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DIE FORSCHERIN Claudia Zanini gibt Einblicke

Auf der Suche nach Überraschungen

Was macht eine Forscherin den ganzen Tag? Wir fragen Claudia Zanini.

Beim Stichwort Forschung denkt man unweigerlich an Labor und weisse Kittel. Claudia Zanini ist anders. Die 38-jährige Tessinerin trägt bequeme Alltagskleider und sagt Sätze wie: «Ich liebe die qualitative Forschung, weil ich mich von den Menschen überraschen lassen kann.» Seit elf Jahren arbeitet sie für die Schweizer ParaplegikerForschung (SPF) in Nottwil.

Ihre Doktorarbeit geht der Frage nach, wie sich die Arzt-Patienten-Kommunikation verbessern lässt. In einer weiteren Studie widmet sich Claudia Zanini den Familienangehörigen von Querschnittgelähmten. Die Ergebnisse haben sie und das ganze Team überrascht: «Viele Angehörige bewältigen die Doppelbelastung durch ihre Arbeit und die zeitlich aufwändige Unterstützung erstaunlich gut.» Sie analysierte die Strategien, mit denen diese Personen ihre Anforderungen gut meistern – um jenen Angehörigen zu helfen, die damit weniger gut zurechtkommen.

«Dank unseren Studien können wir die Gesamtsituation von Menschen mit Querschnittlähmung immer besser verstehen», sagt die Forscherin. Das grosse Forschungsfeld sei wie ein Bild in einem dunklen Raum, auf das jede Studie einen kleinen Lichtkegel wirft, bis es ganz beleuchtet ist.

Am liebsten macht sie Interviews

Die spannendsten Phasen einer Studie sind für Claudia Zanini die Datenerhebung und die Analyse. Bevor sie damit loslegen kann, sind diverse Schritte notwendig. Zunächst

«Wir können die Gesamtsituation von Querschnittgelähmten immer besser verstehen.»

muss ein Projekt von den Gremien im Haus abgesegnet sein. Dann muss die Finanzierung gesichert werden – im Wettbewerb mit vielen anderen Gesuchen. Und schliesslich ist für jede Studie eine Bewilligung der Ethik-Kommission notwendig.

Claudia Zanini arbeitet häufig mit qualitativen Interviews. «Die Teilnehmenden sind sehr offen und schildern uns viele neue Aspekte», sagt sie. «Aber es gibt auch Themen, die emotional schwierig sind.» Da ist Fingerspitzengefühl gefragt. Die Analyse der Interviews erfolgt mehrstufig und durch verschiedene Forschende. Sie diskutieren ihre Resultate und suchen nach gemeinsamen Themen. «Auf diese Weise bilden wir die Meinung der Befragten am besten ab», erklärt die Forscherin. «Das ist entscheidend für die Qualität.»

Nach Abschluss der Analyse folgt die wissenschaftliche Publikation der Ergebnisse. Für den Transfer in die Praxis braucht es nicht selten noch umfangreichere Untersuchungen, wobei auch das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) ins Spiel kommt. Die Forschenden können die Veränderungsprozesse nicht selbst ausführen, aber sie systematisch anstossen. Qualitative Studien sind dafür ein Auslöser.

Als Nächstes erforscht Claudia Zanini die Erfahrung von Querschnittgelähmten mit dem Trike. Das dreirädrige Gefährt kombiniert auf innovative Weise die Arm- und Beinbewegungen und könnte dazu motivieren, sportliche Aktivitäten besser in den Alltag zu integrieren. Es sei nur «eine kleine Usability-Studie», sagt die Forscherin. Aber wer weiss, vielleicht ergibt sie wieder ein überraschendes Resultat?

(kste / baad)

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