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RXPTRS
from FUZE.94
SOBALD MAN SICH MIT EINEM SOUND ZUFRIEDENGIBT, IST DAS DER ANFANG VOM ENDE. ICH HABE SCHON IMMER BANDS BEWUNDERT, DIE SICH KONTINUIERLICH WEITERENTWICKELN.
Foto: Nathan Roach
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KEINE ZEIT FÜR REUE. „Living Without Death’s Permission“ ist ein Plädoyer dafür, das Leben auszukosten und das zu tun, was man will oder einem wichtig ist. Die bestärkende Botschaft wird musikalisch durch einen animierenden Mix aus Alternative Rock, Punk, Hardcore und Metal unterlegt.
RXPTRS sind eine Gruppe langjähriger Freunde, die alle in Bristol leben“, stellt Frontmann Simon Roach seine Band vor, um dann den Hintergrund der Namenswahl aufzulösen. „Wir alle sind aus verschiedenen Gründen nach Bristol gezogen, kommen aber eigentlich aus dem ganzen Vereinigten Königreich. Wir kennen uns schon seit Jahren, schon lange bevor RXPTRS überhaupt gegründet wurde. Jedes der Mitglieder hat schon mit anderen in Projekten zusammengearbeitet. 2018 haben wir dann gemeinschaftlich beschlossen, zusammenzukommen und etwas Neues zu beginnen. Wir wussten, dass die Chemie zwischen uns stimmt, und fühlten uns wie ein Rudel. Dann kam uns der Begriff ‚Raptors‘ in den Sinn. Das wurde zu unserer Mentalität. Eine Gemeinschaft. Kein Bullshit. Brutale Ehrlichkeit, auch wenn die Wahrheit unangenehm ist. Das ist etwas, was wir in allen Bereichen berücksichtigen. Besonders beim Songschreiben. Einige von uns wohnen sogar zusammen, so dass wir, als die Pandemie ausbrach, viel Zeit hatten, im RXPTRS-Block zu sitzen und Musik zu machen. Wir haben es geschafft, die schreckliche Situation in etwas Positives umzuwandeln, indem wir das Album geschrieben und die Zeit genutzt haben, über alles nachzudenken, was wir aufnehmen wollten.“ Die musikalisch breite Anlage des Debüts ist kein Zufall. „An RXPTRS sind wir mit der Mentalität ‚Nichts ist vom Tisch‘ herangegangen“, stellt Simon klar. „Wir alle haben früher in Bands gespielt, die spezifische Genres verfolgten und wo wir das Gefühl hatten, dass wir auf eine bestimmte Art und Weise zu schreiben hatten. Als wir bei RXPTRS mit einer leeren Tafel antraten, dachten wir, wir können alles in den Mix werfen. Es war keine super bewusste Anstrengung, nicht wie etwas zu klingen, was wir schon gemacht haben. Wir haben einfach die Straßenkarte weggeworfen und beschlossen, herauszufinden, wo wir landen.“ Das Debüt dient der ersten Standortbestimmung, ist aber nicht mehr als eine Zwischenetappe: „Ich habe zu hundert Prozent das Gefühl, dass wir uns weiterentwickeln werden“, gibt sich der Frontmann überzeugt. „Jeder Song klingt wie RXPTRS. Aber jeder Song kommt von einem anderen Ort, mit eigenen Einflüssen. Ich glaube nicht, dass es eine klare Richtung gibt, in die wir uns bewegen. Wir diskutieren und experimentieren ständig mit verschiedenen Stilen und Ideen. Für uns ist das erst der Anfang. Wir haben eine Menge zu sagen und werden wie ein Moloch weitermachen, bis wir alles gesagt und getan haben. Wir sind große Musikfans und haben vielfältige Einflüsse aus der reichen Geschichte der Rockmusik. All diese Einflüsse tragen wir in unseren Herzen und weben sie in unseren Sound ein. Wir schrecken nicht davor zurück und referenzieren so viel wie möglich. Es gibt so viel Musik, die uns geprägt hat. Wir wollen jeden Teil davon nutzen, um einen Sound zu kreieren, der ganz und gar unser eigener ist.“ Simon Roach und die übrigen Musiker wissen, dass sie in die Vollen gehen müssen: „Der Titel ‚Living Without Death’s Permission‘ ist die Einstellung, nach der ich lebe“, erzählt der Frontmann. „Vor einigen Jahren wäre ich bei einem Autounfall fast enthauptet worden. Seitdem hat sich meine Sicht auf das Leben völlig verändert. Ich habe nicht vor, meine Zunge zu hüten. Ich nenne die Dinge beim Namen. Dieses Erlebnis hat mich dazu gebracht, mehr sehen und tun zu wollen, denn das Leben kann einem jederzeit genommen werden. Es gibt keine Zeit für Reue, Zurückhaltung oder dafür, dass man nicht tut, was man liebt, mit denen, die man liebt.“
Die Briten gehen an jedes ihrer Stücke anders heran: „Bevor wir mit einem Song beginnen, denken wir zuerst über die Stimmung oder das Thema nach“, erklärt Simon die Arbeitsweise von RXPTRS. „Wenn wir uns darüber klar sind, wovon oder worüber wir sprechen, hilft das, den Song zu entschlüsseln und das musikalische Porträt zu zeichnen. Jeder Song auf dem Album ist persönlich und wurde in einer Zeit geschrieben, in der wir sehr intensiv gefühlt haben. Das Album zeigt die ganze Bandbreite dessen, was wir durchgemacht haben.“ Musikalisch geht es entsprechend unterschiedlich zu: „Auf jeden Fall“, stimmt der Sänger zu. „Um die Emotionen darzustellen, die wir mit den Songs verbinden wollten, konnten wir nur in andere Stile eintauchen. Wenn wir Chaos ausdrücken wollten, haben wir einen Rock’n’Roll/Hardcore-Stil verwendet. Waren wir wütend, haben wir uns für Metal entschieden. Hatten wir eher melancholische Gefühle, haben wir den Song auf seinen Kern reduziert und verlangsamt. Dieser Prozess war für uns sehr wichtig. Wir wollten, dass sich das Album so unverfälscht wie möglich anfühlt. Das bedeutete, dass wir den Sound und die Stimmung eines jeden Songs wirklich berücksichtigen mussten.“ Um das gewünschte Ergebnis zu erreichen, lernen RXPTRS von den Besten: „Wir neigen nicht dazu, bei den Arrangements zu viel über Komplexität oder Einfachheit nachzudenken“, gibt Simon zu. „Es gibt genug Bands, die sich vorgenommen haben, so komplex oder schwer wie möglich zu sein, und das mit einer solchen Präzision, dass es trotzdem eingängig bleibt. Bands wie EVERY TIME I DIE, PERIPHERY, THE DILLINGER ESCAPE PLAN und THE DEAR HUNTER ist es gelungen, komplexe Arrangements zu schaffen, ohne dabei die Melodie oder den Song selbst zu opfern. Also lassen wir uns von ihnen als Songwriter und Geschichtenerzähler beeinflussen, die zufällig auch unglaubliche Musiker sind. Wenn ein Teil eines Songs nach technischem Können oder Härte verlangt, dann schrecken wir nicht davor zurück. Fordert uns ein anderer Song auf, etwas Einfaches, aber Dynamisches zu schreiben, dann machen wir das. Wir legen keine Regeln dafür fest, was RXPTRS klanglich ausmacht. Es ist sehr befreiend, uns von Song zu Song so ausdrücken zu können, wie wir es wollen.“ Arne Kupetz