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Martin OM 42 Martin OM 42 Von Franz Holtmann
Ach, manchmal ist das Leben doch schön. Gerade noch wollte sich Lust auf so gut wie gar nichts einstellen, und dann kommt da so ein Koffer ins Haus, und ich kann das Licht wieder ausmachen, denn die Sonne geht auf. Wäre da nicht die Preiswolke am Horizont, könnte die Freude rein und ungetrübt
Optimal für das „Fingerstyle“Spiel: die Form der OM 42
sein – wir gucken da aber einfach nicht hin und überlassen uns ganz dem vergänglichen Vergnügen an prächtigen Dingen.
Konstruktion
Das vorliegende Modell OM-42 befindet sich nun im regulären Programm von Martin und ist so eng mit der seit 1977 in kleinen Zahlen (kein Wunder, wir befinden uns schließlich in der Luxusabteilung) wieder erhältlichen OM-45 verwandt, dass ich selbst gespannt bin, ob ich überhaupt Unterschiede finde. Von den Massen her ist der 15“-Korpus, wie schon angedeutet, ebenfalls mit der 000 identisch, trägt aber ansonsten alle Merkmale der Top-of-the-Line-Modelle: also augenfällig schillerndes Abalone an allen nur möglichen Stellen, aber bitte: geschmackvoll. Nicht, dass Abalone klingen würde, aber schließlich „isst“ das Auge ja auch mit. Guten Klang allerdings verspricht die Decke der OM-42, die aus wunderbar dicht und gleichmäßig gewachsener Fichte besteht. Gute Querverwebungen in der Holzstruktur deuten auf eine gute Festigkeit des Materials, das von einem speziellen „scalloped X-Bracing“ getragen wird. Ostindischer Palisander von gleichfalls hoher Qualität und attraktivem Wuchs bildet den Korpus. Über eine „Mosaic“ genannte Zierfuge, die sich auch bei den „Style 45“-Gitarren findet, teilt sich der leicht gewölbte Boden. Die Zargenränder sind allseitig mit einem Binding aus „Grained Ivoroid“ abgeschlossen, einem Kunststoff also, der dem Elfenbein nachgebildet ist. Ein Abalone-Ring läuft deckenseitig rund um
Fotos (3): Richter
G
anze zwei Stück von der OM 42 wur den im Jahr 1930 hergestellt, und auch von dem Schwestermodell OM 45 gibt es nur ganz selten einmal ein gut erhaltenes Exemplar zu sehen. So gehören die außergewöhnlichen Instrumente denn auch zu den begehrtesten Museumsstücken der frühen amerikanischen Gitarrengeschichte, sind so gut wie nicht mehr zu bekommen – und wenn überhaupt, dann ist der Preis fast schon „stradivarisch“. Wie schön also, dass es wenigstens gute Replikas dieser heute zu Recht wieder sehr in Mode gekommenen OM-Reihe gibt.
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den Korpus und umschließt auch das bis zum Schallloch vordringende obere Griffbrett. Abalone lacht weiterhin aus der Schalllochrosette und schmückt als „Snowflake Inlay“ die Brücke; selbst die Augen der Pins blitzen den Betrachter an. Ein kleines Tortoise-Pickguard in Tropfenform schützt die Decke vor Verletzungen mit Picks oder Plektrum. Der Hals verdient besondere Erwähnung in mehrfacher Hinsicht: Zunächst einmal ist die vorgefundene Mahagoniqualität superb, dann wirbt ein flaches, gar nicht mal so schlankes, aber wunderbar weich ausgeformtes D-Profil um Aufmerksamkeit, die allerdings zunächst von der optischen Pracht des eingebundenen rabenschwarzen Ebenholzgriffbretts mit verschiedenen flockigen Abalone-Einlagen in Anspruch genommen wird. Diese Schneeflocken sind in den Standardserien allein der OM-42 vorbehalten. Da ich – was Wunder – noch nie ein originales Modell gesehen habe, muss ich der Literatur glauben, die da sagt: 1930 wurden zwar auch Snowflakes in das Griffbrett eingelegt, allerdings erst ab dem fünften Bund. So entspricht das vorliegende Einlegemuster also exakt dem frühen OM45-Modell. Das ist kein Schaden, sondern mutet eher prunkvoll an. Gleiches lässt sich über die ebenfalls eingebundene und auf Palisandergrund mit dem vertikalen CF-MartinLogo aus ... ja klar: Abalone ausgestattete Kopfplatte sagen. Die ist, nebenbei bemerkt,
Spiel- und Klangeigenschaften
Einmal davon abgesehen, dass es den „richtigen“ Hals immer nur in subjektiver Abhängigkeit zum Spieler und der jeweils praktizierten Stilistik und Spieltechnik gibt, findet man gelegentlich einen Hals, der auf eine geheimnisvolle Weise besser funktioniert als andere. Die OM 42 verfügt über einen derart ausgewogenen Hals. Obwohl er eigentlich meinen persönlichen Vorlieben nicht ganz entspricht, fühlt er sich auf Anhieb wunderbar an. Die Halsbreite von 45 mm lässt guten Raum für die Fingerplatzierung, gibt der linken Hand jedoch dank eines sanft gerundeten Profils das Gefühl von Bequemlichkeit. Obwohl relativ flach im Rücken, hat der Hals dem Daumen doch ausreichend Widerstand zu bieten, so dass weder beim Melodiespiel noch in verschiedenen Akkordtechniken Probleme entstehen. Selbst das „Daumen greift Bass“-Spiel ist dank eines eleganten Übergangs in die Griffbrettebene ohne das Gefühl von Kante möglich. Wer also einen altmodisch dicken Hals erwartet hat, der wird
gründlich enttäuscht – dieser hier ist eigentlich eher ein sehr moderner Hals, was immer das auch bedeuten mag. Da hilft grundsätzlich nur: selbst Hand anlegen. Das Griffbrett mit seinem flachen Radius bietet wunderbaren Spielraum für die Finger. Bei tief eingestellter Saitenlage kommt schnell Freude auf, da auch in den hohen Lagen mühelos und kräftig Melodie gespielt werden kann, ohne dass die Saiten nennenswerte Nebengeräusche erzeugen. Das klangliche Bild entspricht im Grunde der optischen Ausstattung der OM: Es ist üppig und prachtvoll. Im Einzelnen sind da die vollen und weichen Bässe zu nennen, die sich gleichzeitig durch stramme Kontur und reiches Oberton-Ambiente auszeichnen. Ein dichter, ausgeprägter Mittenbereich sorgt für Wärme und Fülle, die ihren Ausgleich in kräftigen, runden Höhen finden. Diese kompakten Höhen geben dem Instrument große Eleganz und einen stattlichen Ton, der sich für ausdrucksstarkes Melodiespiel empfiehlt. Auch im oberen Halsbereich verliert es nicht an Kraft und Ausdauer, hat Atem und Klasse. Insgesamt ist der einzelne Ton mit viel Substanz und Größe ausgestattet, was die Frage nach Akkord- und Begleittechniken aufwirft. Obwohl auch mit dem Plektrum gespielt ganz hervorragende klangliche Ergebnisse zu erzielen sind, muss auf die Opulenz der Klangsumme Rücksicht genommen werden – d.h. ein Zuviel an Aktion schlägt sich in einem Zuviel an Klang nieder, was in Überlagerungen zum Ausdruck kommt. Das ist nicht besonders überraschend, denn ein gutes Instrument verlangt auch immer nach einer guten Spieltechnik, und da ist oft weniger mehr. Die gute Artikulation der einzelnen Saiten kommt beim „Fingerstyle“-Spiel optimal zum Tragen, da aufgelöste Klänge sehr leicht und
Technische Daten
Technische Daten mit der bekannten kleinen Nase auf der Rückseite gegen Bruchempfindlichkeit im Sattelbereich verstärkt. Ebenfalls „de luxe“ sind die vergoldeten offenen „Butterbean Tuners“, die nach der bohnenähnlichen Form dieser historisch nachgebildeten Stimmwirbel benannt sind und nicht nur die Wertigkeit des Instruments unterstreichen, sondern auch noch hervorragend arbeiten – was sonst? Die schlanken 20 Bünde sind bestmöglich bearbeitet und poliert, Sattel und Stegeinlage zeigen saubere und detailgenaue Anpassung. Eine perfekte hochglänzende Lackierung mit leichtem Vintage-Toner für die Decke schließt die sehr guten handwerklichen Leistungen mit Nachdruck ab.
Herkunft USA Typ OM („Orchestra Model“) Decke Fichte Korpus ostindischer Palisander Bindings Kunststoff („grained ivoroid“) Hals Mahagoni, einteilig Halsprofil flaches, rundes „D“ Griffbrett Ebenholz, gebunden Anzahl der Bünde 20 Hals-Korpus-Übergang 14. Bund Halsbreite Sattel 45 mm Halsbreite 12. Bund 55 mm Steg Ebenholz mit „Snowflake Inlays“ Mechaniken vergoldete „Butterbean Tuners“ Mensur 64,5 cm Besonderheiten Abalone-Einlagen im Korpus („Style 45“), „Snowflakes“ im Griffbrett, vertikales CF-Martin-Logo, „Mosaic“ Bodeneinlage („Style 45“) Preis ca. 11.200,- DM inkl. Luxusetui
mit viel Dynamik ins Leben gerufen werden können. Das farbenreiche, vor Obertönen nur so strotzende Klangbild eignet sich mithin besonders gut für klangorientiertes Spiel, das den langen, glatten Abklang und die gute stimmliche Trennung der einzelnen Saiten auszunutzen in der Lage ist.
Fazit
Martin lässt sich das Heft nicht so schnell aus der Hand nehmen. Mit dem Reissue seiner OM 42 zeigt die Traditionsfirma – wie schon bei anderen Neuveröffentlichungen der eigenen Klassiker – dass sie immer noch zu den führenden Manufakturen zu zählen ist. Reiches tonliches Ambiente, ein wunderbarer Hals, hervorragende Bespielbarkeit und bestes detailgenaues Handwerk – das gibt diesem Traum von Gitarre Leben. Das „Orchestra“-Modell entspricht wohl mit dem schmalen Korpus, den reichen Einlegearbeiten und seinen üppigen Klangfarben nicht unbedingt jedermanns Geschmack und jeder Stilistik, muss doch die Klangfülle spieltechnisch auch entsprechend umgesetzt werden. Der Kenner und Liebhaber jedoch findet in der OM 42 das Referenz-Instrument dieser Gattung. Punkt!
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