein. Unangenehm wird es eigentlich nur, wenn man den Bus von unten putzen muss. Man glaubt nicht, was sich da von den Strassen alles ansammeln kann. Ansonsten gibt es an dem Job nichts auszusetzen. Total witzig finde ich es, wenn Leute mich fälschlicherweise für den Fahrer halten, was mir immer mal wieder passiert.« * 52 *
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Juan Ocampo
Übername: Cantin flas Alter: Beruf: Busko Arbeitszeit: 05:00 ordinator seit 1992 bis 13:00 Uhr
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Mein Job ist es, die Ankunftszeiten der Busse sowie die Abfahrten vom Stadtteil Laureles zu kontrollieren. Ich startete als Buskoordinator an einzelnen Wochenenden und dann hat sich halt alles einfach so weiterentwickelt. Das Geniale an meiner Arbeit ist, dass ich dabei an der frischen Luft arbeiten kann und nicht in einem Büro sitzen muss. Natürlich hat mein Job wie jeder andere auch seine Schattenseiten, aber da kann man einfach drüber hinwegschauen. Wenn es mal brenzlig wird, nehme ich danach einen guten Schluck von meiner Limo und dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Die Beziehungen, die sich über die vielen Jahre durch meinen Job hier im Busterminal mit den einzelnen Fahrern ergeben haben, sind unterschiedlich und stark abhängig von deren Stimmung, was nicht weiter verwunderlich ist: Sie fahren pro Tag ja auch bis zu 850 Passagiere herum. Und wie man sich unschwer vorstellen kann, ist da nicht immer nur der nette Nachbar von nebenan dabei. Zu meiner Arbeit gehört es deshalb auch, dass ich freundlich bin und zwischendurch mit einem Spruch für lockere Stimmung sorge.«
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Zuleta
Übername: Zu leta Alter: 27 Beruf: B Arbeitszeit: - usfahrer seit 2000
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Mein Job ist so etwas wie die Erbschaft von meinem Vater – er war selber auch ein Fahrer. Busfahren ist eine gute Arbeit, ein Vorrecht sozusagen, und ich mag dabei natürlich auch das, was man verdient. Davon leben meine Frau, unsere drei Söhne sowie weitere Verwandte. Die negative Seite am Busfahren ist, dass ich oft unter Zeitdruck fahren muss, aber das gehört halt einfach dazu. Ansonsten bin ich einfach stolz darauf, mit meinem Bus unterwegs zu sein. Deshalb achte ich auch gerne darauf, dass er sauber bleibt und das Fahren den Gästen Freude macht. Als ich den Bus übernommen habe, hat er noch nicht ganz so ausgeschaut wie heute. Einige Teile habe ich umgestalten lassen. Das Fahren macht einfach viel mehr Spass, wenn deine Lieblingsfarben und –motive drauf sind. Ich finde der Maler hat ganze Arbeit geleistet. Trotzdem muss man da und dort immer wieder ein bisschen ausbessern, um ganz zufrieden zu sein. So wie heute in der Sonne sieht er aber perfekt aus – findest du nicht?«
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Ivan Esteban Murri llo
Übername: Alter: 16 Beruf: Busreiniger seit 2007 Arbeitszeit: 09:00 bis 13:00 Uhr
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Meine Arbeit ist simpel: Die Fahrer verlangen von mir bloss, dass ich den Bus sauber mache. Und das mache ich. Die bezahlen mir 20‘000 Pesos (ca. 11 CHF) für jedes Vehikel, das ich putze – meistens sind das zwei pro Tag, wenn ich das hinbekomme. Normalerweise gibt es pro Bus nur einen Busreiniger. Mein Vorteil ist, dass ich jung und schnell bin. So verdiene ich manchmal mehr als andere Busreiniger. An meinen Job bin ich glücklicherweise über einen Bekannten gekommen. Mit dem Lohn kann ich einerseits meine Mutter unterstützen und andererseits für ein Motorrad sparen. Wahrscheinlich werde ich aber keine Zeit haben, es so oft zu waschen, wie die Busse.«
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Mario Isasa
Übername: - 5 Alter: 5 er seit 1981 Beruf: Busfahr s 15:00 Uhr :00 bi A rbeitszeit: 06
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Ich bin ein alter Hase im Geschäft und habe bereits eine lange Karriere hinter mir. Vor vielen Jahren startete ich als Assistent – ich kann mich schon fast gar nicht mehr daran erinnern. Jetzt fahre ich leidenschaftlich gerne Bus. Es ist ein guter Job und ich mag einfach alles daran Bezahlt werde ich wöchentlich. Natürlich nicht nur fürs Fahren, sondern mindestens ebenso fürs Anhalten. An einem normalen Tag mache ich so an die 100 Stopps. Wenn du schon so lange dabei bist wie ich, dann weisst du was es heisst, zufrieden zu sein. Ich bin dankbar, dass ich eine Arbeit habe. Die Stadt unternimmt heute mehr, um Arbeitsplätze zu schaffen. Viele Junge haben aber immer noch nichts und gerade für sie ist es wichtig, wenn sie eine Zukunft haben wollen. Es kann sich jeder glücklich schätzen, wenn er arbeiten kann. Bei mir kommt noch hinzu, dass ich mir keinen anderen Beruf vorstellen kann, weshalb ich doppelt glücklich bin«
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Luis Alfonso Ho
Übername: Alter: 25 it 2004 Beruf: Busfahrer se Arbeitszeit:
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Ich begann als Taxichauffeur, habs bis zum Lastwagenfahrer gebracht und bin schliesslich beim Busfahren gelandet. Zurzeit fahre ich einen Überlandbus. Das heisst, ich bediene mit meinem Bus die Strecke Medellin-Bogotá. In einem solchen Bus gibt es mehr Komfort als in den Stadtbussen. So hat es zum Beispiel eine Toilette, einen Kühlschrank und weitere Ausstattungen, welche die lange Fahrt angenehmer machen. Mein Traum ist es, mit einer Chiva, einem alten, traditionell bemalten Bus, Personen zu transportieren. Einen eigenen werde ich mir jedoch nie leisten können. Mein Lohn, der zum Glück fix ist, reicht gerade mal knapp für meine Frau und unsere Tochter. Bei mir fährt übrigens kein Busreiniger mit. Für das Säubern des Busses bin ich selber verantwortlich. Das gibt einiges zu tun, schliesslich wird so ein Überlandbus während der längeren Reisen auf den Landstrassen dreckiger als die Busse hier in der Stadt. Das Putzen gehört aber einfach dazu und ist Ehrensache. Die Verzierungen aussen macht mein Boss und die sollte doch jeder sehen können.«
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Gonzalo Lopez
Übername: - 6 Alter: 4 enmaler Beruf: Schrift terschiedlich hr un Arbeitszeit: se
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Wie viel ich genau verdiene, hängt natürlich davon ab, ob ich bloss einzelne Beschriftungen machen muss, oder gleich einen ganzen Bus gestalte. Ausserdem kommt es auf die Grösse der Buchstaben sowie das Ausmass der Gestaltung an. Die komplette Bemalung eines Busses würde in etwa 700‘000 Pesos (ca. 390 CHF) kosten. Spannend ist, dass es normalerweise die Busfahrer sind, die eine Gestaltung wollen. Den Besitzern ist es nur wichtig, dass der Name ihrer Firma drauf steht. Ich liebe meine Arbeit und bin Gott so dankbar dafür, dass er mir meine Fähigkeiten geschenkt hat. Ihm zuliebe möchte ich das, was ich mache, auch wirklich exzellent machen. Kreativ sein ist so etwas Geniales und man kann seine Werke – einmal gemacht – immer wieder anschauen. Reparaturen und Ausbesserungen hingegen erledige ich gar nicht gerne, sie fallen jedoch ständig wieder an. Als Künstler sind mir da neue Herausforderungen viel lieber! Gott sei Dank kann ich an der frischen Luft arbeiten und muss nicht den ganzen Tag an einem langweiligen Computer sitzen!«
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Carlos Humbe
Übername: - 8 2007 Alter: 1 Assistent seit rle ma en ft ri Beruf: Sch ich hr unterschiedl Arbeitszeit: se
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Als Assistent bin ich sozusagen der Handlanger des Schriftenmalers. Die Besitzer eines Busses verlangen von uns Beschriftungen, die aussagen, welche Route der Bus fährt und wem er gehört – also welcher Busgesellschaft. Die Fahrer haben dagegen ganz andere Vorlieben. Ihnen ist es sehr wichtig, dass der Bus möglichst originell aussieht. Deshalb wollen sie Ornamente, Muster oder Figuren, die auch eine persönliche Botschaft enthalten. Möglichst auffällig sollte es sein – das mögen die Fahrer am liebsten! Diese Aufträge erledige ich sehr gerne. Das einzige Unangenehme am Job ist es, wenn jemand etwas möglichst schnell erledigt haben möchte und wir deswegen unter Zeitdruck arbeiten müssen. Meinem Chef ist es dabei sogar einmal passiert, dass ein Fahrer derart unter Zeitdruck war, dass er einfach wegfuhr – mein Boss war gerade dabei, die Dekoration auf der Seite des Busses anzubringen und stand noch immer auf der Leiter! Sein Gesicht in diesem Moment werde ich nie mehr vergessen. Zum Glück ist ihm nichts passiert. Ansonsten ist der Job relaxed.«
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ofer Páramo
Übername: Alter: 34 Beruf: Wachman n Arbeitszeit: 06 :30 bis 19:30 Uhr
* * * * * * * * * * * * * * * * * »Die letzten sechs Jahre habe ich nun als Wachmann gearbeitet. Mit den Fahrern komme ich generell gut aus. Manchmal gibt es Probleme, weil einige die Regeln des Busbahnhofs missachten oder einzelne Fahrer und ihre Assistenten die Leute auf aggressive Art und Weise zum Kauf von Tickets bewegen wollen. ›El Playeo‹ nennt man das laute Ausrufen der Route. Wir fordern die Schreier dann auf, leiser zu sein. ›El Revoleto‹ nennt man es, wenn jemand auf unkonventionelle Art und Weise nach Passagieren Ausschau hält. Was man dabei darf und was nicht, ist grundsätzlich in einem Handbuch geregelt. Das ist wichtig, damit man miteinander aus- und aneinander vorbeikommt. Manchmal werden Busfahrer wegen dem Handbuch richtig wütend. Aber diese Regeln wurden ja nur aufgestellt, weil es ohne Richtlinien zu Unordnung kommt. Das Bus-Terminal gibt das Handbuch heraus und so ist eigentlich alles sauber geregelt. Soweit ich das von aussen her beurteilen kann, ist das Leben eines Busfahrers extrem anstrengend. Wenn die von einem Trip zurückkommen, müssen sie gleich wieder zum nächsten aufbrechen. Da bin ich lieber Wachmann und schaue zu, dass die Regeln eingehalten werden.«
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TRANSIT MEDELLIN ... erz채hlt hautnah aus dem Alltag rund um die farbenfrohen Busse in Medellin, Kolumbien. Tauchen Sie ein und lassen Sie sich anstecken von den faszinierenden Bildern und der Hoffnung, die dem harten Leben in der 2-Millionen-Metropole trotzt.