OPER KÖLN | »MAZELTOV, RACHEL'E« Programmheft 2020.21

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Uraufführung

MAZELTOV, RACHEL'E Musikalische Farce von Christian von Götz anlässlich des Jubiläums »1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland«

Uraufführung: 06. Juni 2021 Oper Köln im StaatenHaus



MAZELTOV, RACHEL'E

DALIA SCHAECHTER ALS RAHEL

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MAZELTOV, RACHEL'E Musikalische Farce von Christian von Götz anlässlich des Jubiläums »1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland« Musik von Reuben Doctor, Abraham Goldfaden, Louis Friedsel, Alexander Olshanetsky, Solomon Smulewitz, Joseph Tanzman, Louis Gilrod, David Meyerowitz, Michael Krasznay-Krausz, Herman Wohl, Leo Fall, Zigmund Mogulescu, Janot Roskin und anderen Musikalische Arrangements: Ralf Soiron Buch und Fassungen der Gesangstexte: Christian von Götz in deutscher, jiddischer und hebräischer Sprache

Gefördert durch #2021 JLID – Jüdisches Leben in Deutschland e.V. aus Mitteln des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

Uraufführung: 06. Juni 2021 Oper Köln im StaatenHaus


MAZELTOV, RACHEL'E

MUSIKALISCHE LEITUNG Rainer Mühlbach INSZENIERUNG Christian von Götz BÜHNE & KOSTÜME Pascal Seibicke MUSIKALISCHE ARRANGEMENTS & INSTRUMENTIERUNG Ralf Soiron LICHT Andreas Grüter DRAMATURGIE Georg Kehren LEA, SÄNGERIN / URURGROSSMUTTER RAHEL, GENANNT RACHEL'E Dalia Schaechter LEYSER JANOWSKI, GEIGER Dustin Drosdziok UROMA GISSE Claudia Rohrbach ISRAEL TEITELBAUM, SCHÄCHTER / ESSENSBOTE Stefan Hadžic´ JOSEPH, REGIEASSISTENT / ABRAHAM GOLDFADEN Matthias Hoffmann LEA 2 Verena Hierholzer

GÜRZENICH-ORCHESTER KÖLN VIOLINE & BRATSCHE Gerhard Dierig VIOLONCELLO Joachim Griesheimer KONTRABASS & TUBA Johannes Esser KLARINETTE François de Ribaupierre* AKKORDEON Dorrit Bauerecker* SCHLAGZEUG Bernd Schmelzer KLAVIER Rainer Mühlbach* , Theresia Renelt*, Michael Avery*

* als Gast

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MUSIKALISCHE LEITUNG UND SZENISCHER DIENST MUSIKALISCHE EINSTUDIERUNG Sarang Choi › Theresia Renelt SPRACHCOACH JIDDISCH Egmont Elschner REGIEASSISTENZ & ABENDSPIELLEITUNG Eike Ecker FSJ REGIEASSISTENZ Pia Sandt INSPIZIENZ Heiko Micheler CORONASCHUTZBEAUFTRAGTE Elisabeth Asenso › Peter Bermes KOSTÜMASSISTENZ Jonas Ritter BÜHNENBILDASSISTENZ Dilara Göksügür ÜBERTITEL Maike Raschke, Lena Frost

TECHNISCHE DIREKTION TECHNISCHER DIREKTOR Andreas Fischer PRODUKTIONSLEITUNG Oliver Haas › Petra Möhle › Svenja Karl TECHNISCHE LEITUNG Volker Rhein

BÜHNENTECHNIK BÜHNENINSPEKTOR Stephan Juchem VORARBEITER VERANSTALTUNGSTECHNIK Michael Dirsing VERANSTALTUNGSTECHNIK Patrick Kirsch › Mike Wienrich

BELEUCHTUNG KÜNSTLERISCHER LEITER DER BELEUCHTUNG Andreas Grüter BELEUCHTUNGSINSPEKTOR Nicol Hungsberg BELEUCHTUNGSMEISTER Michael Krebs › Arndt Riehmeier › Philipp Wiechert PROGRAMMIERUNG LICHTPULT Dominik Vogelgesang

TON LEITER DER TONABTEILUNG Stefan Reich TONTECHNIK Terence Goodchild › Matthias Lühmann › Jürgen Keuler-Nett › Jens Rahmen › Mehdi Salkhi › Robert Servos › Gero Wycik


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KOSTÜM LEITERIN DER KOSTÜMABTEILUNG Manuela Martinez Besse PRODUKTIONSLEITERIN KOSTÜM Annette Wolters Perryman PRODUKTIONSASSISTENZ Marja Adade GARDEROBENMEISTER Oliver Klaas KOSTÜMAUSFÜHRUNG Simone Gartner-Brochhaus › Elisabeth Schmaske KOSTÜMMALEREI Marja Adade › Gudrun Fuchs PUTZMACHEREI Daphne van der Grinten › Chiara Langanke SCHUHMACHEREI Katrin Mikoleiczik

MASKE CHEFMASKENBILDNERINNEN Karin Mariaux › Johanna Nagel MASKE Lara Englert › Michaela Nett › Michael Schmelter

REQUISITE LEITER DER REQUISITENABTEILUNG Bernd Bitter REQUISITE Frank Breuer › Eva Mülleneisen › Hans-Joachim Schmitz › Silke Niehammer › Elgin Schulz

WERKSTÄTTEN DEKORATIONSAUSFÜHRUNG Frank Hohmann › Werner Schaaf › Boris Thelen › Wencke Wesemann

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Rahel, »Mikh ruft die fidl«


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LEA, SÄNGERIN / URURGROSSMUTTER RAHEL, GENANNT RACHEL'E Dalia Schaechter LEYSER JANOWSKI, GEIGER Dustin Drosdziok UROMA GISSE Claudia Rohrbach ISRAEL TEITELBAUM, SCHÄCHTER / ESSENSBOTE Stefan Hadžic´ ć JOSEPH, REGIEASSISTENT / ABRAHAM GOLDFADEN Matthias Hoffmann LEA 2 Verena Hierholzer ORT: Eine Wohnung in KölnMülheim ZEIT: Pessach – Abend, Nacht und nächster Morgen

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MUSIKALISCHE PROGRAMM­FOLGE


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Reuben Doctor

OUVERTÜRE »IKH BIN A BOARDER BAY MAYN VAYB«

Abraham Goldfaden

»ROZHINSKES MIT MANDLEN«

Louis Friedsel

»WI SOL IKH ASOJ LEBEN?« / TEXT (NEU) Christian von Götz

Alexander Olshanetsky

»SHEYN« INSTRUMENTAL

Solomon Smulewitz (nach W. T. Jefferson)

»MIKH RUFT DI FIDL«

Reuben Doctor

»IKH BIN A BOARDER BAY MAYN VAYB«

/ TEXT (NEU) Christian von Götz

TEXT (NEU) Christian von Götz Joseph Tanzman

»RACHEL’E« – ORIGINAL: »GOLDELE«

Louis Gilrod David Meyerowitz

»MAYN MESHPUKHE«

Alexander Olshanetsky

»SHEYN«

Michael KrasznayKrausz

TANZREPRISE »WIR WOLLEN TUN, ALS OB WIR GUTE FREUNDE WÄREN« AUS DER OPERETTE »EINE FRAU VON FORMAT«

Reuben Doctor

»OJ, OJ, DIE VAYBER«

Herman Wohl

»DER TALES«

/ TEXT (NEU) Christian von Götz

/ TEXT David Meyerowitz

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Leo Fall

»HAYNT VET ZI SHOYN GEFINEN IR GLIK« – ORIGINAL: »HEUT KÖNNT‘ EINER SEIN GLÜCK BEI MIR MACHEN« AUS DER OPERETTE »MADAME POMPADOUR« / TEXT (NEU) Christian von Götz

Traditionell

»MAZELTOV« MUSIKALISCHE VERSION VON ZIGMUND MOGULESCU / TEXT (NEU) Christian von Götz

David Meyerowitz

»WUS GEVEN IS GEVEN UN NITU«

Janot S. Roskin

»DER EIGEL HASOHOW« TEXT Janot S. Roskin nach Heinrich Heine

Solomon Smulewitz

»MENSHENFRESSER«

Louis Friedsel

»LECHAIM, BRIDER, LECHAIM«

David Meyerowitz

REPRISE »WUS GEVEN IS GEVEN UN NITU«

Musikalisches Extempore

»LEALE‘S LIBE-TOYT« VERSION VON »ISOLDES LIEBESTOD« AUS RICHARD WAGNERS MUSIKDRAMA »TRISTAN UND ISOLDE« / TEXT (NEU) Christian von Götz

Reuben Doctor

REPRISE »IKH BIN A BOARDER BAY MAYN VAYB« / TEXT (NEU) Christian von Götz

Abraham Goldfaden

»ROZHINSKES MIT MANDLEN«


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Rahel, »Mikh ruft die fidl«

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FÜR DIE JIDDISCHE SPRACHE und die klassische jiddische Literatur habe ich mich schon seit Langem begeistert. Abraham Goldfadens Sulamith zu rekonstruieren und aufzuführen, oder aber die Werke Richard Wagners, der bekanntlich antisemitisch eingestellt war, ins Jiddische zu übertragen und diese so ironisieren und menschlicher machen zu können und um eine Brücke zu schlagen – das sind Pläne, die mich seit Jahren umtreiben. Im Zusammenhang mit der Archiv-Recherche für das OffenbachProjekt Je suis Jacques (Oper Köln, 2019) fielen mir ein paar Operetten-Nummern vergessener jüdischer Komponisten in die Hände, die mich so begeisterten, dass ich den Plot für ein kleines jiddisches Stück schrieb, das sich um das Thema »Jüdische Sängerin lebt in Deutschland und singt ausgerechnet Wagner« drehte. Für die Recherche habe ich dann in den entlegensten Ecken verschiedener europäischer und amerikanischer Archive gegraben und dabei einige Musiknummern zu Tage gefördert, die in Europa womöglich noch nie erklungen sind: Oj, oj, die Vajber, Mayn Meshpukhe oder auch Der Eigel Hasohow. Die habe ich dann im Szenarium von Mazeltov Rachel’e einigen sehr bekannten Nummern des Yiddish Broadway gegenüber gestellt: Rozhinskes mit Mandlen (aus Abraham Goldfadens Sulamith) oder der Walzer-Melodie aus Alexander Olshanetskys Glik (hier: Sheyn). Um die jeweiligen Nummern in den Kontext des Stückes stellen zu können, habe ich für viele Nummern einen neuen jiddischen Text geschrieben. Das hatte auch den Vorteil, dass ein für deutsche Ohren besser verstehbares Jiddisch gewählt werden konnte. Denn die in amerikanischem Jiddisch verfassten Originaltexte sind zum Teil mit Anglizismen gespickt, die die Texte wohl sogar für jiddische Muttersprachler schwer nachvollziehbar machen. Im Sinne der Verständlichkeit habe ich dann auch entschieden, einen Großteil der Dialoge im Deutschen zu belassen. Lea 2 versteht Jiddisch einfach nicht so gut. Die jiddischsprachlichen Musiknummern und die in den Dialog eingelegten jiddischen (und auch kurzen hebräischen) Passagen werden übertitelt. Bei den Schreibweisen der jiddischen Titel haben wir uns für eine


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amerikanische Transkription entschieden. Tatsächlich werden jiddische Texte ja in hebräischer Schrift geschrieben. Dass Abraham Goldfaden (1840 – 1908) selbst als Figur in Mazeltov Rachel’e auftreten sollte, war für mich vom ersten Entwurf an ein ›Muss‹. Dass er in unserer Geschichte sogar als der eigentliche Ururgrossvater von Lea Singer herhalten muss und angeblich Heinrich Heine und Giacchino Rossini in Paris traf, ist selbst­ verständlich fiktiv beziehungsweise der lebhaften Phantasie der Bühnenfigur Goldfaden entsprungen. Mein Dank gilt Herzs Krymalowski und Egmont Elschner für Korrekturen und mutmachenden Zuspruch. Christian von Götz Köln, Juni 2021

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KOMPONISTEN BIOGRAFIEN


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Mit Ausnahme von Leo Fall und Michael Krasznay-Krausz, deren Karrieren sich innerhalb Europas, vorwiegend in ÖsterreichUngarn und Deutschland, abspielten, bilden sich in den Biografien sämtlicher in Mazeltov, Rachel’e vereinten Komponisten ähnlich gelagerte Emigrantenschicksale ab: Im Osten Europas geboren und von der jiddischen Kultur geprägt, wanderten sie früher oder später – bereits als Kind mit den Eltern oder als junge Erwachsene – in die ›Neue Welt‹ aus. Als Komponisten und Texter wurden sie dort Teil eines sich entwickelnden jiddischen Musik- und Theaterlebens auf den Bühnen von New York und in anderen US-amerikanischen Städten. Die musikalische Farce Mazeltov, Rachel’e ist somit nicht zuletzt eine Reverenz gegenüber all jenen jüdischen Künstler*innen, die ihre Heimat hinter sich lassen mussten, um am anderen Ende der Welt ihr Glück zu suchen, und die dort mit ihrem Talent und ihrem kulturellen Erbe das Leben vieler Menschen bereichert haben. Georg Kehren

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REUBEN DOCTOR Reuben Doctor wurde um 1880 in Edinet, einer Stadt im Norden der heutigen Republik Moldau, geboren. Als Schauspieler und Autor des jiddischen Theaters gelangte er vor allem in den USA zu einiger Bekanntheit, nicht zuletzt wegen seines wohl populärsten Liedes Ikh bin a boarder bay mayn vayb, eines typischen Beispiels für die Songs des jiddischen Vaudeville-Theaters. Bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr hatte Doctor eine traditionelle jüdische Ausbildung genossen. Mit etwa sechzehn Jahren ging er nach England, wo er erstmals mit jiddischen Theatergruppen arbeitete und schließlich schauspielerische und gesangliche Erfahrungen sammeln konnte; sein Debüt erfolgte womöglich in Goldfadens Stück Di Kishefmakhern. Wie dieser ging auch er in die USA, doch anders als der um 40 Jahre ältere Kollege erlebte er dort seine größten Erfolge und produzierte Aufnahmen seiner mehr als einhundert Lieder, die auch durch das Radio weite Verbreitung fanden. Er starb 1940 in New York.

LEO FALL Der aus Böhmen stammende Leo Fall wurde 1873 geboren. Wie seine Brüder studierte er Komposition und erhielt dabei Unterweisungen von Robert Fuchs, der auch so berühmte Komponisten wie Gustav Mahler, Franz Schreker und Erich Wolfgang Korngold unterrichtet hatte. Zunächst ging Fall als Kapellmeister nach Hamburg, später wurde er Geiger des Berliner Metropol-Theaters. Eigene Werke blieben zunächst ohne Erfolg und er wandte sich den Unterhaltungsgenres zu; für Kabaretts schrieb er beispielsweise die Musik zu späterhin sehr bekannt gewordenen Couplets. Daraufhin fand er zu jener Gattung, die ihn berühmt machen sollte: Die in kurzer Folge entstandenen Operetten Der fidele Bauer, Die Dollarprinzessin und Die geschiedene Frau führten zu seinem kompositorischen Durchbruch. Die Stilvielfalt seines Schaffens, die neben den klassischen Klängen der Operette auch zeitgenössische Unterhaltungsund Tanzmusik einbezog, traf unverkennbar den Geist der Zeit. Leo Fall starb 1925 in Wien. In der Zeit des Nationalsozialismus war


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die Aufführung seiner Werke verboten. Seine Brüder Siegfried Fall und Richard Fall, die ebenfalls Komponisten waren, wurden in den Konzentrationslagern Theresienstadt beziehungsweise Auschwitz ermordet.

LOUIS FRIEDSEL Der im Jahr 1863 (nach anderen Angaben: 1865) in Jekaterinoslaw auf dem Gebiet der heutigen Ukraine geborene Dirigent und Komponist Louis Friedsel war nach seiner Emigration eine prägende Gestalt des jüdischen Musiklebens und des Theaters in den USA. Die Nachwelt verdankt diesem Komponisten eine Vielzahl von Operetten und Musikwerken jüdischer Tradition. Nicht wenige seiner Werke, die er für verschiedene Vaudeville-Theater und sonstige musikalische Bühnen schuf, entstanden in Zusammenarbeit mit anderen Komponisten. Er starb 1923 in New York.

LOUIS GILROD Geboren 1879 in der Nähe von Poltava in der heutigen Ukraine, wurde Louis Gilrod als 12-Jähriger von seinem Vater in díe Obhut eines Onkels in Newark/ New Jersey gegeben. Zunächst für den Beruf des Friseurs vorgesehen, zog es ihn bald zum Theater – sowohl als Darsteller als auch als Autor des jiddischen Theaters. Sein besonderes Talent als Bühnenschriftsteller führte ihn schon in jungen Jahren nach New York, wo er unter anderem für die ›Yehudah Katzenelenbogen Company‹ zahlreiche Stücke und Liedtexte verfasste. Seine besondere Spezialität waren jüdische Parodien von populären amerikanischen Songs. Frühen Ruhm schuf er sich etwa mit den Liedtexten zu Go tun zayn mishpet iz gerekht und Kum, Yisrolikl, aheym. Auch mit Operetten-Libretti, unter anderem für Dos pintele yud (The essential Jew, New York 1909) und The Golden Bride (1923) schuf er sich Meriten. Neben seiner Tätigkeit als Autor und Texter stand er – ebenso wie seine Ehefrau, die Schauspielerin Paula Weiss – regelmäßig auch selbst auf der Bühne, vor allem in

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sogenannten Vaudevilles, unter anderem am Thalia Theatre, Windsor Theatre, Irving Place Theatre und am Lyric Theatre in Brooklyn. Das letzte musikalisch-parodistische Bühnenwerk, für das er den Text verfasste, war im Jahr 1930 Dos freylekhe yesoymele. Noch im selben Jahr starb er 50-jährig in New York City.

ABRAHAM GOLDFADEN Der 1840 in der heutigen Ukraine geborene Abraham Goldfaden gilt als einer der bedeutendsten Protagonisten des jiddischen Theaters und gelangte als Autor, Schauspieler und Regisseur zu einiger Bekanntheit. Obgleich er in den Sprachen Deutsch und Russisch unterrichtet wurde, behielt der junge Goldfaden einen starken Bezug zur jiddischen Sprache, die sein späteres Schaffen prägen sollte. Zunächst veröffentlichte er hebräische Gedichte, doch folgten nur wenig später die ersten jiddischen Lieder. Erste größere Erfolge erlebte er, als er während seiner Zeit in Rumänien damit begann, für die umherziehenden jüdischen Sänger dramatische Dialoge zu verfassen, die diese während ihrer Auftritte darboten. Später schrieb er ganze Stücke, deren Beliebtheit zu der Gründung weiterer Theatergruppen führte und ihn zu einem Pionier des jiddischen Theaters machte. Nach seiner Rückkehr nach Russland wurde er mit Auftritten in Moskau und St. Petersburg bekannt, doch unterband die Regierung bald die Aufführungen von Stücken in jiddischer Sprache. Goldfaden emigrierte in die USA, konnte dort jedoch nicht an seine Karriere anknüpfen und kam bald wieder nach Europa, wo er in Wien, Paris und London noch einmal Erfolge erlebte. Er starb 1908 in New York.

MICHAEL KRASZNAY-KRAUSZ Michael Krasznay-Krausz, 1897 in Pancsova / Serbien geboren, war der Sohn eines Grammophon-Fabrikanten. Bereits als Jugendlicher unternahm er erste Kompositionsversuche und so nimmt es


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nicht Wunder, dass er schon bald ein Kompositionsstudium aufnahm, das ihn nach Budapest führte. Dort wurde er von Victor von Herzfeld und Zoltán Kodály unterrichtet und konnte einige seiner Kompositionen zur Aufführung bringen, darunter Opern und Orchesterwerke. Während der 1920er -Jahre begann er sich mit der Operette zu beschäftigen und trat 1923 mit seinem ersten Stück dieser Gattung hervor: Auf Bajazzos Abenteuer folgten weitere Bühnen­ stücke und schließlich begann Krasznay-Krausz auch mit der Arbeit als Filmmusiker und Komponist von Schlagern, die durch den frühen Tonfilm weite Verbreitung fanden. Sein größter Erfolg gelang ihm mit der 1927 uraufgeführten Operette Eine Frau von Format. Zu Beginn der 1930er -Jahre lebte er in Berlin, doch der Beginn der NSDiktatur führte dazu, dass er – als Künstler jüdischer Abstammung – das Land verließ und schließlich in Wien einige Produktionen seiner Werke betreute. Nach dem sogenannten Anschluss im März 1938 floh der Komponist nach Budapest, wo er für die letzte Zeit seines Lebens wieder heimisch wurde, jedoch nicht mehr an vorangegangene Erfolge anschließen konnte. Er starb bereits 1940 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in der Kozmastraße in Budapest beigesetzt.

DAVID MEYEROWITZ David Meyerowitz wurde 1867 in Daugavpils (Lettland) geboren. Obgleich er niemals eine musikalische Ausbildung genossen hatte, begeisterte er seine Arbeitskollegen mit Liedern und legte auf diese Weise den Grundstein für seine spätere Karriere. Als der Vater nach Amerika emigrierte, konnte er seiner Familie aufgrund der finanziellen Situation nur nach und nach die Übersiedlung ermöglichen. Meyerowitz bemühte sich deshalb um weitere Einnahmen und trat mit Liedern des seinerzeit schon berühmten Abraham Goldfaden auf. In Amerika angekommen nahm er zunächst wieder Hilfsarbeiten an, schrieb jedoch alsbald wieder jiddische Parodien und patriotische Texte, die der neuen Heimat huldigten. Als er diese auch öffentlich aufführte, wurde er schnell als »Wanderpoet« bekannt. Mit seinen Liedern sprach er unmittelbar die Gefühle der emigrierten Juden in der »Neuen Welt« an. Die Popularität seiner

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Operetten lässt sich nicht zuletzt daran absehen, dass diese zu seiner Zeit an allen vierzehn Vaudeville-Theatern in New York gespielt wurden. Er starb 1943.

ALEXANDER OLSHANETSKY Der aus Odessa stammende Alexander Olshanetsky wurde bereits in jungen Jahren Geiger des dort ansässigen Opern- und Ballettorchesters. Während des Ersten Weltkrieges diente der 1892 geborene Komponist als Kapellmeister in der kaiserlich-russischen Armee und unternahm mit seiner Kapelle Reisen nach China. In dieser Zeit begann er mit ersten Arbeiten als Komponist und Dirigent für eine jiddische Theatergruppe. Einige Jahre später unternahm er den Schritt der Auswanderung in die Vereinigten Staaten und etablierte sich rasch als einer der führenden Vertreter des jiddischen Theaters. Er schuf eine Vielzahl von Bühnenwerken, die vorwiegend in New Yorker Theatern zur Uraufführung gelangten; daneben war er weiterhin als Dirigent von Unterhaltungsorchestern tätig und war u.a. als musikalischer Direktor für Hotelgruppen verpflichtet. Als er 1946 starb, galt er als einer der einflussreichsten Protagonisten der jiddischen Theaterlandschaft in New York.

JANOT S. ROSKIN Der im Jahr 1886 im heutigen Lettland geborene Komponist und Dirigent Janot S. Roskin trat wesentlich auch als Herausgeber von Werken jüdischer Volksmusik in Erscheinung. Nach seiner Emigration in die USA wirkte er als Musikalischer Direktor des Temple Israel in Boston und des Temple Emanuel in Newton/Massachusetts. Bis zuletzt als Mitglied der Zionist Organization und des Jewish Music Forum New York tätig, starb er 1946 in Indianapolis / Indiana, USA.


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SOLOMON SMULEWITZ Solomon Smulewitz stammte aus einer musikalischen Familie: Sein Vater wirkte als Kantor und nahm den in Pinsk in Belarus aufgewachsenen Jungen bereits mit fünf Jahren in seinen Chor auf. Als sein Vater 1880 starb, war er zwölf Jahre alt und nahm eine Schneiderlehre auf; den Gesang führte er jedoch weiter fort und schloss sich schließlich dem Chor einer jiddischen Theatergruppe an, die ihn jedoch alsbald hinterging. Er lebte daraufhin als Straßensänger und begann mit der Komposition eigener Lieder. Sein Erfolg begann, als er nach Minsk gelangte und dort als Sänger auf Hochzeiten auftrat. Dies führte dazu, dass er auch für andere sogenannte Badchen Lieder verfasste. Wenig später bot sich Smulewitz die Gelegenheit, für die Warschauer Theatergruppe von Shomer zu schreiben, die zu jener Zeit zu den bekanntesten Formationen dieser Art zählte. Mit 23 Jahren konnte er schließlich sein erstes Buch veröffentlichen. Während seiner Zeit in Amerika trat er überwiegend wieder als Sänger auf, gab jedoch auch alljährlich eine Sammlung seiner Lieder heraus und beschäftigte sich mit einer Autobiographie, die er jedoch niemals fertigstellte. Zunächst auch vielfach aufgenommen, verblasste sein Ruhm nur allzu bald; gegen Ende seines Lebens war er nahezu mittellos. Er starb 1943 in New York.

JOSEPH TANZMAN Als Sohn eines Schauspielerehepaars 1886 in Warschau geboren, siedelte Joseph Tanzman mit seinen Eltern bereits im Alter von 3 Jahren in die USA über. Schon in seiner Kindheit und Jugend war sein Leben maßgeblich von Theater und Bühne bestimmt. Neben seinen eigenen Auftritten schrieb er Libretti, Liedtexte und Musik für jiddische Operetten der 1920er-Jahre, darunter Der prager gulm, Der glut, Dos goldene harts und Zise libe. Nicht selten führte er bei den Aufführungen seiner Operetten – in New York, Brownsville oder Newark – Regie und stand dabei selbst im Rollenfach des komischen Buffo auf der Bühne. Am 4. April 1931 starb er 44-jährig in New York.

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HERMAN WOHL Der Komponist Herman Wohl wurde 1877 in Otiny nahe Stanislavov (heute: Ivano-Frankivsk) in Ost-Galizien, in der heutigen Ukraine, geboren. In einem chassidisch geprägten Elternhaus aufgezogen, wurde er ab seinem 9. Lebensjahr von Kantoren musikalisch unterwiesen. Das Chordirigieren, Komponieren und Musizieren in der Synagoge waren von Beginn an wesentliche Bestandteile seines Lebens. Als Zwanzigjähriger kam er in die USA, um dort zu unterrichten. Schon bald begann er sein kompositorisches Talent in den Dienst verschiedener Theatergruppen zu stellen. Häufig im Verbund mit Aaron (Arnold) Perlmutter schrieb er im Verlaufe von fast zwei Jahrzehnten Hunderte von Liedtexten sowie Musik für zahlreiche jiddische Operetten, darunter Bnei Israel, Yakov un Esau, Mezinke, Di Almoneh (The Widow), Di Poylishe Khasene und A mentsh zol men zayn (One should be a decent person). Im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit dem aus Rumänien gebürtigen Joseph Edelstein, einer prägenden Persönlichkeit des jiddischen Theaters in New York, entstanden für das People’s Theatre Stücke wie die musikalische Komödie Gelebt un gelakht, die Operetten Di nakht fun libe, Lebedik un freylekh und viele mehr. Neben seinem nimmermüden Einsatz für das jiddische Theaterleben in New York bildeten seine Kompositionen für die Liturgie und seine Tätigkeit als Chordirektor in der Synagoge – unter anderem im Zusammenwirken mit Yossele Rosenblatt, einem der bekanntesten Kantoren jener Zeit – einen weiteren Schwerpunkt seines musikalischen Wirkens. Er starb 1936 in New York.


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aus dem Lied »Menshenfresser«

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RAHEL (DALIA SCHAECHTER, MITTE) IM KREISE IHRER ›LIEBEN‹ V.L.N.R. MATTHIAS HOFFMANN, CLAUDIA ROHRBACH, DALIA SCHAECHTER, DUSTIN DROSDZIOK, VERENA HIERHOLZER, STEFAN HADŽIĆ


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Ein Geheimnis wird gelüftet:

DAS KNÖDEL-REZEPT VON UR-UROMA RAHEL - DANKENSWERTERWEISE VERMITTELT VON KAMMERSÄNGERIN DALIA SCHAECHTER

MATZE KNEYDELECH ZUTATEN: 7 Matzen 5 Eier 5 Teelöffel Matze-Mehl (gemahlene Matzen) 100 g Margarine Salz und Pfeffer – nach Belieben eine Messerspitze Ingwer und / oder Zimt Die Matzen 10 Minuten lang im Wasser einweichen, etwas wringen und kurz im Fett braten. Eier, Matze-Mehl und Gewürze dazu geben und gut vermischen. Vom Herd nehmen und abkühlen lassen. Es entsteht ein ziemlich feuchter Teig. Ein paar Stunden (mindestens 2,5) im Kühlschrank ruhen lassen. Kneydelech (=Knödel) mit ca. 3 – 4 cm Durchmesser formen. Ein kleiner Tipp: Damit die Hände nicht zu kleben beginnen, sollte man sie immer wieder in kaltes Wasser eintauchen. Die Kneydelech anschließend in siedendem Salzwasser ca. 10 Minuten lang kochen. Ur-Uroma Rahel pflegte die Matze Kneydelech in einer guten Hühner­suppe zu servieren, nach deren Rezept noch gefahndet wird. Fortsetzung folgt!

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SPIELZEIT 2020.21 TEXTNACHWEISE Alle Texte entstanden original für diesen Prospekt.

BILDNACHWEISE › Die Probenfotos von Paul Leclaire entstanden auf der Klavierhauptprobe am 25. Mai 2021 und auf der Orchesterhauptprobe am 01. Juni 2021.

IMPRESSUM HERAUSGEBER Oper Köln INTENDANTIN Dr. Birgit Meyer GESCHÄFTSFÜHRENDER DIREKTOR Patrick Wasserbauer PROBENFOTOS Paul Leclaire REDAKTION Georg Kehren (Mitarbeit: Fabian Oliver Bell) SATZ Alice Roch

WWW.OPER.KOELN



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