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INNOVATION Wenn eine Brille den Rollstuhl steuert
from Paraplegie Juni 2022
by paranet
Joystick am Kopf
Den Elektrorollstuhl mit einer Brille steuern, von einem verblüffenden Zuggerät profitieren: Orthotec sucht ständig Verbesserungen, die das Leben leichter machen.
Ein Elektrorollstuhl lässt sich mit einem Joystick fortbewegen. Was aber machen Tetraplegiker, deren Handfunktion nicht mehr vorhanden ist? Die Lösung ist die Steuerung per Kopf. Orthotec bietet neu eine besonders innovative Variante an. Die Tochtergesellschaft der Schweizer Paraplegiker-Stiftung sucht ständig Neuentwicklungen, um das Leben von Menschen mit Querschnittlähmung zu vereinfachen.
Nicken signalisiert: losfahren
Diese Neuheit funktioniert über eine Brille, die die Bewegungen des Kopfes in Steuersignale für den Elektrorollstuhl umwandelt. Ein leichtes Nicken signalisiert: losfahren. Nach rechts, nach links, rückwärts oder bremsen – alles geschieht ohne Hände. Bei Bedarf wird die Steuerung per Anweisung unterstützt. Das heisst: Eine Stimme erklärt den Benutzenden das Vorgehen.
Die Kopfsteuerung ermöglicht hochgelähmten Menschen die selbstständige Mobilität. Dazu müssen sie ihren Kopf mindestens zwei Zentimeter in jede Richtung bewegen können. Wer mit einem solchen Hilfsmittel ausgestattet wird, absolviert vor dem Einsatz eine «Fahrschule» unter Anleitung der Experten in Nottwil. «Das Fahren und Bedienen kann zu Beginn komplex erscheinen», sagt Guido Bienz, Hilfsmittelberater bei der Orthotec. «Aber mit etwas Übung bekommt man das sehr schnell in den Griff.»
In den vergangenen vier Jahren wurde die Software der Brille kontinuierlich verfeinert und im Herbst 2021 wurde der erste Kunde damit ausgestattet. In die Kopfsteuerung, die rund 9000 Franken kostet, ist zudem eine Kamera integriert, mit der die Nutzenden fotografieren und so ihre Eindrücke von unterwegs mit anderen Menschen teilen können.
Detaillierte Abklärung
Rollstuhlberater Guido Bienz testet mit einem Patienten die Kopfsteuerung per Brille. Ebenfalls neu im Angebot: das dynamische Zuggerät (r.).
Zuggerät garantiert Dynamik
Und noch eine Neuheit hat Orthotec entdeckt: ein elektrisches Zuggerät («Töffli), das die Fachwelt begeistert. Es gilt als das derzeit innovativste Zugsystem für den manuellen Rollstuhl. «Paws» (Pfoten) heisst das Gerät und bietet Dynamik und hohe Mobilität. Seine Höchstgeschwindigkeit beträgt die in der Schweiz erlaubten fünfzehn Stundenkilometer.
Das Andocken klappt mühelos mit automatischen Klemmen: den Rollstuhl in die Klemmen rollen, eine Taste betätigen – und schon kann es losgehen. Gelenkt wird das Zuggerät entweder mit der Standardsteuerung oder einer Steuerung für Tetraplegiker. Diese ist so konzipiert, dass auch mit verminderter Kraft im Oberkörper mühelos gefahren werden kann, wobei die Nutzenden die volle Kontrolle ohne Anstrengung behalten.
(pmb / baad)