Umbau statt Abbau – Erfolgsfaktoren für nachhaltige Krisenbewältigung

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UMBAU STATT ABBAU ERFOLgSFAKTOREN FÜR NACHHALTIGE KRISENBEWÄLTIGUNG


91%

aller Studienteilnehmer rechnen im Fall einer erneuten Konjunkturkrise mit einem schärferen Verlauf als 2008/2009. Dafür spricht aus ihrer Sicht vor allem, dass die Verfügbarkeit von Krediten reduziert ist, die Auslandsmärkte, allen voran die BRIC-Staaten, weniger Ausgleich bieten, die Kostensenkungspotenziale in den Unternehmen ausgeschöpft sind und die Regierungen kaum noch helfen können. Seite 10: Die Berg- und Talfahrt geht weiter

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editorial

Liebe Leserinnen und Leser, die meisten deutschen Unternehmen haben die historische Krise von 2008/2009 erfolgreich gemeistert und konnten in den letzten Jahren hohe Wachstumsraten sowie eine gute Profitabilität erreichen. Dennoch stehen ­ sie aktuell wieder vor großen Herausforderungen. Die Unsicherheit über die weitere konjunkturelle Entwicklung wächst, Märkte verschieben sich und die Wettbewerbsintensität nimmt zu. Zugleich führen die anhaltende Finanzmarktkrise und neue Regularien wie Basel III dazu, dass die Anforderungen für den Zugang zu Kapital immer höher ­werden – insbesondere für Unternehmen mit schlechten Geschäftszahlen, einem schwierigen Marktumfeld oder einem risikobehafteten Geschäfts­modell. Was müssen Unternehmen jetzt tun, um eine drohende Krise zu vermeiden? Und wie kann dabei das Vertrauen ihrer Kapitalgeber sichergestellt werden?

DR. LUTz JÄDe Lutz.Jaede@oliverwyman.com +49 89 939 49 440

Als weltweit tätige Managementberatung ist Oliver Wyman ständig ­in ­Kon­takt mit Unternehmern und ihren Kapitalgebern. Wir helfen ­Unter­nehmen nicht nur bei der Krisenbewältigung durch Kostensenkung und Restrukturierung, sondern unterstützen sie mit unserem Industrie- ­und Methodenwissen auch bei der langfristigen und nachhaltigen Wertsteigerung. Gleichzeitig beraten wir ihre Kapitalgeber bei der Bewertung von Unternehmen sowie der Validierung von Sanierungskonzepten ­und agieren damit oft als Vermittler zwischen Unternehmens- und Finanzierungsseite. Mit der vorliegenden Studie integrieren wir die Sichtweisen beider Seiten zu möglichen Krisenursachen und leiten Erfolgsfaktoren für die nachhaltige Krisenbewältigung ab. Unser wichtigster Input war die Einschätzung von Topentscheidern in Unternehmen und bei Kapitalgebern, die wir durch Analysen, Meinungen und Schlussfolgerungen ergänzt haben, um konkrete Anregungen zur erfolgreichen Krisenbewältigung zu liefern. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre. Ihr

Lutz Jäde 3


INhalt

MAnagement summary 06 neue wege gehen

Anforderungen von Kapitalgebern nehmen zu. Strategie und Geschäftsmodell von Unternehmen werden für die Kreditwürdigkeit immer wichtiger. Klassische Sanierungs­instrumente reichen im Krisenfall nicht länger aus.

studie

10 die Berg- und Talfahrt geht weiter

Zyklische Schwankungen werden weiter anhalten und in Zukunft verschärfter wirken. Markt und Wettbewerb bringen große Herausforderungen. Der Refinanzierungsbedarf steigt.

16 Der Weg wird steiler

4

Kapitalgeber werden risikobewusster und anspruchsvoller. Eine überzeugende Strategie und ein belastbares Geschäftsmodell sind entscheidend für den Zugang zu Kapital.


20 die richtige route finden

Krisenvermeidung ist besser als Krisenbewältigung. Kurzfristmaßnahmen allein reichen nicht mehr aus. Zukunftsorientierung ist ein Muss.

24 sicherheit durch kompetente partner

Krisenmanagement wird anspruchsvoller und vielfältiger. Das Anforderungsprofil an Sanierungsberater verändert sich.

27 Fazit: agieren, nicht reagieren

Frühes, umfassendes und proaktives Handeln ist notwendig.

Handlungsempfehlungen

28 für unternehmen und kapitalgeber

Ihre ansprechpartner 30 restrukturierung mit Oliver Wyman

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management summary

neue wege gehen positive stimmung trotz erster krisensignale Die anhaltende unsichere Konjunkturentwicklung sowie die Veränderungen im Markt- und Wettbewerbsumfeld erhöhen die Gefahr von Unternehmens­ krisen in immer geringeren Abständen. Doch seit der guten Erholung nach den Krisenjahren 2008/2009 blicken die meisten deutschen Unternehmen zu­­versichtlich in die Zukunft. Zwar wird im Fall einer neuen wirtschaftlichen Flaute ein verschärfter Verlauf erwartet, zugleich aber werden Markt- und Wettbewerbsverschiebungen oftmals als Chance gesehen.

Anforderungen der kapitalgeber steigen Bei vielen Unternehmen ist in den kommenden Jahren mit einem signifikanten Kapitalbedarf zu rechnen. Unternehmensfinanzierungen folgen künftig allerdings anderen Gesetzen. Banken sind sensibler für Risiken geworden und haben die Messlatte für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen höher gelegt. Im Fokus stehen vor allem strategische Kriterien wie Markt- und Wettbewerbstrends, eine gute Positionierung im Wettbewerb und das richtige Geschäftsmodell. Kapital bleibt weiterhin verfügbar. Doch gerade an Unternehmen mit schlechten Geschäftsaussichten steigen die Anforderungen von Banken und anderen Finanzierern. Darüber hinaus wird Basel III zu einem Anstieg der Kapitalkosten und zur Bindung von Sicherheiten bei Unternehmen führen. Gleichwohl wird der Kreis der Finanzierungsparteien größer. Neben den klassischen Geschäftsbanken gewinnen institutionelle Investoren an Bedeutung. Dazu gehören Versicherungen, Beteiligungsgesellschaften oder Hedge Fonds, die in Minderheitsanteile, Nachrangkapital oder Anleihen von Unternehmen investieren. Die Kreditvergabe hängt indes auch hier von einer intensiven Prüfung seitens der Kapitalgeber ab.

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management summary

Unternehmenstyp In % aller Teilnehmer

Unternehmensleitung 35%

Schwerpunktbranche In % aller Teilnehmer

Aufsichtsrat oder Beirat 3%

Maschinenund Anlagenbau 14%

Automobil 21%

Andere 4% Renewables 7% Telco, Medien und IT 4%

Andere 4%

Elektronik 3%

Kreditversicherer 4%

Prozessindustrie 3% Transport und Logistik 3%

Finanzinvestor 6%

Unternehmen: Kapitalgeber:

Bank 45%

Keine Schwerpunktbranche 36%

Einzelhandel und Konsumgüter 3% Andere 6%

45 (41%) 64 (59%)

Quelle: Oliver Wyman-Studie „Umbau statt Abbau“

Wegen der nachrangigen Position – aber auch wegen der oft als Option eingeplanten Übernahme von Eigenkapital in einem späteren Schritt – legt dieser Typ von Investor bei der Kreditanalyse hohen Wert auf die Analyse des Markt- und Wettbewerbsumfelds sowie das Vorhandensein einer schlüssigen Strategie und eines erfolgversprechenden Geschäftsmodells. Liegen diese nicht vor, steigen die Kapitalkosten oder die geforderten Sicherheiten exponenziell an. Insbesondere Unternehmen mit Kapitalbedarf stehen daher in der Pflicht, Strategien zu entwickeln, mit denen sich Risiken vermeiden und Chancen im spezifischen Marktumfeld nutzen lassen. Diese gilt es den Kapitalgebern offen und schlüssig zu kommunizieren.

umfassendes und zukunftsorientiertes vorgehen Vor diesem Hintergrund reichen die klassischen Sanierungsinstrumente wie Personalabbau und Working-Capital-Optimierung nicht länger aus. Um in Zukunft früher, ganzheitlicher und proaktiver auf drohende Krisen reagieren zu können, sind Maßnahmenpläne für unterschiedliche Konjunkturszenarien vorzubereiten. Dabei gewinnen insbesondere Maßnahmen der strategischen und operativen Restrukturierung an Gewicht. Dies stellt aus Sicht der Studienteilnehmer neue Anforderungen an den Sanierungsberater. Zusätzlich zu Know-how in Kostensenkung und Finanzierung benötigt er tiefgehendes Branchenwissen sowie methodische Expertise in der Strategieentwicklung und operativen Optimierung. Nötig ist zudem die Fähigkeit, die Interessenlagen der Finanzparteien zu moderieren. Sowohl Unternehmer als auch Kapitalgeber halten den Einsatz eines Chief Restructuring Officer (CRO) für die erfolgreiche Umsetzung komplexer

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Eigentümerstruktur In % der befragten Unternehmen

Umsatzgröße In % der befragten Unternehmen, Umsatz 2011

100 Mio. € bis 500 Mio. € 47%

Familienunternehmen 38% Im Besitz verschiedener Gesellschafter 13%

Tochter­unternehmen eines Konzerns 7%

< 100 Mio. € 11% Im Besitz eines Finanzinvestors 13% Börsennotiertes Unternehmen 29%

> 2 Mrd. € 13%

500 Mio. € bis 2 Mrd. € 29%

Restrukturierungen für sinnvoll. Nach Meinung von 70 Prozent der Studien­teil­nehmer sollten jedoch CRO und Sanierungsberater nicht aus ein und demselben Unternehmen kommen, sondern als schlagkräftiges Team von unabhängigen Partnern fungieren. Für den Erfolg von nachhaltigen Restrukturierungen sind künftig mehrere Faktoren entscheidend: eine schlüssige Strategie und ein tragfähiges Geschäfts­modell, ein darauf klar abgestimmtes Finanzierungskonzept sowie gegebenenfalls eine externe Unterstützung, um die vielfältigen Kompetenzanforderungen abzudecken.

zur Studie: UMbau statt Abbau Für die Studie „Umbau statt Abbau – Erfolgsfaktoren für nachhaltige Krisenbewältigung“ wurden im ersten Halbjahr 2012 im deutsch­sprachigen Raum mehr als 100 Führungskräfte von Kapitalgebern und Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen sowie mit verschiedenen Eigentümerstrukturen befragt. Der Großteil der beteiligten Unter­nehmen stammt aus dem Mittelstand und war 2011 profitabel. Zusätzlich zu den Angaben der befragten Kapitalgeber und Unternehmen enthält die Studie Analysen und Meinungen von Oliver Wyman. Das vorliegende Dokument ist also nicht eine reine Datenerhebung, sondern liefert Anregungen für die nachhaltige Bewältigung von Unternehmenskrisen.

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STUDIE

die bergund talfahrt geht weiter positive grundstimmung

Schlüsselbranchen in Deutschland sind seit jeher Konjunkturzyklen unterworfen. Ihre Ausschläge aber werden immer stärker, synchroner und unvorhersehbarer. Unternehmen müssen sich also auf unterschied­ liche Szenarien einstellen.

Die meisten Branchen der deutschen Industrielandschaft haben sich über die Krisenjahre 2008/2009 hinweg gut entwickelt. Beim Umsatz wie bei der Profitabilität wurde das Vorkrisenniveau oftmals bereits 2010 wieder erreicht, teilweise sogar übertroffen. Einzelne Branchen wie der Maschinenbau haben unter der Krise allerdings stärker als andere gelitten. Der Grund: eine generelle Anfälligkeit dieser Branchen für Kon­junkturschwankungen aufgrund eines starken internationalen Wettbewerbs, der Kapital­intensität und eines hohen Fixkostenanteils. Auch die Entwicklung einzelner Unternehmen innerhalb einer Branche oder im internationalen Vergleich zeigt eine große Streubreite.

Konjunkturzyklen in Deutschland Umsatzveränderungen1 gegenüber Vorjahr in % 1

Zu jeweiligen Preisen / Quelle: Eurostat, Oliver Wyman-Analyse

Thomas Kautzsch

30 20 10

‘95

‘00

‘05

‘10

0 -10 -20

Elektronik Maschinenbau Metall

Chemie Automotive BIP

-30

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STUDIE Dennoch ist die Stimmung in der deutschen Industrie insgesamt gut. Dies gilt auch für die Zukunft. So bewerten etwa 80 Prozent der in der Studie befragten Unter­nehmen die nächsten Jahre grundsätzlich positiv – und dies sowohl in Bezug auf die Konjunktur als auch in Bezug auf die eigene Branche. Kapitalgeber sind dagegen verhaltener in ihrer Einschätzung.

Zyklische Schwankungen nehmen zu Tatsächlich muss hinsichtlich des künftigen Konjunktur­verlaufs berücksichtigt werden, dass die Volatilität von wichtigen Branchen in Deutschland in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Die zunehmende Globalisierung, aber auch die immer stärkere Vernetzung von Prozessen entlang der Lieferkette haben dazu beigetragen, dass zyk­lische Schwankungen immer größer geworden sind. Eine Diversifizierung in verschiedenen Branchen schützt damit nicht mehr automatisch vor konjunkturellen Krisen. Darüber hinaus zeigen wichtige Konjunkturindikatoren wie IFO-Geschäftsklima-Index, Industrieproduktion und Auftragseingang im verarbeitenden Gewerbe nach der Erholung der letzten Jahre derzeit wieder eine negative Tendenz.

Eurokrise erhöht Krisenpotenzial

Wird eine mögliche neue Konjunkturkrise schärfer ausfallen als 2008/2009? Anteil Nennungen in %

Ja 91%

Alle Unternehmen, vor allem aber diejenigen in konjunk­turanfälligen Branchen, sollten sich auf unterschiedliche Konjunkturszenarien vorbereiten. So betrachten fast 90 Prozent der befragten Unternehmen und Kapitalgeber die Eurokrise als Risiko für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland. Dabei befürchten sie vor allem die Ver­schiebung oder gar den Stopp von staatlichen Investitionen, den Rückgang des privaten Konsums oder innereuropäischer Exporte sowie eine geringere staatliche Unterstützung im Fall einer Konjunkturkrise. Ein möglicher Austritt einzelner Länder aus der Eurozone könnte ebenfalls ein Risiko sein. Die sich daran anschließende Abwertung der lokalen Währung wäre ein Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen. Allerdings könnte ein schwächerer Euro als Folge der Konjunkturkrise für stark exportorientierte Unternehmen auch von Vorteil sein. Mehr als 90 Prozent aller Studienteilnehmer rechnen im Fall einer erneuten Konjunkturkrise mit einem schärferen Verlauf als 2008/2009. Dafür spricht aus ihrer Sicht vor allem, dass die Verfügbarkeit von Krediten reduziert ist, die Auslandsmärkte, allen voran die BRICStaaten, weniger Ausgleich bieten, die Kostensenkungspotenziale in den Unter­neh­men ausgeschöpft sind und die Regierungen kaum noch helfen können.

Positive Impulse sind Mangelware

Nein 9%

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Tatsächlich sind von den wesentlichen Treibern, die für eine rasche Erholung aus der letzten Krise gesorgt haben, in Zukunft keine wesentlichen positiven Impulse mehr zu erwarten. Lieferten Staatshilfen und Konjunkturprogramme mit einem weltweiten Gesamtvolumen von zwei Billionen US-Dollar damals wertvolle Unterstützung, ist mit Hilfeleistungen in dieser Größenordnung künftig kaum zu rechnen, da die Haushalte durch die Schuldenkrise überlastet sind. Auch Zinsentwicklung, Wechselkurse, privater Konsum sowie die Konjunktur in den einst wachstumsstarken Schwellenländern werden keine nennenswerte Schubkraft mehr haben.


globale marktverschiebung

Insgesamt sind die deutschen Unter­nehmen gut aufgestellt. In jeder Branche gibt es Gewinner und Krisenkandidaten. Dies macht eine differenzierte Segmentanalyse und einen internationalen Wettbewerbs­vergleich notwendig. Dr. Joachim Krotz

Märkte und Wettbewerb unterliegen seit geraumer Zeit einem steten Wandel. Dies stellt viele Branchen vor große Herausforderungen. Dazu gehören zum Beispiel die erneuer­baren Energien, die derzeit mit massiven Marktverschiebungen und Überkapazitäten kämpfen, der Maschinenbau und die Automobilindustrie, die durch die zunehmende Globalisierung und die stärkere Vernetzung der Lieferketten zyklischer geworden sind oder auch der Einzelhandel, dem durch neue Kanäle wie dem Internet immer mehr Konkurrenz erwächst, während die Kosten im klassischen Ladengeschäft permanent steigen. Bei der Bewertung der aktuellen Marktveränderungen sieht sich die Mehrheit der befragten Unternehmen einem verstärkten Preisdruck ausgesetzt. Auch die geografische Verschiebung – vor allem nach China und in die Emerging Markets – ist für sie ein wichtiger Trend. Dagegen sind Verände­rungen im Produktangebot, sprich: neue Produkte und Technologien beziehungsweise die Standardisierung von bestehenden Produkten, nur für einen Teil der Unternehmen von Bedeutung. Bei Kunden und Vertriebskanälen sehen die meisten Studienteilnehmer keine wesentlichen Verschiebungen.

Neue Wettbewerbsfaktoren nutzen Um von den Marktverschiebungen profitieren zu können, sind die Steigerung der Produktivität, die Globalisierung der Wertschöpfungskette und Innovationsfähigkeit unverzichtbar. Gerade diese Faktoren ermöglichen es, den Marktzugang zu sichern, die richtigen Produkte anbieten zu können und preislich wettbewerbsfähig zu sein. Strukturelle Themen wie Low-CostStandorte beziehungsweise Geschäftsmodelle oder Skalen­effekte durch Größe haben im Vergleich eine geringere Bedeutung, da viele Unternehmen diese bereits geschaffen haben. Für die befragten Unternehmen hat eine stärkere Konkurrenz durch spezialisierte Wettbewerber kaum Relevanz.

Gute Positionierung Grundsätzlich begreifen etwa 60 Prozent der befragten Unternehmen die Veränderungen im Markt- und Wettbewerbsumfeld als Chance. Benchmarks im Rahmen der Studie zeigen, dass viele deutsche Unter­ nehmen im internationalen Vergleich hervorragend im Markt positioniert sind und über eine gute Kapitalausstattung verfügen. Somit sind sie in der Lage, von den Verschiebungen zu profitieren. Lediglich ein Drittel der Unternehmen fühlt sich von den Veränderungen bedroht. Insgesamt sind diese Ergebnisse Beleg dafür, dass gerade deutsche Unternehmen mit einem guten Verständnis für Trends im spezifischen Markt- und Wett­ bewerbsumfeld alle Möglichkeiten besitzen, um Risiken zu vermeiden und Chancen zu nutzen.

Hoher Refi nanzierungsbedarf Die Notwendigkeit der Refinanzierung nimmt zu. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen werden in den nächsten Jahren in dieser Hinsicht einen größeren Bedarf haben. In vielen Fällen geht es dabei um die Verlängerung oder Ablösung von klassischen Unternehmenskrediten. Besondere Bedeutung haben dabei hochverzinste Anleihen wie LBO-Kredite,

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STUDIE Mezzanine-Programme oder High Yield Bonds. In den nächsten drei Jahren werden in Deutschland fast 50 Milliarden Euro solcher Kredite fällig, oft bei Unter­nehmen im Besitz von Private-Equity-Gesellschaften, die den Unternehmenskauf mit LBO-Krediten finanziert und diese später durch High Yield Bonds ersetzt haben. Hochverzinste Anleihen werden in der Regel in größeren Paketen vergeben und sind nicht ohne Risiken. Die hohen Zinsen belasten die Liquidität insbesondere bei rückläufigem Geschäft. Auch lassen sich die Kredite aufgrund der heterogenen Gläubigerstruktur nur schwer restrukturieren, und wegen der Endfälligkeit entsteht ein punktueller, sehr hoher Finanzierungsbedarf, der vor allem bei Unternehmen in zyklischen Branchen zu einem existenziellen Problem werden kann.

ablösung durch ähnliche instrumente Wegen des Nachrangcharakters, der spezifischen Besicherungsstruktur und des geringen Mitspracherechts der Gläubiger erfordert die Ablösung dieser Kredite in der Regel ähnliche Finanzierungen wie Kapitalmarkt­ anleihen, Individual-Mezzanine oder Minderheitsbeteiligungen. Das Kapital dafür wird hauptsächlich von institutionellen Anlegern oder Beteiligungs­ gesellschaften bereitgestellt. Aufgrund des hohen Risikos und der geringen Einflussmöglichkeiten bei diesen Finanzierungs­formen, aber auch wegen der zumindest als Option einkalkulierten Übernahme der Kontrolle über das Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt („Loan to Own“-Strategie), betrachtet diese Art von Anlegern ihr Engagement oft wie ein Eigen­ kapitalinvestment. Daher prüfen sie vor einer Kreditvergabe besonders kritisch und oft mit ausgeprägtem Sachverstand Marktumfeld, Strategie und Geschäftsmodell des Unternehmens. Darüber hinaus werden sie während der Laufzeit des Investments hohe Anforderungen im Hinblick auf die Transparenz stellen und im Krisenfall intensiv auf das Unternehmen einwirken.

Fälligkeitsstruktur verschiedener Finanzierungen In Mrd. €, Deutschland 18,0

16,0

14,0 HY Bonds Mezzanine LBO

12,0

10,0

8,0

6,0

4,0

2,0

2012

14

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019


Der Kapitalmarkt für Unternehmensfinanzierung ist generell in Bewegung. Dies gilt für die Bandbreite der Finanzierungsoptionen wie für die Struktur der Kapitalgeber. Zwar bleiben klassische Finanzierungs­ instrumente wie Bar-Linien, Leasing, Kredite oder Avale für die befragten Unternehmen wichtig. Doch bestimmte Kreditformen wie Projekt­­­finan­zierungen, Kapitalmarktanleihen und Schuldscheindarlehen erhalten immer mehr Gewicht.

Anleihen si nd im kommen

Unternehmen stehen heute viele Finanzierungsformen offen. Doch Vorsicht ist geboten. Die alter­nativen Finanzierungs­instrumente eignen sich nicht für jedes Unternehmen und können im Fall einer Krise wie ein Brandbeschleuniger wirken. Dr. Markus Mentz

Gerade das Anleihesegment hat sich in Deutschland erst in den letzten 15 Jahren entwickelt. Im Vergleich zu Bankkrediten spielt es aber bislang nur eine untergeordnete Rolle. Der Anteil beträgt lediglich zwölf Prozent. Dadurch aber haben Anleihen für die Finanzierung in Deutschland großes Potenzial. Doch so attraktiv sie als alternative Finanzierungsquelle sind – die Anforderungen im Hinblick auf ein schlüssiges Geschäftsmodell, hohe Transparenz und Verlässlichkeit der Planung sowie intensive und proaktive Information der Investoren vor und nach Abschluss der Finanzierung sind hoch.

profis gewi nnen an gewicht Basel III und der veränderte Rechtsrahmen für Restruk­turierungen könnten das Engagement von institutionellen Investoren verstärken, da Banken ihre Risk Weighted Assets reduzieren, indem sie nicht-strategische Portfolien ab- und Investorenbeziehungen aufbauen. Gleichzeitig sind Versicherungen und andere institutionelle Investoren liquide, haben Renditedruck und suchen nach alternativen Anlagemöglichkeiten. Zudem ermöglicht das Schuld­verschreibungsgesetz die Restrukturierung von Anleihen auch ohne die Zustimmung aller Anleihegeber und das ESUG schafft für „aktive“ Gläubiger mehr Mitspracherecht sowie neue Möglichkeiten zur Wandlung von Fremd- in Eigenkapital. Deutschland wird als Markt für„aktive“ Investoren also attraktiver. Dementsprechend sammeln Finanzinvestoren mit Fokus auf „Distressed Assets“ derzeit massiv Mittel, um in europäische Unternehmen zu investieren, beispielsweise durch den Erwerb von Unternehmensanteilen oder das Aufkaufen von Krediten oder Anleihen.

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der weg wird steiler banken werden vorsichtiger

Banken werden sich weiterhin im Kreditgeschäft engagieren. Allerdings sind sie aufgrund der neuen Regularien zu einer risikobewussteren Kreditvergabe ge­zwungen. Finja Carolin Kütz

Die Bankenkrise hat Kapitalgeber sensibler für Risiken gemacht. Dies zeigt sich in ihrem Investitionsverhalten. So gibt es bei 64 Prozent der befragten Finanzierer anspruchsvollere Freigabeprozesse und bei 44 Prozent ist eine stärkere Besicherung von Krediten wichtig. Es hat aber auch einen Wandel bei der Art der Risikoanalyse gegeben. So investieren 54 Prozent der befragten Kapitalgeber mehr Zeit und Ressourcen in die Analyse des Marktumfelds und der Posi­tionierung von Unternehmen und 46 Prozent nehmen eine mehr zukunftsorientierte Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen vor. Eine Kreditklemme indes ist nicht sichtbar. Nur ein geringer Teil der befragten Kapitalgeber hat eine Reduzierung oder eine schnellere Beendigung von Investitionen beschlossen.

Kapitalkosten steigen Auch Basel III bleibt nicht ohne Auswirkung. Auf die Unternehmen kommen höhere Kapitalkosten zu, da Banken ihre Kredite künftig mit mehr und teurerem Eigenkapital hinterlegen. Dadurch steigen die „Herstellkosten“ der Kredite, die die Banken möglicherweise in Form von höheren Zinsen an die Unternehmen weitergeben. Gleichzeitig wird die Kapitalverfügbarkeit für Unternehmen belastet, da mehr Sicherheiten gebunden werden, was den Spielraum für andere Finanzierungen verringert. Knapp 40 Prozent der befragten Kapitalgeber wollen die Kreditvergabe an Unternehmen sogar generell reduzieren. Dies jedoch ließe sich durch neue Anbieter oder alternative Finanzierungsformen wie Anleihen ausgleichen.

Auswirkungen der Bankenkrise auf das Investitionsverhalten Anzahl Nennungen in % der befragten Kapitalgeber

Auswirkungen von Basel III auf die Kreditvergabe In % der befragten Kapitalgeber

Anspruchsvollere Freigabeprozesse

Erhöhung von Zinsen bzw. Anpassung von Konditionen 64

Intensivierung Markt-und Unternehmensanalyse

80 Stärkere Forderung von Eigenkapitalmaßnahmen im Unternehmen

54 Stärker zukunftsorientierte Bewertung

54 Forderung nach stärkerer Besicherung

46 Stärkere Besicherung von Krediten

53 Erhöhte Anforderungen im Hinblick auf Transparenz

44 Intensivierung der Kommunikation mit den Unternehmen

42 Anspruchsvollere Freigabeprozesse für Kredite 42

34 Steigende Zahl von Investments bzw. Finanzierungen mit Partnern

Häufigere Konsortialfinanzierung / Club Deals

33 Anspruchsvollere Covenants (FK) bzw. Vorgaben an das Management

41 Reduktion Kreditvergabe an Unternehmen

31 Genereller Rückgang der Investments bzw. Kreditvergaben

39 Restriktivere Covenants

15 Schnellere Beendigung von Investments/Engagements 15

32 Keine Auswirkung 2

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STUDIE

schwache unternehmen leiden besonders Insbesondere Unternehmen mit schlechter Bonität, einem risiko­haltigen Marktumfeld und einem wenig schlüssigen Geschäftsmodell werden unter den Folgen von Basel III leiden, denn sie schneiden im zukunfts­orientierteren internen Rating der Banken schlechter ab. Dies könnte zu Liquiditätsproblemen führen. Die höheren Kapitalkosten belasten den Cashflow, der Zugang zu Kapital wird schwieriger und die Kapazität für neue Kredite sinkt.Basel III erhöht somit die Notwendigkeit, durch eine geeignete Kommunikation das Vertrauen der Kapitalgeber sicherzustellen. Auch wenn die Kapitalgeber die Messlatte für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen höher gelegt haben – Kapital bleibt weiterhin verfügbar. Allerdings sind die Anforderungen an die Bereitstellung von Kapital noch stärker als in der Vergangenheit von der Meinung der Kapitalgeber über die Geschäftsaussichten des Unternehmens abhängig. So bestätigen 90 Prozent der befragten Kapitalgeber, dass sie an Unternehmen mit schlechten Aussichten höhere Anforderungen als in der Vergangenheit stellen, während dies bei Unternehmen mit guten Aussichten nur bei 47 Prozent der Kapitalgeber der Fall ist.

Anforderungen der Kapitalgeber Anzahl Nennungen in % der befragten Kapitalgeber

An Unternehmen mit guten Aussichten

AN Unternehmen mit schlechten Aussichten

Höher 47%

Höher 90%

Geringer 7%

Unverändert 46%

18

Unverändert 10%


Neue Bewertungskriterien Interessant sind dabei die Kriterien, die Kapitalgeber für die Bewertung der Geschäftsaussichten von Unternehmen ansetzen. Klassische Faktoren wie aktuelle oder historische Finanzdaten, Transparenz und Vertrauen in die Gesellschafter spielen zwar auch weiterhin eine wichtige Rolle. Doch bei mehr als 70 Prozent der befragten Kapitalgeber haben die Finanzplanung für die nächsten Jahre sowie Strategie und Geschäftsmodell der Unternehmen im Markt- und Wettbewerbsumfeld die höchste Bedeutung.

Offener Dialog Damit sind die Kriterien für die Bereitstellung von Kapital größtenteils zukunftsorientiert und basieren nicht allein auf Finanzdaten. In der Folge müssen Unternehmen Strategien zur Vermeidung von Risiken und zur Nutzung von Chancen in ihrem spezifischen Marktumfeld entwickeln sowie diese den Kapitalgebern offen und schlüssig kommunizieren. Allerdings ist die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kapital­ gebern vielfach stark verbesserungswürdig. Historisch bedingt sehen Unternehmen Banken und andere Geldgeber nicht als ihren strategischen Partner an. Entsprechend messen sie Industrieverständnis und Interesse für Strategien im Dialog mit Finanzierern deutlich weniger Bedeutung bei als Kapitalgeber. Gleichzeitig bemängeln sie auch deren Qualität auf diesen Gebieten.

Kriterien zur Bewertung der Aussichten eines Unternehmens bei Kredit-/Investmententscheidungen Anzahl Nennungen in % der befragten Kapitalgeber Finanzplanung für die nächsten Jahre 2 25

74

Strategie und Geschäftsmodell 5 22

72

Finanzdaten im aktuellen Geschäftsjahr 2

31

67

Marktumfeld und Wettbewerbsposition 9

24

67

Vertrauen zum Management 2

9

22

67

Finanzdaten aus Vergangenheit 47

17

36

Transparenz im Unternehmen 2

14

51

33

Vertrauen zu Gesellschaftern 4

21

48

27

Andere 50 1 – ohne Bedeutung

2

3

50 4 – sehr wichtig

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die richtige route finden Ganzhe itliche Risikoanalyse Bedingt durch das spezifische Markt- und Wett­bewerb­s­umfeld werden sich die Veränderungen in einzelnen Branchen sehr unterschiedlich auswirken. Auch kann die Entwicklung von Unternehmen innerhalb eines Industrie­segments deutlich variieren. Deshalb darf die Betrachtung von Unternehmensrisiken keinesfalls aus reiner Branchensicht erfolgen. Für die Beurteilung des Krisenpotenzials eines Unter­nehmens ist eine gestufte Sichtweise notwendig. Analysiert werden müssen makro­ökono­mische Risiken wie Anfälligkeit für Konjunkturschwankungen und Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung der jeweiligen Branche, Marktund Wettbewerbsrisiken, sprich: der Grad der Herausforderungen durch Veränderungen innerhalb der Branche, sowie Unternehmensrisiken. Dabei sind die exogenen Krisentreiber im spezifischen Marktumfeld mit der Krisenresistenz des einzelnen Unternehmens zu vergleichen. Die Krisentreiber lassen sich anhand verschiedener Kriterien wie Volumen-/Wertverlust, Preisdruck oder Wettbewerbsintensität und Finanz­kennzahlen bewerten. Die Beurteilung der Krisenresistenz wiederum basiert auf der Strategie, der operativen Performance sowie finanziellen Kennzahlen.

Pauschali erung unzulässig Die Vielfalt der Einflussfaktoren, aber auch die Tatsache, dass es innerhalb jeder Branche Unternehmen mit hohem und geringem Krisenpotenzial gibt, macht die pauschale Bewertung einer Branche hinfällig. Das jeweilige Krisen­potenzial ist unternehmensspezifisch und zukunfts­orientiert zu beurteilen.

Heatmap zur Bewertung des Krisenpotenzials verschiedener Unternehmen

Krisentreiber (exogen) Volumen-/Wertverlust, Preisdruck, Wettbewerbsintensität etc.

Hoch

Unternehmen 1

Unternehmen 3 Unternehmen 4

Mittel

Maßnahmenprogramm zur Krisenvermeidung oder -bewältigung notwendig

Unternehmen 2

Unternehmen 5 Gering

Hohes Krisenpotenzial Mittleres Krisenpotenzial Geringes Krisenpotenzial

Unternehmen 6

Hoch

Mittel

Gering

Krisenresistenz (endogen) Leistungsfähigkeit, Flexibilität, finanzielle Stabilität etc.

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STUDIE Für den Ernstfall gewappnet sein Krisenvermeidung ist besser als Krisenbewältigung. Dies stellt Unternehmen gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten vor besondere Herausforderungen. Die Einschätzung der befragten Unternehmen zum Konjunkturverlauf ist stark uneinheitlich. Knapp 30 Prozent erwarten keine Krise. Mit einer Konjunkturkrise, der eine schnelle Erholung folgt, rechnen fast 40 Prozent. Mehr als 30 Prozent gehen von einer Krise mit langsamer Erholung aus. Auffällig ist dabei die Korrelation zwischen der Konjunkturerwartung und den für 2012 geplanten Maßnahmen. Bei Unternehmen, die mit einer länger andauernden Krise in den nächsten Jahren rechnen, stehen vor­beugende Maßnahmen wie Effizienzsteigerung, Strukturverände­rungen und Absicherung der Finanzierung stark im Fokus. Unternehmen, die nicht von einer Krise ausgehen, investieren hingegen viel stärker in die Erschließung neuer Märkte und planen Mergers & Acquisitions. Die dafür eingesetzten Investitionsmittel könnten bei einer unerwartet auftretenden Krise jedoch die Liquidität dieser Unter­nehmen belasten. Angesichts der unklaren Konjunkturentwicklung scheinen ausgewo­genere Maßnahmenpläne notwendig zu sein, um sich auf eine eventuell eintretende Krise vorzubereiten, ohne dabei die Investitionen in weiteres Wachstum zu unterlassen. Für die Vorbereitung solcher flexiblen Maßnahmenpläne sind geeignete Planungstools unverzichtbar. Tatsächlich verfügen Unternehmen über eine Vielzahl von Finanz- und Controlling-Tools, die der Unternehmenssteuerung dienen und

Ergriffene und geplante Maßnahmen zur Krisenbewältigung Anzahl Nennungen mit „wichtig“ oder „sehr wichtig“ in % der befragten Unternehmen Strategische Restrukturierung

Operative Restrukturierung

Kurzfristiger Turnaround

Strategische Neuausrichtung 34 45

Umorganisation

Kapazitive Personalanpassung

Partnerschaft/M&A

Kapazitätsreduktion

60

35 33

19

67 Anpassung Arbeitstzeitmodelle

36 33

84 83

21 Produktionsverlagerung

Aufgabe Geschäftsfelder 21 19

Abbau Leiharbeiter

9

63 63

24

Verkauf von Unternehmensteilen 13 10

Standortkonsolidierung

Working-Capital-Reduktion

33

74 76

26 Prozessoptimierung

Portfoliooptimierung 41

68 64

86 Produktkostensenkung 48 69 Einkaufsoptimierung 70 76 Senkung Overhead-Kosten 75 62

Zur Überwindung der letzten Krise

22

Zur Bewältigung einer erneuten Krise


Transparenz schaffen. Das wichtige Instrument der Szenarioanalysen aber wird bislang überraschend wenig genutzt. Es kommt bei weniger als 50 Prozent der befragten Unternehmen zum Einsatz. Hier besteht eindeutig Nachholbedarf.

Unternehmen müssen künftig früher, ganz­heit­ licher und proaktiver auf Krisen reagieren. Das Standardprogramm der Restrukturierung stößt an seine Grenzen. Benötigt wird ein individuelles, schlüssiges und zukunftsgerichtetes Sanierungskonzept. Helmut Lodzik

Die Bewältigung einer Krise sollte möglichst frühzeitig beginnen, da zu diesem Zeitpunkt dem Unternehmensmanagement noch der größte Handlungsspielraum bleibt, um strategische und operative Restrukturierungsmaßnahmen in Kombination mit kurzfristig angelegten Maßnahmen anzugehen. Dabei haben sich aus Sicht der befragten Unternehmen und Kapitalgeber die Schwerpunkte aber deutlich verschoben.

KurzfristmaSSnahmen reichen nicht aus Um die nächste Krise dauerhaft zu meistern, bleiben die Standardinstrumente für einen kurzfristigen Turnaround wie Personalabbau, Reduzierung von Working Capital oder Anpassung der Arbeitszeitmodelle weiterhin wichtig – doch allein mit solchen Kurzfristmaßnahmen ist aus Sicht der Studienteilnehmer eine nachhaltige Sanierung nicht möglich. Während bei der letzten Krise überwiegend auf kurzfristige Maßnahmen zur Kostensenkung gesetzt wurde, werden in einer möglichen neuen Krise nachhaltig wirksame Maßnah­ men ein deutlich höheres Gewicht haben. So halten 45 Prozent der befragten Unternehmen eine strategische Neuausrichtung und 64 Prozent eine Portfoliooptimierung für deutlich wichtiger als bei der Überwindung der letzten Krise. Bei der operativen Restrukturierung ist vor allem die Bedeutung von Produk­tionsverlagerung, Prozessoptimierung und Produktkostensenkung gestiegen. Dies unterstreichen die Faktoren, die bei der Erstellung von Sanierungs­konzepten eine besondere Rolle spielen. Ein ganzheitliches Maß­ nahmenprogramm rund um Strategie, Operations und Finanzierung halten 84 Prozent der befragten Unternehmen und 92 Prozent der Kapital­geber für wichtig. Zugleich haben schlüssige Strategien und Geschäftsmodelle auf Basis von Markt- und Wettbe­werbs­analysen hohes Gewicht. Analog zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit messen Kapitalgeber also auch beim Sanierungskonzept zukunftsorientierten Inhalten größte Bedeutung bei.

Wichtigste Faktoren für ein Sanierungskonzept Anzahl Nennungen in % der befragten Unternehmen und Kapitalgeber Schlüssige Strategie und Geschäftsmodell auf Basis von Markt- und Wettbewerbsanalysen

Verständnis der Unternehmensstruktur (Gesellschaften) und historischer Finanzdaten 93

86

26 7

Ganzheitliches Maßnahmenprogramm (Strategie, Operations, Finanzierung)

Möglichst detaillierte Dokumentation des Sanierungskonzepts 84

5 92

Integrierte Finanzplanung mit klaren Aussagen zum „Worst Case“ und „Best Case“ 84 85

Unternehmer

19 Innovative Finanzierungsvorschläge als Alternative zu Vorschlägen der Eigenkapital- und Fremdkapitalgeber 7 7

Kapitalgeber

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sicherheit durch kompetente partner breitere Kompetenzanforderungen Krisenbewältigung bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe. Rund 35 Prozent der befragten Unternehmen glauben sogar, dass eine neue Krise schwerer zu meistern ist als 2009. Als besondere Herausforderungen werden der stärkere Wettbewerb, das schwierigere Marktumfeld sowie die geringere Kapitalverfügbarkeit gesehen. Zugleich steigt die Komplexität der Prozesse für die erfolgreiche Bewältigung einer Krise, da immer mehr Kompetenz in unterschiedlichen Bereichen erforderlich ist. So sind Wissen über Marktund Wettbewerbstrends und geeignete Strategien heute genauso nötig wie Reaktionsfähigkeit und effektive Führung sowie die Sicherung des finanziellen Spielraums und des Vertrauens der Kapitalgeber. Essenziell sind zudem Kommunikation und Moderation der Interessenlagen der Finanzierungsparteien.

Das Profil des Sanierungsberaters ändert sich deutlich. Neben den „Grundfertigkeiten“ der Sanierung sind mittlerweile fundiertes Marktwissen, eine breite Methoden­ kompetenz sowie Teamfähigkeit und Kommunikations­geschick gefordert. Dr. Lutz Jäde

Industriewissen unentbehrlich Dies stellt aus Sicht der Studienteilnehmer auch den Sanierungsberater vor neue Herausforderungen. Angesichts der Bedeutung langfristig wirksamer Maßnahmen im Sanierungskonzept, die früh adressiert werden müssen, erwarten Unternehmen und Kapitalgeber von ihm vor allem Industriewissen, Methodenkompetenz sowohl hinsichtlich Strategien und

Wichtige Beiträge eines Sanierungsberaters Anzahl Nennungen in % der befragten Unternehmen und Kapitalgeber Rechtsberatung 10

Industrieexpertise (Markt- und Wettbewerbstrends) 55 75

17

Methodenkompetenz bei Strategie und Geschäftsmodell 48 54

Abschlussprüfung 2 7

Methodenkompetenz operative Optimierung

Change Management 55

43 70

29

Projektmanagement und Projektreporting (PMO) 26 37

Kommunikation (intern und extern) 33

Erstellung von IDW/BGH Gutachten

Management Assessment 10 7

44

7 44 Bewertung von Finanzierungskonzepten 36 46

Verhandlungsführung mit externen Stakeholdern 17 44

Entwicklung eigener Finanzierungsvorschläge 21 17 Unternehmen

Kapitalgeber

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STUDIE

Geschäftsmodell als auch operativer Optimierung sowie Kommunikationsfähigkeit gegenüber verschiedenen Stakeholdern. Klassische Fähigkeiten wie Projektmanagement, Erstellung von IDW-Gutachten oder Bewertung von Finanzierungskon­zepten sind auch weiterhin von Belang, haben aber für die befragten Unternehmen und Kapitalgeber im Vergleich eine etwas geringere Priorität.

Flexibilität gehört dazu

Sollte die Restrukturierung durch ein dediziertes Mitglied der Geschäftsleitung (CRO) geführt werden? Anzahl Nennungen in %

9

Nein

28

Ja, in beratender Funktion Ja, mit Organfunktion

16

cro ist standard geworden

18

55

76

Unternehmen

Kapitalgeber

Sollte der CRO aus dem gleichen Unternehmen wie der Sanierungsberater kommen? Anzahl Nennungen in %

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Der Sanierungsberater hat damit eine große Bandbreite an Leistungen zu beherrschen. Darüber hinaus muss er in der Lage sein, diese flexibel auf die jeweilige Fallsituation anzupassen. Insbesondere aus Sicht der Kapitalgeber gehört dazu auch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Beratern bei Themen wie Finanzierung, Rechtsberatung oder Prüfungen – und dies in koordinierender Funktion. Es gilt, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und den Prozess der Lösungsfindung zu moderieren. Die Restrukturierung von Unternehmen wird immer vielfältiger, komplexer und schwieriger. Um erfolgreich zu sein, sind neben Industrieexpertise und Methoden­ wissen natürlich auch Umsetzungsfähigkeit und Führungsstärke wichtig, die oft durch einen dedizierten Chief Restructuring Officer (CRO) eingebracht werden.

Ja

28

30

Nein

72

70

Unternehmen

Kapitalgeber

Die Rolle des CRO ist mittlerweile breit akzeptiert. In vielen Unternehmen hat das Management keine Erfahrung mit Sanierungen. Entsprechend wichtig ist ein sanierungserprobter Manager, der das Unternehmen durch diese Phase begleitet. Dieser kommt in der Regel von außen und hat die Aufgabe, die Realisierung der Sanierungsmaßnahmen zu steuern und zu reporten. In vielen Fällen erhält der CRO darüber hinaus eine Geschäfts­ leitungsfunktion. Im Idealfall arbeiten Sanierungsberater und CRO eng zusammen. Der Sanierungsberater stärkt dem CRO methodisch-analytisch den Rücken. Der CRO wiederum validiert die vom Sanierungsberater vorgeschlagenen Maßnahmen und steuert ihre Umsetzung.

Unabhängigkeit ist wichtig Unabhängigkeit ist dabei oberstes Gebot. Etwa 70 Prozent der befragten Unternehmen und Kapitalgeber halten es für wichtig, dass Sanierungs­ berater und Restrukturierungsmanager nicht aus ein und demselben Unternehmen kommen. Sonst ist der Interessen­konflikt vorprogrammiert und das Vier-Augen-Prinzip hat keine Gültigkeit mehr. Versierte Sanierungsberater verfügen jedoch über ein Netzwerk unab­hängiger CROs mit spezifischer Branchenkompetenz und lang­jähriger Sanierungserfahrung, die sie auf Wunsch dem Restrukturierungsprozess beistellen können.


Fazit: Agieren, nicht reagieren Die historische Konjunkturkrise 2008/2009 haben die meisten Unternehmen in Deutschland gut überwunden. Seither sind sie wieder gewachsen und konnten größtenteils ihre Profitabilität verbessern. Die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit fordert aber die Vorbereitung auf verschiedene Konjunkturszenarien. Auch ist bei einer neuen Krise mit einem verschärften Verlauf zu rechnen. Dabei werden die Aus­wirkungen auf einzelne Unternehmen bedingt durch das spezifische Markt- und Wettbewerbsumfeld sehr unterschiedlich ausfallen. Neue Regularien wie Basel III und die gestiegene Sensibilität für Risiken bei Banken führen dazu, dass die Kapitalverfügbarkeit und Kapitalkosten für die Unternehmen stark davon abhängen, wie die Finanzierer die Zukunftsaussichten der Unternehmen einschätzen. Zukunftsorientierte Parameter wie Markt, Strategie und Geschäftsmodell rücken dabei stärker in den Fokus. Entsprechend müssen Restrukturierungsprogramme die strategische Neuausrichtung und die Optimierung des Geschäftsmodells als Rahmen für Kostensenkung und operative Verbesserungen berücksichtigen. Eine rein kurzfristig angelegte Sanierung reicht für die nach­haltige Krisenbewältigung nicht aus. Vor diesem Hintergrund wachsen die Anforderungen an das Leistungsspektrum des Sanierungsberaters. Unverzichtbar sind heute Industriewissen und umfassende Methodenkompetenz. Darüber hinaus muss er über Kommunikationsvermögen und Moderationsfähigkeiten verfügen. Die Bandbreite seines Know-hows und die enge Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Restrukturierungsmanager (CRO) in der Unternehmensleitung sind die Basis für den gemeinsamen Erfolg.

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Handlungsempfehlungen

für unternehmen 1. Szenarien vordenken – Worst-Case-Szenario für die Konjunkturentwicklung im eigenen Branchenumfeld simulieren – Mögliche Gegenmaßnahmen bei Eintritt einer Krise durchspielen und bewerten – Stresstest für die Finanzierungsstruktur durchführen 2. Den richtigen Mix aus Offensive und Defensive finden – Wettbewerbsfähigkeit im Kerngeschäft und operative Flexibilität (Senkung „Break-Even“) sicherstellen – Wachstumsstrategien fortsetzen (inklusive M&A), aber Zielmärkte kritisch prüfen und priorisieren – Möglichkeiten zur Kostensenkung und strukturellen Optimierung frühzeitig angehen 3. Kommunikation mit Kapitalgebern suchen – Chancen und Risiken gezielt und zielgruppengerecht mit Kapitalgebern diskutieren – Stabilität der Finanzierungsstruktur sicherstellen (Fristenkongruenz, Gleichbehandlung, Club Deals etc.) – Neue Finanzierungsquellen nutzen, aber erst nach kritischer Analyse der Anforderungen und Risiken 4. Rechtzeitig handeln – Auf rückläufige Umsätze und Margen frühzeitig und entschlossen reagieren – Probleme in der Organisation und Führung lösen sowie notwendige Kompetenzen an Bord holen – Vertrauen der Kapitalgeber sichern – „Abwärtsspirale“ vermeiden

für kapitalgeber 1. „Hot Spots“ erkennen – Unterschiedliche Konjunkturszenarien abbilden und Wirkung auf verschiedene Industriesektoren simulieren – Branchen/Segmente mit besonders hohem Konjunkturrisiko und geringer Flexibilität identifizieren – Unternehmen im Kreditbuch mit hoher Risikoanfälligkeit filtern (Leverage, Eigenkapitalquote, Profitabilität) 2. Differenziert und zukunftsorientiert analysieren – Mögliche Krisenkandidaten frühzeitig, proaktiv und konstruktiv ansprechen – Strategie, Geschäftsmodell und geplante Maßnahmen hinterfragen – Erfüllung der Erfolgsfaktoren im jeweiligen Markt- und Wettbewerbsumfeld prüfen 3. Restrukturierungen langfristig anlegen – Maßnahmen zur nachhaltigen strategischen und operativen Restrukturierung einfordern – Probleme der Finanzierungsstruktur zeitnah lösen und nicht in die Zukunft verschieben – Möglichkeiten alternativer Finanzierungsquellen kritisch prüfen und gegebenenfalls nutzen 4. Umsetzung möglich machen – Unterstützung des operativen Managements für die Krisenbewältigung sicherstellen (CRO, externe Experten) – Ausreichend finanzielle Flexibilität für operatives Geschäft gewährleisten – Offenen Dialog über Chancen und Risiken auch während der Restrukturierung fortsetzen

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Ihre ansprechpartner

Restrukturierung mit Oliver Wyman Das Selbstverständnis von Oliver Wyman als Managementberatung ist es, Unternehmen bei der Wertsteigerung zu unterstützen. Die Kombination aus tiefgehender Branchen­expertise, lang­jähriger Erfahrung bei Krisen­ bewäl­tigung und -vermeidung und einem umfassenden Verständnis der Interessenlage beziehungsweise Restriktionen verschiedener Kapitalgeber verschafft Oliver Wyman nicht nur einen spezifischen Zugang zu Unternehmen, sondern erlaubt auch die Entwicklung ­nachhaltiger Restruktu­rierungs­konzepte, die das Markt- und Wettbewerbs­umfeld und die spezifischen Erfolgsfaktoren der Industrie berücksichtigen. Zudem versteht sich Oliver Wyman als Moderator des Restrukturierungsprozesses, das heißt als objektiver Experte und neutrale Instanz im Spannungsfeld zwischen Management, Shareholdern, Kreditgebern und weiteren Stakeholdern.

Differenzierung von Oliver Wyman in der Restrukturierung

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Wertbeitrag in Restrukturierungsprojekten

Restrukturierung mit hoher Industriekompetenz

Kombination von tiefer Industrieexpertise und umfangreicher Restrukturierungserfahrung in einem Team

Globales Netzwerk

Wissen über Markttrends und Erfolgsfaktoren in den globalen Märkten durch international aufgestellte Industrie-Practices

Komplettes Serviceportfolio

Methodenwissen auch über Restrukturierung hinaus (Strategie, Operations, M&A, HR-Themen über Schwesterfirma Mercer)

Verständnis der Kapitalgeber

Netzwerk bei Banken und Finanzinvestoren über „Financial Services“ und „Corporate Finance“ Practices

Brand als Experten für Wertsteigerung

Reputation bei Industrieunternehmen als Industrieexperten und Fachleute für nachhaltige Wertsteigerung

– Business Plan Reviews – Ausarbeitung von Restrukturierungs­ konzepten – Erstellung von qualifizierten Sanierungsgutachten (IDW/BGH) – Methodische und fachliche Begleitung in der Umsetzung – Programm­management und Reporting an Kapitalgeber


Dr. Tobias Eichner Partner

Dr. Lutz Jäde Partner

München +49 89 939 49 774 Tobias.Eichner@oliverwyman.com

München +49 89 939 49 440 Lutz.Jaede@oliverwyman.com

Thomas Kautzsch Partner

Dr. Romed Kelp Partner

München +49 89 939 49 460 Thomas.Kautzsch@oliverwyman.com

München +49 89 24 268 485 Romed.Kelp@oliverwyman.com

Dr. Joachim Krotz Partner

Finja Carolin Kütz Partner

München +49 89 939 49 462 Joachim.Krotz@oliverwyman.com

München +49 89 24 268 501 Finja.Kuetz@oliverwyman.com

Helmut Lodzik Partner

Dr. Markus Mentz Partner

Düsseldorf +49 211 89 87 690 Helmut.Lodzik@oliverwyman.com

Frankfurt +49 69 955 1200 Markus.Mentz@oliverwyman.com

Dr. Andreas Moritz Partner

Wolfgang Weidner Partner

Düsseldorf +49 211 89 87 688 Andreas.Moritz@oliverwyman.com

München +49 89 24 268 428 Wolfgang.Weidner@oliverwyman.com

Zusätzlich stehen weitere Industrieexperten und Partner aus internationalen Standorten als Teil eines integrierten Teams zur Verfügung.

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ÜBER OLIVER WYMAN Oliver Wyman ist eine international führende Managementberatung mit weltweit 3.000 Mitarbeitern in mehr als 50 Büros in 25 Ländern. Das Unternehmen verbindet ausgeprägte Branchenspezialisierung mit hoher Methodenkompetenz bei Strategieentwicklung, Prozessdesign, Risikomanagement, Organisationsberatung, Restrukturierung und Führungskräfteentwicklung. Gemeinsam mit Kunden entwirft und realisiert Oliver Wyman nachhaltige Wachstumsstrategien. Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Geschäftsmodelle, Prozesse, IT, Risiko­strukturen und Organisationen zu verbessern, Abläufe zu beschleunigen und Marktchancen optimal zu nutzen. Oliver Wyman ist eine hundertprozentige Tochter von Marsh & McLennan Companies (NYSE: MMC). Weitere Informationen finden Sie unter www.oliverwyman.de.

KONTAKT industries@oliverwyman.com +49 89 939 49 780 +49 89 939 49 501

E 1.000 – 12/11 – A 240/150

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