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CAVE IN
from FUZE.94
Foto: Jay Zucco
SELBSTREFLEXION VOM KÜNSTLER ZUM PUBLIKUM. Das Pendel schwingt bei CAVE IN weder gleichbleibend noch in einer dafür vorhergesehenen Bahn. Das Bostoner Quartett präsentiert sich auf seinem neuen Album suchend und setzt ausnahmslos spannende Tracks, die nicht so leicht zu fassen sind. Die Qualität von „Heavy Pendulum“ liegt darin, dass man schnell Zugang findet, aber doch nichts so ist, wie es auf den ersten Eindruck scheint.
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Ich denke, CAVE IN sind auf der Suche nach einer eigenen musikalischen Identität, seit wir die Band gegründet haben“, mutmaßt Frontmann und Gitarrist Stephen Brodsky. „Wir sind auf unserem Weg über verschiedene Variationen gestolpert. Ein konstanter Schritt, den wir gemacht haben, ist, uns auf die Stärken zu konzentrieren, die uns von unseren Zeitgenossen unterscheiden. Nach 25 Jahren fühlen wir uns in dieser Rolle ziemlich wohl, und das ist ein Teil dessen, was uns an der Arbeit mit der Band reizt.“ Der Aspekt der engen Gemeinschaft ist da aber auch noch. „Wir sind über die Jahre hinweg enge Freunde geblieben, auch wenn wir gerade nicht zusammen Musik gemacht haben“, ergänzt Gitarrist Adam McGrath. „Schlagzeuger JohnRobert Conners, Steve und ich kennen uns seit der Mittelschule, also gibt es eine unantastbare Chemie, die nie schwanken wird. Unseren Bassisten Nate Newton kennen wir seit der Highschool. Wir alle haben echtes Vertrauen zu- und ineinander und schätzen, was jeder Einzelne einbringt. Da wir so viele Kilometer hinter uns haben, kann die Band in einer sehr offenen und ehrlichen Atmosphäre zusammenarbeiten.“
Die Arbeitsweise von CAVE IN hat sich aller stilistischen Verschiebungen zum Trotz dem Grunde nach nie verändert: „Wenn es um das Schreiben von Songs geht, möchte ich mich immer im Publikum sehen können“, führt Stephen an. „Es ist diese Selbstreflexion vom Künstler zum Publikum, die für mich wirklich wichtig ist, was die Qualitätskontrolle anbelangt. Beim Schreiben von ‚Heavy Pendulum‘ gab es so viel Material, dass ich es nicht für nötig hielt, etwas zu erzwingen, das diesem Standard nicht entsprach. Und zum Glück ist weniger auf dem Boden des Schneideraums gelandet als auf dem Album.“ Die Musiker wissen ja auch, worauf sie aus sind: „Ich glaube nicht, dass wir den Sound der Band zu diesem Zeitpunkt neu erfinden, sondern immer unsere stärkste kreative Arbeit herausbringen wollen“, überlegt Adam. „Wir haben uns über die Jahre eine Identität erarbeitet und wollen uns auf unsere Stärken konzentrieren, die uns von anderen Bands abheben. Die Arbeit an diesem Album begann, als Steve während der Pandemie einen Stapel Demos in der Gruppe verteilte. Sobald wir besprochen hatten, auf welche Songs wir uns konzentrieren wollten, gingen wir in unseren Proberaum und hämmerten sie heraus.“ Verglichen mit ihrem 1998er Referenzwerk „Until Your Heart Stops“ mutet „Heavy Pendulum“ in Teilen zahm an. Anspruch und Komplexität bietet aber natürlich auch das siebte Album der Band-Historie: „Der technische Aspekt ist definitiv etwas, das ich versuche, im Auge zu behalten“, erwidert Frontmann Stephen. „Ein Song sollte beim Spielen genauso viel Spaß machen wie beim Zuhören.
Bei uns gab es Zeiten, in denen ich das Gefühl hatte, dass die technischen Aspekte beim Spielen eines Songs den Spaß an der Sache beeinträchtigen. Aber auch das Gegenteil ist der Fall: Ein Song, der zu sehr vereinfacht ist, kann meine Aufmerksamkeit nicht halten. Es ist eine interessante Gratwanderung.“ Der Spaß am Experimentieren geht dem Quartett nicht verloren. Gitarrist Adam hebt vor allem ein Stück hervor und schließt sogleich Wünsche für die Zukunft an: „Der Song ,Searchers of hell‘ begann mit einem unangenehmen, experimentellen Bassriff und Gefühl. Am Ende wurde er aber einer der einzigartigsten und mitreißendsten HeavyTracks auf der Platte. Was zukünftige Unternehmungen angeht, suche ich immer nach Möglichkeiten für die Band, akustische Sets in voller Lautstärke zu spielen. Steve und ich hatten über die Jahre hinweg einen Riesenspaß dabei, akustische elektrische Sets zu spielen. Es wäre großartig, wenn JR und Nate mit uns verschiedene Möglichkeiten erkunden würden, die Songs von CAVE IN akustisch zu spielen.“
Die übergeordnet homogene Anmutung des RelapseEinstands der Bostoner geht schließlich auch auf gemeinsame Live-Erlebnisse zurück: „Bevor wir mit den Arbeiten an ‚Heavy Pendulum‘ begannen, hatte die Band gerade die Tournee für das vorherige Album ‚Final Transmission‘ beendet. Wir kamen von der Tour und wussten, was auf der Bühne funktioniert und was nicht. So konnten wir diese Energie von den Konzerten direkt in etwas Neues einfließen lassen und waren bereits in Kontakt mit dem Besten, was wir musikalisch zu bieten haben. Das ist ein guter Ausgangspunkt, um Musik zu schreiben.“ Die Musiker hatten Blut geleckt: „CAVE IN haben schon lange nicht mehr so konzentriert und fokussiert an einem Album gearbeitet“, stellt der Frontmann im Rückblick fest. „Ich hatte das Gefühl, dass es für die Band wichtig war, auf diese Art und Weise zu arbeiten, um ein Statement abzugeben, das mit unseren früheren, von den Leuten hochgeschätzten Alben mithalten kann. Die Pandemie war insofern ein Silberstreif am Horizont, als dass nichts in unseren Kalendern stand, was uns vom Schreiben abgehalten hätte. Seit ‚White Silence‘ waren wir wahrscheinlich am kreativsten; vor allem was die Texte angeht.“ In Anbetracht des beeindruckenden Backkatalogs der Gruppe sollte diese Aussage hellhörig machen: „Ich finde es gut, dass CAVE IN ein Beispiel für die kreativen Möglichkeiten unter dem Dach des Rock’n’Roll für Künstler und Hörer gleichermaßen sind“, freut sich Adam. „Normalerweise sind wir ziemlich offen, was unsere Einflüsse angeht. Wenn man genau hinhört, kann man sie heraushören. Wir scheuen uns auch nicht, sie in der Öffentlichkeit zu nennen. Wir alle sind große Musikfans aus verschiedenen Genres und Generationen und für mich spiegelt das Hörerlebnis bei CAVE IN genau das wider. Ich denke auch, dass unser Katalog über die Jahre hinweg so viel Abwechslung und Nuancen bietet, dass sich nichts wirklich wie ein Risiko anfühlt. Wenn du jetzt weißt, wer unsere Band ist, dann weißt du wahrscheinlich, worauf du dich einlässt.“ Arne Kupetz