Mariphasa kritik [de]

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Mariphasa – Kritik critic.de/film/mariphasa-11714

Kritik Bilder Schwer greifbar, schwer ergreifend: Sandro Aguilar zieht uns in Mariphasa in eine schemenhafte Unterwelt, in der alles hart ist und die Tonspur kein Erbarmen kennt. Regentropfen fallen auf geschwollene Hände, im Halbschatten, oder irgendein anderes Wasser, das von da oben in unsere Kellerwelt fällt. Tropfen, die hart sind und laut, nicht einmal Wasser kann diesen Film aus Stahl weicher machen. Ein Mann mit Bart, eher Unkraut als Hecke, ist am Anfang von Sandro Aguilars Mariphasa hier hinuntergegangen, von einem Job war die Rede. Ein Auto ohne Kontext wurde dann bald von einer Eisenstange malträtiert, Scheibe für Scheibe. Zwischendrin kurz heftiger Sex. Irgendwann immerhin die Schemen einer Wohnung, aus dem Off ein heftiges Bellen, ein Hund umstellt den Bildkader, muss schon in ihn hineingezerrt, um beruhigt zu werden. Später mischen Hände auf einem Tisch Scherben ins Futter, der Napf wird sodann mit stoischer Ruhe weggetragen, wie bei Hitchcock das Milchglas. Immerzu ein Dröhnen, finstere Blicke, manchmal nur ein einzelnes Auge im Licht, und dann sehen selbst die Menschen aus wie Tiere. „Ich bin an der Reptiliensektion wohl schon vorbeigelaufen“, vermutet gegen Ende einer, der sich verlaufen hat. Ich bin da nicht so sicher. Skulpturen vor Tod oder Geburt Eine kleine Tochter ist gestorben, so viel steht fest, aber viel mehr auch nicht. Fest stehen nur die Stahlträger einer diffusen Unterwelt, die mit Licht eher sporadisch erschlossen werden kann, mit Taschenlampenweiß oder Laternengold oder, seltener, mit ein bisschen Tag. Da sind schon Frauen und Geliebte im Bild, ein kleiner Junge, und von Dieben ist die Rede, aber am Ende eines langen Festivaltages bemühe ich mich kaum noch, Gesichter auseinanderzuhalten, Figuren zu folgen, und ich finde in Mariphasa einen Bruder im Geiste, dem das auch eher schwerfällt. Skulpturen sind das ja mehr denn Figuren, die da so halbwegs beleuchtet werden, die entweder um ihre bevorstehende Geburt oder gegen ihren bevorstehenden Tod kämpfen. Es gibt zwar Messer, und wenn dann mal mehrere menschliche Körper im Bild sind, dann geht es auch immer rau zu, aber die Gewalt bleibt implizit und untergründig, verbirgt sich eher im ständigen Klacken, Dröhnen, Scheppern auf der Tonspur, als dass sie als Schock im Bild hergestellt würde. Wie kann ein Film auch schockieren, der von Anfang an unter Schock steht, wie noch erstarren, wenn von Anfang an alles starr ist? Innerer Widerstand 1/2


Mariphasa ist schwer greifbar, und genau so will er sein. Und doch ist er sperrig nicht aus bloßem Kunstwillen, sondern weil sich da wirklich etwas in den Bildern zu sperren scheint; verweigert er Erklärungen nicht aus Eitelkeit, sondern weil sich ihm da wirklich nicht viel erklärt; ist er langsam nicht aus Freude am Verzögern, sondern weil er sich wirklich konzentrieren muss, um überhaupt mal Dinge ins Licht zu rücken. Von den Dingen und vom rechten Licht kann gar nicht erst die Rede sein. Vielleicht ein Albtraum, vielleicht ein Gangsterfilm ohne Plot, vielleicht ein Ehedrama ohne Ventil, vielleicht ein tiefes schwarzes Loch nach dem Verlust einer Tochter. Tolle Schlussbilder jedenfalls, mit toller Musik. Wie passend, dass mir der Titel dieses Films immer wieder aufs Neue entfällt. „Mataphana“ steht in meinem Block gekritzelt, „Maphanaga“ heißt dieses Word-Dokument. Mariphasa heißt dieser Film. Schwer greifbar, wie gesagt.

Bilder zu „Mariphasa“

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