DIE ROLLE DES DOPINGS IN EINEM THEATER NAMENS TOUR DE FRANCE Eine rekonstruktive Diskursanalyse
Schriftliche Hausarbeit zur Erlangung des Grades eines Magister Artium (M.A.) der Philosophischen Fakult채t der Christian-Albrechts-Universit채t zu Kiel
Erstgutachter: Prof. Dr. Robin S. K채hler Zweitgutachter: Prof. Dr. Manfred Wegner
vorgelegt von Alexander Ohrt Kiel April 2009
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................................................... 3 Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................................................ 4 1.
Einleitung........................................................................................................................................................ 5 1.1 Versuch einer Doping-Definition ................................................................................................................ 8 1.2 Abgrenzung zu nicht behandelten Aspekten ........................................................................................... 11
2. Theoretischer Bezugsrahmen ........................................................................................................................... 14 2.1 Einführung ................................................................................................................................................. 14 2.2 Theorie der Selbstdarstellung im Alltag ................................................................................................... 16 2.2.1 Status der Goffmanschen Theorie ...................................................................................................... 20 2.2.2 Die Rahmentheorie ............................................................................................................................. 21 2.3 Die Macht des Diskurses ........................................................................................................................... 25 2.4 Die Mediale Vermittlung des Sports......................................................................................................... 28 3. Rekonstruktion diskursiver Dopingpraxis bei der Tour de France .................................................................... 30 3.1 Die Gründung der Tour de France ............................................................................................................ 32 3.2 Rahmung I: Der noch uneingeschränkte Dopingdiskurs .......................................................................... 33 3.2.1 Festlegung des Anforderungsprofils ................................................................................................... 34 3.2.2 1924 - Die Affäre Péllissier .................................................................................................................. 35 3.2.3 Hauptsache im Gespräch .................................................................................................................... 37 3.2.4 Etablierung des politischen Schemas .................................................................................................. 37 3.3 Rahmung II: Kurzfristige Problematisierung eines Kavalierdeliktes ........................................................ 40 3.3.1 Profit- und Dopingmaximierung ......................................................................................................... 40 3.3.2 1967 - Der Tod Tom Simpsons ............................................................................................................ 44 3.3.3 Einführung regelmäßiger Kontrollen .................................................................................................. 48 3.3.4 Etablierung des Geheimhaltungs- und Opferschemas........................................................................ 49 3.4 Rahmung III: Kriminalisierung ................................................................................................................... 53 3.4.1 EPOchaler Radsportboom ................................................................................................................... 53 3.4.2 1998 – Die Festina-Affäre ................................................................................................................... 57 3.4.3 Institutionalisierung der Anti-Doping Bemühungen ........................................................................... 61 3.4.4 Etablierung des Kriminalitäts-Schemas .............................................................................................. 65 3.5 Rahmung IV: Moralische Verdammung .................................................................................................... 69 3.5.1 Das Karriereende von Jan Ullrich ........................................................................................................ 69 3.5.2 2007 - Patrik Sinkewitz als medialer Doping-GAU .............................................................................. 76 3.5.3 Kommunikationskontrolle .................................................................................................................. 80 3.5.4 Etablierung des Täter-Schemas .......................................................................................................... 86 4. Zusammenfassung unter Bezugnahme auf die Rolle der Ethik ......................................................................... 91 4.1 Der Wandel der Sportethik .................................................................................................................... 91 2
4.2 Moral als mediales Konstruktionsprinzip ............................................................................................... 94 4.3. Der Medienskandal................................................................................................................................ 96 5. Fazit ................................................................................................................................................................. 100 Erklärung ......................................................................................................................................................... 103 Literaturverzeichnis............................................................................................................................................. 104
Abkürzungsverzeichnis AFLD
Agence française de lutte contre le dopage
AMG
Arzneimittelgesetz
ARD
Arbeitsgemeinschaft
der
öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten
Bundesrepublik Deutschland BDR
Bund Deutscher Radfahrer
CAS
Internationales Sportschiedsgericht (Court of Arbitration for Sports)
DOSB
Deutscher Olympischer Sportbund
dpa
Deutsche Presse Agentur
EPA
Éditions Philippe Amaury
EPO
Erythropoetin
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FFC
Französischer Radsport-Verband (Fédération Française Cyclisme)
FR
Frankfurter Rundschau
ICAS
International Council of Arbitration for Sport
IOC
Internationales Olympisches Komitee (International Olympic Committee)
MPCC
Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport
NADA
Nationale Anti-Doping-Agentur (National Anti-Doping Agency)
NZZ
Neue Zürcher Zeitung
UCI
Internationaler Radsport-Dachverband (Union Cycliste Internationale)
SZ
Süddeutsche Zeitung
sid
Sport Informationsdienst
taz
die tageszeitung
WADA Welt-Anti-Doping-Agentur (World Anti-Doping Agency) WADC Welt-Anti-Doping-Code (World Anti-Doping Code) WDR
Westdeutscher Rundfunk 3
der
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Grafische Darstellung der Imageverluste im Radsport von 2004 bis 2008……………………………………………………………………………………………………………..79 Abbildung 2: Grafische Darstellung von Einflussfaktoren auf das Image des Radsports von 2001 bis 2007....................…………………………………………………....80
4
1. Einleitung „Der Profiradsport hat etwas von einem Rattenrennen. Aber wenn ich zu den besten Ratten gehöre, kann ich 1 mich nicht bremsen“ Tom Simpson, Weltmeister und erster Dopingtoter der »Tour de France« „Der ganze Sport ist eine Bühne, und die Redaktion eines Senders übernimmt die Aufgabe, die im Theater ein 2 Regisseur hat“ Hans Mahr, ehemaliger Informationsdirektor bei RTL
„Tour der Schande“ (o.V., 26.07.2007), „Die Blutspur des Radsports“ (Geisser, 05.08.2007, S. 23), „Radfahr-Mafia“ (Hoeltzenbein, 26.07.2007, S. 4), „Ist der Sport noch zu retten?“ (Plättner, 30.05.2007), „Ein Krieg, bei dem es Opfer gibt“ (Schallenberg, 12.07.2008). Wer die Überschriften, Leitartikel und Aufmacher europäischer Tages- und Wochenzeitungen, Magazin-Sendungen und Brennpunkte der Fernsehsender, sowie die Anzahl der Treffer nach dem Suchbegriff Doping zwischen Juni und Juli im Verlauf der letzten drei Jahre betrachtet, kann zu folgenden Schlüssen kommen: Doping bedroht unsere Freiheit, schadet unserer Gesundheit oder zwingt uns in die Armut. Wie sonst ist es zu erklären, dass Betrugsfälle in einem erdachten Spiel namens Sport einen medialen Sturm der Entrüstung auslösen? Im Juli 2007 ist das Thema »Doping im Radsport/Tour de France« der am umfassendsten behandelte Inhalt innerhalb der Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1. Mit 365 Minuten rangiert die Thematik vor „Entführungen und Lage in Afghanistan“ (226 Minuten) und dem „Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn“ mit 165 Minuten (vgl. Schöberl, 26.08.2007).
Sportrechtliche
Vergehen,
die
keine
umfassenden
gesellschaftlichen
Auswirkungen besitzen, werden an prominentester medialer Stelle behandelt. Dort wo normalerweise von Kriegen, Finanzkrisen, Terrorgefahr, Stagnationen auf dem Arbeitsmarkt oder dem Klimawandel die Rede ist - Themen, deren Auswirkungen jeden Bürger eines Landes direkt betreffen - erscheint nun die Großaufnahme eines überführten Konsumenten von verbotenen Stimulanzien in einem gelben Hemd. Die Rede ist von der Tour de France und dem in den letzten Jahren Stück für Stück enthüllten Dopingsystem im Radsport. Die öffentliche Aufregung erscheint umso überaschender, da der Radsport im Allgemeinen und die Frankreich-Rundfahrt im Speziellen von Beginn an auf das Engste mit dem Dopingphänomen verknüpft ist.
1
2
(zitiert nach Fotheringham, 2007, S. 166). (zitiert nach Haupt & Pfeil, 02.08.2007, S. 18). 5
Das Phänomen des Dopings scheint in der öffentlichen Wahrnehmung unbestritten. Doper verstoßen gegen die Moral des Sports und gehören ausgeschlossen. Wenn ein Ausschluss keinen Sinn mehr macht, weil - wie im Falle der Tour de France - das Doping systematisch erscheint und kein »sauberer« Fahrer übrig bliebe, wird zunächst die Fernsehübertragung der Tour de France eingestellt. Im Anschluss werden Forderungen laut, nach denen der Radsport nicht mehr staatlich gefördert werden dürfe. Optimisten können daraus den Schluss ziehen, dass Doping damit wirksam verhindert werden kann, während Pessimisten auf die Vielzahl von betroffenen Sportarten verweisen und insofern nur noch ein Schluss möglich erscheint: „Der Sport ist tot. Doping hat ihn kaputt gemacht. Die Doper haben ihn verraten“ (Franke & Ludwig, 2007, S. 10). Schulze und Krauss (2008, S. 7) entgegnen aufgrund der jahrhundertelangen Dopingtradition mit einer Frage: „Geht der Sport kaputt, seit es ihn gibt?“ Wenn letzteres der Fall wäre, hätte der Sport nicht den Stellenwert, den er heute als globaler Wirtschaftsfaktor und staatlich gefördertes Kulturgut besitzt. Selbst die Tour de France erweist sich, allen Dopingenthüllungen der letzten Jahre zum Trotz, in diesem Jahr in ihrer 106. Auflage als quicklebendig. Aber warum erfährt das Dopingphänomen eine derartige gesellschaftliche Aufmerksamkeit, wenn es dem Sport anscheinend doch nicht gefährlich werden kann? Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich zwar auf die Tour de France als „Epizentrum“ (Knobbe, 2000, S.139) der aktuellen Dopingdebatte, jedoch ist dieses Phänomen keines, das außerhalb des Radsports nicht existieren würde. Es tritt nur nicht so deutlich zu Tage. So soll sich auch zeigen, ob der Radsport mit seinen Superlativen der frühesten Kommerzialisierung, dem ersten verzeichneten Dopingfall und der scheinbar größten Dichte an öffentlichen Dopingfällen eher eine Prophezeiung des Spitzensports, als eine Ausnahme darstellt. Wenn sich im Radsport Entwicklungen zeigen, die aufgrund seiner besonderen Geschichte anderen Sportarten nur vorweggenommen ist, handelt es sich bei der Tour de France vielleicht lediglich um eine Stellvertreterdiskussion. Wenn das Dopingphänomen in der Lage ist, das drittgrößte Sportereignis der Welt (vgl. Leibundgut, 2000, S. 74) mit seiner 106-jährigen Geschichte in Frage zu stellen, findet am Beispiel des Radsports womöglich eine öffentliche Verhandlung über die Zukunft des Spitzensports statt. Damit stünde eine der weltweit größten Unterhaltungsindustrien zur Disposition.
6
Das erkenntnisleitende Interesse, dass sich aus den aufgezeigten Phänomenen ableitet, lautet in der Folge: Welche Rolle spielt das Doping für den Fortbestand des Spitzensports am Beispiel der Tour de France? Im Laufe dieser Arbeit soll versucht werden, Aufschluss über diese Frage zu erhalten. Dabei gilt es, mit Hilfe soziologischer Theorien das DopingPhänomen der Tour de France in einen anderen Verstehenshorizont zu transformieren. Diese Maßnahme soll helfen, die Strukturen des öffentlichen Dopingdiskurses offenzulegen, dessen Zugang beschränkter zu sein scheint, als gemeinhin angenommen. Die Soziologen Bette und Schimank (2006, S.35) sprechen von der Etablierung einer „ultrastabilen Deutungsgemeinschaft“ aus Medien, Sportveranstaltern und der werbetreibenden Wirtschaft, welche das Phänomen des Dopings öffentlich behandeln. Insofern geht es im Endeffekt darum, mit welchen Strategien ein Problem behandelt wird, das im Zuge der Professionalisierung des Sports von seinen bestimmenden Akteuren hervorgerufen wurde und nun im Falle der Tour de France paradoxerweise ihre Machtposition zu gefährden scheint. Grundlegend ist der Argumentation Gampers (2000, S. 45) zu folgen, der das Dopingphänomen in zwei verschiedene Dimensionen aufteilt. Auf der einen Seite steht der Sportler und sein Umfeld, der nach der Definition der »Welt-Anti-Doping-Agentur« (WADA) verbotene Substanzen zu sich nimmt und in der Regel darüber schweigt. Auf der anderen Seite steht die Öffentlichkeit, die Doping nicht praktisch, sondern theoretisch in Form der massenmedialen Berichterstattung erfährt. In Anlehnung an den Philosophen Michel Foucault unterscheidet Gamper in diesem Zusammenhang die „soziale Praktik“ der konkreten
Tätigkeiten
gegenüber
der
„diskursiven
Praktik“
(ebd.)
als
deren
Wissenshintergrund. Dafür sollen im Rahmen einer Diskursanalyse unterschiedliche Interessenshintergründe der am Diskurs beteilgten Akteure beleuchtet werden. Anhand von ausgewählten Schlüsselereignissen sollen im Laufe der massenmedialen Berichterstattung der letzten Jahrzehnte die argumentativen Standpunkte von Sportlern, Wirtschaft, Medien, Tour-Veranstalter und Politik dargestellt werden. Dabei ist anzunehmen, dass sich die Aussagen in Bezug auf ihre soziale Rolle unterscheiden. Dieser „Definitionswettkampf“ (Keller, 2005, S. 55) um die Beurteilung des Dopingphänomens soll dabei in Bezug auf die massenmediale Bewertung abschließend unter dem Gesichtspunkt der Ethik betrachtet werden, deren Bedeutung sich deutlich bei den gängigen Semantiken in Form von »Dopingsumpf« und »sauberer« vs. »schmutziger« Sport zeigt. Es soll darum gehen, die
7
Regeln des Dopingdiskurses aufzuzeigen. Was darf gesagt werden und was nicht? Der Diskurs markiert die Spielregeln, sozusagen das Drehbuch für die an der Aufführung der Tour verantwortlichen Akteure. Ziel ist es, einen Einblick in dieses Drehbuch zu erhalten, um ein Verständnis für die Rolle des Dopings in einem Theater namens Tour de France zu gewinnen. Der daraus erfolgende Erkenntniszuwachs mag auch bei der Beurteilung von Dopingfällen in anderen Feldern des Spitzensports behilflich sein, eine möglichst unvoreingenommene Sichtweise einzunehmen, weil er einen Blick auf die „Hinterbühne“ (Goffman, 1969, S. 104) des Spitzensports gestattet. „Wenn […] die Mechanismen, die diese Entwicklung bestimmen, großenteils symbolische sind, dann kann man meiner Meinung nach von der Analyse, die sie aufdeckt, erwarten, daß sie an sich schon dazu beiträgt, die symbolische Gewalt einzudämmen, die mit Hilfe dieser Mechanismen ja nur solange ausgeübt werden kann, wie sie unerkannt bleiben“ (Bourdieu, 1995, S. 270). Im Sinne des Soziologen Bruno Latour (2007, S. 438) soll es darum gehen, aus der moralische Verdammung des Dopings als „unbestreitbare Tatsache“ wieder eine „umstrittene“ zu machen, um mit Hilfe einer verfremdenden Betrachtungsweise zu neuen Einsichten zu gelangen. Im Hinblick darauf gilt es zu prüfen, ob das Dopingphänomen nicht wie vielfach behauptet eine Ende des Spitzensports bedeutet, sondern dessen öffentliche Verhandlung im Gegensatz dazu erheblich zur Sicherung des spitzensportlichen Schauspiels beiträgt.
1.1 Versuch einer Doping-Definition Der Einsatz leistungssteigernder Substanzen ist so alt wie der Sport selbst. Sich innerhalb eines Wettkampfes einen Vorteil beim Erreichen seiner Ziele gegenüber seinen Mitstreitern zu verschaffen, stellt ein überindividuelles Phänomen dar und geht zurück bis in das antike Griechenland (vgl. Hoberman, 1994, S. 125). Im Gegensatz zum damaligen Einsatz von natürlichen Mitteln 3 beinhaltet ein modernes Verständnis des Dopingphänomens eine Steigerung der menschlichen Leistungsfähigkeit durch künstliche Substanzen (vgl. ebd. S. 120). Entstanden ist diese Auffassung mit dem Auftreten des professionell betriebenen
3
Bereits die Griechen griffen vor über 2000 Jahren auf Kräuter, Pilze und Stierhoden zurück (vgl. Christensen, 1999, S. 5). 8
Sports um 1900 durch eine Kombination von Diskurssträngen aus der Medizin, der Rechtssprechung und der Sportethik (vgl. Schnyder, 2000, S. 73). So wird der erste offiziell dokumentierte Dopingfall auf das Jahr 1886 datiert. Der Walliser Arthur Linton fällt nach der Einnahme leistungssteigernder Mittel während des über 600 Kilometer andauernden Radrennens Bordeaux-Paris tot vom Rad (vgl. Gamper, 03.09.1999, S. 21). Drei Jahre später erhält das Wort Doping erstmals Einzug in ein englisches Wörterbuch, bezeichnet dort allerdings den Einsatz von Opiaten und schmerzstillenden Mitteln zur betrügerischen Erhöhung der Leistungsfähigkeit im Pferderennsport (vgl. Arndt, Singler, & Treutlein, 2004, S. 12). Die Beurteilung des Dopingphänomens erscheint schwieriger als auf den ersten Blick vermutet. Das beginnt bei seiner Definition. Hoberman (1994) bezeichnet die Festlegung einer allgemein anerkannten Sprachregelung als ein existenzielles ethisches Problem der modernen Sportwissenschaft (vgl. Hoberman, S. 121). Dies hänge vor allem mit der laufenden Entwicklung neuartiger Substanzen und einem sich stetig wandelnden Verständnis gegenüber Leistungssteigerung und deren Begrenzung zusammen (vgl. ebd. S.122). So kritisieren Bette und Schimank (2006) die bisherigen Dopingdefinitionen, die auf Ebene der Sportverbände in zwei verschiedene Ansätze unterteilt werden können. Der Entwurf des Europarates von 1963 definiert Doping als „Verabreichung […] oder […] Gebrauch körperfremder Substanzen in jeder Form und physiologischer Substanzen in abnormaler Form oder auf abnormalem Weg an gesunde Personen mit dem einzigen Ziel der künstlichen und unfairen Steigerung der Leistung im Wettkampf“ (Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 259). Die Autoren führen an, dass sich der Spitzensport grundlegend als chancenungleich, daher als unfair darstelle, weil Menschen aus aller Welt daran beteiligt und infolge dessen im direkten Wortsinn weit davon entfernt seien, dieselben Voraussetzungen im Hinblick auf die gegebenen sozialen oder biologischen Umstände zu teilen. Wer in einem Land wie Deutschland aufwachse, könne auf ein umfassendes Sportförderungssystem zurückgreifen, das gerade in nicht entwickelten Ländern fehle (vgl. Bette & Schimank, 2006, S. 177-178). Weiterhin kann ein Sportler, der in der Höhe lebt, auf natürliche Weise einen Sauerstoffgehalt im Blut erzielen, der für europäische Athleten neben Höhentrainingslagern nur durch den Einsatz von Erythropoetin (EPO) zu erzielen ist. In diesem Falle würde erst der Einsatz von Dopingmitteln die Chancengleichheit wieder herstellen. Der andere Aspekt der
9
Unnatürlichkeit erscheint schon insofern problematisch, da Marijuana oder Kokain ebenso wie das Eigenblutdoping natürlichen Ursprungs sind, aber gegenüber eines Nichtanwenders einen unfairen Vorteil verschaffen würden. Auch die Verbindung zur gesundheitlichen Schädigung lässt die Unnatürlichkeit nicht zweifelsfreier in Bezug auf die Dopingdefinition werden, da Übertraining und unausgewogene Belastungen über Jahre den Körper des Spitzensportlers über akute Verletzungen hinaus in gesundheitsgefährdendem Ausmaß belasten (vgl. ebd. S. 179). „Gesundheit im Leistungssport ist weder Kriterium noch Ziel“ (Heidmann, 2008, S. 40). Sportler lassen sich im Endeffekt den Verbrauch ihrer Körpersubstanz finanziell erstatten (vgl. ebd. S. 40). Zuletzt zeigt sich der Gebrauch dieser Begrifflichkeiten im Rahmen der Definition des Europarates besonders in Bezug auf die Rechtssprechung als problematisch, da ihnen die Trennschärfe fehlt, um Gültigkeit vor einer sportlichen Gerichtsbarkeit zu besitzen. Deren Notwendigkeit wurde den Sportverbänden spätestens seit den dopingbedingten Todesfällen der Radfahrer Knud Jensen (1960) und Tom Simpson (1967) offenkundig. Die Mängel dieser „Wesensdefinition“ des Europarates sollten durch eine enumerative Liste vermieden werden, die 1986 vom IOC entwickelt wurde und an die Stelle einer moralischen Bewertung einen sportrechtlich sanktionierbaren Verbotskatalog setzt. Basierend auf diesem Ansatz wurde die heute gebräuchliche und rechtlich bindende Doping-Definition im März 2003 auf der Welt-Anti-Doping-Konferenz in Kopenhagen verabschiedet. Die damaligen Repräsentanten von Sportverbänden aus 80 Nationen und dem IOC verpflichteten sich mit ihrer Unterschrift zur Umsetzung des »Welt-Anti-Doping-Codes« (WADC). Es wird ein „Sportsgeist“ propagiert, der auf „Fairness und ehrlicher sportlicher Gesinnung“ im Sinne des Olympismus fußt (vgl. WADA, 2009, S. 14). Doping stehe folglich im fundamentalen Widerspruch zu diesen Werten (vgl. ebd.). Die zur Umsetzung des Codes geschaffene »World Anti-Doping-Agency« (WADA) veröffentlicht mindestens einmal jährlich eine aktuelle Liste verbotener Wirkstoffe und Methoden. Auf sechs Seiten werden dort folgende Mittel aufgeführt: Stimulanzien (z.B. Amphetamine), Narkotika (z.B. Heroin), Synthetische anabole (z.B. Anabolika) sowie körpereigene Steroide (z.B. Testosteron), Beta-2-Agonisten (z.B. Clenbuterol), Diuretika (zur Verschleierung anderer verbotener Mittel), Peptidhormone (z.B. Epo) und Kortikoide (zur Steigerung der Belastungsdauer). Weitere vier Seiten verweisen auf verbotene Methoden zur Leistungssteigerung. Darunter fallen Blutdoping, die Anwendung
10
künstlicher Sauerstoffträger/Plasmaexpander, Urinmanipulation und Gendoping (vgl. Arndt, 2004, S. 48-50). Doping liegt somit vor, wenn ein Athlet oder dessen Umfeld in Form von Physiotherapeuten, Trainer, Teammanager und weiteren Betreuern gegen die Anti-DopingBestimmungen der WADA verstößt, also beispielsweise bei einer Kontrolle positive Werte zeigt oder sich der Probenentnahme entzieht (vgl. Arndt, Singler, & Treutelin, 2004, S. 12). Die definitorischen Unzulänglichkeiten des Europarat Entwurfes konnten zwar behoben werden, aber neue, unlängst größere Probleme treten an ihre Stelle. Besonders die aus einer Verbotsliste hervorgehende implizite Aufforderung, dort nicht aufgeführte Mittel verwenden zu dürfen, wirft erhebliche Defizite auf. „Alles was nicht verboten ist, ist geboten, um mit den mutmaßlich ebenso kalkulierenden Gegnern mithalten zu können“ (Bette & Schimank, 2006, S. 189). Ein weiteres Problem an der derzeit geltenden Dopingdefinition der WADA beschreibt Stygermeer (1999, S. 119), indem er deren Rechtssprechung auf die Strafgesetze überträgt. Demnach könnte ein Giftmörder nur dann verurteilt werden, wenn die Substanz, die er benutzte, bereits Einzug auf eine Verbotsliste gefunden hat. Zusammenfassend überrascht die Tatsache, dass die öffentliche Verurteilung des Dopings so eindeutig ausfällt, wenn gleich das Dopingphänomen so schwer zu definieren ist.
1.2 Abgrenzung zu nicht behandelten Aspekten Der wissenschaftlichen Umgang mit den Dopingphänomen lässt sich in die Verschärfer (Franke & Ludwig, 2007), die Präventionalisten (Bette & Schimank, 1995, 2006; Arndt, Singler & Treutlein, 2004), die Moralisten (Lenk, 2007; Meinberg, 2007), die Anti-Moralisten (König, 1996; Gebauer, 1997), die Konstruktivisten (Gamper, 2000; Trümpler, 2007) und die Freigeber (Daumann, 2008; Tamburini, 2000) kategorisieren. Die Freigeber argumentieren auf der Basis einer grundsätzlichen Unlösbarkeit des Dopingproblems im Sport, die sich im historischen Verlauf zeige (Daumann, 2008, S. 150). infolge dessen bliebe als letzte Konsequenz übrig, Doping im Hochleistungssport für Erwachsene zu liberalisieren, was die Gesundheit der aus der Illegalität befreiten und nun unter ärztlicher Aufsicht befindlichen Sportler verbessere (ebd. S. 153). Nach rationalen Aspekten erscheint dieser Zusammenhang nachvollziehbar. Da der Mensch allerdings auch unter emotionalem Einfluss steht, kann die praktische Durchführbarkeit dieses Ansatzes vor
11
dem Hintergrund der staatlichen Förderung des Spitzensports und der Wahrung des Kulturguts
Sport,
inklusive
seiner
Vorbildfunktion
in
Zweifel
gezogen
werden.
Dementsprechend verfolgen die Verschärfer keinen Umsturz, sondern eine Anpassung des bestehenden Sportsystems. Da das Doping den Sport ermorde (Franke & Ludwig, 2007, S. 10), entwerfen die Autoren einen „Rettungskatalog“ (ebd. S. 231-235), der im Rahmen eines rigideren Umgangs mit dem Phänomen unter anderem eine Verschärfung der Kontrollen und lebenslange Sperrung für überführte Sportler fordert. Im Gegensatz dazu sind die Präventionalisten nicht, wie im Falle der Freigabe oder des strikteren Verbots, der Ansicht, dass das Dopingproblem lösbar ist, sondern verfolgen das Ziel, „Doping so unwahrscheinlich, wie möglich zu machen“ (Arndt, Singler, & Treutlein, 2004, S. 19). Dies soll durch eine argumentative Erziehung der Sportler und deren Verantwortungsträgern erreicht werden. Bette und Schimank (1995, 2006) gehen in ihrem systemtheoretischen Ansatz grundlegend davon aus, „daß mehrere Akteure durch ihre Interessenverschränkung transintentinal dazu beitragen, die Dopingfalle herzustellen und am Leben zu halten“ (Bette & Schimank, 2006, S. 13). Doping entstehe folglich aus der Tatsache, dass Medien, Wirtschaft, Verbände und der Staat durch die Verfolgung ihrer individuellen Ziele in Form von positiver Aufmerksamkeit und finanziellen Erträgen den Sportler dazu bringen, Substanzen einzunehmen, gegen die er sich zu Beginn seiner Karriere verwehrt hätte. Aus Sicht der Prävention besteht der beste Lösungsansatz darin, biographische Risiken für den Sportler zu verringern, indem er sich mehr Misserfolg erlauben kann, wenn ihm sein Umfeld bessere Verdienstmöglichkeiten nach Ende der sportlichen Karriere in Aussicht stellt (vgl. Bette & Schimank, 2006, S. 236). Die Ergebnisse von Bette und Schimank erweisen sich als entscheidende Grundlage für das Verständnis des Dopingphänomens, da nicht nur das Doping, sondern auch das System des Spitzensports als ein Teil von ihm untersucht wird. Dieser Aspekt ist eine entscheidende Weiterentwicklung gegenüber der verschärfenden Sichtweise, die es überwiegend dabei belässt, »Dopingtäter« an den moralischen Pranger zu stellen. Philosophisch und ethisch begründet wird dieser Pranger durch die Moralisten. Sie setzen sich zum Ziel, eine „Humanisierung“ (Lenk, 2007, S. 60) des Wettkampfes zu bewirken. Dabei dient die Ethik als theoretische Leitlinie, nach der die Moral als praktische Handlung ausgerichtet werden soll (vgl. Meinberg, 2007, S. 17). Doping werde in Anlehnung an Bette und Schimank strukturell erzeugt, verstoße gegen die
12
Fairness und solle, wenn das Problem schon nicht lösbar sei, zumindest „kontrollierbar(er)“ (Lenk, 2007, S. 68) gemacht werden. Demgegenüber argumentieren die Anti-Moralisten, dass eine ebensolche Sichtweise für die Analyse des Dopingphänomen hinderlich ist, da der wissenschaftlichen Blick zur Wahrung ethischer Ziele beschränkt wird. „Unter ethischem Aspekt betrachtet, lebt die Antidoping-Moral im Sport von der Annahme, daß Doping und Sport Antipoden seien, und genau damit verspielt sie die Chance, am Beispiel des Sports Wesentliches über den Sport in Erfahrung zu bringen“ (König, 1996, S. 233). Wer die Moral mitsamt ihrer traditionellen Prinzipien wie Chancengleichheit, Fairness und Gesundheit auf den Spitzensport anzuwenden versucht, impliziert damit eine grundlegende Ethik in diesem kommerziellen Feld, die nach Gebauer (1997, S. 69-70) nicht vorhanden ist. „Ein ethischer Sport […] unterstellt dem gegenwärtigen Sport eine geschönte Praxis, verspricht den punktuellen Einsatz von Heilungskräften der Ethik und läßt alles, wie es ist. Ein hochwillkommenes intellektuelles Schlafpulver“. Die Kritik an den verschärfenden und moralisierenden Ansätzen zielt darauf ab, die Systemimmanenz des Dopings im Spitzensport (vgl. Haug 2006, S. 226; Stygermeer, 1999, S. 129) nicht anzuerkennen. Als problematisch an dem umfassenden Untersuchungsansatz von Bette und Schimank (1995, 2006) zeigt sich hingegen die Starrheit des systemtheoretischen Modells. Es stellt zwar alle entscheidenden Akteure in ihrem gegenseitigen Handeln vor, aber gibt keine Auskunft über die sich verändernden Machtverhältnisse untereinander. Wie sich im Laufe der Arbeit zeigt, sind die öffentlichen Ansichten in Verbindung mit definitorischen Entwürfen und dazugehörigen Repressionen gegenüber dem Doping einem stetigen Wandel unterworfen. Weil es noch bis zur Mitte des 20. Jahrunderts kein Dopingverbot gab, wurden Sportler mitunter vom Publikum ermutigt, leistungssteigernde Mittel einzunehmen, während sie in der heutigen Zeit bei einer entdeckten Anwendung von Dopingmitteln öffentlich als »Sünder« gelten. Diejenigen
Akteure,
die
dazu
beitragen,
die
öffentliche
Wahrnehmung
des
Dopingphänomens in ihrem Sinne zu beeinflussen, üben mehr Macht aus als Akteure, die nicht daran beteiligt sind. Von dieser Annahme gehen die Konstruktivisten aus, die auf Basis der Anti-Moralisten aus argumentieren. „Die
Kontrolle
über
den
Dopingdiskurs
gehört
so
zu
den
zentralen
Machterhaltungsstrategien des Sportsystems, an dem vor allem diejenigen
13
interessiert sind, welche in der Machtkonstellation gute Positionen inne haben“ (Gamper, 2000, S. 56). Basierend auf der Annahme, dass Doping auf der einen Seite untrennbar mit dem kommerziellen Spitzensport verbunden ist, auf der anderen Seite aber eine massive Gefährdung dieses Systems zu sein scheint, soll es im Rahmen dieser Untersuchung darum gehen, auf welche Art und Weise das Dopingphänomen im Laufe der Zeit öffentlich be- und verhandelt wird. Im Rahmen einer konstruktivistischen Perspektive soll eine rekonstruktive Diskursanalyse Auskunft darüber geben, auf welche Art und Weise das gesellschaftliche Wissen über das Doping generiert und aktualisiert wird und welche Auswirkungen damit verbunden sind.
2. Theoretischer Bezugsrahmen Im Folgenden werden soziologische Theorien als Grundlage eingeführt und die in der vorliegenden
Arbeit
verwandte
Terminologie
erläutert,
um
begrifflich
bedingte
Missverständnisse zu vermeiden. Zentrale Begriffe der in dieser Arbeit verwendeten Theorien und Untersuchungen sind die Rollentheorie, die Rahmentheorie und der Diskursbegriff.
2.1 Einführung Man stelle sich vor, dass ein amerikanischer Austauschschüler zum ersten Mal in seinem Leben mit dem Fußballspiel in Kontakt gerät. Wie er es vom American Football in seiner Heimat gewöhnt ist, könnte er den Ball mit der Hand aufnehmen und zu einem Mitspieler nach vorne werfen. Kinder, die in der europäischen Variante des Fußballs vertraut sind und mit dem Amerikaner spielen, würden ihn auf seinen Regelverstoß aufmerksam machen und bei erneutem Verstoß möglicherweise aus dem Spiel aussondern. Will der amerikanische Junge weiterhin mitspielen, wird es für ihn sinnvoll sein, sich dem gegebenen Regelwerk anzupassen. Wollen die anderen Kinder auf diesen Spieler nicht verzichten, werden sie sich
14
Mühe geben, ihn an die neuen Regeln zu gewöhnen. In Bezug auf die Theorie des »Symbolischen Interaktionismus« soll dieses fiktive Geschehen verdeutlichen, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, sein soziales Umfeld zu interpretieren, um angemessen handeln zu können. Schlicht und Strauß (2003, S. 11) betonen in Anlehnung an George Herbert Mead die Flexibilität der sozialen Umgebung. Demnach gibt es keine starren Handlungsmuster, die bei bestimmten Reizen abgespult werden, sondern eine soziale Realität, die durch die Interaktion einem steten Anpassungs- und Veränderungsprozess unterworfen ist. Die Art des Reizes bestimmt die Reaktion und die Reaktion bietet wiederum einen neuen Reiz im Rahmen einer „wechselseitigen Beeinflussung“ (Mummendey, 1995, S. 113). Basierend auf Gesprächen oder Handlungen mit anderen Menschen schreiben wir Personen oder Dingen Bedeutungen zu, um in Abgrenzung zu oder Teilnahme mit anderen zur eigenen Identität zu gelangen (vgl. Schlicht & Strauß, 2003, S. 11). Um in sozialen Situationen
gemeinsames
Verhalten
gewährleisten
zu
können,
also
eine
Kommunikationsgrundlage herzustellen, obliegt es den sozialen Akteuren, einen „sozialen Konsenz“ (Mummendey, 1995, S. 113), wie im Falle der gemeinsamen Fußballregeln, in der Deutung der Situation herzustellen. Dies wird vor allem durch „signifikante Symbole“ (ebd.) deutlich, die eine erlernte Reaktion bei Interaktionspartnern auslösen können. Wenn der Amerikaner nun in Bezug auf das Fußballspiel anhand des Balles lernt, wie andere ihn nicht mit der Hand spielen, kommt es zur „Übernahme der Rolle des anderen“ (ebd. 114), wenn er den Ball in der Folge ausschließlich mit dem Fuß spielt. Symbolische Bedeutungsträger können im Rahmen der Interaktion auch Sprache oder Personen sein (vgl. ebd.). Im ersten Falle lösen zum Beispiel ein Hilferuf bestimmte, erlernte Reaktion hervor, während im zweiten Fall Menschen gegenüber einem Kassierer ein anderes Verhalten zeigen, als gegenüber einem Polizisten (vgl. ebd.). „Soziales Handeln ist immer Handeln-in-Rolle, sowohl im Verstehen des Handelns anderer wie auch in der Reflektion auf eigenes Handeln“ (Rapp, 1973, S. 101). Als Rollen werden demnach Positionsinhabern zugehörige Bedeutungs- oder Wertzuschreibungen bezeichnet, die dessen Verhalten und das seiner sozialen Umwelt in einem bestimmten Interaktionszusammenhang bestimmen (vgl. ebd. S. 115). In dem Moment, wo zwei Menschen interagieren, beziehen sie ihre Selbstdarstellung auf die Selbstdarstellung des anderen. Die Rolle ist dabei „das Dritte, was zwischen Personen
15
kommuniziert wird“ (Rapp, 1973, S. 101). Erst die soziale Rolle ermöglicht die Interaktion, weil sie eine soziale Position zuweist. „Indem der Einzelne soziale Positionen einnimmt, wird er zur Person des Dramas, das die Gesellschaft in dem er lebt, geschrieben hat. […] Soziale Rollen bezeichnen Ansprüche der Gesellschaft an die Träger von Positionen, die von zweierlei Art sein können: zum einen Ansprüche an das Verhalten der Träger von Positionen (Rollenverhalten), zum anderen Ansprüche an sein Aussehen und seinen »Charakter« (Rollenattribute)“ (Dahrendorf, 2006, S. 37). So verlangt auch die Position eines Leistungssportlers bestimmte Verhaltensweisen. Die Gesellschaft erwartet von ihm ein auf Leistung ausgerichtetes Leben, das nicht in Berührung mit dem Laster zu kommen hat und insofern eine gesellschaftliche Vorbildfunktion erfüllen kann. Sportler haben sich diesen Anforderungen anzupassen. Beispielhaft wurde dieser Zusammenhang an Michael Phelps, US-amerikanischer Schwimmer und erfolgreichster Olympionike aller Zeiten. Ein britisches Boulevardblatt hatte Phelps mit einer Wasserpfeife am Mund abgebildet. Ohne Anti-Doping Regeln zu verletzen, „habe der achtmalige Goldmedaillengewinner […] viele Menschen enttäuscht“ (o.V., 02.06.2009). In der Folge sperrte der US-Schwimmverband den Athleten für drei Monate.
2.2 Theorie der Selbstdarstellung im Alltag Auf der Grundlage des aufgezeigten sozialtheoretischen Verständnisses entwirft der Soziologe Erving Goffman in seinem Werk „The Presentation of Self in Everyday Life“ ein Analyse-Modell, um alltägliche, symbolische Interaktionsmuster zu beschreiben. Ihm geht es dabei um den Versuch von interagierenden Menschen, das gegenseitige Verhalten zu kontrollieren (vgl. Goffman, 1969, S. 7). Der Einzelne ist bestrebt bei anderen einen Eindruck hervorzurufen, der sie dazu bringt, „freiwillig mit seinen Plänen übereinzustimmen“ (Goffman, 1969, S. 8). Goffman benutzt zur Beschreibung dieser Vorgänge basierend auf dem Konzept der sozialen Rolle des Symbolischen Aktionismus, eine Metaphorik aus der Welt des Theaters. Soziales Verhalten gleicht demnach einem wechselseitigen Einfluss zwischen der schauspielerischen Darstellung einer Rolle und dessen Publikum (vgl Mummendey, 1995, S. 118). Dabei geht es nicht um Fragen der Schauspielkunst oder 16
Bühnentechnik, sondern um die dramaturgischen Aspekte eines sozialen Schauspielers bei seiner Darstellung (vgl. Goffman, 1969, S. 18). Goffman interessiert als Dramatologe, wie die Schauspieler „ihre ‚Rollen‘ meistern, welche Drehbücher sie benutzen, und welches Publikum sie wie ansprechen“ (Hitzler, 1998, S. 93). Goffman geht nicht davon aus, dass Menschen untereinander ein bereits vohandenes Skript abspulen, sondern begreift sein Modell als eine mögliche Perspektive zum Verständnis sozialer Interaktionsprozesse (vgl. Früchtl & Zimmermann, 2001, S. 12). Der Nutzen dieses Theoriekonstruktes liegt in der Gewinnung neuer Erkenntnisse durch die Verfremdung scheinbar selbtverständlicher Sichtweisen (vgl. Willems, 1998, S. 25). Das Alltägliche wird sichtbar gemacht, indem man es in einen anderen Zusammenhang transferiert. Diesen soziologischen »Verfremdungseffekt«, den bereits Bertold Brecht im Rahmen seines Theaterkonzeptes verfolgte, soll den Leser bzw. Zuschauer zur Reflektion über den auf der Bühne stattfindenden Alltag anregen, ihn eine kritische Perspektive einnehmen lassen und abschließend zu einem Lerneffekt führen (vgl. Langer, 1996, S. 95). Der Darsteller4 kann verschiedene Strategien anwenden, um sein Publikum in seinem Sinne zu beeinflussen. Entscheidend dabei ist, dass er sein Publikum von der Richtigkeit seines Rollenspiels auf der Bühne überzeugt (vgl. Langer, 1996, S. 72). Erst wenn er dies schafft, vermag er sein Publikum von seiner Darstellung zu „verzaubern“ (ebd. 74) und damit nach seinen Zielen in Richtung soziale Akzeptanz lenken. Insofern ist es in Bezug auf eine erfolgreiche Darstellung wichtig, dass der Schauspieler „während der Interaktion das ausdrückt, was er mitteilen will“ (Goffman, 1969, S. 31). Die Interaktion verläuft daher nicht ungeplant, sondern wird arrangiert und für andere mit „Deutungs- und Regieanweisungen“ (Soeffner, 2004, 171) versehen. Der Einzelne oder eine Gruppe von Darstellern ist bestrebt die Intepretation des sie umgebenden sozialen Umfelds in ihrem Sinne zu beeinflussen, damit sich deren Interpretation nicht als nachteilig für sie auswirkt. Ziel der Darstellung ist ein für ihre Bestrebungen vorteilhaftes Image als „eine Art schnell lesbarer charkterliche Kurzbeschreibung“ (Früchtl & Zimmermann, 2001, S. 12). So können die Darsteller ihre Interaktionsprozesse „dramatisch gestalten“ (Goffman, 1969, S. 31), indem sie durch Überzeichnungen ihre Aussagekraft erhöhen. Sie können ihre
4
Aus Gründen der Lesbarkeit soll in der folgenden Arbeit in der männlichen Form auch die weibliche enthalten sein. 17
Interaktionen zudem auch „idealisieren“ (ebd. S. 35), indem sie sich besonders eindringlich auf angesehene, gesellschaftliche Werte beziehen. Gerade bei der Taktik der Idealisierung wird es nötig, Eindrücke, die nicht mit den gewünschten übereinstimmen, zu verbergen. Darsteller betreiben demnach „Ausdruckskontrolle“ (ebd. S. 54), indem sie soziale Disziplin an den Tag legen. Sollten nämlich Tatsachen ans Licht kommen, die mit der erzeugten sozialen Rolle unvereinbar erscheinen, kann es den gesamten Status des Darstellers bedrohen (vgl. ebd. S.60). Wenn sich das Publikum während einer bestimmten Darstellung getäuscht fühlt, hat ein Betrüger kein Recht mehr auf das Spielen seiner in dieser Situation vorgeführten Rolle und es wird für ihn unmöglich, die Zuschauer in seinem Sinne zu beeinflussen. Stimmen die Verhaltensweisen nicht mit der sozialen Rolle überein, fehlt die Interaktionsgrundlage. „Die Verkörperung besagt, dass das Individuum sich verbindet mit der in einer Situation erforderlichen Gestalt. Um sich mit den Partnern verständigen zu können, muss es Verhaltensweisen annehmen, die eine Interaktion ermöglichen“ (Langer, 1996, S. 10) Im Umkehrschluss hängt eine erfolgreiche Darstellung davon ab, ob das Publikum die Darstellung als ehrlich ansieht, unabhängig davon, ob dies zutrifft oder nicht (vgl. Goffman, 1969, S. 66). Wenn mehrere Individuen gemeinsam eine Rolle bilden und damit eine kollektive Zielsetzung verfolgen, handelt es sich um ein „Ensemble“ (ebd. S. 79). Die Ensemblemitglieder unterstehen überwiegend den Anweisungen eines „Regisseurs“ (ebd. S. 91-92), der ihre Darstellung koordiniert. Dieser ist innerhalb der Gruppe dafür zuständig, durch Beruhigung, Maßregelung oder Bestrafung auf unvorteilhafte Darstellungen einzuwirken, Darsteller gegebenfalls aus der Besetzungsliste zu streichen, aber auch die Rollenvergabe innerhalb des Ensembles zu übernehmen. Neben der Regie existiert als zweite Machtposition die des „Hauptdarstellers“ (ebd. S. 92), der meist besonders gekennzeichnet in der Mitte der Bühne steht und in ähnlicher Weise wie der Regisseur auf das Publikum einwirken kann. Allen Gruppenmitgliedern ist gemein, den gewünschten Eindruck auf der dem Publikum zugewandten „Vorderbühne“ (ebd. S. 100) aufrechtzuerhalten und sich in Folge dessen an die aufgestellten Regeln des Ensembles zu halten (vgl. Willems, 1977, S. 286). Handlungen, die davon abweichen, werden auf die „Hinterbühne“ (Goffman, 1969, S. 104) verlegt und somit der Publikumseindruck durch eine Zugangskontrolle „manipuliert“
18
(ebd
S.107).
Jedes
einzelne
Gruppenmitglied
trägt
die
Verantwortung
„Gruppengeheimnisse“ (ebd. S. 130), über die nur ein Mitglied des entsprechenden Ensembles verfügt, zu bewahren. So kann ein „Wir-Gefühl“ (Langer, 1996, S. 93) entstehen. Ein „Denunziant“ verstößt gegen diese Regel, indem er als Teil des Ensembles „destruktive Informationen“ (Goffman, 1969, S. 133) von der Hinterbühne an das Publikum verrät. Neben „Publikums“- und „Darstellungsensemble“ gibt es noch die „Außenseiter“ (ebd. S. 132), die weder auf die Vor- noch auf die Hinterbühne zugreifen können. Aus ihnen besteht das soziale Umfeld, die das Schauspiel zwar verfolgen, aber nicht direkt in die Interaktion eingreifen. Eine besondere Rolle innerhalb der Zuschauer nimmt der „Clacqueur“ (ebd. S. 134) ein. Er handelt im Interesse der Darsteller auf der Bühne, weiß um die Zielsetzung des darstellenden Ensembles, sitzt aber im Zuschauerraum und wird deshalb von dem zuschauenden Ensemble als einer der ihren wahrgenommen. Genau andersherum verhält es sich mit dem „Kontrolleur“ (ebd. S. 134-135). Dieser aus Sicht der Darsteller vermeintlich harmlose Zuschauer ist formell oder informell legitimiert, sich verborgenes Wissen anzueignen, um das vorgezeigte Stück im Rahmen „ethischer Strenge“ (ebd. S. 135) zu überwachen. Die Rolle des „Vermittlers“ (ebd. S. 136-137) lässt sich als eine Art Claqueur in beide Richtungen beschreiben. Er dient sowohl der Darstellung auf der Bühne, indem er den gewünschten Eindruck unterstützt, als auch der Kontrolle der Darstellung. Um auf der Vorderbühne einen vorteilhaften Eindruck gegen Denunzianten und Kontrolleure bewahren zu können, müssen alle Ensemblemitglieder konform, beherrscht und achtsam handeln. „Ensemble-Verschwörungen“ (ebd. 162-163) bezeichnen geheime Kommunikationsformen im Sinne von Regieanweisungen, die Ensemblekollegen vom Publikum unbemerkt austauschen, um die gegenseitige Vorstellung unter anderem vor Enthüllungen zu schützen. Allerdings sind sowohl das Publikum als auch die Außenseiter innerhalb ihrer Rolle bis zu einem gewissen Grad bestrebt, die Darstellung auf der Bühne zu sichern. So gebietet es der „Takt“ (ebd. 210), nicht ohne Vorwarnung an die Darsteller die Hinterbühne zu betreten, sowie sich während der Vorstellung möglichst ruhig zu verhalten, aber auch Fehler, die von den Darstellern begangen werden, bis zu einem gewissen Maß unbeachtet lassen zu können. Sowohl das Publikum als auch die Schauspieler sind in diesem Sinne aufeinander angewiesen, um eine erfolgreiche Darstellung zu erleben. Der Zuschauer ist bestrebt, von der Rolle überzeugt zu werden (vgl. Langer, 1996, S. 76), um sich einfühlen zu können
19
(Goffman, 1969, S. 211). Und der Darsteller kann überzeugend spielen, wenn sich das Publikum an die Regeln ihrer Rolle hält (vgl. Langer, 1996, S. 76). Zusammengefasst verpflichten sich alle Akteure zur Einhaltung eines bestimmten Ethos, einer Moral dessen Einhaltung nur im Sinne der Rolle nötig ist und das Spiel erst ermöglicht (vgl. Goffman, 1969, S. 230). „Der ganze Apparat der Selbstinzenierung ist natürlich umständlich; er bricht manchmal zusammen und enthüllt dann seine Bestandteile: Kontrolle über die Hinterbühne, Ensembleverschwörung, Publikumstakt usw. Wenn er aber gut geölt ist, dann bringt er die Eindrücke schnell genug hervor, um uns in einem unserer Realitätstypen gefangenzunehmen – die Vorstellung gelingt, und das fixierte Selbst, das jeder dargestellten Rolle zugeschrieben wird, scheint seinem Darsteller selbst zu entströmen“ (Goffman, 1983, S. 231-232).
2.2.1 Status der Goffmanschen Theorie Goffman gilt als eigentlicher Motor der Rollentheorie (Miebach, 2006, S. 101). Seine soziologische Handlungstheorie findet bis heute Verwendung und fand ebenfalls Eingang in die Sozialpsychologie. Mummendey (1995) erarbeitete eine Kategorisierung von positiven und negativen Selbstdarstellungstechniken im Sinne der Theorie der Goffmanschen Theorie der Selbstdarstellung. Mit der erstgenannten Form versucht eine Person sich selbst in erhöhender Weise darzustellen, indem sie ihre positiven Merkmale betont. Wenn die Person sich eher entschuldigt oder andere diffamiert, wendet sie negative Darstellungstechniken an (Mummendey, 1995, S. 140-141; vgl. Mummendey, 2006). Somit behalten die Annahmen Goffmans nach derzeitigem experimentell überprüftem Forschungsstand ihre Gültigkeit. Diese Tatsache ist insofern erwähnenswert, da Goffman nahezu unmethodisch vorzugehen scheint. Sein qualitatives Vorgehen wird von ihm kaum reflektiert, so dass seine Methoden bis heute Rätsel aufgeben (Willems, 1997, S. 290). Kritik an seinem Ansatz formuliert Münch (2003), der die Rolle übergeordneter gesellschaftlicher Einflüsse, wie zum Beispiel von Macht oder Herrschaft auf die Individuen (vgl. Münch, 2003, S. 307) in seiner Theorie vermisst. Die Kritik von Haug (1972) geht in die gleiche Richtung, indem sie die allumfassende Anwendbarkeit der Rollentheorie kritisiert. 20
Durch die Rollenmetapher würden alle Menschen ihrer Unterschiede beraubt. Es interessiere weder Herkunft noch Status, sondern lediglich die Art und Weise wie die Rolle ausgefüllt werde (vgl. Haug, 1972, S. 123). So werden die Hintergründe der Interaktionen nicht beleuchtet. Die Rollentheorie verhülle gar den Einfluss von Macht und Herrschaft. „Es scheint als ob die Welt vorab strukturiert wäre, um im nachhinein die Menschen in Rollen einzusetzen. Als Aggregatzustand der Bühnenhaftigkeit interessieren Autor und Inhalt des vorgegebenen Stücks nicht mehr“ (Haug, 1972, S.123). Mit anderen Worten fragt Goffman nur nach dem Wie, aber nicht nach dem Warum. Wie Goffman selbst einräumt, bleibt der Widerspruch zwischen künstlichem Schauspiel und realer Handlung im Endeeffekt unauflösbar, so dass man die Theatermetaphorik lediglich als Gerüst betrachten sollte. Ein Modell, das man errichtet, um es
anschließend wieder
auseinanderzunehmen (vgl. Goffman, 1969, S. 232). Was bleibt, ist ein Analyse-Schemata mittels eines soziologischen Beschreibungsinstrumentariums für soziale Interaktionen. Mit Hilfe der hier aufgezeigten Metaphorik lassen sich soziale Situationen beschreiben, in denen sich Menschen vor anderen Menschen darstellen, sich wechselseitig wahrnehmen und ihr Schauspiel ineinander verschränken (vgl. Hitzler, 1998, S. 96). Gerade der Aspekt der Ausdruckskontrolle bietet eine interessante Perspektive, um selbstverständlich gewordenen Ansichten in Bezug auf das im Verborgenen stattfindende Doping zu verfremden und damit zu neuen Einsichten zu gelangen. In Bezug auf die Ausdruckskontrolle sozialer Akteure stellt sich die Frage nach deren Wahrnehmung im sozialen Umfeld.
2.2.2 Die Rahmentheorie Goffman (1977) vertieft die Prinzipien seiner „Theorie der Selbstdarstellung im Alltag“ in Form der „Rahmenanalyse“. Der Fokus liegt nun weniger auf der Dramaturgie des Darstellers, sondern mehr auf der Deutung ihres Spiels. Goffman strebt an, aus der Perspektive eines Neuankömmlings in einer sozialen Situation eine Antwort auf die Frage zu finden: „Was geht hier eigentlich vor?“ (Goffman, 1977, S. 35). Er beschreibt die Erfassung der sozialen Umstände, an deren Interpretation der Darsteller sein zielgerichtetes Handeln ausrichtet und damit wiederum für seine Zuschauer eine Interpretation derselben Situation ermöglicht. Menschen versuchen im ersten Schritt, Situationen in denen sie sich befinden, zu 21
deuten, bevor sie darauf durch ihre Handlung im zweiten Schritt antworten. Diese Deutungen erfolgen durch die Analyse von „Rahmen“ (Goffman, 1977, S. 19). Je nach dem, welche Rahmen das Individuum aufgrund von Deutungen sozialer Symbole identifiziert, vermutet es, welche Handlungen ihm aufgrund der gedeuteten Beobachtung erlaubt sind und welche aus dem Rahmen fallen würden (vgl. Soeffner, 2004, S. 164). „Durch
jene
metakommunikativen
Beigaben
erhält
tendenziell
jeder
Kommunikationsakt eine fiktionale Qualität: Ich muß anzeigen, daß etwas so und nicht anders gemeint ist, weil es auch anders gedeutet werden könnte (Soeffner, 2004 , S. 170-171). So gilt es zum Beispiel, für das Individuum zu klären, ob eine bestimmte direkte oder indirekte Verhaltensaufforderung aus Sicht des Adressaten ernst zu nehmen oder aber als ironischen Ursprungs zu werten ist. Im ersten Fall würde die Person aufgrund von identifizierten, symbolischen Äußerungen oder Gesten der Aufforderung Folge leisten und im zweiten Fall womöglich lediglich darüber lachen, ohne weitere Handlungen folgen zu lassen. In beiden Fällen wirkt das Individuum zurück auf seine soziale Umwelt. Aufgrund der individuellen Deutung der Situation und der darauffolgenden Handlung „hat das Individuum die Möglichkeit, der Rahmung eine persönliche Note zu verleihen und damit die anderen Interaktionsteilnehmer zu reizen, darauf zu reagieren“ (Miebach, 2006, S. 66). Erfolgreiches Handeln im Sinne der Durchsetzung individueller, strategischer Interessen setzt im Endeffekt eine Identifizierung des geltenden Rahmens voraus, in welchem die Interaktion stattfindet (vgl. Willems, 1997, S. 40). Somit kann ein „Rahmen“ (ebd. S. 113) vereinfacht als Schemata symbolhafter sozialer Normen verstanden werden, wohingegen die „Rahmung“ (ebd.) die Interpretation dieser Normen und die darauf folgende Handlung meint. Willems (1997, S. 46) versteht die Begriffe als „sozialen Sinn und sinnaktualisierende Praxis“. Während der Rahmen relativ stabil erscheint, kann eine unpassende Rahmung zu einem Verhalten führen, das aus dem Rahmen fällt. Wie bereits bei der Ausdruckskontrolle beschrieben, bemühen sich die Darsteller, einen gewünschten Eindruck bei ihrem Publikum zu hinterlassen. Unter Eindrucksmanagement kann in diesem Zusammenhang verstanden werden, eine Situation im Sinne der eigenen Ziele zu rahmen. Somit kommt es zu einem „Wettbewerb zwischen den Akteuren und Gruppen, die verschiedene Techniken der Rahmung einer Situation voll ins Spiel zu bringen und zwar so, wie es für ihre Ziele am günstigsten ist“ (Münch, 2003, S. 285).
22
Rahmungen einer Situation werden insofern wiederum dramaturgisch produziert. Als Deutender bildet sich aus vielen Handlungseindrücken ein Sinnmuster heraus, als Handelnder fügt sich aus vielen Teilhandlungen eine Darstellung zusammen (vgl. Soeffner, 2004, S. 174). „Alle Interakteure bilden […] im Norm- und Normalfall ein Team im Dienst der »Framing Order«“ (Willems, 1997, S. 67). Dazu gehören - wie bereits bei der Theorie der Selbstdarstellung angedeutet - „dramaturgische Loyalität […], dramaturgische Disziplin […] und dramaturgische Sorgfalt […] “ (Goffman, 1969, S. 193-198). Das Rahmenkonstrukt vermag in Erweiterung zur Theatertheorie nicht nur Interaktionen in der empirisch vorliegenden Gegenwart zu untersuchen, sondern auch in ihrem historischen Verlauf. Das zeigt sich beispielhaft an der Überführung einer sozialen Situation in einen anderen Interaktionskontext. Goffman führt dies unter anderem am Beispiel des Sports vor. Ein ursprünglicher Kampf zwischen Menschen wird mittels eines Systems von Konventionen in einen Wettkampf überführt bzw. moduliert (vgl. Goffman, 1977, S. 69). Im Falle eines Faustkampfes, der von allen Beteiligten als dieser wahrgenommen wird, spricht Goffman von einem „primären Rahmen“ (ebd. S.31) als wirkliche Erfahrung. Ein sportlicher BoxWettkampf hingegen bildet den primären Rahmen einer kämpferischen Auseinandersetzung nach, lässt sich nun allerdings von seinen Interaktionspartnern als etwas anderes interpretieren (vgl. Wittmann, 2007, S. 85), nämlich als Sport. So verhindern die Regeln, dass die Sportler beim Versuch, die Interaktionen auf dem Spielfeld zu deuten, ihre Handlungen vor dem Hintergrund einer reellen kämpferischen Auseinandersetzung bis zum blutigen Ende ausführen. Im historischen Verlauf ändert sich zum Beispiel im Hinblick auf den RegelRahmen der Grundsatz von ‚alles ist erlaubt‘ bis hin zu einer gegenwärtigen Definition davon, was einen Regelverstoß darstellt und wie dieser geahndet wird (Goffman, 1977, S. 69). Eine weitere Transformation von ursprünglichen, daher primären Rahmen, führt er mit dem Begriff der „Täuschung“ (Goffman, 1977, S. 98) an. Diese Umdeutung ist gegeben, wenn ein Täuschender andere Interaktionsteilnehmer hinters Licht führt und sie somit zu Getäuschten macht. Zur Wahrung der Ziele des Darstellers wird es in diesem Zusammenhang notwendig, den Zuschauern einen unwahren Eindruck davon zu vermitteln, was vor sich geht (vgl. ebd.). Wenn ein Sportler dopt, dieses öffentlich aber nicht zugibt, wird die Analogie zur Täuschung im Goffmanschen Sinne offensichtlich.
23
Zusammengefasst geht es Goffman darum, die handlungsleitenden Rahmen zu analysieren und damit zu identifizieren. „Man muß sich ein Bild von dem oder den Rahmen einer Gruppe, ihrem System von Vorstellungen, ihrer »Kosmologie« zu machen versuchen […] (Goffman, 1977, S. 37). Die Rahmenanalyse vertieft das Beschreibungsinstrumentarium für soziale Interaktionen, das Goffman innerhalb seiner Theatertheorie entwickelt hat. Der Fokus liegt nun insbesondere auf dem Rahmungswettbewerb der sozialen Akteure um die Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele. „Was Goffman lehrt, ist die Ökonomie des symbolischen Eindrucksmanagements“ (Münch, 2003, S. 306). Gerade dieser Aspekt erweist sich als fruchtbar für die Analyse der Dopingthematik, da es sich dabei nicht um etwas Feststehendes, sondern um ein verhandeltes Gut handelt. Davon ausgehend, dass soziale Interaktionen im Rahmen massenmedialer Vermittlung auf der Grundlage theatraler Metaphoriken beschrieben werden kann, soll versucht werden, dieses theoretische Konzept für das Dopingphänomen nutzbar zu machen. Um jedoch einen Erkenntniszuwachs durch einen
»Verfremdungseffekt«
zu
erzielen,
bedarf
es
eines
zusätzlichen
erkenntnisgenerierenden Ansatzes, wie auch Früchtl & Zimmermann (2001, S. 13) betonen. Auf der einen Seite gilt es, der bereits beschriebenen methodischen Rätselhaftigkeit Goffmans Herr zu werden. Da er kaum die Grundlagen seiner empirischen Datensammlung offenlegt 5 , ließe sich seine Theorie schwerlich eins zu eins auf die Dopingthematik übertragen. Weiterhin sollen die Defizite einer Beschreibung auf der Oberfläche durch eine stärkere Akzentuierung der gesellschaftlichen Hintergründe sozialer Handlungen innerhalb der medialen Dopingthematisierung herausgearbeitet werden. So bleibt auch die Rahmentheorie trotz ihrer neuartigen historischen Komponente bei der Beschreibung des Ist und erwähnt nicht welche Umstände dazu geführt haben (vgl. Willems, 1997, S. 66). Bei einer soziologischen Analyse des Dopingphänomens interessieren gerade die »Autoren« und deren kommunikative Zielsetzungen in einem Stück namens Leistungssport. Als problematisch zeigt sich dabei jedoch, dass nicht davon ausgegangen werden kann, einen ungehinderten Zugang zu der Hinterbühne des Spitzensports zu erhalten. Die am Spitzensport beteiligten Akteure würden sich infolge dessen als wenig auskunftsfreudig über
5
Goffman erläutert lediglich die Wahl seiner Quellen. Neben Bezugnahme auf frühere Forschungsergebnisse (Goffman, 1969, S. 4) bezieht er sich vor allem auf Presseerzeugnisse (Goffman 1977, S. 23). „Diese Daten haben eine schwache Seite. Ich habe sie im Lauf der Jahre aufs Geratewohl gesammelt[…]. Auch hier liegt eine Karikatur einer systematischen Auswahl vor“ (Goffman, 1977, S. 24). 24
die Hintergründe einer im Geheimen stattfindenden Praxis zeigen, wonach eine Befragung keinen Erkenntniszuwachs bescheren könnte. „Es pflegt Situationen zu geben, in denen ein Beobachter auf das angewiesen ist, was er von einem Beobachteten erfahren kann, weil es keine ausreichenden anderen Informationsquellen gibt, und in denen der Beobachtete darauf aus ist, diese Einschätzung zu hintertreiben oder aber unter schwierigen Verhältnissen zu erleichtern. Es können sich hier spielähnliche Überlegungen entwickeln, auch wenn es um sehr schwerwiegende Dinge geht. Es kommt zu einem Wettkampf der Einschätzung. […] Die Information gewinnt strategische Bedeutung , und es kommt zu Ausdrucksspielen“ (Goffman, 1981, S. 18). Folglich gilt es, die beschriebenen theoretischen Konzepte in Bezug auf diese Ausdrucksspiele zu untersuchen. Dabei sollen allerdings „kollektive Akteure“ (Keller, Diskursanalyse, 1997, S. 314) an Stelle von einzelnen oder Gruppen von Akteuren treten. In der soziologischen Perspektive erscheint der Schritt von akteurszentrierten Mikroebene im Sinne Goffmans zu ergänzenden
einer gesellschaftlichen Makroebene sinnvoll. Es bedarf eines
Konzepts
zur
methodologischen
Umsetzung
des
Goffmanschen
Beschreibungsinstrumentariums sozialer Interaktionen in Bezug auf die Dopingthematik: Die Theorie des Diskurses.
2.3 Die Macht des Diskurses Die Diskurstheorie – zurück gehend auf den Philosophen Michel Foucault - nimmt als konstruktivistischer Ansatz ebenso wie die Soziologie Goffmans an, dass das menschliche Wissen nicht unmittelbar durch das Individuum erfahren wird, sondern erst durch soziale Bedeutungszuschreibungen zusammengesetzt, folglich konstruiert wird (vgl. Keller, 1997, S. 315). Wissen wird danach durch eine symbolische Ordnung erzeugt: den Diskurs (vgl. ebd.). Dabei handelt es sich um Vorgänge des Sprechens oder Schreibens, die beispielsweise im wissenschaftlichen Umfeld teilöffentlichen oder im Rahmen massenmedialer Verbreitung allgemeinöffentlichen Charakter besitzen (vgl. ebd. S. 312-314). Ein Diskurs kann somit verstanden werden als „strukturierte und zusammenhängende (Sprach-) Praktiken, die 25
Gegenstände und gesellschaftliche Wissensverhältnisse konstituieren“ (Keller, 2005 , S. 182) und dadurch zu einer Etablierung allgemeingültiger, symbolischer Ordnungen führen. Diskurse reduzieren die Vielfalt sozialer Wirklichkeit, indem sie Interpretationsweisen fixieren und stabilisieren (vgl. Keller, 2004, S. 52). In Bezug auf den Diskurs über das Doping schafft die Art und Weise, wie darüber in der Öffentlichkeit gesprochen wird, das Wissen über die Praktik der unerlaubten Leistungssteigerung. Verschiedene, gesellschaftliche Institutionen kommen darin zu Wort, die basierend auf unterschiedlichen Zielsetzungen voneinander abweichende Standpunkte, Meinungen und Ansichten in die Doping-Debatte einbringen können. An diesem Punkt offenbart sich die Ähnlichkeit des Diskurskonzeptes im Sinne
Kellers
im
Vergleich
zu
den
Rahmungswettbewerben
Erving
Goffmans.
„Gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktion ist ein andauernder und fortschreitender Prozeß, in dem kollektive Akteure in einem symbolischen Kampf um die Durchsetzung ihrer Deutungen […] stehen“ (Keller, 1997, S. 314). Das Diskurskonzept ermöglicht es nun, diese Prozesse analysierbar zu machen. So geht es der „Wissenssoziologischen Diskursanalyse“ in Anlehnung an den französischen Philosophen Michel Foucault darum, zu ergründen, auf welche Weise „spezifisches Wissen zur gesellschaftlichen Wirklichkeit wird“ (Keller, 2005, S. 190). Äußerungen von sozialen Akteuren werden nicht als einzelne Aussagen, sondern als typisierbares Resultat ihrer sozialen Rolle aufgefasst, da die Äußerungen bestimmten Gemeinsamkeiten und Regeln ihres jeweiligen historischen Umfelds unterliegen (vgl. ebd. S. 182). Somit werden auch hier soziale Akteure als Rollenspieler verstanden (vgl. ebd. S. 212), die durch den Diskurs Auskunft über Institutionen und Organisationen geben, in denen sie sich befinden (vgl. Keller, 1997, S. 319). Somit kann auch das soziologische Rollen-Vokabular Goffmans für eine „Analyse der Strukturierungen von Sprecherpositionen in Diskursen genutzt werden“ (Keller, 2005 , S. 212). Innerhalb des Diskurses fungiert ein Verbot dabei als eine Kontrollinstanz. Diejenigen Akteure, die eine entscheidende Rolle innerhalb eines Diskurses ausüben, sind in der Lage, anderen Diskursteilnehmer die Grenzen des Äußerbaren aufzuzeigen und üben damit Macht aus (vgl. Foucault, 2003, S. 11). „Macht entscheidet also darüber, was wer – vor einem Horizont unendlicher Möglichkeiten des Sag- und Machbaren – darf und was nicht“ (Karis, 2008, S. 39). Unabhängig von den getätigten Äußerungen ist man nur dann „im Wahren […], wenn man den Regeln einer diskursiven »Polizei« gehorcht, die man in jedem
26
seiner Diskurse reaktivieren muss“ (Foucault, 2003, S. 25). Die Konstruktion von Wirklichkeit gleicht demnach einem zyklischen Prozess. In den Diskursen gestalten die Akteure gleichsam ihre Welt nach den Regeln des Diskurses (vgl. Sarasin, 2005, S. 105), wodurch in jedem Diskurs die geltenden Regeln aktualisiert werden (vgl. Foucault, 2003, S. 25). Ziel der Analyse ist nun die Rekonstruktion dieses Regelwerks der Bedeutungsgenerierung (vgl. Keller, 2004, S. 44). Die Aufgabe der Diskursanalyse definiert sich als Suche hinter „widersprüchlichen Argumenten, Aussagen und Meinungen […] nach dem Algorithmus […], mit dem bestimmte Aussagen generiert und andere ausgeschlossen werden können“ (Sarasin, 2005, S. 110). Auf diese Weise lassen sich Denkstrukturen einer Epoche identifizieren (vgl. ebd. S. 71), die in bestimmten „Schemata“ (Foucault zitiert nach Sarasin, 2005, S. 109) vorliegen. Aufgrund der Ähnlichkeit zu Goffman lassen sich diese Strukturen auch als die Rahmen des Diskurses identifizieren (vgl. Keller, 1997, S. 315). Diskursrahmen legen somit im Endeffekt Machtstrukturen offen, die auf den Diskurs und deren Produktion von Wissen einwirken. Wissen ist dabei als eine Tatsache zu verstehen, die in einer Gesellschaft zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt als wahr akzeptiert wird (vgl. Seier. 1999, S. 77). Insofern wirkt der Diskurs auf machtvolle Weise, da er soziale Wirklichkeit erschafft, indem er Wissen produziert (vgl. Seier, 1999, S. 76-77). Nach Foucault ist in Bezug auf den Diskurs nicht das bessere Argument, sondern das mächtigere von zentraler Bedeutung (Tümpler, 2007, S. 15). „Der Diskurs […] ist dasjenige, worum und womit man kämpft; er ist die Macht, deren man sich zu bemächtigen sucht“ (Foucault, 2003, S. 11). Macht ist insofern dafür verantwortlich, was gemacht oder gesagt werden darf und was nicht (vgl. Karis, 2008, S. 39). Dabei geht es nicht um eine analytische Identifizierung einer Macht, sondern von Machtverhältnissen (vgl. Engelmann, 1999, S. 191). Foucault spricht in diesem Zusammenhang auch von „Kräften“, die sich auf einer ortlosen „Bühne“ (Foucault zitiert nach Sarasin, 2005, S. 118-119) in den Diskursen gegenüberstehen. Zusammenfassend macht sich die Diskursanalyse auf die Suche nach dem Prozesshaften, also immer wieder veränderlichen Strukturen, die den Diskurs hervorbringen und fragt zweitens nach ihren gesellschaftlichen Wirkungen. „Es geht um eine Betonung der Materialität
des
Prozessierens
von
symbolischen
Ordnungen
und
um
ihre
wirklichkeitskonstituierenden Effekte“ (Keller et. al., 2005, S. 71). Es geht der Diskursanalyse darum, was kommuniziert wurde, Stabilität in Form von Rahmen erlangte, bevor es von
27
einer anderen Rahmung verdrängt wurde (vgl. Sarasin, 2005, S. 106). In Bezug auf die Wahrnehmung des gesamten Spitzensports, dessen Teil das Doping ist, fällt jedoch auf, dass der Großteil der Interaktion zwischen Athlet und Publikum nicht direkt an der Sportstätte, sondern indirekt über die Nutzung massenmedialer Angebote erfolgt. Es stellt sich folglich die Frage nach dem Rahmen der Wahrnehmung. „Medien produzieren, regulieren und modifizieren gesellschaftliches Wissen und üben damit Macht aus“ (Karis, 2008, S. 40). In Bezug auf das Doping gilt es deshalb, die Dopingberichterstattung auf ihre Rahmung hin zu untersuchen.
2.4 Die Mediale Vermittlung des Sports In Bezug auf die Dopingthematik schiebt sich durch die Massenmedien eine „Beobachtungsanordnung zwischen Publikum und Bühne“ (Soeffner, 2004, S. 297). Damit bilden diese Institutionen die Ebene, auf der sich die Interaktionen der Akteure und damit ihre Rahmungswettkämpfe nachvollziehen lassen. Bei der Aufführung des Spitzensports spielen die Massenmedien eine Schlüsselrolle. Diese können dabei grundlegend als alle gesellschaftlichen Einrichtungen verstanden werden, die sich technischer Hilfsmittel zur Vervielfältigung ihrer Kommunikation bedienen (vgl. Luhmann, 1996, S. 10). Dazu zählen Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Radio und das Internet, folglich alle, die der Verbreitung von Kommunikation an unbestimmte Adressaten dienen. Erst die Massenmedien machen den Spitzensport und damit die Dopingthematik durch ihre Berichterstattung gesellschaftlich wahrnehmbar, da nach Luhmann (2006, S.9) das gesellschaftliche Wissen durch die Massenmedien erfahren wird. Insofern sind die Kommunikationsmittel als zentrales Forum für die Bedeutungsvielfalt des Sports zu verstehen (vgl. Schwier, 2002, S.2), da sie besonders für das Leitmedium Fernsehen, als „elektronische Erweiterung“ (Pöttinger, 1989, S. 279) der Stadien, von hohem wirtschaftlichen Wert sind. Damit bietet das Buch, die Zeitung oder der Bildschirm einen Ausschnitt der Realität. „Dieser äußere Rahmen setzt dann eine Welt frei, in der eine eigene fiktionale
Realität
Medientheoretikern
gilt“
(Luhmann,
geht
Luhmann
1996,
S.98).
allerdings
In
nicht
Abgrenzung davon
aus,
zu dass
anderen dieser
Kommunikationsprozess eine manipulierte, sondern eine nach den Gesetzmäßigkeiten des 28
Mediums
konstruierte
Realität
schafft
(vgl.
Luhmann,
1996,
S.
10).
Die
Konstruktionsbedingungen der Medienrealität ergeben sich dabei als eine Folge des grundlegenden Berichterstattungsbedarfes der Massenmedien. Die Unternehmen müssen regelmäßig Informationen produzieren, um sich durch dessen Verkauf Gewinne zu erwirtschaften. Je mehr nun über den Sport berichtet wird, desto stärker steigt das Bedürfnis der interessierten Zuschauer, noch mehr darüber zu erfahren. Da bei der Wiederholung immer gleicher Informationen Langeweile entstünde, könnte ein wesentlicher Faktor des Konsumreizes für den Zuschauer in Form der Unterhaltung nicht mehr aufrecht erhalten werden und einen Verkaufsrückgang bewirken. Da sich eine Information nur einmal verwenden lässt, folgt daraus, dass die Berichterstattung durch die Vermittlung von Informationen gleichzeitig einen Mangel an Informationen verursachen (vgl. Berghaus, 2003, S.201). „Die Informationen machen nicht satt, sondern im Gegenteil immer hungriger nach neuer Information“ (ebd). Daraus folgt, dass immer wieder etwas Neues und Außergewöhnliches berichtet werden muss. Es erfolgt eine Dramatisierung des spitzensportlichen Handelns mit dem Kalkül, Aufmerksamkeit für sich oder ein Thema zu verschaffen, das Objekt „in Szene“ Horky, 2001, S. 18) zu setzen. Massenmedien vermitteln somit kein reales Bild der Sportwirklichkeit, sondern ein konstruierte Mediensportwirklichkeit (vgl. ebd. S. 148). Horky (2001) definiert vier Vorgänge der dramaturgischen Aufladung, die darauf abzielen, die sportliche Spannung im Sinne des Zuschauers zu erhöhen, da es dem Spitzensport als Unterhaltungsprodukt obliegt, affektive Gipfelpunkte zu erzeugen (vgl. Gebauer, 1986, S. 8). Zwei dieser Prozesse stehen in direktem Zusammenhang mit der Doping-Berichterstattung. Als erstes führt er den „Inszenierungsprozess Thema“ (Horky, 2001, S. 178-181) ein, bei dem es sich um eine konstante Struktur der Berichterstattung handelt. Durch die Auswahl von bestimmten Themen und die Auslassung von anderen wird ein Rahmen erzeugt, indem vor allem besondere Leistungen oder kontroverse Auseinandersetzungen vorgeführt werden. An zweiter Stelle folgt der „Inszenierungsprozess Person“ (ebd. S. 182-183). Hierbei wird das sportliche Geschehen anhand von Sportlerpersönlichkeiten erzählt, deren Erfolg die Grundlage für eine intensive mediale Beschäftigung mit der betreffenden Person zur Folge hat. Auf diese Weise werden Stars erzeugt, was wiederum ermöglicht Skandale oder Misserfolge derselben Person medial zu verwerten, da sie gesellschaftliche Aufmerksamkeit
29
erzeugen.
Beiden
Inszenierungsprozessen
ist
gemein,
thematisch
strukturierte
Informationen über die Realität zu verbreiten, die dazu dienen, der Gesellschaft ein gemeinsames Hintergrundwissen zu ermöglichen. Massenmedien schaffen somit ein „soziales Gedächtnis, auf das sich die Gesellschaft in ihrer gesamten Kommunikation stützen kann“ (Berghaus, 2003, S. 242). Auf diese Art und Weise bildet sich ein Rahmen, der das gesellschaftliche Bild der spitzensportlichen Realität darstellt. Die massenmedialen Erzeugnisse werden somit zum symbolischen Bedeutungsträger der sportlichen Akteure. Massenmedien, die über den Spitzensport berichten, liefern dem Rezipienten einen Rahmen als Orientierungsmuster, der er ihnen erstens Antwort auf die Frage gibt: „Was geht da eigentlich vor?“ und damit zweitens ein entsprechendes Handlungsmuster offeriert: „Schauen sie zu. Dies ist ein Spiel zu ihrer Unterhaltung“. Vor diesem Hintergrund gilt es, übergeordnete Muster im medialen Dopingdiskurs zu identifizieren.
3. Rekonstruktion diskursiver Dopingpraxis bei der Tour de France Die am Dopingdiskurs beteiligten spitzensportlichen Akteure interagieren nach bestimmten Schemata und interagieren dabei sowohl im privaten als auch im öffentlichen Rahmen. Aufgrund des fehlenden Forschungszugangs kann die Analyse der Dopingthematik bei der Tour de France lediglich den letzteren Rahmen beschreiben. Dieser öffentliche Diskurs stellt allerdings auch die entscheidende Analyseperspektive dar, weil der Forscher in diesem Zusammenhang die Rolle des Zuschauers einnimmt, an den schließlich die gezeigte Vorstellung adressiert ist. Für die Akteure erweist es sich dabei als taktischer Vorteil, die anderen Interaktionsteilnehmer inklusive des Publikums über ihre wahren Hintergründe und Ziele der Interaktion im Unklaren zu lassen. Im Einzelnen soll es nun weniger darum gehen, die »Wahrheit«, wenn diese als objektive Kategorie überhaupt möglich ist, herauszufinden, sondern vielmehr Aufschluss über das Regelwerk der Aussagen zu erhalten. Was darf gesagt werden, was nicht und welche Konsequenzen haben beide Arten von Aussagen. Dabei ist grundlegend darauf hinzuweisen, dass die Interaktionen der Akteure zu dem Zeitpunkt ihres Stattfindens einen prozesshaften Charakter besitzen, die Folgen ihres Tuns also nicht abgesehen werden können (vgl. Soeffner, 2004 , S. 165). Im Gegensatz dazu findet sich in der 30
Forschungsperspektive das fertige Ergebnis der Interaktion in Form eines fixierten Textes (vgl. ebd.). Dieser Text soll mit Hilfe des rekonstruktiven Ansatzes der Diskursforschung wieder geöffnet werden, „um die in ihm als Handlungshorizont noch enthaltenen, später dann ausgeschlossenen Handlungsalternativen zu erschließen“ (ebd.). Auf diese Weise tritt der darstellende Charakter des Interaktionszusammenhanges zu Tage, da sich aus den nichtverfolgten Strategien der Nutzen der angewandten Diskursstrategie erschließen lässt. Im Zuge der Untersuchung gilt es nun die verwendeten Rahmen im öffentlichen, medial vermittelten Dopingdiskurs über die Tour de France nachzuzeichnen. Für die Durchführung der Untersuchung werden dafür im ersten Schritt Zeitpunkte im historischen Verlauf aufgespürt, in denen das Doping umfassend thematisiert wird. Dreyfus und Rabinow (1987, S. 301) sprechen in diesem Zusammenhang von „Problematisierungen“ als geschichtliche Momente, in denen sich ein Rahmen bildet, der die zugrunde liegenden Normen dieser Zeit widerspiegelt. Grundlage dafür bieten „natürliche Daten“ (Keller, 2008, S. 66), folglich wissenschaftliche Publikationen, Zeitungs- bzw. Magazintexte, Agenturmeldungen und audiovisuelle Dokumente wie Dokumentationen. Dabei ist eine vollständige Abbildung eines identifizierten
Zeitraumes
schwerlich
möglich,
so
dass
an
Stelle
dessen
eine
problemzentrierte Analyse und Rekonstruktion erfolgt (ebd. S. 68). In Anlehnung an Keller (1997, S. 318-319) geht es dabei um folgende Fragestellungen: •
Wie sind die Dopingdiskurse entstanden?
•
Welche Veränderung haben Sie im Lauf der Zeit erfahren?
•
Welche kognitiven Wahrnehmungs-, moralische und ästhetische Bewertungsschemata transportieren sie?
•
Wer sind ihre Träger?
•
Wie erfolgreich sind ihre Träger, d.h. welche Auswirkungen haben die Diskurse?
Im Versuch diese Fragen zu klären soll der Dopingdiskurs bei der Tour de France rekonstruiert wird werden, um der Frage nach zu gehen, welche übergeordneten Schemata, folglich Rahmen, im Dopingdiskurs verwendet werden und in welcher Form die Thematik einen Bedeutungswandel vollzogen hat. So stellt sich reskonstruktive Analytik anhand von vier Problematisierungen in einem Vierschritt dar. An erster Stelle werden in jedem der Zeitabschnitte die diskursiven Rahmenbedingungen aufgezeigt. Im Anschluss wird der medial vermittelte Dopingdiskurs nachgezeichnet, bevor die Konsequenzen aus dieser öffentlichen 31
Verhandlung aufgezeigt werden. Beendet werden die Problematisierungsabschnitte mit einer Interpretation des Diskurses unter Zuhilfenahme der Goffmanschen Metaphoriken.
3.1 Die Gründung der Tour de France „Es ist ein Fest im wahrsten Sinn, das heißt die Gelegenheit für jeden, den Alltag zu unterbrechen, seine Sorgen zu vergessen, an Orte zu fahren, wo ein fröhliches und spannendes Schauspiel geboten wird, das schön und bunt ist, fesselnd, attraktiver Mittelpunkt einer Präsentation des kommerziellen Einfallsreichtums dank der Werbekarawane, die die langen Wartezeiten rechtfertigt und ausfüllt […]“ 6 Tourdirektor Jacques Goddet, 1963
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnt die französische Mittelklasse dank sinkender Arbeitszeiten und steigender Löhne, sich für Sport im Allgemeinen und Radsport im Speziellen als eine Form der Freizeitgestaltung zu interessieren (vgl. Thompson, 2006, S. 9). So entsteht die erste professionalisierte Sportart neben dem Boxen (vgl. Gamper, 15.09.2006) als Konsequenz aus einem lukrativen Markt für Radrennveranstalter, dem Kampf der Fahrradindustrie um die besten Sportler und dem finanziellen Interesse der Athleten, bereits um 1895 (vgl. Schröder, 2002 S. 40). Dank ihrer umfangreichen Berichterstattung leisten
die
Massenmedien
einen
erheblichen
Beitrag
für
die
Professionalisierung des Radrennsports, indem sie aufgrund der leistungs- und fortschrittsbezogenen Charakteristiken des Radsports das vorhandene Interesse des Publikums bedienen und noch weiter steigern. „Die sportlichen ‚Fortschritte‘ sind einfach so faszinierend oder gar abstoßend, daß die Presse zur Popularität der Radprofessionals geradezu beitragen muß“ (Rabenstein, 1996 , S. 89). Aus Sicht der Rennveranstalter wird es durch ein Überangebot an Steher-, Sechstagerennen oder Distanzfahrten immer schwieriger, die Unterhaltungslust des Publikums zu befriedigen. Zwei Unternehmer stehen sich gegenüber. Auf der einen Seite befindet sich Pierre Giffard, Chefredakteur der Le Vélo, der mit täglich 80.000 verkauften Exemplaren größten Sportzeitung Frankreichs. Giffard ist ebenfalls Veranstalter der Langstreckenrennen ParisBrest-Paris, Paris-Roubaix und Bordeaux-Paris über Distanzen von rund 600-1200 Kilometern (vgl. Renggli, 2000, S. 141). Ihm gegenüber steht Henri Desgrange, Chefredakteur der Sportzeitung L’Auto. Beide realisieren, dass nur eine der beiden Sportzeitschriften den
6
(zitiert nach Nora, 2005, S. 467). 32
gegenseitigen Verdrängungswettbewerb überleben kann (vgl. Krämer, 1998, S. 11). So entschließt sich Desgrange die Idee seines Mitarbeiters Geo Lefévre von einer neuartigen Etappen-Rundfahrt durch Frankreich in die Tat umzusetzen. Nach knapp sechsmonatiger Planungszeit erfolgt am 1. Juli 1903 für 60 Fahrer der Startschuss zur ersten Tour de France, die mit einem Umfang von 2428 Kilometer und einem Preisgeld von 20.000 Francs die erforderlichen Superlative bietet (vgl. Renggli, 2000, S. 141). Henri Desgrange kommentiert das Ereignis in einem Leitartikel seiner Zeitung: „Mit […] mächtigem Elan, […] lanciert L’Auto als Zeitung mit avantgardistischem Mut heute das größte Rennen der Welt mit den prächtigsten, unerschrockensten aller Athleten“ (zitiert nach ebd.). Der Franzose Maurice Garin kann die erste Auflage des Rennens nach insgesamt 94 Stunden für sich entscheiden (vgl. Thompson, 2006, S. 33). Dabei verbringt er durchschnittlich 15,35 Stunden pro Tag auf dem Rad (vgl. Rabenstein, 1996, S. 79). Doch die Mühen lohnen sich für Garin. Mit 6075 Francs, die er unterwegs an Prämien verdient, wird er zu einem der bestbezahltesten Sportler seiner Zeit (vgl. Siemes, 26.06.2003). Begleitet von den „epischen Reportagen über den heldenhaften Kampf verwegener Männer“ (Krämer, 1998, S. 12) erreicht auch Desgrange sein Ziel. Die Verkaufsauflage der L’Auto verdoppelt sich innerhalb der Tour von 30.000 auf 65.000 Exemplare, während Giffard seine »Le Vélo« bereits Ende 1903 vom Markt nehmen muss (vgl. ebd. S. 13). Von Beginn an tritt das Dopingphänomen am deutlichsten in Verbindung mit dem Radsport in Erscheinung, den der österreichische Mediziner Clemens Prokop als „Brutstätte des Dopings“ (o.V., 1985/15, S. 184) bezeichnet. Doping im Radsport werde von Generation zu Generation vererbt (vgl. Rabenstein, 1996, S.177). Dieser Ruf steht in engem Zusammenhang mit der Tour de France, da sie schon nach kurzer Zeit zur „wichtigsten Bühne“ (Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 10) für die Radprofis wurde. Der hohe Stellenwert der Veranstaltung gilt in Verbindung mit der hohen ökonomischen Verwertbarkeit eines erfolgreichen Abschneidens als Hintergrund des angewandten Dopings und soll im Folgenden nachvollzogen werden (vgl. ebd.).
3.2 Rahmung I: Der noch uneingeschränkte Dopingdiskurs
33
7
„Ich bin kein Sportler, ich bin Profi“ Rudi Altig, Radrennfahrer
3.2.1 Festlegung des Anforderungsprofils Um das gesellschaftliche Interesse an der Tour erstens zu konservieren, zweitens auszubauen und drittens die Profite der Organisatoren zu steigern, experimentieren die Tour-Verantwortlichen mit der Streckenplanung und dem Reglement, um ein spannendes, ereignisreiches Rennen präsentieren zu können. Während 1903 die Fahrer das Tour-Ziel als Erster zu erreichen haben, um das Rennen zu gewinnen, ändert sich im darauffolgenden Jahr das Reglement. Die Anzahl an Etappen wird auf elf erhöht und die Abstände in ein Punktesystem umgerechnet. Damit kann auch ein Fahrer das Tour-Ziel als Vierter erreichen und trotzdem den Gesamtsieg erreichen, wenn er vorher entsprechend viele Punkte errungen hat. So bleibt die Spannung des Rennens länger erhalten, da ein Fahrer auch nach einem schlechten Tagesergebnis noch den Gesamtsieg erreichen kann. Dieses System wird 1912 von dem bis heute üblichen Modus der akkumulierten Zeitrechnung abgelöst, das die Zeitabstände zwischen dem ersten und den nachfolgenden Fahrern in einem Gesamtklassement addiert (vgl. Thompson, 2006, 33). Eine fundamentale Neuerung gegenüber den damaligen Distanzfahrten stellen die Bergüberquerungen dar. Ab 1910 werden mit dem 2.115 Meter hohen Tourmalet die ersten Hochgebirgspässe der Pyrenäen in das Streckendesign integriert (vgl. ebd. S.34). Diese zusätzlichen Belastungen fallen zusammen mit ebenfalls steigenden Streckenlängen. Von 1903 bis 1926 verdoppelt sich die Renndistanz sukzessive auf 5741 Kilometer (vgl. ebd. S. 33). Die Rennbelastungen fordern ihren Tribut: Zwischen 1903 und 1929 kann das Rennen von nur 30 Prozent aller gestarteten Fahrer beendet werden (vgl. ebd. S. 112). Neben der Akkumulierung von Spannung muss Desgrange gleichzeitig den Wünschen seiner Sponsoren Rechnung tragen, die für die Durchführung des Rennens aus wirtschaftlicher Sicht unerlässlich sind. Ab 1909 leistet der Renndirektor dem Begehren der werbetreibenden Wirtschaft folge, die die Gewinnchancen ihre jeweiligen Spitzenfahrer erhöhen möchte, indem die Gründung von Teams erlaubt wird. Der gesponserte Spitzenfahrer kann somit seine Risiken minimieren und damit seine Erfolgswahrscheinlichkeit und die seiner 7
(zitiert nach Gremliza H. L., 2008, S. 30). 34
Sponsoren in Form von positivem Imagetransfer erhöhen, wenn ihm Helfer zur Seite gestellt werden. Diese »Wasserträger« versorgen ihren »Kapitän« während des Rennens mit neuem Material oder Verpflegung, spenden Windschatten und halten das Tempo hoch, um Ausreißversuche zu verhindern. Auf diese Weise kann der Star der Mannschaft für die rennentscheidenden Momente geschont werden (vgl. ebd. S. 36-37). Im Zuge dieser Entwicklung erfindet Desgrange 1919 das gelbe Trikot, das den Gesamtführenden im Rennen erkenntlich machen soll. Dies erhöht für die Zuschauer an der Strecke die Nachvollziehbarkeit des Rennverlaufs und erhöht damit wiederum deren Spannungserleben (vgl. Boßdorf, 2004, S. 24). Die frühen Jahre des Dopings bei der Tour de France sind gekennzeichnet von einem unwissenschaftlichen Prinzip des Versuch-und-Irrtums. Die Fahrer und ihr Umfeld experimentieren mit pflanzlichen Stoffen wie Koffein, Mate-Extrakten, Opiaten, Kokain, Alkoholen wie Äther oder Strychnin, aber auch mit synthetischen Stoffen wie Nitroglyzerin und Amphetaminen (vgl. Thompson, 2006, S. 225). Die Einnahme dieser Substanzen erfolgt einzeln oder in Kombination von mehreren Stoffen mit dem Ziel, entweder die Leistungsfähigkeit des Athleten zu erhöhen oder seine Regeneration zu beschleunigen. Um die Wirkung in höherer Dosis im Wettkampf zu erfahren, setzen sich die Fahrer außerhalb des Wettkampfes geringen Dosen aus (ebd.). Der erste bekannt gewordene Dopingfall der Tour de France ereignet sich beim französischen Fahrer Paul Duboc im Jahre 1911. Nach der Einnahme einer „zweifelhaften Flüssigkeit“ (o.V., www.radsport-news.com, 04.07.2003) zieht er sich eine Vergiftung zu und gibt das Rennen auf. Die Radsportler müssen sich zur damaligen Zeit nicht vor öffentlicher Ächtung fürchten. Die Zuschauer unterstützen die Fahrer beim Doping, indem sie unter anderem Champagner oder Cognac, zur damaligen Zeit als stimulierend bekannt, an die Tourteilnehmer reichen (vgl. Thompson, 2006, S. 225). Bis zum ersten Weltkrieg gibt es selbst unter Medizinern kein Problembewusstsein für Stimulanzien wie das Kokain (vgl. Rabenstein, 1996 , S. 175). So äußert sich auch Henri Desgrange in zustimmender Weise in Bezug auf das Doping: „Ich habe nichts dagegen, wenn ein Fahrer sich vorübergehend künstlich stimuliert, wenn es nicht mehr anders geht“ (Moll, 2007/07, S. 154).
3.2.2 1924 - Die Affäre Péllissier 35
1924 steigen die Vorjahressieger Henri und sein Bruder Francis Péllissier zusammen mit dem an zweiter Stelle liegenden Maurice Ville aus Protest gegen die Behandlung durch die Rennleitung aus dem Wettbewerb aus (vgl. Boßdorf, 2004, S. 26). Henri Péllissier ist bei dieser Tour bereits mehrmals mit den Tour-Kontrolleuren aneinander geraten, bis schließlich eine zweiminütige Zeitstrafe für ein weggeworfenes Trikot zum Rennabbruch führt. In der Folge treffen sich die drei Athleten mit einem Reporter der Zeitung Le Petit Parisien, um ihre Behandlung publik zu machen (vgl. Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 56). Henri Pélisser: „We do things you would not force mules to do. […] We don´t want to be humiliated!”8 (zitiert nach Thompson 2006, S. 191). Darüber hinaus zeigen sie dem betreffenden Journalisten Albert Londres mitgeführtes Kokain, Chloroform, Cremes und Pillen, sogenanntes »Dynamit«. Obwohl ihnen die Schädlichkeit dieser Substanzen bewusst sei, fühlten sie sich zur Einnahme dieser Stoffe aufgrund der Rennbelastung gezwungen. Ersteres zur Leistungssteigerung, letzteres zur Schmerzstillung (vgl. Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 56). Die drei Fahrer sprechen damit erstmals aus, dass Doping bei der Tour de France von Beginn an mit dem Rennen verknüpft ist (vgl. ebd.). Am folgenden Tag berichtet Londres von der Rundfahrt als „Tour der Leiden“ (zitiert nach Thompson, 2006, S. 191). Die Fahrer glichen leeren Kadavern und seien „Zwangsarbeiter der Landstraße“ (ebd.). So dreht sich die öffentliche Diskussion, die dem Zeitungsartikel folgt, nicht um Doping, sondern um die Rolle der „Pedal-Arbeiter“ (ebd. S. 180). Die kommunistische Tageszeitung L’Humanité kritisiert, dass die Fahrer Krankheiten, Hunger, Durst und Todesfälle erleiden müssten, nur um Desgranges Reichtum zu mehren. Außerdem müssten sie zu der heißesten Zeit des Tages fahren, damit L’Auto die Ergebnisse den Franzosen am nächsten morgen zum Frühstück präsentieren könne (vgl. ebd S. 196-197). Desgrange beantwortert die Kritik von Péllissier und L’Humanité in seiner Zeitung mit dem Argument, dass kein Fahrer gezwungen sei an der Tour teilzunehmen und sie eine Möglichkeit des sozialen Aufstiegs für die Teilnehmer darstelle (vgl. ebd S.198). Zuletzt schreibt Desgrange in L’Auto, dass sich nur derjenige über eine sogenannte Sklaventätigkeit beklagen könne, dem es an Kraft und Tapferkeit fehle (vgl. ebd. 208).
8
Übersetzung des Verfassers: “Wir machen Dinge, zu denen man noch nicht einmal Maultiere zwingen würde. […] Wir wollen nicht erniedrigt werden!” 36
3.2.3 Hauptsache im Gespräch Dem Rennen wird erstmals öffentliche Kritik im umfassenden und langanhaltenden Maßstab in Frankreich zu Teil, nachdem vorher vor allem elaborierte Kreise die Auswirkungen des professionellen Radsports in Zweifel gezogen haben. Berufsfahrer gelten dort als eine Art moderner Schaukämpfer, die ihre Gesundheit und ihr Leben der Unterhaltung der Massen und dem Werbebedarf der Fahrradindustrie opfern (vgl. Rabenstein, 1996, S. 97). Als Reaktion auf die öffentliche Kritik der drei streikenden Fahrer, belegt Desgrange die Athleten mit der Zahlung von jeweils 600 Francs und vermerkt im Regelwerk der Tour ab 1925, dass imageschädigendes Verhalten in Bezug auf das Rennen oder das Anstiften dazu mit einem Startverbot im folgenden Jahr bestraft werde (vgl. Thompson, 2006, S. 207). Weiterhin spricht er den Fahrern das Recht ab, sich für kollektive Aktionen zu versammeln. Desgrange ist in Sorge, dass mögliche Geschwindigkeitsreduzierungen die Attraktivität des Rennens mindern könnten (vgl. ebd.). Zugeständnisse macht er den Athleten in Form des Rennumfangs. Während die Renndistanz bis 1926 auf 5745 Kilometer kontinuierlich gesteigert wird, verringert sie sich ab diesem Zeitpunkt sukzessive bis sie sich 1933 über Jahre um 4400 Kilometer bewegt (vgl. Boßdorf, 2004, S. 134). Damit liegen die Umfänge allerdings immer noch rund 1000 Kilometer über den heutigen Ausmaßen. Die Auflage von L’Auto steigt trotz der öffentlichen Kritik und der Verkürzung des Rennens. Zwischen 1920 und 1930 erzielt die Zeitung eine Auflagensteigerung von 100.000 auf 300.000 Exemplare (vgl. Thompson, 2006, S. 42). Während der Tour verdoppelt sich die Auflage noch einmal und findet besonderen Absatz in den Jahren 1923 (500.000) und 1933 (730.000) als jeweils ein Franzose die Tour gewinnt (vgl. ebd.). Die Tour hat sich zusammenfassend als erfolgreiches Marketinginstrument behauptet. Öffentliche Kritik kann Desgrange wirkungsvoll abfedern und das Preisgeld der Tour von 20.000 Francs auf 1.059.350 Francs steigern (vgl. ebd. 39-41). Damit scheint sich zu bestätigen, was Desgrange bereits 1905 vermutet, als mehrere Regelübertretungen der Fahrer das Rennen bereits als gescheitertes Projekt haben erscheinen lassen: „Besser üble Nachrede als gar kein Gerede“ (Krämer, 1998, S. 15).
3.2.4 Etablierung des politischen Schemas 37
Der von dem Radsporthistoriker Rüdiger Rabenstein (1996, S. 95) attestierte „Gigantismus“, der in dieser Zeit den Bereichen von Technik und Sport auftritt, resultiert aus einer „Rekordsucht“ des Publikums. Desgrange übernimmt in Bezug auf die Tour de France die Rolle des Regisseurs, der durch die Realisierung seines sportlichen Theaterstücks mit den daran interessierten Zuschauern in Kontakt tritt. Das Drehbuch des Stücks muss daher vor allem spannende Unterhaltung versprechen und industrielle Prinzipien in Form der Professionalisierung,
des
Aufstiegsmöglichkeit
durch
stetigen
Überbietungsanspruchs
und
Leistung
vorgeben.
Ähnlichkeit
Durch
die
der
sozialen zu
der
gesellschaftlichen Realität, erhofft der Regisseur, eine Einfühlung des Zuschauers in die Darsteller zu ermöglichen. Desgrange arrangiert im Goffmanschen Sinne die Interaktion, um das
Publikum
zu
verzaubern
und
infolge
dessen
mit
seinen
Zielen
der
Aufmerksamkeitsgenerierung übereinstimmen zu lassen. Dabei kann Desgrange auf zwei Ebenen der Vermittlung zurückgreifen, um sicher zu gehen, das auszudrücken, was er mitteilen will. Auf der ersten Bühne stellt sich der sportliche Wettkampf für die Zuschauer am Straßenrand in natura dar. Der Regisseur dramatisiert diesen Interaktionsprozess, indem er die Fahrer unter strengen Auflagen gegen sich selbst, ihre direkten Gegner und die gerade in den Höhen der Berge noch vielfach unbezähmte Natur antreten lässt. Je härter die vorgegebenen Bedingungen, desto
größer erscheint der
im Erfolgsfalle daraus
hervorgehende, erzeugte Held, der noch umso heller strahlt, je weniger Fahrer in das Ziel kommen. Das Doping wird somit zur notwendigen Requisite für den professionellen Fahrer, der dafür im Erfolgsfalle überdurchschnittlich gut entlohnt wird und offen darüber sprechen darf. Auf der zweiten, medial vermittelten Bühne, kann Desgrange mit Hilfe seiner Theaterzeitung »L’Auto« den Interaktionsprozess idealisieren. Hier verwandelt sich ein Rennfahrer zu einem Helden „von anderem Blut, von anderem Fleisch als wir“ (Hénard, 2001, S. 45). Aus einem Menschen wird ein „Kampftier von außergewöhnlichem Format […] mit Atemzügen wie ein Schmiedebalg“ (ebd.). Zuschauer, die zum ersten Mal dem Spektakel beiwohnen, erschließt sich auf die Goffmansche Frage, »Was geht hier eigentlich vor?« eine eindeutige Antwort, wenn in der Zeitung von den »Giganten der Landstraße« die Rede ist. L’Auto erfüllt damit die Rolle des Clacquers. Nicht im Drehbuch steht jedoch der öffentliche Protest seiner Darsteller gegen ihre Arbeitsbedingungen, der sich in dreifacher Hinsicht negativ für Desgrange auswirken kann.
38
Erstens können Denunzianten wie die Pélissiers ein Einfühlen des Zuschauers verhindern, weil sie einen Einblick auf die Hinterbühne ermöglichen, der desillusionieren kann. Zweitens können politische Gegner die entstehende Diskussion dafür nutzen, das gesamte Theaterstück in Frage zu stellen. Abschließend handelt es sich drittens um einen Machtkampf um die Kontrolle im Stück, da die Péllisiers, die für das Publikum aufgrund ihrer besonderen Schauspielleistungen in der Vergangenheit sehr populär sind, gegen Desgramges Führungsgewalt opponieren. Der Regisseur muss die Revolte gewinnen, um innerhalb seines Schauspielensembles weiterhin den Ton im Drehbuch angeben zu können. Eine mögliche Absenkung des Anforderungsprofils hätte einen erheblichen Verlust an Dramatik und damit an Aufmerksamkeitspotential des Publikums zur Folge. Desgrange ist in Folge dessen gezwungen, sein Darsteller-Ensemble an die Wahrung ihrer Ausdruckskontrolle zu erinnern. Da es sich bei den betreffenden Fahrer allerdings um Protagonisten des Stücks handelt, kann er sie nicht einfach aus der Besetzungsliste streichen, sondern muss sie diskreditieren, finanziell sanktionieren und zusammen mit entsprechenden Änderung des Regelwerkes seinem Ensemble verdeutlichen, dass solch ein Verhalten Konsequenzen in Form eines Spielverbotes haben kann. Da Desgrange als Theaterregisseur allerdings auch darauf angewiesen ist, dass weiterhin Darsteller Teil seines Stücks werden möchten, muss er sich auch nach ihren Bedürfnissen richten. Allerdings nur insoweit, als es für das Publikum keine Spannungseinbußen zur Folge hat. Obwohl es Desgrange vermochte, die Darsteller-Revolte siegreich zu überstehen, haben sich basierend auf der öffentlichen Auseinandersetzung zwei Lager gebildet, die sich innerhalb der öffentlichen Rahmungswettkämpfe über das Stück jahzehntelang gegenüberstehen werden. Auf der einen Seite befindet sich der marktwirtschaftlich orientierte Desgrange, der mit seinem Theater eine Möglichkeit des sozialen Aufstiegs für alle Beteiligten postuliert und den Darstellern freie Entscheidungsgewalt über Ruhm und Gesundheit einräumt. Auf der anderen Seite formiert sich eine linkspolitisch ausgerichtete Akteurskonstellation, die den Mensch im sozialen Gefüge vor den Verlockungen des Kapitals und den damit verbundenden Schattenseiten bewahren möchte. Der mediale Diskurs spiegelt diese Strömungen im ersten Falle durch Zeitungen wie L‘Auto, die sich darum bemüht, ein glorifizierendes Heldenbild der Darsteller zu entwerfen. Ihr gegenüber stehen Presse-Organe wie L’Humanité, die den Schauspieler
als
Opfer
des
kapitalistischen
39
Regisseurs
begreifen.
Dieser
Rahmungswettberwerb beeinflusst das Stück in diesem Fall und in der Folge erheblich auf seiner zweiten, medialen Wahrnehmungsebene im Sinne einer politischen Grundsatzdebatte, die von außen in das Stück integriert im Sinne des Ausdrucksmanagements auf die erste Wahrnehmungsebene zurückwirkt. Das Doping tritt im Rahmen dieses politischen Schemas der Berichterstattung als ein Argument unter vielen in Erscheinung, da es aufgrund der allgemeinen Akzeptanz und der noch größtenteils unbekannten gesundheitlichen Folgen zu wenig Polarisierungspotential besitzt. Der Dopingdiskurs erweist sich dahingehend als nahezu unbegrenzt. Abgesehen von den politischen Lagern, dessen Sicht sich in Wahlfreiheit contra Opferrolle darstellt, besteht noch keine Eingrenzung in Form des Sag- oder Machbaren.
3.3 Rahmung II: Kurzfristige Problematisierung eines Kavalierdeliktes „To take start of the Tour is to sign a moral contract. You accept the rules and all their implications, or you don´t 9 enter the race” Alec Taylor, Teammanager von Tom Simpson
3.3.1 Profit- und Dopingmaximierung 1947, Desgrange ist mittlerweile verstorben, kommt es zur Wiederaufnahme der großen Schleife durch Frankreich. Mit dem Rennen sind auch die »Giganten der Landstraße« als ein Symbol zur nationalen Wiedergeburt der Franzosen zurück (vgl. Thompson, 2006, S. 204214). Unterbrochen nur vom ersten Weltkrieg organisiert Desgrange mit seiner Zeitung die Tour bis 1939 bevor der zweite Weltkrieg eine Pause bis 1947 und gleichzeitig das Ende von L’Auto zur Folge hat. Jacques Goddet, der bereits unter Desgrange gearbeitet hat, gründet 1946 die Zeitung L’Équipe, mit der er die Restbestände von L’Auto und die Hälfte der Rechte an der Tour übernimmt. Die andere Hälfte erwirbt die Zeitung Le Parisien Libéré hinter der wiederum die Verlagsgruppe Éditions Philippe Amaury (EPA) steht. Beide Zeitungen sind knapp 20 Jahre für die Austragung der Tour verantwortlich sind, bis 1964 die L’Équipe ebenfalls von der EPA gekauft wird (vgl. ebd. S. 35). Diese gründet für die Organisation von Sport-Events wie der Tour die Amaury Sport Organisation (ASO), die sich neben dem
9
Übersetzung des Verfassers: „Bei der Tour zu starten, bedeutet, einen moralischen Vertrag zu unterzeichnen. Du akzeptierst die Regeln und all ihre Auswirkungen oder du startest nicht im Rennen” (zitiert nach Thompson, 2006, S. 236). 40
Radsport unter anderem für die Autorallye Paris-Dakar verantwortlich zeichnet. Auf unterster Ebene wird die Aktiengesellschaft Société du Tour de France mit der Verantwortung für die Tour betraut (vgl. Komm, 2007, S. 141). Im Zuge der Neustrukturierung des Betreiberkonsortiums der Tour de France wächst auch der Einfluss der Sponsoren, der im Laufe der Jahrzehnte mit Unterbrechung durch den zweiten Weltkrieg durch die zunehmende Verbreitung medialer Kommunikationsangebote immer weiter zunimmt. Nach der Entwicklungsförderung der Zeitung und des Radios, die durch die Berichterstattung von der Tour ein massenwirksames Argument zum Erwerb ihrer medialen Erzeugnisse besitzen, plant auch das Fernsehen, seine Popularität durch die Übertragung des Rennens zu erhöhen (vgl. Thompson, 2006, S. 38-40). 1949 startet die Ausstrahlung der ersten werktäglichen Nachrichtensendung während der Tour. Der Plan geht auf und lässt in den frühen 50er Jahren die Absatzzahlen von Fernsehgeräten in diesem Zeitraum besonders stark ansteigen (vgl. ebd. 41-48). Da die dramatischen Geschehnisse des Radsports erstmals in bewegten Bildern vermittelt werden können und mit Begeisterung vom Publikum in Fernsehclubs und Lokalen aufgenommen werden, steigt der Werbewert der »Großen Schleife« in den Grenzen Frankreichs beträchtlich. Sponsoren fordern von dem stärkeren Verbreitungsgrad im Hinblick auf Bekanntmachung ihrer Produkte zu profitieren und präsentieren in der Folge Etappenstädte, die offizielle Zeitmessung und die Gesundheitsversorgung der Fahrer. Weiterhin nutzen sie das Gelbe Trikot des GesamtFührenden, das Grüne für den besten Sprinter sowie das Weiß-Rote Bergtrikot für ihre Werbe-Botschaften. Perrier und Coca Cola zahlen für ein Foto des Etappensiegers, der ihr Getränk zu sich nimmt. 1962 wird der Druck auf die Veranstalter zu groß, was zu einer Wiedereinführung des Teamsponsorings führt, nachdem zwischenzeitlich nur Nationalteams startem durften. Der Weg der „kontinuierlichen Profitmaximierung“ (Komm, 2007, S. 142) ist damit beschritten. Sportler, Trainer und Wissenschaftler experimentieren weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln (vgl. Krüger, 2000, S. 15). Das hat auch damit zu tun, dass ab 1952 der Sport mit zunehmender Intensität zur symbolischen Austragung des Kalten Kriegs gebraucht und in der Folge staatlich systematisierte Leistungsförderung inklusive des Dopings betrieben wird (vgl. Krüger, 2000, S.15). Erstmals erfolgt in dieser Zeit auch die Einnahme von
anabolen
Steroiden
in
der
Trainingsphase,
41
während
zuvor
lediglich
vor
Wettkampfbeginn gedopt wird (vgl. Haug T., 2007, S.35). Die Nebenwirkungen der leistungssteigernden Substanzen treten bei einigen Fahrern in Form von Verletzungen oder schwerwiegenden Erkrankungen auf. So kollabiert beispielsweise der Franzose Jean Malléjac 1955 nach Amphetamin-Gebrauch am Fuße des Mont Ventoux, verliert für eine Viertelstunde das Bewusstsein, überlebt aber als der Tour-Arzt Dr. Pierre Dumas ihm den Kiefer bricht und sein Herz reanimiert (vgl. Thompson, 2006, S. 228). Eine öffentliche Reaktion auf diese Vorgänge bleibt aus, da sie von den Organisatoren nicht publik gemacht werden (vgl. Fotheringham, 2007, S. 207). Der Zusammenbruch von insgesamt sechs Fahrern unter ähnlichen Umständen dient einer epischen Beschreibung des Leidens bei der Tour seitens der Organisatoren. Ein Artikel von Jacques Goddet in der L’Équipe verdeutlicht dies. „Auf diesem verfluchten Terrain tobte der Kampf, während überall auf dem brennenden Berg Männer zur Seite fielen, niedergestreckt vom Hitzschlag, leer, berauscht von der Anstrengung und Leiden, ein Haufen tapferer Männer, die einst so felsenfest entschlossen waren…Nichts kann dem Rhythmus der Tour de France 1955 aufhalten“ (zitiert nach Fotheringham, 2007, S. 252). Während Dopingmittel nicht erwähnt werden, stellt Goddet heraus, dass diese Zwischenfälle keinen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Tour haben können. Weiterhin bleiben öffentliche Reaktionen auf die negativen Folgen des Dopinggebrauchs aus, da aufgrund der sich noch im Entwicklungsstadium befindlichen medizinischen Kenntnis die Vorkommnisse nicht in jedem Fall mit der Einnahme der Stoffe in Verbindung gebracht werden (vgl. Thompson, 2006, 226). So erfolgt der Medikamenteneinsatz im Fahrerfeld weiterhin im großen Umfang, auch weil weder ein Problembewusstsein der Fahrer, noch organisatorische oder gesetzliche Repressalien zu befürchten sind (vgl. Fotheringham, 2007, S. 202-206). Ab 1955 beginnt jedoch ein reflektierterer Umgang mit den Dopingmitteln. Dumas veranschaulicht diese Entwicklung durch den erstmaligen Gebrauch von wissenschaftlichen Erkenntnissen in Form des »Vidals«, einem unter Fahrern verbreiteten Medizinhandbuch (vgl. Fotheringham, 2007, S. 202). An die Stelle persönlicher Wirkstoff-Mixturen tritt der von Dumas benannte »Anquetil-Cocktail« mit Bezug auf Jacques Anquetil, dem fünfmaligen Sieger der Tour de France. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung aus Schmerzmitteln, Stimulanzien, Schlaftabletten, Morphium und Palfium (vgl. ebd. S. 203). Die erste offizielle Dopingkrontrolle erfolgt ebenfalls 1955, indem von den Fahrern Urinproben
42
im Hotel genommen werden. Am nächsten Tag streiken die Fahrer aufgrund von „Eingriffen in die inviduelle Freiheit der Sportler“ (Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 140). Das Rennen wird erst forgesetzt als der damalige Tour-Direktor Goddet versichert, auf solcherlei Maßnahmen in Zukunft zu verzichten (vgl. ebd.). Veranlasst durch den amphetaminbedingten Tod des dänischen Radprofis Knut Jensen im Jahre 1960 wird bei den Olympischen Spielen erstmalig eine offizielle Dopingdefinition formuliert (vgl. Daumann, 2008, S. 11). Auf strafrechtlicher Ebene folgt am 1. Juli 1965 ein Verbot von bewusst angewendeten, leistungssteigernden oder gesundheitsschädlichen Substanzen in sportlichen Wettkämpfen durch das französische Parlament (vgl. Fotheringham, 2007, S. 214). Ein Jahr darauf werden die ersten DopingKontrollen bei der Tour de France von dem Ministerium für Jugend und Gesundheit durchgeführt (vgl. Thompson, 2007, S. 228-232). Wiederum protestieren die Fahrer und gehen die ersten 50 Meter der darauffolgenden Etappe zu Fuß. Die Organisatoren der Tour versuchen daraufhin die Anführer der Revolte ausfindig zu machen, scheitern damit, drohen aber bei einem weiteren derartigen Protest mit „ernsthafen Konsequenzen“ (Thompson, 2006, S. 233). Die protestierenden Fahrer handeln aus der Gewissheit heraus, dass die Organisatoren gerade bei den Radstars keineswegs ernsthafte Maßnahmen ergreifen. Kurz zuvor haben die ersten sechs Fahrer bei der Weltmeisterschaft 1965, darunter Jacques Anquetil und der dortige WM-Sieger Rudi Altig, die Urinprobe verweigert, woraufhin sie keine Konsequenzen zu tragen hatten (vgl. Fotheringham, 2007, S. 216-217). Da die Organisatoren bei ihren Rennen nicht auf die Topfahrer verzichten können, stellt sich die Dopingfahndung als „eine Wattefaust in einem Eisenhandschuh“ (vgl. ebd.) dar. Als Anquetil gegenüber der Presse von der Einnahme von leistungssteigernden Mitteln berichtet, muss er 2000 Francs Strafe zahlen und darf weiter fahren (vgl. ebd.). Doping gilt in dieser Zeit als „Kavaliersdelikt“ (Krämer, 1998, S. 107), da auch die Medien das Doping erst seit kurzer Zeit problematisieren. Der englische Radweltmeister von 1965, Tom Simpson, erklärt diesen Zusammenhang in einem Interview: „Die misstrauischen Offiziellen mit ihren zwanghaften Nachforschungen und Dopingtests bereiten mir keine Sorgen. […] Es gibt im Radsport keineswegs soviel Doping, wie Zeitungen und Fernsehen uns glaubhaft machen wollen“ (Fotheringham, 2007, S. 191-192). 1967 investiert der Brite ein Jahresgehalt eines Profiradfahrers in Höhe von 800 Pfund in Amphetamine (vgl. ebd. S. 185). Im Laufe der
43
siebziger Jahre zeigt sich im Radsport im Vergleich zu anderen Profisportarten der umfassendste Einsatz von Dopingmitteln (vgl. Krämer, 1998, S. 109).
3.3.2 1967 - Der Tod Tom Simpsons Der bislang aufsehenerregendste Fall eines Dopingvergehens ereignet sich am 13. Juli 1967 auf der 13. Etappe der Tour de France (vgl. Boßdorf, 2004, S. 69). Der 29-jährige Tom Simpson folgt den Führenden Raymound Poulidor und Julio Jimenez bei 45 Grad Celsius auf den Gipfel des 2.ooo Meter hohen Mont Ventoux, obwohl er bereits während der gesamten Tour mit Magenproblemen zu kämpfen hat (vgl. Thompson, 2006, S. 236). Drei Kilometer vor dem Gipfel fährt Simpson Schlangenlinien und verliert schließlich das Gleichgewicht. Sein Mechaniker Harry Hall will ihn zur Aufgabe überreden, als Simpson protestiert und Hall ihn nach dem Einverständnis seines Teammanagers Alec Taylor wieder auf dessen Rad hilft (vgl. Fotheringham, 2007, S. 48). Nach wenigen Metern verliert Simpson abermals das Gleichgewicht und vor laufender Fernsehkamera das Bewusstsein (vgl. Schröder, 2002, S.102). Erste-Hilfe-Maßnahmen von einem Zuschauer und dem nachfolgenden Tourarzt bleiben erfolglos, so dass er mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus von Avignon geflogen wird. Um 17.40 Uhr stellen die dortigen Ärzte seinen Tod fest (vgl. Thompson, 2006, S. 237). Harry Hall erklärt gegenüber Fotheringham (2007, S. 52) seine Reaktion auf Simpsons Tod: „Wir waren uns im Klaren darüber, dass es einen Aufruhr wegen Doping geben würde und dass wir darüber Stillschweigen bewahren mussten“. Zu diesem Zeitpunkt wisse Hall noch nicht, dass Dumas in der Rückentasche von Simpsons Trikot drei Röhrchen mit Amphetaminen findet und daraufhin dessen Beerdigung verweigert (vgl. ebd. S.212-213). Um 18.30 Uhr verkündet Félix Levitan, Chefredakteur von Parisien Libéré den Tod Simpsons auf einer anberaumten Pressekonferenz mit dem Verweis auf die stattfindende Obduktion, ohne allerdings bereits von dem Amphetamin-Fund zu berichten (vgl. Fotheringham, 2007, S. 53). Dumas übergibt die zwei geleerten und ein halbgefülltes Röhrchen der Polizei, da das französische Anti-Doping-Gesetz seit zwei Jahren in Kraft ist und zeigt sie vorher Goddet (ebd. 213). Vom Doping wissend, deutet Goddet diese Tatsache am 14. Juli in einem Leitartikel der L’Équipe lediglich in Form einer Frage an, ohne jedoch die gefundenen Amphetamine zu erwähnen: 44
„Wir hatten uns bereits gefragt, ob dieser Athlet, dessen Schmerzen unter Druck offensichtlich waren, nicht richtig auf sich acht gegeben hatte…Doping? Wir können die öffentliche Enthüllung einer Tragödie befürchten, die diese Geißel verursacht hat“ (Fotheringham, 2007, S. 213). Dementsprechend berichtet das Hamburger Abendblatt am 14. Juli auf der Titelseite und im Sportteil. In dem Artikel ist die Rede von weinenden englischen Journalisten-Kollegen im Pressebereich der Tour und einer Dopingvermutung, als die Nachricht von Simpsons Tod verbreitet wird. „Der Engländer ist ein Opfer der furchtbaren Geißel des Sports geworden, ein Opfer des Dopings, jener Wunderdroge, die den Menschen an den Rand seiner Leistungsfähigkeit, aber auch an den Rand des Todes bringt“ (Schröder U. , 14.07.1967, S. 8). Somit hält sich die Zeitung eng an die Worte Goddets. In einer abgetrennten Spalte findet ein Kurzportrait über Simpson Platz. Er sei ein feiner Kerl außerhalb des Sports, würde aber während des Rennens keine Skrupel kennen und beim Zielsprint auch schon mal Faustschläge verteilen (vgl. ebd.). Die auf den Tod Simpsons folgende Debatte beherrscht die Schlagzeilen in Frankreich und wird durch existierende Fotografien und Filmaufnahmen von seinem
Ableben
maßgeblich
unterstützt
(vgl.
Thompson,
2006,
S.
237).
Der
Obduktionsbericht ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht und erscheint erst Anfang August (vgl. ebd.). Schnell geht es in der öffentlichen Debatte um die Frage der Schuld an seinem Tod. Die Fahrer, die sich öffentlich äußern, sowie der Journalist und ehemalige Fahrer Jean Bobet machen seinen unbedingten Siegeswillen dafür verantwortlich (vgl. ebd.). Diese Sichtweise findet sich ebenfalls in einem Bericht der FAZ wieder, die am 14. Juli 1967 eine Zusammenfassung von Agenturmeldungen veröffentlicht. Als Todesursache wird ein Hitzschlag angegeben, da sich Simpson beim Anstieg auf den Ventoux „offensichtlich übernommen hat“ (o.V., 14.07.1967, S. 6). Darüber hinaus ist von einer Oduktion die Rede, deren Hintergründe allerdings unerwähnt bleiben (vgl. ebd.). Jacques Anquetil plädiert für eine Reduzierung der Anzahl der Rennen und verweist im »Spiegel«, ohne auf die Dopinggerüchte um Simpson Bezug zu nehmen, auf den verantwortlichen Doping-Gebrauch der professionellen Fahrer. „Seit 50 Jahren schlucken die Fahrer Aufputschmittel. Es geht auch ohne Doping – aber nur mit 25 Stundenkilometern“ (o.V., 1967/31, S. 88). Der Zeitplan der Tour sei allerdings auf einen Schnitt von 37 Stundenkilometern ausgerichtet (vgl. ebd.). Auf die Frage, warum die Fahrer Rennen wie
45
Tour nicht einfach meiden oder sie die Verantwortlichen nicht dazu drängten, das Rennen zu vereinfachen, antwortet Anquetil: „If anyone could do it, it would no longer be the Tour“10 (Popkin, zitiert nach Thompson, 2006, S. 238). Diese Äußerung veranschaulicht nach Thompson (2006, S. 238), dass es bei der Tour weniger um das fahrerische Können der Fahrer, als mehr um das Veranschaulichen einer außergewöhnliche Leidensfähigkeit und Tapferkeit geht. Die Fahrer demonstrieren diese Eigenschaften, indem sie das Rennen beenden. Laut Goddet sind die Athleten „freiwillige Märtyrer“ (zitiert nach Fotheringham, 2007, S. 240), die ihre Bekanntheit der Legende der Tour schulden würden. Aus dieser Sichtweise heraus aktualisiert sich die Kritik an den Veranstaltern von Zeitungen wie L’Aurore oder Le Monde, weil die Rennleitung trotz der extremen Temperaturen nicht von der Überquerung des Ventoux abrückte (zitiert nach Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 142) und darüber hinaus durch die übermäßig hohen körperlichen Anforderungen die Fahrer zum Doping zwängen. Ohne die unterstützenden Maßnahmen könne die Tour nur von ein oder zwei außergewöhnlichen Fahrern gewonnen werden (vgl. Thompson, 2006, S. 239). Goddet und dessen Mitarbeiter widersprechen in der L’Équipe diesen Äußerungen damit, dass die Tour 1967 nicht besonders schwierig für die Fahrer zu bewältigen sei, da einhundert Fahrer ohne Probleme über den Ventoux gekommen wären und auch in anderen Sportarten extreme Wetterlagen vorkämen. Dopen würden nur Fahrer, die zu ehrgeizig seien (vgl. ebd. S. 239-241). Am 15. Juli wird in Deutschland über die Trauer der übrigen Fahrer, zurückhaltendes Klatschen der Zuschauer und die Entscheidung von Simpsons Teamleiter, dessen Mannschaft weiter fahren zu lassen, berichtet (vgl. o.V., 15./16.07.1967, S. 19). Darüber hinaus seien Amphetamine von der Polizei gefunden worden, woraufhin Dumas zitiert wird: „Es muß doch als nicht normal gelten, daß ein junger, gut trainierter, physisch starker Athlet bei einem Wettkampf stirbt“ (ebd.). Der Tourarzt scheint damit eine natürliche Todesursache ausschließen zu wollen und verweist damit bereits implizit auf leistungsfördernde Substanzen. Auch andere Zeitungen zitieren ihn: „Es ist von großer Bedeutung, die genaue Ursache von Simpsons Tod herauszufinden. Deswegen haben mein Kollege und ich die Leiche nicht zur Bestattung freigegeben“ (o.V., 15.07.1967, S. 11). Die „Tragödie“ (ebd.) um Englands besten Rennfahrer ist in dem Blatt das dominierende Thema und wird infolge 10
Übersetzung des Verfassers: „Wenn es jeder machen könnte, wäre es nicht mehr die Tour“. 46
dessen mit drei Artikeln behandelt. Ein Kommentar verweist auf Stimmen aus Frankreich, die einen Abbruch der „Hitze-Tour“ (o.V., 15.07.1967, S. 11) forderten, was allerdings nicht passieren würde, da der Sport einen Zug der Unerbittlichkeit beinhalten würde (vgl. ebd.). Der Medien-Tenor in Deutschland wird kritisch. Die Rede ist von Simpson als „Opfer des organisierten Abenteuers“ (o.V., 15.07.1967, S. 9) und der Tour de France als „sportliche Kirmes“ (ebd.). Die Tourleitung habe durch den Tourarzt Dumas ein Geständnis abgelegt, obwohl das Doping noch nicht als Todesursache bezeichnet, sondern neben dem Hitzschlag als zweite Möglichkeit erachtet werde: „Gejagt vom eigenen Ehrgeiz. Gehetzt vom Tourkoller: dem Willen in Paris, […], anzukommen. Dort eine zinsabwerfende Ehrenrunde zu genießen. Simpson bezahlte seinen Elan – ob er nun gedopt war oder einen Hitzschlag erlitt – mit dem Tod“ (ebd.). Neben Simpsons Mechaniker und dessen Teamchef, die den Engländer wieder auf das Rad setzten, sieht sich besonders Dumas starker Kritik ausgesetzt (vgl. Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 142). Jacques Anquetil und dessen Manager Raphael Géminiani machen den Arzt für Simpsons Tod verantwortlich, da er ihn nicht angemessen vor Ort behandelt hätte: „Pierre Dumas ließ Simpson sterben“ (zitiert nach Fotheringham, 2007, S. 235). Beide berufen sich auf den Arzt Dr. Philippe Decourt, der laut Fotheringham selbst an der Herstellung von Amphetaminen beteiligt sei und infolge dessen argumentiere. Demnach sei er nicht aufgrund der Amphetamine gestorben, sondern weil angemessene Hilfe gefehlt habe (vgl. ebd. S. 236-237). Nach Ansicht von Simpsons Teamkollegen Jean Stablinski habe sich Dumas des Todes von Simpsons lediglich bedient, um seinen Forderungen nach Dopingtests Nachdruck zu verleihen (vgl. ebd. S. 221). Am 19. Juli vermeldet die französischen Untersuchungskommission, dass AmphetaminDoping als Hauptursache für Simpsons Tod gelte (vgl. o.V., 19.07.1967, S. 5). Der offizielle Obduktionsbericht spricht von Herzversagen durch Erschöpfung, wobei die Hitze und die Einnahme der Amphetamine Simpson über seine Leistungsgrenzen hinaus geführt haben sollen (vgl. Fotheringham, 2007, S. 226). Ebenfalls beteiligt an seiner Dehydrierung waren eine Diarrhö-Erkrankung (vgl. ebd. 226) und die Einnahme von Alkohol während der Fahrt, die Simpson, wie zur damaligen Zeit üblich, zur Linderung der Schmerzen in seine Trinkflasche gefüllt hatte (vgl. ebd. S. 45). Im Dopingdiskurs wird Simpsons Tod zum Anlass genommen, Doping als logische Entwicklung des Berufssports zu beschreiben (vgl. (o.V.,
47
Spiel mit dem Tod - Doping - der schmutzige Weg zur Höchstleistung, 21.07.1967). Als eine Folge davon beginne sich „die Einsicht, daß Doping-Kontrollen auf Dauer unerläßlich sind […] durchzusetzen“ (ebd.).
3.3.3 Einführung regelmäßiger Kontrollen Aus der öffentlichen Entrüstung über Simpsons Tod geht eine Handlungsanweisung an die beteiligten Institutionen hervor, gegen Doping vorzugehen (vgl. Gamper, 2000, S. 54). So erlässt der Radsportweltverband UCI noch im November 1967 einen neuen internationalen Strafenkatalog. Fahrer, denen Doping nachgewiesen werden kann, werden beim ersten Vergehen einen Monat und nach dem vierten lebenslang gesperrt (vgl. Fotheringham, 2007, S. 220). Als eine Folge von Simpsons Tod existiert nun erstmals ein Strafenkatalog mit weltweiter Gültigkeit (vgl. ebd.). Weiterhin erhält der Begriff »Doping« 1968 Einzug in das Regelwerk des IOCs (vgl. Schiffer, zitiert nach Daumann, 2008, S. 26). Auf der Ebene der Tour räumt Goddet „wichtige Korrekturen“ (zitiert nach Fotheringham, 2007, S. 240) ein, ohne jedoch den Sport in Gänze verändern zu wollen. Basierend auf dem Gedanken der „freiwilligen Märtyrer“ (ebd.) sollen die Fahrer durch veränderte Routenplanung und Zeitabläufe vor ihren „eigenen Fehlern“ (ebd.) bewahrt werden. Im ersten Jahr nach Simpson reduziert Goddet die Streckenlänge von 4779,8 Kilometern als eine der längsten der Nachkriegszeit, auf 4684,1 Kilometer. Erst 1971 fällt sie mit einer Distanz von 3584,2 Kilometern deutlich kürzer aus und bewegt sich damit in dem Umfang, den sie regelmäßig seit Ende der 80er Jahre bis heute besitzt (vgl. Boßdorf, 2004, S.141-150). Da die Organisatoren und Berichterstatter um Goddet von einem spektakulären Leiden der Fahrer durch den intensiven Zuschauerzuspruch profitieren, befinden sie sich in einem moralischen Konflikt (vgl. Fotheringham, 2007, S. 208-209), der allerdings nicht öffentlich kommuniziert wird. Goddet schreibt in einem Leitartikel am Vortag der Tourstarts 1968, einen posthumen Beitrag an Simpson und streicht darin abermals die alleinige Verantwortung für eine „Seuche“ (ebd. S. 220) namens Doping auf Seiten der Fahrer heraus. „Lieber Tom Simpson […]. Du bist nicht umsonst in der Geröllwüste des Ventoux gestorben. Doping ist keine mysteriöse Krankheit mehr, versteckt, unkontrollierbar,
48
unkontrolliert. Jetzt scheint es unter den Fahrern eine allgemeine Entschlossenheit zu geben, sich von dieser Geißel zu lösen“ (zitiert nach Fotheringham, 2007, S. 218). Im darauffolgenden Jahr rufen die Organisatoren ihr Rennen folglich als »Tour de Santé«11 aus und starten das Rennen in dem Kurort Vittel (vgl. ebd. S. 220). Neuerdings werden die Kontrollen verschärft, indem sie von nun an regelmäßig im Zielbereich vorgenommen werden (vgl. ebd.). Die Tour habe sich nach Aussauge von Dumas für immer verändert, da Fahrern und Organisatoren die Risiken des Rennens vor Augen geführt worden wären (vgl. ebd.). Ungeachtet eines möglichen Interessenkonfliktes, sich bei positiven Tests selbst in Verruf zu bringen, überträgt der französische Staat die Kontrolle über die Durchführung der Dopingkontrollen an Sportverbände wie die UCI (vgl. Thompson, 2006, S. 241). Als Folge davon sind die Kontrollen bei der Tour 1968 derart uneffektiv, dass dopende Fahrer systematisch Behältnisse mit Fremdurin bereithalten können, ohne damit aufzufallen (vgl. ebd.). Zusammenassend liegt die Konsequenz aus Simpsons Tod in einer kurzfristigen öffentlichen Empörung mit regulativen Konsequenzen, die langfristig den status quo unangetastet lässt. So habe der Tod Simpsons nach Ansicht der »SZ« den Mythos der „Tour der Leiden“ eher verstärkt, als dem Image der Tour geschadet (vgl. Hacke D. , 1992, S. 19). Darüber hinaus tritt zum ersten Mal deutlich der innere Widerspruch des Profiradsports zu Tage: Auf der einen Seite erwarten Publikum, Journalisten und Sponsoren Bestleistungen der Fahrer, während sie gleichzeitig als Botschafter von Fairness und Gesundheit dienen sollen (vgl. Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 142), wie die Titelierung des Rennens als »Tour de Santé« unter Beweis stellt.
3.3.4 Etablierung des Geheimhaltungs- und Opferschemas
Anstelle von Desgrange sind nun Jacques Goddet und Félix Levitan mit der Aufgabe der Regieführung betraut, während das Drehbuch weiterhin hohe körperliche Anforderungen für das Schauspielensemble im Sinne einer dramatischen Darstellung vorsieht. Vergrößert hat sich allerdings die Anzahl an Institutionen, die am Drehbuch beteiligt sind. Da das Stück im
11
Übersetzung des Verfassers: „Tour der Gesundheit“ 49
Laufe der Jahre seine aufmerksamkeitsgenerierende Anziehungskraft unter Beweis gestellt hat, verlangen Unternehmen für ihren finanziellen Beitrag ein Mitspracherecht beim Drehbuch, um sicherzustellen, dass sie auch von den Zuschauern wahrgenommen werden. Sie profitieren dabei von dem Stück, indem sie mit ihren Produkten in seinem Umfeld in Erscheinung treten und darauf hoffen dürfen, das ein Teil des heldenhaften Images der Darsteller auf ihre Produkte abfärbt. Die Ziele der Sponsoren stimmen mit den Zielen des Regisseurs insofern überein, dass sich für beide Parteien eine möglichst positive Wahrnehmung der sportlichen Darsteller als vorteilhaft erweist. Insofern steigt die Anzahl der Claqueure auf beiden Bühnenebenen - auf der sportlichen Bühne durch die Wirtschaft und auf der medialen Vermittlungsebene durch das Fernsehen. Das sportliche Theater dehnt sich erheblich aus, da es nun nicht mehr nur vor Ort oder in der Zeitung wahrgenommen werden kann. Somit steigert sich über höhere Verdienstanreize auch die Verwendung der Requisite namens Doping, dessen negative Folgen in selbem Maße zunehmen. Sowohl Darsteller als auch Regisseure erkennen die Nebenwirkungen und verstehen sie als Berufsrisiko. Da diese Ansicht nicht mit den unterhaltungssuchenden Zuschauern in Einklang zu bringen ist, schweigen sie darüber auf der Vorderbühne und verwenden die Gefährdung im Sinne der positiven Imagebildung als Zeichen für die Dramatik des Stücks als die »Tour der Leiden«. Insofern wehren sich die Fahrer, als der französische Staat beginnt, zum Kontrolleur zu werden und ihnen die Wahl der Requisiten in Zukunft vorschreiben will, da sie fürchten eines großen Teils ihres dramatischen Potentials beraubt zu werden. Goddet und Levitan stehen als Regisseure zwischen den Fronten, da sie sowohl von den besten, mit allen Mitteln arbeitenden Darstellern profitieren, aber auch auf das Wohlwollen ihrer Kontrolleure angewiesen sind. Indem sie die Kontrollen möglichst uneffektiv gestalten, können sie das Problem vorerst auf die Hinterbühne verschieben. Mit dem Tod Jensens vergrößert sich für das staatliche Kontrollgremium des Stücks jedoch der Handlungsdruck, so dass es die Überprüfung der Darsteller schließlich gesetzlich regelt und damit Einfluss auf das sportliche Drehbuch zu nehmen versucht. Da dieses Skript nun allerdings auf Prinzipien wwie hohen körperlichen Anforderungen beruht sowie wenig Regeneration, hoher Gage im Erfolgsfall und infolge dessen starker Konkurrenz, sind die Requisiten ein elementarer Bestandteil der Aufführung, die in dieser Form Gefallen beim Publikum finden. So befinden sich die Regisseure erneut in einem Dilemma und behelfen sich damit, das bereits im Falle
50
Mallèjac bewährte Geheimhaltungs-Schema zur Doktrin zu machen und den Dopingdiskurs dahingehend einzuschränken. Der Tod Simpsons auf ihrer Bühne verschärft die Problematik für Goddet und Levitan zusätzlich, zumal ihr Publikum ihm vor laufender Kamera beim Sterben zusehen kann, was nicht unbedingt einer angenehmen Unterhaltung entspricht. Als kein anderer Ausweg mehr bleibt und die Regisseure Gefahr laufen, die Kontrolle über die eigene Hinterbühne zu verlieren, entschließen sie sich im Sinne des Angriffs als beste Verteidigung, die Requisite als eine Plage von Simpson zu brandmarken und damit die Normalität ihrer Existenz auf der Hinterbühne zu verneinen. Zudem gibt er später die Richtung und folglich den Rahmen vor, der sich als ein zweites Diskursmuster der Regie beschreiben lässt. Wenn sich aufgrund von äußeren Einflüssen das Schema der Geheimhaltung nicht mehr aufrechterhalten lässt, erfolgt die moralische Verurteilung in Form kraftvoller Semantiken aus dem naturkatastrophlichen Bereich. Doping impliziert damit, einer höheren Gewalt zu unterliegen, die nur schwer zu kontrollieren sei und in keinem Falle durch das Drehbuch strukturell erzeugt werden könne. Da das Darstellerensemble weiterhin unreglementiert bleiben möchte, halten sie sich an die vorgegebene Diskursstrategie in Form der Ausdruckskontrolle und machen das Doping nicht für Simpsons Tod verantwortlich, sondern dessen Naturell. Anfangs übernehmen auch andere Berichterstatter diese Rahmung. Jacques Anquetil setzt das sportliche Drehbuch besonders erfolgreich um, besitzt in Folge dessen einen besonderen Status innerhalb des Darstellerensembles und kann als ein Hauptdarsteller bezeichnet werden. Entsprechend seiner Rolle ist er weniger als andere Fahrer an die Weisungen der Regie gebunden, so dass er sich über die Sprachregelung der Regie hinwegsetzt und versucht, den Vorfall im Interesse der Fahrer zu rahmen. Durch eine Reduzierung des Rennkalenders und eine Dopingfreigabe, müssten die Darsteller nicht mehr die seit ein paar Jahren notwendige Geheimniskrämerei über ihre Requisiten auf der Hinterbühne betreiben. Ausdrücklich spricht sich Anquetil dabei allerdings gegen eine Reduzierung der Schwierigkeiten bei der »Tour« aus, da er seine Popularität und seinen Heldenstatus den außergewöhnlichen Anforderungen verdankt, die im Drehbuch gefordert sind. Sein diskursiver Vorstoß findet allerdings keinen Anklang im medialen Diskurs, sondern stärkt im Gegenteil die Opposition aus dem linken Lager. Goddet weist die Kritik im Rahmen des politischen Rollenspiels zurück und streitet die umfassende
51
Verbreitung des Dopings ab, indem er entsprechend seiner Diskursstrategie dessen Anwendung ausschließlich mit schädlichem Ehrgeiz in Verbindung bringt. Der Stellenwert von Dumas Entscheidung Simpsons Begräbnis zu verweigern, lässt sich tags darauf am medialen Echo ablesen. Ohne das Wort Doping zu erwähnen, tritt er mit seinen Aussagen in direkte Konfrontation mit der von den Fahrern und Regisseuren angewandten Diskursstrategie der Verharmlosung, da er den Todesfall Simpsons als ungewöhnlich einordnet. Für kritische Medien bietet sich auf der dritten Wahrnehmungsebene durch diese Aussage nun die Möglichkeit, den Fahrer Simpson in das Opfer-Schema zu überführen, nach dem die Fahrer durch Anforderungen der Rennleitung zum Doping gezwungen würden. Dumas hat sich damit gegenüber dem Darsteller-Ensembles als Denunziant entpuppt, da er Gruppengeheimnisse offenlegt und damit destruktive Informationen von der Hinterbühne an das Publikum verrät. So ist Anquetil als Hauptdarsteller in der Pflicht, Dumas Vergeltung zu Teil werden zu lassen. Die Heftigkeit seiner Sanktionierung, ihn für Simpsons Tod verantwortlich zu erklären, veranschaulicht ebenfalls den Grad der Grenzüberschreitung. So wird Dumas für seinen Verrat bestraft, während auch das Restensemble durch Veranschaulichung der negativen Konsequenzen dazu angehalten wird, soziale Disziplin in ihren Aussagen an den Tag zu legen. Der diskursive Grenzübertritt wird durch Anquetil indirekt mit einem Verbot markiert, auch und gerade wegen der Folgen. Trotz der Reglementierung Dumas stehen die Fahrer den Konsequenzen aus dessen diskursiven Regelbruch nun machtlos gegenüber. Der Denunziant erreicht durch die Erregung starker öffentlicher Empörung einer Ausweitung der Kontrollen, so dass er den Rahmungswettbewerb gegenüber den Regisseuren und Darstellern für sich entscheiden kann. Der Dopingdiskurs hat eine neue Qualität erfahren, da er erstmalig eine problematisierende und gesundheitsgefährdenen Rahmung erhält. Doping ist von nun an negativ besetzt. Dieser Entwicklung muss auch Goddet Rechnung tragen. Da er allerdings nicht das über die Jahre etablierte und erfolgreiche Drehbuch umschreiben kann, ohne das Stück fundamental zu verändern, muss er vor allem symbolischen Handlungswillen demonstrieren und keinen Zweifel daran lassen, in welch starker Intensität er den Kampf gegen Doping aufgenommen hat. Die »UCI« hilft den Regisseuren, indem sie Kontrollen weiterhin nachlässig betreibt, zumal es auch nicht in ihrem Interesse liegen kann, die eigenen Schauspieler durch ein besonders enges Kontrollnetz und damit einer Vielzahl
52
aufgedeckter Verstöße, zu diskreditieren. Flankiert von Idealisierungen wie der „Tour der Erneuerung“ gelingt es den Regisseuren schließlich im Laufe der Zeit, wiederum ihre altbewährte Rahmung des Verschweigens zu etablieren und durch ein Verbergen der Requisite auf der Hinterbühne zu einer Entregulierung des Dopingdiskurses beizutragen.
3.4 Rahmung III: Kriminalisierung 12
„Wir sind ja irgendwo ’ne Unterhaltung“ Jan Ullrich, Radrennfahrer
3.4.1 EPOchaler Radsportboom Weder diverse Dopingfälle nahezu aller prominenten Fahrer der Tour, darunter Ferdi Kübler, Jacques Anquetil, Freddie Maertens, Joop Zootemelk, Bernard Thévenet, Rudi Altig, Dietrich Thurau und Eddy Merckx (vgl. Krämer, 1998, S. 107), noch spektakuläre Zwischenfälle führen bis zum Ende der neunziger Jahre zu einer umfassenden öffentlichen Problematisierung des Dopings. Fahrer, wie Dieter Thurau sprechen 1978 offen über Doping, ohne, dass sie sich um sportrechtliche oder juristische Konsequenzen sorgen müssen: „Wer nichts nimmt, der bringt auch nichts“ (zitiert nach Hénard, 2001, S. 45). Doping ist wiederum zu eine Randerscheinung in der Wahrnehmung des Publikums geworden (vgl. Nuschke, 2007, S. 117). Entweder umgehen die Fahrer auf kreative Art und Weise den Kontrollen oder sie gebrauchen neue Präparate, für die noch keine geeigneten Kontrollmethoden existieren (vgl. Nuschke, 2007, S. 117). Obwohl auf der jährlich aktualisierten Negativliste der UCI neben Heroin, Kokain und Morphium auch Herz−Kreislauf−Präparate wie Ephedrin und Amphetamin aufgeführt sind, existiert lediglich für letzteres eine Testmethode (ebd.) Ebenfalls 1978 wird der im gelben Trikot fahrende Michel Pollentier von der laufenden Tour ausgeschlossen, als er seine Urinprobe am Ende der Etappe nicht aus seiner Blase, sondern mit Hilfe eines präparierten Gummischlauches abgibt, um seine positiven Werte zu verschleiern (vgl. Krämer, 1998, S. 113). In den achtziger Jahren wandelt sich das Doping von einer
erfahrungsbasierten
Verabreichung
durch
die
Teampfleger
hin
zu
einer
wissenschaftlichen Methodik. Italienische Forscher entwickeln nun langfristige Saisonpläne
12
(zitiert nach Schüle, 2003/24, S. 19) 53
an Stelle von kurzfristigen Wettkampfunterstützungen (vgl. Gamper, 1999, S. 21). Der ehemalige Radprofi Peter Winnen berichtet gegenüber dem Niederländischen NCR Handelsblad von seinen Doping-Erfahrungen zu Beginn der achtziger Jahre. Doping sei demnach in dieser Zeit im Fahrerfeld normal und akzeptiert gewesen: „Sponsoren und Betreuer waren auf der Suche nach dem Zaubertrank. Man wurde als Fahrer gelobt, wenn man Sachen geheim hielt“ (Winnen, 03.07.1999). Es seien meist harmlose Produkte auf der Dopingliste aufgeführt worden, die nur deshalb als „böse“ (ebd.) galten und den Fahrer zum Betrüger machten, weil sie auf eben dieser Liste stünden: „Das Unrecht rief eine riesige Geschlossenheit in der Szene hervor. Diese rigorose Trennung zwischen gut und böse war zu absurd“ (ebd.) . 1988 weist die Urinprobe des Gesamtführenden der Tour, Pedro Delgado, Rückstände eines Rheumamittels auf. Weil dieses Mittel allerdings nur auf der Antidopingliste des IOC und des französischen Radsportverbandes, nicht aber bei der UCI aufgeführt ist, gewinnt der Spanier die »Tour« (vgl. Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 194). Im folgenden Jahr wäre Delgado für dasselbe Vergehen gesperrt worden. Die Berichterstattung darüber erfolgt im Sinne eines Kavalierdeliktes. Die »dpa« spricht davon, dass er „mit einem blauen Auge davongekommen“ sei (Zellmer, 21.07.1988). Bei der Tour dominiert das Verständnis: „Sicher das gelbe Trikot sei befleckt, schrieben die Tageszeitungen […]. Aber wer hat es befleckt? Delgado? Wenn schon ein staatliches Untersuchungslabor und eine Tourjury zweieinhalb Tage brauchen, um herauszufinden, das Probenocid gar nicht auf dem UCI-Index steht: Wer soll denn überhaupt noch durchblicken in der großen Apotheke? […] Ist es also nicht höchste Eisenbahn, endlich einmal zu relativieren, wenn es um Doping geht? […] Handelt ein Radprofi, der sich dopt nicht als schwächstes Glied in einer Kette, deren Antriebsrad – ohne Pardon – das liebe Geld ist?“ (Betram, 1988/8, S. 15). Seit 1988 ist für die Behandlung von Nierenpatienten ein Medikament namens Erythropoetin (EPO) auf dem Markt. Die Substanz regt die Bildung von roten Blutkörperchen an und gilt aufgrund seiner ausdauerleistungssteigernden Wirkung Anfang der 1990er Jahre in Radsportkreisen als „Wundermittel“ (Breidbach, 2007, S.208). EPO löst damit die in Fahrerkreisen zuvor verbreitete Methode des Eigenblutdopings ab, die in den 1960er Jahren Einzug in den Leistungssport erhält (vgl. o.V., 2007, S.137). Die Wirkung ist identisch. Auch
54
beim Eigenblutdoping wird die Anzahl der sauerstoffbindenden Erythrozyten durch wettkampfnahe Zufuhr von vorher abgenommenem Blut erhöht. Während diese Methode allerdings sehr aufwendig ist und eine Leistungszufuhr von fünf Prozent ermöglicht, bietet EPO einen bis zu doppelt so hohen Zuwachs (vgl. Tolsdorf, 2007, S.63). Darüber hinaus kann es von den Sportlern jederzeit selbst angewendet werden (vgl. o.V., 2007, S.37). Da es bis Anfang der neunziger Jahre nicht auf der Verbotsliste steht, handelt es sich nach dem institutionell vermittelten Doping-Verständnis nicht um eine sportrechtlich illegale Praxis (vgl. Wagner, 2000, S. 34) Viele Radsportler leiden gerade in den Anfangsjahren der EPOAnwendung an den Nebenwirkungen, vor allem an Verklumpungen im Blut, die vermutlich mit einer Reihe ungeklärter Todesfälle in Zusammenhang stehen (vgl. Breidbach, 2007, S.208). 1997 führt die UCI in Ermangelung eines geeigneten EPO-Nachweises verbindliche Blutkontrollen ein, in denen der Hämatokritwert des Blutes nicht über 50 Prozent betragen darf. Wenn ein Fahrer mit einem höheren Wert auffällt, ist die Wahrscheinlichkeit eines Dopingvergehens hoch, da der Durchschnittswert eines tranierten Athleten um 44 Prozent liegt (vgl. Breidbach, 2007, S.209). Der Fahrer wird in diesem Fall einer sogenannten Schutzsperre unterzogen, die endet, wenn sich der Wert normalisiert hat (ebd.). Der ehemalige französische Radprofi Erwan Mentheour wird 1998 als erster Fahrer wegen eines zu hohen Hämatokrit-Wertes aus den Rennen Paris-Nizza ausgeschlossen. Er berichtet später von einem ritualisierten Gebrauch des Dopings, das Zugehörigkeit schaffe. „Es ist demnach eine Art Ritterschlag, die höchste Weihe, um als vollwertiges Mitglied in der Radsport-Szene Anerkennung zu finden“ (Severin, 2007, S. 17). Ein Schweizer Radprofi, der anonym bleiben möchte, beschreibt, dass den Fahrern gegenüber kein Druck erzeugt wurde, um sie zur Einnahme des EPO zu bewegen: „Es blieb mein persönlicher Entscheid“ (Wagner, 2000, S. 35). Innerhalb der öffentlichen Kommunikation, bleibt den Fahrern hingegen weniger Freiheit: „Nun haben wir in der Dopingdiskussion lediglich zwei Möglichkeiten; lügen oder nichts sagen“ (ebd. S. 40). Nach Winnen (03.07.1999) erhalte die Chancengleichheit durch die Maßnahmen der UCI wieder Einzug unter den Rennfahrern, führe zu einem neuen Dopingverständnis und halte die Gesundheitsschädigung in Grenzen. „EPO ist selbst erlaubt, solange der Hämatokritwert nicht über 50% ist. EPO ist nicht gefährlich, wenn man es mit der richtigen Betreuung anwendet“. Die Regelung der »UCI« dient demnach einer Eindämmung und damit
55
verbunden einer stillschweigenden Akzeptanz und nicht einer Verhinderung des EPODopings (vgl. Breidbach, 2007, S.208). Mitte der neunziger Jahre erfolgen zwei DopingGeständnisse von aktiven Radprofis und lösen damit jeweils identische Reaktionen im deutschen Radsport aus. 1996 gesteht Uwe Ampler mit EPO gedopt zu haben, dessen Karriere danach beendet ist (vgl. Salden, 23.05.2007). Ein Jahr später bekennt Jörg Paffrath Spiegel: „Ohne Chemie läuft in dem Geschäft gar nichts" (zitiert nach ebd.). Damit hat auch er keine Chance mehr, im Radsport Fuß zu fassen. Der verantwortliche Spiegel-Redakteur Udo Ludwig erklärt: „Man hat ihn […] aussortiert“ (zitiert nach ebd.) Darüber hinaus wird Paffrath vom BDR mit lebenslangem Lizenzentzug bestraft, da er „dem Ansehen des BDR schweren Schaden zugefügt habe" (o.V., 1998/11, S. 246). Eine öffentliche Reaktion darauf bleibt aus. Im selben Jahr wird Jan Ullrich zur „Lichtgestalt“ (o.V., 02.07.2007). Die gesamte Tour de France erlebt Mitte der neunziger Jahre einen rasanten Aufschwung als die Nachfrage aus der Bundesrepublik sprunghaft steigt (vgl. Schröder R., 2002, S.53). Nach Boris Becker und Steffi Graf im Tennis, Michael Schuhmacher im Rennsport oder Henry Maske im Boxen löst Jan Ullrich einen Radsportboom aus (Franke, 2007, S. 92). Nach einem zweiten Platz bei der Tour de France 1996, gewinnt Ullrich ein Jahr später als erster Deutscher die Frankreich-Rundfahrt, wird als „weltbester Radsportler“ ausgezeichnet und zum „Sportler des Jahres“ gewählt (Schüle, 2003/24, S. 24). Mit seinen Erfolgen steigt das Zuschauer- und Medieninteresse an der Tour de France. So berichten die öffentlichrechtlichen Sender erstmals live über das Rennen. In der ARD steigt der Umfang der Berichterstattung von 340 Minuten im Jahr 1994 auf über 100 Stunden (vgl. Bernreuther, 2003). Sechsstündige Tourübertragungen erreichen einen Marktanteil von 21,5 Prozent (ARD zitiert nach Föst & Kammann, 2007, S. 163) und führen zusammen mit täglichen Kurzzusammenfassungen in der Tagesschau zu einer Ausweitung der Sendezeit um 1720 Prozent (vgl. Bernreuther, 2003). Die Berichterstattung über die Tour de France im Allgemeinen und Jan Ullrich im Speziellen ist positiv. „Die sportbegeisterten Journalisten dankten ihm [Ullrich] den eigenen Rausch, die steigende Eigenbedeutung und das dazugewonnene Sendevolumen mit Protektion und Überschwänglichkeit“ (Schüle, 2003/24, S. 24). Eine „mediale Randsportart“ (Hidde, 2005, S. 20) wird in kürzester Zeit zu einem Wirtschaftsfaktor (vgl. Bernreuther, 2003). Fahrradfahren wird zum Volkssport (vgl. Schüle, 2003, S. 24). Die Deutsche Telekom verzeichnet als Sponsor des gleichnamigen Rennstalls
56
dank Ullrich während der Tour eine 4041 minütige TV-Präsenz und steigert damit ihren PRWert von 1996 auf 1997 um 52,5 Millionen auf 81 Millionen DM (vgl. Föst & Kammann, 2007, S.163). Somit steigen auch die Gehälter der Radprofis in Dimensionen anderer populärer Profisportarten (vgl. Schröder R. , 2002, S. 52-53), im Falle von Jan Ullrich auf über zwei Millionen DM (vgl. Föst & Kammann, 2007, S. 163).
3.4.2 1998 – Die Festina-Affäre Im Jahr der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich wird die öffentliche Debatte über die Tour de France in ähnlicher Dimension wie bei dem Tod Simpsons beherrscht. Neben der üblichen
Sportberichterstattung
beschäftigen
sich
in
Deutschland
erstmals
gesellschaftspolitische Magazine wie Sabine Christiansen oder Monitor mit dem Radrennen (vgl. Christensen, 1999, S .1). Die Verantwortlichen des Rennens werden mit der sogenannten Festina-Affäre, einem der größten, öffentlich verhandelten Doping-Skandale der Sportgeschichte konfrontiert (vgl. Lenze, 2006, S. 27). Als Auslöser für die Festina-Affäre gilt Frankreichs kommunistische Sportministerin MarieGeorges Buffet. Knobbe (2000, S. 145) spricht in diesem Zusammenhang von einer „gezielten Aktion des französischen Staates […] gegen das Doping im Leistungssport“. Im Gegensatz zu Deutschland, in dem bis dato die Kontrolle und Sanktionierung des Dopings mit Ausnahme der „Fremdschädigung“, des Arzneimittelhandels oder des umstrittenen Betrugtatbestands der Sportsgerichtsbarkeit unterstellt ist (vgl. Arndt, Singler, & Treutlein, 2004, S. 76), verfügt Frankreich seit 1965 über ein Anti-Doping-Gesetz. Die Dopingverabreichung kann dort bis zu vier Jahre Haft einbringen (Fischer, 1998/08, S. 82). Buffet hat im Laufe ihrer einjährigen Amtszeit den Anti-Doping-Etat der französischen Regierung bereits verdreifacht (vgl. Hahn, 1998) als am 8. Juli 1998 Willy Voets, sogenannter »Soigneur« und damit medizinischer Betreuer der französischen Festina-Mannschaft am belgisch-französischen Grenzübergang Neuville-en-Ferrain um 6.30 Uhr in eine Polizeikontrolle gerät. Während der nachfolgenden Ermittlungen stellt sich heraus, dass die Überprüfung wohl kein Zufall darstellte, da die Route des Belgiers der Polizei vorher bekannt war (vgl. Lenze, 2006, S. 33). Es wird vermutet, dass der behördliche Eifer auch gegen den Präsidenten der Société der Tour, Jean-Claude
57
Killy, ein politischer Rechtsaußen, gerichtet ist (vgl. Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 221). Die linke Zeitung Humanité titelt „Buffets Kreuzzug verändert Europa“ (Hénard, 2001, S. 45). Die französischen Beamten finden in seinem Teamfahrzeug 250 Flaschen, Erythropoetin, 80 Ampullen Wachstumshormone, 160 Dosen Testosteron und 60 Gelantinekapseln eines Blutverdünnungsmittels (vgl. o.V., 06.05.2001). Die L’Équipe berichtet als erstes, allerdings mit drei Tagen Verspätung von einer „kleinen Bombe“ (Knobbe, 2000, S. 144) und am darauffolgenden Tag von einem „Schock“ (ebd.). Die SZ bezieht sich am 13. Juli auf diese Berichterstattung, wertet die Geschehnisse allerdings als einen „Monstersprengsatz, der unter Umständen die ganze Veranstaltung in die Luft jagt“ (Burghardt, 13.07.1998, S. 23). Am 16. Juli erhält die aufgeheizte Mediendiskussion neues Material, als die französische Boulevardzeitung France Soir den Chefarzt des Lausanner Klinikums, Gerald Gremion, zitiert: „99 Prozent der Fahrer sind gedopt“ (Knobbe, 2000, S. 148). Lothar Heinrich, Arzt des Team Telekoms kritisiert die Aussagen: „99 Prozent – das ist doch lächerlich und sagt etwas über die Glaubwürdigkeit Gremions aus“ (Zellmer, 15.07.1998). Auch die deutsche Presse, allen voran das öffentlich-rechtliche Fernsehen, hält sich mit Dopingvermutungen gegenüber dem Bonner Rennstall zurück. Seit diesem Jahr tritt die ARD als Sponsor des Teams in Erscheinung, zahlt für ihr Logo auf den Magenta-Trikots bis 1999 jeweils vier Millionen DM und befindet sich damit in einem Interessenkonflikt zwischen dem Programmauftrag entsprechender, objektiver Berichterstattung und Imageaufwertung (vgl. Bernreuther, 2003). Der damalige ARD-Tour-Moderator Jürgen Emig erklärt: „Soll ich etwa Jan Ullrich fragen, ob er gedopt ist? Das ist nicht mein Stil" (Leyendecker, 04.07.2008, S. 12). Der Direktor des Team Telekoms, Walter Godefroot, wiegelt Doping in seiner Mannschaft ab und gibt sich betroffen: „Es tut weh, und es wäre schade, wenn das wirklich alles stimmt. Im Sport darf es so etwas eigentlich nicht geben“ (Knobbe, 2000, S. 146). Gegenüber der Polizei gibt Voets zunächst an, die Mittel für den Eigenbedarf zu verwenden (vgl. Nuschke, 2007, S. 121). In einem Interview mit der »Tour« begründet er diese Lüge später mit den Regeln des Dopingdiskurses: „Wer auspackt ist erledigt“ (zitiert nach Christensen, 1999, S. 17). Erst im Laufe der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen belastet der 53-jährige die Verantwortlichen des Festina-Rennstalls, sowie deren Teamärzte und Fahrer, die den Anschuldigungen allesamt widersprechen (vgl. Christensen, 1999, S. 122). Bruno Roussel, Teamleiter von Festina wird festgenommen und zieht einen Anwalt zu seiner
58
Verteidigung hinzu: „Das Team hat sich nichts vorzuwerfen“ (Christensen, 1999, S. 14). Tourdirektor Jean Marie Leblanc widerspricht Forderungen Buffets, die Festina-Mannschaft auszuschließen (vgl. Burghardt, 13.07.1998, S. 23) und verteidigt die Rennfahrer: „Sofern nichts Neues in der Festina Angelegenheit hinzukommt, betrifft die Sache die Rennfahrer nicht“ (zitiert nach Christensen, 1999, S. 14). Nach zwei Tagen in Untersuchungshaft gesteht Roussel am 17. Juli, ein langjähriges Dopingsystem installiert zu haben (vgl. Schindel, 09.07.2008). Unter medizinischer Überwachung investierte das Team jährlich rund 400.000 Francs für Dopingmittel und stattet seine Fahrer mit Messgeräten zur Einhaltung des von der UCI tolerierten 50-prozentigen Hämatokritwertes aus (vgl. Lenze, 2006, S. 32). Noch am selben Tag wird Festina als erstem Team in der Geschichte der Tour de France die Starterlaubnis entzogen (vgl. Schindel, 09.07.2008). Leblanc begründet die Entscheidung, obwohl keinem der Fahrer innerhalb einer Kontrolle Doping nachgewiesen werden kann, mit einem kollektiven Verstoß „gegen die Regeln der Tour de France, gegen ihre fundamentalen Prinzipien, zuallererst gegen die Ethik des Sports“ (Meusel, 1998/08, S. 79). Die Fahrer von Festina wollen trotzdem zur nächsten Etappe antreten, werden aber von Leblanc zur Aufgabe überredet. Einer der Favoriten der Tour und Vorjahreszweite, Richard Virenque, weint vor Enttäuschung vor laufenden Kameras und erklärt: „Es
ist
heute
die
Entscheidung
der
ganzen
Mannschaft,
sich
von
der Tour de France zurückzuziehen, nachdem wir von Rechts und Links Druck erfahren haben […]. Juristisch gesehen hätten wir weitermachen können, aber des Sports wegen verlassen wir die Tour“ (Zellmer, 18.07.1998). Für die L’Équipe seien die Probleme somit überstanden und die 3705 Mitarbeiter des Rennens würden auf eine Konzentration auf das Sportliche hoffen: „Der Dampfer Tour de France scheint also seine Kreuzfahrt auf einem Meer der Glückseligkeit fortzusetzen“ (Hoyer, 19.07.1998). Obwohl auch die dpa von einem „heilsamen Tour-Schock“ (Deister, 19.07.1998) spricht, überwiegt bei der Mehrzahl der Berichterstatter der kritische Fokus. Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen tritt das sportliche Geschehen mehr und mehr in Hintergrund. Ermöglicht durch das französische Antidoping-Gesetz (vgl. Lenze, 2006, S. 64) zeigen die Medien Bilder von Verhaftungen und Razzien. Der ursprüngliche Sport rückt zu Gunsten einer Kriminalitätsberichterstattung in den Hintergrund. Die Zeitung Le Figaro beschreibt die Szenerie: „Man sprach nicht über Ausreißmanöver, Sprints, Durchschnittszeiten. Man sprach
59
über Verhöre, Polizeigewahrsam, Suspendierung, Verdacht“ (zitiert nach Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 22). Die Polizei steht zusammen mit 800 Journalisten 147 Fahrern gegenüber (vgl. Zellmer, 26.07.1998). Dazu Bjarne Riis, Vorjahressieger der Tour de France und Fahrer des Team Telekom: „Ich denke die Presse braucht uns, wir brauchen denen nicht“ (Knobbe, 2000, S. 147-148). Am 23. Juli wird in einem Beitrag des französischen Senders
Antenne
2
der
Müll
der
Asics-Mannschaft
überprüft
und
leere
Arzneimittelverpackungen als Dopingmittel präsentiert, die sich erst später als Vitaminpräperate entpuppen (vgl. Schindel, 09.07.2008; Zellmer, 26.07.1998). Die französische Tageszeitung Le Monde verlangt den Tour-Abbruch (vgl. Schindel, 09.07.2008), während die Fahrer auf ihre Skandalisierung mit einem zweistündigen Sitzstreik am Start der 12. Etappe reagieren. Der franzose Laurent Jalabert ist Innitiator des Protests: „Wo der Sport jetzt sekundär geworden ist und wir wie Vieh behandelt werden, haben wir beschlossen, nicht zu fahren“ (Meusel, 1998/08, S. 79). Nach einer weiteren Durchsuchung des Teams TVM-Farm Frites folgt ein weiterer Streik der Fahrer, die damit auf die in ihren Augen unverhältnismäßige Härte der Polizei aufmerksam machen wollen. Im Anschluss steigen TVM und fünf weiteren Teams aus der Tour aus (vgl. Nuschke, 2007, S. 123). Als keine neuen Entwicklungen in Form von Disqualifikationen mehr zu berichten sind, verstärkt sich in der Berichterstattung der Fokus auf andere Medien, während die Etappenergebnisse kaum noch Relevanz besitzen. „Die Experten werden von Zeitung zu Zeitung gereicht […]. Ob L’EQUIPE, FRANCE SOIR, LE FIGARO, LE MONDE, LE PARISIEN (alle Frankreich), ob LA REPUBBLICA oder GAZETTA DELLO SPORT (Italien), ob LE SOIR (Belgien), BLICK (Schweiz) oder DE TELEGRAAF (Niederlande), alle finden Eingang in die deutsche Presse und wahrscheinlich auch umgekehrt und untereinander“ (Knobbe, 2000, S. 149) Am Ende erreichen 96 von 190 gestarteten Fahrern das Ziel in Paris und das Rennen erhält Beinamen wie „Tour de Farce“ (Nuschke, 2007, S. 124) oder „Tour de Dopage“ (Löhle, 1998/08, S. 101). Sowohl in der FAZ als auch in der Tour kommt der Schweizer Krisenmanager Martin Zenhäuser zu Wort. Er beschreibt den Imageschaden der Tour de France als beträchtlich: „Die Doping-Krise hat das Vertrauen in den Radsport erschüttert. Das Publikum verliert das Interesse, Sponsoren verabschieden sich, die Medien wenden sich vermehrt anderen Sportarten zu“ (Gerth, 1998/08, S. 80). Auch die SZ sieht mit Andeutung
60
auf die neue Rolle der französischen Judikative schwarz für die Zukunft der Tour, schließlich würden Staatsanwälte intensivere Bemühungen als Verbandsfunktionäre betreiben (Burghardt, 20.07.1998, S. 26). In dem meisten überregionalen Tageszeitungen findet sich nun eine Chronologie der Dopinggeschehnisse bei der Tour in diesem und in den vergangenen Jahren (vgl. Knobbe, 2000, S. 148). Trotzdem wird im medialen Tenor Nachsicht mit den Fahrern geübt, um im gleichen Atemzug die organisatorischen Strukturen zu kritisieren. Die Anwendung von Dopingmitteln seien zwar moralisch fragwürdig, aber medizinisch nachvollziehbar. „Anbetung und Argwohn haben die gleiche Quelle: modernes Gladiatorentum. Die Tour de France ist eine Tortur, die jeden normalen Menschen zugrunde richten würde, […] falls sie nicht nachhelfen“ (Waldbröl, 17.17.1998, S. 14). Der Spiege« bezieht sich ebenfalls auf die Hintergründe des Spektakels. Die Tour sei erst durch Doping ermöglicht worden. „Und die Zuschauer? Warum sind sie süchtig nach der Tour? Weil sich in den Radprofis der Wunsch nach eigener Stärke und tödlichem Risiko personifiziert, die Angstlust, das Mysterium. Eine faszinierende Grenzerfahrung, die durch Television keinen Schaden nimmt, wie die Einschaltziffern beweisen. Die Tour ist ein Fest fürs Leben. Sie ist tot? So ein Blödsinn. Das Volk läßt die Tour nicht sterben. Denn alles verstehen, heißt alles verzeihen. Vive le Tour! Vive la France!“ (Halter, 1998/32, S. 97). Ein Blick auf die Folgen der Festina-Affäre, geben der Meinung des Magazins Recht.
3.4.3 Institutionalisierung der Anti-Doping Bemühungen 1998 wird die Öffentlichkeit erstmalig über systematisches, überindividuelles Doping im Radsport informiert. Die Affäre hat gezeigt, „dass von der Normalität abweicht, wer sich nicht dopt, wer keine verbotenen Medikamente nimmt“ (Brissoneau, 2007, S. 186). Weiterhin wird durch die Sanktionierung des französischen Staates der Radsport in Verbindung mit der Kriminalität gebracht (vgl. Lenze, 2006, S. 26). So wird Bruno Roussel zu einem Jahr und Willy Voets zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt. Strafmildernd wirkt nach Aussage der Staatsanwaltschaft, dass die Haltung der verantwortlichen Radsportverbände UCI und FFC keine Unrechtmäßigkeit des Dopings erkennen ließen (vgl. Nuschke, 2007, S. 61
123). So argumentiert auch der französische Fahrer Richard Virenque vor Gericht im Jahr 2000, wonach man nur im Falle eines positven Tests gedopt sei und kein Betrüger sein könne, wenn alle betrügen (L’Équipe vom 25.10.2000 zitiert nach Treutlein, 2007, S. 244245). Die Verwicklung in die Dopingaffäre haben, abgesehen von seinem Verdienstausfall wegen der gegen ihn und seine sechs Teamkollegen verhängten Sperre von bis zu sieben Monaten, keinen negativen Einfluss. Seine Popularität in Frankreich steigt sogar (vgl. Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 255). So berichtet die SZ von Spruchbändern mit „Richard, komm‘ bald wieder“ (o.V., 23.07.1998, S. 9), während dem Team Telekom nach einem Etappensieg Festina-Sprechchöre entgegenschlagen (vgl. Löhle, 1998, S. 101). In Bezug auf das Image des Leistungssports im Allgemeinen und des Radsports und der Tour de France im Speziellen herrscht bei den Verantwortlichen rege Geschäftigkeit. Die Angst vor negativen Konsequenzen führt in Kombination mit dem öffentlich erzeugten Druck zur Bezeugung ihres Handlungswillens im Rahmen ihrer Anti-Doping-Bemühungen (vgl. Lenze, 2006, S. 34). So erhöht die UCI den Jahresetat 1999 auf rund fünf Millionen Mark und führt einen von den Teams unabhängigen Gesundheitstest ein (vgl. Christensen, 1999, S. 36). Der sogenannte »medical follow-up« solle im Falle einer Auffälligkeit keine Sanktionen nach sich ziehen, sondern in Kombination mit dem im Jahr 2000 folgenden »Gesundheitspass« die medizinische Transparenz der Fahrer erhöhen, indem dort der gesundheitliche Werdegang und die dafür benötigten Medikamente nachvollziehbar werden (vgl. Lenze, 2006, S. 35-37). Weitere Maßnahmen sind eine Reduzierung der Renntage, erhöhte Kontrollbudgets und die Einrichtung eines Kontrollgremiums. Darüber hinaus fordern die UCI die Unterstützung nationaler Rechtssprechung (ebd. S. 38-39). Auch das IOC sieht sich gezwungen, in Anbetracht des öffentlichen Aufruhrs das Dopingproblem in Angriff zu nehmen und legt auf der Welt-Anti-Doping-Konferenz in Lausanne im Februar 1999 die Grundlage zu Schaffung der WADA im November desselben Jahres. Unter dem Dach dieser neuen Institution sollen nun erstmals Sportverbände und Regierungen auf internationaler Ebene gegen das Doping vorgehen und zudem nationale Anti-Doping-Agenturen ins Leben rufen (vgl. Lenze, 2006, S. 42-43). Auf staatlicher Ebene kritisiert Sportministerin Buffet - für den Spiegel mittlerweile die „Jeanne d’Arc im Kampf gegen das Doping“ (Halter, 1998/32, S. 97) - die Entscheidung der UCI, Richard Virenque gegen den Willen der Tourleitung an der kommenden Frankreichrundfahrt teilnehmen zu lassen. Der Radsportverband lasse es an der nötigen
62
Konsequenz fehlen (vgl. Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 225). Darüber hinaus erarbeitet Buffet eine weitere Verschärfung des französischen Anti-Doping-Gesetzes. Demnach können überführte Sportler weiterhin sportrechtlich gesperrt werden, während sich für die dopingverabreichenden Teamärzte und Betreuer die strafrechtlichen Konsequenzen in Form einer Höchststrafe von 76.200 Euro oder fünf Jahre Gefängnis erhöhen (vgl. Hellmuth, 09.08.2006). Angeklagte Personen gelten demnach als »kriminellen Vereinigung«. Begleitet wird das Gesetz von einem nationalen Anti-Doping-Rat mit weitgehenden Ermittlungs- und Sanktionsbefugnissen (vgl. Hahn D., 25.07.1998). Mit Rückenwind aus der Festina-Affäre tritt das Gesetz am 23. März 1999 in Kraft (vgl. Hellmuth, 09.08.2006). Im Rahmen der Tour de France hält sich die Tourleitung symbolisch an die Vorgabe der L’Équipe, nach dem Ende der Skandal-Tour 1998 einen „neuen Anfang im Radsport“ (zitiert nach o.V., 31.07.1998) zu begehen. Es handelt sich nach Renndirektor Leblanc um eine „Überlebensfrage des Radsports“ (Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 225), so dass er dementsprechend 31 Jahre nach dem Todesfall Simpsons anstelle einer »Tour de Santé« die „Tour der Erneuerung“ (Schröder R. , 2002, S. 129) ausruft. Vor dem Start sind erstmals alle Fahrer aufgefordert, den Bluttest der UCI zu absolvieren. Weitere Kontrollen stehen den drei Erstplatzierten plus zwei zufällig ausgelosten Fahrern bevor (vgl. Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 225). Darüber hinaus verschwindet mit Bezug auf Willy Voets das Wort »soigneur« aus dem offiziellen Sprachgebrauch des Radsports und wird durch »Teamassistent« ersetzt (vgl. Fotheringham, 2007, S. 185). Sowohl Festina auch auch die Mannschaft des Team Telekom führen eine sogenannte »Ethik-Charta« ein, in der sich die Fahrer verpflichten, auf Dopingmittel zu verzichten (vgl. Christensen, 1999, S. 44). Weiterhin spenden sie 1,2 bzw. eine Million Mark für den Kampf gegen das Doping, engagieren wissenschaftliche Berater und unterziehen sich freiwilligen Gesundheitskontrollen (vgl. ebd.). Ein ehemaliger Radprofi und Teilnehmer der Tour de France, der unerkannt bleiben möchte, beschreibt die Folgen auf sportlicher Ebene: „Ich bin überzeugt, dass beim Saisonstart 1999 fast hundert Prozent der Profis sauber fuhren. […] Bald schlichen sich aber Zweifel ein: […] Die Angst vor den Kontrollen verflog jedenfalls schnell, weil wir merkten, dass das alles zur Verbesserung des Images initiiert worden war“ (Wagner, 2000, S. 41). Der Radprofi Christophe Basson erlangt in Frankreich Berühmtheit, da er als einziger Fahrer des Festina-Teams, wie von Willy Voets bestätigt wird (Ducion, 06.07.2001), nicht auf
63
Dopingmittel zurückgegriffen hat. In einer Kolummne der Zeitung Le Parisien kritisiert der Franzose die »Tour der Erneuerung« ebenfalls als „Heuchelei“ (Woller, 2007, S. 95), allerdings öffentlich. Nach zwei Wochen bricht Basson die Rundfahrt ab, nachdem er von dem gesamten Peloton inklusive seines Teams und dem Träger des gelben Trikots, Lance Armstrong, unter Druck gesetzt wird (ebd.). „Er hat mir zu verstehen gegeben, dass ich dem Radsport schade, […] dass es Zeit wäre, den Beruf zu wechseln“ (Woller, 2007, S. 101). Tourdirektor Leblanc bewertet das Ausscheiden des Franzosen als folgerichtig: „The rider […] hinted that the progress we have made to clean up the sport was unsuccessful. He irritated the peloton by using his tongue to get media attention instead of his legs” 13 (o.V., 18.07.1999). Am Ende der Tour zeigt sich Leblanc nach dem erstmaligen Sieg von Armstrong und dem Ausbleiben einer positiven Dopingprobe erleichtert: „Die Tour ist gerettet“ (Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 229). Zusammenfassend wird Doping im Rahmen der Festina-Affäre umfassend problematisiert, so dass im Vergleich zu den sechziger bis achziger Jahren ein Regelverstoß vom „Bagatelldelikt zum Großbetrug ausgewachsen“ (Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 261) ist, ohne dabei jedoch einen nachhaltigen Wandel in der Dopingpraxis zu bewirken. Die Kriminalisierung führt nach Aussagen Voets im Gegenteil zu einer verstärkten Abkapselung und Professionalisierung des Dopingsystems. „Die Kontrollen, in denen in der Regel nichts nachgewiesen werden kann, dienen als Beglaubigung der Unschuld der Fahrer, das Verbot bewährter Substanzen treibt dazu an, neue Mittel zu entdecken und zu entwickeln“ (Gamper M. , 03.09.1999, S. 11). 1998 veröffentlicht die NZZ ein ausführliches Dopinggeständnis des Schweizer Radprofis Rolf Järmann: „Bis zur Tour de France 1998 wurde offen über EPO geredet, innerhalb der Mannschaft und unter den anderen Teams“ (zitiert nach Forst, 09.06.2008). Nach dem Skandal sei ein Ende der offenen Kommunikation zu beobachten gewesen, obwohl weiter gedopt werde (vgl. ebd.) Ein Jahr darauf beendet Järmann seine Karriere. Die öffentlichkeitswirksamen
Anti-Doping-Maßnahmen
zeigen
sich
aus
Sicht
der
verantwortlichen Institutionen erfolgreich. Die Tour de France erlebt nach dem größten Skandal ihrer Geschichte langfristig eher eine Imageaufwertung als eine Verschlechterung (vgl. Nuschke, 2007, S. 124). In einer Vergleichsstudie von 1996 zu 2006 wird die Tour in fast 13
Übersetzung des Verfasser: „Der Fahrer vermittelte dein Eindruck, dass unsere Maßnahmen für einen sauberen Sport nicht erfolgreich waren. Er irritierte das Fahrerfeld, indem mediale Aufmerksamkeit mit seiner Zunge und nicht mit seinen Beinen erregte“. 64
allen erhobenen Imagedimensionen, wie unterhaltend, spannend, dynamisch oder attraktiv gleichbleibend oder verbessert wahrgenommen (vgl. ebd). Entgegen der Einschätzung Zenhäusers bleiben auch alle Sponsoren der Tour treu (vgl. Knobbe, 2000, S. 152). Ein Grund dafür liegt vermutlich in der hohen Medienpräsenz, wie das Beispiel Festina zeigt. Die spanische Uhrenmarke trägt keinen gravierenden Schaden davon, sondern profitiert gar im Rahmen des Dopingdiskurses. 1998 erscheinen rund 10.000 Artikel über die nach dem Unternehmen benannten Affäre (vgl. o.V., 22.08.2007). Nach dem Mitglied der Geschäftsführung, Manfred Stoffers, sei die Marke über Nacht jedem fünften deutschen als Uhrenhersteller bekannt geworden und man habe eine Flucht nach vorne betrieben: „Wir haben gestanden, uns entschuldigt und Besserung gelobt und das, obwohl wir für das Doping gar nicht verantwortlich waren“ (ebd.). Das Unternehmen kann seine Umsatzerwartungen 1998 nach oben korrigieren und spricht aus Marketinggesichtspunkten über den Skandal von einem „sensationellen Erfolg“ (o.V., 28.08.1998). Ähnlich sieht es Helmut Thoma, damaliger Geschäftsführer des Fernsehsenders RTL, für das gesamte Rennen: „In diesem Jahr hat die Tour de France ungeheuer von den Skandalen profitiert. Da haben die Leute darauf gewartet, ob irgendwann einmal jemand vom Rad fällt, weil er gedopt war oder ob die Gendarmerie einen herausgreift. Das war ein richtiges Medienereignis. Wenn die einfach so vor sich hinradeln, schalten auch wieder viele aus“ (zitiert nach o.V., 28.08.1998). So wirkt sich Festina-Affäre entgegen vieler Befürchtungen insgesamt kaum negativ aus. Die Tour de France und ihre Protagonisten können sogar von ihr profitieren, gerade wenn der öffentliche Eindruck erweckt wird offensiv, konsequent und handlungsorientiert gegen das Doping vorzugehen.
3.4.4 Etablierung des Kriminalitäts-Schemas
Die Aussagen des deutschen Darstellers Dieter Thurau belegen die aus Sicht des Theaters erfolgreiche Diskurstaktik des Verharmlosens und Verschleierns im Dopingdiskurs auf der Vorderbühne. Das Publikum zeigt sich taktvoll, indem es diesen Fehler innerhalb der Darstellung unbeachtet lässt, um sich im Anschluss wiederum von den dargebotenen Rollen 65
überzeugen zu lassen. Wenn das Gesamtbild mit den positiven Erwartungen des Zuschauers übereinstimmt, lassen sich Nachlässigkeiten verschmerzen. Auch der Tenor des medialen Dopingdiskurses klingt entsprechend und übernimmt damit bewusst oder unbewusst die Rolle des Claqueurs. Damit dies aber so bleibt, muss hinter den Kulissen gerade von Seiten der Sponsoren darauf hingewiesen werden, die Doping-Requisite geheim zu halten, während auf der Bühne ein intensiver Anti-Doping-Kampf propagiert wird. Für diese symbolische Politik setzt sich die UCI als Schauspielerverband ein. Indem sie ab und an unvorsichtige Darsteller sanktioniert, können sie ihre eigentliche Rolle des Clacqeurs in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem Kontrolleur umdeuten und damit zur Glaubwürdigkeit des Stückes beitragen. Zwischen den staatlich verordneten Repressalien gegen das Doping und dem Wunsch der Zuschauer nach einer dramatischen Darstellung, die den Einsatz dieser Requisite erfordert, sind vor allem die Darsteller gefordert mit diesen widersprüchlichen Rollenerwartungen umzugehen. Der äußere Druck führt dabei zu einer stetig stärker werden Ensemble-Verschwörung und der intensiven Ausprägung eines Wir-Gefühls. Auf der Hinterbühne kann offen über den Gebrauch der Requisite gesprochen werden, dessen Gebrauch den Darsteller erst zum vollwertigen Ensemble-Mitglied macht, während auf der Vorderbühne alle Darsteller bemüht sein sollen, die Existenz des Dopings zu verneinen. Mit der zunehmenden Perfektionierung des Requisiten-Gebrauchs gewinnt auch das Schauspiel mehr und mehr an Dramatik. Da gerade die EPO-Substanz einen deutlichen Zuwachs an schauspielerischer Darstellungskraft liefert, wächst auch das Misstrauen unter den Darstellern, weil jeder die mit Prestige und hohen Gagen entlohnte Hauptrolle des Stücks spielen
möchte.
Als
die
zunehmende
Gesundheitsgefährdung
durch
den
konkurrenzbedingten, übermäßigen EPO-Konsum zu Tage tritt, reagiert der Intendant mit Kontrollmaßnahmen auf der Hinterbühne, um schlagzeilenträchtige Unfälle auf der Vorderbühne zu vermeiden. Wenn es trotzdem einmal zur Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit kommt, weil ein Darsteller aus der zweiten Reihe zum Denzianten geworden
ist,
erfordert
es
eine
strikte
Sanktionierungsreaktion
von
allen
Ensemblemitgliedern auf und hinter der Bühne, um den labilen status quo aus widersprüchlichen Erwartungen im Gleichgewicht zu halten. Das gilt um so stärker in einer Aufschwungphase des Theaters, die für alle Beteiligten einen Zuwachs an Salär, Aufmerksamkeit, Macht und Rollenstatus bedeutet. Die Schattenseite dieser exponierteren
66
gesellschaftlichen Stellung stellt sich allerdings in Form einer größeren Angriffsfläche dar, die auf politischer Ebene ebenfalls aus Gründen der Aufmerksamkeiterzeugung, Profilbildung und Machtvermehrung genutzt werden kann. Ein kleines, unbedeutendes Theater würde sich weniger gut dafür eignen, zumal die Tour automatisch große mediale Resonanz verschafft. So bereitet Sportministerin Buffet ihren »Coup« gewissenhaft vor und schreitet zur Tat, als das mediale Interesse mit Beginn des Theaterstücks am höchsten ist. Als politisch links orientiert kann sie sicher sein, mit dieser Maßnahme gegen einen komplementär ausgerichteten »Gegner«, in ihrem eigenen Lager zu punkten. In der Folge wird die bisherige Rahmung des Diskurses ab dem Moment der Verhaftung Voets durch die neue Rolle der Staatsgewalt auf der Bühne mit zunehmender Intensität von einem Kriminalitäts-Schema überlagert. Während die Theaterzeitung L’Équipe noch mit Hilfe von scheibchenweiser Einräumung der Geschehnisse versucht, zu deeskalieren, besitzt das Tour-Theater mittlerweile einen Stellenwert und das Dopingthema in Verbindung mit dem neuartigen Kriminalitäts-Schema ein Konfliktpotential, das hohe mediale Resonanz hervorruft. Das Diskurs-Schema der Geheimhaltung kann gegen die Staatsgewalt nur kurz bestehen und fordert im Sinne der Wahrung des »sauberen«Eindrucks eine Reinigung der Tour durch ein Entfernen des FestinaTeams aus der Besetzungsliste. Um wirklich sicher zu gehen, dass die Öffentlichkeit versteht, was sie mitteilen will, greift die Regie in Form von Leblanc zum ersten Mal auf die Ethik als offensives, symbolisches Erklärungsmuster zurück. Die drastische, überwiegend negativ konnotierte Berichterstattung auf der zweiten, medialen Wahrnehmungsebene führt dazu, dass Leblanc stärker als jemals zuvor in das Skript des Stücks auf der ersten Ebene eingreifen muss, um seinen Handlungswillen im Sinne des Eindrucksmanagements zu bezeugen. So übt er Druck auf Virenque als einen seiner Hauptdarsteller aus, damit dieser die Tour verlässt, obwohl sportrechtlich und damit in den Statuten des Drehbuchs nichts gegen ihn vorliegt. Tags darauf versucht Leblanc mit Hilfe seines Clacquers in Form der L’Équipe, die Geschehnisse für beendet zu erklären, um damit in das alte Diskurs-Schema der Geheimhaltung überzuwechseln. Der Großteil der Medien hat sich allerdings bereits auf den Kriminalitäts-Rahmen festgelegt, der durch weitere Festnahmen und Razzien immer wieder verstärkt und erneuert wird, so dass die weiteren Ereignisse in diesem Schema behandelt werden und den eigentlichen Inhalt des Stückes überlagern. Da dieses Schema Anklang bei
67
den Zuschauern findet, verstärken die Medien den Kriminalitäts-Fokus noch zusätzlich, indem sie sich wie im Falle des französischen Senders Antenne 2 als Kontrolleure darstellen. So versuchen die Medien auch durch immer stärker werdenden Selbstbezug, auf der zweiten Ebene selbst die Rolle des Regisseurs zu übernehmen. Die Darsteller reagieren, da sie sich als Bauernopfer der widersprüchlichen Anforderungen begreifen und gleichzeitig aber aufgrund der umso stärker von Leblanc propagierten Geheimhaltung keine Möglichkeit auf eine Äußerung dieser Widersprüche besitzen, mit Protest. Im Dopingdiskurs sind sie zur Sprachlosigkeit gezwungen, während auf ihrem Rücken politische und mediale Rahmungswettbewerbe ausgetragen werden, dessen Folgen sie ebenfalls zu tragen haben. Eine Perspektive, die sich bis zu diesem Zeitpunkt auch noch auf der zweiten Ebene finden lässt, wie sich bei der FAZ und im Spiegel zeigt. Das Publikum hat im Laufe der Affäre nicht nur einen umfassenden Einblick auf die Hinterbühne der Tour de France, sondern - laut dem medialen Tenor - auch hinter den Vorhang des gesamten Spitensports erhalten. Dem Publikum kann deutlich werden, was sich hinter der jahrzehntelang aufgebauten Fassade verbirgt: Doping ist die Regel statt die Ausnahme. Es herrscht daher kein Unrechtsbewusstsein bei den Sportlern und es handelt sich bei der Rolle der Sportverbände entgegen ihres Eindrucksmanagements um die eines Clacqueurs und nicht eines Kontrolleurs. Dementsprechend fühlen sich die Akteure, die ihre berufliche Beschäftigung dem Spitzensport verdanken, aufgefordert, den - wie sie befürchten - nachteiligen Eindruck des Publikums gegenüber dem Spitzensport zu korrigieren. Umfangreiche Bemühungen mit semantisch unzweifelhaften Begriffen wie »Gesundheitspass«, die internationale Institutionalisierung der Anti-Doping-Bemühungen in Form der WADA, Gesetzes-Verschärfungen, die »Tour der Erneuerung«, eine »Ethik-Charta« der Teams und besonders die Verbannung des Wortes »soigneur« veranschaulichen den symbolischen Handlungswillen. Mit den widersprüchlichen Anforderungen gegenüber an die Sportlern, die auf der einen Seite nur für Leistung entlohnt werden, auf der anderen Seite dabei allerdings auch noch moralischer als ihr institutionelles Umfeld handeln müssen, wird sich dagegen nicht auseinandergesetzt. So wächst auch das gegenseitige Misstrauen unter den Fahrern, da jede weitere Enthüllung weitere negative Konsequenzen für die Fahrer nach sich zieht. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang das Mobbing gegen Christoph Basson, dessen Kritik nicht einmal gegen andere Fahrer, sondern gegen die symbolische Anti-Doping-
68
Politik der Regie gerichtet war. Die Zurechtweisung Bassons durch Leblanc soll den Darsteller an seine Rolle erinnern: »Radfahren, einen sauberen Eindruck dabei vermitteln und dabei den Mund halten«. Aus Sicht von Leblanc war sein Krisenmanagement allerdings erfolgreich. Das Publikum hat sich nicht von seinem Stück abgewandt. Im Gegenteil. Es lässt sich vielmehr deuten, dass durch die erhebliche Medienpräsenz, wie im Fall Festina, ein zusätzliches Interesse generiert werden konnte und in diesem Zusammenhang auch von zwei Publikumsebenen gesprochen werden kann. Auf der ersten Wahrnehmungsebene am Streckenrand befinden sich die Fans, denen es wie im Falle Virenque relativ egal ist, ob ihr Held dopt oder nicht, weil sie wissen, dass es nicht ohne Doping geht. Oder sie verwehren sich standhaft dem Eindruck, dass Doping Teil des Radsports ist, indem Sie sich mit Hilfe der symbolischen Anti-Doping-Politik, tränenreichen Geständnissen und jedem negativen Test wieder bereitwillig beruhigen lassen. Sie sind das eigentliche Publikumsensemble im Goffmanschen Sinne. Die zweite, mediale Wahrnehmungsebene hingegen besteht einerseits aus dem Publikumsensemble, dass es in diesem Falle vorzieht, das Stück vor dem Fernseher zu verfolgen und andererseits aus den Außenseitern. Dieses nicht-sport interessierte Publikum zeigt kein direktes Interesse an der Handlung des Stückes, sondern erfreut sich an realer live-Action mit Sondersendungen, Lügen, Blutwäschern und Razzien im Rahmen des Kriminalitäts-Schemas. Insofern bot das Stück namens Tour de France im Jahre 1998 alles, was der Zuschauer sehen wollte. Noch erfolgreicher scheint nur noch ein Phänomen zu sein, das sich in den folgenden Jahren im Tourverlauf andeuten soll, aber erst in dem Moment auffällig wird, wenn es wieder vorbei ist. Eine Nation und ihr Held. Deutschland und Jan Ullrich.
3.5 Rahmung IV: Moralische Verdammung „Wenn ich in der Öffentlichkeit gefragt wurde, ob ich gedopt habe, habe ich natürlich immer nein gesagt. Das 14 gehört zu meinem Job“ . Patrik Sinkewitz, Radrennfahrer
3.5.1 Das Karriereende von Jan Ullrich
14
(zitiert nach Hacke & Ludwig, 2007/45, S. 216). 69
Die Jahre von 1999 bis 2006 stehen im Zeichen eines Duells, zwischen Jan Ullrich und Lance Armstrong. Ullrich ist wertvoll für die Medien und Sponsoren. Als der Spiegel 1999 auf sechs Seiten über angebliches Doping beim Team Telekom berichtet, bestreitet das Unternehmen die Vorwürfe vor Gericht und droht mit einem Anzeigenboykott (vgl. Salden, 23.05.2007). Ullrich und sein Team verschaffen der Telekom einen Werbewert von 200 Millionen Euro pro Jahr (vgl. Schüle, 2003/24). Der betreffende Spiegel-Journalist wird von einigen seiner Kollegen daraufhin ignoriert, während er von anderen Zuspruch erfährt: „Ihr habt natürlich alles richtig geschrieben, das wissen wir seit langem, wir haben uns nur nicht getraut, es zu schreiben“ (zitiert nach Salden, 23.05.2007). Negative Dopingtests werden positiv bewertet und gelten als Legitimation dafür, dass die Anti-Doping-Maßnahmen greifen. Darüber hinaus wird das Doping als nicht zum Sport zugehörig erklärt, wie der Kommentar der ARDModeratorin Monica Lierhaus veranschaulicht: „Es wird zumindest etwas getan und das ist die gute Nachricht dabei. Es sind schon weit über einhundert Fahrer getestet worden bei dieser Tour. Jetzt aber zurück zum Sportlichen“ (in Sportschau live vom 13.07.2005 zitiert nach Ihle, 2008, S. 112). Die deutschen Medien beginnen regelmäßig bereits im Winter damit, anhand von Ullrichs Gewicht, seine Siegeschancen für die Tour zu prognostizieren (vgl. Hacke, 2005/28, S. 134). Das „Jahrhunderttalent“ (Schüle, 2003/24, S. 24) belegt bis 2005 »nur« viermal den Zweiten und jeweils einmal den Dritten und Vierten Platz des Gesamtclassements der Tour. „Sein Sieg war wie ein Versprechen, das er bis heute nicht einlösen konnte“ (Hacke, 2005/28, S. 134). Mit Ullrichs Teilnahme und seinen Erfolgen bei der Tour stehen und fallen die Einschaltquoten. Als er im Jahr 2002 wegen Knieproblemen den Tourstart absagen muss, verfolgen knapp zwei Millionen Deutsche das Rennen und sorgen für ein Marktanteil von 19,6 Prozent (ARD zitiert nach Föst & Kammann, 2007, S. 166). Im Juni befindet sich Ullrich in der Rehabilitation, nimmt eine Ecstasy Tablette, wird am kommenden Tag positiv getestet und für sechs Monate gesperrt (vgl. Föst & Kammann, 2007, S. 165). Millionenschwere Sponsorenverluste und eine Vertragsauflösung beim Team Telekom sind die Folge (vgl. ebd.). Ullrich empfindet die nachfolgende Berichterstattung als fair. „Man hat halt ein paar Tage darauf rumgetreten, dann war es gut. Dann haben sie geschrieben, wie es letztlich ja auch war, dass das nichts mit Sportbetrug zu tun hatte“ (zitiert nach Schüle, 2003/24, S. 24). In der kommenden Saison startet Ullrich im Team Bianchi bei der Tour und die Marktanteile steigen auf 28,5 im Schnitt und 50 Prozent in der
70
Spitze (vgl. ebd.). Mit neun Millionen Zuschauern am Nachmittag erreichen die öffentlichrechtlichen Sender Rekordquoten (vgl. Hacke D. , 2005/28, S. 136). „Mehr als 120 Stunden Sendezeit, täglich ab 14 Uhr, Live-Übertragung, Nachbetrachtung,
Analyse,
Statistik,
TourRetour,
TourKultur,
TourPorträt,
TourEnbloc, Sportschau, Nachrichtensendungen, Interviews, Pressekonferenzen, Sondersendungen. Die Programmdirektoren haben die Programme leer gefegt für die Tour. Spektakuläre Spezialkameras! Hubschrauberaufnahmen! Verbesserter Ton! (Schüle, 2003/24, S. 24) Als im Jahr 2004 beim Bergzeitfahren nach Alpe d`Huez eine Entscheidung im Duell zwischen Armstrong und Ullrich ansteht, befindet auch die SZ: „Der Mythos lebt“ (o.V., 20.07.2004, S. 20), während der »Spiegel« prognostiziert, dass der Aufstiegsrekord von Marco Pantani aus dem Jahr 1997 gebrochen werden könnte (vgl. Hacke D. , 2004/30, S. 151). Das Doping wird im Zusammenhang mit der Tour de France nur vereinzelt diskutiert, selbst wenn, wie im Falle des Spaniers Jesus Manzano, ein Fahrer über systematisches Eigenblut-Doping bei seinem Kelme Team berichtet (vgl. Forst, 09.06.2008). Der öffentliche Aufschrei bleibt aus, obwohl Doping noch immer im großen Umfang praktiziert wird. Das von der UCI mit der Durchführung des Blutpasses beauftragte Antidoping-Labor in Lausanne untersucht die Blutwerte der Fahrer vor allen größeren Rundfahrten, um im Zweifelsfall die Schutzsperre aussprechen zu können (vgl. Geisser, 05.08.2007, S.26). Eine neuartige Prävalenz-Methode erlaubt eine exakte Bestimmung von Blutmanipulation, sei es durch EPO-Doping, Eigen- oder Fremdblut-Transfusion, die allerdings nach UCI keinen sportrechtlichen Charakter besitzen soll (vgl. ebd.). Demnach sinkt der Anteil der Fahrer, die EPO verwenden von 80 Prozent im Jahr 1996 geringfügig, bis er 1999 nach der Festina-Affäre bis 2000 in ähnliche Dimensionen steigt. Als 2001 die erste reliable Nachweismethode für EPO-Doping angewendet wird (vgl. Lenze, 2006, S. 17), ist das Peloton vor der Tour de France „praktisch sauber“ (Geisser, 05.08.2007, S.26). Erst gegen Ende des Rennens zeige sich wieder eine Zunahme, da es um den Sieg gehe und die Fahrer zudem die Grenzen des Tests erkannt hätten (vgl. ebd). 2002 steigen die Prävalenz-Zahlen im Feld erneut bis 2003 flächendeckend gedopt wird, da EPO in sehr geringen Dosen und Fremdbluttransfusionen nicht nachgewiesen werden können (ebd). Der erste Test für Fremdblut-Transfusionen wird Anfang 2005 eingeführt und überführt zwei Fahrer. Bei 50 Prozent der Fahrer lässt sich Eigenblutdoping nachweisen (ebd.). Diese
71
Doping-Methode sorgt für die nächste, aufmerksamkeitserregende Affäre bei der Tour de France. Bei der sogenannten »Operación Puerto« führt die Fahndung der spanischen Polizei am 23. Mai 2005 zur Aushebung eines Dopinglabors, welches durch den spanischen Sportarzt Eufemiano Fuentes betrieben wird. Im Kühlschrank finden sich über 100 präparierte Blutkonserven, die im Laufe der Ermittlungen überwiegend Radfahrern zugeordnet werden können. Das Ausmaß des Skandals steht für die SZ schnell fest: „Schlimmer als 1998“ (Cáceres, 26.05.2006, S. 23). Wenige Tage vor Beginn der Tour de France wird der Ermittlungsbericht der spanischen Behörden veröffentlicht. Daraufhin werden 21 zur Frankreichrundfahrt nominierte Fahrer durch die Tourleitung oder ihre Teams suspendiert, darunter auch die Favoriten auf das Gesamtclassement Ivan Basso und Jan Ullrich (vgl. Mustroph, 2007, S. 134-137). Ullrich, seit 2004 wieder bei der Telekom, steht damit nach seiner Entlassung aus dem Team vor dem Karriereende und gehöre laut Spiegel und der nachfolgenden medialen Debatte auf den „Scheiterhaufen“ (Hacke D. , 2006/27, S. 150). „Ullrich hat uns belogen. Uns, die wir ihm Millionen zahlen, und die ganze Welt“ (ebd.). Obwohl die spanische Justiz per DNA-Analyse sein Blut in der Praxis von Fuentes identifiziert, leugnet Ullrich gedopt zu haben. Der Ausfall der Favoriten hat erhebliche Auswirkungen auf die Einschaltquoten. Statt 3,38 Millionen sehen nur noch 1,48 Millionen Zuschauern den Prolog der Tour de France. Obwohl sich die Quoten im Laufe der Tour erhöhen, lässt sich im Schnitt ein Absinken um 1,1 Millionen auf nun 1,81 Millionen Zuschauer feststellen (vgl. Weis, 03.08.2006). Im Februar 2007 richtet der WDR eine Doping-Fachredaktion ein. Der Intendant des Senders, Fritz Pleitgen, erklärt, dass man die Sportberichterstattung wegen Doping-Verdachts nicht einstellen könne, „aber wir müssen dazu beitragen, diese Seuche einzudämmen“ (o.V., 17.01.2007). In künftigen Lizenzverträgen bei Sportübertragungen solle es eine so genannte Doping-Klausel geben. Diese sieht vor, dass ein Verband, dessen Sportler gegen die Dopingregeln der nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) verstoßen, mit Sanktionen rechnen muss (vgl. ebd.). Bewirkt durch den neuerlichen Skandal sinkt die Zahl der Dopingnutzer im Fahrerfeld auf den Stand von 2001 (vgl. Geisser, 05.08.2007, S.26). Der Öffentlichkeit vermittelt sich allerdings ein umgekehrtes Bild, da sie nun wieder erheblich stärker mit Doping im Radsport konfrontiert wird. Der Gewinner der Tour, Floyd Landis, wird nachträglich des Dopings
72
überführt, bevor am 30. April 2007 ein Vorabdruck eines Enthüllungsbuches des ehemaligen Telekom-Betreuers Jeff D`hont eine Geständniswelle im deutschen Radsport auslöst (vgl. Weber, 2007/7, S. 68). Im Spiegel belastet der Belgier Fahrer, Mediziner und die damaligen Team-Verantwortlichen. Doping sei bis 1996 die Regel im Team gewesen. Im Radsport gelte das Gesetz der Omertá: „Man muss schweigen, oder das System bricht zusammen, und die Sponsoren springen ab“ (zitiert nach Geyer, Gorris, & Ludwig, 2007/18, S. 54). Alle wüssten vom Doping, nur die Öffentlichkeit habe man stets für dumm verkauft (vgl. ebd.). Im Tagesund Wochenrhythmus folgen nun Doping-Bekenntnisse der ehemaligen Telekom-Fahrer Bert Dietz, Christian Henn, Udo Bölts, Erik Zabel, Rolf Aldag und Bjarne Riis.
Ein weiterer
Blutbeutel aus der »Operación Puerto« kann dem deutschen Rennfahrer Jörg Jaksche zugeordnet werden. Sein damaliger Teamchef, Manolo Saiz, wird im Zuge der Ermittlungen als einer der Hauptakteure in dem Skandal identifiziert, woraufhin Jaksche, der aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Tour 2006 teilnehmen kann, seinen Arbeitsplatz verliert. Auch Jaksche leugnet anfangs mit Fuentes in Kontakt getreten zu sein, verkauft aber schließlich Informationen über seine Doping-Vergangenheit in einem exklusiv-Interview am 2. Juli an den Spiegel für 25.000 Euro (o.V., 2007/8, S. 24), nachdem er keinen Ausweg mehr für seine Karriere gesehen habe (vgl. Schlickmann & Psotta, 2007/27, S. 50). Auf insgesamt 14 Seiten gibt Jaksche ein umfassendes Geständnis seiner Doping-Vergangenheit zu Protokoll und berichtet dabei auch über die Omertá als das Gesetz des Schweigens. „Wäre der Radsport eine Mafia, würden sie sagen: Halt ein Jahr lang deine Klappe, und danach stellen wir dich zu guten Konditionen wieder ein. Aber der Radsport ist nicht mafiös, der Radsport ist skrupellos“ (zitiert nach Gorris, Hacke, & Ludwig, 2007/27, S. 71). Für den Spiegel wird das Geständnis zum Erfolg. Diese Ausgabe gehört zu den bestverkauften des Jahres (vgl. Sundermeyer, 2007/10, S. 14). Bei der Tour de France 2007 greifen weniger als 25 Prozent aller Teilnehmer auf manipuliertes Blut zurück, allerdings ist „unter den ersten 30 des Gesamtklassements […] die Prävalenz höher als in den hinteren Rängen“ (Geisser, 05.08.2007, S. 23). Aufgrund der Enthüllungen der letzten Monate zeigt sich bei der Einschätzung der Öffentlichkeit ein gegenteiliges Bild. Eine ZDF-Umfrage ergibt, dass 89 Prozent der deutschen Zuschauer vor Beginn der Tour Doping für die Regel im Radsport halten (vgl. Dobbert, 29.07.2007). So sieht sich auch die UCI unter Zugzwang und verlangt im Vorfeld des Rennens die Unterzeichnung
73
einer Ehrenerklärung von allen Fahrern, Ärzten und Teammanagern, welche die Verpflichtung auf eine dopingfreien Ausübung der Sportart beinhaltet. Ohne Unterschrift wird den Mannschaften keine Starterlaubnis erteilt. "Ich erkläre auf meine Ehre vor meiner Mannschaft, meinen Kollegen, der UCI, der Radsportfamilie und dem Publikum, dass ich weder in die Puerto-Affäre noch in irgendeine andere Dopinggeschichte verwickelt bin, und dass ich keinen Verstoß gegen das Antidopingreglement der UCI begehen werde. Ich will meine Verpflichtung damit unter Beweis stellen, dass ich zusätzlich zu den Sanktionen des Reglements einen Beitrag an die Dopingbekämpfung in der Höhe meines Jahreslohns für 2007 leisten werde für den Fall, dass ich das Reglement verletzt haben sollte und zur Standardsanktion der zweijährigen oder zu einer längeren Suspendierung verurteilt werde […]“ (o.V., 19.07.2007). Alle 21 teilnehmenden Teams unterschreiben die Erklärung. Vielsagend ist dabei der letzte Absatz des Dokuments, in der die Bereitschaft dazu eingefordert wird, sich dem Willen der UCI anzuschließen, die Erklärung publik zu machen (vgl. ebd.). Dieser Satz verdeutlicht die angestrebte
Öffentlichkeitswirksamkeit
der
Aktion.
Es
soll
Transparenz
und
Nachvollziehbarkeit demonstriert werden, um das verunsicherte Publikum zu beruhigen. Der deutsche Astana-Fahrer Andreas Klöden willigt unter Protest ein: "Ich fühle mich erpresst, finde das sittenwidrig und menschenunwürdig“ (Dobbert, 29.07.2007). Die massenmediale Umgehensweise mit der Dopingthematik zeigt sich uneinheitlich. Auf der einen Seite werden gegenüber den Anti-Doping-Maßnahmen erhebliche Zweifel geäußert. Die taz zitiert dazu die ehemalige Präsidentin des DRV, Sylvia Schenck: „Erstens wird kaum einer erwischt. Und zweitens ist diese Erklärung rechtlich völlig irrelevant. Das ist reine Augenwischerei“ (Völker, 07.07.2007, S. 14). So sieht es auch die SZ. Damit das System Leistungssport nicht in die Luft fliege, suggeriere man hartes Durchgreifen, welches nur zur weiteren Verhüllung des Problems beitrage: „Keine Kronzeugenregelung für geständige Sünder, dazu saftige Geldstrafen. Das schützt nicht den Radsport vorm Dopen, wohl aber das System vor beichtwilligen Athleten“ (Kistner, 19.07.2007, S. 20). In Bezug auf die Berichterstattung entschließt sich die Berliner Zeitung zu einer neuartigen Vorgehensweise. Als Teil der „Verwertungskette der Tour“ (Weinreich, 07./08.07.2007, S. 18) soll an Stelle einer Nichtachtung, nur in kritischer Form über die Geschehnisse berichtet werden. „Es wird
74
immer noch […] verheimlicht und bestritten. Wer in Gelb fährt, ist völlig unerheblich“ (ebd.). Statt Etappenberichten erscheint in der Folge eine dopingzentrierte Berichterstattung. Im Laufe der Tour de France entfallen mit 42 Artikeln 17,9 Prozent des Sportteils auf das Rennen, von denen sich 98,1 Prozent mit der Doping-Problematik auseinandersetzen (Eberle, 2008, S. 62). Die FAZ berichtet im Vergleich dazu umfassender und neutraler. 31,3 Prozent der gesamten Sportberichterstattung entfallen über die Tour und davon wiederum 86,7 Prozent auf Dopinginhalte. Zu Beginn der Tour erscheint ein Appel an den Zuschauer, da unter anderem die unangemeldeten Kontrollen im Vorfeld der Tour verfünffacht seien: „Sehen Sie selbst Skandale wie den Ausschluss von Ullrich und Basso […] nicht mehr als Teil der Krankheit, sondern schon der Therapie. Geben Sie ihm [dem Radprofi] noch eine Chance“ (Eichler, 08.07.2007, S. 17). Gegenteilig wird die Thematik von der »Sport Bild« im Rahmen einer Kriminalitätsberichterstattung behandelt. Die deutschen Fahrer sollen sich dabei einem Lügendetektortest unterziehen (vgl. Psotta & Schlickmann, 2007/28, S. 48). Darüber hinaus kontrolliert ein Reporter des Magazins ein französisches Hotelzimmer der Astana-Mannschaft um den deutschen Tour-Favoriten und Vorjahreszweiten Andreas Klöden und findet neben Tablettenpackungen von erlaubten Schmerzmitteln, „kreisrunde Blutlachen“ (Psotta, 2007/29, S. 53) auf dem Laken. Der Fernsehsender Eurosport räumt dem Dopingkomplex im Rahmen seiner LiveÜbertragung einen untergeordneten Stellenwert ein. Der Sprecher des Sportsenders, Werner Starz, erklärt: „Selbstverständlich steht das Thema Doping bei uns auf dem Notizzettel. Aber unsere erste Rolle ist nun mal die des Berichterstatters über den Sport“ (Pohlmann & Sagatz, 18.07.2007). Eine Einschätzung, die in dieser Zeit den Geschmack des Publikums trifft. Eurosport kann seine Quoten im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt von 114.000 auf 327.000 Zuschauer mehr als verdreifachen (vgl. ebd.). Der Sportsender kann vor allem zulegen, weil die Zuschauer von den Öffentlich-Rechtlichen flüchten. Nachdem die Sender im Vorfeld der Tour bereits in Richtung der Veranstalter gedroht haben, die Übertragungen einzustellen, "wenn das Thema Doping noch mal hochkommt“ (ARDChefredakteur Thomas Baumann zitiert nach o.V., 05.07.2007), haben sich die Anstalten für eine dopingzentrierte Berichterstattung enschieden. „Wir haben der Doping-Diskussion im Vorlauf viel Platz eingeräumt. Mit diesem Thema treffen wir nicht den Geschmack vieler Leute“, (o.V., 10.07.2007) erklärt ARD/ZDF-Programmchef Peter Kaadtmann. Die
75
Zuschauerredaktion des mit Übetragung der Tour betrauten Saarländischen Rundfunks werde von Beschwerden wegen der "übertriebenen Doping-Erwähnung bombardiert“ (o.V., 09.07.2007). So halbieren sich beim ZDF mit 820 000 Zuschauern bei der ersten Etappe im Vergleich zum Vorjahr mit 1,65 Millionen bei der ARD die Zuschauerzahlen. Die Quote verbessert sich jedoch sprungartig auf vier Millionen Zuschauer und einem Marktanteil von 30 Prozent, als der deutsche Telekom-Fahrer Linus Gerdemann auf der siebten Etappe das gelbe Trikot erringt (vgl. Pohlmann & Sagatz, 18.07.2007). Gerdemann erklärt: „Ich will mit meiner Mannschaft für den neuen Radsport stehen“ (Dobbert, 29.07.2007). Die taz kommentiert sarkastisch, aber angesichts des nachfolgenden, überwiegend euphorischen medialen Echos zutreffend: „Ein neue Epoche des Radsports wurde eingeläutet, die mit dem 24-jährigen, blitzsauberen Linus Gerdemann vom selbst ernannten Anti-Doping-Rennstall TMobile ein bis über beide Ohren grinsendes neues Gesicht hat. Da fährt ein deutscher Nobody das Rennen seines Lebens und - schwupp - gewinnt der Radsport seine Glaubwürdigkeit zurück“ (Rüttenhauer, 18.07.2007). Eine Glaubwürdigkeit, die bereits vier Tage später mit umso größerer Heftigkeit medial in Frage gestellt wird.
3.5.2 2007 - Patrik Sinkewitz als medialer Doping-GAU Am 18. Juli 2007 informiert der BDR den T-Mobile-Teammanager Bob Stapleton per E-Mail über eine positive Dopingkontrolle des deutschen Fahrer Patrick Sinkewitz vom 8. Juni (vgl. Friebe, 2007/9). Der 26 jährige prallte zwei Tage zuvor mit einem Zuschauer zusammen und äußert
sich
zu
den
Vorwürfen
aus
einem
Hamburger
Krankenhaus:
„Ich?
Wieso ich? Davon weiß ich nichts. Das kann nicht sein“ (Richter & Zellmer, 18.07.2007). Stapleton zeigt sich entsetzt, führt aber an, dass der Kampf gegen Doping Erfolg zeige. Drei Stunden später verkünden die öffentlich-rechtlichen Sender einen sofortigen TourÜbertragungssausstieg in Fernsehen, Radio und Internet, bis der Fall aufgeklärt sei. ARDTour Teamchef Roman Bonnaire erklärt als Hintergrund, dass es sich bei Sinkewitz um einen „spektakulären Fall“ (o.V., 18.07.2007) handele, der für den deutschen Radsport zum
76
Hoffnungsträger hätte werden können (vgl. ebd.). ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender fordert die Organisatoren zum Handeln auf: „Wir wollen einen sauberen Sport" (ebd.). Das mediale Echo auf die Entscheidung der Anstalten ist beträchtlich und europaweit. Der Ausstieg wird auf den Titelseiten behandelt, da es ein Novum in der Tourgeschichte darstellt. Die L’Équipe zitiert ausschließlich kritische Kommentare von Verantwortlichen und Fahrern und titelt: „Schwarzer Bildschirm in Deutschland“ (o.V., 20.07.2007). Der Radprofi Jens Voigt fühle sich in die DDR zurückversetzt: „Zwei Leute entscheiden gegen den Willen des Volkes, schließlich haben sich zwei Drittel der Fernsehzuschauer gegen den Ausstieg ausgesprochen“ (o.V., 19.07.2007). Die Schweizer NZZ hingegen begrüßt die Entscheidung: „Nur das Fernsehen hat die Macht, den Druck auf die heuchlerische Radszene so stark zu erhöhen, dass auch ein Selbstreinigungsprozess einsetzt“ (o.V., 19.07.2007). Der holländische De Telegraf spricht von einer Positionierung der Sender als Gewissen des Radsports, fragen aber, ob dies Aufgabe von Berichterstattern sei (vgl. ebd). La Repubblica fragt nach den Konsequenzen für andere Sportarten und den Olympischen Spielen, während der englische Daily Telegraph die Kritik des Rennveranstalters ASO behandelt, dessen zweitgrößte Einnahmequelle der Erlös aus den deutschen Fernsehrechten sei (vgl. o.V., 19.07.2009). ASO-Chef Patrice Clerc erklärt: „Man kann nicht von uns fordern, alles zu tun, die Betrüger zu erwischen und uns dann dafür zu bestrafen, wenn wir es schaffen“ (Burkert, 20.07.2007, S. 27). Dementsprechend uneinheitlich erfolgt die Bewertung der SZ: „Der Umgang des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mit dem Thema ist schizophren und folgerichtig zugleich“ (Leyendecker, 18.07.2007). Was Patrick Sinkewitz und seinen Rennstall angeht, herrscht hingegen Einigkeit. Der Kommentar der Berliner Zeitung wird vom Großteil der Presselandschaft geteilt: „Der Dopingfall Sinkewitz ist der größtmögliche Unfall für das Team T-Mobile“ (Schwager, 19.07.2007, S. 16). Dementsprechend lautet auch das Fazit des Spiegels. „Der goldene Schuss“ eines „Junkies“ (Gorris & Hacke, 2007/30, S. 109) habe das Fass nach den Dopingenthüllungen der letzten Monate zum Überlaufen gebracht und damit den Sport seine Unschuld verlieren lassen: „Sport ist kein Sport, Sport ist keine Unterhaltung mehr, Sport ist Wirtschaftkriminalität, Sport ist Medikamentenmissbrauch, Sport ist Betrug, Sport ist Mediendiskurs, Sport ist Symbolpolitik“ (ebd.). 24 Stunden nach dem Sendestopp sichert sich die Pro-Sieben-Sat-1-Sendegruppe die Übertragungsrechte an der Tour de France, was für die SZ den Unterschied zwischen gebührenfinanziertem und kommerziellem
77
Fernsehen verdeutliche: „So ist die Moral“ (Leyendecker & Keil, 20.07.2007, S. 15). Auf politischer Ebene wird die Kritik geteilt. SPD, CDU, Linksfraktion und die Grünen verurteilen die Berichterstattung des Senders. Winfried Hermann von den Grünen erklärt: „Ich halte die Entscheidung für einen Skandal. Man kann auch von den privaten Sendern erwarten, dass sie ethische Maßstäbe bei ihrer Programmauswahl ansetzen und nicht nur auf den schnellen Profit achten" (zitiert nach o.V., 19.07.2007). Im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Sendern wird Doping bei SAT.1 wenig thematisiert (vgl. Dobbert, 29.07.2007). Eine Halbierung der üblichen Einschaltquoten auf 500 000 Zuschauer machen aus dem Experiment zusammen mit einer notwendigen Halbierung der Werbepreise ein "wirtschaftliches Desaster" (Riedner, 25.07.2007). Kurz darauf folgen weitere spektakuläre Dopingfälle, die im Rahmen des aufgeheizten Dopingdiskurses im Zusammenhang mit der Sinkewitz-Affäre betrachtet werden können. Zwei Fahrer werden von der Tour aufgrund unerlaubter Praktiken ausgeschlossen und in beiden Fällen spielen die Massenmedien dabei eine Schlüsselrolle. Am 21. Juli beobachtet ein deutsches Kamerateam Indizien für eine Blutransfusion beim kasachischen Fahrer Alexandre Winokourow und melden dies bei der französischen Polizei. Im Ziel muss Winokourow daraufhin zu einer überaschenden Blutprobe, die sich nach drei Tagen als positiv herausstellt. „Ich kann es nicht glauben, dass ich positiv getestet wurde. Ich bin das Opfer einer neuen Provokation“ (Friebe, 2007/9, S. 60). Als Reaktion darauf tritt die »Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport« (MPCC), ein Zusammenschluss von acht Tour-Teams, darunter Gerolsteiner und T-Mobile, am 25. Juli öffentlich in Aktion und versucht, einen Fahrerstreik vor Beginn der Etappe durchzusetzen, der durch die übrigen Fahrer nach kurzer Zeit aufgelöst wird. Am selben Tag muss der derzeitige Träger des gelben Trikots, Michael Rasmussen, aufgrund von Falschaussagen über seine TrainingsAufenthaltsorte die Tour verlassen. Nachdem der Verstoß gegen die Dopingregularien seit Tagen bekannt war, aber weder UCI noch der Tour-Veranstalter trotz entsprechender Bestimmungen darauf reagieren, führt ein Interview des dänischen Fernsehens mit dem italienischen Kommentator Davide Cassani, der Rasmussen entgegen dessen Angaben „am 13. oder 14. Juni“ (zitiert nach Friebe, 2007/9, S. 64) in Italien gesehen haben will, zur Suspendierung des Dänen auf Drängen des Teamsponsors Rabobank (vgl. ebd.). Rasmussen
78
ist entsetzt: „Ich war überhaupt nicht in Italien. […] es gibt nicht den geringsten Beweis. Meine Karriere ist ruiniert“ (ebd.). Nachdem die Sinkewitz-Affäre zu 50 Prozent den Sportteil der FAZ und der Berliner Zeitung bestimmte, erreichen die jüngsten Dopingentwicklungen den Spitzenwert von 100 Prozent (vgl. Eberle, 2008, S. 29-30). Rufe nach einem Abbruch des Rennens werden auf den Titelseiten laut. Die FAZ fordert „Absitzen“ (Hahn J. , 26.07.2007, S. 1), die »Bild-Zeitung« ein „Ende der Spritz-Tour“ (Logisch & Dreher, 26.07.2007, S. 1). Die französischen Zeitungen France Soir und Liberation verzichten in der Folge auf die Erwähnung des Gesamtclassements und drucken Todesanzeigen: „Die Tour starb am 25. Juli, im Alter von 104 Jahren, an den Folgen einer langen Krankheit“ (Rogge, 27.07.2007). Die L’Équipe beklagt, dass der Sieger auf dem Podium „uns nicht mehr träumen lässt“ (zitiert nach ebd.). Tourdirektor Christian Prudhomme setzt das Rennen fort: „Wir haben die heilige Pflicht, dieses französische Kulturgut zu retten“ (Logisch & Dreher, 27.07.2007, S. 10). Die SZ sieht den Radsport in Deutschland im „totalen Niedergang“ (Rühle, 26.07.2007, S. 2) begriffen und berichtet von Amateur-Radfahrern, die auf der Straße beschimpft würden (vgl. Ritzer, 26.07.2007, S. 2). Der professionellen „Radfahr-Mafia“ (Hoeltzenbein, 26.07.2007, S. 4) könne hingegen nur mit Maßnahmen aus dem Waffen- oder Drogenhandel begegnet werden (vgl. ebd). „Überall dort, wo viel Geld im Spiel ist, wird das Böse weiterhin wirken. Aber es wäre fatal, den Kampf nicht zu führen“ (Hoeltzenbein, 26.07.2007, S. 4). Die taz ironisiert den medialen Doping-Diskurs und druckt auf ihrer Titelseite Bilder ihrer Redakteure: „Wir haben gedopt“ (Mika, 26.07.2007, S. 1). Dazu zitiert sie den Ex-ZDFReporter Michael Palme, der die aktuelle Aufregung nicht nachvollziehen kann, da allen Sport-Journalisten das Ausmaß des Dopings bei der Tour de France seit Jahren bekannt sei (vgl. Hees, 26.07.2007, S. 12) und stellt demensprechend fest: „Doping ist Sport“ (Rüttenhauer, 26.07.2007, S. 3). Am folgenden Tag fährt das Peloton die Etappe ohne gelbes Trikot, zwei Teams verlassen die Tour und Alberto Contador, der ebenfalls in die Fuentes-Affäre verwickelt ist, wird neuer Spitzenreiter. Nach Ansicht des Molekularbiologen Werner Franke gebe es einen Vertrag zwischen der UCI und den spanischen Justizbehörden, Contador nachträglich aus der Akte Puerto entfernen zu lassen und spricht in diesem Zusammenhang von dem „größten Schwindel der Sportgeschichte“ (zitiert nach o.V., 31.07.2007). Sowohl die SZ (Burkert,
79
27.07.2007, S. 31), die Bild--Zeitung (Logisch & Dreher, 27.07.2007, S. 10), 10) als auch die Berliner
Zeitung
(Schwager,
30.07.2009)
plädieren
dafür,
de dem
letzten
des
Gesamtclassements, dem Belgier Wim Vansevenant, das gelbe Trikot zu z überlassen, da dieser »sauber« sein müsse. Die deutschen Medien befinden sich zwischen Zynismus, Resignation und Hoffnung.. Die FAZ (o.V., 29.07.2009) sehnt ebenso wie die Welt das Ende der Tour herbei: „Morgen ist der Spuk vorbei“ (Hungermann, 28.07.2007, S. 26) und bieten düstere Prognosen. Stephan Schröder vom Marktforschungsinstitut Sport + Markt geht davon aus, us, dass 70 bis 80 Prozent der großen Radsport-Sponsoren Radsport Sponsoren vor dem Absprung stünden (vgl. Hungermann, 28.07.2007, S. 26). 26) Da die Dopingenthüllungen aber eine „tiefe Sehnsucht nach Anstand und Fairness“ offenbaren, „zeigt der Skandal, dass es diese Moral gibt […]. Das macht die Tour 2007 am Ende fast zur Tour der Hoffnung“ (Clauss, 28.07.2007, S. 1).. Diese Meinung teilt die Zeit: Zeit Da heute Fahrer für Vergehen aus dem Rennen flögen, die früher Kavalliersdelikte gewesen seien, ist die Tour „ein Lehrstück für den Kampf gegen Doping“ (Hürter, 02.08.2007).. Für die taz wird die Tour zu einer Bühne, auf der die Probleme des modernen Hochleistungssports verhandelt würden und auf der insofern auch ersichtlich e wird, wie es um dessen Zukunft bestellt sei (Moll, 30.07.2007, S. 14).
3.5.3 Kommunikationskontrolle Nachdem sich die Festina-Affäre Affäre nicht nachhaltig negativ auf das Image der Tour de France ausgewirkt hat, zeigen sich nun schlechtere Werte bei der Einschätzung der Sportart von deutschen Radsportinteressierten. interessierten. Abbildung 1: Imageverluste im Radsport (o.V., 2008/4, S. 3)
80
In allen vier Imagedimensionen zeigen sich von 2004 bis 2008 deutliche Rückgänge. Allerdings zeigt das wachsende Interesse an der Tour de France in anderen Ländern, dass daran weniger das Doping, als eher die mediale Berichterstattung darüber darü einen entscheidenden Anteil besitzt. So wird in in Spanien die Tour gerade gegen Ende, als sich der Toursieg Contadors abzeichnet, abzeichnet mit Begeisterung verfolgt. Die Einschaltquoten verzeichnen „sprunghafte Anstiege“ (Hungermann, (Hungermann 28.07.2007, S. 26).. Contador ist für die spanische Sportzeitung As „das seriöseste Gelbe Trikot der Tourgeschichte“ (zitiert nach o.V., 30.07.2007, S. 22). In Frankreich bietet sich dasselbe Bild. Die dortigen Einschaltquoten erhöhen sich im Laufe der Tour auf sieben Millionen Zuschauer, womit die dortigen Sender im Vergleich zum Vorjahr einen Zuwachs von sechs Prozent erzielen können (vgl. Haschnik, 20.02.2007). Verdeutlicht wird dieser nationale Zusammenhang im Hinblick auf die Bewertung der Tour unter dem Einfluss des Dopings auch durch die Ablehnung eines Sendeboykotts nach dem Vorbild von ARD und ZDF. In Spanien sprechen sich 75 Prozent gegen einen Tour-Ausstieg aus, während sich in Deutschland die öffentliche Meinung durch die „massive Thematisierung“ sierung“ (Hackforth, 2007/31, S. 51) gedreht habe, wie der Sportwissenschaftler Josef Hackforth ermittelt hat. Zusammenfassend wirken sowohl der hohe Umfang der überwiegend kritischen und dopingfokussierten Berichterstattung, als auch der Faktor des nach 2003 abnehmenden nationalen Erfolgss damit in negativer Weise auf die gesellschaftliche Bewertung des Radsports ein. Die folgende Abbildung veranschaulicht diese Entwicklung seit 2001. Abbildung 2: Einflussfaktoren auf das Image des Radsports (Horizont Sportbusiness, 2007, S. 4)
Patrik Sinkewitz gesteht sein Dopingvergehen am 31. Juli über seinen Anwalt Michael Lehner. Er bedaure seinen Fehler zutiefst, spontan und ohne nachzudenken eine Testosteronsalbe auf die Arme geschmiert zu haben (vgl. Moll, 02.08.2007, S. 19). Das Doping sei ohne Wissen seines T-Mobile-Teams T erfolgt. Anstatt eines erlaubten Testosteron 81
zu Epitestosteron-Grenzwertes von 4:1 fand sich bei Sinkewitz eine Konzentration von 24:1 (vgl. Kistner, 01.08.2007, S. 28). Als Reaktion darauf entlässt ihn sein Rennstall und fühlt sich in seiner Anti-Doping-Politik bestätigt. Der Fall zeige, „dass unser eigenes, das Kontrollsystem der NADA und Trainingstests wirksam sind“ (T-Mobile-Teamchef Rolf Aldag zitiert nach ebd.). Nach wochenlangen Spekulationen verkündet die Telekom am 9. August, mit 12 Millionen Euro pro Jahr (vgl. Moll, 02.08.2007, S. 19) Hauptsponsor des T-MobileTeams, ihren Vertrag bis 2010 zu erfüllen. Man wolle sich der Verantwortung nach 16 Jahren im Radsport und der Herausforderung, mehr Sauberkeit im Sport zu schaffen, stellen. Der Pressesprecher, Christian Frommert betont: „Wer verändern will, darf nicht weglaufen“ (Seele, 10.08.2007, S. 32). Erst nach einem weiteren Dopingfall wolle der Konzern das Sponsoring „umgehend beenden“ (Völker, 15.08.2007, S. 19). Im Anschluss folgen am 5. und 24. November zwei umfangreiche Interviews mit Sinkewitz im Spiegel, und der SZ. Nach vorherigen Aussagen beim Bundeskriminalamt, Staatsanwaltschaft und BDR hofft der Ex-TMobile-Fahrer auf die Kronzeugenregelung, die seine Sperre auf ein Jahr halbieren würde: „Natürlich hieß es: kein Doping! Ich habe die Botschaft so verstanden: Lasst euch nicht erwischen!“ (Hacke & Ludwig, 2007/45, S. 218). Innerhalb seines Teams würden die Teamärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid das Eigenblut verabreichen, eine Frage nach systematischem Doping in der Mannschaft verneint er. Nach Ansicht der SZ hat ihn die „Omertá, das Schweigegebot in einer mafiös strukturierten Sportart, mit spürbarer Brutalität im Griff“ (Kistner, 05.11.2007, S. 29). Drei Tage danach folgt am 27. November die einseitige Vertragsauflösung durch den Bonner Telekommunikationskonzern. Christian Frommert erklärt: „Wir waren an dem Punkt angelangt, an dem wir unsere Marke schützen mussten“ (Hacke D. , 2007/49, S. 204). Der frühere Imagegewinn hat sich in einen angenommenen Imageschaden gewandelt. Hartmut Zastrow, Vorstand der Agentur Sport + Markt, erklärt gegenüber dem Focus, dass es aus Sicht von T-Mobile zwar gelungen sei, sich als „Wohltäter des Sports und Anti-Doping-Kämpfer glaubhaft zu positionieren“, aber nun das Image des Radsports negativ auf das Unternhehmen wirken könne (vgl. Heise, 28.11.07). Während die SZ aufgrund der Entscheidung „Respekt“ (Kistner, 28.11.2007) zollt, kommentiert die Zeit kritisch. Nach einem Profilierungsversuch als Retter des Sports, ziehe man sich zurück, wenn der Radsport nach der öffentlichen Meinung eh nicht mehr zu retten sei und in Vergessenheit gerate (vgl. Dobbert, 03.12.2007). Die vorzeitige Trennung werde die Telekom
82
nach Angaben des Spiegel zwischen 20 und 25 Millionen Euro kosten, weil eine vorher festgelegte Ausstiegsklausel nur für einen aktuellen Dopingfall greife (vgl. Hacke D., 2007/49, S.206).
Nachdem
Schraubenhersteller
bereits Würth,
vorher das
der
Geflügelproduzent
Nutzfahrzeugunternehmen
Wiesenhof-Felt, MAN
und
der der
Sprudelwasservertreiber Gerolsteiner von der Finanzierung ihrer Tour-Teams zurückgetreten sind, folgt nach der Telekom der Sportartikelhersteller Adidas am 29. November (vgl. o.V., 29.11.2007). Zastrow beziffert den Wertverlust des Produktes Radsport teamübergreifend zwischen 100 und 150 Millionen Euro. Weil es für massive Proteste der Aktionäre sorgen würde, sei es für börsennotierte Unternehmen zudem „auf Jahre hinaus“ (o.V., 29.11.2007) undenkbar, ein Sponsoring in dieser Disziplin einzugehen. Die persönlichen Verluste aus der Dopingaffäre belaufen sich für Sinkewitz nach dessen Angaben auf eine Million Euro (vgl. Pfeiffer, 25.04.2008). Ein ehemaliger Sponsor verlangt Schadenersatz in Höhe von 308.000 Euro (vgl. ebd.), der BDR verhängt eine Geldstrafe in Höhe von 40.000 Euro (vgl. ebd.). „Die Strafe schreckt ab und torpediert die KronzeugenRegelung. Jetzt habe ich alles gesagt, was ich weiß und was man hören wollte. Und nun muss ich für die Wahrheit bezahlen. Denn du fällst in jeder Hinsicht ins Loch, nicht nur finanziell“ (Burkert & Kistner, 23.11.2007, S. 22). Die ebenfalls geständigen Ex-Fahrer vom Team Telekom Erik Zabel und Rolf Aldag räumen im Gegensatz zu Sinkewitz juristisch bereits verjährte Dopingpraktiken ein, woraufhin der DOSB vorschlägt, sie als Vorbilder im AntiDoping-Kampf zu installieren: „Mit den zwischen uns verabredeten Maßnahmen machen Aldag und Zabel deutlich, dass sie die Schwere ihrer Taten erkennen und nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“ (Thomas Bach, Präsident des »DOSB« zitiert nach Mertens, 23.12.2007). Die umfassenderen Äusserungen von Jörg Jaksche und Patrick Sinkewitz ließen dagegen nicht auf große Einsicht schließen: „Vielmehr bedauern sie, dass sie gesperrt sind und keine neuen Verträge erhalten haben. Hier fehlt mir die Einsicht in eigenes Fehlverhalten“ (ebd.). Patrik Sinkewitz glaubt die Gründe für dieses scheinbar ambivalente Verhalten zu kennen und vermutet, dass Aldag und Zabel „belohnt“ worden wären, weil sie keinem geschadet hätten: „Nach außen heißt es immer, wir wollen, wir müssen, alles auf den Tisch. Sie werden nicht öffentlich sagen, dass ich das jetzt ganz schlecht gemacht habe. Aber in Wirklichkeit wär’s anscheinend für alle das Beste, wenn […] niemand mehr über mich
83
reden und schreiben würde und ich auch nix mehr von mir gebe (Burkert & Kistner, 23.11.2007, S. 22). Der Anwalt der geständigen und des Dopings überführten Radprofis Jörg Jaksche und Patrick Sinkewitz, Micheal Lehner, spricht von Bemühungen der UCI, die verhindern sollen, dass beide Sportler nach Ablauf ihrer Sperre einen neuen Rennstall finden. Dabei würden bei einem „verräterischem Team“ (zitiert nach Hoeltzenbein, 26.07.2007, S. 4) Blutkontrollen intensiviert oder während Rennen wie der Tour de France schlechtere Hotels zugewiesen werden (vgl. ebd.). „Lehner selbst will sogar schon Direkteres gehört haben: ‚Dass einem Teamleiter bedeutet wurde: Passt auf eure Lizenz auf‘" (ebd.). Als am 17. Juli 2008 seine Dopingsperre abläuft, besitzt Sinkewitz noch keinen neuen Arbeitsvertrag. Wie bei Jörg Jaksche rufe keiner an (vgl. Burkert, 12./13.07.2008, S. 35). Französische Mannschaften würden kein Interesse zeigen, ein italienisches Team befürchete nach Aussage von Sinkewitz Probleme mit der deutschen Presse, während in Spanien der Sponsor sein Veto eingelegt hätte (vgl. Pfeiffer, 25.04.2008). Der in die »Operación Puerto« verwickelte Ivan Basso macht nicht von der Kronzeugenregelung gebrauch und findet im April 2008, sechs Monate vor Ablauf seiner zweijährigen Sperre mit dem italienischen Team Liquigas einen neuen Rennstall (ebd.). Einen Monat später wird er von der UCI zum Anti-Doping-Botschafter des Radsportweltverbandes ernannt. UCI-Präsident Pat McQuaid erklärt: „Er hat einen Fehler gemacht und dafür bezahlt. Ich glaube, dass er diese Rolle […] bestens ausfüllen wird“ (o.V., 06.05.2008). Der Anwalt von Sinkewitz, Michael Lehner, könne keinem Mandanten mehr raten, als Kronzeuge aufzutreten (vgl. Schallenberg, 11.10.2008). Sinkewitz selbst antwortet auf dieselbe Frage entgegen der SZ:„Nein. […] Es geht an die Substanz, mit allem, was auch noch juristisch kommt, den Strafverfahren. […] Ich lebe jetzt eher von der Hand im Mund. Weshalb soll also jemand den Kronzeugen machen?“ (Burkert & Kistner, 23.11.2007, S. 21) In Deutschland führt die öffentliche Empörung über die Doping-Vorkommnisse wie in Frankreich zu einem Anti-Doping-Gesetz, das genau genommen eine Ergänzung zum bisherigen Arzneimittelgesetz darstellt (vgl. Summerer, 01.08.2007). Während bislang nur der Handel mit Dopingmitteln oder die Fremdanwendung geahndet wurde, ist nun der Besitz von „nicht geringen Mengen“ verboten (ebd.). Weiterhin werden die Sanktionen gegen Banden oder gewerbsmäßige Doping-Vergehen verschärft, die in besonders schweren Vergehen eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren nach sich ziehen können (ebd.).
84
Der französische Staat verabschiedet im Vorfeld der Tour 2008 ein wiederum verschärftes Anti-Doping-Gesetz. Erstmals werden nun die überführten Besitzer mit einem Jahr Gefängnis und 3750 Euro Geldstrafe belegt, während für den Handel mit Dopingmitteln fünf Jahre Haft und bis zu 75.000 Euro Strafe drohen (o.V., 01.05.2008). In diesem Jahr ist darüber hinaus die französische Antidoping-Agentur AFLD zum ersten Mal mit der Durchführung der Dopingkontrollen bei der Tour betraut, da es nach den Ereignissen des letzten Jahres zum Zerwürfnis zwischen der UCI und der ASO gekommen war. Die Gründe für den Disput waren auf der einen Seite durch Vermarktungsstreitigkeiten begründet, da beide Institutionen das Rennen zentral vermarkten wollten (ebd.). Darüber hinaus warf Tourdirektor Proudhomme dem Radsportverband im Falle von Rasmussen vor, ihn trotz Regelverstoßes nicht disqualifiziert zu haben: „Die UCI wollte niemals eine saubere Tour de France“ (Ostermann, 2007/09, S. 41). Ihr Präsident, Pat McQuaid, antwortete entsprechend: „Vielleicht ist die Tour sogar der Grund für das Dopingproblem. Sie ist nur geldorientiert“ (ebd.). Sowohl die taz als auch die dpa bezogen sich damals auf Vermutungen Proudhommes, dass der Vizepräsident der UCI, Hein Verbruggen, die bereits vorher erfolgten Dopingvergehen von Sinkewitz und Rasmussen gezielt während der Tour de France lanciert habe (vgl. Zellmer & Engel, 22.07.2007), um den Preis der Veranstaltung zu drücken, die er mit Hilfe eines holländischen Investmentfonds übernehmen wolle (vgl. Moll, 30.07.2007, S. 14). So verkündete die L’Équipe im Anschluss an die Tour: „Um aus dem Schlamassel herauszukommen, […], muss man sich von einigen Gewohnheiten und all denen trennen, die im Schatten Ziele verfolgen, die nichts mit dem Sport zu tun haben“ (o.V., 31.07.2007, S. 27). Und Proudhomme kündigte an, in Zukunft nur noch mit der WADA und der AFLD zusammenarbeiten zu wollen (vgl. Burkert, 28./29.07.2007, S. 35), was die Tour infolge dessen zu einem nationalen Rennen unter dem Dach des französischen Verbandes FFC machte (vgl. Burkert, 04.07.2008, S. 21). Im Verlauf des Rennens im Jahr 2008 werden die Fahrer Manuel Beltrán, Moisés Dueñas, der zweifache Etappensieger Riccardo Riccò sowie Leonardo Piepoli, dessen Team ebenfalls abreisen musste, positiv getestet. Nach Ende der Tour werden erstmals Nachkontrollen durch die AFLD vorgenommen, aus denen der Gewinner der Bergwertung, Bernhard Kohl, und der zweifache Etappensieger und zwischenzeitlicher Träger des gelben Trikots, Stefan Schumacher, ebenfalls positiv hervorgehen. Am 2. Oktober trennt sich die ASO von ihrem
85
Präsidenten Patrice Clerc, während Verbruggen seinen Rücktritt erklärt. Zuvor haben sich beide Organisationen auf eine erneute Zusammenarbeit geeinigt (vgl. o.V., 02.10.2008). Am 16. Oktober entscheiden die öffentlich-rechtlichen Anstalten trotz eines laufenden Vertrages bis 2011, der im Sommer verlängert wurde, nicht mehr live von der Tour de France zu berichten (vgl. Bouhs, 16.10.2008). Am 1. Dezember erklärt der siebenfache Tourgewinner Lance Armstrong sein Tour-Comeback: „[…] in Frankreich hat sich an entscheidender Stelle einiges geändert. ASO-Chef Patrice Clerc musste gehen. Er glaubte, allein die Tour sei der Star, nicht die Athleten. Aber so läuft das nicht im Sport. L'Equipe hat einen neuen Chefredakteur und einen neuen Radsportchef“ (Scherzer, 27.01.2009). Die L’Èquipe hatte 2005 nach seinem damaligen Karriereende in sechs Urinproben des Amerikaners von 1999 ein Blutdopingmittel entdeckt und veröffentlicht. Weil keine juristisch notwendige Gegenanalyse der Proben möglich war, blieb Armstrong straffrei (vgl. Altwegg, 05.03.2009). Im März 2008 sollen die Redakteure der Zeitung nach Angaben des Spiegel von der Verlegerin Marie-Odile Amaury angewiesen worden sein, sich in ihrer Berichterstattung „nicht länger mit dem Thema Doping aufzuhalten" (o.V., 2009/7, S. 103). Ein Redakteur, der für das Doping zuständig war, sei versetzt worden (vgl. Altwegg, 05.03.2009).
3.5.4 ETABLIERUNG DES TÄTER-SCHEMAS
In den Jahren von 1999 bis 2005 zeigt sich in den deutschen Medien besonders deutlich der nationale Rahmen in Bezug auf die Berichterstattung über die Tour de France und über das Dopingphänomen. Jan Ullrich ist der Hauptdarsteller der ersten und zweiten Wahrnehmungsebene, letzteres besonders in Deutschland. Die Medien verdienen an und mit ihm, weil das Publikum alles über ihn wissen will. Selbst Doping wird ihm umstandlos verziehen, wenn er im Jahr darauf wieder der Held des Stücks werden kann. Im Sinne des bestehenden Rahmens werden Journalisten, die kritische Berichterstattung über den Radsport leisten von ihren Kollegen direkt oder indirekt dazu aufgefordert, in den positiven Tenor einzusteigen. Die Regisseure der zweiten Ebene lassen Ullrich von Experten zum »Jahrhunderttalent« erklären, um im Spannungsfeld übertriebener Erwartungshaltung und ausbleibender Erfüllung den täglichen Berichterstattungsbedarf zu sichern. Selbst kritische 86
Medien wie die SZ und der Spiegel liefern in dieser Zeit überwiegend positive Rekordberichterstattung, obwohl das umfassende Geständnis über systematisches Doping in einer spanischen Mannschaft demonstriert, wie wenig sich auf der Hinterbühne geändert hat. Der mediale Aufschrei der Entrüstung erfolgt erst, als Ullrich zwei Jahre später in die »Operación Puerto« verwickelt ist und klar wird, dass sein Karriere-Ende bevorsteht. Nicht nur die deutsche Bevölkerung, auch die Journalisten sind enttäuscht. Interessanterweise erweisen sich in diesen Jahren die tatsächliche Dopingdurchsetztheit des Feldes und die vom Publikum
wahrgenommene
»Verseuchung«
als
komplementär.
Solange
deutsche
Siegchancen dank Ullrich im Bereich des Möglichen liegen, halten sich die deutschen Medien an das Geheimhaltungs-Schema von Goddet, obwohl im großem Umfang gedopt wird. Ist Ullrich aus der Besetzungsliste gestrichen, lauert das Doping überall, obwohl sich die Dopingdurchsetzheit des Feldes stark verringerte. Es gilt erneut der Kriminalitäts-Rahmen im Sinne von Desgrange: »Besser üble Nachrede als gar kein Gerede«. So entwickelt sich in nachfolgenden Monaten eine selbstverstärkende Enthüllungseskalation in den deutschen Medien, dessen Schwungrad gegenseitig angefeuert soviel Wind entfacht, dass es auf die erste Wahrnehmungsebene einwirkt. Dort erhält der Geheimhaltungs-Rahmen mehr und mehr Risse und der Sanktionierungsdruck auf die Denunzianten sinkt, je mehr Geständige hinzukommen. Damit die Medien auch sicher gehen, während der Interaktion das auszudrücken, was sie mitteilen wollen, erfreuen sich Metaphoriken aus der kriminellen Unterwelt besonderer Beliebtheit, besonders wenn sie zitabel sind. Das Theater auf der zweiten Wahrnehmungsebene strahlt in dieser Zeit in Deutschland heller als auf der ersten und gipfelt in dem wiederaufgelegten Rollenbild der Medien als Kontrolleur. Der Vorhang der Hinterbühne wird nun eigenhändig beiseite gezerrt, es werden Geständnisse erwirkt und Blutlachen entdeckt. Allerdings führt die massive Thematisierung zu Abnutzungserscheinungen beim Publikum, nachdem das Thema aufhört eine Überaschung zu sein. So neutralisiert sich die Berichterstattung der FAZ vor Beginn der Tour, während die Berliner Zeitung mit Aufmerksamkeit für das Stück geizt, aber im Falle einer Berichterstattung ausschließlich über die Hinterbühne berichtet. Nachdem das Publikum seinen Takt beweist, indem es lieber die dopingfreie Bericherstattung bei Eurosport verfolgt und Gerdemann durch seine Sieg kurz davor ist, erneut den Aufbau des Geheimhaltungs-Rahmens in der Berichterstattung zu
87
bewirken, ereignet sich der dramatische Höhepunkt auf der zweiten Wahrnehmungsebene durch den Fall Sinkewitz. Die Argumentation der öffentlich-rechtlichen Sender offenbart die Regieprinzipien im Sinne des nationalen Rahmens. Der Ausstieg erfolgte, weil es sich um einen symbolischen Fall eines deutschen Hoffnungsträgers handelt. Für die Regisseure der ersten Ebene beinhaltet das Ende der Berichterstattung eine Handlungsanweisungen in Form einer verdeckten Ensembleverschwörung. Erstens darf »Sauberkeit« durch die Regisseure der ersten Ebene nur an nicht-deutschen oder zumindest deutschen Altprofis demonstriert werden und erhält zweitens nur dann in den medialen Diskurs Einzug, wenn es das Publikum wahrnimmt und deutsche Siege weniger wahrscheinlich werden. Verstöße gegen diese Regiebemühungen der ersten werden auf der auf der zweiten Ebene mit Aufmerksamkeitsentzug zur Disziplinierung bestraft. Damit nutzen die Berichterstatter der zweiten Ebene nun einen moralischen an Stelle des durch die erste Ebene verdrängten nationalen Rahmens im Sinne eines Eindrucksmanagements. Die Theaterzeitung L’Équipe kommentiert nachvollziehbarerweise kritisch, weil ihnen in Deutschland die zweite Bühne und damit ein Großteil der Einnahmen Gefahr läuft, wegzubrechen. In Deutschland hingegen verfestigt sich die moralische Betrachtungsweise im Dopingdiskurs. Trotz stetiger Verweisung auf die ambivalente Haltung von ARD und ZDF, der die Zeitungen wie sich gezeigt hat, ebenfalls unterliegen, wird die Entscheidung überwiegend wohlwollend kommentiert. Dass sich mittlerweile ein neuer Rahmen etablieren konnte, zeigt sich in diesem Zusammenhang anhand der Schmähungen gegenüber SAT.1. Der Privatsender verhält sich aus Sicht der Moralhüter nicht nur unmoralisch, weil sie noch über das Theaterstück berichten, sondern wagt es noch dazu, das Dopingphänomen nicht in den Mittelpunkt der Berichterstattung zu rücken. Der Berliner Sender wird als Abweichler im Diskurs stigmatisiert, auch auf politischer Ebene. »ARD« und »ZDF« haben diesen Rahmungswettkampf damit eindeutig für sich entschieden. Die ethische Deutungsanweisung an das Publikum erweist sich auch deswegen als so erfolgreich, weil mit der Verbrechens-Perspektive zum Täter-Rahmen in Verbindung zu bringen ist und dadurch doppelte Durchschlagskraft entwickelt. Der »Dopingsünder« verstößt dabei aus niederen Motiven gegen die moralischen Werte des Sports und der Gesellschaft. Weder die Regisseure der ersten Ebene, noch die Darsteller können ihre Rahmung in den Diskurs einbringen. Jede ihrer Aussagen wird mit zynischem Beifall medial
88
kommentiert und als weiterer Beweis für die Verkommenheit des Radsports interpretiert. Der laut dem Spiegel drogenabhängige Sinkewitz wird nicht nur für den Tod der Tour und des Radsports, sondern für das mögliche Ableben des gesamten Sports verantwortlich gemacht. Wie sich im Falle Rasmussen zeigt, reicht es im Anschluss dank des stark aufgeheizten Dopingdiskurses mittlerweile aus, dass ein Reporter den Sportlern in Italien gesehen haben will, um einen neuen Skandal zu generieren und ein Berufsverbot für den Darsteller zu erwirken. Wenn die französische Polizei die Teilnehmer der Tour de France einmal nicht rund um die Uhr überwacht, bekommt sie mediale Schützenhilfe durch die Kontrolleure der zweiten Ebene und der Zuschauer wird durch einen neuen Skandal erregt. Wenn die SZ mit dem Status und Anspruch eines deutschen Leitmediums ernsthaft fordern kann, der »Radfahr-Mafia« nur mit Maßnahmen aus dem Waffen- oder Drogenhandel zu begegnen, ist jede Verhältnismäßigkeit verloren gegangen. Erst gegen Ende der Tour beruhigt sich der Tenor der deutschen Medien wieder, lassen es aber - mit Ausnahme der taz - an Selbstreflektion mangeln und beschreiben ihre Rolle als Moralverwalter der Gesellschaft. Im Gegensatz zu Frankreich und Spanien hat die nahezu flächendeckende Anwendung des Täter-Rahmens in Verbindung mit dem Fehlen eines national erfolgreichen Fahrers zu einer erheblichen Imageverschlechterung des Schauspiels geführt. Da das gesamte Ensemble, bestehend aus Darstellern, Regisseuren und Intendanten zudem erkennen mussten, wie wenig erfolgreich ihre Rahmungsversuche verliefen, reagieren sie wie nach der FestinaAffäre mit noch stärkeren interner und externen Kommunikationsverboten sowie drastischen Sanktionierungsmaßnahmen. Ersichtlich wird dieses Verhalten an der Behandlungsweise von Jörg Jaksche und Patrik Sinkewitz. Nachdem Sinkewitz anfangs die Regeln der Geheimhaltung befolgte, entschließt er sich dem Beispiel Jaksche als Kronzeuge zu folgen, um eine verkürzte Sperre zu erhalten. Er wird zum Denunzianten und löst damit eine Kettenreaktion aus. T-Mobile muss die 25 millionenschwere Flucht ergreifen, seine ehemaliger Rennstall löst sich auf, eine Massenflucht der Sponsoren setzt ein und noch strikteren gesetzlichen Repressalien folgen. Dank Sinkewitz fürchtet das gesamte Ensemble, bis zum höchsten Schauspielverband in Form des DOSB um ihr Engagement, ihren Status und ihre Macht. So bündeln sich alle Bemühungen, im Sinne einer Ensembleverschwörung, darin, seine Rückkehr in das Theater zu verhindern. An Sinkewitz muss ein Exempel statuiert
89
werden, damit er keine Nachahmer findet. Das ganze Theater befindet sich durch den enormen Rahmungs- unter erheblichen Handlungsdruck. Diese erzeugte Nervosität manifestiert sich in dem Scheitern der Verbindung zwischen ASO und UCI. Ob die Dopingfälle Rasmussen und Sinkewitz tatsächlich lanciert wurden, um den Preis zu drücken, lässt sich nicht beantworten, aber Ungereimtheiten und das Phlegma der UCI beim Lösen dieser existenziellen Probleme legen es zumindest nahe. Mit der AFLD verschlimmert sich die Situation jedoch noch zusätzlich, da sie es nicht ausschließlich bei symbolischen Kontrollmaßnahmen belässt und sich die Skandal durch rückwirkende Überprüfungen gar über drei Monate hinziehen. So bleibt nur der Rausschmiss der Opponenten Clerc und Verbruggen, um das Theater wieder auf den alten Kurs der Geheimhaltung im Rahmen widersprüchlicher Darsteller-Anforderungen zu bringen. Nachdem nun auch noch die Theaterzeitung dank personeller Konsequenzen stärker als bisher an das nötige Schema erinnert wurde, steht der Rückkehr eines Hauptdarstellers namens Lance Armstrong nichts mehr im Wege.
90
4. Zusammenfassung unter Bezugnahme auf die Rolle der Ethik 15
„Sportler sind dazu verpflichtet, Vorbilder zu sein" Jean Marie Leblanc, Tourdirektor 16
„Ohne Helden gibt es für L’Équipe keine Existenzberechtigung“ Claude Droussent, stellvertretender Chefredakteur „Bei der Tour de France hat die Zuschauer nicht interessiert, ob gedopt wird oder nicht, sondern ob ein 17 Deutscher vorne fährt“ Günther Struve, ARD Programmdirektor
4.1 Der Wandel der Sportethik Nach Goffman sind die Zuschauer bestrebt, von der dargebotenen Rolle auf der Bühne überzeugt zu werden, während die handelnden Akteure vor und hinter der Bühne wiederum das Ziel verfolgen, ihr Publikum von der Aufrichtigkeit ihrer Darstellung zu überzeugen. Damit verpflichten sich beide zur Einhaltung eines bestimmten Ethos, einer Moral dessen Einhaltung nur im Sinne der Rolle nötig ist und das Spiel erst ermöglicht (vgl. Goffman, 1969, S. 230). Somit wird das Moralverständnis des Zuschauer- und Darstellungsenembles gemeinsam verhandelt: „Aussageproduzenten und Medienrezipienten spielen gemeinsam ihre Rolle beim Spiel der Wirklichkeitskonstruktion“ (Alkemeyer, 1996, S. 145). In den vier dargelegten Doping-Affären der »Tour de France« zeigt sich im zeitlichen Verlauf eine stetige Zunahme einer moralischen Bewertungsgrundlage, der am Dopingdiskurs beteiligten Institutionen. Ein kurzer historischer Abriss soll Auskunft über dieses Moralkonzept im spitzensportlichen Kontext geben, bevor abschließend die Hintergründe der moralischen Argumentation unter medialem Fokus erläutert werden. Bis zum zweiten Weltkrieg existiert nach dem Literaturwissenschaftler und Sportpublizist Michael Gamper eine „Doppelkultur“ (Gamper M. , 15.09.2006) des modernen Sports im Rahmen
organisatorischer
Systeme.
Auf
der
einen
Seite
stehen
bereits
früh
professionalisierte Sportarten, wie Boxen oder Radfahren. Rennen wie die Tour de France verlangen außerordentliche Leistungen von ihren Fahrern, um die erregte Aufmerksamkeit kommerziell zu nutzen und fordern damit eine Professionalisierung der Athleten ein (vgl. Rabenstein, 1996 , S. 88). Erfolg und Unterhaltungswert sind die maßgebenden Prinzipien, während ethischen Grundsätzen keine Bedeutung beigemessen wird (vgl. Gamper, 2006). 15
(zitiert nach o.V., 27.06.2005). (zitiert nach Grosskathehöfer, 2001/28, S. 146) 17 (zitiert nach Schaffrath, 2007/07, S. 48) 16
91
Doping wird daher nicht als problematisch, sondern als logische Konsequenz der industriellen Anforderungen betrachtet. Dieser Zusammenhang erklärt das öffentliche Verständnis, das dopenden Sportler bis Anfang der sechziger Jahre - wie im Falle Pèllissier entgegengebracht wird. Der professionalisierte Athlet erscheint nach Gebauer (2002, S. 48) als Auslöser für die Erfindung der Olympischen Werte. Basierend auf dem Vorbild des englischen Amateursports will Pierre de Coubertin gegen Ende des 19. Jahrhunderts die junge französische Industriegesellschaft mittels eines sportpädagogischen Ansatzes vor ihrem Untergang bewahren. Dabei bildet die Zweckfreiheit der sportlichen Handlung im Gegensatz zu ihrer Professionalisierung eine entscheidende Grundlage. Die Neubegründung der Olympischen Spiele samt ihrer Verfassung in Form der Olympischen Idee soll damalige gesundheitliche Defizite und einen Mangel an Lebenskraft beseitigen (vgl. Alkemeyer, 1996, S. 67). Coubertin wählte den Sport als ein Mittel zur gesellschaftlichen Heilung (vgl. ebd. S.70), weil er in einem ersten Schritt in der Lage ist, analog zu einem Theater, die Gesellschaft im Rahmen einer „Mimesis“ (ebd. S. 72-73) nachzubilden. Im zweiten Schritt soll daraus der Weg in eine erfolgreiche Moderne aufgezeigt werden. In Abgrenzung zum professionellen Sport waren bestimme Werte nötig, „um den Sport nicht ganz in einem sozialdarwinistischen […] »survival of the fittest« aufgehen zu lassen“ (Gamper, 2000, S. 51). Das von Coubertin geforderte Gebot der Fairness sollte zusammen mit dem Prinzip des Amateurismus, der einer ökonomischen Verwertbarkeit entgegensteht, somit als „ethische Rückkopplung“ (ebd.) gelten. Coubertin definiert den Amateur vor diesem Hintergrund als jemanden, der einer zweckfreien, materiell
nicht
gewinnbringenden
sportlichen
Beschäftigung außerhalb des Berufs nachgeht. Indem er diese Tätigkeit ausführt und die Spielregeln anerkennt, ist er von einem ritterlichen Geist beseelt (vgl. Gebauer, 2002, S. 4849). Der nachfolgende Erfolg dieses pädagogischen Konzeptes machte gesellschaftliche Institutionen in Form von Wirtschaft und Politik auf diese „Sonderwelt“ (Gamper,2000, S. 52) aufmerksam. Nach 1945 verbeitet sich der Sport global, während die zwei - immer noch nebeneinander exisiterenden - Sportkulturen institutionelle Verbindungen zueinander herstellen. So bewilligt das es IOC den Radsport trotz ihrer Professionalisierung in ihr olympisches Programm aufzunehmen (vgl. Gamper, 2006). Entgegen der zunehmenden Verschränkung
92
beider Sportkulturen zeigt sich eine diskursive Trennung beider Systeme als strategisches Interesse, der an der Realisierung des Spitzensports beteiligten Akteure. »Guter« Sport, der auch der Jugend zugemutet werden konnte, etablierte sich als fairer, gesundheitsorientierter, «olympischer» Sport. Sponsoren und Werbeindustrie förderten diese Entwicklung zusätzlich. Sie orientierten sich zwar am Spitzensport und unterstützten die publikumswirksamen Sportarten und Athleten, weil nur die Massenorientierung den gesteigerten Rücklauf der ausgegebenen Summen in Aussicht stellte. Doch verlangten sie von ihren Werbeträgern, dass diese, zumindest auf ihrer der Öffentlichkeit zugewandten Oberfläche, sich dem olympischen Ideal fügten“ (Gamper M. , 15.09.2006). Die Todesfälle der Radfahrer Knudsen und Simpson beschleunigten und intensivierten diesen Prozess erheblich, da durch die negativen Schlagzeilen eine positiv besetzte Idealisierung für alle am Spitzensport beteilgten Institutionen umso wichtiger wurde, um die strukturell erzeugten Schattenseiten in Form des Dopings auf der Hinterbühne zu überdecken. Der Zuschauer als Basis beider Sportkulturen möchte und soll nicht in seinem sportlichen Genussempfinden gestört werden. 1981 gipfelt die Verschränkung beider Sportkulturen als nach einem Jahrzehnte andauernden Streit (vgl. Gebauer, 2002, S. 48) das Olympische Ideal des Amateurs beim Olympischen Kongress in Baden-Baden offiziell abgeschafft wird (vgl. Nuschke, 2007, S.8). In Bezug auf den von Coubertin anvisierten bildenden Einfluss auf das soziale Leben stellt sich heraus, „dass eher die Gesellschaft den Sport, als der Sport die Gesellschaft“ (Gamper, 2000, S. 52) verändert hat. Titel, Bestleistungen und Siegprämien sind von nun an im Rahmen einer olympisch-privatwirtschaftlichen Sportkultur von überwiegender Bedeutung und werden von der Gesellschaft in Form von Aufmerksamkeit gewürdigt (vgl. Pöttinger, 1989, S. 93). Dieses öffentliche Interesse kann der siegreiche Sportler wiederum in finanzielle Erträge umtauschen. Mit einer praktizierten Moral im Spitzensport kann laut Bette und Schimank (2006, S. 183) seit diesem Zeitpunkt nicht mehr gerechnet werden. Kein erfolgloser Athlet könnte dauerhaft aufgrund besonderer moralischer Leistungen Teil dieses Systems sein (vgl. ebd.). Im Gegenteil: „Moralische Forderungen an die Sportler bezwecken die Relativierung ihres absoluten Leistungsstrebens“ (Pöttinger, 1989, S. 93). So hat die immer stärker werdende Verquickung zwischen Sport, Medien und Wirtschaft im Rahmen symbiotischer Beziehungen (vgl. Schauerte, 2002, S. 193)
93
in den neunziger Jahren zu einer „Verschärfung der Dopingfrage“ (Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 261) geführt. Während eine einseitige Konzentration auf das Prinzip der Leistungssteigerung erfolgt, verliert das ethische Korrektiv nun auch auf olympischer Ebene mehr und mehr an Bedeutung in der spitzensportlichen Praxis. Eine Entwicklung, die im theoretischen Diskurs über den Spitzensport kompensiert wird. Im Zuge des sich ausdifferenzierenden
Medienmarktes
aus
öffentlich-rechtlichen
und
privaten
Fernsehstationen zeigt sich durch den verstärkten Konkurrenzkampf um Zuschauer eine stärkere Glorifzierung des Sports und damit verbunden eine Notwendigkeit gegen Eindrücke vorzugehen, die diesem Eindruck entgegen stehen vgl. (Schröder & Dahlkamp, 2003, S. 262). „So installierte sich ein doppelbödiges System: In den Medien und in den offiziellen Reden von Funktionären und Politikern wird Sport so diskutiert, als ob er nach olympischen Prinzipien funktioniere, während die Profisportler so handeln, wie sie es nach professionellen Kriterien der Leistungsoptimierung tun zu müssen glauben“ (Gamper M. , 15.09.2006). Das Publikum möchte sich von der Präsentation des Spitzensports auf der Vorderbühne unterhalten lassen, während auf Hinterbühne Pozesse ablaufen, die die Realisierung des Stückes gewährleisten: „Sport ist ein Geschäft, nur der Fan darf dies nicht merken“ (Heinemann, 1989, S. 176). Im Sinne der an ihrer Realisierung beteiligten Regisseure des Spitzensports erweist es sich als vorteilhaft, das Publikum in dem Glauben zu lassen, dass sich der Sport zwar im Sinne des Überbietungsanspruchs modernisiert und professionalisiert, dabei gleichzeitig aber immer noch auf den entgegengesetzten, den moralischen Grundsätzen Coubertins fußt. So zeigt sich, dass das öffentliche Bild des Spitzensports in einer anderen Weise vermittelt wird, als es sich eigentlich darstellt. Diese Entwicklung erfolgt allerdings nicht als eine mediale Manipulation, sondern im Sinne der symbolischen Interaktion an den Wünschen des Publikums orientiert.
4.2 Moral als mediales Konstruktionsprinzip Heidmann (2008, S. 37) fasst das medial vermittelte Bild des Dopingdiskurses bei der Tour de France zutreffend zusammen: „Doping drängt die Welt an den Rand des moralischen Abgrunds“. Es lässt sich sich dabei ein Zusammenhang zwischen der Anzahl öffentlicher 94
Dopingfälle und dem Grad der moralischen Verurteilung erkennen: „Die Forcierung der Dopingpraktiken hat […] den moralischen Diskurs verstärkt“ (Gamper M. , 2000, S. 56). Diese Entwicklung ist insofern paradox, weil die Olympische Idee, als Quelle der moralischen Verurteilung dem Radsport erst nachträglich zugeschrieben wurde (vgl. Ihle, 2008, S. 108). Innerhalb dieses Berichterstattungsschemas fällt weiterhin eine Fokussierung auf den handelnden »Dopingtäter« ins Auge, während die strukturellen, widersprüchlichen Anforderungen an den Sportler, gleichzeitig erfolgreich und »sauber« sein zu müssen, kaum thematisiert werden. Doping wird im Mediendiskurs „vor dem Hintergrund einer postulierten Entscheidungsfreiheit des Individuums als moralisches Versagen einzelner Sportler dargestellt“ (Florschütz, 2005, S. 307). Insofern implementiert das Doping einen moralischen an Stelle eines strukturellen Diskurses in die öffentliche Behandlung des Dopingphänomens. Die moralische Behandlungsweise ergibt sich dabei aufgrund der massenmedialen Konstruktionsprinzipien. Um für den Rezipienten relevante Informationen zu generieren, greift die Berichterstattung zusammenfassend auf alles Nichtbesondere zurück und verzichtet auf das Gewöhnliche und Alltägliche. Stattdessen werden Konflikte und Normverstöße in besonderem Maße bevorzugt, wenn gerade letztere mit einer „moralischen Bewertung“ (Luhmann, 1996, S. 59-66) versehen werden können. In Bezug auf den Dopingdiskurs, ergeben sich aus dem Normverstoß gegen die sportliche Ethik einiger Fahrer auf der einen Seite und dem Bestreben der spitzensportlichen Organisatoren ihre Vorstellung auf der Vorderbühne dopingfrei zu halten, der Konflikt. Die moralische Bewertbarkeit speist sich dabei auch aus Fällen wie dem Tod Simpsons, in denen die schwerwiegenden gesundheitlichen Konsequenzen von der Öffentlichkeit nachvollzogen werden können. Die nachfolgende moralische Einordnung und Bewertung äußert sich in standardisierten Begrifflichkeiten des »Dopingsünders«, der gegen die Prinzipien des »sauberen« Sports verstößt. So gebrauchen die Massenmedien Semantiken mit deren Hilfe sie dem Publikum täglich neu vermitteln können, wie der Spitzensport zu verstehen ist, welche Moral gilt, also „wer die Guten und wer die Bösen sind“ (Luhmann, 1996, S. 142). Das immer wieder erfolgende Anmahnen einer Moral, die im Falle des professionellen Radsports zu keiner Zeit handlungsleitende Rolle in der Praxis spielte, ermöglicht den Massenmedien im Falle des öffentlichen Normverstoßes eine immer wiederkehrende „Information des
95
Besonderen“ (ebd.) über die berichtet werden kann. Im Umkehrschluss muss diese moralisierende Praxis immer stärker verfolgt werden, je weniger Moral offensichtlich erkennbar ist, damit die Besonderheit nicht zur Normalität wird. Die moralisierende Berichterstattung erfüllt damit den Zweck, die Moral im Spitzensport diskursiv zu implementieren. Die Massenmedien könnten schließlich nicht über Normverstöße berichten, wenn es in Bezug auf den Radsport keine Norm gäbe. „Der Verstoß erzeugt erst eigentlich die Norm, die vorher in der Masse der geltenden Normen eben nur gilt" (Luhmann, 1996, S. 62). Als für die Massenmedien günstiger Umstand erweist sich im Falle des Spitzensports die Tatsache, dass eine Moral nicht künstlich diskursiv erzeugt werden muss, sondern durch die positive Aufladung der vermeintlich existierenden Coubertinschen Ideale, das Doping als eine negative Abweichung davon beschrieben werden kann. „Und dies geschieht nicht in den riskanten Formen der Predigt oder der Indoktrinationsversuche, die heute eher Tendenzen zur Gegensozialisation auslösen würden, sondern in der harmlosen Form der bloßen Berichterstattung, die jedem die Möglichkeit freistellt, zu dem Schluß zu kommen: so nicht!“ (Luhmann, 1996, S. 62) Indem die Massenmedien permanent abweichendes Verhalten anklagen, implizieren sie, dass es eine Moral im Spitzensport gäbe. „Der kontinuierlichen Reproduktion des ‚ist‘ wird entgegengesetzt, wie es ‚eigentlich sein sollte‘“ (Luhmann 1996, 144). Die konsequente Umsetzung dieser inszenatorischen Themensetzung bedeutet die Erfindung eigener Sportveranstaltungen (vgl. Horky, 2001, S. 178-181). Interessanterweise entspricht die Tour de France exakt diesen Prinzipien. Wie bereits erwähnt, ersann Henri Desgrange ein Rennen, das übermenschliche Leistungen von dessen Teilnehmern abruft. Greifen sie bei dem Versuch ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen zu unerlaubten Mitteln, ist bei einem öffentlichen Bekanntwerden eine kontroverse Auseinandersetzung darüber die Folge. Die Voraussetzungen für eine aufmerksamkeitserzeugende Berichterstattung im Sinne des Publikums erfüllt sich in beiden Fällen. Entweder mit einer Heldengeschichte oder mit einem Skandal.
4.3. Der Medienskandal
96
In Bezug auf den Medienskandal setzt Kepplinger (2005, S. 63) voraus, dass Skandale keine Vorgänge sind, die berichtet werden können, da es sich nicht um „reproduzierte Wirklichkeit“ (Burkhardt, 2006, S. 138) handelt. Skandalen sind hingegen erst die Folge der öffentlichen Berichterstattung über Missstände (vgl. Kepplinger,2005, S. 63). Als Missstand zeigt sich in diesem Zusammenhang eine in Bezug auf die sozial akzeptierte Norm- und Moralkontexte stattfindende Grenzüberschreitung (vgl. Burkhardt, 2006, S. 75). In Anlehnung an die Rahmentheorie Goffmans können Skandale insofern als „Deutungsrahmen für moralische Verfehlungen von Personen und Personengruppen“ (Imhof, 2002, S. 73 zitiert nach Burkhardt, 2006, S. 76) innerhalb eines medialen Diskurses verstanden werden. Soziale Akteure, die durch ihre Handlungen keinen Skandal produzieren möchten, sollten sich innerhalb des Diskurses folglich an die Regeln halten. In Bezug auf den Dopingdiskurs zeigt der Skandal somit an, an welcher Stelle vorherrschende Moralvorstellungen missachtet werden. Die Massenmedien verdeutlichen damit die Differenz von vermeintlich richtiger und falscher Handlungsweise (vgl. Luhmann, 1996, S. 65), allerdings nicht in objektiver Art und Weise, sondern im Hinblick auf ihre Konstruktionsprinzipien. Die Moral ist dabei weniger Anlass als Vorwand der Skandalisierung (vgl. Burkhardt, 2006, S. 380). Haben soziale Akteure, wie Desgrange, Simpson bzw. Goddet, Voets oder Sinkewitz die Grenzen des gesellschaftlichen Moral-Rahmens übertreten, bedarf es der Anwendung bestimmter Erzähltechniken, um den diskursiven Regelverstoß in Form eines Skandals bestmöglich verwerten zu können. Es benötigt einer bestimmten Dramaturgie und unvorhergesehenen Wendungen (Bergmann & Pörksen, 2009/02, S. 54). Die Journalisten sind somit als Skandalproduzenten zu verstehen (vgl. Burkhardt, 2006, S. 139). Im Sinne einer Ensembleverschwörung beziehen sie sich in ihrer Berichterstattung aufeinander Berichterstattung (vgl. Kepplinger, 2005, S. 27), um einen Rahmen der Empörung zu etablieren. Dazu müssen die Missstände als schwerwiegend dargestellt und Personen angelastet werden können, die aus niederen Motiven gehandelt haben (vgl. ebd. S. 68). Im Anschluss lassen sich nach Kepplinger (ebd S. 38-40) fünf semantische Dramatisierungen eines Missstands im Dopingdiskurs der Tour de France identifizieren . 1. „Horror-Etiketten“: »Die Blutspur des Radsports« 2. “Verbechens-Assoziationen”: »Radfahr-Mafia« 3. „Super-GAU-Spekulationen“: » Der Dopingfall Sinkewitz ist der größtmögliche Unfall für das Team T-Mobile« 97
4. „Katastrophen-Collagen“: »Sport ist kein Sport, Sport ist keine Unterhaltung mehr, Sport ist Wirtschaftkriminalität, Sport ist Medikamentenmissbrauch, Sport ist Betrug« 5. „Schuld-Stapelungen“: »Sinkewitz beerdigt sein Team, die Tour, den Radsport« Häufig zeigen die Journalisten dabei ein persönliches Interesse an der Skandalisierung (vgl. Burkhardt, 2006, S. 140). Jens Weinreich, Sportjournalist der Berliner Zeitung, der im Rahmen der »Tour de France«-Berichterstattung 2007 primär über Doping berichtete, sah sich zuvor als Mitwisser und Teil des Systems: „Das [der Radsport] ist kriminelle Perversion des Sports […]. Wir waren getrieben vom schlechten Gewissen […]. Wir haben im Journalismus auch noch eine gewisse Verantwortung und eine kleine Bildungs- und Erziehungsfunktion“ (Weinreich, 2007, S. 95-97). Somit sollen identifizierte Gefahren für die Gesellschaft aufgedeckt und entschärft werden (vgl. Burkhardt, 2006, S. 380). Das Publikum des Dopingdiskurses lässt sich dabei als Skandalrezipient identifzieren, der als aktiver Konsument der Berichterstattung in Erscheinung und damit in Interaktion mit den Skandalproduzenten
tritt.
Der
Reiz
des
Rezipienten
liegt
dabei
in
einer
Art
Ersatzbefriedigung, da durch die Medien stellvertretend Dinge thematisiert werden, die normalerweise verdrängt und kaum verhandelbar erscheinen (Bergmann & Pörksen, 2009/02, S. 55). So ist dem Publikum möglicherweise bewusst, dass sie als Konsument des Spitzensports die wesentliche Triebfeder der widersprüchlichen Anforderungen an die Athleten sind, zugleich erfolgreich und sauber sein zu müssen. Der Dopingskandal kann dabei nun erleichternd wirken und von der Verantwortung befreien, zumal man sich durch ein Einstimmen in die öffentliche Empörung auf der Seite der »Guten« wähnt (ebd. S. 55). Dies ist umso besser möglich, wenn die Skandalproduzenten einen Sündenbock identifiziert haben, auf den sich die Schuld konzentriert, wie im Falle von Patrik Sinkewitz. „Ich war zum richtigen Zeitpunkt der richtige Fahrer, auf den man alles abladen konnte, ich war an allem schuld: Dass der Anti-Doping-Kurs nicht glaubwürdig ist, dass das Fernsehen aussteigt, das sich angeblich nichts geändert hat. […] Es gab viele Leute, die meinen Fall genutzt haben, um sich in der Öffentlichkeit besser darzustellen“ (zitiert nach Hacke & Ludwig, 2007/45, S. 218) Besonders Sinkewitz wurde zum Hauptdarsteller des Skandals (vgl. Burkhardt, 2006, S. 143), und damit zum „symbolischen Opfer“ (Bergmann & Pörksen, 2009/02, S. 56). Für die Öffentlichkeit wird dabei kaum ersichtlich, dass es sich beim Protagonisten des Skandals um ein Produkt der Erzählung und weniger um die reale Person handelt (vgl. Burkhardt, 2006, S. 98
144). In der Ernennung des richtigen Opfers liege nach dem Publizisten Johannes Gross die Kunst der Mächtigen, „um den Schuldigen zu schonen, jedenfalls aber, um die Herrschaft im Ganzen vor dem Angriff zu retten“ (zitiert nach ebd.). Medienskandale veranschaulichen damit Rahmungswettberbe um die symbolische Macht. Dabei handelt es sich nach Bourdieu (1973, S. 12) um „jede Macht, der es gelingt, Bedeutungen durchzusetzen und sie als legitim durchzusetzen, indem sie die Kräfteverhältnisse verschleiert, die ihrer Kraft zugrundeliegen“ (zitiert nach Burkhardt, 2006, S. 133). So zeigen sich an den Folgen der Medienskandale die Beweggründe der „SiegerDiskurskoalition“ (Burkhardt, 2006, S. 384), die das soziale System damit in ihrem Sinne erneuern. Mit der Ausschließung von Sinkewitz reinigten sich die mit dem Dopingverdacht beschmutzen Institutionen, die an dem Fahrer ihren Handlungswillen demonstrierten. Als er danach ein umfassendes Geständnis ablegte, wie es die mediale Öffentlichkeit von ihm verlangte, beschmutzte er erneut die gerade Reingewaschenen und wurde dafür sanktioniert. Nur ein Jahr später zeigte sich, dass sich an dem flächendeckenden Doping bei der Tour de France, wie in den vier Problematisierungen zuvor, nichts geändert hat. Die Skandalisierung des Radsports dient sowohl dem Zweck einer moralischen »Reinwaschung« des Spitzensports als auch der massenmedialen Leitmedien, in besonderer Form von ARD und ZDF. In diesem Sinne fungiert der Radsport als Antiheld an dem alle am Spitzensport beteiligten Akteure ihren Säuberungswillen demonstrieren können, um sich ein positives Image zu verschaffen, aber auch um das übrige sportliche Schauspiel (Fußball, Biathlon,… ) davon weitgehend unberührt zu lassen. Darüber hinaus erzeugt es Aufmerksamkeit und verschafft Reichweiten- und Umsatzsteigerungen. Ein Skandal fordert kurzfristige Konsequenzen, führt aber langfristig zu keinen tiefgreifenden Veränderungen.
99
5. Fazit „Die Grundlüge ist: Wir sagen, das ist Sport, das ist sauber und so weiter, es geht mit rechten Dingen zu und wir machen Journalismus. Aber ehrlicher wäre zu sagen‚ »übrigens, jetzt kommt die Show ‚Wetten, dass..?‘ und dann kommt die Show ‚Profiboxen‘. Da ist alles erlaubt und alles was sie hier sehen, ist eigentlich nur Fake«. 18 Aber so kann man es nicht verkaufen” Hajo Seppelt, ARD-Sportreporter
Die Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass der Dopingdiskurs bei der Tour de France auf beiden
Aussagebenen
Intentionen
verfolgt,
die
im
Rahmen
der
öffentlichen
Auseinandersetzung nicht mitkommuniziert werden. Das sportliche Theater gibt sich nicht als solches zu erkennen, sondern erfährt seinen gesellschaftlichen Wert und Status gerade aus der Tatsache, dass das Publikum die Handlungen auf der Bühne als realistisch erachtet. „Doch alles hängt davon ab, daß sich die Wettkämpfer so verhalten, als wäre der Ausgang des Wettkampfes ihr Beweggrund. Sie müssen also überzeugend so spielen, als ging es ihnen um etwas anderes als die Unterhaltung der Zuschauer“ (Goffman, 1977, S. 144). Das Spiel namens Spitzensport ermöglicht im Gegensatz zu anderen Unterhaltungsangeboten ein emotionales Versinken des Zuschauers, das umso intensiver erfolgen kann, da es nicht den Anschein der Fiktion vermittelt. Es wirkt täuschend echt, weil die Athleten vor den Augen des Publikums um Sieg und Niederlage kämpfen. Diese Untersuchung soll jedoch veranschaulichen, dass sich bei der Darstellung eines Theaters namens Tour de France, um eine Konstruktion handelt, die nach den Gesetzmäßigkeiten der sie hervorbringenden Institutionen erzeugt wird. Für die Realisierung des Stücks auf der ersten Bühne sind Regisseure mit der Koordinierung ihrer Darsteller, dem Schreiben des Drehbuchs und der Wahl der Kulissen verantwortlich. Auf der zweiten, medialen Vermittlungsebene hingegen wird die vorgegebene Handlung nochmals neu arrangiert, dramatisiert und diskutiert, um das Stück einem größtmöglichen Publikum zu präsentieren. Erst die Kommunikation verhilft den Sachverhalten zu einer Bedeutung (vgl. Luhmann, 1996, S. 74-75). Der französische Philosoph Roland Barthes erkennt in der Tour de France ein episches Schauspiel. Dabei wird aus einem Wettkampf eine „Schlacht“ (Barthes, 1986, S. 29). Erst die sprachliche Kommentierung und Bewertung des Wettkampfgeschehens macht die flüchtigen Vorgänge für das Publikum fassbar. Dabei entsteht aus dem Zusammenspiel eines moralischen Anspruchs und reinem Leistungsdenken ein zweideutiger Mythos: „Die geschickte Mischung
18
(zitiert nach Fleischmann, 2007, S. 261) 100
[…] des idealistischen […] und realistischen Alibis, erlaubt der Legende, mit einem Schleier, der ehrenvoll und aufregend zugleich ist, die ökonomischen Zwänge unseres großen Epos vollkommen zu bedecken“ (ebd.). Das Doping entzaubert dieses Schauspiel nun auf den ersten Blick, da es den Vorhang lüftet, der die Hinterbühne vor den Blicken des Zuschauers schützt. Bei näherer Betrachtung offenbart sich allerdings, dass es sich dabei um ein weiteres Spiel im Spiel handelt. Im Zuge der Entwicklung der Tour ereignete sich eine Machtverschiebung von der ersten in Richtung der zweiten Wahrnehmungsebene. Während Desgrange am Anfang das Rennen auf beiden Ebenen allein gestaltete, wuchs das Rennen im Zuge der Mediatisierung, des Sponsorings und der sportpolitischen Einflussnahme immer stärker in Richtung der zweiten Ebene für den globalen Markt. Damit wird gerade den medialen Regisseuren ein Zusatz an Einflussnahme zuteil, der vermeintlich gefährdet, aber letztendlich beschützt. Wenn ein Markt, wie im Falle von Deutschland mit Jan Ullrich, einen Hauptdarsteller hervorbringt, kann die Tourleitung sicher sein, dass der Mythos Tour de France diskursiv genährt wird. Bleibt der Erfolg plötzlich aus, muss das Berichterstattungsvakuum mit anderen Themen ausgefüllt werden, die ähnliche Dramatik versprechen. Insofern spielt das Doping in einem Theater namens Tour de France die Rolle der handlungsauslösenden
Requisite
im
Drama
der
Ereignisse.
Basierend
auf
den
Zuschauererwartungen erzeugen die Massenmedien im Dopingdiskurs im- oder explizit einen paradoxen Rahmen aus Leistungshuldigung und Moralanmahnung aus dessen Spannungsfeld sich in jedem Fall berichtenswerte, weil unterhaltende Ereignisse ergeben. Der Zuschauer bekommt, wenn er sich nicht mehr in seinen nationalen Helden einfühlen kann, ein Pausenprogramm aus Razzien und Verhören geboten. Sportart, Rezipient, Medien und die politischen Entscheidungsträger können sich dabei an Sündenböcken moralisch reinwaschen, indem zum Zwecke der Machterhaltung - mit symbolischer Dramatik gegen die »Dopingtäter« zu Felde gerückt wird. Aber auch für den »Sünder« wird die Absolution erteilt, solange sie sich reuig zeigen und somit an die Spielregeln halten. Darüber hinaus sensibilisiert, stabilisiert und schützt der Skandal das kritisierte System vor zukünftigen Eingriffen, wenn es wie im Falle der Tour stabil genug ist, also über genügend diskursive Macht verfügt, sich im anfänglichen Sturm der Entrüstung zu behaupten. Da Skandalisierer öffentliche Empörung benötigen, fordern sie das Mitspielen des Zuschauers heraus. Das
101
Rollenspiel zwischen diesen Ensembles kann sich auf beiden Ebenen erneuern, da der Skandal-Diskurs die Regeln, der zu diesem Zeitpunkt vorherschenden diskursiven Grenzen offenbart. Anhand dieses Rahmens lassen sich in der Folge die Reaktionen der Akteure für die Zukunft institutionalisieren. Weiterhin verjüngt sich die Moral bei der Tour und dank der beteilgten Akteure im gesamten Spitzensport, indem sie über den Diskurs künstlich in das System implementiert wird. Zusammenfassend
aktualisiert
sich
durch
den
öffentlichen
Dopingskandal
der
Interaktionszusammenhang aller Akteure, lässt den Spitzensport »reiner« als vorher erscheinen und überbrückt die Wartezeit auf einen neuen nationalen Helden auf unterhaltsame Weise. Ein Held, der nach einer vermeintlichen Krise umso heller strahlen kann. Denn: Das Gute entsteht auf der Bühne immer erst durch die Abgrenzung zum Bösen.
102
ERKLĂ„RUNG
Hiermit erkläre ich, dass ich diese Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe angefertigt habe. Weiterhin sind keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet worden. Ferner wird hiermit versichert, diese Arbeit nicht an anderer Stelle als Qualifikationsarbeit eingereicht worden ist.
103
Literaturverzeichnis Alkemeyer, T. (1996). Inszenierte Sport-Welten. Von der Mimesis der sozialen Praxis zu den Fiktionen des . In B. Boschert, & G. Gebauer, Text und Spiele - Sprachspiele des Sports (S. 141-183). Sankt Augustin. Altwegg, J. (05.03.2009). Das Gelbe Trikot wird weißgewaschen. Frankfurter Allgemeine Zeitung , S. 19. Arndt, N., Singler, A., & Treutlein, G. (2004). Sport ohne Doping. Frankfurt am Main: Deutsche Sportjugend. Barthes, R. (1986). Die Tour de France als Epos. In G. Gebauer, & G. Hortleder, Sport, Eros, Tod (S. 16-36). Frankfurt. Berghaus, M. (2003). Luhmann leicht gemacht. Köln: Böhlau Verlag. Bergmann, J., & Pörksen, B. (2009/02). Skandal! Journalist , S. 52-57. Bernreuther, M.-L. (2003). http://www.vlw.euv-frankfurt-o.de. Abgerufen am 12. März 2009 von http://www.vlw.euv-frankfurt-o.de/Mitarbeiter/mlb_Sport.pdf Betram, H.-W. (1988/8). Triumph auf Rezept? Perico auf dem schmalem Grad. Tour - Das Rennsport-Magazin , S. 8-18. Bette, K.-H. (2007). "Die Massenmedien haben sich selbst noch nicht als Mitverursacher des Dopingproblems entdeckt." - Ein Interview mit dem Sportsoziologen Karl Heinrich Bette. In R. Meutgens, Doping im Radsport (S. 191-195). Kiel: Moby Dick. Bette, K.-H., & Schimank, U. (2006). Die Dopingfalle. Bielefeld: transript. Bette, K.-H., & Schimank, U. (1995). Doping im Hochleistungssport. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Boßdorf, B. /. (2004). 100 Highlights - Tour de France 1903-2003. Berlin: Der Sportverlag. Bouhs, D. (16.10.2008). www.spiegel.de. Abgerufen am 13. März 2009 von http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,584626,00.html Bourdieu, P. (1995). Wie kann den Olympischen Spielen ihre internationalistische Bedeutung zurückgegeben werden? In G. Gebauer, Olympische Spiele - die andere Utopie der Moderne (S. 270-275). Berlin: Suhrkamp. Breidbach, A. (2007). Doping im Radsport aus Sicht der Analytik. In R. Meutgens, Doping im Radsport (S. 206-213). Kiel: Moby Dick.
104
Brissoneau, C. (2007). Integration von West und Ost: Der Radsport des ausgehenden 20. Jahrhunderts auf dem Weg zur Vollprofessionalisierung. In R. Meutgens, Doping im Radsport (S. 181-187). Kiel: Moby Dick Verlag. Burghardt, P. (20. Juli 20.07.1998). Eherne Regeln der Scheinheiligkeit. Süddeutsche Zeitung , 26. Burghardt, P. (13. Juli 13.07.1998). Ein Sprengsatz bedroht die ganze Tour. Süddeutsche Zeitung , 23. Burkert, A. (28./29.07.2007). "Die UCI wollte niemals eine saubere Tour". Süddeutsche Zeitung , 35. Burkert, A. (12./13.07.2008). Aber es ruft niemand an. Süddeutsche Zeitung , 35. Burkert, A. (04.07.2008). Abschreckung, viel mehr nicht. Süddeutsche Zeitung , S. 21. Burkert, A. (20.07.2007). Die Karawane zieht weiter. Sddeutsche Zeitung , 27. Burkert, A. (27.07.2007). Und so weiter und so fort. Süddeutsche Zeitung , 31. Burkert, A. (27.07.2007). Vertrauen in den Letzten. Süddeutsche Zeitung , 31. Burkert, A., & Kistner, T. (23.11.2007). "Wie krank war ich eigentlich?". Süddeutsche Zeitung , 21. Burkhardt, S. (2006). Medienskandale - Zur moralischen Sprengkraft öffentlicher Diskurse. Köln: Herbert von Halem. Cáceres, J. (26. Mai 26.05.2006). Doping Razzia - Schlimmer als 1998. Süddeutsche Zeitung , 23. Christensen, L. (1999). Die moralische Einstellung verschiedener Interessengruppen als sozialer Regulationmechanismus. Köln. Clauss, U. (28.07.2007). Tour der Hoffnung. Die Welt , 1. Dahrendorf, R. (2006). Homo Sociologicus. Wiesbaden. Daumann, F. (2008). Die Ökonomie des Dopings. Hamburg: Merus Verlag. Deister, G. (19. Juli 19.07.1998). Der Tour-Schock, heilsam? Deutsche Presse Agentur . Digel/Burk. (2001). Sport und Sportrezeption. Baden-Baden. Dobbert, S. (03.12.2007). www.zeit.de. Abgerufen am 11. März 2009 von http://www.zeit.de/online/2007/48/Telekom-Radsport-Aufgabe?page=1
105
Dobbert, S. (22.07.2007). www.zeit.de. Abgerufen am 12. März 2009 von http://www.zeit.de/online/2007/28/tour-de-france-medienkritik?page=1 Dobbert, S. (29.07.2007). www.zeit.de. Abgerufen am 02. März 2009 von http://www.zeit.de/online/2007/31/bg-tour?1 Dreyfus, H. L., & Rabinow, P. (1987). Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik. Weinheim. Ducion, J.-E. (06.07.2001). www.cycling4fans.de. Abgerufen am 17. März 2009 von http://www.cycling4fans.de/index.php?id=308 Eberle, L. (2008). Die Tour de France 2007 - Doping und der differente Umgang damit in den Tageszeitungen. Tübingen. Eichler, C. (08.07.2007). Die Tour - das große Experiment. Frankfurter Allgemeine Zeitung , 17. Engelmann, J. (1999). Foucault - Botschaften der Macht - Reader Diskurs und Medien. Köln. Etzoldt, C. (2003). Sozialwissenschaftliche Handlungstheorien. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft. Fischer, M. (1998/08). Rechtslage - Bei Radrennen in Deutschland sind Dopingsünder sicher. Der Gesetzgeber überlässt den Sport sich selbst. Tour - Das Rennrad Magazin , S. 82. Fleischmann, S. (2007). Alle in einem Boot? Investigativer Sportjournalismus in Deutschland – Eine Untersuchung der Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Einstellungen. Ingolstadt. Florschütz, G. (April 2004). Simulierter Krieg - Zur Kritik des Sports in den Medien. Tiefenschärfe - Zentrum für Medien und Medienkultur , S. 14-16. Florschütz, G. (2005). Sport in Film und Fernsehen - Zwischen Infotainment und Spektakel. Wiesbaden: Deutscher Universitäts Verlag. Forst, K. (09.06.2008). www.tour.ard.de. Abgerufen am 13. März 2009 von http://tour.ard.de/tour2008/allgemein/doping-dossier/beitraege/beichtende_radfahrer.htm Föst, C., & Kammann, B. (2007). Jan Ullrich - Wie gewonnen so zerronnen. In L. Nuschke, Vermarktungspotentiale des Spitzensports - Eine Betrachtung ausgewählter Fallbeispiele (S. 159-173). Göttingen. Fotheringham, W. (2007). Put me back on my bike - Die Tom Simpson Biografie. Bielefeld: Covadonga Verlag. Fotheringham, W. (4. Juli 2002). www.buzzle.com. Abgerufen am 2. März 2009 von http://www.buzzle.com/editorials/7-4-2002-21739.asp 106
Foucault, M. (2003). Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt: S. Fischer Verlag. Franke, W., & Ludwig, U. (2007). Der verratene Sport. Gütersloh: Zabert Sandmann GmbH. Friebe, D. (2007/9). Abstieg ins Chaos. Procycling - Europas großes Radsport-Magazin , S. 5464. Früchtl, J., & Zimmermann, J. (2001). Ästethik der Inszenierung - Dimensionen eines gesellschaftlichen, individuellen und kulturellen Phänomens. In J. Früchtl, & J. Zimmermann, Ästethik der Inszenierung (S. 9-47). Frankfurt. Gäb, H. W. (2006). Die Überlebensfrage. In J. Weinreich, Korruption im Sport - Mafiöse Dribblings Organisiertes Schweigen (S. 255-264). Leipzig: Forum Verlage. Gamper, M. (1999). 100 Jahre Doping: Annäherungen an eine Geschichte der künstlichen Leistungssteigerung im Radsport . Neue Zürcher Zeitung , 11. Gamper, M. (03.09.1999). 100 Jahre Doping: Annäherungen an eine Geschichte der künstlichen Leistungssteigerung im Radsport. Neue Zürcher Zeitung , 21. Gamper, M. (15.09.2006). Der Kampf der zwei Sportkulturen. Abgerufen am 23.. Januar 2009 von www.tagesanzeiger.ch: http://sc.tagesanzeiger.ch/dyn/news/sport/666048.html Gamper, M. (2000). Doping - Spitzensport als gesellschaftliches Phänomen . Zürich: NZZ Verlag. Gebauer, G. (1997). Ethik und Moral als Legitimationsquellen im Kampf gegen das Doping? In D. Kurz, & J. Mester, Doping im Sport - Zwischen biochemischer Analytik und sozialem Kontext (S. 69-75). Köln: SPORT & BUCH Strauß. Gebauer, G. (1996). Olympische Spiele - die andere Utopie der Moderne. Olympia zwischen Kult und Droge. Frankfurt: Suhrkamp. Gebauer, G. (1985). Sport - Eros - Tod. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Gebauer, G. (2002). Sport in der Gesellschaft des Spektakels . St. Augustin: Academia. Geisser, R. (5. August 05.08.2007). Die Blutspur des Radsports. Neue Zürcher Zeitung , 23. Gerth, S. (1998/08). Der Imageschaden ist enorm. Tour - Das Rennradmagazin , S. 80. Geyer, M., Gorris, L., & Ludwig, U. (2007/18). Der einzige Zeuge. Der Spiegel , S. 52-56. Goffman, E. (1977). Rahmen-Analyse - Ein Versuch über der Organisation von Alltagserfahrungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Goffman, E. (1981). Strategische Interaktion. München, Wien.
107
Goffman, E. (1969). Wir alle spielen Theater - Die Selbstdarstellung im Alltag. München: Piper Verlag. Gorris, L., & Hacke, D. (2007/30). Der goldene Schuss. Der Spiegel , S. 108-111. Gorris, L., Hacke, D., & Ludwig, U. (2007/27). Bellas Blut. Der Spiegel , S. 64-78. Gremliza, H. L. (2008). Alles Doping. In R.-G. Schulze, & M. Krauss, Wer macht den Sport kaputt? - Doping, Kontrolle und Menschenwürde (S. 29-36). Berlin: Verbrecher. Gronen, W. (1980/07). 67 Jahre- Leistungen, Lästerliches, Lustiges: Tour Total. Tour - Das Rennrad Magazin , S. 34-37. Grosskathehöfer, M. (2001/28). Das Geschäft mit dem Mythos. Der Spiegel , S. 146-148. Günther Schulze, R., & Krauss, M. (2008). Ein Gespräch mit Diedrich Diederichsen - Full of oneself. In R. Günther Schulze, & M. Krauss, Wer macht den Sport kaputt ? Dopingm Kontrolle und Menschenwürde (S. 99-120). Berlin: Verbrecher. Hacke, D. (2006/27). Auf den Scheiterhaufen. Der Spiegel , S. 150-151. Hacke, D. (2007/49). Das Ende des Neuanfangs. Der Spiegel , S. 204-206. Hacke, D. (2005/28). Das ewige Versprechen. Der Spiegel , S. 134-136. Hacke, D. (31. Dezember 31.12.1992). Freunde quer durch alle Rennställe. Süddeutsche Zetung , 19. Hacke, D. (2004/30). Vabanque bei Puls 180. Der Spiegel , S. 150-151. Hacke, D., & Ludwig, U. (2007/45). "Das gehört zu meinem Job". Der Spiegel , S. 216-222. Hackforth, J. (2007/23). Das Sportbarometer. Sport Bild , S. 55. Hackforth, J. (2007/31). Das Sportbarometer. Sport Bild , S. 51. Hahn, D. (25. Juli 25.07.1998). Das Ende eines nationalen Rituals. die tagesteitung , 2. Hahn, J. (26.07.2007). Absitzen. Frankfurter Allgemeine Zeitung , 1. Halter, H. (Juli 1998/32). Alles verstehen, alles verzeihen. Der Spiegel , S. 97. Hartmann, G. (16.02.2008). www.sportnetzwerk.eu. Abgerufen am 14.. Januar 2009 von http://sportnetzwerk.eu/wp-content/uploads/2008/02/vortrag-grit-hartmann-dortmund16022008.pdf Haschnik, G. (20.02.2007). Doping Diskussion? Non, merci! Abgerufen am 2.. März 2009 von http://www.focus.de/sport/tourdefrance/frankreich_aid_67127.html 108
Haug, F. (1972). Kritik der Rollentheorie. Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag. Haug, T. (2007). Die Geschichte des Dopinggeschehens und der Dopingdefinition. In R. Nickel, & T. Rous, Das Anti-Doping-Handbuch (S. 34-49). Aachen. Haug, T. (2006). Doping - Dilemma des Leistungssports. Hamburg: Merus. Haupt, F., & Pfeil, M. (02.08.2007). Der Pillenknick. Die Zeit , 17-18. Hees, J. (26.07.2007). "Alle haben es gewusst". die tageszeitung , 12. Heidmann, M. (2008). Modedroge Moralin. In R.-G. Schulze, & M. Krauss, Wer macht den Sport kaputt? (S. 37-49). Berlin: Verbrecher. Heinemann, K. (1989). Der nicht-sportliche Sport-Beiträge zum Wandel im Sport. Schorndorf: Hofmann Schorndorf. Heise, S. (28.11.07). www.focus.de. Abgerufen am 12.. März 2009 von http://www.focus.de/finanzen/news/telekom_aid_212886.html Hellmuth, I. (09.08.2006). www.stern.de. Abgerufen am 17. März 2009 von http://www.stern.de/wissenschaft/medizin/:Doping-Rechtslage-Hier-Sportler/567705.html Hénard, J. (28. Juli 2001). "Wer nichts nimmt, der bringt auch nichts". Die Zeit , 45. Hidde, S. (2005). Wenn der Radsport zur Ware wird - Veränderung des Sports am Beispiel Straßenradrennsport. Kiel. Hitzler, R. (1998). Das Problem, sich verständlich zu machen - Anthropologische Aspekte einer Dramatologie. In H. Willems, & M. Jurga, Inszenierungsgesellschaft - Ein einführendes Handbuch (S. 93-106). Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Hoberman, J. (2000). Die Stimme aus den USA: John Hoberman (Sport- und Dopingexperte). In T. Knobbe, Spektakel Spitzensport - Der Moloch aus Stars, Rekorden, Doping, Medienwahn, Sponsorenmacht (S. 203-205). Siegen. Hoberman, J. (1994). Sterbliche Maschinen - Doping und die Unmenschlichkeit des Hochleistungssports. Aachen: Meyer und Meyer. Hoeltzenbein, K. (26.07.2007). Die Radfahr-Mafia. Süddeutsche Zeitung , 4. Horizont Sportbusiness. (2007). Aussagen zum Radsport. Radsport in Deutschland - Cycling Report 2007 , S. 4. Horky, T. (2001). Inszenierung des Sports in der Massenkommunikation. Hoyer, N. (19. Juli 19.07.1998). So leicht lassen sich die Franzosen «ihre» Tour nicht nehmen. Deutsche Presse Agentur . 109
Hungermann, J. (28.07.2007). Morgen ist der Spuk vorbei. Die Welt , 26. Hürter, T. (02.08.2007). Reinemachen. Die Zeit , 27. Ihle, H. (2008). Die Tour de France in den deutschen Medien. Göttingen: VDM Verlag. Karis, T. (1.. Januar 2008). "Autobahn geht nicht!" - Medienmacht und die Frage: Was ist sagbar? 360° - Das studentische Journal für Politik und Gesellschaft , S. 36-47. Keller, R. (1997). Diskursanalyse. In R. Hitzler, & A. Honer, Sozialwissenschaftliche Hermeneutik - Eine Einführung (S. 309-334). Opladen. Keller, R. (2004). Diskursforschung - Eine Einführung für Sozialwissenschaftler. Opladen. Keller, R. (2008). Michel Foucault. Klassiker der Wissenssoziologie. Konstanz. Keller, R. (2005 ). Wissenssoziologische Diskursanalyse - Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden. Keller, R., Hirseland, A., Schneider, W., & Viehöfer, W. (2005). Die diskursive Konstruktion von Wirklichkeit. Konstanz. Kepplinger, H. M. (2005). Die Mechanismen der Skandalierung . München: Olzog. Kistner, T. (01.01.2008). "Signal an alle: Auspacken zahlt sich nicht aus". Süddeutsche Zeitung , 26. Kistner, T. (05.11.2007). Der Verdacht schließt nun alle ein. Süddeutsche Zeitung , 29. Kistner, T. (19.07.2007). Doping im Radsport - Du, Du! Du böser du! Süddeutsche Zeitung , 20. Kistner, T. (01.08.2007). Instinktiv zur Tube gegriffen. Süddeutsche Zeitung . Kistner, T. (03.12.2007). www.süddeutsche.de. Abgerufen am 02. März 2009 von http://www.sueddeutsche.de/panorama/555/426312/text/ Kistner, T. (28.11.2007). www.sueddeutsche.de. Abgerufen am 11. März 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/921/425679/text/ Kloß, T. (19.07.2007). www.presseportal.de. Abgerufen am 12. März 2009 von http://www.presseportal.de/pm/55903/1019302/westdeutsche_allgemeine_zeitung/ Knobbe, T. (2000). Spektakel Spitzensport - Der Moloch aus Stars, Rekorden, Doping, Medienwahn, Sponsorenmacht. Siegen.
110
König, E. (1996). Kritik des Dopings: Der Nihilismus des technologischen ports und die Antiquiertheit der Sportethik. In G. Gebauer, Olympische Spiele - die andere Utopie der Moderne - Olympia zwischen Kult und Droge (S. 223 - 244). Frankfurt: Suhrkamp. Kotte, A. (2005 ). Theaterwissenschaft. Köln: Böhlau. Krämer, H. (1998). Das Tour de France Buch. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Krüger, A. (2000). Die Paradoxien des Doping - Ein Überblick. In M. Gamper, J. Mühletal, & F. Reidhaar, Der Spitzensport als gesellschaftliches Problem (S. 11-31). Zürich: NZZ Verlag. Langer, G. (1996). Die Rolle in Gesellchaft und Theater. Tübingen. Latour, B. (2007). Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Frankfurt. Leibundgut, W. (2000). Ein Blick hinter die Kulissen. In M. Gamper, Tour de France - Auf den Spuren eines Mythos (S. 74-84). Zürich. Lenk, H. (2007). "Dopium fürs Volk" - Werte des Sports in Gefahr. Hamburg. Lenk, H. (1985). Die achte Kunst - Leistungssport - Breitensport. Zürich: Edition Interfrom. Lenze, I. (2006). Anti Doping-Strategien im Radsport nach der Tour de France 1998. Münster. Leyendecker, H. (18.07.2007). Neue Dopingfälle - Die Tour vermasselt. Abgerufen am 02. März 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/644/383445/text/ Leyendecker, H. (23. Mai 24.05.2007). Radsport - Eine gewisse Chemie. Süddeutsche Zeitung , 22. Leyendecker, H. (4. Juli 04.07.2008). Total Pedal. Süddeutsche Zeitung , 12. Leyendecker, H., & Keil, C. (20.07.2007). Die Stunde der Profiteure. Süddeutsche Zeitung , 15. Logisch, J., & Dreher, F. (27.07.2007). Der nächste Sp(r)itzenreiter. Bild-Zeitung , 10. Logisch, J., & Dreher, F. (27.07.2007). Gebt Gelb dem Letzten - er müsste eigentlich sauber sein. Bild-Zeitung , 10. Logisch, J., & Dreher, F. (26.07.2007). Sie lügen und betrügen - Macht Schluss mit der SpritzTour. Bild-Zeitung , 11. Logisch, J., & Saure, H.-W. S. (20.07.2007). Schalten ARD und ZDF auch Olympia ab? BildZeitung , 9. Löhle, J. (1998/08). Unbeliebt. Tour - Das Rennrad Magazin , S. 101. Löhle, J. (1998/08). Wechselbäder. Tour - Das Rennrad Magazin , S. 86-101. 111
Luhmann, N. (1996). Die Realität der Massenmedien - 2. erweiterte Auflage. Opladen: Westdeutscher Verlag. Martens, R. (2008). Ausgemachte Skandale. In R.-G. Schulze, & M. Krauss, Wer macht den Sport kaputt? - Doping, Kontrolle und die Menschenwürde (S. 100-121). Berlin: Verbrecher. Meinberg, E. (2007). Ethik des Wettkampf- und Leistungssports: Das Beispiel Doping. In Das Anti-Doping-Handbuch (S. 12-33). Aachen. Mertens, F. (23.12.2007). www.netzeitung.de. Abgerufen am 1. März 2009 von http://www.netzeitung.de/sport/855890.html Meusel, S. (1998/08). Der Skandal von Tag zu Tag. Tour - Das Rennrad Magazin , S. 79. Meutgens, R. (2007). Doping im Radsport. Kiel: Moby Dick. Miebach, B. (2006). Soziologische Handlungstheorie - Eine Einführung. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Mika, B. (26.07.2007). Wir haben gedopt. die tageszeitung , 1. Mischke, M. (18.12.2008). www.cycling4fans.de. Abgerufen am 03. März 2009 von http://www.cycling4fans.de/index.php?id=4437 Moll, S. (02.08.2007). Keine Erhellung. die tageszeitung , 19. Moll, S. (2007/07). Neue Arbeitsmoral. Tour - Das Rennrad Magazin , S. 152-157. Moll, S. (30.07.2007). Quietschgesund am Ende. die tageszeitung , 14. Mummendey, H. D. (1995). Psychologie der Selbstdarstellung. Göttingen: Hogrefe. Münch, R. (2003). Soziologische Theorie. Frankfurt: Campus Verlag. Mustroph, T. (2007/01). Team Puerto. Tour de France 07 - Das Rennrad Magazin Spezial , S. 134-137. Nora, P. (2005). Erinnerungsorte Frankreichs. München. Nuschke, L. (2007). Doping im Radsport - Ist das Image ruiniert? In L. Nuschke, Vermarktungspotentiale des Spitzensports - Eine Betrachtung ausgewählter Fallbeispiele (S. 113-136). Göttingen. Nuschke, L. (2007). Vermarktungspotentiale des Spitzensports - Eine Betrachtung ausgewählter Fallbeispiele. Göttingen: Sierke Verlag. o.V. (20.07.2007). "Deutsche Heuchelei". Bild-Zeitung , 9.
112
o.V. (31.07.2007). "Hört auf zu lügen!". Süddeutsche Zeitung , 27. o.V. (30.07.2007). "Regimewechsel" dank Contador. Frankfurter Allgemeine Zeitung , 22. o.V. (23.07.1998). "Richard, komm' bald wieder". Süddeutsche Zeitung , 9. o.V. (31. Juli 31.07.1998). «L’Equipe»: Nach den Ermittlungen neuen Anfang im Radsport machen. Deutsche Presse Agentur . o.V. (2007). Bloodwork orange - oder : Mancher hat´s im Blut. In R. Meutgens, Doping im Radsport (S. 137-141). Kiel. o.V. (27. Juli 27.06.2005). Das offene Geheimnis - Dauerthema Doping. Süddeutsche Zeitung , 21. o.V. (1998/11). Der SPIEGEL berichtete in Nr. 25/1997 "Radrennen - Wie ein Hund an der Kette" über die Dopingkarriere des Kölner Radrennprofis Jörg Paffrath. Der Spiegel , S. 246. o.V. (1967/31). Dynamit geladen. Der Spiegel , S. 88. o.V. (19.07.2007). Ehrenerklärung: "Verpflichtung der Fahrer auf einen neuen Radsport". Deutsche Presse Agentur . o.V. (31.07.2007). Franke attackiert. Süddeutsche Zeitung , 27. o.V. (01.05.2008). Frankreich verschärft Anti-Doping-Gesetz. Deutsche Presse Agentur . o.V. (15.07.1967). Gericht untersucht den Tod vom Tom Simpson. Frankfurter Rundschau . o.V. (29.07.2009). Hurra, die Tour ist vorbei. Frankfurter Allgemeine Zeitung , 13. o.V. (1980/27). Intern Dynamit. Der Spiegel , S. 183-184. o.V. (19.07.2009). Internationale Pressestimmen - "Schwarzer Bildschirm in Deutschland". Frankfurt Allgemeine Zeitung , 23. o.V. (15.-16.. Juli 15./16.07.1967). Kaum noch Zweifel: Simpson war gedopt. Hamburger Abendblatt , 19. o.V. (2009/7). Kein Doping bei "L'Equipe" . Der Spiegel , S. 103. o.V. (15.. Juli 15.07.1967). Mit der Tortur zur Siesta-Zeit begann das Drama am Mont Ventoux. 9. o.V. (21. Juli 20.07.2004). Mythos Alpe d'Huez - Angst vor der Fahrt zur Insel der Sonne. Süddeutsche Zeitung , 20. o.V. (2008/4). Radler steigen ab. Horizont Sportbusiness Monthly , S. 3. 113
o.V. (19.07.2007). Reaktionen - Hammer, Bombe, Tiefschlag. Süddeutsche Zeitung , 18. o.V. (2007/8). Reden ist Gold. Tour - das Rennrad-Magazin , S. 24. o.V. (21.. Juli 21.07.1967). Spiel mit dem Tod - Doping - der schmutzige Weg zur Höchstleistung. Hamburger Abendblatt , 11. o.V. (06.05.2001). The Observer. Abgerufen am 14. März 2009 von http://observer.guardian.co.uk/osm/story/0,6903,481524,00.html o.V. (14.07.1967). Tom Simpson nach einem Hitzschlag gestorben. Frankfurter Allgemeine Zeitung , 6. o.V. (14.. Juli 15.07.1967). Tour de France fordert ein Todesopfer: Simpson starb an einem Hitzschlag. Die Welt , 7. o.V. (1985/15). Unheilbarer Drang. Der Spiegel , S. 179-184. o.V. (19.. Juli 19.07.1967). Wolkenbruch bei Simpsons Beisetzung. 5. o.V. (09.07.2007). www.bbv-net.de. Abgerufen am 13. März 2009 von http://www.bbvnet.de/public/article/sport/tour_de_france/456645/Einbruch-bei-ARDZDF-Eurosportjubelt.html o.V. (18.07.1999). www.cyclingnews.com. Abgerufen am 22. März 2009 von http://www.cyclingnews.com/results/1999/jul99/jul18.shtml o.V. (21.07.2007). www.cyclingnews.com. Abgerufen am 1. März 2009 von http://www.cyclingnews.com/road/2007/tour07/?id=/features/2007/woodland_simpson_t our07 o.V. (04.07.2007). www.diepresse.com. Abgerufen am 22. März 2009 von http://diepresse.com/home/sport/tourdefrance/314875/index.do?from=suche.intern.portal o.V. (18.07.2007). www.digitalfernsehen.de. Abgerufen am 12. März 2009 von http://www.digitalfernsehen.de/news/news_178721.html o.V. (18.07.2007). www.digitalfernsehen.de. Abgerufen am 12. März 2009 von http://www.digitalfernsehen.de/news/news_178721.html o.V. (22.08.2007). www.lifepr.de. Abgerufen am 3. März 2009 von http://www.lifepr.de/pressemeldungen/bayerische-akademie-fuer-werbung-und-marketingev-baw/boxid-13020.html o.V. (17.01.2007). www.netzeitung.de. Abgerufen am 23. Januar 2009 von http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=784&item=501448
114
o.V. (02.10.2008). www.radsport-news.com. Abgerufen am 05. März 2009 von http://www.radsport-news.com/sport/sportnews_52953.htm o.V. (04.07.2003). www.radsport-news.com. Abgerufen am 13. Januar 2009 von http://www.radsport-news.com/sport/sportnews_29324.htm o.V. (28.08.1998). www.radsportnews.net. Abgerufen am 3. März 2009 von http://radsportnews.net/news/festina2.htm o.V. (05.07.2007). www.spiegel.de. Abgerufen am 12. März 2009 von http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,492573,00.html o.V. (26.07.2007). www.spiegel.de. Abgerufen am 03.01.2009 von http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,496692,00.html o.V. (26.07.2007). www.spiegel.de. Abgerufen am 02. Januar 2009 von http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,496692,00.html o.V. (06.05.2008). www.sport.t-online.de. Abgerufen am 02. März 2009 von http://sport.tonline.de/c/14/97/35/04/14973504.html o.V. (10.07.2007). www.sportrechturteile.de. Abgerufen am 14. Februar 2009 von http://www.sportrechturteile.de/News/ARGESportrecht/news8455.html o.V. (02.07.2007). www.stern.de. Abgerufen am 21. Februar 2009 von http://www.stern.de/sport-motor/sportwelt/:Dopinggest%E4ndnis-Wenn/592214.html o.V. (19.07.2007). www.süddeutsche.de. Abgerufen am 02. März 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/921/384721/text/ o.V. (20.07.2007). www.süddeutsche.de. Abgerufen am 13. März 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/375/386173/text/ o.V. (29.11.2007). www.süddeutsche.de. Abgerufen am 11. März 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/441/425199/text/ o.V. (02.06.2009). www.sueddeutsche.de. Abgerufen am 06. Februar 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/688/457349/text/ o.V. (19.07.2007). www.sueddeutsche.de. Abgerufen am 11. März 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/weitere/artikel/429/124250/ o.V. (19.07.2007). www.sueddeutsche.de. Abgerufen am 02. März 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/921/384721/text/ o.V. (20.07.2007). www.sueddeutsche.de. Abgerufen am 13. März 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/375/386173/text/ 115
o.V. (27.06.2005). www.sueddeutsche.de. Abgerufen am 13. Januar 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/309/387106/text/ o.V. (27.06.2005). www.sueddeutsche.de. Abgerufen am 12. Januar 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/309/387106/text/ o.V. (29.11.2007). www.sueddeutsche.de. Abgerufen am 11. März 2009 von http://www.sueddeutsche.de/sport/441/425199/text/ o.V. (18.07.2007). www.tagesschau.de. Abgerufen am 12. März 2009 von http://www.tagesschau.de/sport/meldung11582.html Ostermann, M. (2007/09). UCI gegen A.S.O: Der Krieg hinter den Kulissen. Roadbike , S. 4041. Pfeiffer, F. (25.04.2008). www.spiegel.de. Abgerufen am 02. März 2009 von http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,549612,00.html Plättner, A. (30.05.2007). "Weltmeister im Doping - Ist der Sport noch zu retten? PhoenixRunde . Pohlmann, S., & Sagatz, K. (18.07.2007). www.tagesspiegel.de. Abgerufen am 02. Februar 2009 von http://www.tagesspiegel.de/medien-news/Doping-Radsport;art15532,2342204 Pöttinger, P. (1989). Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der Professionalisierung im Sport . Wiesbaden: Limpert. Psotta, K. (2007/29). Sport Bild kontrolliert hier Klöden. Sport Bild , S. 52-53. Psotta, K., & Schlickmann, D. (2007/28). "Warum sollte ich mich verteidigen?". Sport Bild , S. 48-50. Rabenstein, R. (1996 ). Radsport und Gesellschaft. Hildesheim, München und Zürich: Weidmannsche Verlagsbuchhandlung. Rapp, U. (1973). Handeln und Zuschauen. Darmstadt: Hermann Luchterhand. Real, M. R. (1998). MediaSport: Technology and the Commodification of Postmodern Sport. In L. A. Wenner, MediaSport (S. 14-26). London, New York: Routlegde. Renggli, S. (2000). Die Geschichte der Tour de France - Bären, Giftmischer und Gladiatoren. In M. Gamper, Tour de France - Auf den Spuren eines Mythos (S. 139-149). Zürich. Richter, A., & Zellmer, A. (18.07.2007). Der Sturz des Patrik Sinkewitz: Vom Hoffnungsträger zum Sünder. Deutsche Presse Agentur .
116
Riedner, F. (25.07.2007). www.quotenmeter.de. Abgerufen am 19.. Februar 2009 von http://www.quotenmeter.de/cms/?p1=n&p2=21343&p3= Ritzer, U. (26.07.2007). Helden im Mansardenkabuff. Süddeutsche Zeitung , 2. Rogge, J. (27.07.2007). Selbst in Frankreich erkaltet die Liebe zur Tour. Kieler Nachrichten , 3. Rühle, A. (26.07.2007). Vielleicht mal 'nen Schachspieler anhimmeln? Süddeutsche Zeitung , 2. Rüttenhauer, A. (26.07.2007). Doping ist Sport. die tageszeitung , 3. Rüttenhauer, A. (18.07.2007). Tour de France-Popularität - Wir sind wieder Helden. die tageszeitung , 13. Salden, J. (23.05.2007). www3.ndr.de. Abgerufen am 17. Februar 2009 von http://www3.ndr.de/sendungen/zapp/archiv/boulevard_gesellschaft/zapp700.html Sarasin, P. (2005). Michel Foucault zur Einführung. Hamburg. Schaffrath, M. (2007/07). Placebos gegen eine Seuche. Journalist , S. 46-48. Schallenberg, J. (11.10.2008). www.spiegel.de. Abgerufen am 02. März 2009 von http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,582605,00.html Schallenberg, J. (12.07.2008). www.spiegel.de. Abgerufen am 02. Januar 2009 von http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,565547,00.html Schauerte, T. (2002). Wirkungen des Mediensports. Schorndorf: Hofmann. Scherzer, H. (27.01.2009). www.zeit.de. Abgerufen am 05. März 2009 von http://www.zeit.de/online/2009/05/radsport-lance-armstrong-tourdefrance?page=1 Schindel, M. (09.07.2008). tour.ard.de. Abgerufen am 8. März 2009 von http://tour.ard.de/tour2008/allgemein/doping-dossier/beitraege/festina_20080609.htm Schlicht, W., & Strauß, B. (2003). Sozialpsychologie des Sports. Göttingen: Hogrefe-Verlag. Schlickmann, D., & Psotta, K. (2007/27). Das Geschäft mit den Geständnissen. Sport Bild , S. 50. Schnyder, P. (2000). Erfundene Ursprünge und sprechende Bilder. In M. Gamper, J. Mühletal, & F. Reidhaar, Doping - Spitzensport als gesellschaftliches Problem (S. 69-88). Zürich. Schnyder, P. (30.. August 2000). Neue Zürcher Zeitung. Abgerufen am 08.. Januar 2009 von http://www.svl.ch/presse/nzz000830.html
117
Schöberl, M. (26.08.2007). www.medienhandbuch.de. Abgerufen am 15. März 2009 von http://www.medienhandbuch.de/news/fernsehnachrichten-im-juli-tour-de-france-unddoping-waren-die-topthemen-12148.html Schröder, R. (2002). Radsport - Geschichte, Kultur, Praxis. Göttingen: Verlag Die Werkstatt. Schröder, R., & Dahlkamp, H. (2003). Nicht alle Helden tragen Gelb - Die Geschichte der Tour de France. Göttingen: Die Werkstatt. Schröder, U. (14.07.1967). Starb Simpson durch Doping? - Ärzte geben den Leichnam nicht frei. Hamburger Abendblatt , 8. Schüle, C. (5. Juli 2003/24). Die Helden-Maschine. Die Zeit , 17-21. Schultz Jørgensen, S. (31.10.2005). www.playthegame.org. Abgerufen am 30.. Januar 2009 von http://www.playthegame.org/upload/sport_press_survey_english.pdf Schulze, G.-R., & Krauss, M. (2008). Wer macht den Sport kaputt? - Doping, Kontrolle, Menschenwürde. Berlin: Verbrecher Verlag. Schulze, R.-G. (2008). Schwebende Prozesse. In R.-G. Schulze, & M. Krauss, Wer macht den Sport kaputt? - Doping, Kontrolle und die Menschenwürde (S. 11-28). Berlin: Verbrecher. Schwager, C. (19.07.2007). Eine Frage der Konsequenz. Berliner Zeitung , 16. Schwager, C. (30.07.2009). www.berlinonline.de. Abgerufen am 12. März 2009 von https://www.berlinonline.de/berlinerzeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2007/0730/sport/0021/index.html Seele, R. (10.08.2007). "Wer verändern will, darf nicht weglaufen". Frankfurter Allgemeine Zeitung , 32. Seele, R. (26.07.2007). Im Abgrund. Frankfurter Allgemeine Zeitung , 28. Seier, A. (1999). Kategorien der Entzifferung: Macht und Diskurs als Analyseraster. In H. Bublitz, B. Andrea, C. Hanke, & A. Seier, Das Wuchern der Diskurse - Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults (S. 75-86). Frankfurt am Main; New York. Severin, S. (2007). Sozialisation zum Doping. In R. Meutgens, Doping im Radsport (S. 17-24). Kiel: Moby Dick. Siemes, C. (26.06.2003). Sklaven der Presse. Die Zeit , 76. Soeffner, H.-G. (1999). "Strukturen der Lebenswelt" - Ein Kommentar. In R. Hitzler, J. Reichertz, & N. Schröder, Hermeneutische Wissenssoziologie - Standpunkte zur Theorie der Interpretation (S. 29-38). Konstanz.
118
Soeffner, H.-G. (2004 ). Auslegung des Alltags - der Alltag der Auslegung. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft. Stauff, M. (08.06.2007). www.freitag.de. Abgerufen am 01.. 23. 2009 von http://www.freitag.de/2007/23/07231302.php Stygermeer, M. (1999). Der Sport und seine Ethik - Zur Grundlegung einer Dogmatik des Sports. Berlin: Tenea. Summerer, T. (01.08.2007). www.sponsors.de. Abgerufen am 12. März 2009 von URL http://www.sponsors.de/index.php?id=71&tx_ttnews[tt_news]=14338 Sundermeyer, O. (2007/10). Sportjournalismus. Journalist , S. 13-16. Tamburrini, C. M. (2000). THe "Hand of God"? - Essays in the Philosophy of Sports. Göteburg: Akademitryck. Thompson, C. S. (2006). The Tour de France - A Cultural History. Berkeley und Los Angeles: University of California Press. Tolsdorf, F. (2007). www.succidia.de. Abgerufen am 03. Januar 2009 von www.succidia.de/downloads/get.html?file=/archiv/suc_727.pdf&name=MSN0207_Tolsdorf %2CF._Doping_im_Radsport.pdf Treutlein, G. (2007). Dopingprävention muss alle Ebenen umfassen - und vorgelebt werden. In R. Meutgens, Doping im Radsport (S. 244-247). Kiel. Tümpler, E. (2007). Der Fall Baumann - Ein Sportler im Dopingdiskurs. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller. UCI. (2007). www.uci.ch. Abgerufen am 02. März 2009 von http://www.uci.ch/Modules/BUILTIN/getObject.asp?MenuId=MTI1NDg&ObjTypeCode=FILE &type=FILE&id=MzIwNDQ& Vande Berg, L. R. (1998). The Sports Hero Meets Mediated Celebrityhood. In L. A. Wenner, MediaSport (S. 134-153). London, New York: Routledge. Völker, M. (07.07.2007). "Der Radsport ist verrottet". die tageszeitung , 14. Völker, M. (15.08.2007). T-Mobile will Sponsor bleiben. die tageszeitung , 19. WADA. (2009). www.wada-ama.org. Abgerufen am 13. Januar 2009 von http://www.wadaama.org/rtecontent/document/code_v2009_En.pdf Wagendorp, B. (2003). Der Prolog - Radsport-Roman. Kiel.
119
Wagner, E. (2000). Aus der Perspektive eines Sportler. In M. Gamper, J. Mühletal, & F. Reidhaar, Doping - Spitzensport als gesellschaftliches Problem (S. 34-42). Zürich. Waldbröl, H.-J. (17. Juli 17.17.1998). Krumme Touren. Frankfurter Allgemeine Zeitung , 14. Weber, J. (2007/7). Die Geständniswelle - eine Chronologie. Tour - das Rennrad-Magazin , S. 68-69. Weinreich, J. (07. Juli 07./08.07.2007). Die Spritztour - Eine Frage des Prinzips. Berliner Zeitung , 18. Weis, M. (03.08.2006). www.quotenmeter.de. Abgerufen am 01. Februar 2009 von http://www.quotenmeter.de/cms/?p1=n&p2=15743&p3= Whannel, G. (1992). Fields in Vision - Television Sport and Cultural Transformation. New York: Routledge . Willems, H. (1998). Inszenierungsgesellschaft - Zum Theater als Modell, zur Theatralität von Praxis. In M. Jurga, & H. Willems, Inszenierungsgesellschaft - Ein einführendes Handbuch (S. 23-75). Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Willems, H. (1997). Rahmen und Habitus. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Winnen, P. (03.07.1999). www.cycling4fans.de. Abgerufen am 12. März 2009 von http://www.cycling4fans.de/index.php?id=415 Wittmann, F. (2007). Medienkultur und Ethnographie - Ein transdisziplärer Ansatz mit einer Fallstudie zu Senegal. Bielefeld. Woller, H. (2007). Ein Interview mit Christophe Basson. In R. Meutgens, Doping im Radsport (S. 95-105). Kiel. Zellmer, A. (21.07.1988). "Grünes Licht" für den Mann in Gelb trotz Doping-Mißbrauchs. Deutsche Presse Agentur . Zellmer, A. (18. Juli 18.07.1998). Festina-Fahrer nicht am Start Festina-Team zieht sich von der Tour zurück - Virenque weinte vor Enttäuschung - «Des Sports wegen verlassen wir die Tour». Deutsche Presse Agentur . Zellmer, A. (15. Juli 15.07.1998). Polizei verhörte Festina-Teamleiter - Vorwürfe durch Sportärzte - Tour-Direktor Leblanc: Wir haben keine Handhabe für Ausschluß. Deutsche Presse Agentur . Zellmer, A. (26. Juli 26.07.1998). Presse ist schuld - Ullrich will Tour-Prämie stiften. Deutsche Presse Agentur . Zellmer, A., & Engel, E. (22.07.2007). "Radsport in Lebensgefahr". Deutsche Presse AGentur . 120
121