12/18/2011
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INTERNE KOMMUNIKATION AUF DER SUCHE NACH DEM UNTERNEHMENSWISSEN
Felix Escribano
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Vorwort
S. 2
Interne Kommunikation 1.0
S. 3
Demokratisierung des Inhalts
S. 5
Enterprise 2.0 – Unendliche Weiten
S. 7
„Content is King, but Context is God“
S. 9
Einige Klippen umschiffen
S. 12
Nutzen von Enterprise 2.0
S. 14
Transformation zur Internen Kommunikation 2.0
S. 17
Enterprise 2.0 sein
S. 22
Das Ziel von Enterprise 2.0?
S. 23
Was hält uns auf?
S. 25
Eine Frage der Kultur
S. 27
Keine Veränderung ohne Interne Kommunikation
S. 29
Das Wissenszeitalter
S. 31
Wissen „managen“ vs. Wissen teilen
S. 34
Der Wissensarbeiter – Das unbekannte Wesen
S. 35
Arbeitsplatz der Zukunft
S. 37
Literaturliste
S. 40
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Vorwort Die Rolle der bisher zur Unternehmenskommunikation zugehörigen Internen Kommunikation (IK) ist dabei sich zu verändern. Das ist weder neu noch eine unabänderliche Wahrheit. Es ist vielmehr eine Chance aus dem Schatten der externen Kommunikation hervorzutreten oder die oftmals gering eingeschätzte strategische Bedeutung der Internen Kommunikation im Unternehmenskontext zu vergrößern. Anders ausgedrückt: Die Veränderung der Internen Kommunikation ist nichts anderes als eine Möglichkeit. Und wie das so ist mit Möglichkeiten, können wir sie in unserem Interesse zu einem gewünschten Zustand formen oder wirkungslos vorbeiziehen lassen. Beide Varianten führen zu einem Ergebnis. Letztere wohl zum Nachteil einer Internen Kommunikation, die sich weiterhin ausschließlich als Lautsprecher der Führungskräfte und Produzent kaskadierender Einbahnstraßen-Botschaften versteht. Die Veränderung findet statt. Entweder mit uns oder ohne uns. Wir haben die Wahl zwischen aktivem Gestalten und passivem Erdulden.
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Interne Kommunikation 1.0 Interne Kommunikation ist einer von zwei Teilbereichen der Unternehmenskommunikation. Im Gegensatz zur externen Kommunikation richtet sich die Interne Kommunikation nach innen. „Interne Kommunikation ist ein Instrument der Unternehmenskommunikation, welches mittels klar definierter, regelmäßig oder nach Bedarf eingesetzter und kontrollierter Medien die Verteilung von Informationen sowie die Führung des Dialoges zwischen der Unternehmensleitung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sicherstellt.“ (Meier 2002: 17) Es ist anzunehmen, dass diese Definition noch immer mehrheitlich konsensfähig ist. Das liegt auch darin begründet, dass die innerbetriebliche Kommunikation im Sinne einer einseitigen Top-Down-Information interpretiert wird, eines de facto Monologes. Die aktive Beteiligung in einem dialogischen Prozess des Mitarbeiters und das Prinzip der Wechselseitigkeit im Kommunikationsprozess werden hierbei in der Praxis übergangen. Diese Art der Kommunikation führt typischerweise zur Etablierung einer Hierarchie von unter- und übergeordneten Stellen in einer Linienorganisation. Auf dem langen Weg durch die Hierarchie gehen Informationen verloren oder werden verstümmelt. Bereits 1929 führte der Begründer der französischen Managementlehre, Henri Fayol, die Fayolsche Brücke ein. Sie verbindet hierarchisch nicht direkt unterstellte Stellen, indem Informationen seitlich unter Duldung der Vorgesetzten ausgetauscht werden. Damals wurde dieses Prinzip noch als Ausnahme vorgestellt. In einer Enterprise 2.0 sollte dies der Normalzustand sein. (Fayol 1929: 29) Von der IK zur Mitarbeiterkommunikation Folgende Definition der Internen Kommunikation scheint mir umfassender zu sein. Die Autorin beruft sich dabei auf den Begriff „Mitarbeiterkommunikation“ als gleichwertiges Synonym. Eine Bezeichnung, die ich für die Interne Kommunikation sehr passend finde: „Mitarbeiterkommunikation umfasst alle kommunikativen und informativen Vorgänge, die zwischen den Mitgliedern eines Unternehmens oder einer Organisation ablaufen. Sie ist als integrativer Teil eines ganzheitlichen Kommunikationsmanagements zielgerichtet und erfolgsorientiert.“ (Schmid 2007: 221) Diese Definition erlaubt es der Internen Kommunikation ihre Rolle neu zu definieren: Als Wissensvernetzer. Und zwar deshalb, weil durch die Vernetzung der Mitarbeiter, der Menschen das informelle und explizite Wissen neue Kanäle und Transformationsmöglichkeiten erhält. In der Rolle der internen „Pressesprecher für Führungskräfte“ beschränkt sich die IK auf die Formulierung sogenannter strategischer Botschaften sowie Inhalte und deren Distribution in kaskadischen Pyramiden. Und zwar fast ausschließlich von oben nach unten. E-Mail oder Kommentarfunktionen werden bereits als revolutionäre FeedbackKanäle empfunden. In einer vernetzten Organisation kann die Interne Kommunikation nicht mehr nur Hüter privilegierter Information, dem Herrschaftswissen, sein. Sie entwickelt sich
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vielmehr in eine Instanz, die ihre Kenntnisse im Enterprise 2.0 Alltag beratend an alle Mitarbeiter, gestaffelt nach Anforderungen und BedĂźrfnissen, weitergibt. Social Software Medienkompetenz zu vermitteln gehĂśrt ebenso dazu wie Kommunikationscoaching. Es geht nicht darum die Kommunikation zu den Mitarbeitern zu kontrollieren, sondern die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern ohne Hierarchieabstufungen zu fĂśrdern.
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Demokratisierung des Inhalts 1999 wurde das 95 Thesen umfassende Cluetrain-Manifest veröffentlicht, dessen Inhalt heutzutage Vielen als theoretischer Überbau einer Entwicklung gilt, deren Begriffsdefinition immer noch nicht abgeschlossen ist und daher hier mit „Social Media“ umrissen wird. Die Bedeutung der Kommunikation zwischen den Menschen und deren Möglichkeit, sich in Zukunft unabhängig zu informieren und Interessengebunden zu vernetzen, werde die traditionelle Macht der Märkte aufbrechen, lautete die Voraussage des Cluetrain-Manifest. (Levine, Locke, Searls & Weinberger 1999) Social Media kann als eine Idee der transparenten, personalisierten Kommunikation verstanden werden. Zur Umsetzung dieser Idee existieren Social Media Dienstprogramme, Plattformen und Werkzeuge, die in der Lage sind, mit einfachsten Mitteln Menschen und ihr Wissen zu vernetzen. Die Verbindung zwischen dem Einsatz von Social Media für die Kommunikation und dem Austausch von Nutzergenerierten Inhalten (User Generated Content – UGC) ist die Grundlage der folgenden Definition: “Social Media is a group of Internet-based applications that build on the ideological and technological foundations of Web 2.0, and that allow the creation and exchange of User Generated Content.” (Kaplan, Haenlein 2010: 61) Nutzer schaffen Inhalte: Dem Menschen wird eine persönliche Ausdrucksplattform gegeben und somit eine Stimme verliehen, die jederzeit und global vernommen werden kann. Menschliche Grundbedürfnisse wie Kommunikation, Selbstdarstellung, Interaktion und persönlichen Kontakt zu befriedigen, ist ein wichtiges Erfolgsrezept von Social Media. Wie stark dieses Bedürfnis ist zeigen die folgenden Zahlen aus dem Jahr 2011:
Jeder Facebook-Nutzer verbringt im Durchschnitt 15 Stunden und 33 Minuten im Monat auf Facebook 300.000 Anwender haben geholfen Facebook in 70 Sprachen zu übersetzen YouTube hat monatlich 490 Millionen Unique User (Stand Februar 2011) Die Nutzer verbringen insgesamt 2,9 Milliarden Stunden pro Monat auf YouTube. Das sind 326.294 Jahre. Es gibt 17 Millionen Artikel auf Wikipedia, die von „nur“ 91.000 Autoren erstellt wurden. Über 5 Milliarden Bilder wurden auf Flickr hochgeladen 190 Millionen Tweets werden im Durchschnitt täglich auf Twitter versandt (Mai 2011) Google Plus ist das soziale Netzwerk, das am schnellsten 10 Millionen Nutzer in 16 Tagen erreicht hat (Twitter brauchte 780 Tage und Facebook 852 Tage)
(Quelle: 20 Stunning Social Media Statistics Plus Infographic. http://www.jeffbullas.com/2011/09/02/20-stunning-social-media-statistics)
Social Media ist die Demokratisierung des Inhalts, behauptet der Social Media Experte Brian Solis. Für die Interne Kommunikation ist die Tatsache wichtig, dass Social Media den Menschen in Communities die Möglichkeit eröffnet Meinungen auszutauschen, Ideen zu bewerten oder auch Nutzergenerierte Inhalte mit
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einfachsten Mitteln und geringen Verรถffentlichungshindernissen in Echtzeit sowie ohne geografische Barrieren zu produzieren. (Solis, Brian: 2008)
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Enterprise 2.0 – Unendliche Weiten Vorab sei vermerkt, dass ich auf den im Jahr 2010/11 eingeführte Begriff „Social Business“ als Ersatz für „Enterprise 2.0“ verzichten werde, da meiner Meinung nach dieser Begriff weiterhin in erster Linie im Zusammenhang mit dem Wirtschaftskonzept von Muhammad Yunus steht. Der Einsatz von Social Media Tools vor allem innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation beispielsweise auch durch die Interne Kommunikation, wird unter dem Begriff Enterprise 2.0 geführt. Andrew McAfee, Professor an der Harvard Business School, führte diesen Terminus unter anderem in einem Blogeintrag aus dem Jahr 2006 ein. Seine Definition lautet folgendermaßen: “Enterprise 2.0 is the use of emergent social software platforms within companies, or between companies and their partners or customers.” (McAfee, Andrew: 2006) Bei Enterprise 2.0 handelt es sich in erster Linie nicht um eine technologische Herausforderung, sondern um eine organisatorische, eine primär menschliche. Mittlerweile ist nach den bekannten Problemen bei der Adoption und Partizipation von und in Enterprise 2.0 Systemen diese Erkenntnis bei den meisten angekommen. „The E20 adoption council reports that 72% of organizations reported resistance from users, and only 32% overcame it.” (Headshift, IDC and Tech4i2 2010: 42) Eine 2010 erschienene Studie an der 72 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz teilnahmen, fasst die vier meistgenannten Enterprise 2.0 Anwendungsfälle folgendermaßen zusammen (Centrestage 2010): • Informationsmanagement. Hier geht es um die verschiedenen Wege, Informationen zu sammeln und wiederzufinden, die Aktualität der Information und die Verringerung des Aufwands für das Informationsmanagement. • Kommunikationsmanagement. Hier geht es um Wege zum Aufbau einer kurzfristigen und langfristigen Kommunikation jenseits der etablierten Kommunikationskanäle wie insbesondere E-Mail hin zu einer zielgerichteteren und effizienteren Kommunikation untereinander. • Kollaborations- und Kooperationsmanagement. Ziel ist es, eine herausragende Dynamik bei der kollaborativen Generierung, Erstellung und Konkretisierung von Informationen in den Arbeitsprozessen zu ermöglichen. • Identitäts- und Netzwerkmanagement. Hierbei steht im Vordergrund ein Bewusstsein für andere Menschen und deren Aktivitäten zu schaffen. Die generelle Zielsetzung in einem Enterprise 2.0, Menschen zusammenzubringen kann ohne Identitäts- und Netzwerkmanagement nicht realisiert werden. Exkurs: Die Informationsmanagement Charta Folgende Charta könnte ein Ansporn für jedes Unternehmen sein. Zumindest wenn es dort Wissensarbeiter gibt und wenn es dem Mitarbeiter möglich sein soll, die individuellen Abteilungs- und Unternehmensziele zu erreichen. Our commitment to all our employees is that they can:
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1. Find the internal and external information they need to make effective business decisions that: •
reduce corporate risk
•
speed the achievement of strategic and operational objectives
•
enable them to develop their careers
2. Trust that information they find will be the best and most current available 3. Be certain that every piece of information is owned by an individual employee who has the time and support to ensure that it is updated or deleted when appropriate 4. Publish information so that it can be found and used by other employees as quickly as possible 5. Locate and take advantage of the expertise and experience of other employees 6. Link to internal and external social and business networks 7. Be confident that the roles and responsibilities of their manager include ensuring that their information requirements are recognized and addressed appropriately 8. Be reassured that the organization complies with all legal and regulatory requirements for the retention, use and transmission of information 9. Take advantage of training in how to be effective users and managers of information resources 10. Be confident that a member of the Board takes responsibility for effective information management and signs off on this set of principles. (CMS Wire 2011)
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„Content is King, but Context is God“ Die Technologie muss Mitarbeiter im gesamten Unternehmen und möglichst auch Partner, Lieferanten und sogar Kunden in einer Art und Weise verbinden, die den Wissensaustausch in Echtzeit ermöglicht. Hierbei entsteht eine große Menge teils unübersichtlicher Inhalte. Die Rolle einer Internen Kommunikation 2.0 wird in Zukunft weniger darin bestehen, Inhalte zu generieren, als Inhalte zu kuratieren. Damit ist der Vorgang gemeint, der den Mitarbeitern die Kollaborationsplattform erschließt, indem die Interne Kommunikation Fundstücke dort sichtet, recherchiert, bewertet, thematisch sortiert und aufbereitet. Dieser Vorgang kann natürlich auch auf externe Quellen ausgeweitet werden. Die Menge an Informationen wie auch Daten ist in den letzten Jahren geradezu explodiert, wir sehen uns nicht mehr der Frage nach mehr, sondern besseren Daten und Informationen gegenübergestellt. Besser? Nutzbarer, persönlicher, in Zusammenhang gesetzt. Dieser Zusammenhang findet grundsätzlich immer mit technischen Hilfsmitteln statt, die aber von einem menschlichen Filter gesteuert werden. Empfehlungen, Bewertungen, Suchaufträge, Mitteilungen, Verknüpfungen zu Themen und Menschen filtern den Inhalt mit Hinblick auf ein persönliches Profil. Werkzeuge sind in diesem Zusammenhang immer nur so wertvoll wie sie sinnvoll eingesetzt werden und wie sie sich an den Nutzer anpassen. In manchen IT-Büros von Unternehmen herrscht zwar immer noch das Paradigma vor, der Nutzer habe sich an das Tool anzupassen, aber auch hier brechen langsam die Mauern in den Köpfen ein. Eine wissensbasierte Organisation benötigt die richtigen Werkzeuge, um kollaborative Team- und Projektarbeit so einfach wie möglich in Gang zu setzen. Die Werkzeuge Die folgende Auflistung bekannter Social Software bietet eine Übersicht mit dem Schwerpunkt auf den Nutzen für die Mitarbeiterkommunikation. (Escribano 2009: 7ff) Blog Gründlich geplante und eingeführte Unternehmensblogs bieten die Möglichkeit ein Wissenspool für Projekte, Produkte oder individuelle Profile zu erstellen. Hier können sich Mitarbeiter mit ihrer Meinung und ihrem Wissen profilieren, ohne in der üblichen Hierarchiestruktur ungehört zu bleiben. Die Vorteile für die Interne Kommunikation sind die demokratische und schnelle Meinungsbildung, das Teilen von Informationen mit Projektpartnern und jedem interessierten Mitarbeiter sowie die schnellen Koordinationsmöglichkeiten. Wiki Die Einsatzmöglichkeiten eines Wikis sind im Hinblick auf ein effizienteres Projektmanagement und im Bereich des Wissensmanagements ausgezeichnet. Wikis können dazu beitragen unstrukturierte und anekdotenhafte Informationen festzuhalten, die ansonsten verloren gingen. Experten für Wissensorientierte Unternehmensführung wie Simon Dückert betonen jedoch, dass dies nicht zwingend der Fall sei, wie die Entwicklung der Vorlagen in
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der Wikipedia und semantische Wikis beweisen. Seiner Meinung nach geht es eher um das Paradigma der netzartigen Informationsverwaltung im Gegensatz zu einer hierarchischen. Wikis sind auch nützlich in Unternehmensstrukturen, die nicht mehr ohne Weiteres in der Lage sind Informationen zu sammeln und allen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig helfen Wikis Informationshierarchien zu durchbrechen und einen freien Informationsfluss zu gewährleisten. RSS RSS-Feeds sind eine wichtige Individualisierungsmöglichkeit von Informationsinput für Mitarbeiter. Sie können zum Beispiel bewusst entscheiden, welche und wie viel Information sie von einem Unternehmensblog oder mehreren Blogs abonnieren. Diese werden dann automatisch im Feed Reader aktualisiert. RSS (Really Simple Syndication – sic!) sind perfekte technische Mittel, um Inhalte auf den persönlichen Bedarf hin zu selektieren. Social Bookmarking und Tagging Social Bookmarking erlaubt es Mitarbeitern bestimmte Webseiten zu markieren und mithilfe empfohlener oder freier Schlagworte auffindbar zu machen. Kollegen können nach diesen Schlagworten suchen und so die von anderen Mitarbeitern zur Verfügung gestellten Quellen in kürzester Zeit finden. Damit leistet Social Bookmarking unter anderem einen wichtigen Beitrag bei der Aufhebung der Isolation der Mitarbeiter untereinander, wenn diese in geografisch weit voneinander entfernten Büros arbeiten. Es generiert zudem eine Vernetzung von Ressourcen und von Verbindungen, die durch den geschickten Einsatz von RSS-Feeds zu einer effizienteren und zielgenaueren Information jedes einzelnen Mitarbeiters beitragen kann. Podcast Audio- oder Video-Podcasts bieten den großen Vorteil, dass sich Mitarbeiter die Datei, beispielsweise spezifische Unternehmensnachrichten oder Botschaften des Vorstandes, runterladen und unterwegs hören oder sehen können. Podcasts sind günstig und schnell zu produzieren und können in kürzester Zeit eine global verteilte Belegschaft erreichen, ohne sich zu einem bestimmten Zeitpunkt versammeln zu müssen. Die Mitarbeiter konsumieren die Information, wann immer es Ihnen recht ist, auch offline. Soziale Netzwerkplattformen Die Mitglieder des Netzwerkes präsentieren sich in SNS (Social Networking Service) durch die Beschreibung der eigenen beruflichen Interessen, Projekte und Fähigkeiten in ihren Profilen. Soziale Netzwerkplattformen geben den Mitarbeitern die Möglichkeit, sich mithilfe ihrer Profile unabhängig von ihrem Arbeitsort und hierarchisch gestaffelten Kommunikationsketten miteinander zu vernetzen und auszutauschen. So entstehen Communities, also Interessensgemeinschaften, für deren Identifizierung es früher nötig war, aufwendige Untersuchungen durchzuführen.
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Zu den wichtigsten Vorteilen von sozialen Netzwerkplattformen innerhalb von Unternehmen gehören:
Expertensuche Einfache Möglichkeit zur Fragenstellung an die Community mit globalem Antwortenpotenzial Lokalisierung von Kollegen mit ähnlichen Interessen Sich über aktuelle und interessante Unternehmensprojekte auf dem Laufenden zu halten Schnelle Einarbeitung neuer Mitarbeiter
Mikroblogging Als es möglich wurde die von Twitter bekannte Technologie in geschlossenen Intranets nachzubauen oder Anbieter wie Yammer zu nutzen, wurde Mikroblogging auch für die Interne Kommunikation interessant. Die sofortige und direkte Kommunikation der Mitarbeiter untereinander mit aktuellen Updates, beispielsweise zu Projekten, an denen diese gerade arbeiten, steht hier im Vordergrund. Darüber hinaus bietet Mikroblogging eine einfache Möglichkeit sich mit Experten zu vernetzen und sich selbst als Experte zu positionieren. Bei diesem Tool handelt es sich um eines der erfolgreichsten Werkzeuge, damit Mitarbeiter Wissen teilen, generieren und bisweilen finden. Wikis haben sich zwar für geschulte Projektmitarbeiter als sehr effizient erwiesen, eignen sich aber für die breite Masse meist nur als Plattform, um Informationen zu konsumieren. Es gibt praktisch keine aktuelle Kollaborationsplattform, die nicht eine Mikrosharing/blogging Funktion in den Mittelpunkt seiner Anwendung stellt. Hier ist eine Auswahl der Einsatzmöglichkeiten (Suarez 2010):
Fragen und Antworten Informelles Lernen Glückstreffer (Serendipitätsprinzip) Expertensuche Identifizieren von Wissenslücken Hilfe und Unterstützung für technische Probleme Ankündigungen, News Personal Branding
Instant Messaging Ob Instant Messaging in diese Liste gehört bleibt umstritten. Aber es ist auf jeden Fall ein sehr wichtiges Instrument, um den Anspruch an Identitäts-und Netzwerkmanagement im Enterprise 2.0 gerecht zu werden. Instant Messaging (IM) bietet den Mitarbeitern in einem Unternehmen unter anderem die Möglichkeit sich statt über E-Mail oder Telefon, in Echtzeit mit Kollegen, mithilfe von auf dem Bildschirm erscheinenden Nachrichten auszutauschen.
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Einige Klippen umschiffen Sieht man sich die Liste der Enterprise 2.0 Werkzeuge an kommt man natürlich leicht in Versuchung zu sagen: „Prima, lasst uns ein paar Blogs und Wikis aufsetzen und weiter geht‟s“. Dass Enterprise 2.0 mehr ist als nur die Bereitstellung von technologischen Werkzeugen, betont J. Nicholas Hoover in der Zeitschrift Information Week: „Enterprise 2.0 can‟t just be about a wiki here, a blog there forever. Taken together, the emergence and convergence of Web 2.0 and IP communications is what will determine whether there‟s truly an Enterprise 2.0. It‟s a new architecture defined by easier, faster, and contextual organization of and access to information, expertise, and business contacts – whether co-workers, partners, or customers. And all with a degree of personalization sprinkled in.” (Hoover, 2007) Abgesehen mal davon, dass es darum gehen sollte eine ausgeprägte Kollaborationskultur zu schaffen und nicht nur eine Kollaborationsplattform aufzusetzen, gibt es noch weitere Unterschiede zwischen Enterprise 2.0 Technologien und den Vettern in der Welt außerhalb der Unternehmens-Firewall. Die Partizipationshürde Es gibt viele Vorbehalte und Ängste gegenüber Enterprise 2.0. Wer jedoch bereits mit Enterprise 2.0 in Kontakt gekommen ist, hat eher Angst davor, wie eine der größten Herausforderungen überwunden werden kann: Die Partizipationshürde. Mangelnde Beteiligung vor allem im Anfangsstadium ist der Hauptgrund für das Scheitern vieler Enterprise 2.0 Projekte. Selbst wenn die folgende Regel sich nicht einfach auf eine geschlossene Organisation übertragen lässt, wäre die Tendenz eine Schwierigkeit in Unternehmen. “In most online communities, 90% of users are lurkers who never contribute, 9% of users contribute a little, and 1% of users account for almost all the action.” (Nielsen 2006) Diese Zahlen sind kein Problem, wenn wir von vielen Millionen Nutzern ausgehen können. Dann kann die kritische Menge erreicht werden. Was aber machen wir in Unternehmen mit einigen tausend Mitarbeitern? Gleichzeitig gilt es zu betonen, dass die Nielsen-Zahlen sich nicht deckungsgleich auf geschlossene Organisationen übertragen lassen. Zudem hat man im Unternehmen den Vorteil, dass die Anwendungen als Teil des Arbeitsalltags in den Geschäftsprozess eingebunden werden können. Dennoch wird bei diesen Zahlen eine der wichtigsten Aufgaben der Internen Kommunikation 2.0 deutlich. Es muss ihr darum gehen mit Hilfe intensiver Kommunikationsarbeit Bewusstsein zu schaffen, Verständnis zu sammeln, Erklärungen zu liefern, Überzeugung zu leisten und letztlich die Mitarbeiter zum Teilnehmen zu bewegen. Denn Enterprise 2.0 Systeme basieren ganz und gar auf der Teilnahme der Mitarbeiter. Und die Mitarbeiter werden auch erst einen Nutzen daraus ziehen können, wenn sie sich selber beteiligen.
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Dabei machen sich soziale Technologien das menschliche Bedürfnis zunutze, sich mit anderen austauschen zu wollen, sich mittzuteilen, auf der Suche nach Anerkennung zu sein. Der Mensch ist ein kommunikatives Wesen. “Humans are social animals, spinning intricate webs of relationships with friends, colleagues, neighbours and enemies. These networks have always been with us, but the advance of networking technologies, changes to our interconnected economy and an altering job market have super-charged the power of networking, catapulting it to the heart of organizational thinking.” (Bradwell, Reeves 2008: 92). Wir könnten das im Verlauf des Industriezeitalters vergessen haben, aber es liegt eine gewisse Ironie in der Tatsache, dass es Technologien sind, die uns unsere Stimme wiedergeben und sie lauter werden lassen, als jemals zuvor. Die Stimme zu erheben ist weiter eine Frage des Einzelnen; diese auch hörbar zu machen kann durch Technologien vereinfacht werden. Dazu motiviert und angeleitet werden wir in Unternehmen mit Unterstützung der Internen Kommunikation 2.0. Der soziale Fußabdruck Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass die Handhabung der Technologien den Einzelnen nicht überfordert. Es muss sich dabei letztlich um einen Vorgang handeln, der mittelfristig im üblichen Arbeitsprozess eingebettet ist und nicht einen zusätzlichen Aufwand darstellt. Jedes Mal wenn wir Meeting Protokolle, Schlagwörter, Kommentare, Bewertungen, Meinungen, Ideen, Dokumente, Lesezeichen teilen, hinterlassen wir einen Abdruck im Kollaborationssystem. Diese Spuren helfen dem Einzelnen wiederum entweder Personen, Communities oder Themen und Dokumente zu finden, die für den Suchenden und dessen Arbeit interessant sein könnten. Im optimalen Fall finden diese den suchenden Mitarbeiter. Das geht natürlich nur, wenn er sich an dem Hinterlassen von Abdrücken beteiligt, also Inhalte, Informationen und Wissen teilt. Im Grunde genommen sind diese Aktivitäten nichts anderes als Gespräche. Die Interne Kommunikation ermöglicht und fördert diese Gespräche, damit so viel wie möglich davon an die Oberfläche kommen können. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Wissensweitergabe größtenteils in informellen Netzwerken („Virtual Water Cooler“), statt in formellen Netzwerken stattfindet. Diese Wissensweitergabe in Form von Gesprächen muss so sichtbar wie möglich gemacht werden. Ansonsten bleiben diese Gespräche ungenutzt in den Abteilungssilos und können nicht zum Nutzen des Unternehmens, aber eben auch nicht für den Einzelnen nutzbar gemacht werden. Dass das Teilen von Wissen nicht über Zwang und Kontrolle erfolgen kann liegt hier in der Natur der Sache. Damit die Gesprächsflut die Mitarbeiter nicht überfordert, ist eine Vermittlung der nötigen Medienkompetenz nötig. Dies geschieht unter anderem mit der Vermittlung von Kompetenzen (Training, Coaching) und Grundregeln, auf die sich alle geeinigt haben. Darüber hinaus sollten die Community Owner und speziell die Interne Kommunikation als Inhaltsverwerter auftreten, als „Kuratoren“.
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Nutzen von Enterprise 2.0 Der Wissenschaftler des Wissensmanagements Ikujiro Nonaka meint: “In an economy where the only certainty is uncertainty, the one sure source of lasting competitive advantage is knowledge” Wem diese Einsicht schwer vermittelbar erscheint, dem hilft eine Liste mit folgenden Vorteilen eines Enterprise 2.0, die gerade im Hinblick auf die Interne Kommunikation 2.0 von besonderer Bedeutung sind. Verbesserung der Zusammenarbeit Viele Web 2.0-Technologien verbinden Menschen in einer Art und Weise, die es einfacher macht, zusammenzuarbeiten. Diese Verbindungen zwischen hoch qualifizierten Arbeitnehmern weiter zu intensivieren, indem für sie verfügbare Informationen verfeinert werden, könnte zu einer signifikanten Verbesserung des Wissensaustausches führen. Durch das Anzapfen der kollektiven Intelligenz einer Gruppe kann diese Art der Zusammenarbeit zu besseren Entscheidungsfindungsprozessen und Problemlösungsverfahren führen. Innovation Die Offenheit einer Enterprise 2.0 bietet die Möglichkeit Forschung und Entwicklung zu verbessern, indem ein breiteres Spektrum von Mitarbeitern beteiligt wird. Die traditionell abgeschottete F+E Abteilung könnte eine etwas integrativere und vielseitigere Funktion übernehmen und damit neue Möglichkeiten für Kreativität und neues Wissen im gesamten Unternehmen erzeugen. Erhöhte Produktivität Mitarbeiter in die Lage versetzen, effizienter und produktiver zu arbeiten ist seit jeher ein grundlegendes Geschäftsziel gewesen. Social Software hat das Potenzial, Netzwerkeffekte zu generieren und zu potenzieren, die dem produktiven Potenzial der Mitarbeiter zum Durchbruch verhelfen sowohl hinsichtlich der Menge wie auch der Qualität der Arbeit. Die Management-Beratung McKinsey bestätigt in ihrer seit 2006 jährlich erscheinenden „Web 2.0“ Studie, wie sich Enterprise 2.0 erfolgreich im Markt gegenüber anderen Unternehmen durchsetzen. “Our data show that fully networked enterprises are not only more likely to be market leaders or to be gaining market share but also use management practices that lead to margins higher than those of companies using the Web in more limited ways.” (Bughin, Chui 2010) Zusammenarbeit > Wissensmanagement > Innovation Neben der effizienteren internen Zusammenarbeit über Abteilungs- und Landesgrenzen hinweg, der Entwicklung von globalen und projektbasierten internen Communities, einer erhöhten Mitarbeitermotivation und einer direkteren, transparenten Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Führungskräften sind weitere Vorteile im Einsatz von Enterprise 2.0 Technologien möglich. Zum einen kann das Projektmanagement in das soziale Netz eingebunden werden und somit Wissensverluste durch verlorengegangenes Wissen oder nicht gefundene Expertise vermindert werden. Darüber hinaus können diese Plattformen ebenso für
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das Wissensmanagement innerhalb des Unternehmens genutzt werden. Beispielsweise kann das Wissen von älteren Mitarbeitern, die in den Ruhestand gehen, konserviert und somit den verbleibenden Angestellten zur Verfügung gestellt werden. Dieser Schritt der Wissensweitergabe ist natürlich erst möglich, wenn die Voraussetzungen für die Wissenserwerbung existieren. Hierbei geht es nicht nur darum die vorhandenen Technologien einzusetzen, sondern auch Freiräume zur kreativen Entwicklung von Wissensarbeitern, Anreize und Angebote zur Kompetenzvermittlung zu schaffen. Die Interne Kommunikation 2.0 kann hier entweder in direkter Zusammenarbeit mit Wissensmanagern oder selber mit Hilfe interner, vernetzter Communities einen wesentlichen Beitrag leisten. „Die Mitarbeiter und ihr Know-how sind die existenzielle Grundlage jedes Unternehmens. Wer die Basis schafft, Wissen fortwährend zu mehren und vor allem zu vernetzen, wird hiervon nachhaltig profitieren. Trotzdem wird diese wichtige Aufgabe oft vernachlässigt. Entscheidend ist es, die organisatorische Grundlage zu schaffen und das Wissensmanagement entsprechend aufzuhängen.“ (ZDNet 2011) Die Steigerung der Innovationsfähigkeit ist am Ende ein Ziel, das mit Hilfe eines effizienteren Wissensmanagements mit dem Menschen im Mittelpunkt und nicht ausschließlich im Hinblick auf eine Dokumentverwaltung erreicht werden wird. Hier gilt jedoch, dass Wissensmanagement ohne eine auf Zusammenarbeit basierende Unternehmenskultur, Organisation und Technologie, die sich den Grundsätzen einer Enterprise 2.0 Kommunikation bedient, wirkungslos verpufft. Hast Du mal eine Idee? Enterprise 2.0 kann auch als eine Technologie betrachtet werden, die die Entstehung und Entwicklung von Ideen in einem unstrukturierten Prozess ermöglicht, an dem viele Menschen beteiligt sein können. Einige Ideen können zur Schaffung von besseren Produkten beitragen. Beispielsweise mit dem Einsatz interner Bewertungsportale für eigene Produkte, bevor sie extern getestet werden. Andere gesammelte und ausgewertete Ideen könnte die Entwicklung von besseren Prozessen unterstützen. Hier kann beispielsweise an geänderte Mitarbeiterbewertungsprozesse gedacht werden. Oder auch Ideenprozesse, um neue Märkte zu entdecken, zu entwickeln und zu erobern. Ein Automobil-Hersteller könnte hierbei von dem Produkt Automobil als Ziel absehen und den Verbraucher in den Mittelpunkt stellen, der immer häufiger nach besseren Antworten auf die Frage nach effizienter Mobilität fragt. Und dies möglichst umweltverträglich, sowohl in der Endanwendung, wie auch in der Produktionsphase. Wichtig ist hierbei den Kundenfokus nicht nur verbal vor sich her zu tragen, sondern auch tatsächlich in der Organisation zu leben. „Das Verhältnis zu den Kunden bestimmt die Unternehmenskultur ganz entscheidend. Wollen wir den Kunden nur mit dem versorgen (oder bedienen), was wir ohnehin produzieren oder anbieten? Geben wir dem Kunden Antworten auf seine Fragen? Wollen wir „nur„ etwas verkaufen oder wollen wir, dass unsere Leistungen dem Kunden helfen, besser zu sein (…) mehr Innovation voranzutreiben?“ (Murmann Verlag 2010: 75)
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Auch Ideen für organisatorische Veränderungen könnten das Ergebnis von Enterprise 2.0 Modellen sein. Wobei dies fast eine Selbstverständlichkeit ist, da im optimalen Falle der Wunsch nach organisatorischer Veränderung bereits am Anfang steht beziehungsweise bereits begonnen hat. Soziale Software wird diesen Trend nur weiter verstärken, kann ihn aber nicht alleine nachhaltig antreiben.
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Transformation zur Internen Kommunikation 2.0 In einer Internen Kommunikation 2.0 geht es nicht darum eine Konkurrenz zur ITHotline zu werden. Es geht nicht darum zu erklären wie der HTML-Code eines Blogs geändert werden kann – zumindest nicht primär –, sondern darum zu vermitteln, welchen Mehrwert ein Mitarbeiter für sich und für das Unternehmen erreicht, falls er beispielsweise mittels eines Blogs seine Meinung, seine Erfahrungen einer größeren Zahl von Mitarbeitern zugänglich macht. Die Arbeitswelt hat sich in Zeiten der Globalisierung spätestens seit der Welle internationaler Zusammenschlüsse von Großunternehmen in den 90er Jahren so weit geändert, dass neue Kommunikationsstrukturen geschaffen werden mussten. Damit diese Konzerne mit ihren Tausenden Mitarbeitern in verschiedenen Ländern und mit teils sehr unterschiedlichen Geschäftsbereichen weiterhin innovativfähig bleiben, müssen nicht nur Strukturen geschaffen werden, in der sich Mitarbeiter über Zeitzonen und Ländergrenzen hinweg technisch vernetzen können, sondern auch solche in denen der Wissenstransfer, das Projektmanagement und die Entscheidungsfindung auf eine neue Grundlage gestellt werden. Nämlich auf die Grundlage einer engen Kooperation über Länder-, Kultur- und Hierarchiegrenzen hinweg. Zudem ist in den letzten Jahren eine Generation herangewachsen, die sich in Unternehmen mit tradierten, hierarchischen Organisationsstrukturen nicht mehr effizient genug steuern und vor allem integrieren lässt. Hierarchien verschwinden, Mitarbeiterwissen gewinnt zunehmend an Bedeutung und Angestellte verlangen kommunikative Führungskompetenz und Teilnahme an Entscheidungsfindungsprozessen. Herausforderungen, die sich nur mit einer Arbeitsweise meistern lassen, die eine enge Kooperation innerhalb der Unternehmen unerlässlich macht. Es liegt in der Natur dieser Arbeitsweise, einer barrierefreien und offenen Zusammenarbeit, dass die Kommunikation in diesem System transparent, direkt und bidirektional erfolgt. Enterprise 2.0 Plattformen sind eine wertvolle Hilfe diese Art der Zusammenarbeit und Kommunikation zu fördern und zu initiieren. Beispielsweise werden interne Botschaften in diesem System nicht ausschließlich von oben nach unten verkündet, sondern in einem peer-to-peer Dialog, einem Netzwerk aus ebenbürtigen Kommunikationsteilnehmern, erarbeitet. Die Zahlen Im Rahmen eines Forschungsprojekts zum Thema „Enterprise 2.0: Nutzung & Handlungsbedarf im innerbetrieblichen, B2B und B2C Kontext“, welches von der Universität St. Gallen (HSG) für den deutschsprachigen Wirtschaftsraum 2011 in Zusammenarbeit mit T-Systems durchgeführt wurde, konnten wertvolle Einblicke über die Nutzung von Elementen des Web 2.0 in unterschiedlichen Organisationen gewonnen werden. Die folgenden Ergebnisse stammen aus dieser Studie. Sie geben auch Hinweise darauf, wie sich die Interne Kommunikation neu aufstellen könnte. Diese neue Ausrichtung könnte verhindern, dass das Feld nicht kampflos den spezialisierten Wissensmanagern, anderen Funktionen wie dem Personalwesen oder gar völlig
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neuen Funktionen wie den aufstrebenden Kollaborations-Abteilungen überlassen wird. Dazu mehr in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels.
Abb. 1: Enterprise 2.0 – Nutzung & Handlungsbedarf im innerbetrieblichen, B2B und B2C Kontext
Die in der Studie erhobenen Enterprise 2.0 Funktionen in den befragten Organisationen werden unterschiedlich stark eingesetzt, manche sind gar weitgehend unbekannt. Die höchste Popularität erreichen demzufolge Wikis, Foren, soziale Netzwerke, Blogs, Feeds, Instant Messaging sowie externe Anwendungen. Jeweils über 60% der befragten Organisationen verfügen nach eigener Angabe eingeschränkt bis uneingeschränkt über diese Funktionen. Bewertungs- und Kommentierungssysteme erreichen immerhin 59%. (Back 2011: 8ff) Die Einschätzungen der tatsächlichen Nutzung der angebotenen Funktionen in den befragten Organisationen (Element „Verhalten“) weisen Verbesserungsmöglichkeiten auf. In etwa 60% der befragten Organisationen nutzen weniger als 50% der Mitarbeiter die angebotenen Funktionen. (Back 2011: 23) Dies wäre ein Resultat der Divergenz zwischen dem Anspruch Enterprise 2.0 zu sein und Enterprise 2.0 „nur“ einzuführen: Im konkreten Fall, Kollaborationstools zu verkaufen, statt Kollaborationsvoraussetzungen zu schaffen, Mitarbeiter zu überzeugen und Feedback-Prozesse zur ständigen Verbesserung anpassungsfähiger Technologie einzusetzen. Als häufigste Anwendungsfälle kristallisierten sich das Wissensmanagement und Expertendatenbanken sowie der Informationsaustausch in unternehmensweiten Wikis heraus. Ferner führten die Adressaten der Umfrage mehrfach die Publikation von relevanten Unternehmensinformationen über Blogs und die Nutzung von Instant Messaging zur schnellen internen Koordination auf.
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Interne Kommunikation mit oder gegen Wissensmanagement? Die Herausforderungen an die Interne Kommunikation werden immer mehr an eine wachsende Zahl von Wissensmanagern verlagert, obwohl es möglich sein sollte, beispielsweise folgende Fragen auch als Teil der Aufgaben einer Internen Kommunikation 2.0 zu betrachten. • Wie können Unternehmen das kreative Potenzial ihrer weltweit verteilten Belegschaft nutzen? • Wo bleibt das Wissen tausender Mitarbeiter in Zeiten, in denen die natürliche Personalfluktuation selbstverständlicher Geschäftsalltag geworden ist? • Wie kann das Zusammengehörigkeitsgefühl von Mitarbeitern unterschiedlichster Herkunft gefördert und gleichzeitig die Identifikation mit dem Unternehmen gefestigt werden? Bei der Beantwortung dieser Fragen kommt den Enterprise 2.0 Technologien eine besondere Bedeutung zu. Sie ermöglichen eine einfache und schnelle Kommunikation über Hierarchie-, Abteilungs- und Ländergrenzen hinweg. Das Teilen von Meinungen, Ideen und Wissen auf diesen Plattformen generiert genau die Informationsquantität und Qualität, die für Unternehmen überlebenswichtig ist und sein wird. „Sinn und Absicht der internen Kommunikation ist es sicherzustellen, dass jeder Mitarbeiter an den Zielen des Unternehmens ausgerichtet ist und sie unterstützen kann.“ (Buchholz 2000: 3). Wenn die Mitarbeiterbindung und die Identifikation mit dem Unternehmen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil ist, wie Dr. Ulrike Buchholz im zitierten Artikel weiter ausführt, wird es für die Interne Kommunikation von immer größerer Bedeutung sein, den Wandel zum Enterprise 2.0 auch mit Hilfe der dazugehörenden Technologien zu meistern. In komplexen, globalen Unternehmensstrukturen findet die Kaskadierung von Informationen ihr Ende zum Vorteil des Austausches von Nutzergenerierten Inhalten und deren Wissen im Netzwerkverbund. Leadership 2.0 In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder die Frage gestellt, wie die Interne Kommunikation den Führungskräften zur Seite stehen kann. Es wird eine neue Definition von Führungsqualitäten geben und es wird viele geben, die diesen Schritt nicht machen können oder wollen. Für die, die wollen gilt diese Definition: „Eine kreative Führung, die mit Unklarheit leben kann, die trotz Unsicherheit handelt, die überraschende Ideen entwickelt. Eine Führung die klare Linien aufzeigt, Orientierung bietet und die Vernetzung fördert, um Komplexität navigier- und damit erst nutzbar zu machen.“ (Murmann 2010: 178) Obwohl in dieser Beschreibung bereits genug Betätigungsfelder einer Internen Kommunikation 2.0 zu finden sind, ist das nächstliegende und weiterhin gültige Betätigungsfeld der etablierten Internen Kommunikation unter keinen Umständen zu ignorieren: “Eine Führung, die mit Leidenschaft kommuniziert, dass all das möglich ist.“ (ebd.)
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Wobei es nicht nur darum gehen kann, Botschaften zu formulieren und sie über die üblichen Kanäle an die Empfänger zu schicken, sondern darum Kommunikationskompetenzen auch auf der Führungsebene zu vermitteln. Das Potenzial Meiner Meinung nach kann Coaching und Training der beteiligten Personen sowie die Kommunikation der Inhalte von der Internen Kommunikation koordiniert und über direkte Netzwerke der zur IK zugehörigen Mitarbeiter gefördert und über indirekte Netzwerke im Sinne interner Communities angeboten werden. Darüber hinaus könnten in Zukunft die unternehmensinternen, dezentralen, selbstorganisierten und netzwerkartig verbundenen Communities und deren Community Manager – die IK-Manager der Zukunft? – eine Lösung sein, um schnell und kreativ alte sowie neue Aufgaben der Mitarbeiterkommunikation umzusetzen. Aber genau hier kann die Interne Kommunikation 2.0 ihre neue Rolle finden, sich im Unternehmen emanzipieren, dieses Netzwerk moderieren, ausbilden und sowohl mit Kommunikationswissen wie auch Inhalten versorgen. Statt sich auf die althergebrachte Rolle der Newsletter-Produzenten und MAMagazin-Redaktion zu beschränken, hat die Interne Kommunikation hier die Möglichkeit – bei entsprechender Unterstützung der Entscheidungsträger – mit ihren Kompetenzen, die weit über die Lautsprecherfunktion reichen, diese Resultate zu verbessern und somit im Interesse der Mitarbeiter und des gesamten Unternehmens einen direkten Nutzen zu generieren. Eine Interne Kommunikation 2.0 wird sich:
Mit den Folgen von Innovations-Adaptionsmodellen auseinandersetzen müssen und ihre Maßnahmen entsprechend ausrichten; Die Anpassung von (Arbeits-)Prozessstrukturen an den Voraussetzungen einer Enterprise 2.0 kommunikativ begleiten; Qualifizierungsmaßnahmen planen und sogar umsetzen, wenn es um das „Warum?“ und nicht das „Wie?“ von Enterprise 2.0 geht; Erfolgskennziffern für den Einsatz von Enterprise 2.0 erarbeiten, die sich nicht nur um den schwer messbaren Return on Investment drehen, sondern nach dem Return on Engagement, Return on Participation, Return on Involvement, Return on Attention, oder Return on Trust fragen.
Diese Aufzählung soll nicht entmutigen, sondern dazu ermuntern, die höchste Stufe der in Anlehnung an der Maslow‟schen Bedürfnispyramide gestalteten Enterprise 2.0 Pyramide (siehe nächste Seite) zu erreichen. Dies entscheidet wiederum darüber, ob eine Organisation vom Wandel überrollt oder Teil des Wandel wird und davon profitiert.
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Abb. 2: Maslows ROI Hierarchy for Enterprise 2.0
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Enterprise 2.0 sein Was bedeutet das? Enterprise 2.0 ist eine Technologie um Menschen zusammenzubringen und sie sich gegenseitig beeinflussen zu lassen, ohne anzugeben, wie sie es tun sollten. (McAfee, 2009: 4). Dem Mitarbeiter wird ein großes Maß an Freiheit ermöglicht, das mit verantwortlichem Handeln einhergehen sollte. Denn Enterprise 2.0 stellt eine Reihe von Werten dar, statt einer Reihe von Technologien. Technologische Änderungen sind bestenfalls als inkrementelle Innovation aufgetreten, mit nicht immer überzeugenden Adoptionsresultaten. Radikal innovativ dagegen wäre es Enterprise 2.0 als organisatorische und kulturelle Veränderungen in Kombination mit Enterprise 2.0 Lösungen zu interpretieren. Enterprise 2.0 stellt eine Unterstützung der informellen Organisation dar. Also der unternehmensweiten sozialen Netzwerke, die in Wahrheit dazu beitragen, dass die Arbeit erledigt wird. (Cross; Parker, 2004: 12) Die Gesellschaft für Wissensmanagement e.V. hat eine Definition erarbeitet, die sich ganz bewusst von der technologischen Einführung von Enterprise 2.0 Werkzeugen absetzt und den organisatorischen, sowie kulturellen Wertewandel in den Vordergrund stellt. „Ein Enterprise 2.0 ist eine Lernende Organisation, die ihre Ziele durch lernförderliche Handlungsmuster und den Einsatz von sozialen Medien erreicht. Eine Lernende Organisation ist eine Organisation mit der Fähigkeit, Wissen zu entwickeln, zu erwerben und zu (ver-)teilen sowie ihr Verhalten auf Basis neuen Wissens und neuer Einsichten zu verändern.“ (GfWM, 2011: 2) Ein Anspruch, der nicht ohne Unterstützung einer aktiven Internen Kommunikation zu bewerkstelligen ist, falls sie sich neu aufstellen will und kann. Die damit zusammenhängenden Veränderungsprozesse sind der Internen Kommunikation bestens bekannt und ihre Aktivitäten lassen sich am Ratschlag des Verhaltensforschers Konrad Lorenz messen: Gesagt ist nicht gehört. Gehört ist nicht verstanden. Verstanden ist nicht einverstanden. Einverstanden ist nicht angewandt. Angewandt ist nicht beibehalten. Erst wenn ein Bewusstseinswandel vollzogen ist, kann der Einsatz von Enterprise 2.0 Technologie einen Mehrwert für ein Unternehmen schaffen. Bereits 2005 hat der irische Internetpioniers Tim O´Reilly vorausgesagt: „Web 2.0 is an attitude, not a technology“. (O‟Reilly, 2005) Partizipation, Dialog und Transparenz werden in der Internen Kommunikation – im Sinne der Mitarbeiterkommunikation – ein größeres Gewicht bekommen, weil sich die Technik UND die Menschen verändert haben und stetig verändern.
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Das Ziel von Enterprise 2.0? Traditionell stützen sich die meisten mittleren und großen Unternehmen auf eine Infrastruktur, die auf Autorität, Kontrolle und unflexiblen organisatorischen Hierarchien basieren. Und bis vor kurzem war diese soziale Architektur das einzig verfügbare Informationssystem komplexe Strukturen zu steuern und zu organisieren. Diese Art der Organisation ist wirksam, solange externe Faktoren stabil und vorhersehbar bleiben. Aber sie wird schnell anfällig und ineffizient in sich schnell wandelnden oder nur schwer zu prognostizierenden Kontexten, beispielsweise wenn Märkte, Wissen, Kultur, Technologie, Wirtschaft oder Politik sich schneller verändern als die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens. Wie schwer es sein wird von definierten Arbeitsergebnissen, Prozessen und vor allem Organisationsstrukturen mit festen Verantwortlichkeiten abzurücken erlebt jeder, der die ersten Schritte hin zum Enterprise 2.0 unternimmt. „Der wohl deutlichste Paradigmenwechsel liegt im Verlust von Kontrolle durch den Verlust objektiver Messbarkeit (…) und damit einhergehend dem Bedeutungsgewinn von Freiraum und Vertrauen. Das Motto von „You cannot manage what you cannot measure“ hat ausgedient, denn in lernenden, vernetzten, selbstorganisierten und komplexen Enterprise 2.0 greifen quantitative Messmethoden immer weniger. An die Stelle von Kontrolle tritt zunehmend Vertrauen.“ (GfWM 2011: 13) Anders ausgedrückt geht es darum das Undefinierte, Offene, Flexible und Anpassungsfähige zu ertragen und zu lernen, wie es genutzt werden kann. Sicher kann dies von Wissensmanagern, Arbeitsorganisationsexperten oder Managementspezialisten vermittelt werden, aber meiner Meinung nach sollte die Interne Kommunikation hier ihre Kompetenzen erweitern und mit ihren Netzwerken und ihrem Wissen den Beitrag leisten, um diese Veränderung zu unterstützen und zu beeinflussen. Geld machen! Hier geht es nicht darum sich in akademischen Diskursen mit wenig Bezug zur Praxis zu verlieren. Es geht um die banalste aller unternehmerischen Fragen: Was ist mein erstes unternehmerisches Ziel? Geld machen, dürfte die meistgenannte Antwort sein. Und zwar mehr als ich ausgebe. Ein sehr reduktionistischer Ansatz, der aber zu den Grundprinzipien gezählt werden dürfte. Ein Enterprise 2.0 geht einen Schritt weiter: Nicht nur heute, sondern auch morgen Geld machen. Damit die Organisation, also das Unternehmen sicherstellen kann, dass dieser Überlebenskampf durch konstante Veränderung und Anpassung erfolgreich geführt wird, sind Einsichten wie die zu Anfang dieses Kapitels genannten unabdingbar. Der Managementexperte Fredmund Malik beschreibt die Anforderung an „richtiges und gutes“, also kybernetisches Management folgendermaßen: „Organisiere ein komplexes System so, dass es sich weitgehend selbst organisieren, selbst regulieren und evolvieren kann“. (Malik 2006: 28) Dies ist nichts anderes als die Grundlage einer Enterprise 2.0. Eine Führungskraft in diesem Kontext – Leadership 2.0 – deckt sich eher mit dem Profil eines Projektleiters statt eines Abteilungsleiters. Die Interne Kommunikation sollte in der Lage sein, ihr Kommunikationswissen diesen Führungskräften zu
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vermitteln und zur Verfügung zu stellen. Sozusagen als Inhouse Kommunikationscoaches. Was geschehen kann, falls man sich nur darauf verlässt heute Geld zu machen, sich aber nicht schnell genug an die immer kürzeren Innovationszyklen anpasst, um eben auch morgen noch Geld zu machen wird womöglich Nokia bald genauer erläutern. IBM hat ein ähnliches Schicksal abwenden können, in dem es sich komplett neu erfunden hat und zwar mehr als nur einmal. Ein alternatives Szenario wird im Buch „Ändere das Spiel“ beschrieben: „Im Jahr 2007 veröffentlichte Standard & Poor‟s (…) eine Liste von 500 Unternehmen, die zu den weltweit bestbewerteten Companies (…) gehören. Darin finden sich die Namen von 86 Unternehmen, die bereits im S&P 500 des Jahres 1957 aufgelistet waren. Es sind die Überlebenden. Alle übrigen Konzerne, die vor 53 Jahren zu den mächtigsten Unternehmen der Welt gehörten, gibt es entweder nicht mehr oder ihre Bewertung ist so gefallen, dass sie im Ranking von S&P nicht mehr vorkommen.“ (Murmann Verlag 2010:17)
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Was hält uns auf? Wie Enterprise 2.0 Tools genutzt werden, hängt letztlich von der Unternehmenskultur ab. Gleichzeitig können diese Tools den Veränderungsprozess hin zu einer Enterprise 2.0 Unternehmenskultur forcieren. Aber Vorsicht, denn „a fool with a tool, is still a fool“. Das Verteilen von iPads sagt womöglich mehr darüber aus, wie sehr man sich von oberflächlichen, modischen Accessoires blenden lässt, als über die Fähigkeit die Organisation auch im Unternehmenssinn (Kollaboration > Wissensmanagement > Innovation > Marktgewinne) zu gestalten (Prozesse) und die Mitarbeiter zu einem Verhaltenswandel zu motivieren. Letzteres ist ein elementarer Bestandteil um Ängste zu beseitigen, die darin begründet liegen können, sich der Veränderung nicht gewachsen oder die eigene Position gefährdet zu sehen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen das Potenzial von Social Media kaum nutzen oder sogar Verbote aussprechen. Es fehlt oftmals eine offene, partizipative Grundhaltung, die als eine Voraussetzung für den erfolgreichen Unternehmenseinsatz von Social Media gilt. Hier kann sich die Interne Kommunikation in einer neuen Rolle als „Evangelisierungszentrale“ positionieren und mit den bekannten Mitteln der Kommunikation Ängste und Vorbehalte der Mitarbeiter reduzieren. Beispielsweise können Anwendungsfälle für den Erfolg im Einsatz von Kollaborationstools erarbeitet werden und vor allem mit dem Kommunikationswissen der IK so aufbereitet werden, dass sie in bester Storytelling Manier (Text, Audio, Video) als Grundlage von internen Kampagnen dienen. Dies setzt natürlich voraus, dass die Interne Kommunikation daran gemessen wird und ein ernsthaftes, strategisches Interesse darin besteht, nicht nur Kollaborationstools einzuführen, sondern eine Kollaborationskultur entstehen zu lassen. Statt Verbote auszusprechen sollten Anwendungsrichtlinien zum verantwortlichen Umgang mit den neuen Kommunikationsmitteln erarbeitet werden, wie zum Beispiel Social Media Guidelines. Angst vor dem Wandel Angst. Vor Machtverlust. Vor dem Unbekannten. Vor dem Wandel. Angst ist eine der stärksten Emotionen. Bei aller rationaler Kommunikationsarbeit, Befähigung, Einbindung und Motivationssuche sollte daher die emotionale Ansprache nie außer Acht gelassen werden. Angst vor dem Wandel ist eher eine Frage von Werten und ein emotionaler Widerstand, dennoch ist der Mangel an Wissen nicht zu unterschätzen. Ein Ratschlag, wie dieser Mangel behoben werden könnte, lautet: „Gerade in Prozessen des beständigen Wandels ist es notwendig, die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Qualität und Menge zu erhalten, um schnell und präzise entscheiden zu können. Informationen müssen ungehindert hin- und herfließen können, wenn man Kreativitätspotenziale freisetzen und die Innovationkraft beflügeln will.“ (Buchholz 2000: 3)
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Wer, wenn nicht die Interne Kommunikation sollte sich dafür verantwortlich fühlen, diesen Informationsfluss in alle Richtungen freizusetzen? In einem Prozess der Entscheidungsfindung sollten die Beteiligten Zugang zu den Informationen haben, die sie benötigen, um sich ein klares Bild zu verschaffen und im Kontext mit den eigenen Erfahrungen sich eine eigene Meinung bilden zu können.
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Eine Frage der Kultur Die kritische Berücksichtigung kultureller Auswirkungen auf die allgemeine Akzeptanz und Annahme von Enterprise 2.0 darf nicht ignoriert werden. Echte Zusammenarbeit hängt stark von individuellen Vorlieben und der Beteiligung des Teams ab. Es geht darum, wie man mit individuellen Vorlieben, Gewohnheiten, Erfahrungen, Alter, Herkunft, Bildung, Charakter umgeht und eine gemeinsame Erfahrung aufbaut, die der Vorstellung der Mehrheit entspricht. Enterprise 2.0 Technologie wird für sich alleine genommen kein offenes, transparentes Arbeitsumfeld schaffen. Es besteht in erster Linie eine Abhängigkeit von einer positiven Unternehmens- und Kommunikationskultur. In der im Kapitel „Transformation zur Interne Kommunikation 2.0“ bereits zitierten Studie der Universität St. Gallen zeigt sich auch der Unterschied in den Unternehmenskulturen der befragten Organisationen. 49% bewerten ihre kulturellen Bedingungen als „förderlich“, 30% hingegen als „hemmend“. Offenbar benötigen fast ein Drittel der befragten Organisationen Maßnahmen zur Verbesserung der kulturellen Rahmenbedingungen. (Back 2011: 24) Enterprise 2.0, das auf horizontale, nicht-hierarchische Netzwerke basiert und sie fördert, muss sich im Regelfall mit einer stark vertikalen, zergliederten, tayloristischen Arbeitsorganisation auseinandersetzen, die neuen Herausforderungen weiterhin mit alten Antworten begegnet. Dieser Zustand der Arbeitsorganisation beeinflusst maßgeblich unsere Unternehmenskultur. Unter Kultur versteht man in diesem Zusammenhang die Gesamtheit der Einstellungen und Haltungen, die eine Gruppe teilt, ihre Werte und Einstellungen. (Murmann Verlag 2010: 36) Eine der anerkanntesten Definitionen für Unternehmenskultur stammt von Organisationsexperten Edgar Schein: „Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird“. (Schein 1995:S. 25) Oder sehr vereinfacht gesagt, Kultur beschreibt wie wir etwas machen, weil wir es schon immer so gemacht haben. Kultur, davon ist Professor Dr. Kruse überzeugt, ist auch im vernetzten Unternehmen die entscheidende Kontrollinstanz. „Kultur definiert Korridore, sie funktioniert im Netz wie ein Gewissen“, beschreibt Kruse. Sie lege fest, was im Netz gesagt und wie ein bestimmter Begriff verstanden wird. Der Vorteil gegenüber dem hierarchischen Modell: Sie funktioniert dezentral, weil in einer gemeinsamen Kultur alle Beteiligten selbst wissen, was geht und was nicht. Kultur ist demnach etwas ganz anderes als was Unternehmen bisher darunter verstanden haben: „Kultur ist kein abgehobenes Schönwetterthema, sondern ein harter strategischer Faktor“, sagt Kruse. Denn Netze werden erst durch Kultur intelligent. Im Enterprise 2.0 ist es daher Aufgabe der Unternehmensführung, diese Kultur zu formen. (Kruse in managerSeminare, 11/2011: 76)
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Interne Kommunikation als Kulturgestalter Und wenn es die Aufgabe der Unternehmensführung ist, diese Kultur zu formen, könnte es nicht die Interne Kommunikation 2.0 sein, die sich dieser Aufgabe in besonderer Weise annimmt? Sie hilft die Kultur mitzugestalten, die das Unternehmen formt und mit der sich Mitarbeiter identifizieren. Dazu muss sie eine aktivere Rolle übernehmen und sich weniger Gedanken über Kontrolle, Verbote und den Schutz von Herrschaftswissen machen. „In den Führungsetagen ist allerdings noch vielfach der Irrglaube präsent, dass Kommunikation kontrolliert und nach Belieben ein und ausgeschaltet werden kann.“ (Buchholz 2000: 5) Stattdessen kann die IK zum Enabler werden, der Einfluss auf das „Gewissen des Netzes“ (Kruse) nimmt ohne das Netz zu behindern oder zerstören. Denn wir brauchen die Fähigkeiten der internen – im Grunde genommen auch externen – Netzwerke, um unser Überleben als Unternehmen nicht als Selbstverständlichkeit vorauszusetzen, sondern die Grundlagen für den zukünftigen Geschäftserfolg zu legen.
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Keine Veränderung ohne Interne Kommunikation „Veränderung will jeder, wenn er dabei gleich bleiben kann“, lautet ein Zitat des Aphoristikers Kurt Haberstich und beschreibt damit eine sehr menschliche Verhaltensweise. Wie verhält sich die Interne Kommunikation in Zeiten der Veränderung? Gibt es eigentlich Zeiten ohne Veränderung? Nicht falls es nach dem Philosophen Heraklit geht: „Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung.“ Die erste Grundregel um einen Änderungsprozess anzustoßen lautet: Gib Antworten und schaffe ein Gefühl der Notwendigkeit bei einer kritischen Masse. Eine grundlegende Aufgabe der Internen Kommunikation ist es, nicht ausschließlich Veränderungsbotschaften zu verbreiten – womöglich sogar konstatierend statt antizipierend – sondern sich mit der grundlegenden Frage aller Veränderungsprozesse zu beschäftigen: Wie werden Betroffene zu Beteiligten? „Die meisten können und wollen nicht heraus aus dem Konventionellen: Weder im Denken, noch im Fühlen, am allerwenigsten im Handeln“, könnte man mit den Worten des Historikers Otto Weiß auf Heraklit antworten. Ein große Herausforderung eines Veränderungsprozesses ist die Tatsache, dass die Veränderung bereits beginnen sollte, wenn für viele noch keinerlei Anzeichen für die Notwendigkeit oder gar Vorteile eines Wandels zu erkennen sind. Leugnung ist die erste Stufe der Veränderungskurve (Rigal 2005: 32ff.).
Abb. 3: Transition Learning Curve Model
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Der Schlüssel liegt in der von Friedrich Schiller gestellten Frage: „Warum soll ich mich verändern, wenn ich mich wohlbefinde?“ Rein rational lässt sich ein Veränderungsprozess nicht kommunizieren, da auch der Unwille zur Veränderung sich nicht ausschließlich rational erklären lässt. „Logik ist so ziemlich das Letzte, womit sich unser Gehirn beschäftigt. Das Gehirn rechnet nicht, es will sich bloß wohlfühlen“, behauptet Susan Baroness Greenfield, Neurowissenschaftlerin (Murmann Verlag 2010: 35). Die Vorteile des Wandels kontinuierlich zu kommunizieren gehört zu den wesentlichen Aufgaben der Internen Kommunikation. Darüber hinaus gilt jedoch eine wesentliche Einsicht: „Veränderung zu kommunizieren, muss aber auch heißen, die Kommunikation zu verändern und diese ebenso konstant den Veränderungen anzupassen. Kommunikation ist ein Prozess, der eine Verhaltensänderung in Gang setzen und aufrechterhalten, die Umsetzung der Anforderungen des Wandels in Handlung initiieren muss.“ (Buchholz 2000: 1)
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Das Wissenszeitalter Wissensmanagement wie wir es bisher mehrheitlich in Unternehmen anwenden, basiert auf einem Konzept, in dem das Horten von Wissen weiterhin Macht bedeutet und das Teilen von Wissen eher zum eigenen Nachteil führt. Das ist kein ungewöhnlicher Eindruck aus der jüngsten Vergangenheit und passt in eine hierarchische Struktur innerhalb eines Unternehmens, dessen komplette Struktur aus dem Vor-Informationszeitalter stammt. Andererseits ist die Einsicht, dass Wissensmanagement mehr sein kann und wohl müsste nicht ganz so jung. Der berühmte Philanthrop und einer der reichsten Männer seiner Zeit, Andrew Carnegie, stellte bereits fest: “The only irreplaceable capital an organization possesses is the knowledge and ability of its people. The productivity of that capital depends on how effectively people share their competence with those who can use it.” In den bekannten Strukturen jedoch gibt es nur eine Richtung für den Fluss von Informationen und eventuell Wissen: Von oben nach unten. Auf dem Weg nach unten gab es im Laufe der Zeit immer mehr Engpässe. Schließlich nahm die quantitative Informationsmenge wie auch die Qualität des Wissens deutlich zu, während sich die Strukturen denen dieses Wissen eigentlich zugutekommen sollte starr geblieben sind und nicht die nötige Kreativität aufgebracht haben, sich der Komplexität einer freien Wissenswelt anzupassen. Social Media trifft auf Wissensmanagement Auf den ersten Blick erscheint der Hintergrund von Social Media und Wissensmanagement ähnlich zu sein. Es handelt sich jeweils um ein Szenario in dem Menschen Technologie einsetzen, um an Informationen zu kommen. Beide setzen voraus, dass Menschen ihr Wissen oder Informationen austauschen. Beide sind sich bewusst, dass eine hierarchiefreie Zusammenarbeit eine condicio sine qua non für ihren Erfolg darstellt. Die folgende Gegenüberstellung stammt von Dr. Alexander Stocker und beschreibt zum einen die Ziele traditioneller Wissensmanagementansätze und zum anderen Ziele von Projekten zur Einführung von Social Software im Unternehmen. (Stocker 2011) Wissensmanagement:
Schaffung einer organisationalen Wissensbasis Erleichterung des Zugriffs auf Wissen Benennung von Wissen als wichtige Ressource für Unternehmen und als Vermögenswert Kodifizierung von Wissen und Speichern in einer Datenbank Unterstützung des Wissensaustauschs über Face-2-Face Kontakte Sichtbar machen von Wissen im Unternehmen
Ziele von Projekten zur Einführung von Social Software im Unternehmen:
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Schaffung einer effizienten und ziel-orientierten Mitarbeiterkommunikation und Vermeidung von Information Overload Erreichung von effizientem Wissenstransfer Etablierung von Expertennetzwerken Erreichung von Mitarbeiterpartizipation und der Schaffung einer offenen Kultur Gesteigerte Awareness und Transparenz Unterstützung des Innovationspotenzials und Sicherstellung der Lebensfähigkeit einer Organisation
Soviel zur formalen Betrachtungsweise. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen beiden Welten. Traditionelles Wissensmanagement spiegelt eine hierarchische Ansicht des Wissens wider, die mit der hierarchischen Ansicht der Organisation übereinstimmt. Wissensmanagement im Unternehmen ist bisher im besten Fall ein Zustand in dem die Führungsebene darüber entscheidet, was der Einzelne zu wissen hat. Das hängt natürlich wiederum davon ab, was als wichtiges Wissen von einigen Wenigen eingestuft wird. Demgegenüber radikal konträr bewegen wir uns in der Social Media Welt. Die Macht der kollektiven Intelligenz bekommt hier die Möglichkeit sich zu entfalten. Hier entscheidet – neben dem technischen – der entscheidende „menschliche“ Filter über die Wichtigkeit der Inhalte. Ich vertraue dem Wissen meiner Freunde, meiner Community, meiner Kollegen in einem Netzwerk von Gleichgestellten. Die Bedeutung der Communities – in diesem Zusammenhang der internen Communities – die auf Selbstorganisation und je nach Abstufung auf Freiwilligkeit basieren, kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Die Macht der (internen) Communities Social Media beweist seine Überlegenheit in Communities, die im Bereich Wissenskreation, -bewertung, -vermehrung, -selektion und -teilung Vorteile gegenüber zentralistisch eingeführten Systemen aufweisen. Und in der Betreuung, Unterstützung und Förderung dieser Communities kann die Interne Kommunikation (Mitarbeiterkommunikation!) einen qualitativen Sprung vollbringen, der sie aus dem Rand in das Zentrum der Unternehmen bringen könnte. Diese überspitzte Darstellung zielt auch darauf ab, die Rolle der Internen Kommunikation nicht mehr ausschließlich hierarchisch zu definieren, sondern eingebettet im Organisationsnetzwerk. Dort sorgt die Interne Kommunikation dafür, dass der Austausch über alle Ebenen hinweg an Wissen und Informationen konstant hoch bleibt, und somit die Maschinerie jederzeit „wie geschmiert“ läuft. Meine Vereinfachung auf den Begriff der internen Communities, lehnt sich zwar an den Community of Practice (CoP) Ansatz, ohne jedoch die Unterscheidung zu den Wissensnetzwerken einzuführen, wie sie korrekterweise erwähnt werden sollte. „Während in einer CoP zumeist Selbstorganisation und Freiwilligkeit in den Mittelpunkt gerückt werden, handelt es sich bei den Wissensnetzwerken um ein organisatorisches Hilfsmittel, welches dazu dient, Experten zu strategisch wichtigen Themen gezielt zu vernetzen und damit virtuelle Zusammenarbeit zu ermöglichen.“ (GfWM, 2011: 6)
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Das kontrollierte Wissen Es sollte offensichtlich sein, dass dies mehr als nur eine einfache Änderung darstellt. Traditionelle Wissensmanager, Führungskräfte, Software-Berater führender Technologieunternehmen setzen alle möglichen Hebel in Bewegung, jeden auch nur ansatzweise vordergründig unkontrollierten Ansatz von Wissens- und Meinungsbildung zu unterdrücken, weil es ihre eigenen Interessen stören könnte. Wer heutzutage noch glaubt, Kontrolle sei eines der wesentlichen Merkmale einer Führungskraft, um hochqualifizierte Mitarbeiter zu motivieren, ignoriert dabei unter anderem die Tatsache, dass jeder Einzelne die Möglichkeit hat mit einfachsten Mitteln seine Meinung kundzutun – ob mit oder ohne Einwilligung – und vor allem, dass nicht die Kontrolle zu effizienteren Projektergebnissen führen wird, sondern die Rolle als Kommunikator, Vermittler, Motivator, Wissensentdecker und –förderer. „Wir sind das Wissen und wir entscheiden wer, was zu sagen hat“, ist eine Grundhaltung, die sich nicht mit einem Enterprise 2.0 vereinbaren lässt. Daher haben diejenigen Recht, die befürchten Enterprise 2.0 habe revolutionäre Ansätze. Und daher haben auch diejenigen Recht, die behaupten, dass gerade in diesen Strukturen eine Revolution unter dem Deckmantel der Evolution erfolgen muss, falls die Erfolgsaussichten nicht von vornherein ins Bodenlose fallen sollen. Dabei ist jene (soziale) Revolution nichts Besonderes. Systemtheoretiker nennen es einfach nur Selbstorganisation. Es ist die Fähigkeit, „sich durch Schaffung ganz neuer Strukturen und Verhaltensweisen komplett zu ändern.“ (Meadows 2010:185) Die Akzeptanz der Selbstorganisation Selbstorganisation beschreibt die Fähigkeit eines Systems, sich zu strukturieren, neue Strukturen zu schaffen, zu lernen oder sich zu diversifizieren. Ein Unternehmen ist eine Organisation und somit ein System, das sich – will es den Entwicklungssprung zum Enterprise 2.0 machen – der Selbstorganisation bedienen sollte. „Selbstorganisation bringt Heterogenität, Unberechenbarkeit und oft auch völlig neue Strukturen und Vorgehensweisen hervor. Sie braucht Freiheit, Experimente und ein gewisses Maß an Unordnung. Einzelpersonen und Machtstrukturen empfinden diese die Selbstorganisation fördernden Bedingungen oft als bedrohlich.“ (Meadows 2010: 99) Diese Art der Organisation zu verstehen erscheint schwierig; sie in traditionellen Industrie-Unternehmen zu akzeptieren, deren Management-Ebene in überholten Denkstrukturen gefangen ist, erscheint geradezu utopisch. Selbstorganisation kann zwar unterdrückt, nicht aber völlig verhindert werden ohne über kurz oder lang das System selber zum Einsturz zu bringen.
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Wissen „managen“ vs. Wissen teilen Wir haben es geschafft Computernetzwerke zu schaffen, sie unternehmensintern zu verbinden und haben darüber ein Kontrollsystem gelegt, das wir nun den menschlichen Netzwerken auferlegen möchten. Wir stecken Kabel in Computer und sagen ihnen, was sie zu tun, wie sie Informationen auszutauschen und was sie mit wem zu teilen haben. Alles dreht sich in dieser Datei-zentrierten Welt um Kontrolle. Anders als bei Computern jedoch ist der Wunsch nach sozialer Kommunikation und Vernetzung dem Menschen ein immanentes Bedürfnis. Das „alte“ Wissensmanagement ist gescheitert, weil es Wissen als transplantierbares Gut definiert, das man zentral bereitstellt. So sind die berüchtigten Datenfriedhöfe oder auch Datenmanagementsysteme entstanden, die Unmengen an Informationen oder explizitem Wissen horten und wahrscheinlich auf ewig für sich behalten werden. Das „alte“ Wissensmanagement will Wissen managen. Hierbei ist „managen“ ein euphemistischer Begriff für „kontrollieren“. Ein Pionier der modernen Managementlehre, Peter F. Drucker, sagte dazu: „You can't manage knowledge. Knowledge is between two ears and only between two ears.” Die kopernikanische Wissenswende In einem Enterprise 2.0 ist der Mensch das Zentrum, nicht die Datei oder das Dokument. Diese kopernikanische Wende stellt alles bisher Dagewesene in Frage. Es geht darum die Menschen zu verbinden, nicht mehr ausschließlich die Dokumente. Die Technologie-Experten geben uns die Werkzeuge – und die sollten so einfach handbar sein, wie die uns bekannten außerhalb des Unternehmens. Die nächste Generation der Mitarbeiterkommunikatoren sieht es als ihre Aufgabe an, die Mitarbeiter – also Wissensträger – zu verbinden. Das „alte“ Wissensmanagement fordert Wissensbereitstellung ein ohne ein Publikum zu schaffen. Mit anderen Worten: Ich will eine Anerkennung für das Bereitstellen, Teilen meines Wissens erhalten. Hier scheint intrinsische Motivation erfolgreicher zu sein als extrinsische. Dazu müssen aber zuerst einige Grundbedürfnisse abgedeckt sein. Mein Wissen macht mich zum Experten, der durch das Teilen eben dieses Wissens die Anerkennung der Kollegen und Vorgesetzten erhält. Gleichzeitig kann ich auch sicherstellen, dass jeder weiß, wer dieses Wissen hat. Es scheint immer deutlicher zu werden, dass es nur über die vernetzte Kommunikation und Kollaboration möglich ist, ein nutzbares Bild des Wissens dort zu bekommen, wo es gerade gebraucht wird. Denn eines gilt weiterhin: Wenn ich etwas wissen will, frage ich erst den Kollegen, den ich für einen Experten halte, statt mich in einem Wiki zurecht zu finden. Und egal wo diese Frage eventuell bereits schriftlich beantwortet worden ist wird es noch sehr oft so sein, dass die Mitarbeiter zuerst diesen Experten kontaktieren werden. Nur wie? Um auch in diesem Fall die richtigen Werkzeuge zu nutzen, kann die Internen Kommunikation 2.0 entsprechende Medienkompetenz vermitteln und vor allem den Nutzen für den einzelnen Mitarbeiter darstellen. Denn nur wenn ich meinen eigenen Nutzen, der in Verbindung zum Unternehmensnutzen stehen sollte, erkenne, handle ich auch entsprechend.
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Der Wissensarbeiter – Das unbekannte Wesen Wer ist eigentlich dieser Wissensarbeiter von dem so oft gesprochen wird? Der beste Freund der Internen Kommunikation 2.0 würde ich sagen, denn er ist der Kunde, der die Dienstleistung des IK 2.0-Mitarbeiters als Vernetzer, Kommunikator, Trainer, Coach, Kurator, Mediator, Wissensverteiler in Anspruch nimmt. Und letztlich sollte auch der Mitarbeiter der Internen Kommunikation 2.0 ein Wissensarbeiter sein. Die Entstehung der Wissensarbeit ist gleichzusetzen mit dem Wandel von einem tayloristisch ausgerichteten Unternehmen zu einem Enterprise 2.0. Die folgende Grafik der Gesellschaft für Wissensmanagement (GfWM) skizziert nicht nur, welche Artefakte, Werte und Prinzipien sich ändern, wenn von wissensbasierter, wissensintensiver Arbeit oder Wissensarbeit die Rede ist. Sie zeigt auch welche Art der Führung jeweils im Enterprise 1.0 gegenüber der Enterprise 2.0 gefragt ist.
Abb. 4: GfWM-Positionspapier Wissensmanagement und Enterprise 2.0 „Organisationskultur, Prinzipien und Werte“
Die GfWM liefert zudem noch die folgende Definition:
Wissensbasierte Arbeit: Tätigkeiten, bei denen Erfahrung und Wissen eine Rolle spielen. Wissensintensive Arbeit: Tätigkeiten, die eine umfassende Ausbildung bzw. langjährige Erfahrung in einem bestimmten Fachgebiet voraussetzen. Wissensarbeit: Tätigkeiten, bei denen das einmal erworbene Fachwissen nicht ausreicht, sondern die erfordern, dass das relevante Wissen (1) kontinuierlich revidiert, (2) permanent als verbesserungsfähig angesehen, (3) prinzipiell nicht
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als Wahrheit, sondern als Ressource betrachtet wird und untrennbar mit Nichtwissen gekoppelt ist, sodass mit Wissensarbeit spezifische Risiken verbunden sind. (GfWM 2011: 11)
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Arbeitsplatz der Zukunft Der Verlust von Wissen – egal ob implizitem oder explizitem – ist ein Versäumnis das sich keine Organisation leisten sollte. Es geht hier um die Überlebensfähigkeit des Unternehmens, dem es nicht um mehr Zentralisierung, sondern mehr Integration geht. Ein elementarer Unterschied. Wenn die Verantwortlichen auf Grundlage einer ungenügenden Wissensbasis Entscheidungen tätigen, die die Richtung des Unternehmens bestimmen, übernehmen sie auch die Verantwortung für die daraus resultierenden Fehlschläge der Organisation. In Zukunft wird ein Unternehmen auch dafür zur Verantwortung gezogen, die Entscheidungsgrundlage nicht fundiert genug vorbereitet zu haben, beispielsweise weil organisatorisches Wissen – Mitarbeiterwissen – nicht entdeckt, gefördert und zum Vorteil des Unternehmen in den Entscheidungsprozess mit einbezogen wurde. Enterprise 2.0 wird von seinen Gegnern mitunter als anarchisches System denunziert, weil solch ein System zu unproduktivem Chaos führe, weil keine Ordnung herrsche. Sie setzen Ordnung mit der Posten-Hierarchie gleich und vergessen dabei, dass es weiterhin Entscheidungsträger geben wird – die Entscheidungsgrundlage aber verbessert wird. Keine Zukunft ohne Lernen In einem Arbeitsplatz der Zukunft wird es für jeden Einzelnen zu Veränderungen kommen, die mithilfe der Internen Kommunikation 2.0 bewältigt werden sollten. Lernen wird hier im Mittelpunkt stehen. Ständiges, konstantes Lernen, ohne Rücksicht auf Hierarchien. Die Vorteile für den Einzelnen und die Organisation zu vermitteln – Wie? und Warum? – können Aufgabe der nächsten Generation der Internen Kommunikation sein. Der Schriftsteller und Futurologe Alvin Toffler betont die herausragende Bedeutung des Lernens mit dem folgenden Ausspruch: “The illiterates of the 21st century will not be those who cannot read and write but those who cannot learn, unlearn, and relearn.” Am Arbeitsplatz der Zukunft wird die Leistung nach dem Ergebnis und nicht nach der Vor-Ort-Präsenz oder der Anzahl der Stunden bewertet. Es ist ein Arbeitsplatz der sich hauptsächlich in Projektarbeit strukturiert, nicht in rigider Teamarbeit. Wissensarbeiter werden je nach Wissen (Qualifikation) den Projekten zugeordnet und erledigen ihre Aufgaben ortsunabhängig. Statt auf monotoner Wiederholung von Arbeitsprozessen zu beharren, die sich als nicht anpassungsfähig erwiesen haben und eher Fehler wiederholen als sie beheben, wird die Fähigkeit zur Veränderung ein Qualitätsmerkmal werden. SOS – Social Operating System Der folgende Abschnitt ist eine sehr gewagte Aussicht auf eine Zukunft, die womöglich genau so aussehen wird oder auch komplett anders. Es geht um die Verschmelzung eines physikalischen und digitalen Arbeitsplatzes, von der Vermischung zwischen Privatem und Beruflichem.
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Ich nehme mir die Freiheit einen noch tieferen Blick als bisher in die Glaskugel zu wagen. Auch wenn dieser Blick für viele Agentur-Mitarbeiter und Selbständige bereits Realität geworden ist. Ein Operating System, also Betriebssystem, wird von Wikipedia folgendermaßen definiert: “An operating system is software, consisting of programs and data, that runs on computers, manages computer hardware resources, and provides common services for execution of various application software. The operating system is the most important type of system software in a computer system. Without an operating system, a user cannot run an application program on their computer, unless the application program is self booting.” So viel zu Wikipedia und der Technik. Mir geht es nun um den nächsten Schritt. Die „Humanisierung“ des Betriebssystems. Ein soziales Betriebssystem. Ein Social Operating System. Ein SOS. Hierbei handelt es sich um ein System, dass im Grunde eine Hybridisierung von Mensch und Maschine darstellt. Ich würde es in einem Unternehmenszusammenhang so zusammenfassen: SOS beschreibt die Fähigkeit eines Systems ein lernendes Netzwerk von Informationen, Daten und Menschen bereit zu stellen, das die Art und Weise verändert wie Organisationen nicht nur Inhalte, sondern auch deren Kontext, austauschen, entwickeln und erneuern. Gehe ich von dieser Annahme aus, könnte die oben genannte Wikipedia Definition eines Betriebssystems mit einer kleinen Prise Ironie nun folgendermaßen lauten: A social operating system (SOS) is cloudware, consisting of knowledge and opinion, which runs on brains, manages human body resources, and provides communication services for execution of various sharing needs. The SOS is the most important type of collaboration platforms in a people and data network. Without an SOS, a user cannot adapt efficiently to social changes in this world, unless the world is selfbooting. Diese von mir frei erfundene und nicht ganz ernst gemeinte Adaption der Wikipedia Definition mag Einigen nicht ausreichen. Daher folgt hier ein Zitat, das sich bemüht ein Social Operating System zu beschreiben: “The essential ingredient of next generation social networking, social operating systems, is that they will base the organization of the network around people, rather than around content. This simple conceptual shift promises profound implications for the academy, and for the ways in which we think about knowledge and learning. Social operating systems will support whole new categories of applications that weave through the implicit connections and clues we leave everywhere as we go about our lives, and use them to organize our work and our thinking around the people we know.” (Schnell 2008) Die Mauer wird fallen Es wird keine Intranets mehr geben, wie wir sie heute kennen. Auch von Social Intranets wird nicht mehr gesprochen, da diese mühevoll innerhalb der digitalen
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Unternehmensmauern gebaut werden müssen, während in der Welt „da draußen“ die sozialen Medien sich in einem Tempo entwickeln, die jede unternehmensinterne Lösung bereits in der Planung „alt“ aussehen lassen. Ein SOS kann die Plattform werden, die es uns innerhalb UND außerhalb der Unternehmens-Firewall erlauben wird die Arbeitsmittel-Anforderungen einer Enterprise 2.0 zu erfüllen. Der erste Schritt in diese Richtung wurde von Google mit Google Plus gemacht, das eben nicht einfach ein weiteres soziales Netzwerk ist, sondern ein Netz von integrierten Diensten, die sowohl privat wie auch beruflich und offen oder geschlossen genutzt werden können. Die Mauer wird fallen, entweder man ist darauf vorbereitet oder es gibt den „Günter Schabowski-Moment“.
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Abb. 1: Bildunterschrift: Enterprise 2.0 – Nutzung & Handlungsbedarf im innerbetrieblichen, B2B und B2C Kontext Quelle: Back, Andrea: Enterprise 2.0 – Nutzung & Handlungsbedarf im innerbetrieblichen, B2B und B2C Kontext. T-Systems Schweiz AG, Zollikofen 2011. Seite 7. http://www.alexandria.unisg.ch/Publikationen/206057
Abb. 2: Bildunterschrift: Maslows ROI Hierarchy for Enterprise 2.0 Quelle: http://www.cloudave.com/631/maslow-s-hierarchy-of-enterprise-2-0-roi/ Abb. 3: Bildunterschrift: Veränderungskurve Quelle: http://silentedge.co.uk/approach/accreditation-reporting/ Abb. 4: Bildunterschrift: GfWM-Positionspapier Wissensmanagement und Enterprise 2.0 „Organisationskultur, Prinzipien und Werte“ Quelle: GfWM-Positionspapier Wissensmanagement und Enterprise 2.0. 2011. http://www.gfwm.de/fachteam. Seite 11.