Professor Allerhands
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unbekannte tierwelt kleines bestiarium der alltagsph채nomene
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wollmaus [mus vellus] Neugeborene Wollmäuse kommen mit einem dichten Fussel- und Haarflaum auf die Welt, mit dem sie so einiges aufsammeln. Die Jungtiere kriegen sich leicht in die Wolle und werfen so zweieinhalbwöchentlich ihre Haarpracht ab. Die erwachsene Wollmaus ist nackt und faltig. Sehr kinderreich; kurze Tragezeit. Die Größe der Mäuse variiert stark je nach Lebensraum und Nahrungsangebot, allerdings hat man schon Pelzüberreste von bis zu 15 cm Durchmesser gefunden. Wollmäuse benötigen kaum Flüssigkeit.
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schrumpf [aestus minimus] Unbeliebter Einwanderer, der über Waschmittel in die Haushalte gelangt. Der Schrumpf ernährt sich von Wolltextilien, die er mit Vorliebe schnürt und dröselt. Um seine Körpertemperatur zu halten, nistet der Schrumpf ausschließlich in Wäschetrocknern. Hinterlässt kleine, eingelaufene Kleidungsreste. Ansonsten ist er völlig überflüssig. Domestizierungsversuche scheiterten bislang an seiner Hitzköpfigkeit.
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verstohlener unterschlüpfer [repticis abstrudo] Flinkes, gewitztes Tier, das zu den Flachhörnchen gerechnet wird. Macht klammheimlich lange Finger. Trägt einiges; klaut vieles. Hamstert Legosteine, Scheren, Bonbons. Hortet gesammelte Beute in Sofaritzen, unter Teppichen und hinter Schränken als Vorrat für schlechte Zeiten. Stopft soviel in die Backen, wie hineinpasst. Lauert in seiner Behausung auf jede Gelegenheit, etwas zu entwenden. Manchmal kommen solche Gegenstände unvermutet aus Autoarmlehnen und untere Regalen wieder ans Tageslicht. Der Unterschlüpfer ist ein sehr vergessliches Geschöpf.
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ohrwurm [vermis canare] Trällert inbrünstig und vor allem ohne Unterlass sein Lied, das von Tag zu Tag wechseln kann. Weist am Körperende eine Ausbeulung in Form eines Resonanzorgans auf. Hört sich gern selbst zu. Schnappt Geräusche, Lieder und Wortfetzen auf, um diese immer und immer wieder zu wiederholen. Mag am liebsten Schnulziges. Labt sich an den veränderten Gemütszuständen des befallenen Wirts. Die Stadien des Befalls gliedern sich meist in Freude, Gleichgültigkeit, Ärger, noch mehr Ärger, Verdrängung bis hin zum Wahnsinn. Verbreitung durch virales Marketing über sämtliche Medienkanäle.
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gemeines zeitfresserchen [tempus exedo] Kleine, hektische Saugglockenschnaken, auch als ›Time Flies‹ bekannt. Auf den ersten Blick harmlos wirkende, flugtüchtige Insekten, die sich als überaus findige Zivilisationsschädlinge in vielen modernen Haushalten einnisten und Unmengen von Zeit fressen. Lauern an Fernbedienungen, Videokonsolen und Bildschirmen. Schwerer, chron(olog)ischer Krankheitsverlauf, hochgradig ansteckend. In den meisten Fällen ist die Entsorgung der befallenen Geräte die einzige Lösung.
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mopsender spitz [digitus longus] Spitzfindiger Bürosäuger; klassisches Raubtier. Unauffindbare Kugelschreiber, Bleistifte und manchmal sogar filzhaltige Plastikmarker sind meist ihm zum Opfer gefallen. Türmt seine Beute in Schubladen zu großen Horten auf. So manche große Sammlung wurde in seinem Lager gefunden. Um Drohfarben gegen natürliche Feinde annehmen zu können, frisst und saugt der mopsende Spitz Farbstifte aus, die er vertrocknet zurücklässt. Äußerst aggressive Revierverteidigung. Obacht vor seinem scharfen Mundwerk!
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stallpferdchen [eculeus temperamentum] Stammt ursprünglich aus Klosettanien. Lauert gerne in schäbigen Kneipen oder 3-SterneRestaurants. Trägt stolz viele, ineinandergreifende Zähne, die gleichsam mit dem Alter zunehmen. Zur Brunftzeit stürzen sich die Männchen kampfeslustig in Revierwettstreite und ungestüme Zippereien, bei denen sie sich aufreiben und sich die Zähne ausbeißen. Suchen die Wärme eines Stalls, gern mit Ausblick.
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schwachbrüstiger stolperer [debilis offensis] Geht oft mit dem ›Schmachvollen Stolperer‹ [contumeliosa offensis] einher. Auch der ›Kleine Schwachbrüstige Stolperer‹ [debilis offensis minimus] ist bekannt. Schmeißt sich in den unpassendsten Momenten seinem Opfer in den Weg. Klein und leicht zu übersehen; ausgeprägte Steinmimikry. Ein Zusammentreffen mit ihm endet meist in peinlichen Situationen. Lebt auf häuslichen Treppenstufen, Hauseingängen, Bühnen oder einfach auf offener Flur. Die Tiere können leicht gezähmt werden. Mag Gesellschaft; zeigt sich gern öffentlich.
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heissblütiger hockenbleiber [temperies sedere] Ein weicher, kissenartiger Säuger, der unbemerkt innerhalb der modernen Gesellschaft sesshaft geworden ist. Quartiert sich in Sitzmöbeln von U-Bahnen, Bussen und Taxen ein. Schläft auf öffentlichen Stühlen, Bänken und Sofas. Vermittelt dem sich Setzenden ein leicht angewärmtes muffiges und unangenehmes Gefühl. Der Heißblütige Hockenbleiber hält sich gern für jemanden warm.
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tollpatsch [vacerrosus extremitas] Eine aus dem Hinterland stammende Primatenart. Auffällig sind seine exorbitanten Arme, Hände und Augen, die ihm das Leben schwermachen. Besitzt zwei linke Hände. Einzelgänger, außer zu Paarungszeiten, in der sich in Rudeln zusammenfindet. Dennoch sind Tollpatsche vom Aussterben bedroht, da sie sich auch beim Geschlechtsakt gegenseitig behindern. Bringen die gefürchteten schwarzen Tage hervor. Der Tollpatsch schläft viel und ist grundlos zärtlich.
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fettnäpfchentieftaucher [intingo crassus] Flugunfähiger Vogel mit viel zu kleinen Füßchen, die ihn kaum auf dem Laufenden halten. Er sinkt schnell in plötzlich auftretende Feuchtgebiete ein, da er keine Schwimmhäute zwischen den Zehen besitzt. Der Fettnäpfchentieftaucher hat ein recht lockeres Mundwerk und faselt gern vor sich hin. Gott sei Dank kann er sehr lange die Luft anhalten. Sein Hinterteil schwimmt immer obenauf. Verspeist aus demographischer Weitsicht seine Nachkommen.
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inhalt
haus und hof
parasiten
wesenstierchen
12 Zweihörniger Wurmzüngler
54 Ohrwurm
92 Gieriger Geldsack
14 Lästiger Röhricht
56 Käsiger Fußkusu
94 Blaues Schlürfrüsselchen
16 Wollmaus
58 Flockiger Höhlennistling
96 Gemeiner Büroschläfer
18 Muffliger Stinker
60 Schlaflaus
98 Büroklammeräffchen
20 Glühendes Stromerchen
62 Bettbärchen
100 Gedankenlose Ölgötze
22 Staub- und Rußlinge
64 Gemeines Zeitfresserchen
102 Reudiger Schmutzfink
24 Gefräßiger Papierspinner 26 Sockenmull
104 Tollpatsch
auf offener flur
28 Sockenfraß
106 Soziale Amöbe 108 Sofakartoffel
30 Raffender Wäschemuff
68 Blauer Schlagoberst
110Stelzbock
32 Schrumpf
70 Mopsender Spitz
112 Fettnäpfchentieftaucher
34 Flachbrüstiger Filzkugler
72 Stallpferdchen
114 Hornschädel
36 Flusenflügler
74 Fadenscheiniger Hängenbleiber
116 Anführender Großhirnvogel
38 Gemeiner Hausschlupfwinkler
76 Arglistiger Schlammspringer
118 Pedantisches Klugscheißerchen
40 Windiger Heuler
78 Knopfäugige Raubwanze
120 Frivoles Buffetschweinchen
42 Manischer Langrüssler
80 Schwachbrüstiger Stolperer
122 Bissiges Revierwiesel
44 Wach- und Schließelster
82 Koffeinsäugling
124 Nimmersatter Wortschlinger
46 Verstohlener Unterschlüpfer
84 Verwaister Schnürfederling
126 Schmökernde Saugratte
48 Abkömmlicher Schräubling
86 Dreister Rüsseltrampler
50 Poogu
88 Heißblütiger Hockenbleiber