Prof. Jan Worst
Erinnerungen an Prof. Jan Worst Im vergangenen Jahr, am 25. September 2015, ist Professor Dr. Jan Gerben Frans Worst, Erfinder der „IRIS-CLAW”Linse, verstorben. Mathijs Deen, ein Journalist, der in den letzten Jahren über eine Vielzahl von möglichen Anwendungen von Prof. Worst´s Linsen in dieser Zeitschrift berichtet hat, ist nach Maastricht gereist. Dort sprach er mit Professor Rudy Nuijts über seine persönlichen Erinnerungen an Jan Worst und dessen Verdienste bei der Entwicklung der Refraktiven Chirurgie. Autor: Mathijs Deen | Übersetzung: C. van de Klashorst
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Fast jeder, der mit Professor Jan Worst gearbeitet hat, ihn kannte oder auch nur beiläufig mit ihm zu tun hatte, hegt besondere Erinnerungen an ihn. Oft sind dies Erinnerungen an ein eigenartiges Erlebnis oder ein ungewöhnliches Gespräch. Und fast immer - auch noch Jahrzehnte später – verursachen diese Erinnerungen strahlende Augen oder zaubern ein Lächeln auf die Gesichter. Als ich selbst, in einem regionalen Radioprogramm von Groningen, ein LiveInterview mit einem guten Bekannten von Jan Worst hatte, kam dieser nach Ablauf der Sendung höchstpersönlich ins Studio. Er brachte ein paar kaum getragene Herrenschuhe mit, da er im Radio gehört hatte, dass mein Gast knapp bei Kasse und sein einziges noch vorhandenes Paar Schuhe zerschlissen war. - Es war Winter. Bei seiner Beisetzung erinnerte sich eine seiner Mitarbeiterinnen daran, wie sie ihm einmal erzählt hat, dass sie, seitdem ihr
neuer Schreibtisch an einer anderen Stelle steht, schon so oft davor gelaufen ist, dass sie bereits blaue Flecke davon hat. Kurz danach nahm Jan Worst von zu Hause eine Säge mit und sägte besagte Ecke des Schreibtischs einfach ab. Problem gelöst. Betrachtet man diese Begebenheiten und versucht zu verstehen, was sie miteinander verbindet, so fallen einem ein paar Eigenschaften ein, die absolut zu Jan Worst gehörten: er war unkonventionell, mit einer, in Bezug auf die Wissenschaft, nicht zu stillenden Neugierde, einfallsreich und abgeneigt gegenüber jeglichem Status und der Vorspiegelung falscher Tatsachen. Er hatte nicht nur eine eindeutige Meinung darüber, wie die Dinge zu geschehen hatten, aber auch ein großes Herz, ein Auge für die Nöte der Menschen um ihn herum, ungeachtet ihres Status, und eine Schwäche für Außenseiter. Deshalb sind die Worst-Anekdoten mehr als nur eine Sammlung seltsamer Begebenheiten. Es sind auch Merkmale einer Begabung und eines Charakters, der unwiderruflich mit seinen wissenschaftlichen Einsichten und Erfolgen verbunden war. Er strebte nach Einfachheit, nach geringstem Einsatz mit größtmöglichem Effekt.
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Pioniere der Augenheilkunde: In Mitte Jan Worst (links) und Harold Ridley
Nuijts fängt an zu lachen, als ob er es noch stets nicht glauben kann. ‘Ich war kaum da’, sagt er: ‘und da saß ich schon und implantierte seine `Iris-claw`-Linse. Vielleicht hatte er gehört, dass ich geschickt war und ich mich darauf verstand. So viel Vertrauen jedoch, das ist beispiellos. Sowas passierte natürlich nirgendwo anders, nur bei Jan Worst.’ Operieren mit bloßen Händen Rechts: der junge Jan Worst
‘Ein Mann mit Leidenschaft, … ein Alleskönner, aufsässig, …ein echter Erfinder…’
Natürlich war er sich seiner unkonventionellen Art sehr wohl bewusst und setzte diese auch gezielt ein. Und es resultierte daraus eine Intraokularlinse, die heute noch genauso bemerkenswert ist wie in dem Moment, als sie von ihm erfunden wurde. Auch Professor Rudy Nuijts, Dozent für Hornhauttransplantation und Refraktive Chirurgie in Maastricht, erinnert sich an solche Momente. Und auch er kann ein Schmunzeln nicht unterdrücken, wenn er daran zurückdenkt. ‘Ich möchte eigentlich zwei Dinge erzählen’, sagt er: ‘beide wichtig für mich und auch typisch für Jan Worst’. Er sucht kurz in seinem Bücherschrank und zeigt mir seine Dissertation, mit auf der Vorderseite einem Foto einer getrübten Hornhaut. ‘Hiermit begann meine Karriere in der Augenheilkunde’, sagt er: ‘eine wissenschaftliche Untersuchung über die Probleme, die bei Operationen im AMC (Amsterdam) entstanden waren; nach dem Gebrauch eines nicht gut gereinigten Instruments waren die Hornhäute trübe
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geworden. Kurze Zeit später kam ich auf einen Kongress, auf dem Worst auch war. Ich war noch ein Neuling in der Augenheilkunde, wollte Eindrücke sammeln, aber er kam einfach auf mich zu und sagte: ‘Ich habe gelesen was Sie gemacht haben und es gefällt mir.’ Nuijts wird eben still, um das Besondere an diesem Moment hervorzuheben und erklärt dann, warum es ihm damals so viel bedeutete. ‘Ungeachtet der Person, Herkunft oder Titel, war er interessiert an dem was andere machten. Und man darf nicht vergessen, dass er – vor allem für junge Augenärzte- ein sehr imponierender Mann sein konnte. Denn wenn er mit dir nicht einer Meinung war, brauchte es schon sehr viel Mut, um ihm deine Ansicht darzulegen. Aber mir gegenüber zeigte er aufrechtes Interesse, er wollte mit mir über Sterilisation und Reinigungsmaßnamen sprechen. Wenn man als junger Wissenschaftler solche Aufmerksamkeit erhält, dann hat das viel zu bedeuten. Es verbindet.’ Die andere Begebenheit, an die sich Nuijts erinnert, war während seines Studiums in Rotterdam. Er kam zu Jan Worst, um diesen bei seiner Arbeit zu zusehen. Doch wie sich schnell herausstellte, sollte es ganz anders kommen. ‘Er war am Operieren, sah auf, machte Platz und sagte: Wasch mal deine Hände und setz dich hin.’
Er schüttelt den Kopf. ‘Und man kann dazu sagen: Geht das denn? Ist das zu verantworten? Aber mit seiner Denkweise wollte er anderen ständig etwas beibringen und seine grenzenlose Begeisterung weitergeben. Heute würde man sagen: ‘Er war passioniert.’ Über Worst`s Platz in der Ophthalmologie kann man unmöglich reden, ohne die Idee einer, an der Regenbogenhaut befestigten, Kunststofflinse anzusprechen. Die Inspiration, eine ‘Iris-claw’ Linse zu entwickeln - was Nuijts eine ‘exzellente Idee’ nennt – entsprang dem Kopf eines klassischen Erfinders. Er breitet seine Hände aus und umreißt die Augenheilkunde als eine Organisation. ‘Er war der Mann mit den großen Ideen’, sagt er: ‘die werden in einer Organisation dringend gebraucht. Daneben hat man Personen, die diese Ideen ausführen und schließlich jene, die sie umsetzen können. Jan Worst stand am Anfang dieser Reihe. Das war seine große Leistung. Er beschritt neue Wege.
Betrachtet man die damalige Zeit, in einer Generation mit Harold Ridley und Cornelius Binkhorst, wird schnell deutlich, dass Beharrlichkeit und der Glaube an die eigene Idee für Jan Worst unerlässlich waren, um überhaupt etwas erreichen zu können. ‘Das waren Menschen, mit der Fähigkeit, gegen den Strom zu schwimmen’, sagt Nuijts. ‘Auch in den Niederlanden bekamen Binkhorst und Worst von etablierten Augenärzten oft zu hören, dass das, was sie sich vorstellten – eine Kunststofflinse im Auge eine dauerhafte Schädigung der Hornhaut auslösen würde. Augenärzte, die auf Jahresversammlungen den anwesenden Ärzten dringend davon abrieten, den Ideen von Worst und Binkhorst zu folgen. So war das. Und dann hilft es von seiner eigenen Idee absolut überzeugt zu sein, weil man gesehen hat, dass es funktioniert. Er dachte dann wahrscheinlich: ‘Aber seht ihr denn nicht, was wir damit erreichen können?’ Dieser Gedanke stärkte das Zusammengehörigkeitsgefühl des Clubs von Pionieren, zu denen er gehörte. Sie unterstützten sich gegenseitig in ihrer Idee: es muss doch gehen, auf die eine oder andere Weise. So war Jan Worst auch. Und er hat es geschafft.’ Wie würden Sie die Person Jan Worst in ein paar Sätzen zusammenfassen? ‘Ein Mann mit einer enormen Leidenschaft für sein Fach, ehrlich interessiert an der Arbeit anderer, enorm belesen, ein Alleskönner, aufsässig, ein echter Erfinder und Erneuerer und ein…’, er zögert eben und sagt es dann doch ‘… echter Daniel Düsentrieb*, aber dann wohl ein sehr intelligenter Daniel Düsentrieb.’ Und dann fällt ihm noch ein: ‘Und, oh ja, ein fesselnder Erzähler. Obwohl er auch, wenn es ging, Spaß daran hatte, anderen etwas weis zu machen.’ Und es erscheint wieder ein Schmunzeln, wie so oft, wenn Menschen an Jan Worst zurückdenken. *Figur aus Donald Duck (Erfinder mit brillanten Ideen)
Jan Worst Vorlesung
Zum Gedenken an Jan Worst wird jährlich ein „Jan Worst Lecture“ während dem NIOIC/NGRC Symposium stattfinden. Dieser Vortrag wird von einem jungen Augenarzt mit besonderen Methoden, gehalten. Die erste Jan Worst Lesung war am 28. November 2015 in Amsterdam.
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