AUSGABE # 2 / WINTER 2010
Erste Hilfe Wie man sich im Notfall richtig verh채lt
Grippezeit Wann eine InfluenzaImpfung sinnvoll ist
Im k체hlen Nass Welche positiven Effekte das Schwimmen auf den Bewegungsapparat hat
Kinderwunsch Wenn sich trotz bem체hungen kein nachwuchs einstellt, sind oft die hormone schuld. so kann Paaren mit Kinderwunsch geholfen werden.
Gezielte Hilfe für Reha-PatientInnen
Mit vereinter Kraft für ein starkes Gesundheitsland tirol Die größte Reha-Einrichtung Tirols in Münster ist derzeit im Bau.
Die psychiatrische Abteilung in Lienz öffnet ihre Pforten.
Das Landecker Pilotprojekt „Schlaganfall“ hilft den Betroffenen unbürokratisch.
© Land TiroL/Gerhard BerGer, Land TiroL/Sidon, hoSpiTaLS projekTenTwickLunGS GmBh
Gemeinsam an einem Strang zieht ein gestärktes Tiroler Rettungsteam.
Inhalt & Editorial
3
Editorial Impressum Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: target group publishing GmbH / Zielgruppen Verlag Geschäftsführung: Andreas Eisendle, Michael Steinlechner Chefredaktion: Sylvia Ainetter Redaktion: Sarah Boyks, Matthias Krapf, Daniel Naschberger, Flo Pranger, Barbara Wohlsein Layout: Philipp Frenzel Grafik & Produktion: Angi Reisinger Titelfoto: Shutterstock Fotos, falls nicht anders gekennzeichnet: Archiv/ Zielgruppen Verlag Druck: Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten Anschrift für alle: Karl-Kapferer-Str. 5, 6020 Innsbruck Telefon: +43 (0)512/586020-0 Fax: +43 (0)512/586020-20 E-Mail Redaktion : redaktion@zielgruppenverlag.at E-Mail Verkauf: office@zielgruppenverlag.at
Gesund in Tirol – nach einem erfolgreichen Auftakt im Frühling halten Sie nun bereits die zweite Ausgabe in Händen. Auch dieses Mal haben wir mit Unterstützung der Tilak wieder zahlreiche Beiträge rund um das Thema Gesundheit für Sie zusammengestellt. In dieser Ausgabe erfahren Sie unter anderem, wann und für wen die Grippeimpfung sinnvoll ist, wie Sie sich bei einem Notfall richtig verhalten und worauf Sie bei der Einnahme von Medikamenten achten müssen. Zudem widmen wir uns der Frauengesundheit – Wissenswertes zum Thema Pubertät und Kinderwunsch erfahren Sie ab Seite 8. Wir wünschen eine spannende Lektüre! Die Redaktion
Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz Medieninhaber/Firmensitz: target group publishing GmbH, Karl-Kapferer-Straße 5, 6020 Innsbruck Unternehmensgegenstand: Verlagstätigkeit Geschäftsführer: Michael Steinlechner, Mag. Andreas Eisendle; Mag. Hermann Petz Gesellschafter der target group publishing GmbH, deren unmittelbare Beteiligung 25 % übersteigt: • Moser Holding Beteiligung GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: Herausgabe, Verlag und Vertrieb von Zeitungen Gesellschafter der Moser Holding Beteiligung GmbH, deren mittelbare Beteiligung an der target group publishing GmbH 50 % übersteigt: • Moser Holding Aktiengesellschaft, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: Verwalten von Beteiligungen Unmittelbare Beteiligungen der Moser Holding Aktiengesellschaft an anderen Medienunternehmen oder Mediendiensten über 25%: • Schlüsselverlag J. S. Moser GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: Medienunternehmen • New Media Online GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: Betrieb von neuen Medien • Regionalradio Tirol GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: Betrieb eines Regionalradios • Moser Holding Beteiligung GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: Herausgabe, Verlag und Vertrieb von Zeitungen Mittelbare Beteiligungen der Moser Holding Aktiengesellschaft an anderen Medienunternehmen oder Mediendiensten über 50%: • Tiroler Tageszeitung GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: Redaktion der Tiroler Tageszeitung • MOHO Newscenter GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: Mediendienst • Tirolerin Verlags GmbH, Fulpmes, Unternehmensgegenstand: Ausübung des Zeitschriften- und Verlagswesens • Weekend Magazin Tirol GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: medienrechtliche Tätigkeiten, Beratungen • Print Wochenzeitung Verlag GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: Inhaltliche Gestaltung, Herstellung, Verbreitung, Besorgung der Abrufbarkeit und Herausgabe von Medien, insbesondere von periodischen Printmedien in Oberösterreich • holl medien GmbH, Wels, Unternehmensgegenstand: Herausgabe von periodischen Zeitschriften • Neu-Media GmbH, Neumarkt im Hausruckkreis, Unternehmensgegenstand: Herausgabe von Drucksorten und Magazinen • target group publishing GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: Verlagstätigkeit Unmittelbare Beteiligungen der Moser Holding Beteiligung GmbH an anderen Medienunternehmen oder Mediendiensten über 25%: • Oberländer Verlags GmbH, Telfs, Unternehmensgegenstand: Verlagstätigkeit • Tirolerin Verlags GmbH, Fulpmes, Unternehmensgegenstand: Ausübung des Zeitschriften- und Verlagswesens • Weekend Magazin Tirol GmbH, Innsbruck, Unternehmensgegenstand: medienrechtliche Tätigkeiten, Beratungen Grundlegende Richtung: Gesund in Tirol informiert zwei Mal im Jahr über Gesundheitsthemen.
Inhalt Shortcuts Frauengesundheit Ausgleich des Hormonspiegels für die Erfüllung des Kinderwunsches Erwachsenwerden Verhütungsfragen in der Pubertät
Gesund leben
4 8 8 13 8
Stoßdämpfer für die Wirbelsäule Therapie nach Bandscheibenvorfall
16
Angst vor der ersten Hilfe Im Notfall richtig handeln
19
Freizeitunfälle So lassen sich Sportunfälle verhindern
22
Schwimmen Eine der natürlichsten Sportarten
26
Grippeimpfung – ja oder nein?
30
Grenzen verschieben – Interview mit Univ.-Prof. Dr. Johann Pratschke
34
Nicht nur die Dosis – Wie Medikamente richtig eingenommen werden
39
Ratgeber Klar im Blick – Gesunde Augen Wichtige Antworten vom Experten
Wissen
42 42 44
Gesundheitswesen 2.0 Alles über die digitale Krankenakte
44
Unwillkürliche Willkür – Das steckt hinter dem Tourette-Syndrom
48
Wenn Angst und Ohnmacht bleiben Posttraumatische Belastungssstörung
52
Würze ohne Reue Sind Geschmacksverstärker ungesund?
56
4
Shortcuts
Kurz & bündig ZöliakieInfotag
Neues zum Thema Allergien
Wie sollte allergische Rhinitis behandelt werden? Welche Chancen gibt es bei der Primärprävention von Allergien bei Kindern? Wie kann ein Allergologe im Extremfall zum Lebensretter werden? Diese Fragen werden beim 3. Bodensee-Symposium zum Thema „Neue Trends in der Allergologie“ beantwortet, das am 12. und 13. November in den Räumlichkeiten des Bregenzer Festspiel- und Kongresshauses stattfindet. Erwartet werden bis zu 200 Mediziner aus dem gesamten deutschen Sprachraum. Die Schwerpunkte des Symposiums sind die aktuellen Leitlinien in der Allergologie und das richtige Verhalten im allergischen Notfall.
Die Selbsthilfevereinigung ARGE Zöliakie lädt am Samstag, 27. November, zum jährlichen Informationstag ins Reformhaus Fischer in Innsbruck (Wilhelm-Greil-Straße 2). Zöliakie ist eine chronische Darmerkrankung, die den vollständigen Verzicht auf glutenhaltige Getreide wie Weizen, Roggen, Dinkel oder Hafer erfordert. Ersatzweise können Produkte aus Mais, Reis, Buchweizen oder Hirse genossen werden. Beim Informationstag im Reformhaus Fischer stellen verschiedene Produzenten glutenfreier Nahrung ihre Produkte vor, außerdem beantworten Ärzte und Ernährungsberater Patientenfragen.
Ruhig Blut
Altersmediziner tagen Das BTV Stadtforum ist am 6. November Austragungsort der 7. Innsbrucker Fachtagung für Altersmedizin. Dabei sollen konkrete Fragen diskutiert werden, die in der tagtäglichen Behandlung von älteren Patienten entstehen. Die Themen sind interdisziplinär und reichen von den Fachbereichen Neurologie und Innere Medizin bis zur Psychiatrie. So wird etwa Dr. Monika Leitner über Gender-Fragen in der Geriatrie referieren, Dr. Markus Gosch hält einen Vortrag zum Thema Osteoporose. Die „Medicine of Ageing“-Tagung wurde vor sieben Jahren anlässlich des 80-jährigen Jubiläums des LKH Hochzirl erstmals veranstaltet. Weitere informationen: www.gerimed.at
© beRgisel-betRiebsgesellschaft
„Stress vermeiden“ ist eine der häufigsten Empfehlungen zum Schutz der Gesundheit. Doch gerade im Arbeitsalltag ist dieser Ratschlag leichter gesagt als getan. Mit gezielten Strategien lassen sich Anspannung und Hektik aber deutlich reduzieren: So hilft es zum Beispiel, die Arbeit nach Dringlichkeit zu sortieren und eine Aufgabe nach der anderen zu erledigen – Multitasking ist zwar populär, erzeugt aber Hektik und stört die Konzentration. Wichtig ist auch die Fähigkeit, „Nein“ sagen zu können und Arbeit rechtzeitig zu delegieren bzw. Verstärkung anzufordern. Regelmäßige Pausen im Job sind Pflicht, zu Mittag ist ein Ortswechsel (besonders erholsam: frische Luft) empfehlenswert, um wirklich abschalten zu können. Ganz schlecht: Essen am Schreibtisch. Zur Stressbewältigung gehören auch ein erholsamer Feierabend und ein angenehmes Wochenende – nur so werden die Batterien wieder aufgeladen.
Shortcuts
5
Vorsorge unter der Dusche Der Oktober war der Monat der Brustgesundheit – zu diesem Anlass hat die Österreichische Krebshilfe einmal mehr die Wichtigkeit von Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchungen unterstrichen. Neben regelmäßigen Tastuntersuchungen durch den Gynäkologen (ab dem 20. Lebensjahr) und Mammografien (ab dem 40. Lebensjahr) gehört auch die monatliche Selbstkontrolle zum Maßnahmenpaket. Besonders praktisch sind in diesem Zusammenhang die wasserfesten Duschkarten der Krebshilfe, die in einfachen Schritten das richtige Abtasten der Brust erklären. Einfach ins Bad hängen und sich erinnern lassen! Zu bestellen auf www.krebshilfe.net.
Alleskönner Rosmarin
Blaues Licht für Diabetes
Am 14. November wird die Innsbrucker Bergiselschanze in blaues Licht getaucht – Anlass dafür ist der Welt-Diabetestag, der das Bewusstsein für die verbreitete Stoffwechselkrankheit stärken soll. Die Farbe Blau wurde gewählt, weil der blaue Kreis das internationale Symbol für Diabetes darstellt. In Österreich leiden derzeit zwischen fünf und zehn Prozent der Bevölkerung an Diabetes. Die Krankheit ist nach heutigem Stand der Wissenschaft nicht heilbar – bei rechtzeitiger und richtiger Behandlung ist jedoch eine hohe Lebensqualität bei minimalem Schädigungsrisiko für die Organe möglich.
Schmeckt gut, riecht gut und ist extrem gesund: Rosmarin wurde nicht ohne Grund zur Heilpflanze 2011 ernannt. Das mediterrane Kraut enthält verschiedene ätherische Öle und Bitterstoffe, die sich positiv auf Leber und Galle auswirken. Deshalb ist Rosmarin auch ein beliebtes Küchengewürz – es kann die Verdauung ankurbeln und Magenbeschwerden lindern. Außerdem wirkt das Lippenblütler-Gewächs antibakteriell und soll das HerzKreislauf-System stärken. Der Genuss von Rosmarintee ist aus diesem Grund zum Beispiel bei Erschöpfungszuständen oder nach überstandenen Erkältungen zu empfehlen. Rosmarinöl wirkt durchblutungsfördernd und wird bei Zerrungen oder Rheuma eingesetzt.
6
Shortcuts
Lecker und gesund Winterzeit ist Maronizeit – und das ist gut so! In den gerösteten Esskastanien stecken nämlich jede Menge Vitamine und Mineralstoffe, die man gerade in der Grippezeit gut gebrauchen kann. Maroni sind leicht verdaulich und – vor allem im Vergleich zu vielen anderen Köstlichkeiten auf Christkindlmärkten – sehr fettarm. Sie besitzen aber einen hohen glykämischen Index, das heißt, sie lassen den Blutzucker rasch ansteigen. Aus diesem Grund sollten sie eher als Teil einer Hauptmahlzeit und nicht „zwischendurch“ genossen werden.
Neue Leitlinien für Reanimation Mitte Oktober hat das European Resuscitation Council neue Leitlinien für die korrekte Durchführung von Wiederbelebungsmaßnahmen veröffentlicht. An deren Ausarbeitung waren auch zwei Ärzte der Universitätsklinik Innsbruck beteiligt. Die wichtigsten Neuerungen: Bei einem Herzstillstand wird eine sofortige Herzdruckmassage mit 100 Kompressionen pro Minute empfohlen, der Brustkorb sollte dabei rund fünf Zentimeter eingedrückt werden. Außerdem sollte die Herzmassage möglichst durchgehend erfolgen und nur maximal fünf Sekunden für den Defibrillator-Schock unterbrochen werden. Ebenfalls neu zu merken: Wenn zwei Beatmungsversuche erfolglos bleiben, sollte die Herzmassage ohne Beatmung weitergeführt werden.
Kalte Temperaturen und Schnee sind kein Grund, die hart erarbeitete Fitness über den Winter verkümmern zu lassen. Wer ein paar Grundregeln befolgt, kann auch bei Minusgraden joggen, radeln oder walken: Funktionskleidung leitet die Feuchtigkeit nach außen und schützt vor dem Auskühlen, generell sollte man sich im „Zwiebellook“ (also in mehreren Schichten) kleiden. Der Kopf sollte immer geschützt sein – hier verliert der Körper die meiste Wärme. Wer es schafft, sollte beim Laufen durch die Nase atmen, so wird die eiskalte Luft vorgewärmt, bevor sie in die Bronchien gelangt. Wer sich bereits zuhause mit Dehnübungen und leichtem Joggen im Stand aufwärmt, beugt Zerrungen und Muskelrissen vor. Wichtig ist, auch im Winter genug zu trinken, da Sportler bei niedrigen Temperaturen weniger Durst verspüren und so unbemerkt zu Dehydration neigen.
Sport im Winter
Shortcuts
7
Schluck für Schluck Die Gesellschaft der Schulärzte Österreichs hat zum Schulbeginn eine Kampagne gestartet, mit der heimische Schüler zum ausreichenden Trinken animiert werden sollen. Damit Kinder und Jugendliche den ganzen Tag lang konzentrationsfähig bleiben, sollten sie mindestens 1,5 Liter Wasser, ungesüßten Tee oder gespritzten Fruchtsaft trinken. Eine eigene Trinkpyramide zeigt, welche Durstlöscher geeignet sind und bei welchen Getränken (Energydrinks, Softdrinks) Zurückhaltung gefragt ist. Flüssigkeitsmangel ist eine der Hauptursachen für eine verminderte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und deshalb in der Schule besonders problematisch.
Armut am Esstisch Anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober haben Armutsexperten darauf hingewiesen, dass auch in Österreich immer mehr Menschen das Geld für eine ausgewogene Ernährung fehlt. Zahlreiche Familien müssten sich fast ausschließlich von billigen Grundnahrungsmitteln wie Nudeln ernähren, für frisches Gemüse, Obst und Milchprodukte fehle das Budget. Erkennbar ist dieser besorgniserregende Trend auch am steigenden Interesse an Sozialmärkten und Essenstafeln, die Nahrungsmittel verschenken bzw. stark vergünstigt verkaufen.
Österreichs Nummer 1 in Qualität! Die Deutsche Landwirtschafts Gesellschaft verleiht Hörtnagl 2010 wieder 14 Goldmedaillen! Hörtnagl stellt Produkte her, die nach bester handwerklicher Praxis gefertigt werden und einen hohen Genuss und Qualitätsstandard versprechen. Folgende Produkte wurden heuer ausgezeichnet: · · · · · · · ·
Innsbrucker Jausen-Wichtl Spargel-Aufschnittwurst Glockner Helle Krakauer Wiener Landjäger Karreespeck
· · · · · ·
Bauernschinken Bauchspeck Kantwurst Zitronen-Pfeffer-Schinken Champignonwurst leicht Kalbsleberstreichwurst mit Honig
Andrä Hörtnagl Produktion und Handel GmbH Zentrale: Trientlstraße 5 · 6060 Hall in Tirol · Austria Weitere Infos: Hörtnagl-Produktionsleitung, Hr. Resch, Tel. +43/(0)5223/506-0
HO Ins. DLG Medaillen 2010 83x235mm.indd 1
28.10.2010 9:39:59 Uhr
8
Frauengesundheit
Frauengesundheit
Frauengesundheit
Ausgleich des Hormonspiegels Das Polyzystische Ovarsyndrom führt bei betroffenen Frauen zu einer erhöhten Konzentration männlicher Hormone. Vermehrter Haarwuchs, Akne und Zyklusstörungen sind die Folge. An der Klinik Innsbruck werden PCOS-Patientinnen erfolgreich behandelt. Und auch Frauen mit Kinderwunsch kann geholfen werden.
E
rste Anzeichen treten meist in der Pubertät auf. Die betroffenen Mädchen bemerken Zyklusunregelmäßigkeiten, Akne oder verstärkte Behaarung. „Deswegen kommen viele Patientinnen relativ jung zur Abklärung zu uns“, erklärt Prof. Ludwig Wildt, Direktor der Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Universitätsklinik Innsbruck. Gerade der männliche Behaarungstyp (Hirsutismus) bringt einen hohen Leidensdruck mit sich. Sicherheit in der Diagnose geben eine Unterschalluntersuchung der Eierstöcke und die Hormonbestimmung im Serum. Ein Polyzystisches Ovarsyndrom (PCO-Syndrom) wird diagnostiziert, wenn mindestens zwei der drei folgenden Symptome vorliegen: 1. Polyzystische Veränderungen an den Eierstöcken. Die Ovarien sind dabei typischerweise vergrößert und weisen mehr als zehn kleine „rosenkranzartig“ angeordnete Zysten auf. „Der Name ist etwas irreführend. In den Eierstöcken ist eine erhöhte Zahl von Follikeln vorhanden, die wie Zysten aussehen. Deshalb spricht man vom polyzystischen Ovarsyndrom“, so Prof. Wildt. 2. Im
Blut werden erhöhte Werte männlicher Geschlechtshormone nachgewiesen. 3. Der Zyklus ist gestört: So bleiben etwa Menstruation oder Eisprung aus.
Erbliche Faktoren vermutet.
Obwohl es sich um die häufigste hormonelle Störung bei Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter handelt, konnten die Ursachen des Syndroms (= eine Erkrankung, bei der mehrere Symptome gleichzeitig auftreten) bisher noch nicht geklärt werden. Es werden erbliche Faktoren vermutet, zudem könnten auch Umwelteinflüsse eine Rolle spielen. Fest steht, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dieser endokrinen Funktionsstörung und einer häufig ebenfalls auftretenden Störung des Zuckerstoffwechsels besteht. „Etwa die Hälfte der Patientinnen entwickelt bereits in jungen Jahren eine Insulinresistenz“, erklärt Prof. Ludwig Wildt, „diese hohe Insulinkonzentration im Serum stimuliert bestimmte Gewebe besonders – etwa die Eierstöcke, die Leber und verschiedene andere Organe, sodass in der Folge dabei oft ein sogenanntes metabolisches Syndrom entsteht.“ (Siehe Interview-Kasten) Frauen mit PCO-Syndrom tragen
Das Kinderwunschzentrum Schwerpunkte der Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin sind die Behandlung von Frauen bzw. Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch sowie die Diagnostik und Therapie hormonbedingter Frauenleiden. Dazu zählen etwa PCO-Syndrom, Endometriose, Zyklusstörungen, Prämenstruelles Syndrom oder Wechseljahresbeschwerden. Direktor der Klinik ist Univ.-Prof. Dr. Ludwig Wildt, einer der führenden Kinderwunsch- und Hormonspezialisten im deutschsprachigen Raum. www.kinderwunsch-zentrum.at
9
© Michael RathMayR (2)
10
Frauengesundheit
damit ein höheres Risiko für Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen sowie Diabetes Typ II. Neben den kosmetischen Problemen wie Akne, vermehrter Körperbehaarung ausgehend vom Schambereich oder im Gesicht und Haarausfall steht vor allem die Behebung der Zyklusunregelmäßigkeiten beziehungsweise die Wiederherstellung der Fruchtbarkeit im Mittelpunkt der Therapie.
Die „Pille“ hilft.
Wie wird das PCO-Syndrom behandelt? Es muss unterschieden werden, ob die Patientin aktuell ein Kind plant oder nicht. Bei Frauen ohne Kinderwunsch besteht die Behandlung im Wesentlichen in der Gabe eines oralen Kontrazeptivums, also einer „Pille“, wobei Präparate mit einem speziellen Anteil an Gelbkörperhormonen gewählt werden, die sogenannte anti-androgene Eigenschaften aufweisen. Dabei werden die Rezeptoren für die männlichen Sexualhormone blockiert. So gehen Behaarung und Akne zurück, die Eierstöcke verkleinern sich. Besteht zusätzlich eine Insulinresistenz, wird diese mit dem eigentlich zur Diabetesbehandlung zugelassenen Wirkstoff Metformin therapiert (Off-Label-Use). Erstaunlicherweise verbessern sich durch die Gabe von Metformin auch bei Patientinnen ohne gestörten Zuckerstoffwechsel die PCO-Symptome, wie Prof. Wildt und sein Team im Rahmen einer Studie herausgefunden haben. Deshalb werden Frauen mit Kinderwunsch, für die die „Pille“ naturgemäß nicht in Frage kommt, ebenfalls mit diesem Mittel behandelt. Bei 40 bis 50 Prozent der Paare, die das Kinderwunschzentrum aufsuchen, ist das PCO-Syndrom der Grund für den unerfüllten Kinderwunsch. Zuweilen sind auch mehrere Indikationen gegeben. Bei 30 Prozent der Patientinnen verhindert eine Endometriose (Wucherung der Gebärmutterschleimhaut) eine Schwangerschaft. Und bei rund der Hälfte der Paare liegt eine Störung seitens des Mannes vor. Allgemein gilt beim Polyzystischen Ovarsyndrom: Ohne Therapie nimmt die Erkrankung in ihrer Intensität zu, eine Besserung ohne medizinisches Zutun ist nicht zu erwarten. Mit der Behandlung wird am besten in jungen Jahren begonnen, ein Verdacht sollte deshalb bereits in der Pubertät unbedingt abgeklärt werden. M. KRAPF lll
„10 bis 15 Prozent der Frauen haben das PCOSyndrom.“
11
Frauengesundheit
„Welche Gene eine Rolle spielen, wissen wir noch nicht“ Univ.-Prof. Ludwig Wildt über den Zusammenhang von PCO-Syndrom und Insulinresistenz, die Behandlung mit einem speziellen Diabetes-Medikament und die Chancen, nach der Therapie schwanger zu werden.
H
err Professor Wildt, wie tritt das Polyzystische Ovarsyndrom auf? Das PCO-Syndrom ist die häufigste endokrine Funktionsstörung bei Frauen im reproduktionsfähigen Alter. Etwa 10 bis 15 Prozent der weiblichen Bevölkerung sind davon betroffen. Es tritt gehäuft in Familien auf, wobei es sowohl über die Mutter als auch den Vater vererbt werden kann. Oft sind Schwestern ebenfalls betroffen. Wir wissen allerdings noch nicht, welche Gene genau hier eine Rolle spielen. Welcher Zusammenhang besteht mit der Insulinresistenz? Etwa die Hälfte der Patientinnen entwickelt bereits in jungen Jahren eine Insulinresistenz, das heißt, diese Frauen brauchen, um ihren Blutzucker im Normbereich zu halten, mehr Insulin, als es normalerweise der Fall ist. Diese hohe Insulinkonzentration im Serum stimuliert bestimmte Gewebe besonders – etwa die Eierstöcke, die Leber und verschiedene andere Organe, sodass in der Folge dabei oft ein sogenanntes metabolisches Syndrom entsteht. Damit haben die Frauen ein erhöhtes Risiko für Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen sowie für Schwangerschaftszucker und später Diabetes Typ II. Zu welchem Ergebnis ist die Studie gelangt, in der Sie die Behandlung mit einem spezi-
ellen Diabetes-Medikament untersucht haben? In unserer Studie haben wir herausgefunden, dass das Mittel Metformin, das bei Typ-II-Diabetes und auch bei PCO-Patientinnen mit Insulinresistenz eingesetzt wird, auch bei PCO-Patientinnen ohne Resistenz wirksam ist. Im Rahmen einer weiteren Studie hat sich gezeigt, dass Metformin die Bildung von männlichen Sexualhormonen hemmt. Damit können wir die Androgene auch bei Frauen mit Kinderwunsch, für die eine Pille logischerweise nicht in Frage kommt, senken. Sind Frauen nach einer PCO-Behandlung auf künstliche Befruchtung angewiesen? Kommt die Eierstockfunktion selbst in Gang, steht einer Schwangerschaft auf natürlichem Weg nichts entgegen. Andernfalls gibt es eine Reihe von Stimulationsbehandlungen bis hin zur In-vitroFertilisation. Grundsätzlich ist das Alter der Patientin entscheidend. Bei einer 37-jährigen Frau würde man die Stimulation der Eierstöcke eher nur einen Zyklus lang versuchen und relativ bald eine Invitro-Fertilisation durchführen. Bei einer 25-Jährigen hat man mehr Zeit für die Stimulation mit Clomiphen und die Behandlung mit Metformin. Die Erfolgsraten sind aber in etwa gleich. Wie viele Behandlungszyklen sind im Schnitt erforderlich? Die Erfolgsrate von fast allen Sterilitätsbehandlungen deckt sich mit der natürlichen Schwangerschaftsrate. Sie beträgt 30 Prozent pro
Zur Person Univ.-Prof. Dr. Ludwig Wildt ist einer der führenden Kinderwunsch- und Hormonspezialisten im deutschen Sprachraum. Seit 2005 ist er Direktor der Universitätsklinik für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Department Frauenheilkunde, Innsbruck.
Zyklus, also vier Wochen. Nach neun Zyklen sind rund 90 Prozent aller Frauen schwanger. Beim Rest handelt es sich um Sterilitätspatientinnen. Kommt es nach einer entsprechenden Behandlung zu vermehrten Mehrlingsschwangerschaften? Diese Gefahr besteht, vor allem bei Patientinnen mit PCO-Syndrom. Die Eierstöcke dieser Frauen reagieren auf die Stimulation sehr empfindlich. Es kann sehr schnell zu einer Überstimulation mit einer Entwicklung von drei, vier, fünf, sechs und mehr Follikeln kommen, aus denen Mehrlinge entstehen können. Unser Ziel ist aber die Einlingsschwangerschaft. Es braucht hier viel Geduld seitens des Arztes und der Patientin. Bei der In-vitro-Fertilisation kann man das Risiko insofern beherrschen, als man maximal nur zwei Embryonen in die Gebärmutter zurücksetzt. Daraus ergibt sich eine Zwillingsschwangerschaftsrate von zwanzig Prozent. Vielen Dank für das Gespräch.
lll
12
Frauengesundheit
Frauengesundheit
Zwischen
Kindheit und Erwachsensein Die Pubertät ist für die meisten Jugendlichen eine schwierige Zeit: Der Körper verändert sich und die Hormone bringen alles durcheinander. Wenn dann auch noch die erste Liebe vor der Tür steht, ist das Chaos perfekt.
E
rwachsen zu werden, ist wahrlich nicht nur Spaß. Mit einem Teenager in einem Haushalt zu leben, ist oft auch nicht gerade einfach. Kein Wunder, schließlich haben die Hormone ihre Finger im Spiel. Bei Mädchen setzt die Pubertät zwischen dem 10. und dem 18. Lebensjahr ein, Buben sind zwei Jahre später dran. Dann beginnen bestimmte Organe im Körper vermehrt Geschlechtshormone zu produzieren und ins Blut auszuschütten. Östrogen bei den Mädchen und Testosteron bei den Jungen. Bei jungen Frauen setzt in der Folge die Regelblutung ein, die Brust und Schambehaarung wächst.
Junge Männer bekommen einen Bart, eine tiefere Stimme und die Hoden beginnen Spermien zu produzieren. Doch die Hormone haben oft noch weitere Auswirkungen: Launenhaftigkeit und Stimmungsschwankungen. Dazu kommt der Abschied von der Kindheit und Sexualität beginnt eine bedeutende Rolle zu spielen. Gleichzeitig findet der Abnabelungsprozess von den Eltern statt, die oft die Welt nicht mehr verstehen: Gestaltete sich das Familienleben eben noch ganz harmonisch, kann jetzt schon Dauerstreit auf dem Programm stehen. Ganz schön viel, was die Jugendlichen und ihre Familien da durchzustehen haben. Grund zur Panik ist das jedoch nicht.
Das Internet als Aufklärer.
In dieser Phase suchen Jugendliche häufig nach neutralen Ansprechpersonen. Die körperlichen Veränderungen, die erste Liebe, das erste Mal und Schwangerschaftsverhütung werfen schließlich zahlreiche Fragen auf. Die landläufige Meinung ist, dass Jugendliche heute viel besser aufgeklärt sind als noch vor 20 Jahren. Dr. Katharina Winkler, Gynäkologin und Leiterin der First Love Ambulanz an der Innsbrucker Klinik, widerspricht: „Der Grad der Aufklärung bei den Jugendlichen ist sehr unterschiedlich. Manche wissen sehr gut über Sexualität und Verhütung Bescheid, andere weniger. Das hängt auch sehr stark von der Aufklärung in der Schule ab.“ Aber bedeutet das, dass
13
Frauengesundheit
die Aufklärung Sache der Schule und nicht der Eltern ist? „Ganz und gar nicht. Wir sehen hier auch immer wieder, dass es sehr gute Mutter-Tochter-Verhältnisse gibt, in denen offen über Sexualität gesprochen wird. Es gibt aber auch die anderen Fälle, in denen sich Mädchen gar nicht trauen, nach Informationen zu fragen“, sagt Winkler. Laut der Studie „Jugendsexualität 2010“ (siehe Kasten) beziehen Jugendliche ihr Wissen über Sexualität in erster Linie von Jugendzeitschriften (Mädchen) oder über das Internet (Burschen). Informationsquellen, die nicht immer verlässlich sind. Wenn es um wesentliche Themen wie Schwangerschaftsverhütung und Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten geht, braucht es allerdings einen kompetenten Ansprechpartner.
Verhütungsfragen.
In der First Love Ambulanz an der Innsbrucker Klinik stehen den Jugendlichen zweimal pro Woche zwei Gynäkologen und eine Krankenschwester zur Verfügung. „Wir gehen aber auch an die Schulen, um dort Verhütungsberatung durchzuführen“, erklärt Winkler, „so erfahren viele Jugendliche erst von uns und manche kommen dann auch in die Ambulanz.“ Es käme aber durchaus vor, dass Eltern für ihre Kinder einen Termin vereinbaren. Die Patienten an der First Love Ambulanz sind zum Großteil Mädchen, manchmal jedoch begleiten Burschen ihre Freundinnen. „Das sind immer sehr angenehme Gespräche, denn oft unterscheiden sich die Vorkenntnisse von Burschen und Mädchen wesentlich. Und die Schwangerschaftsverhütung betrifft ja beide“, sagt Winkler. „Den ersten sexuellen Kontakt haben die meisten Jugendlichen ungefähr mit 15, aber so pauschal lässt sich das nicht sagen. Manche haben ihr erstes Mal auch wesentlich früher.“ Die meisten Fragen in den Beratungsstunden beträfen unregelmäßige Menstruation und Verhütung, manche Mädchen kämen aber auch ohne konkreten Anlass zur gynäkologischen Untersuchung. „Manchmal suchen auch schwangere Mädchen die Ambulanz auf. Selbstverständlich werden auch sie von uns ärztlich betreut.“ In der Pubertät stellt sich früher oder später unweigerlich die Frage nach einem geeigneten Verhütungsmittel. „Die beliebtesten Verhütungsmethoden bei Jugendlichen sind Kondom und Pille“, erklärt Winkler, „wir raten immer, auch beides zu verwenden, da man sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten nur durch das Kon-
First Love Ambulanz Seit 2006 gibt es an der Innsbrucker Klinik die First Love Ambulanz für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. Ein Team aus zwei Frauenärzten und einer Krankenschwester betreuen und beraten jährlich zwischen 130 und 140 Patienten. Die Sprechstunde findet nach Terminvereinbarung immer dienstags und donnerstags von 14 bis 15.30 statt. Angeboten wird Beratung zu den Themen Aufklärung, Verhütung, sexuell übertragbare Krankheiten, aber auch bei familiären oder Beziehungsproblemen und selbstverständlich auch gynäkologische Untersuchungen.
Jugendsexualität 2010 Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat auch im Jahr 2010 wieder eine Studie zum Thema Jugendsexualität vorgelegt. Befragt wurden 3542 deutsche Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren. Die Ergebnisse dürften im Wesentlichen auch für Österreich zutreffen. Laut der Studie sind Jugendliche später sexuell aktiv als noch vor fünf Jahren. Hatten im Jahr 2005 bereits 10% der 14-jährigen Burschen erste sexuelle Erfahrungen gemacht, sind es heute nur noch 4%, bei den Mädchen fiel der Anteil von 12% auf 7%. Auch in puncto Verhütung hat sich einiges getan: Nur noch 8% der Jugendlichen verhüten beim ersten Geschlechtsverkehr nicht. Die beliebtesten Verhütungsmittel sind nach wie vor Pille und Kondom. Aufgeklärt werden die Burschen in erster Linie über das Internet (36% bzw. 46% bei Jungen mit Migrationshintergrund), während die Mädchen ihre Informationen am häufigsten aus Jugendzeitschriften beziehen (36%).
dom schützen kann.“ Gerade beim Thema sexuell übertragbare Krankheiten ortet die Gynäkologin noch Aufklärungsbedarf: „Anhand einer Studie fand man heraus, dass 80% der Jugendlichen nicht wissen, was eine Chlamydien-Infektion ist.“ Dabei ist diese Infektion alles andere als harmlos: Unbehandelt kann sie zu Unterleibsentzündungen und Unfruchtbarkeit führen. Der einzige Schutz: Safer Sex. Bei der Immunschwäche Aids ist der Grad der Aufklärung aber etwas höher: „Was Aids betrifft, kann man positiv bemerken, dass die Jugendlichen durch die Medien bereits sehr gut aufgeklärt sind. Selbstverständlich muss dieses Wissen auch immer noch ausgebaut werde, wir sprechen HIV in den Beratungsstunden deshalb auch immer bewusst an.“ Und Wissen ist ja bekanntlich Macht. S. AINETTER lll
© Michael RathMayR
14
Zur Person Dr. Katharina Winkler ist Assistenzärztin an der Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin und leitet seit 2009 die First Love Ambulanz in Innsbruck.
Wร RME
fEuchtE BauStoff
Schall
Spektrum GmBH
S P E K T R U DI Dr. karl torGHele Bauรถkologie und Bauphysik element, lustenauerstr. 64 a-6850 Dornbirn tel.: 05572/208008 | Fax: 05572/3838-69 e-mail: office@spektrum.co.at www.spektrum.co.at
M
16
Gesund leben
Gesund leben
Stoßdämpfer der Wirbelsäule Ein Bandscheibenvorfall ist noch alltäglicher, als man gemeinhin annimmt: Oft bleibt er unbemerkt und verursacht keine Beschwerden. Aber auch wenn Schmerzen auftreten, muss nur in einem Teil der Fälle operiert werden.
Gesund leben
17
„Die Medizin wird in zehn, fünfzehn Jahren in der Lage sein, den Bandscheibenkern durch Biomaterialien zu ersetzen.“
S
o überraschend es auch klingt: Oft kommt der Bandscheibenvorfall über Nacht. Kein schwerer Gegenstand, an dem man sich hätte verheben können. Keine ruckartige falsche Bewegung, der ein stechender, durch den Rücken jagender Schmerz gefolgt wäre. „Es gibt die Verhebetraumen, die Mehrzahl der Bandscheibenvorfälle passiert aber ohne eindeutigen Auslöser“, erklärt Prof. Claudius Thomé, Vorstand der Klinik für Neurochirurgie an der Universitätsklinik Innsbruck. Das ist aber noch nicht das einzige für Laien Überraschende am sogenannten Discusprolaps: Der Großteil der Bandscheibenvorfälle verursacht nämlich keine Schmerzen und bleibt deshalb unbemerkt. Studien zufolge haben rund 30 Prozent der 30- bis 40-Jährigen einen Bandscheibenvorfall erlitten, ohne es zu wissen. Ab 50 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit auf 45 Prozent – alles eine Folge des natürlichen Alterungsprozesses der Wirbelsäule, die sich über die Jahrzehnte mehr und mehr abnützt. „Es ist normal, wenn man mit 80 Jahren im Grunde keine Bandscheiben mehr hat“, sagt der Neurochirurg. Und die Wirbelsäule verkraftet das, solange die Degeneration über viele Jahre geschieht, erstaunlich gut.
Die Bandscheiben.
Der Mensch verfügt über 23 Bandschei-
ben. Diese liegen zwischen den Wirbeln und dienen als eine Art Puffer, ein Stoßdämpfer in der Wirbelsäule, der beim Laufen, Springen oder Heben auftretende Stöße abfedert. Die Bandscheibe besteht aus einem weichen, gallertartigen Kern, der von einem Faserband umschlossen und in der richtigen Position zwischen den Wirbeln gehalten wird. Bei einem Vorfall – bei der Mehrzahl der Fälle ist die Lendenwirbelsäule betroffen – reißt der Bindegewebsring, sodass die Bandscheibe verrutscht und der Bandscheibenkern austritt. Drückt dieser auf die in der Wirbelsäule verlaufenden Nervenstränge, kann dies zu Schmerzen, Taubheitsgefühlen und Lähmungen führen. Eine zweite Form ist die Bandscheibenvorwölbung: Hier verschiebt sich die Bandscheibe ebenfalls, die Hülle bleibt aber intakt. Treten dabei Beschwerden auf, lassen sich diese für gewöhnlich sehr gut mit konservativen Maßnahmen wie Physiotherapie behandeln. Aber selbst der überwiegende Teil der Bandscheibenvorfälle mit Schmerzsymptomen lässt sich konservativ, also ohne operativen Eingriff therapieren. „Wir müssen nur einen Teil davon operieren“, sagt Prof. Thomé. Grund: Der vom Faserring zusammengehaltene Bandscheibenkern ist ein sehr wasserreiches Gewebe, weshalb er nach einem Austritt häufig ein-
PROF. CLAUDIUS THOMé, Vorstand der Universitätklinik für Neurochirurgie am Landeskrankenhaus Innsbruck
fach austrocknet und damit nach einer gewissen Zeit nicht mehr auf die Nerven drückt. Nur wenn die Schmerzen oder auch neurologische Symptome wie Taubheitsgefühle oder geringe Lähmungserscheinungen länger als zwei bis drei Monate andauern, wird operiert. Im Falle von Lähmungen oder einem Verlust der Blasenkontrolle handelt es sich hingegen um einen Notfall, der binnen 24 Stunden eine Operation erfordert.
Verschiedene Methoden.
An der Uniklinik Innsbruck hat man sich auf die minimal-invasive Sequestrektomie spezialisiert, bei der nur das beim Vorfall ausgetretene Gewebe und nicht der komplette Bandscheibenkern entfernt wird. Dieser bleibt so als Puffer erhalten. „Wichtig ist, dass man die Patienten sehr individuell behandeln muss. Wir verfügen über viele Methoden, man muss die schonendste und effektivste anwenden“, erklärt Prof. Claudius Thomé. So lassen sich Bandscheibenvorfälle unter gewissen Umständen auch endoskopisch operieren, wenngleich das Risiko von Nervenverletzungen erhöht ist. Weitere Möglichkeiten bietet das Einsetzen von
18
Gesund leben
In Kürze Die Bandscheibe (Discus intervertebralis) dient als Puffer zwischen den Wirbeln. Sie besteht aus einem weichen Gallertkern (Nucleus pulposus) und einem Faserring (Anulus fibrosus). Bei einem Bandscheibenvorfall (Discusprolaps) reißt der Faserring, die Bandscheibe verschiebt sich und der Kern tritt aus. Dies kann zu einem Druck auf die umliegenden Nerven und in Folge zu Schmerzen, Taubheitsgefühlen und Lähmungen führen. Bei der Bandscheibenvorwölbung (Discusprotrusion) wölbt sich der Faserring nach außen, bleibt aber intakt. Die meisten Bandscheibenvorfälle treten im Lendenwirbelbereich auf, aber auch Hals- und Brustwirbel können betroffen sein. An der Universitätsklinik für Neurochirurgie werden pro Jahr rund 900 Bandscheibenvorfälle operiert – das macht allerdings nur einen äußerst geringen Teil der Gesamtzahl der Bandscheibenvorfälle aus. Meistens kann ein Prolaps ohne OP behandelt werden.
Bandscheibenprothesen, das in letzter Zeit allerdings seltener angewandt wird, und von dynamischen Stabilisierungen mit Stabsystemen. „Erste Ergebnisse sind hier sehr erfolgversprechend“, so Thomé. Kritisch sieht der Neurochirurg die Therapiemethoden mit Sonden, bei denen die Bandscheibe erhitzt oder mit Laser behandelt wird. „Dazu gibt es nur wenige Studien. Und die besagen, dass diese Methoden nicht ausreichend helfen.“ Es trete nur ein kurzfristiger Effekt ein: Die Vorwölbung bessere sich zwar, die Bandscheibe selbst werde aber geschädigt. Gerade auf den Erhalt des Bandscheibenkerns ist aber der Fokus im klinischen Bereich und der Forschung gerichtet, um die Zahl der Rezidivvorfälle, also das Erleiden eines neuerlichen Prolapses, und die Gefahr chronischer Rückenschmerzen nach einem Bandscheibenvorfall zu reduzieren. Schon seit Längerem wird eine Behandlungsmethode angewandt, im Zuge derer dem Patienten Bandscheibenzellen entnommen, kultiviert und wieder eingepflanzt werden. Allerdings scheint, wie Untersuchungen gezeigt haben, hierbei ein Trägergel notwendig zu sein, damit die Zellen auch überleben. Dazu startet Ende des Jahres eine Studie, an der die Klinik Innsbruck beteiligt ist. Und es gibt noch weitere Forschungsprojekte. So wird im Rahmen einer Studie an einem künstlichen Verschluss des Faserrings geforscht. Noch einen Schritt weiter geht eine eigene Studie der Uniklinik für Neurochirurgie, deren Ziel die Herstel-
lung eines natürlichen Verschlusses aus Biomaterialien und Stammzellen ist. Man befindet sich hier allerdings noch im experimentellen Stadium, betreibt Grundlagenforschung. Für Claudius Thomé ist der natürliche Bandscheibenersatz die Zukunft. „Die Medizin wird in zehn, fünfzehn Jahren in der Lage sein, den Bandscheibenkern durch Biomaterialien zu ersetzen.“
Was kann man selbst tun?
Nach Erkältungen sind Rückschmerzen der zweithäufigste Grund, warum der Hausarzt aufgesucht wird. Kann man Bandscheibenproblemen vorbeugen? Sport und Bewegung wirken sich positiv auf die Muskulatur und damit auf die Wirbelsäule aus. Auch die Vermeidung von Übergewicht ist von Vorteil. Eine entscheidende Rolle spielt die genetische Veranlagung, aber auch psychosoziale Faktoren wie Stress können sich negativ auswirken. Wie sieht es mit der beruflichen Tätigkeit aus? „Nur absolute Schwerarbeiter wie Möbelpacker oder Bauarbeiter am Presslufthammer haben ein höheres Risiko. Bei normaler körperlicher Arbeit, aber auch einer Tätigkeit im Sitzen, werden die Bandscheiben nicht überdurchschnittlich belastet“, so Prof. Claudius Thomé. Und all jenen, die sich angesichts der weiten Verbreitung von Bandscheibenvorfällen Sorgen um die eigene Wirbelsäule machen, rät der Experte: „Wenn man keine Beschwerden hat, am besten gar nicht darum kümmern.“ M. KRAPF lll
www.beste-gesundheit.at
Kohlensäure
– kostbares Heilmittel aus der Natur Die in der Buckligen Welt vorkommende natürliche Kohlensäure mit einzigartig hoher Konzentration wird im Gesundheitsresort Königsberg Bad Schönau mit modernsten Therapien kombiniert und mit großem Erfolg bei Durchblutungsstörungen, Gefäßerkrankungen sowie Erkrankungen des Bewegungsapparates angewendet. Als Gast unseres Hauses genießen Sie höchste medizinische Kompetenz, moderne Therapien, haubengekrönte Kulinarik, eine exklusive Wohlfühloase und jede Menge Sport- und Freizeitprogramme.
Package „Gesundheitswoche“ 7 ÜN im ****Komfortzimmer mit Vollpension aus der Grünen Haube-Küche (genussvolle Wahlmenüs, Diätempfehlungen, ...) · Nutzung der Wohlfühloase · Gesundheitsvorträge · Herz-Kreislaufgymnastik, Nordic Walking Medizinische und therapeutische Leistungen Erstuntersuchung mit EKG / 5 x Kohlensäure-TrockengasPiscine nach Zeitvorgabe des Arztes / 5 x Heilmassagen, teil / 5 x Elektrophysikalische Therapien oder Magnetfeldtherapien nach Arztvorgabe Angebot gültig bis 31.12.2010
ab
695,00 €
INGT pro Pers. im DZ/SAISONBED
4 Sterne für Ihr Wohlbefinden
Gesundheitsresort Wir sind Vertragspartner der österr. Sozialversicherungen.
Bad Schönau
Am Kurpark 1, 2853 Bad Schönau, Tel. +43(0)2646-8251-0, info@koenigsberg-bad-schoenau.at, www.koenigsberg-bad-schoenau.at
Gesund leben
Im Notfall
© Michael RathMayR (3)
Aus Angst, etwas falsch zu machen, zögern viele Menschen, in einem Notfall lebensrettende Hilfsmaßnahmen zu setzen. Was im Falle des Falles genau zu tun ist, wie die rechtliche Lage aussieht und wie man durch vorbeugende Maßnahmen, bessere Ausbildung und Anwendung des Gelernten mehr Leben retten könnte, erklärt Dr. Michael Baubin im Interview. WEITER AUF SEITE 20
19
20
Gesund leben
„Das Schlimmste ist, wenn der Ersthelfer nichts tut.“
H
err Dr. Baubin, was ist genau zu tun, wenn man als Laie als Erster an einen Unfallort kommt? Zu Beginn ist immer die Eigensicherheit zu beachten, denken Sie beispielsweise an einen Unfall im Straßenverkehr, auf einer Skipiste oder an einen Stromunfall: Hier muss vor jeder Hilfsmaßnahme die Unfallstelle so weit abgesichert sein, dass die Sicherheit des Helfers gewährleistet ist. Ist das der Fall, geht es als Nächstes darum, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen, zu beachten, was die Situation noch beeinflussen könnte und wie das Umfeld aussieht. Zu diesem Überblick gehört auch, in Erfahrung zu bringen, wie viele Verletzte es gibt und was ungefähr abgelaufen ist. Wenn es sich um eine Massenkarambolage auf der Autobahn handelt, muss ich als Ersthelfer anders mit der Situation umgehen, als wenn ein Angehöriger plötzlich zu Hause Brustschmerzen hat. Oft hat man als Ersthelfer bei einem Unfall bzw. Notfall eine Art Tunnelblick und sieht zuerst nur den oder die Verletzten. Am Patienten selbst beurteilt man dann die Lebenszeichen: Bewusstsein, Atmung, Kreislauf – und eine mögliche Verletzung. Beim Bewusstsein geht es darum, ob der Patient ansprechbar ist, ob und wie er – auch auf einen gesetzten Schmerzreiz am Handrücken oder der Oberarminnenseite – reagiert, auf Fragen normal, falsch, langsam oder gar nicht antwortet. Wenn er nicht reagiert, rufen Sie sofort um Hilfe. Als Nächstes wird geprüft, ob der Patient atmet, d.h. ob sich der Brustkorb hebt und senkt, wie oft er atmet, ob die Atmung normal oder wie bei einem Fisch schnappend oder gar nicht vorhanden ist. Ist der Patient reaktionslos und atmet er nicht normal, wird mit der Herzdruckmassage begonnen: 30 Kompressionen senkrecht in der Mitte des Brustkorbs mit einem Rhythmus von 100 pro Minute, dann 2 Beatmungen – im Wechsel weiter 30:2. Die Herzdruckmassagen sollten so wenig wie möglich unterbrochen werden. Jetzt gehört schnellstens ein Defibrillator zum Patienten, sei es, von der sehr bald eintreffenden Rettungs- und Notarztmannschaft, sei es dass ein öffentlich verfügbarer, automatisierter externer Defibrillator (AED) zum Einsatz kommt. So-
Gesund leben
bald dieser AED eingeschaltet ist, leitet er den Anwender mit Sprachanweisungen Schritt für Schritt durch die weiteren Maßnahmen. Sobald die Klebeelektroden des AED auf den Patienten aufgeklebt sind, überprüft das Gerät die elektrische Herzaktion und gibt – wenn als nötig bewertet – die Anweisung zur Auslösung eines Elektroschocks über einen Knopfdruck. Auch bei Verwendung eines AED sollten die Herzdruckmassagen so wenig und so kurz wie möglich unterbrochen werden. AEDs stehen mittlerweile an vielen öffentlichen Stellen, Schwimmbädern, Banken, Tankstellen, öffentlichen Gebäuden, Bürohäusern, Flughäfen etc. zur Verfügung. Aus meiner Sicht ist das noch viel zu wenig bekannt. Erkennbar ist der Standort eines Defibrillators durch ein quadratisches grünes Schild mit einem Blitzsymbol. Leider wird die Aufstellung und der Einsatz dieser AEDs nur ungenügend durch ein umfassendes Qualitätsmanagement begleitet! In Frankreich z.B. ist vor vielen Apotheken insbesondere im ländlichen Bereich ein AED angebracht, in Bayern sah ich kürzlich in einem Dorf einen AED vor dem Rathaus mit direkter Telefonverbindung zur Rettungsleitstelle, in Köln läuft ein großes, von der Universität wissenschaftlich begleitetes Projekt mit zahlreichen öffentlich zugängigen AEDs. Bei schweren Verletzungen soll der Ersthelfer darauf achten, ob starke Blutungen erkennbar sind, ob Gliedmaßen unnatürlich wegstehen oder ob sie verdreht sind. Spätestens jetzt muss der Notruf gesetzt, also die 144 oder die 112 (europäische Notrufnummer) gewählt werden. Wenn Sie den Notruf – 144 – wählen, ste-
hen Sie sofort mit einem erfahrenen Leitstellenmitarbeiter in Kontakt, der Sie anhand eines vorgegebenen Fragenkataloges genau anleitet. Dieses System hat sich besonders bei den Maßnahmen der Wiederbelebung oder bei Geburten und Kindernotfällen bewährt. Zeitgleich dazu wird der Rettungsdienst auf den Weg geschickt. Wozu bin ich als Unfallzeuge verpflichtet? Das hängt vom Grad der Zumutbarkeit ab. Alles, was ich tun kann, ohne mich selber in Gefahr zu bringen, und was ich gelernt habe, sollte ich durchführen; wenn möglich, sollte ich mehr als den Notruf betätigen, denn oft bleibt es leider nur beim Notruf. Vielleicht würde mehr Erste Hilfe geleistet, wenn man sich vorstellt, selbst der Patient zu sein; daher sollte man zumindest so viel Erste Hilfe leisten, wie man auch für sich selbst erwartet. Was passiert, wenn ich bei Erste-HilfeMaßnahmen jemanden versehentlich verletze? Generell wird davon ausgegangen, dass jeder Ersthelfer nach bestem Wissen und Gewissen handelt. Deshalb wird ihm in so einem Fall von Gesetzesseite nichts passieren. Die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung besteht, wenn ich nichts tue. Ich kenne aber keinen Fall einer strafrechtlichen Verfolgung eines Laien, weil dieser etwas falsch gemacht hat. Bei Wiederbelebungsmaßnahmen sind zum Beispiel Rippenbrüche ab einem bestimmten Alter des Patienten in einem gewissen Ausmaß unvermeidbar. Ein Patient, der auf Grund sofort durchgeführter Wiederbelebungsmaßnahmen überlebt hat, wird sich wahrscheinlich nicht über ein paar gebrochene Rippen beschweren.
Zur Person Univ.-Doz. Dr. Michael Baubin ist Bereichsoberarzt für Notfallmedizin an der Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck sowie Vorsitzender des österreichischen Rates für Wiederbelebung.
21
Wie gut sind die Tirolerinnen und Tiroler in Erste-Hilfe-Maßnahmen ausgebildet? Wie könnte man die Ausbildung verbessern? Durch den für den Führerschein verpflichtenden Erste-Hilfe-Kurs gibt es sicher einen hohen Anteil an Ausgebildeten. Die Inhalte dieses Kurses sind jedoch wenig umfassend und es gibt auch keine verpflichtenden Wiederholungskurse. Da sehe ich großen Nachholbedarf. Man könnte jungen Menschen, am besten vom Kindergarten an, die Thematik dem Alter entsprechend näherbringen und bereits in der Schulausbildung einen verpflichtenden Erste-Hilfe-Kurs einführen. Auch im Zuge der Lehrlingsausbildung oder in Zeiten von Arbeitslosigkeit könnte man Erste-Hilfe-Kurse nochmals einbauen. Erste-Hilfe-Techniken sollten in der Gesellschaft systematisch so verankert sein wie Schwimmen oder Radfahren. Ende des Jahres werden weltweit – wie alle 5 Jahre – wieder neue, überarbeitete Leitlinien für die Herz-Lungen-Wiederbelebung veröffentlicht. Sehr bald sollte dieser neue Wissensstand auch in der ErsteHilfe-Lehre berücksichtigt werden. Dazu käme dann auch noch die Prävention, die – vor allem bei Risikogruppen wie älteren, allein lebenden Menschen – unbedingt verstärkt gehört. Hier würde ich beispielsweise die MitarbeiterInnen der Sozialsprengel, der Hauskrankenpflege oder von Essen-auf-Rädern beauftragen. Diese Personen kennen meist die Lebensumstände und die Wohnungen der Gefährdeten; sie sollten geschult sein, mögliche Gefahren (Stolperfallen, rutschige Teppiche, herumliegende Kabel) zu erkennen, etwas dagegen zu unternehmen und Änderungen bzw. Maßnahmen einzuleiten. Durch einen höheren Ausbildungsgrad der Gesellschaft in Erster Hilfe könnten mehr Leben gerettet werden. Durch mehr Förderung vorbeugender Maßnahmen zur Unfallverhütung könnten viele Unfälle vermieden, Krankenhaus- und Rehabilitationskosten massiv gesenkt werden. Die dafür eingesetzten Investitionen würden das Gesundheitssystem letztendlich spürbar finanziell entlasten. Vielen Dank für das Gespräch. INTERVIEW: F. PRANGER
lll
Gesund leben
„Wir überlegen bei jedem Patienten spezifisch, ob ein operativer Eingriff überhaupt notwendig ist.“ DR. MICHAEL BLAUTH, Direktor der Universitätsklinik für Unfallchirurgie
E
ines vorweg: Die Art der Verletzungen im Winter unterscheidet sich – anders als oft gemeinhin angenommen – nicht von jenen, die sich sportlich aktive Menschen im Sommer zuziehen können. „Es gibt keine Verletzungen, die nur in einer bestimmten Jahreszeit entstehen“, stellt Univ.-Prof. Dr. Michael Blauth klar. Der Direktor der Universitätsklinik für Unfallchirurgie in Innsbruck betont zudem,
Rundum
versorgt
© geRhaRd beRgeR
22
Der erste Schnee bringt auch die ersten verunfallten Skifahrer, Snowboarder oder Rodler mit sich. Das Team der Universitätsklinik für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie kümmert sich wie in jedem Jahr unmittelbar und mit Hilfe neuester Methoden um verletzte Sportler jeden Lebensalters. dass die Arbeit für sein Team nach dem „Zusammenflicken“ von Frakturen oder gerissenen Bändern noch nicht getan ist: „Das Operieren von Patienten allein ist zu wenig. Die Unfallchirurgie reicht von der Prävention bis zur Rehabilitation, von der Entstehung einer Verletzung bis zur Wiederherstellung geschädigter Funktionen auch mit Hilfe von physiotherapeutischen Maßnahmen. Wir begleiten unsere Patienten auf ihrem gesamten Genesungsweg.“
Bewusst schützen.
Die unfallchirurgischen Spezialisten der Innsbrucker Universitätsklinik sind häufig mit isolierten Sportverletzungen konfrontiert, die meisten – wie der Kreuzbandriss oder der Schlüsselbeinbruch – betreffen einen Knochen oder einen Bandapparat des Körpers. So werden pro Jahr rund 250 Kreuzbandrisse operativ behandelt, Tendenz steigend. Dass die Häufigkeit von Sportverletzungen insgesamt zuneh-
Gesund leben
me, kann Dr. Michael Blauth jedoch nicht bestätigen: „Man kann lediglich festhalten, dass die Anzahl derjenigen, die Sport betreiben, sowie die Möglichkeiten, einen Sport auszuüben, zunehmen. Natürlich geht man beim Sporteln, wie etwa auch beim Autofahren, ein gewisses statistisches Risiko ein, sich zu verletzen – aber zu behaupten, es sei heute gefährlicher als früher, halte ich für übertrieben.“ Jeder Hobbysportler sollte sich – wie auch der Profi – der Risikofaktoren bewusst sein und sich bereits vorsorglich gegen mögliche Verletzungen wappnen. Dazu gehört etwa die körperliche Vorbereitung, denn laut Dr. Blauth sei gerade die Selbstüberschätzung eine große Gefahr. Auf den Skisport bezogen heißt das zum Beispiel, dass man die Anzahl der Fahrten an einem Skitag nicht übertreibt und darauf achtet, ob der eigene Körper genug hat. Beim Skifahren lässt sich das Verletzungsrisiko durch das Tragen eines Helmes oder von Protektoren weiter verringern: „Klarerweise bin ich deshalb nicht vor einem Kreuzbandriss geschützt, aber diese Schutzmaßnahmen bringen auf jeden Fall mehr Nutzen als die mögliche Gefahr einer höheren Risikobereitschaft. Ein Helm kann schwere Schädel-Hirn-Verletzungen vermeiden, ein Protektor schützt den Rücken“, meint Dr. Blauth. Skifahren ist allerdings nur ein Beispiel für viele Sportarten, in denen präventiv Verletzungen vorgebeugt werden kann – ein Helm sollte beispielsweise auch beim Radfahren oder Klettern obligatorisch sein. Bei Einzelsportarten ist der Sportler jedenfalls selbst auf sich und den Schutz seines Körpers angewiesen – bei Teamsportarten wiederum hängt vieles vom Verhalten der Gegen- bzw. Mitspieler ab.
Wiederherstellung der Funktion.
Kommt es trotz aller vorbeugenden Maßnahmen zu einem Unfall, erreichen die Verletzten die Unfallchirurgie in der Regel sehr rasch. Dies liegt unter anderem an einer ausgezeichneten Rettungskette, wie Dr. Michael Blauth hervorhebt: „Sowohl die Ausbildung als auch die Qualität der Rettungskräfte ist in Tirol auf allerhöchstem Niveau, die Rettungszeiten sind sehr kurz. Selbst aus dem tiefsten Tal gelangen Verletzte überaus rasch zu uns in die Klinik.“ Die Palette an Sportverletzungen, die an der Universitätsklinik behandelt wird, reicht von kleinsten Prellungen und Zerrungen über Bänderrisse und Knochenbrüche bis hin zu lebensbedrohlichen
Mehrfachverletzungen. Die überwiegende Zahl der Patienten an der Innsbrucker Unfallchirurgie weist aber leichte bis mittlere Blessuren auf. Im Vordergrund steht die Wiederherstellung der Funktion des beschädigten Körperteils. Bei normalen Frakturen und Bänderrissen gelingt dies durch die Fortschritte der Medizin praktisch zu 100 Prozent. „Bei komplexeren Verletzungen mit Beteiligung mehrerer Körpersysteme, z.B. von Gefäßen oder Nerven, muss man mit der Prognose zum Genesungsverlauf vorsichtiger sein. Mit bleibenden Einschränkungen ist durchaus zu rechnen – wie gut man sich erholt, hängt aber auch vom Mitwirken des Patienten ab, vor allem in der Reha-Phase“, erläutert Dr. Michael Blauth.
Neueste Operationstechniken.
Der Trend bei der Behandlung von Verletzungen geht dank hochmoderner Geräte und dem großen Forschungsaufwand, der auch an der Innsbrucker Klinik betrieben wird, heute ganz klar in Richtung minimalinvasiver, operativer Eingriffe, durch die Haut und sonstige Gewebe des Patienten nur geringfügig verletzt werden. „Die neuesten Operationstechniken ermöglichen es uns, die zusätzlichen Schädigungen minimal zu halten. Mit weniger geschädigtem Gewebe verläuft der Heilungs- und Wiederherstellungsprozess nach einer Operation wesentlich schneller“, so Dr. Blauth. Zwar hat der Gipsraum – insbesondere im Winter – immer noch Hochkonjunktur, doch Ruhigstellungen des verletzten Körperteils in Form von Gipsverbänden oder starren Schienen werden mittlerweile weitgehend vermieden. Denn ruhiggestelltes Gewebe verkümmert und die Muskelmasse, die in nur einer Woche verloren geht, braucht Monate, um wieder aufgebaut zu werden. Die modernen Operationsmethoden haben dem Gipsen jedenfalls den Rang abgelaufen. Dazu trägt auch bei, dass die Patienten sich heutzutage nach ausführlicher Erörterung aller Optionen häufiger als früher für die operative Variante entscheiden, um so rasch wie möglich wieder voll einsatzfähig und nicht zuletzt auch berufstätig sein zu können. Generell werden in einem unabhängigen Beratungsgespräch die jeweiligen Vorund Nachteile einer konservativen oder operativen Methode abgewogen, erörtert Dr. Michael Blauth: „Wir überlegen bei jedem Patienten spezifisch, ob ein operativer Eingriff überhaupt notwendig ist. Eine Operation birgt immer ein gewisses Risiko, auch wenn es in der heutigen Zeit sehr ge-
23
Zur Person Univ.-Prof. Dr. Michael Blauth ist Direktor der Universitätsklinik für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie,Sporttraumatologie und Rettungsmedizin, Wirbelsäulenchirurgie. Homepage der Universitätsklinik für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie: unfallchirurgie.uklibk.ac.at
ring gehalten werden kann.“ Nach der Versorgung einer Verletzung – egal, ob operativ oder nicht, beginnt eine zumeist längere Phase der Nachbehandlung, denn die Genesung nach einem Unfall braucht Zeit. Ein herkömmlicher Bänderriss bedeutet zumindest sechs Wochen sportliche Pause, ist das vordere Kreuzband im Knie gerissen, muss mit mindestens einem halben Jahr Zwangspause für gewisse Sportarten gerechnet werden. Der Betreuungsprozess während der unmittelbar postoperativ einsetzenden Rehabilitationsphase ist für Dr. Blauth enorm wichtig: „Eine Verletzung ist stets auch eine psychische Belastung für den Patienten. Wir versuchen, im Rahmen der Nachbehandlung auch psychische Hemmschwellen zu überwinden. Bei der Genesung gibt es immer Auf und Abs – wie im Sport selbst auch.“ Prinzipiell kann man heute meist wesentlich früher wieder viel mehr Aktivitäten „erlauben“ als früher – einerseits weil die Methoden besser geworden sind, zum anderen weil es bessere Daten gibt, durch die dargelegt wird, dass diese Vorgehensweise dem Patienten nützt und nicht schadet. D. NASCHBERGER lll
24
Gesund leben
Gesundheit in Innsbruck Das Amt für Gesundheit, Marktund Veterinärwesen hat ein breites Zuständigkeitsgebiet: amtsärztliche Untersuchungen und Begutachtungen, Schulimpfaktionen, die Kontrolle von Lebensmittelstandards, Tierschutz und Nutztiergesundheit, Infektionswesen, Prostituiertenuntersuchungen, Tuberkulosefürsorge und Desinfektion gehören zu den Aufgaben. Die Gesundheitsförderung ist keine primäre Aufgabe, sondern eine freiwillige Leistung der Stadtregierung. Die Stadt Innsbruck ist in diesem Bereich besonders aktiv. Das flächendeckende ZahnprophylaxeProgramm für Kindergärten und Schulen ist eine der erfolgreichsten Vorsorgeinitiativen Österreichs. Seit 2004 gibt es ein Förderprogramm, das unabhängig vom Impfkonzept des Bundes die Pneumokokken-Impfung von Säuglingen und Kleinkindern fördert. Weiters bietet die Stadt Innsbruck Informationsveranstaltungen wie die Gesundheitsstraße und Vortragsreihen, Bewegungsund Impfprogramme für Senioren und vieles mehr.
P U B L i C R E L AT i O N S
Innsbruck –
Eine gesunde Stadt Die Stadt Innsbruck ist Vorreiter in Sachen Gesundheitsvorsorge und Mitglied des „Gesunde Städte“-Netzwerks Österreich. Im Gespräch berichten Stadträtin Univ.Prof. Dr. Patrizia Moser und Dr. Ber Neuman, Amtsvorstand für Gesundheit, Marktund Veterinärwesen, von den vielfältigen Initiativen im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention.
W
as verbirgt sich hinter dem klingenden Namen „Gesunde-Städte-Netzwerk“? DR. NEUMAN: Die Stadt Innsbruck ist mit Gemeinderatsbeschluss von vor über zehn Jahren Mitglied im Gesunde-Städte-Netzwerk geworden. Die Mitgliedsstädte verpflichteten sich, die Ziele der Ottawa-Charta zu verfolgen. Im Wesentlichen geht es darum, unterschiedliche Strategien der Gesundheitsaufklärung, Gesundheitserziehung, Gesundheitsbildung, Gesundheitsberatung, Gesundheitsselbsthilfe und der Präventivmedizin anzuwenden. Das macht die Stadt Inns-
bruck auch. Vieles ist inzwischen auch rechtlich verankert. Welche Maßnahmen der Stadt Innsbruck im Bereich Gesundheitsvorsorge sind Ihnen besonders wichtig? UNIV.-PROF. DR. MOSER: Der Stadt Innsbruck liegen Vorsorge und Prophylaxe im Allgemeinen sehr am Herzen. Wir versuchen auf unterschiedlichste Art und Weise, die Bevölkerung zu informieren. Dazu gehört auch, dass wir direkt auf die Menschen zugehen und in der Öffentlichkeit präsent sind. Es gibt zum Beispiel die Gesundheitstage in den RathausGalerien und die Gesundheitsstraße im Sillpark. So
Gesund leben
erreichen wir die Menschen quasi im Vorbeigehen und können sie auf Früherkennungsprogramme und Untersuchungen aufmerksam machen. So sind die Informationen sehr vielen Menschen ohne großen Aufwand zugänglich. Was passiert bei den Gesundheitstagen? UNIV.-PROF. DR. MOSER: Dort stehen Ärzte und medizinisches Personal für Fragen zu allen möglichen Gesundheitsthemen zur Verfügung. Jeder kann sich dort informieren und auch untersuchen lassen. In diesem Jahr haben in zwei Tagen fast 4000 Menschen diese Gelegenheit wahrgenommen. Wo liegt derzeit Ihr Schwerpunkt? UNIV.-PROF. DR. MOSER: Ein neues Thema war in diesem Jahr die Vorsorge gegen Dickdarmkrebs. Das ist uns ein großes Anliegen. Die Darmkrebs-Vorsorge ist bei Weitem noch nicht so populär wie beispielsweise die Brustkrebsprophylaxe. In diesem Bereich hat die Pink-Ribbon-Initiative sehr viel bewirkt. Im kleinen Rahm en möchten wir etwas Ähnliches für Dickdarmkrebs. Denn auch hier ist Vorsorge immens wichtig, die Heilungschancen im Frühstadium sind sehr gut. Die Bevölkerung ist noch viel zu wenig aufgeklärt: Was Darmkrebs ist, wie er entsteht und dass es auch einfach therapierbare Vorstufen gibt, gehört nicht zum Allgemeinwissen. Auch die Angst vor der Darmspiegelung ist sehr groß, obwohl das inzwischen eine schmerzfreie und kurze Untersuchung ist. Leider besteht hier ein enormes Informationsdefizit. Wir werden auch im nächsten Jahr zahlreiche Aktionen starten, um das Bewusstsein in der Bevölkerung zu stärken. Es ist uns ein Anliegen, die Menschen dazu zu bewegen, zur Vorsorge zu gehen. Welche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung trifft die Stadt Innsbruck bei den Kindern?
DR. NEUMAN: Seit etwa 20 Jahren sind wir sehr aktiv, was die Zahnprophylaxe betrifft. Zahnarztassistentinnen und -assistenten gehen an die Schulen, um den Kindergartenkindern und Volksschulkindern das richtige Zähneputzen und die richtige Ernährung für gesunde Zähne näherzubringen. Das Programm ist sehr erfolgreich, man kann gut verfolgen, dass sich die Zahngesundheit der Kinder enorm verbessert hat, und es wird auftrags der Stadt Innsbruck durch den Arbeitskreis für Vorsorgemedizin durchgeführt. Studien zeigen, dass Kinder sich zu wenig bewegen und immer dicker werden. Was passiert im Bereich Ernährung und Bewegung? UNIV.-PROF. DR. MOSER: Es gibt ein Bewegungs- und Koordinationsprojekt in den Schulen mit einer gleichzeitigen Ausbildung der Lehrer und Lehrerinnen. Außerdem fördern wir auch Projekte wie die „Gesunde Jause“. Wir arbeiten aber momentan an einem Konzept speziell für adipöse Kinder – dieses wird auch ein Bewegungs- und Ernährungsprogramm beinhalten. Nach welchen Kriterien suchen Sie die Themen für Ihre Schwerpunktaktionen aus? DR. NEUMAN: Wir haben nur ein sehr be-
25
schränktes Budget und orientieren uns aus diesem Grund an Nischen. Am Weltdiabetes-Tag (Anm. 14.11.) wird es rundherum zahlreiche Aktionen geben – da wird es z.B. von unserer Seite aus nichts geben. UNIV.-PROF. DR. MOSER: Kürzlich haben wir in Kooperation mit der Tilak einen Aktionstag zum Thema Augen veranstaltet. Für zwei Stunden standen Augenärzte für Vorträge und Beratung zur Verfügung. Das wurde außerordentlich gut angenommen. Die Experten beantworten auch Fragen – und das auf eine verständliche Art und Weise. Wir unterstützen auch externe Gesundheitsvorsorgeprogramme und arbeiten in einigen Fällen auch zu. Planen Sie auch Maßnahmen im psychosozialen Bereich? UNIV.-PROF. DR. MOSER: Aber ja, das ist ein sehr wichtiges Thema und wird in den kommenden Jahren bestimmt noch wichtiger. Einer der Informationsstände bei den letzten Gesundheitstagen in den RathausGalerien widmete sich dem Thema Depression. Dort haben sich zwar nur wenige direkt beraten lassen, aber es wurde auffallend viel Informationsmaterial ausgegeben. Das zeigt uns, dass in diesem Bereich Bedarf besteht und Hemmschwellen abgebaut werden müssen. Vielen Dank für das Gespräch.
Die Personen Dr. Ber Neuman ist Amtsvorstand für Gesundheit, Markt- und Veterinärwesen und Abteilungsleiterstellvertreter des Ressorts Gesundheit und Soziales der Stadt Innsbruck.
Dr. Patrizia Moser führt die Bereiche Gesundheit, Marktund Veterinärwesen, Kultur sowie Frauenförderung und Senioren. Sie ist weiters Professorin an der Medizinischen Universität Innsbruck.
lll
26
Gesund leben
„Wichtig ist, für sich selbst den richtigen Rhythmus zu finden.“ DR. WOLFGANG SCHOBERSBERGER, Direktor des Instituts für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG).
Gesund leben
27
Im kühlen Nass Egal ob jung oder alt, ob Sommer oder Winter – Schwimmen ist für jedermann und zu jeder Jahreszeit geeignet. Als eine der natürlichsten Sportarten hält es Körper und Seele fit.
D
as Element Wasser begeistert die Menschen seit Anbeginn der Zeit. Kein Wunder, möchte man meinen. Immerhin besteht der menschliche Körper zum überwiegenden Teil selbst aus Wasser. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum Schwimmen ein derart beliebter Freizeitsport ist. Ein anderer ist sicherlich, dass es zu den natürlichsten aller Sportarten gehört und keinerlei große Ausrüstung erfordert. „Schwimmen ist auch deshalb eine spezielle Sportart, weil das Element Wasser etwas Einzigartiges und auch Faszinierendes ist: Die Temperatur und die Dichte sind anders als an Land, man ist im Wasser auch nur halb so schwer – Bewegungen haben daher andere Auswirkungen auf den Körper“, erzählt Univ-Prof. Dr. Wolfgang Schobersberger, der Direktor des Instituts für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG).
Viele Vorteile.
Wenn wir ins Wasser steigen, spüren wir sofort die Temperaturunterschiede, die Temperatur im Wasser ist meist kühler als jene an der Luft. Dieser Kältereiz hat Auswirkungen auf die Blutverteilung im Körper, die Zirkulation in den äußeren Gefäßen wird gefördert – das Herz muss mehr Pumpleistung erbringen. Hinzu kommt die körperliche Bewegung, durch die die
Atemmuskulatur trainiert wird: Denn sowohl Lunge als auch Brust kämpfen gegen den erhöhten Widerstand im Wasser. „Regelmäßiges Schwimmen hat sicherlich denselben präventiven Effekt wie Wandern oder Laufen“, meint Dr. Schobersberger, betont aber auch, dass der Mensch aufgrund der rascheren Ermüdung diesen Sport nicht übermäßig lange ausführen kann. „Die Gefahr der Übermüdung ist relativ groß. Beim Schwimmen wird mehr Sauerstoff verbraucht, weil der gesamte Körper gefordert ist. Um Schwimmen demnach als Ausdauersportart betreiben zu können, bedarf es sehr viel an regelmäßigem Training. Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, wie lange man im Wasser durchhält.“ Der Sportmediziner sieht Schwimmen für Hobbysportler als gute Ergänzung zu anderen Sportarten und als einen sinnvollen Teil eines sportlichen Trainingsplans. Denn immerhin benötigt man für regelmäßiges Schwimmen viel Muskelmasse und verbraucht innerhalb kurzer Zeit viele Kalorien – dennoch ist Schwimmen kein klassischer Fettverbrenner. Um die Grundlagenausdauer zu erhöhen, sollte man sich drei- bis viermal pro Woche bis zu einer Stunde ins Wasser begeben. Für präventive Gesundheitsmaßnahmen reicht es aber schon aus, einmal in der Woche schwimmen zu gehen. Ein Vorteil des Schwimmens ist, dass
Was ist das ISAG? Das Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus betreut Athleten aller Leistungsklassen, vom Breiten- bis zum Spitzensportler. Die Kernkompetenz liegt in internistischen und orthopädischen Untersuchungen mit Schwerpunkt auf sportmedizinischen Fragestellungen. Dafür stehen modernste Untersuchungsmethoden zur Leistungsbeurteilung zur Verfügung. Die Ergebnisse dienen als Grundlage sowohl für ein wettkampf- als auch gesundheitsorientiertes Training mit dem Ziel optimaler Effektivität bei minimalem Risiko. Erweitert wird das Angebot im ISAG durch die enge Kooperation mit verschiedensten Abteilungen der Universitätsklinik. Interessierte Hobbysportler können das Angebot eines Leistungstests inklusive Trainingsberatung nutzen (Preise zwischen 150 und 210 Euro). Kontakt institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus Anichstraße 35 6020 Innsbruck Tel.: 0512/504 23450 Fax: 0512/504 23469 isag.tilak.at
28
Gesund leben
Was ist Aquafitness? Damit ist nicht die klassische Wassergymnastik gemeint, sondern ein fitnessorientiertes Ganzkörpertraining im Wasser in verschiedensten Varianten. Mittels Aquafitness sollen die Eigenschaften des Wassers genutzt werden, um Arme, Beine, Po und Rumpf zu trainieren und Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit zu verbessern. Aquafitness arbeitet mit zahlreichen Aerobic- und Pilateselementen – Wasserauftrieb und Wasserwiderstand fördern die Gelenkentlastung, Muskelkraft, Kondition und Koordination. Durch das Training im Wasser werden der Körper zudem abgehärtet und das Herz-KreislaufSystem gestärkt. Einige Varianten von Aquafitness: Aquaboxing/Aquadrill Bei beiden geht es um Kampfsportbewegungen im Wasser ohne Gegner. Durch die spezifischen Arm- und Beinbewegungen werden Beweglichkeit und Körperbeherrschung trainiert und wird die Kraftausdauer gesteigert. Aquarobic Bei der Wasservariante von Aerobic werden verschiedene Bewegungen wiederholt mit mittlerer bis schneller Bewegungsgeschwindigkeit durchgeführt. Damit soll die Grundlagenausdauer verbessert werden. Aquajogging/Aquarunning Das Laufen im Wasser trainiert die Ausdauer. Mit den Beinen werden die Laufbewegungen ausgeführt, die Arme müssen sich unter Wasser mitbewegen. Aquastep Step-Aerobic im Wasser mittels einer am Boden befestigten Plattform trainiert die Beine und das Gesäß und fördert die Koordination. Hydro-Power/Aqua Power Bewegungsübungen mit Hanteln oder diversen anderen Geräten werden mit einer bestimmten Anzahl an Wiederholungen absolviert. Die Verbesserung der Kraftausdauer und die Straffung des Bindegewebes stehen im Vordergrund. Konditionelle Wassergymnastik Die klassische Wassergymnastik hat die Förderung von Kraft und Ausdauer als Ziel. Bei verschiedensten Übungen werden Spiel- und Sportgeräte wie Bälle, Ringe oder Bretter eingesetzt. Quelle: www.fitnesswelt.de
Die verschiedenen Schwimmstile
S
chwimmen kann in den unterschiedlichsten Varianten ausgeübt werden. Bekannt sind vor allen Dingen die vier Grundtechniken Brustschwimmen, Kraulen, Rückenschwimmen und Delfin, die allesamt individuelles Training zur Erlernung erfordern. Brustschwimmen Das Brustschwimmen ist jene Technik, die am weitesten verbreitet ist und in Schwimmkursen zumeist als erste erlernt wird. Bei diesem Stil wechseln sich Zug- und Gleitphase ab: Durch einen gleichzeitig ausgeführten Zug beider Arme unter dem Körper nach hinten wird das Wasser verdrängt, die Beine sorgen mit an einen Frosch erinnernden Bewegungen für zusätzlichen Antrieb. Brustschwimmen trainiert insbesondere die Brust-, Schulterund Armmuskulatur, sowie auch das Herz-Kreislauf-System. Kraulen Kraulen ist die schnellste Schwimmart: Durch einen wechselseitigen Armzug kombiniert mit einem wechselseitigen, kraftvoll ausgeführten Abwärts-Beinschlag wird ein optimaler Vortrieb erzeugt. Kraulen beansprucht in erster Linie die Armmuskulatur, die Arme sorgen für rund 80 Prozent des Antriebs – sie werden über das Wasser nach vorne und dann am Körper entlang unter dem Wasser nach hinten geführt. Zum Atmen wird der Körper in einem regelmäßigen Rhythmus (der allerdings je nach Schwimmer variieren kann) seitlich gedreht, das Gesicht ragt dabei aus dem Wasser. Beim Kraulen werden sowohl Kraft als auch Ausdauer in hohem Maße trainiert.
Rückenschwimmen Beim Rückenschwimmen bleiben Mund und Nase außerhalb des Wassers, die Atemtechnik wird dadurch erheblich vereinfacht. Das Wasser trägt den Kopf des Schwimmers, die Muskeln der Wirbelsäule im Hals- und Rückenbereich werden dadurch entlastet. Die Bewegungen sind prinzipiell jenen des Kraulens nicht unähnlich: Der Armzug wird wechselseitig ausgeführt, die Arme tauchen über dem Kopf ins Wasser ein, werden unter Wasser zum Körper in Richtung der Beine geführt und oben wieder zurück. Die Beine sind gestreckt und müssen wechselseitig auf- und abwärts bewegt werden. Der Kopf darf beim Rückenschwimmen nicht an die Brust gezogen werden, da dies die Halswirbelsäule zu stark belastet. Delfin (=Schmetterling) Delfin- bzw. Schmetterlingsschwimmen ist ein überaus anspruchsvoller Schwimmstil und hat sich aus der Brusttechnik entwickelt – Delfin gilt als schnellste Disziplin nach dem Kraulen. Der Hauptantrieb geht hierbei ebenfalls von den Armen aus, Kraft und Kraftausdauer sind Grundvoraussetzungen, um diesen Stil überhaupt durchführen zu können. Beide Arme werden gleichzeitig unter Wasser mit einer S-förmigen Bewegung von vorne nach hinten geführt und anschließend über den Kopf wieder nach vorne gebracht. Pro Armzug werden zwei Beinschläge ausgeführt, die Beine bewegen sich wie die Flosse eines Delfins (Ganzkörper-Wellenbewegung vom Brustkorb bis in die Füße). Die Delfintechnik fördert nicht nur die Ausdauer, sondern auch die Beweglichkeit der Wirbelsäule und der Schultergelenke. Trainiert werden Brust-, Arm-, Rücken- und Beinmuskulatur. Quelle: www.fitnesswelt.de
Gesund leben
durch den Auftrieb des Wassers der Band- und Bewegungsapparat des menschlichen Körpers weitaus weniger belastet wird als bei anderen Sportarten. Schwimmen eignet sich als relativ risikoarmer Sport auch hervorragend zur Regeneration nach Verletzungen. Nachweislich hebt die Bewegung im Wasser außerdem die Laune des Menschen, Schwimmen entspannt und hilft, belastende Stresssituationen zu überwinden.
Zur Person Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schobersberger, Direktor des Instituts für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG)
© Raiffeisen
Wenige Nachteile.
Welcher Schwimmstil der richtige ist, lässt sich pauschal nicht sagen. „Prinzipiell kann man alle ausprobieren. Wichtig ist vielmehr, für sich selbst den richtigen Rhythmus zu finden – die Frequenz ist bewegungsabhängig. Es macht aber auf jeden Fall Sinn, sich die korrekten Schwimmtechniken in einem Kurs beibringen zu lassen“, erklärt Dr. Schobersberger. Mit einer optimierten Technik lassen sich die gewünschten sportlichen Effekte weitaus einfacher erreichen – vor allem kann der Energieaufwand deutlich reduziert werden. Wenn es Nachteile beim Schwimmen gibt, liegen diese nicht in der Sportart selbst, sondern in äußerlichen Faktoren. Das Chlorwasser in Schwimmbädern kann auf Dauer zu Hautproblemen führen und es reizt die Augen, eine Schwimmbrille ist daher absolut ratsam. Und Dr. Wolfgang Schobersberger spricht noch eine Tücke des Schwimmens als Freizeitsport an: „Bäder sind oftmals überfüllt und es ist nicht immer leicht, eine Bahn zu bekommen, auf der man ungestört seine Längen ziehen kann.“ D. NASCHBERGER lll
29
MIT NACKTEN GLüHBIRNEN ist es wie mit der Vorsorge: Man schiebt es gerne auf. Doch damit ist jetzt Schluss: Der Raiffeisenberater weiß, wie man heute für morgen vorsorgen kann – und das schon mit kleinen Beträgen!
P U B L i C R E L AT i O N S
Aufschieben gilt nicht! Finden Sie heraus, welcher Vorsorgetyp Sie sind. Jetzt – mit Ihrem Raiffeisenberater! Hat nicht jeder daheim eine nackte Glühbirne hängen, wo längst eine Lampe hin sollte? Manche Dinge schiebt man viel zu lange auf. Beim Thema Vorsorge ist es nicht anders. Dabei gilt gerade hier: Schon kleine Beträge haben große Wirkung. Wenn man heute damit anfängt – und nicht morgen. Um den erarbeiteten Lebensstandard zu halten, ist Eigeninitiative erforderlich. Finden Sie heraus, welcher Vorsorgetyp Sie sind. Am besten jetzt, im Gespräch mit Ihrem Raiffeisenberater!
M
it jeder Lebensphase ändern sich unsere Lebensgewohnheiten und damit auch die finanziellen Anforderungen. Deshalb sollten auch Sie Ihre persönliche Vorsorgestrategie dem jeweiligen Lebensabschnitt anpassen. Wichtig ist dabei, dass man sich rechtzeitig den Überblick verschafft. Das gilt für jeden Lebensbereich und für die Pensionsvorsorge ganz besonders.
Sind Sie richtig abgesichert? Sind Sie spontan und unabhängig, haben Sie ganz bestimmte Ziele für Ihr Leben? Oder stehen Sie bereits „voll im Leben“ und setzen Sie auf das Thema Sicherheit? Oder wollen Sie sich ganz bestimmte Lebensträume erfüllen? Mit solchen Fragen lässt sich feststellen, welche Vorsorge am besten geeignet ist. Die Tiroler Raiffeisenbanken bieten Ihnen individuelle, auf Ihre Bedürfnisse abgestimmte Vorsorgelösungen. Die Möglichkeiten zur persönlichen Vorsorge sind heutzutage zahlreich und äußerst vielfältig. Für die Wahl der richtigen Sparund Anlageform ist es wichtig, genau zu wissen, welche Ziele und Pläne man hat. Ihr Raiffeisenberater unterstützt Sie dabei! Sprechen Sie deshalb jetzt mit Ihrem Raiffeisenberater. www.raiffeisen-tirol.at
lll
30
Gesund leben
Der Grippevirus Es gibt drei verschiedene Gruppen von Influenzaviren – Influenza A, B und C –, wobei Influenza-C-Viren für den Menschen keine Rolle spielen. Ein Virus besteht u. a. aus den Proteinen Hämaglutenin (HA) und Neurademitas (NA). Diese Proteine können verschiedene Formen entwickeln und miteinander kombinierte Variationen ergeben. Theoretisch sind bis zu 150 unterschiedliche Influenza-A-Viren möglich. Durch diese Kombination von HA und NA entstehen bekannte Namen wie „AH1N1v“, die umgangssprachliche Schweinegrippe, oder der Influenzavirus „H5N1“, die Vogelgrippe.
„Es werden keine lebenden Viren geimpft – daher kann man von der Impfung keine Grippe bekommen.“ UNIV-PROF. DR. GüNTER WEISS, stellvertretender Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin
Impfen – ja oder nein?
In den Medien ist die Grippewelle Jahr für Jahr ein Thema – es wird geraten, sich vorsorglich impfen zu lassen. Einige Bevölkerungsgruppen sollten diesen Rat befolgen, aber es müssen nicht gleich alle zum Arzt gehen.
E
ine Grippe ist nicht immer das, was man im Volksmund darunter versteht. Während Erkältungskrankheiten oder grippale Infekte mit Schnupfen, Halsschmerzen und gering erhöhter Temperatur beginnen und bald wieder abklingen, verläuft eine richtige Grippe nicht so mild. „Symptome sind Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Schwäche, Bettlägerigkeit und 39 bis 40° Fieber. Es kann auch zu sekundären Komplikationen wie Lungenentzündungen oder Mittelohrentzündungen bei Kindern kommen, mitunter ist auch das Herz geschwächt“, berichtet Univ-Prof. Dr. Günter Weiss. Hat man erst einmal eine Grippe, gibt es mehrere Möglichkeiten der Therapie. Die Mehrzahl der Bevölkerung braucht
Gesund leben
keine Hilfe von außen, es genügen Bettruhe und ausreichende Flüssigkeitszufuhr – und man muss Geduld haben. Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Grippeverlauf oder Komplikationen sollten jedoch innerhalb von zwei Tagen nach Auftreten der Symptome behandelt werden. Zur Risikogruppe zählen ältere Menschen und auch Personen mit einem eingeschränkten Immunsystem, z. B. bei einer chronischen Erkrankung. „Diesen Patienten werden spezifische Grippemedikamente verabreicht, sogenannte Neuraminidase-Hemmer, die sozusagen die Ausbreitung des Virus blockieren“, erklärt Dr. Weiss. Diese helfen jedoch nur bei Beginn der Behandlung in den ersten 48 Stunden nach Auftreten der Symptome.
Rechtzeitig vorbeugen.
Im Idealfall sollten sich diese gefährdeten Gruppen rechtzeitig und regelmäßig impfen lassen, damit schwere Komplikationen erst gar nicht auftreten können. Bei dieser Form der Prophylaxe handelt es sich um eine sogenannte Totimpfung, bei der meist Oberflächenbestandteile von drei verschiedenen Influenza-Viren geimpft werden. Es wird empfohlen, bereits im Oktober oder Anfang November zur Impfung zu gehen, jedenfalls rechtzeitig, bevor im Dezember oder Jänner die alljährliche Grippeepidemie in unseren Breiten ankommt. Wichtig ist, dass der Patient zum Impfzeitpunkt gesund ist, damit es nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen kommt. Da die Schutzwirkung nicht besonders lange anhält und die Viren sich ständig verändern, sollte die Impfung jährlich erneuert werden. Neben jener Bevölkerungsgruppe, die aus gesundheitlichen Gründen geschützt werden sollte, macht die Impfung auch Sinn für Menschen, die im Laufe des Tages viel Personenkontakt haben. Dazu gehören unter anderem Jobs im Gesundheitswesen – Ärzte, Schwestern, Therapeuten und Altenpfleger. In Österreich ist eine Impfung für diese Berufsgruppen keine Pflicht. „In den USA gibt es jedoch Studien, die belegen, dass in Altersheimen, in denen das Personal geimpft wird, die Sterblichkeitsrate der Bewohner während der Grippeepidemie deutlich vermindert ist“, erläutert Dr. Weiss. Hier gilt es nicht, Selbstschutz zu betreiben, sondern seine Patienten und Kunden zu schützen. „Es gibt aber keine Wirkung ohne Nebenwirkung“, stellt der Mediziner klar. Generell wird die Grippeimpfung jedoch gut
vertragen. „Wichtig ist festzuhalten, dass keine lebenden Viren geimpft werden – daher kann man von der Impfung keine Grippe bekommen“, so Dr. Weiss. Es kann sein, dass man ein „grippiges Gefühl“ verspüre, also Gelenkschmerzen oder Muskelschmerzen. Dies sei aber nur ein Ausdruck der Immunreaktion und zeige, dass der Körper Antikörper bildet und auf die Impfung reagiert. In sehr wenigen Fällen können bei der Grippeimpfung schwerere Nebenwirkungen aufgrund von Hühnereiweiß-Unverträglichkeit auftreten. (Der Impfstoff wird aus infizierten und kurz angebrüteten Hühnereiern gewonnen.) Für solche Patienten gibt es mittlerweile neuere, sogenannte rekombinante Impfstoffe. In Österreich werden Kinder vor der Impfung genau untersucht, um andere Unverträglichkeiten auszuschließen und somit eine unerwünschte Reaktion auf die Impfung weitgehend auszuschließen. S. BOYKS lll
31
Zur Person Univ.-Prof. Dr. Günter Weiss ist stellvertretender Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin in Innsbruck. Er wurde 2009 zum Professor für „Klinische Infektiologie und Immunologie“ berufen, damit verbunden ist auch die Leitung des gleichnamigen Bereichs an der Univ.-Klinik für Innere Medizin.
„Panik ist
ein schlechter Ratgeber“
S
ind Sie der Meinung, dass die Medien in der Vergangenheit unnötig viel Panik zum Thema Grippe verbreitet haben? Im letzten Jahr herrschte eine etwas andere Situation. Es gab eine Infektion mit einem neuen Virus und am Anfang war nicht absehbar, wie sich diese Erkrankung wirklich entwickelt. Im März 2009 gab es besorgniserregende Berichte aus Mexiko, dass junge Menschen schwer erkrankt waren, auf die Intensivstation mussten und auch an der Infektion verstorben sind. Das hat Erinnerungen an den Ablauf der Spanischen Grippe vor 90 Jahren mit mehr als 20 Millionen Todesopfern wachgerufen. Im Endeffekt hat sich das glücklicherweise alles als nicht so dramatisch herausgestellt. Die WHO hat diese Pandemie weniger aufgrund der Schwere der Krankheit als aufgrund der weltweiten Ausbreitung der Infektion auf über 200 Länder ausgerufen. Glücklicherweise verlief die Infektion in den allermeisten Fällen
relativ mild. Allerdings gab es auch eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen, die an dieser neuen Grippe verstorben oder wochenlang auf der Intensivstation gelegen sind. Ist es nicht auch positiv, wenn die Medien immer wieder über Grippe-Epidemien berichten? Ich denke, es ist gut, dass informiert wird, dass vor allem sachlich informiert wird und das Für und Wider auf den Tisch gelegt wird. Alles, was in Hysterie und Panik ausartet, ist immer problematisch. Panik ist ein schlechter Ratgeber und ausgewogene Berichterstattung ist hier sicherlich sehr hilfreich. So kann jeder seine Entscheidung treffen oder auch zusammen mit dem Hausarzt herausfinden, ob es im Einzelfall sinnvoll ist, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Vielen Dank für das Gespräch.
lll
32
Gesund leben
SCHÖNES
LEBEN Freuen Sie sich schon heute auf Ihre Zukunft mit Golden Life Plus. Ihre starke Pensionsvorsorge mit 9 % staatlicher Prämie*.
Unsere Landesbank.
www.hypotirol.com *
Staatliche Förderung in Höhe von 9,0 % im Jahr 2010 (max. 203,74 €), in den darauf folgenden Jahren zwischen 8,5 und 13,5 %. Der Inhalt stellt weder nach österreichischem noch ausländischem Recht eine Einladung zur Anbotstellung zum Kauf oder Verkauf dar, sondern dient ausschließlich der Information. Irrtum und Druckfehler vorbehalten.
Gesund leben
Die ganze Kraft Tirols steckt in unserer Bank. Und das seit 체ber 100 Jahren. Das klare Bekenntnis zur St채rke unseres Landes schafft N채he und Vertrauen und schenkt unseren Kunden Sicherheit in ihrem Geldleben. Ein Partner, auf den man sich verlassen kann. Zu hundert Prozent.
Unsere Landesbank.
www.hypotirol.com
33
34
Gesund leben
© Michael RathMayR (4)
„Die Anforderungen an den modernen Chirurgen sind deutlich komplexer geworden.“
Gesund leben
35
Grenzen verschieben Seit 1. Oktober 2009 ist Univ.-Prof. Dr. Johann Pratschke Direktor der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie am Department für Operative Medizin der medizinischen Universität Innsbruck. Im Interview erläutert er, weshalb er sich für eine Chirurgenkarriere entschieden hat, warum ein Chirurg viel mehr als ein guter Handwerker sein muss und was er sich für die Zukunft seiner Zunft in Innsbruck wünscht.
Z
u Beginn die obligate Frage: Warum sind Sie Arzt geworden? Wenn man als Schüler auf die Matura zugeht, dann macht man sich natürlich so seine Gedanken, welche weitere Ausbildung man absolvieren oder welchen Beruf man denn einmal ausüben möchte. So war das auch in meinem Fall. Ich wollte damals etwas Soziales machen, bei dem keine Langeweile aufkommt, etwas Sinnvolles, das Herausforderungen bietet und bei dem nicht die Gefahr besteht, in eine Alltagsroutine zu verfallen. Das sind alles Kriterien, die der Arztberuf erfüllt. Außerdem bringt er die Möglichkeit mit, zu forschen, was für mich ein weiterer Grund war, mich dafür zu entscheiden. Darüber hinaus hatte ich
einen Chirurgen in der Verwandtschaft, wodurch ich schon früh mit der Materie in Kontakt kam. Das war sicher auch ein Grund, warum ich mich dann im Speziellen für die Chirurgie entschieden habe. Außerdem haben mich die Anforderungen an das handwerkliche Geschick und generell der herausfordernde Charakter dieser Disziplin gereizt. Man hat in der Chirurgie die Gelegenheiten, an Grenzen zu gehen bzw. über Forschung und wissenschaftliche Tätigkeit sogar Möglichkeiten, Grenzen zu verschieben. Man kann den Patienten meist direkt und schnell helfen und man sieht die positiven Auswirkungen des eigenen Tuns relativ zeitnah, was die Chirurgie zu einer sehr befriedigenden Tätigkeit macht.
Ist das Klischee vom Chirurgen als reinem Handwerker, der seine Patienten nur im narkotisierten Zustand zu Gesicht bekommt, Ihrer Ansicht nach berechtigt? Diese Klischeevorstellung ist für mich ganz ähnlich wie die von den Ärztinnen und Ärzten als Götter in Weiß. Sie mag in der Bevölkerung noch bedingt vorhanden sein, ist aber eindeutig nicht mehr zeitgemäß. Die Anforderungen an den modernen Chirurgen sind in den letzten Jahrzehnten deutlich komplexer geworden, ein Chirurg muss heute beispielsweise onkologisches Verständnis und das nötige Wissen für Vor- und Nachbehandlungen verschiedenster Erkrankungen mitbringen. Ein Beispiel aus unserer Abteilung ist die Transplantationschirur-
36
Gesund leben
Zur Person 1987 begann Johann Pratschke sein Medizinstudium an der Ludwig Maximilians Universität München. 1995 wurde er vollapprobiert, zwei Jahre später dissertierte er am Institut für Chirurgische Forschung der LMU München. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard Medical School in Boston, USA, der Facharztanerkennung und der Habilitation für Chirurgie wurde er 2003 Oberarzt an der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Transplantationschirurgie, Charité, Berlin, wo er 2006 das Amt des Stellvertreters übernahm. Seit Oktober 2009 ist der 44-jährige Oberbayer Direktor der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie in Innsbruck. Seine Forschungsschwerpunkte sind die onkologische und die minimalinvasive Chirurgie sowie die Transplantationschirurgie. Johann Pratschke ist Träger zahlreicher einschlägiger Ehrungen und Auszeichnungen und Gutachter für diverse wissenschaftliche Zeitschriften und Gesellschaften. Er ist verheiratet und zweifacher Familienvater.
Gesund leben
37
„Der Bereich der minimalinvasiven Chirurgie wird in Zukunft noch stärker forciert werden.“ gie, die ich bewusst lieber als Transplantationsmedizin bezeichne, da es dabei im Vorfeld um viel mehr geht als um die manuelle Technik. Die sehe ich dann als Krönung des Ganzen, aber, wie gesagt, nicht als einzigen Inhalt der Chirurgie. Was hat sich auf dem Sektor der Chirurgie in den vergangenen 25 Jahren getan? Als ich angefangen habe, galt speziell die Transplantationschirurgie als HighEnd der Operationskunst, heute ist sie zwar immer noch sehr fordernd, aber im Prinzip zur Routine geworden. Bei vielen chirurgischen Techniken steht heute nicht mehr die technische Machbarkeit, sondern z.B bei Tumorerkrankungen die onkologische Sinnhaftigkeit im Vordergrund. Ähnliches gilt für die Schlüssellochchirurgie, also für alle Arten minimalinvasiver Eingriffe. Darüber hinaus gab es auch auf dem onkologischen Sektor permanente Entwicklungen, sowohl was Therapeutika als auch was chirurgische Techniken betrifft. Das waren aber keine Revolutionen, sondern vielmehr Evolutionen. Aber auch diese schrittweisen Verbesserungen haben langfristig dazu geführt, dass heute Dinge getan werden, die man sich vor zwanzig Jahren nicht vorstellen hätte können. Was den Forschungssektor betrifft, gilt hier der Grundsatz, mit den forschenden Kollegen eng zusammenzuarbeiten, um die medizinische Forschung kontinuierlich voranzutreiben. Alleingänge gehören der Vergangenheit an. Sie sind Direktor der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie. Daneben gibt es am Department für Operative Medizin noch acht weitere
Abteilungen wie diejenige für Herzchirurgie oder für Unfallchirurgie. Warum gibt es diese Aufspaltungen? Früher hat ein Chirurg alles operiert, von der Herzklappe bis zum Blinddarm. Mit der gestiegenen Komplexität ist es dann zwangsläufig zu Spezialisierungen gekommen. Diese sind sinnvoll, aber mit Grenzen. Dass die Herzchirurgie eine eigene Abteilung darstellt, ist zum Beispiel sehr sinnvoll. In unserem Fall ist die Visceralchirurgie, die sich grob gesagt mit allem befasst, was man in der Alltagssprache als Bauch bezeichnet, die Grundlage für die Transplantationsmedizin – also macht es Sinn, diese Gebiete zusammenzufassen. Ähnlich verhält es sich auch mit der Thoraxchirurgie. Insgesamt sind wir in unserer Abteilung sehr gut aufgestellt und decken die Hälfte bis drei Viertel des gesamten chirurgischen Sektors ab. Es muss einem demnach auch klar sein, dass man als Chef einer solchen Einheit nicht alles sein kann. Man muss schon alles operieren können, aber um auf Sektoren außerhalb der eigenen Spezialgebiete Entwicklungen wirklich vorantreiben zu können, muss man dafür Sorge tragen, dass man innerhalb der Abteilung exzellente Leute neben sich hat. Was wird Ihrer Ansicht nach auf dem Gebiet der Chirurgie in den nächsten Jahren möglich sein? Werden grundlegende Neuerungen kommen? Ich glaube, dass der Bereich der minimalinvasiven Chirurgie in Zukunft noch stärker forciert werden wird. Die Leute haben immer mehr Erfahrung, die Geräte werden immer besser – es werden bald auch komplexere Eingriffe an Leber oder Bauchspeicheldrüse mittels Schlüssellochchirurgie durchge-
38
Gesund leben
führt werden. Auch erwarte ich mir Verbesserungen auf dem Gebiet der multimodalen Krebstherapie. Hier wird es bald gelingen, Patienten, die bisher nicht operiert werden konnten, mit einer kombinierten Behandlung, bestehend aus Chemotherapie und Strahlentherapie, zu therapieren und damit den Tumor zu verkleinern, sodass eine Operation noch möglich und sinnvoll wird.
Die Universitätsklinik für Visceral-, und Transplantationsund Thoraxchirurgie Seit der Änderung der Organisationsstruktur im Mai 2008 gibt es an der Medizinischen Universität die Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie. Sie stand nach ihrer Gründung noch etwas über ein Jahr unter der Leitung von Univ.-Prof. Raimund Margreiter, der seit den 1970erJahren regelmäßig mit spektakulären Ersttransplantationen für internationales Aufsehen gesorgt hatte, darunter die erste Herztransplantation Österreichs, gemeinsam mit Univ.-Prof. Franz Gschnitzer, oder die Doppelhandtransplantation bei Theo Kelz. Seit 1. Oktober 2009 leitet Univ.-Prof. Johann Pratschke die Abteilung. www.chirurgie-innsbruck.ac.at
Wo steht die Chirurgie in Innsbruck im internationalen Vergleich? Mein Vorgänger, Prof. Margreiter, hat hier in Innsbruck eine Chirurgie mit internationalem Ruf hinterlassen, das ist gar keine Frage. Sowohl was die Operationstechnik betrifft als auch wenn es um das Personal geht, braucht Innsbruck keine Vergleiche zu scheuen. Ein Indiz dafür ist beispielsweise die steigende Zahl von Patienten aus dem Ausland, die eigens nach Innsbruck kommen, um einen bestimmten Eingriff durchführen zu lassen. In der Nachfolge Margreiters geht es jetzt darum, diese Tradition weiterzuführen und das hohe Niveau auszubauen. In Anbetracht der Tatsache, dass Österreich ein kleiner Staat und Tirol ein kleines Land ist, muss aber gesagt werden, dass man in manchen Bereichen nicht die Patientenzahlen in der Klinik hat, um in jedem Gebiet zur Weltspitze zu gehören. Die zukünftigen Profilierungschancen unserer Klinik werden dementsprechend sicher in der Behandlungsqualität und einer noch größeren Spezialisierung liegen. Wie viel Zeit haben Sie in Ihrer Position eigentlich noch, um das zu tun, weswegen Sie ursprünglich Arzt geworden sind? An dieser Stelle muss ich sagen, dass ich leidenschaftlicher Chirurg bin. Mein Beruf bringt es gegenwärtig aber nun einmal mit sich, dass ich auch sehr viele Verwaltungsaufgaben habe. Ich würde mir da schon wünschen, dass ich etwas mehr Zeit hätte, um direkt am Patienten zu sein. In meiner früheren Stellung als leitender Oberarzt ist mir das noch etwas leichter gefallen. Außerdem bin ich ja auch Hochschullehrer an der Medizinischen Universität. Diese Aufgabe kommt ob des erwähnten Verwaltungs-
aufwandes leider auch zu kurz. Obwohl ich im Durchschnitt zwischen zwölf und vierzehn Stunden arbeite, ist es mir nicht möglich, alles, was ich gern noch machen möchte, unter einen Hut zu kriegen. Wenn Sie einmal etwas freie Zeit haben, wie gestalten Sie sie dann? Ich hatte zwar in meinem ersten Jahr hier keinen Urlaub, das ist sich einfach nicht ausgegangen, aber ich schaue schon, dass ich ein bis zwei Tage in der Woche für meine Frau und meine Kinder habe. Uns allen gefällt die Tiroler Bergwelt, mir als Halbösterreicher – mein Vater stammt aus Klagenfurt – ganz besonders. Erst letztes Wochenende war ich mit meiner Familie am Solsteinhaus und auf der FranzSenn-Hütte. Trotzdem muss man als Chirurg sein Hobby zum Beruf machen, das heißt, man muss bei der Arbeit das Gefühl haben, dass man sie gerne tut und man muss immer mit Interesse und Leidenschaft dabei sein. Man kann diesen Job nicht machen, wenn man für das, was man macht, keine Begeisterungsfähigkeit hat. Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft der Chirurgie in Innsbruck? Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, den hohen Qualitätsstandard auszubauen, und vielleicht sogar in der Zukunft auch überregional ein paar chirurgische Exzellenzschwerpunkte setzen können. Außerdem wäre es wünschenswert, die von manchen wahrgenommene Distanz zwischen Bevölkerung und Universitätsklinik zu verkleinern. Es wäre schön, wenn die Leute stärker sähen, dass wir an der Universitätsklinik international anerkannte Spitzenmedizin zum Wohle der Tiroler Patientinnen und Patienten anbieten, und wenn sie dieser Spitzenmedizin mehr Vertrauen entgegenbrächten. Die Universitätsklinik ist nicht der anonyme Moloch, als der sie oft dargestellt wird, im Gegenteil. Soweit es unsere Abteilung betrifft, möchte ich sogar von einer fast familiären Atmosphäre sprechen. Vielen Dank für das Gespräch. INTERVIEW: F. PRANGER
lll
Gesund leben
39
© Michael RathMayR (2)
Nicht nur die Dosis
Fast jeder nimmt ab und zu ein Medikament ein – oft ohne groß darüber nachzudenken. Worauf jeder achten sollte, damit die Arznei ihre Wirkung auch optimal erfüllt, erklären die Pharmazeuten der TilakZentralapotheke. WEITER AUF SEITE 40
40
Gesund leben
W
as gilt es bei der Einnahme von Medikamenten zu beachten? MARTINA JESKE: Jeder kann selbst dazu beitragen, seine Arzneitherapie sicherer zu gestalten. Dies beginnt beim sorgfältigen Lesen der Fach- bzw. Gebrauchsinformation vor der Einnahme jedes neuen Medikamentes. Dort sind eventuelle Risiken unter den Punkten „Wechselwirkungen“, „Vorsichtsmaßnahmen für die Verwendung“ sowie „besondere Warnhinweise“ und „Gegenanzeigen“ angeführt. Lassen Sie sich beim Lesen durch die Informationsflut nicht verunsichern: Es gibt eine Vielzahl an theoretischen Wechselwirkungen, aber nur wenige mit tatsächlicher klinischer Relevanz. Viele Interaktionen spielen erst dann eine Rolle, wenn bestimmte Konstellationen zusammentreffen. Dazu gehören nicht nur andere Medikamente, sondern auch das Alter der Patienten, bestehende Erkrankungen sowie Ernährungsstatus bzw. die Nahrung. Der korrekten Einnahme kommt eine entscheidende Bedeutung zu, um die Arzneitherapie sicher und wirksam zu gestalten. Dafür sind einige Fragen zu klären: Welche Medikamente kann ich gleichzeitig „Laut WHO liegt der einnehmen? Wie oft und zu welcher Tageszeit sind sie Anteil der Wechseleinzunehmen? Wie lang wirkungen bei 20%, soll der Abstand zu Nahrungsmitteln und andeklinisch relevant ren Medikamenten sein?
sind etwa 1%.“
Welche Flüssigkeiten sind für die Einnahme von DR. GERHARD SPEER Medikamenten geeignet? Leiter der Apotheke an der SABINE BISCHINGER: FesUniversitätsklinik Innsbruck te orale Arzneimittel sollten stets mit ca. 100ml Trinkwasser/ stillem Mineralwasser und aufrechtem Oberkörper eingenommen werden. Kaffee, schwarzer Tee, Milch oder auch Fruchtsäfte sind zu meiden. Das heißt nicht, dass man verzichten muss, aber man sollte einen Einnahmeab- „Einnahme nach dem Essen“ bedeutet, dass zwischen Mahlzeit und Medikamenstand einhalten. teneinnahme ein Abstand von 30 bis 60 Was bedeuten Angaben im Beipacktext Minuten eingehalten werden sollte. Da physiologische Vorgänge im Orgazum Einnahmezeitpunkt, wie zum Beispiel nismus periodischen Veränderungen un„vor dem Essen“? SABINE BISCHINGER: Heißt es „Einnah- terliegen, gewinnt der Faktor „Einnahmeme vor dem Essen“, dann sollte die Arznei zeit eines Medikaments“ immer mehr an 30 bis 60 Minuten vor der Mahlzeit ein- Bedeutung. So sollten z.B. Osteoporosegenommen werden. „Einnahme während präparate (Bisphosphonate), Eisenpräpades Essens“ bedeutet, dass die Einnahme rate oder Schilddrüsenpräparate (L-Thydes Medikaments innerhalb von fünf Mi- roxin) nüchtern und z.B. Pankreasenzyme nuten nach der Mahlzeit zu erfolgen hat. mit einer Mahlzeit eingenommen werden.
Wie soll ein Patient reagieren, wenn er glaubt, dass sein Medikament nicht wirkt, oder er vermutet, an Nebenwirkungen zu leiden? SABINE BISCHINGER: Beim Auftreten einer unerwarteten unerwünschten Arzneimittelwirkung sollte der Patient/ die Patientin dies unverzüglich mit dem Arzt/der Ärztin abklären. Was versteht man eigentlich unter einer „Wechselwirkung“? DR. GERHARD SPEER: Bei der Einnahme von mehreren Medikamenten kann es zu Interaktionen kommen, diese können Wirkungsminderungen oder -verstärkungen zur Folge haben. Manchmal verliert ein Arzneimittel seine Wirkung komplett. Wie oft treten Wechselwirkungen auf? DR. GERHARD SPEER: Laut WHO liegt der Anteil der Wechselwirkungen bei 20%, klinisch relevant sind etwa 1%. Aber gerade ältere Menschen nehmen oft fünf oder sechs Medikamente gleichzeitig ein, hier liegt die Wahrscheinlichkeit für Interaktionen bei 20%.
Gesund leben
DIE ExPERTEN in Sachen Arzneimittel von der Zentralapotheke der Universitätsklinik: Elisabeth Nogler-Semenitz, Sabine Bischinger, Gerhard Speer und Martina Jeske (v. l. n. r.).
MARTINA JESKE: Es gibt Patientengruppen, die ein höheres Risiko für Wechselwirkungen haben. Dazu gehören alte und kranke Menschen, die oft eine Vielzahl an Medikamenten einnehmen. Erkrankungen wie Leber- oder Nierenfunktionsstörungen, Herzinsuffizienz oder Elektrolytstörungen begünstigen das Auftreten klinisch relevanter Interaktionen. Organtransplantierte Patienten beispielsweise müssen Medikamente einnehmen, die mit sehr vielen anderen Medikamenten eine Wechselwirkung haben. Hier ist es wichtig, jede geplante Selbstmedikation mit dem Arzt abzusprechen. Bei welchen rezeptfreien Arzneimitteln kommt es häufig zu Interaktionen? MARTINA JESKE: Die oben genannten Punkte sind auch beim Kauf von rezeptfreien Medikamenten zu beachten. Klären Sie evtl. Wechselwirkungen mit Ihrer bestehenden Medikation mit Ihrem Apotheker ab. Schmerzmittel zum Beispiel können mit einer bestehenden Arzneitherapie interagieren. Die gleichzeitige Einnahme von bestimmten Antidepressiva (SSRI)
kann z.B. das Risiko einer Magenblutung deutlich erhöhen. Sollen beide Präparate kombiniert werden, ist daher auf einen Magenschutz zu achten. Nicht zu vergessen sind auch pflanzliche Arzneimittel, die oft für unbedenklich gehalten werden. Von den Phytopharmaka ist Johanniskraut bezüglich Interaktionen mit anderen Arzneistoffen am genauesten untersucht. Es kann eine Vielzahl anderer Medikamente in ihrer Wirkung negativ beeinflussen, wie z.B. die Antibabypille, aber auch Ciclosporin, welches in der Transplantationsmedizin zur Vermeidung von Abstoßungsreaktionen verwendet wird. ELISABETH NOGLER-SEMENITZ: Zu den Aufgaben des Apothekers gehört auch die Überprüfung der Verordnung auf Interaktionen. Genau aus diesem Grund fragt er bei der Arzneimittelabgabe, ob dieses Medikament bereits bekannt ist und ob noch weitere Arzneimittel eingenommen werden. Der Patient kann im Zweifelsfall den Apotheker immer um Rat fragen. Es treten auch Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und Nahrungsmitteln auf. Was gilt es hier zu beachten? SABINE BISCHINGER: Bei Milch und Milchprodukten sollte man auf jeden Fall aufpassen. Diese enthalten Calcium, welches die Wirksamkeit von einigen Arzneistoffen wie mit bestimmten Antibiotika (Ciprofloxacin, Tetracycline) und Osteoporosetherapeutika (Bisphosphonate) vermindert. Das bedeutet aber nicht, dass man keine Milchprodukte zu sich nehmen darf, sondern man sollte zwischen der Einnahme des Medikaments und dem Verzehr von Milchprodukten einen zweistündigen Einnahmeabstand einhalten. Anders ist das beim Alkohol. Wer Medikamente zu sich nimmt, sollte auf Alkohol verzichten, denn Alkohol kann nicht nur die Wirkung von Medikamenten verstärken, sondern auch vermindern. Zudem können sich auch Nebenwirkungen verstärken. Auch der beliebte Grapefruitsaft kann zahlreiche Wechselwirkungen auslösen. In größeren Mengen genossen, kann Grapefruit z.B. den Blutspiegel von Cholesterinsenkern erhöhen. Weitere Arzneistoffe, deren Wirkung durch Grapefruit verstärkt wird, sind einige Blutdrucksenker, aber auch Medikamente gegen Abstoßungsreaktionen. Vielen Dank für das Gespräch. INTERVIEW: S. AINETTER
lll
41
Konzentriert auf das Wesentliche.
Der feine Sirup von Darbo mit vielen erlesenen schwarzen Holunderbeeren. Natürlich in hochkonzentrierter Form.
42
Ratgeber
Ratgeber „Bis 40 reicht es, zum Optiker zu gehen, wenn man keine weiteren Beschwerden hat.“ UNIV.-PROF. DR. NIKOLAOS BECHRAKIS Vorstand der Univ.-Klinik für Augenheilkunde und Optometrie
Klar
im Blick Augen sind unsere bedeutendsten Sinnesorgane. Einerseits werden die meisten Informationen im Laufe eines Tages über das Auge aufgenommen, andererseits ist unsere gesamte Umwelt auf das Sehen ausgerichtet. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig Warnsignale zu erkennen und Rat einzuholen.
Ratgeber
Ich sitze viel vor dem Computer. Daher meine Frage: Sind Monitore und Fernseher schlecht für das Auge? DR. NIKOLAOS BECHRAKIS: Mit den neuen Fernsehern und Bildschirmen, die bestimmte Normen erfüllen müssen, ist es extrem unwahrscheinlich, dass etwas passiert – solange man einen normalen Abstand einhält. Für Computer gilt hier eine Größenordnung von einem halben Meter. Für den Fernseher ist das ziemlich irrelevant, weil dieser sowieso viel weiter weg steht. Problematisch könnte es sein, wenn Sie sich aufgrund einer Sehschwäche oder einer Sehbehinderung sehr nah vor dem Bildschirm aufhalten müssen. Nah bedeutet auf bis zu 30 Zentimeter – also sehr viel näher, als die meisten je sitzen würden. Da könnte es zu einer zerebralen Belastung kommen, bei der z. B. eine Epilepsie ausgelöst werden kann. Aber als Augenarzt sehe ich für das Auge kein Schädigungspotenzial. Ich kann abends beim Autofahren immer schlecht sehen. Sollte ich deswegen einen Augenarzt aufsuchen? DR. NIKOLAOS BECHRAKIS: Wenn Sie bemerken, dass die Nachtblindheit im Vergleich zu anderen in Ihrer Altersklasse auffällig ist, dann sollten Sie sich auf jeden Fall untersuchen lassen. Eine Nachtblindheit ist die verminderte Fähigkeit, in der Dämmerung sehen zu können und ist klar assoziiert mit Erkrankungen der Netzhaut. Die Netzhaut hat zwei verschiedene Systeme: Die Zäpfchen sind für das Tagsehen, also die Wahrnehmung von Farben, verantwortlich und die Stäbchen für das Dämmerungssehen. Ab dem 60. bis 70. Lebensjahr haben die Stäbchen eine geringere Dichte und daher sieht man im Alter in der Dunkelheit schlechter. Kinder hingegen könnten eine angeborene Krank heit haben, die erst plötzlich im Laufe des Lebens auftritt. Es liegt in der Verantwortung des Augenarztes, das Krankheitsbild zu erkennen und in Absprache mit den Patienten oder den Eltern eine entsprechende Beratung durchzuführen.
Seit ich meine Brille öfter trage, sehe ich schlechter ohne Brille. Wird die Sehkraft bei vermehrtem Tragen schlechter und sollte ich meine Brille seltener tragen? DR. NIKOLAOS BECHRAKIS: Man gewöhnt sich an den Komfort der Brille. Wenn man sie öfter trägt, schwinden die Anpassungsmechanismen, die man vorher zu einem gewissen Maße hatte. Das passiert vor allem jungen Menschen, die keine Brille gehabt haben, dann eine Brille bekommen und dann ohne diese gar nicht mehr auskommen. Wenn man in die Sonne oder eine Lampe schaut, sieht man oft danach helle Punkte, sind das abgestorbene Zellen? DR. NIKOLAOS BECHRAKIS: In unserem Auge sind Farbstoffe, die verbraucht werden müssen, damit elektrischer Strom produziert wird und das Gehirn eine Information bekommt. Und wenn man lange in ein Licht hineinschaut, dann werden die Pigmente der Rezeptoren verbraucht, die natürlich ersetzt werden. Wenn Sie genau auf eine bestimmte Farbe schauen, dann sehen Sie danach die Komplementärfarbe: Wenn Sie auf Rot schauen, sehen Sie danach Grün. Das passiert, weil das Rotpigment verbraucht ist und das grüne übermäßig vorhanden ist. Das ist nichts Abgestorbenes, da ist nichts, was „kaputt“ ist. Zu einem Schaden kann es nur kommen, wenn Sie die Netzhaut einem intensiven Licht aussetzen, z. B. bei einer Sonnenfinsternis. Dort ist alles dunkel, ein kleiner Teil ist sichelförmig hell und daher wird man nicht geblendet. Aber dieses intensive Licht reicht aus, um eine Vernarbung zu verursachen. Das bleibt dann für immer. Reicht es, wenn man beim Optiker die Sehstärke messen lässt oder sollte man zum Arzt gehen? DR. NIKOLAOS BECHRAKIS: Bis 40 reicht es, zum Optiker zu gehen, wenn man keine weiteren Beschwerden hat. Der Optiker ist dafür verantwortlich, eine Brille zu vermessen und eine richtige Brille zu ma-
Der Spezialist Seit Anfang 2008 ist Univ.Prof Dr. Nikolaos Bechrakis Professor für Augenheilkunde an der Medizinischen Universität Innsbruck und Vorstand der Univ.-Klinik für Augenheilkunde und Optometrie. Der in der Schweiz geborene Arzt mit griechischen Wurzeln will die Innsbrucker Augenklinik zu einem international anerkannten Kompetenzzentrum für Augenerkrankungen ausbauen.
chen. Der Optiker ist jedoch nicht dafür ausgebildet, Erkrankungen zu erkennen – und je älter man ist, desto wichtiger ist das. Ab dem 50. Lebensjahr, spätestens wenn man eine Lesebrille benötigt, sollte man zum Arzt gehen und eine Kontrolle durchführen. Und dann sollte man natürlich zu regelmäßigen Kontrollen gehen. Mein Sohn schielt. Kann man Schielen heilen? DR. NIKOLAOS BECHRAKIS: Ja, bis zum achten Lebensjahr. Deswegen ist es sehr wichtig, Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern zu machen. Zunächst werden die Augen geschult, richtig zu sehen. Wenn das erreicht ist und beide Augen gut sehen können, dann geht es darum, kosmetische Korrekturen vorzunehmen. Das kann nur operativ gemacht werden. In aller Regel wird in den ersten fünf, sechs Jahren, also im Vorschulalter, dafür gesorgt, dass ein schielendes Kind gut sehen kann. Bevor es in die Schule kommt, wird dann die Operation durchgeführt. lll
43
44
Wissen
Wissen
„Mit der digitalen Gesundheitsakte kann die Patientenbetreuung erheblich verbessert werden.“ BERNHARD TILG Gesundheitslandesrat für Tirol
Rascher Informationsaustausch ist wesentlich für die Qualität der medizinischen Versorgung. Die digitale Vernetzung von Krankenanstalten und niedergelassenen Ärzten und Apothekern soll eine schnellere Kommunikation und einen leichteren Austausch von Befunden, Arztbriefen, Rezepten und Röntgenbildern ermöglichen. In Tirol gibt es schon jetzt einen Vorläufer der digitalen Krankenakte (ELGA).
Wissen
Gesundheitswesen 2.0
D
ie Kommunikation zwischen Ärzten verläuft nicht immer reibungslos: Obwohl der Hausarzt bereits mehrere Röntgenbilder machen hat lassen, muss der Patient an der Klinik nochmals geröntgt werden. Denn der Klinikarzt hat auf die Bilder des niedergelassenen Kollegen keinen Zugriff. Auch weiß ein Internist nicht, welche Medikamente sein Patient bereits vom Neurologen, vom Urologen oder einem anderen niedergelassenen Kollegen verschrieben bekommen hat – und verabreicht ihm vielleicht ein Arzneimittel, das gefährliche Wechselwirkungen verursachen kann. Abgesehen davon, dass Doppeluntersuchungen zeitraubend und lästig sind und wechselwirkende Medikamente schädlich für den Patienten sein können, kosten solche Mängel im Informationsaustausch auch viel Geld. Um das Gesundheitssystem zu optimieren, arbeiten Bund, Länder und Sozialversicherungen an einer digitalen Gesundheitsakte („Elektronische Gesundheitsakte“ oder ELGA), die Kliniken, Apotheken und niedergelassene Ärzte vernetzen soll. Damit können medizinisch unnötige Doppeluntersuchungen und Doppelmedikationen vermieden und der Datenaustausch verbessert werden. Im Notfall kommen die Ärzte schneller
und leichter an Informationen, die sie für die richtige Behandlung des Patienten benötigen. Das Faxen von Arztbriefen und Befunden fällt komplett weg, auch Röntgen-, Magnetresonanz- und Computertomographiebilder werden mit wenigen Mausklicks übertragen. Im Vordergrund stehe das Wohl des Patienten: „Mit dieser digitalen Gesundheitsakte können die Patientenbetreuung und die Abläufe im Gesundheitssystem erheblich verbessert werden“, wirbt Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg für das Projekt ELGA.
Tirol als Vorreiter.
In Tirol gibt es bereits jetzt einen Vorläufer der digitalen Gesundheitsakte, das „Gesundheitsnetz Tirol (GNT)“. In diesem Gesundheitsnetz sind die Landeskrankenhäuser der Tilak und die drei Bezirkskrankenhäuser Hall, Schwaz und Reutte eingebunden, weitere sollen folgen. „In der Praxis funktioniert das System bereits sehr gut: Jeder Patient, der zum Beispiel an die Innsbrucker Klinik kommt, kann seinem behandelnden Arzt mit einer Unterschrift den Zugriff auf seine vernetzte Krankenakte erlauben. Mit wenigen Mausklicks kann der Arzt dann auf Arztbriefe und Befunde aus anderen Krankenhäusern zugreifen“, erklärt Georg Lechleitner, Tilak-Abteilungsvorstand für Informationsmanagement. In
Notfällen ist das unter Umständen sogar lebensrettend: Ist ein Patient nicht ansprechbar, bekommt der Arzt mittels eines eigenen „Notfallzugangs“, der streng protokolliert wird, Zugriff auf Befunde und Arztbriefe aus anderen Krankenhäusern. Das erleichtert eine rasche und gezielte Behandlung wesentlich. Ein weiteres Beispiel für die moderne Vernetzung in Tirol ist die Teleradiologie: „In der Nacht wird in Schwaz bei einem Notfallpatienten eine Computertomographie durchgeführt, die Bilder elektronisch an die Uni-Klinik nach Innsbruck übertragen, der Befund erstellt und nach Schwaz weitergeleitet, dort erfolgt die rasche und gezielte Weiterbehandlung“, erklärt Lechleitner.
Technische Herausforderung.
Das Gesundheitsnetz Tirol ist so konzipiert, dass es alle technischen und datenschutzrelevanten Voraussetzungen erfüllt, um in die bundesweite ELGA eingebunden werden zu können, es ist sozusagen ein „Mini-ELGA“. Voraussetzung für die österreichweite Vernetzung und die Einbindung von niedergelassenen Ärzten sind kompatible Krankenhausund Praxissysteme. Thomas Schabetsberger, Leiter der Abteilung für eHealth Solutions an der ITH icoserve und Projektleiter E-Medikation (siehe Kasten)
45
46
Wissen
„Läuft alles nach Plan und erledigt das Gesundheitsministerium seine Hausaufgaben, können wir im Sommer 2011 mit dem Projekt ,E-Medikation‘ starten.“
© geRhaRd beRgeR (3)
E-Medikation Nach einer ausführlichen Planungsphase wird im kommenden Jahr das Projekt E-Medikation starten. Künftig sollen sämtliche Medikamente, die ein Patient verschrieben bekommt, gespeichert werden. „Läuft alles nach Plan und erledigt das Gesundheitsministerium seine Hausaufgaben, dann können wir im Sommer 2011 in Tirol mit dem Projekt E-Medikation starten“, zeigt sich Gesundheitslandesrat und Projektvorsitzender Bernhard Tilg zuversichtlich. Die Daten werden den Apothekern und Ärzten über die E-Card zugänglich sein, die dann auf allfällige Wechselwirkungen aufmerksam machen können. „Mit dem Projekt E-Medikation wird die Versorgung des Patienten wesentlich verbessert, denn so können Doppelmedikationen vermieden und Wechselwirkungen besser ausgeschlossen werden“, zeigt sich Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg überzeugt. Das Pilotprojekt soll Mitte 2011 in drei Modellregionen (Tirol-West, Wels und Umgebung und WienDonaustadt) starten. Bewährt sich das System, soll es auf ganz Österreich ausgeweitet werden. Die Teilnahme am Projekt ist freiwillig, jeder Patient hat eine so genannte Opting-Out-Möglichkeit. Die Daten werden nicht auf der E-Card selbst gespeichert, sondern auf einem externen Server. „Die Kosten der Pilotprojekte belaufen sich auf drei Millionen Euro“, sagt Tilg, „ bei Umsetzung in ganz Österreich soll jährlich ein gesamtökonomischer Nutzen von 130 Millionen Euro entstehen.“
Wissen
47
EXKLUSiVVERTRiEB DURCH
Die Spezialisten Dr. Georg Lechleitner, TilakAbteilungsvorstand der IT, und Mag. Christian Stark, IT-Organisator an der Tilak.
die diese Krankenhaus- und Praxissysteme unterstützen können. Das sind einerseits der Austausch von Arztbriefen, Radiologiebefunden, Bildern, Laborbefunden und andererseits E-Medikation. Das muss mit allen Systemen funktionieren“, zeigt er die technische Komplexität auf. Tirol selbst ist bereits gut ausgebaut, fast alle Ärzte arbeiten mit Praxis-Computersystemen, verwalten ihre Patienten via PC und könnten so recht rasch vernetzt werden. Die Erwartungen an ELGA sind groß. „Aus Studien aus Skandinavien und anderen Ländern weiß man, dass das Potenzial dieser digitalen Gesundheitsakte sehr groß ist und wesentlich die Patientensicherheit steigert“, sagt Schabetsberger.
Vernetzung und Datenschutz.
Di Dr. Bernhard Tilg Landesrat für Gesundheit
DDR. Thomas Schabetzberger Leiter der Abteilung für eHealth Solutions an der ITH icoserve
für Tirol, kümmert sich um technische Fragen. „Mehr als eine Million Dokumente sind über das GNT für berechtigte Anwender derzeit bereits abrufbar. Dabei handelt es sich um die Entlassungsdokumente und Radiologiebefunde seit dem 1. Jänner 2009“, beschreibt Schabetsberger die Größe des Systems. Derzeit wird eifrig daran gearbeitet, die technischen Voraussetzungen in allen Bundesländern zu schaffen, um sie in weiterer Folge miteinander vernetzen zu können. „ELGA hat fünf erste Kernanwendungen definiert,
Ein solches Berechtigungssystem existiert auch bereits für das Gesundheitsnetz Tirol. Darin ist festgelegt, dass nur behandelnde Ärzte auf Patientendaten zugreifen können. Voraussetzung ist die ausdrückliche, schriftliche Erlaubnis des Patienten. Dieser hat auch die Möglichkeit, die Einsicht auf bestimmte Daten einzuschränken, erklärt Christian Stark, der das GNT-Projekt organisatorisch koordiniert. Hat der Patient seine Erlaubnis erteilt, gilt diese für die Dauer von 28 Tagen und erlischt dann. Der Patient selbst steuert, wer auf welche Daten zugreifen kann. Der Zugangsschlüssel zu den Daten ist die e-Card. Auf dem Chip selbst sind jedoch keine Dokumente gespeichert. „Besonders sensible Patientendaten, wie zum Beispiel ein Aufenthalt in einer Psychiatrischen Klinik, werden überhaupt nicht gespeichert. In weiterer Zukunft soll jeder selbst seine Patientenakte online verwalten, Befunde und Arztbriefe einsehen und nachschauen können, wer auf seine Daten zugegriffen hat“, erklärt Lechleitner. Doch was ist, wenn ein Hacker versucht, Patientendaten zu stehlen? „Die Daten der digitalen Gesundheitsakte liegen nicht auf einem zentralen Server“, erklärt Lechleitner, „sie bleiben bei der jeweiligen Gesundheitseinrichtung und werden nur verfügbar gemacht. Dieses System ist wesentlich sicherer, als alle Daten auf einen zentralen Server zu legen.“ Die Datenübermittlung erfolgt zudem über eigene Netzwerke, abseits des Internets. S. AINETTER lll
P U B L i C R E L AT i O N S
Gesundes Fleisch für eine gesunde Ernährung Zu einer gesunden Lebensweise gehört auch eine ausgewogene und bewusste Ernährung. Hochwertiges Fleisch sollte auf dem Speiseplan nicht fehlen: Es liefert neben großen Mengen Eiweiß auch Vitamine und Mineralstoffe.
E
rnährungsexperten empfehlen, täglich 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilo Körpergewicht aufzunehmen. Diesen Bedarf ausschließlich mit pflanzlichen Lebensmitteln zu decken, ist nur schwer möglich. Die Lösung: Hochwertiges Fleisch von heimischen Bauern, das nur kurze Transportwege zurücklegt und unter strengsten Kontrollen verarbeitet wird.
Prämiertes Tiroler Grauvieh
Besonders fettarm und reich an Omega-3Fettsäuren: So lautet das Ergebnis einer Studie über den Tiroler Grauvieh-Almochsen, durchgeführt von der Universität für Bodenkultur. „Wir können bestätigen, dass das Fleisch von Grauvieh-Almochsen im Vergleich zu herkömmlichem Rindfleisch aus ernährungsphysiologischer Sicht sehr hochwertig ist“, so Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Windisch von der Universität für Bodenkultur in Wien. In Tirol ist das Fleisch des Grauvieh-Almochsen exklusiv über die Filialen des Tiroler Traditionsunternehmens Hörtnagl erhältlich. Ein Garant für Qualität: Transparente Produktionsabläufe und lückenlose Qualitätskontrollen gewährleisten die Unternehmensprinzipien „Herkunft, Qualität & Geschmack“. Hochwertige Rohstoffe, frische Zutaten und überlieferte Rezepte bilden die Produktionsgrundlagen im Hause Hörtnagl. lll
48
Wissen
Unwillkürliche
Willkür
Der Name der Krankheit ist vielen Menschen ein Begriff, gewisse Symptome sind fast jedem bekannt. Dabei tritt das Tourette-Syndrom nur bei einem geringen Prozentsatz der Bevölkerung auf.
W
ie nicht wenige Erkrankungen wurde auch das Tourette-Syndrom nach seinem medizinischen „Entdecker“ benannt: Der französische Arzt Georges Gilles de la Tourette beschrieb die Symptomatik als Erster auf wissenschaftlicher Basis in den 80erJahren des 19. Jahrhunderts. Gekennzeichnet ist das Syndrom durch das Auftreten von sogenannten Tics – darunter versteht man unwillkürliche, sich wiederholende und stereotype Bewegungen. Dabei muss jedoch nicht jeder Tic sofort Anzeichen eines möglichen Tourette-Syndroms sein. „Es gibt sehr harmlose Phänomene, die man als vorübergehende motorische Tics bezeichnet und die bei bis zu zehn Prozent der Kinder zu beobachten sind. Dazu gehören Tics wie Blinzeln, Schulterzucken oder das Verdrehen des Kopfes. Diese treten in der Kindheit bzw. Adoleszenz auf, vergehen aber im Laufe der Zeit wieder, zumeist innerhalb weniger Monate“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe, der Direktor der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie. Die einfachen motorischen Tics sind überwiegend nicht behandlungspflichtig: Großteils bedarf es lediglich einer Aufklärung von Seiten des Arztes, um bei den Eltern das nötige Verständnis zu schaffen.
Motorisch und vokal.
Das Tourette-Syndrom, das sich häufig schon in der Pubertät manifestiert, ist hingegen die schwerste Form der Tic-Erkrankungen und vor allen Dingen chronisch. Ein Merkmal des Syndroms sind die komplexen Bewegungen, die teilweise sinnvoll und zielgerichtet wirken, aufgrund ihrer ständigen Wiederholung jedoch sinnlos sind. Die Betroffenen führen die Bewegungen – etwa das Zurechtzupfen von Kleidung oder das Berühren bestimmter Gegenstände – immer wieder zwanghaft aus. Ein weiteres Phänomen ist die zwanghafte Nachahmung von anderen Personen oder das Nachsprechen von soeben gehörten Sätzen oder Wörtern. Ein besonderes Kennzeichen des Syndroms sind komplexe vokale Tics – Wortäußerungen, die sich wie die motorischen ständig unnatürlich wiederholen und auch Schimpfwörter oder Obszönitäten beinhalten können. Diese mischen sich häufig mit einfachen vokalen Tics wie Räuspern oder dem Nachahmen von Tiergeräuschen. „All diese Tics, sowohl die motorischen als auch die vokalen, sorgen dafür, dass vom Tourette-Syndrom Betroffene in ihrem Sozialleben massiv beeinträchtigt sind. Das beginnt schon im Kindesalter, wenn durch die Tics der Unterricht gestört wird und setzt sich im beruflichen Alltag als Erwachsener fort“, erklärt Dr.
Poewe. Festzuhalten ist, dass die Diagnose Tourette-Syndrom nicht mit irgendeiner Störung der Intelligenz einhergeht. Die Betroffenen sind meist normal, nicht selten sogar überdurchschnittlich intelligent und begabt. Zudem gibt es Tourette-Patienten, die gewisse motorische Abläufe besonders geschickt und schnell ausführen können.
Wenige Betroffene.
Vollständig geklärt sind die Ursachen des Tourette-Syndroms bislang nicht – einig sind sich die Experten nur, dass diese in den Gehirnregionen zu finden sind. Dank modernster Untersuchungstechniken gibt es mittlerweile zahlreiche Befunde und Studien zu diesem Thema. „Die Basalganglien, in der Tiefe des Gehirns gelegene Nervenzellansammlungen, sind in Zusammenarbeit mit den Bewegungsplanungszentren des Stirnhirns dafür zuständig, dass wir Bewegungen lernen, automatisieren und in der richtigen Reihenfolge durchführen können. Diese Regelkreise der menschlichen Motorik funktionieren bei einem Tic-Patienten nicht ganz normal. Es kommt zu einer Art Enthemmung in denjenigen Stirnhirnarealen, die normalerweise unter Kontrolle der Basalganglien sind“, erläutert Dr. Werner Poewe. Es wird angenommen, dass dies ein Grund für die Verselbstständigung und das stereotype Wiederholen von Bewegungen sowie die mangelnde Kontrolle über sich selbst ist. Die auftretenden Tics können zwar unterdrückt werden, jedoch – durch den steigenden Druck, den Tic doch geschehen zu lassen – nur mit sehr hohem Energieaufwand. Zur Behandlung des Tourette-Syndroms setzt man auf Medikamente, die die motorischen Automatismen unterdrücken – die Nebenwirkung ist oftmals aber eine zu starke Bremsung der normalen motorischen Abläufe des Körpers. Im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten wird das Tourette-Syndrom heutzutage zwar relativ rasch diagnostiziert, allerdings nach wie vor bei nur wenigen Menschen. „Das Syndrom tritt bei maximal einem Prozent der Bevölkerung auf. Davon geht ein Großteil nicht zum Arzt, weil er sich geniert – andere Personen wiederum sind trotz der Erkrankung bestens beruflich und sozial integriert“, so Dr. Poewe. D. NASCHBERGER lll
Wissen
49
Mögliche auftretende Tics beim Tourette-Syndrom • Häufige einfache motorische Tics sind z.B. Blinzeln, Naserümpfen, Mundzuckungen, Kopfwerfen, Schulterzuckungen, Hand- und Fußbewegungen, Bauchzuckungen.
Informationen zum Thema erhalten Sie auch auf: WWW.TOURETTE-GESELLSCHAFT.DE – Tourette-Gesellschaft Deutschland WWW.TOURETTE.CH – Schweizer Tourette-Website
• Komplexe motorische Tics sind z.B. Grimassieren, Springen, Antippen von Personen oder Berühren von Gegenständen, Kleidung zurechtzupfen. • Häufige einfache vokale Tics sind Räuspern, Hüsteln, Ausstoßen von bedeutungslosen Lauten, Nachahmen von Tiergeräuschen wie z.B. Bellen. •Unter komplexen vokalen Tics versteht man das Wiederholen von bestimmten Phrasen, gehörten Wörtern (Echolalie), eigenen Wörtern (Palilalie), Aussprechen von Obszönitäten (Koprolalie). Quelle: Österreichische Tourette Gesellschaft (www.tourette.at)
50
Wissen
P U B L i C R E L AT i O N S
Wasser – das (Über)-Lebensmittel Wasser ist das Elixier des Lebens. Es ist Voraussetzung für das Leben auf der Erde, ohne Wasser kann nichts entstehen, nichts wachsen, nichts gedeihen. Grund genug, sich zum Wassertrinken zurückzubesinnen.
W
ir alle wissen, dass das Trinken von reinem Wasser mannigfaltige positive Auswirkungen auf unseren Organismus hat. Wasser wirkt im Körper als Lösungsmittel, als Transportmittel, als Kühlmittel, als Reaktionspartner, als Baustoff und vieles mehr. Ein ausgeglichener Wasserhaushalt ist Voraussetzung zur Erbringung von körperlicher und geistiger Leistung. Bereits geringfügiger Wassermangel verursacht u.a. Durst, Müdigkeit, Schwäche und Leistungsreduktion. Ausgeprägtes Wasserdefizit („Dehydrierung“) dickt das Blut ein und lässt das Herz gegen einen höheren Widerstand pumpen, was mit einem größeren Energieaufwand für den Herzmuskel verbunden ist. Regelmäßig „Wassertrinken“ sollte demnach eine einfache Botschaft an alle zur Aufrechterhaltung oder Wiedererlangung der Gesundheit sein. Die Realität sieht in unserer westlichen Welt leider
anders aus: Weder im privaten Umfeld, noch in der Schule oder im beruflichen Alltag wird reines Wasser zum Ausgleich von Flüssigkeitsmangel als wichtigstes Getränk konsumiert. Die Industrie versorgt uns mit aromatisierten, hochkalorischen und mit Zusatzstoffen versehenen Getränken, deren gesundheitlicher Nutzen nicht nur in Frage zu stellen ist. Faktum ist, dass diese Konsumgewohnheiten definitiv gesundheitliche Schäden setzen können. Übergewicht ist bereits bei Jugendlichen ein alarmierendes Zeichen für Fehlernährung. Übertriebener Konsum von Getränken mit hohem Zuckeranteil ist ein wesentlicher Faktor für diese Entwicklung und das Auftreten von chronischen Folgeschäden ist bei jedem Einzelnen nur eine Frage der Zeit. Warum sollen wir uns nicht zum „Wassertrinken“ rückbesinnen? Wasser ist nur scheinbar geschmacklos und ohne wirklichen Inhalt. Wasser-
trinken ist nicht bloß als Alternative zum Trinken von Limonaden anzusehen, sondern viel mehr. Wasser hat Qualität: In Tirol wird kaum ein Nahrungsbestandteil so regelmäßig kontrolliert wie das Trinkwasser aus unserer öffentlichen Wasserversorgung. Wassertrinken muss wieder verstärkt beworben werden und ein modernes Image erhalten. Wellwasser zeichnet sich durch ein spezielles Filtersystem aus, welches die Wasserqualität aus der öffentlichen Wasserversorgung sichert. Wellwasser ist eine Tiroler Marke, die sich das Ziel gesetzt hat, die Bedeutung und Wichtigkeit von Wasser modern und zeitgemäß zu promoten. Ausgehend von Tirol hat Wellwasser das Ziel, auch in jenen Ländern Akzente zu setzen, wo die Trinkwasserqualität mangelhaft ist und wo durch die Wellwasser-Technologie die Wasserqualität maximiert werden kann. Mehr Informationen finden Sie unter: www.wellwasser.com lll
Wissen
51
52
Wissen
„Der Betroffene geht allem aus dem Weg, was zum Wiedererinnern führen könnte.“ WILFRIED BIEBL, ehemaliger Direktor der Klinik für psychosomatische Medizin und psychosoziale Psychiatrie der medizinischen Universität Innsbruck
Wenn Angst und Ohnmacht bleiben überlebende und Zeugen von Unfällen und Katastrophen, Helfer und Retter, Kriegsveteranen, Folter- oder Missbrauchsopfer werden manchmal noch Jahre nach ihren schrecklichen Erlebnissen von der Vergangenheit eingeholt und schaffen es nicht, wieder ein normales Leben zu führen. Die Diagnose: posttraumatische Belastungsstörung.
Wissen
S
chon seit dem Altertum ist bekannt, dass extreme seelische Belastungen wie das Erleben von Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit oder das Ausgeliefertsein an Schmerz körperliche und seelische Veränderungen mit sich bringen können. Im Jahre 1871 wurde dieser Zusammenhang dann erstmals beschrieben und zwar als ‚psychosomatischer Symptomenkomplex‘, der nach seinem Entdecker als Da-Costa-Syndrom in die Medizinhistorie einging. Eine angemessene Relevanz wurde dem Thema aber erst von Militärpsychologen in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren beigemessen und zwar in Zusammenhang mit Veteranen des Vietnamkrieges und der militärischen Auseinandersetzungen in Nahost. In weiterer Folge wurden Studien an Überlebenden des Holocaust, insbesondere an ehemaligen Häftlingen des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, angestellt. Bei rund 60 Prozent der Untersuchten konnte eine
posttraumatische Belastungsstörung festgestellt werden. Inzwischen – also seit nunmehr ungefähr 30 Jahren – beschäftigt sich die Forschung auch intensiv mit Langzeitfolgen von körperlicher und sexueller Gewalt, speziell an Kindern. „Einer posttraumatischen Belastungsstörung geht immer ein äußeres Ereignis als Auslöser voraus. Mit diesem Ereignis verbunden ist eine schwere Verletzung der körperlichen und psychischen Integrität eines Menschen, die entweder vom Betroffenen selbst erlitten oder in der Rolle des Zeugen wahrgenommen wird“, erklärt Prof. Wilfried Biebl, ehemaliger Direktor der Klinik für psychosomatische Medizin und psychosoziale Psychiatrie der medizinischen Universität Innsbruck. „Während dieser auslösenden Vorgänge erfährt der Betroffene Gefühle der Angst, Ohnmacht und Hilflosigkeit“, so Biebl weiter. Wichtig sei dabei die Unterscheidung zwischen einem auslösenden Einzelereignis, wie beispielsweise einer
Massenpanik, und einer chronologischen Abfolge von Vorfällen, wie sie im Falle von Missbrauchs- oder Folteropfern vorliegt.
Vier Anzeichen.
Zur Diagnose: Es sind vier Charakteristika, die herangezogen werden, um eine posttraumatische Belastungsstörung zu identifizieren. An erster Stelle steht das Wiedererleben. Prof. Biebl: „Dabei handelt es sich um sich aufdrängende Erinnerungen an das auslösende Ereignis, die durch verknüpfte Sinnesreize hervorgerufen werden. Generell kann es sich bei diesem Phänomen um positive und negative Erinnerungen handeln. Stellen Sie sich vor, dass jemand, der immer sehr gern mit seiner Mutter Weihnachtskekse gebacken hat, den Duft von frischen Keksen in die Nase bekommt. Da kann es sein, dass dieser Sinneseindruck eine ganze Reihe von schönen Erinnerungen und angenehmen Emotionen im Betroffenen auslöst. Und jetzt stellen Sie sich vor, dass die be-
53
Wissen
treffende Person erlebt hat, wie die Mutter beim Backen vom Vater geschlagen wurde. Da bedeutet der Keksduft dann das Aufleben von sehr schmerzlichen Erinnerungen und Gefühlen. Es kann übrigens auch sein, dass Betroffene in ihren Träumen die dramatischen Vorfälle wiedererleben.“ Unmittelbar damit verbunden ist das zweite Erkennungsmerkmal der posttraumatischen Belastungsstörung, das Vermeidungsverhalten. „Der Betroffene geht allem aus dem Weg, was zum Wiedererinnern führen könnte. Das Spektrum reicht vom ‚Nicht-darüber-reden-Wollen‘ bis zur extremen Isolation, wenn Menschen jeglichen sozialen Umgang meiden und ihre eigenen vier Wände nicht mehr verlassen“, erklärt der Mediziner. Als dritten Punkt nennt Prof. Biebl plötzlich auftretende dissoziative Zustände. „Die Betroffenen erscheinen dann auf einmal wie weggetreten, starren beispielsweise wie gelähmt vor sich hin“, so Biebl. Der vierte eindeutige Hinweis auf die posttraumatische Belastungsstörung ist das sogenannte „erhöhte Arousal“. Darunter versteht der Experte den überdurchschnittlichen Aktivierungsgrad des zentralen Nervensystems. „Ein erhöhtes Arousal kann sich zum Beispiel durch Schlafstörungen, chronische Gereiztheit, Wutausbrüche, übermäßige Schreckreaktion, aber auch durch weiter entfernte Symptome wie schwere Konzentrationsstörungen zeigen“, erläutert der Experte. Neben dem bloßen Vorhandensein dieser vier Indikatoren spiele auch ihre Dauer eine wichtige Rolle in der Diagnose. Erst wenn die genannten Anzeichen länger als drei Monate anhalten, könne man eindeutig von einer posttraumatischen Belastungsstörung sprechen. „Alles, was kürzer dauert als einen Monat, fällt in den
Bereich der akuten Belastungsstörungen“, so Biebl.
Neues Vertrauen.
Zwischen fünf und zehn Prozent der Allgemeinbevölkerung weisen die klassischen Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung auf. Was ihre Behandlung betrifft, erklärt Prof. Wilfried Biebl: „Es ist in erster Linie wichtig, die Diagnose zu stellen und sie dem Patienten klar darzulegen. Der Betroffene muss verstehen und einordnen können, was mit ihm los ist. Er muss die Möglichkeit haben, eine neue Einstellung zu den Symptomen zu finden. Deshalb spricht man ja auch von einer ‚Störung‘ als etwas, mit dem man umgehen lernen kann.“ Auch sei eine korrekte Diagnose unabdingbar, weil viele Betroffene im Sinne missglückter Selbstheilungsversuche in die Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenabhängigkeit abglitten und sich die posttraumatische Belastungsstörung mit diesem Suchtverhalten oder einhergehenden Depressionen maskiere. Auch Selbstschädigungen und Suizidversuche weisen bei Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung erhöhte Raten auf und seien daher Phänomene, hinter denen sich die eigentliche Krankheit verbergen könne. „Die Behandlungsansätze, beispielsweise bei Depressionen, unterscheiden sich von denen der posttraumatischen Belastungsstörung. Es muss daher klar sein, welche Erkrankung wirklich vorliegt. Das Therapieziel im Falle einer posttraumatischen Belastungsstörung ist dann, den Patienten in eine Lage zu versetzen, in der es ihm gelingt, zwischen seiner Geschichte und der gegenwärtigen Realität zu unterscheiden und neues Vertrauen zu fassen“, erklärt Prof. Biebl. „Ergänzend sollte gesagt werden, dass es
Zur Sach
54
auch eine Neurobiologie zur posttraumatischen Belastungsstörung gibt. Gewisse Neurotransmitter, das Noradrenalin und das Serotonin, sind bei den Betroffenen in ihrem Spiegel verändert. Es handelt sich also nicht um eine ‚eingebildete Krankheit‘, sondern um eine wechselseitig psychosomatische und somatopsychische Störung.“ Dies sei auch der Grund, warum in manchen Fällen erfolgreich Antidepressiva zur Therapie eingesetzt werden. Grundsätzlich wird die posttraumatische Belastungsstörung aber in einer klassischen Gesprächstherapie behandelt. „Es geht in erster Linie darum, dem Betroffenen zu helfen, das Vermeidungsverhalten zu überwinden und vorhandene Ressourcen zu aktivieren. Das schafft Freiräume für neue Erfahrungen. Wichtig ist dabei, dem Patienten das Recht zur Dosierung zu überlassen“, erklärt Prof. Biebl. Ansonsten könne es zu einer Retraumatisierung kommen.
Resilienzforschung.
Auf die Frage, ob es denn Risiko- oder Schutzfaktoren eine eventuelle posttraumatische Belastungsstörung betreffend gebe, erklärt Prof. Biebl: „Es ist natürlich auffällig, dass ein relativ hoher Prozentsatz der Menschen, die einem potenziell traumatisierenden Ereignis ausgesetzt sind, keine posttraumatische Belastungsstörung bekommen. Es stellt sich die Frage, warum das so ist. Der Zweig der Psychologie, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt, heißt Resilienzforschung. Verschiedene Untersuchungen, unter anderem auch aus der Zwillings-
Wissen Bei der posttraumatischen Belastungsstörung, Abkürzung PTBS, (englisch: posttraumatic stress disorder, PTSD) handelt es sich um eine körperliche Störung, bei deren Verursachung und Aufrechterhaltung Emotionen eine große Rolle spielen. Gefühle wie Angst, Ekel, Hilflosigkeit, Verzweifforschung, haben lung, ohnmächtige Wut oder chronisch unterdrückter gezeigt, dass es Ärger können über ihre Auswirkungen auf das vegetatiwahrscheinlich so ve Nervensystem Funktionsstörungen in beliebigen Oretwas wie ein gegansystemen hervorrufen. Die Bandbreite reicht dabei netisches Entgevon Spannungskopfschmerzen, Beklemmungsgefühlen, genkommen gibt, Herzrasen, Zittern oder Erröten über sexuelle Funktiwas die Anfälligonsstörungen und funktionelle Störungen des Magenkeit für die postDarm-Traktes wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall traumatische Bebis zu komplexeren Störungen wie beispielsweise Magersucht oder Bulimie. Das gemeinsame Auftreten l a s t u n g s s tö r u n g von seelischen Störungen wie Angst, Depression betrifft. Das ist die mit resignativer Rückzugshaltung und Gereiztkörperliche Seite. heit, mit körperlichen Organfunktionsstörungen Was die geistige Seiund kognitiven Leistungseinbußen wie beim te betrifft, so kann man Gedächtnis, der Aufmerksamkeit und der sagen, dass die s scheint über Nacht zu VorgepassieKonzentrationsfähigkeit spricht für eine schichte der Betroffenen ren: plötzlich können Sie abends allgemeine generalisierte somatopsyeine große Rolle spielt. Menchische Veränderung im Menschen im Restaurant die Speisekarte schen, die immer schon viel mit einer posttraumatischen nur mehrRespekt mit Mühe lesen, das Handyerfahren haben, deren Belastungsstörung.
Zusehens
displayMeinung schwer gehört entziffern und irgendund beachtet wurwann immer mehr de,werden tendieren dazu, nicht„Kleinigkeiso schnell eine posttraumatische Belastungsstörung ten“ zur täglichen Herausforderung. auszubilden als solche, die mehrheitlich
P U B L i C R E L AT i O N S
E
Ganz generell ließe sich festhalten, dass die Resilienz umso besser ausgebildet ist, je besser die Affektregulation eines Menschen in seiner Entwicklung geglückt sei. „Vorfelderkrankungen wie Persönlichkeitsstörungen oder Suchterkrankungen beeinflussen diese Affektregulation negativ und sind daher einer gut ausgeprägten Resilienz nicht förderlich“, erläutert Prof. Biebl und nennt als Beispiel den ehemaligen Präsidenten Südafrikas Nelson Mandela. „Dieser Mann war 27 Jahre in Haft, den längsten Teil davon völlig isoliert. Er konnte mit niemandem reden nichts lesenund äußeren Blickfeld dasund Bild scharf und hat es sichKörpergeisLesen ist trotzdem mit jedergeschafft, Kopf- und tig gesundmöglich zu erhalten. Das deutet auf haltung - vom entspannten ausgeprägte Ressourcen und eine damit Lesen auf der Couch bis zum Treppeneinhergehende hohe Resilienz steigen mit gesenktem Blick. hin. Ganz ähnlich scheint es sich übrigens auch MEHRSTÄRKEN-KONTAKTLINSEN mit manchen KZ-Opfern zu verhalten, gibttrotz es in vielen Ausführungen, je nach die ihrer schrecklichen Erlebnisse Anforderung und Tragegewohnheit. Von über diese berichten können, ohne die klassischen Anzeichen eines Wiederder klassischen „alternierenden“ KorrekF. PRANGER lll durchlebens zu einer zeigen.“ tur, die wie bei Bifokalbrille funktio-
Damit sind SieErfahrungen nicht allein:gemacht das Nachlasgegenteilige hasen Sehschärfe der niedriger Nähe betrifft ben,der deren Resilienzinalso ist.“ irgendwann jeden Menschen - und das niert bis hin zum „simultanen“ Prinzip, nicht erst im „Alter“. Schon ab Ende das mehrere Bilder gleichzeitig auf der dreißig, Anfang vierzig können sich erste Netzhaut erzeugt, die im Gehirn zu einem Anzeichen bemerkbar machen: Schwie- scharfen Gesamteindruck verschmelzen. rigkeiten beim Blickwechsel von der FÜR JEDEN? Die eine Kontaktlinse, die Ferne in die Nähe oder das Vergrößern Mehrstärken-Kontaktlinsen. für jeden Menschen gutAusfühgeeignet gibt es sie gleich in vielen des Abstandes zu Buch und Zeitung, um Mittlerweile rungen mit unterschiedlichen Wirist, gibtund es nicht. Erst durch die Vielfalt, das Lesen bequemer zu machen. kungsprinzipien, nach Anforderung die sich in denje letzten Jahren durch DER GRUND für den allmählichen und Tragegewohnheit. Die und Möglichkeiverschiedene Hersteller Konzepte Verlust der Sehschärfe in der Nähe liegt ten reichen von standardisierten Ausentwickelt hat,der können die unterschiedin der nachlassenden Elastizität der tauschlinse bis hin zurerfüllt individuell gefertiglichsten Ansprüche werden. Augenlinse, die sich dadurch nicht mehr ten Linse, die auch Dioptriezahlen Entscheidend dabeihohe ist die Beratung und kann. ausreichend auf kurze Entfernungen korrigieren die fachkundige Anpassung der Entscheidend bei der Wahl ist die Berascharf stellen kann. Mehrstärken-Kontaktlinsen. Neben der und die fachkundige Anpassung der Der erste Schritt ist naheliegend: eine tung technischen Ausstattung sind vor allem Mehrstärken-Kontaktlinsen. der Lesebrille sorgt mit etwas Plus-Stärke für die Erfahrung und das Neben Wissen des technischen Ausstattung sind vor allem Entfernungen scharf stellen kann. Der ersmehr Schärfe in einem bestimmten Anpassers ausschlaggebend. te Schritt ist naheliegend: eine Lesebrille die Erfahrung und das Wissen des AnpasNahbereich. Als schnelle Hilfe für Dass es für absolut jeden Anspruch die ausschlaggebend. Dass es für jeden sorgt für mehr Schärfe in einem bestimm- sers bestimmte Situationen ist die Nahbrille perfekte Mehrstärkenlinse gibt, kann ten Nahbereich. Als schnelle Hilfe für be- Anspruch die perfekte Mehrstärkenlinse vor allem für bisher ‚Gutsichtige’ eine noch - nicht versprochen werden. stimmte Situationen ist die Nahbrille vor gibt, kann - noch - nicht versprochen wereinfache Lösung. Bestehteineallerdings Herausfinden lässtlässt es sich aberaber nur nur durch Herausfinden es sich allem für bisher ‚Gutsichtige’ einfache den. bereits Kurzoder Weitsichtigkeit eines:eines: Ausprobieren! Ausprobieren! lll Lösung.eine Besteht aber bereits eine Kurz- durch sind Brillen sind odermehrere eine Gleitsichtodermehrere Weitsichtigkeit, Brillen brille notwendig. oder eine Gleitsichtbrille notwendig.
s scheint über Nacht zu passieren: Plötzlich können Sie abends im Restaurant die Speisekarte nur mehr mit Mühe lesen, das Handydisplay schwer entziffern und irgendwann werden immer mehr „Kleinigkeiten“ zur täglichen Herausforderung. Damit sind Sie nicht allein: das Nachlassen der Sehschärfe in der Nähe betrifft irgendwann jeden Menschen - und das nicht erst SEHEN – WIE ES MAL WAR. Mehr im „Alter“. Schon ab Ende dreißig können Sehen wie es mal war. Komfort und Freiheit bieten langfristig sich erste Anzeichen bemerkbar machen. Mehr Komfort und Freiheit bieten MehrMehrstärkenoder Multifokalstärken- oder Multifokal-Kontaktlinsen, Kontaktlinsen, die wieder zu klarer Sicht die das Sehen zurück bringen, wie es mal Der Grund ... fernvon verhelfen können. Die war:nah klarebis Sicht nah bis fern, und das ... für den allmählichen Verlust der Seh- von Linse, die im Gegensatz zur Brille, direkt schärfe in der Nähe liegt in der nachlas- bei jeder Blickbewegung oder Kopfhaltung dem Auge sitzt, macht jedeCouch Blickbe- vom entspannten Lesen auf der bis senden Elastizität der Augenlinse, die sich auf wegung mit. Damit bleibt auch dadurch nicht mehr ausreichend auf kurze zum Treppensteigen mit gesenktem Blick.im
INSTITUT MILLER Innsbruck, Meraner Str. 3/1 Tel. 0512/ 58 37 25 Imst, Dr.-Pfeiffenberger-Str. 14a Tel. 05412/ 63 120-11 www.sehenistmehr.at
55
56
Wissen
„Es gibt keine einzige seriöse Studie, die bestätigt, dass Glutamat bestimmte Krankheiten auslösen kann.“
Wissen
Würze ohne Reue? Geschmacksverstärker gelten als gefährlich und potenziell gesundheitsschädlich. Wissenschaftlich konnte das „Sündenbock“Image von Glutamat bislang aber nicht bestätigt werden.
P
ackerlsuppe, Maggi, Fertigsaucen – die meisten gesundheitsbewussten Menschen machen um diese „Convenience-Produkte“ einen weiten Bogen. Seit geraumer Zeit steht nämlich die Vermutung im Raum, dass Geschmacksverstärker das Essen zwar würzig und schmackhaft machen, gleichzeitig aber auch die Gesundheit nachhaltig schädigen können. So soll regelmäßiger Glutamatkonsum zum Beispiel Allergien, Asthma, Migräneattacken und Reizdarmbeschwerden begünstigen, manche Wissenschaftler sehen sogar einen Zusammenhang zwischen Glutamat und schweren Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer. Für Dr. Robert Koch von der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin grenzt ein Großteil dieser Meldungen an Panikmache: „Es gibt keine einzige seriöse Studie, die bestätigt, dass Glutamat eine der genannten Krankheiten auslösen kann.“ Woher kommt dann das schlechte Image von Suppenwürfeln & Co.? „Es gibt in der Ernährungsmedizin immer wieder verschiedene Modeerscheinungen. Mal ist dieser Stoff ‚böse’, dann wieder ein anderer. Im Moment wird eben dem Glutamat der schwarze Peter zugeschoben.“
Körpereigener Stoff.
Was viele nicht wissen: Glutamat ist kein „unnatürlicher“ Stoff – ganz im Gegenteil. „Glutamate sind nichts anderes als die Salze der Glutaminsäure. Und Gluta-
minsäure ist eine der zwölf nicht-essenziellen Aminosäuren, die der Körper selbst produziert“, erklärt Dr. Koch. Im Zuge der Berichterstattung um mögliche Gesundheitsrisiken durch Geschmacksverstärker wird außerdem oft vergessen, dass viele Gemüsesorten (zum Beispiel Kartoffeln oder Tomaten) von Natur aus Glutamat enthalten. Der angeblich „böse Stoff“ sorgt auch für den würzigen Geschmack von Käse – lange gereifter Parmesan kann sogar bis zu 1,2 Gramm natürliches Glutamat pro 100 Gramm enthalten. Insgesamt nimmt der durchschnittliche Europäer pro Tag ca. 10 Gramm gebundenes Glutamat (über Eiweiß) und ca. 1 Gramm freies Glutamat zu sich. Gerade einmal 0,3 bis 0,5 Gramm des freien Glutamats stammt von zugesetzten Geschmacksverstärkern aus Fertiggerichten, Streuwürze & Co. „Wenn man die 1,2 Gramm aus dem Parmesan mit den 0,3 bis 0,5 Gramm aus den Fertigprodukte vergleicht, stellt sich schon die Frage, wieso um das zugesetzte Glutamat so viel Panikmache betrieben wird“, gibt Dr. Robert Koch zu bedenken.
Chinarestaurant-Syndrom.
Trotzdem: Viele Menschen klagen nach dem Verzehr von asiatischen Speisen, die in der Regel viel Glutamat enthalten, über plötzliche Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Übelkeit. In den USA und Europa gibt es sogar ein eigenes Wort für das Unwohlsein nach dem übermäßigen Ge-
57
58
Wissen
Was ist Glutamat?
Glutamat ist das Salz der Glutaminsäure, die eine der zwölf nichtessenziellen Aminosäuren darstellt. Nicht-essenziell bedeutet, dass sie vom menschlichen Körper selbst gebildet wird und nicht durch Nahrungsmittel zugeführt werden muss. In Europa sind sechs Formen von Geschmacksverstärkern zugelassen: E620 (Glutaminsäure), E621 (Mononatriumglutamat), E622 (Monokaliumglutamat), E623 (Calciumdiglutamat), E624 (Monoammoniumglutamat) und E625 (Magnesiumdiglutamat). Diese Zusätze müssen in der Zutatenliste der Lebensmittel vermerkt werden. Die Aufnahme von maximal 16.000 mg Glutamat pro Kilogramm Körpergewicht wird als unbedenklich eingestuft.
Was ist Umami?
Umami kommt aus dem Japanischen und bedeutet „herzhaft“ bzw. „fleischig“. Es wird häufig als „fünfte Geschmacksrichtung“ bezeichnet – ergänzend zu süß, sauer, bitter und salzig. Träger des Umami-Geschmacks ist die Glutaminsäure, weshalb der würzige Geschmack vor allem in Fleisch, Käse und reifen Tomaten vorkommt.
nuss von Geschmacksverstärkern: „Chinarestaurant-Syndrom“. Dr. Robert Koch ist trotz der häufigen Schilderung dieser Symptome skeptisch: „Studien haben gezeigt, dass einzelne Menschen, welche am ‚Chinarestaurant-Syndrom’ leiden, die besagten Beschwerden auch nach der Verabreichung von Placebo anstelle von Glutamat bekommen. Auffällig ist auch, dass das ‚Chinarestaurant-Syndrom’ eine Erkrankung ist, welche man zwar in Europa und Nordamerika kennt, in Asien – wo deutlich höhere Mengen an Glutamat konsumiert werden – ist diese Erkrankung jedoch unbekannt.“ Was ist also für ihn
die Erklärung für das „ChinarestaurantSyndrom“? „In Restaurantgerichten sind jede Menge von Substanzen enthalten, die mitunter ungünstig zusammenspielen können. Geschmacksverstärker auch hier als ‚Sündenbock’ herauszustreichen, ist sicher zu einfach gedacht.“ Trotzdem sollte man die Entwarnung nicht falsch verstehen: „Es mag durchaus Menschen geben, die empfindlich auf größere Mengen Glutamat reagieren und sich subjektiv besser fühlen, wenn sie darauf verzichten. Ich sage nur, dass diese Wirkung nicht objektiviert werden kann, also für jeden gelten muss.“
„Nicht alles schlucken.“
Entgegen der landläufigen Meinung ist der durchschnittliche Glutamatkonsum in der westlichen Welt in den letzten 20 Jahren kaum gestiegen. Zwar werden immer mehr Fertigprodukte produziert – sogenanntes „Convenience Food“ – gleichzeitig hat sich aber auch ein Markt für glutamatfreie Produkte entwickelt. Immer mehr Hersteller tragen der Angst vor möglichen Gesundheitsproblemen Rechnung und bringen Suppenwürze und Gewürzmischungen mit dem Vermerk „ohne Geschmacksverstärker“ auf den Markt.
Wissen
ICH SCHENK MIR
WOHLFÜHLEN
In wohliger Wärme entspannen!
ABANO TERME
KURZURLAUB - JEDEN DO & SO
Natürlicher Glutamatgehalt von Nahrungsmitteln Tomaten (roh): 200–300mg/100g Kartoffeln: 50–80mg/100g Parmesan: bis zu 1200 mg/100 g
inkl. Komfortbus, Ausflug Padua, Reiseleitung zahlreiche Hotels***/* zur Wahl 4 bzw. 5 Tage / 3x bzw. 4x VP ab € 199,-
Glutamat und Blut-Hirn-Schranke Immer wieder taucht die Vermutung auf, dass Glutamat die menschliche Blut-Hirn-Schranke passieren und so schwere Schäden im menschlichen Gehirn verursachen könne. Laut aktuellstem Stand der Wissenschaft ist diese Angst – zumindest bei einer gesunden, funktionierenden Blut-Hirn-Schranke – unbegründet. Glutamat und Schwangerschaft bzw. Stillzeit Studien zeigen, dass selbst erhöhter Glutamatkonsum bei Schwangeren keine negativen Auswirkungen auf das ungeborene Kind hat. Babys nehmen natürlicherweise durch die Muttermilch Glutamat auf. Trotz der (in Relation zum geringen Körpergewicht des Säuglings) verhältnismäßig hohen Dosis ist dies aber nicht gefährlich. Ganz im Gegenteil: Man geht davon aus, dass damit das Wachstum und die Entwicklung des Babys gefördert werden.
RELAX & WEIHNACHTSSHOPPING IN ABANO 05.-09.12.
inkl. Komfortbus, Galadinner mit Tanzabend, Ausflug Padua, 1x Gesichtsmassage für SIE oder 1x Antistressmassage für IHN Mittagessen bei Abreise, Columbia*** 5 Tage / 4x VP nur € 299,-
ADVENTREISE
FALKENSTEINERHOF**** 17.-19.12.
inkl. Komfortbus, Ausflug Christkindlmarkt, Erlebnishallenbad, Sauna, 4-Gang Wahlmenü 3 Tage / 2x HP, & Mittagssuppe € 199,-
SILVESTERREISE RAB 28.12.2010 - 02.01.2011
inkl. Komfortbus, Panoramaschifffahrt durch den Barbatkanal in den Zavratnica Fjord, Inselausflug, Wellnesshotel Imperial**** 6 Tage / 5x HP € 399,-
THERMENFLÜGE
SÜDSTEIRISCHES THERMENLAND TÄGLICH MO-FR
Flüge Innsbruck-Graz-Innsbruck, Transfers Hotel-Flughafen Graz, Quellenhotel & Spa**** / Bad Waltersdorf 3 Tage / 2x HP schon ab € 499,-
REISEGUTSCHEINE Doch nicht alles an der Panikmache ist schlecht. Dr. Koch: „Das Gute daran ist, dass die Menschen beginnen, darüber nachzudenken, was sie essen, und in Zukunft vielleicht nicht alles schlucken, was ihnen vorgesetzt wird.“ Dass die Glutamathysterie eine „Mode“ ist, zeigt übrigens auch die Tatsache, dass Glutamat in den 1950ern sogar bewusst an Kinder verabreicht wurde, um deren geistige Leistungsfähigkeit zu steigern. Der erwünschte Effekt blieb zwar aus – allerdings kam es bei den Probanden auch zu keinerlei Schäden oder gesundheitlichen Problemen. B. WOHLSEIN lll
das IDEALE Weihnachtsgeschenk! unbegrenzt gültig -individuell gestaltet übertragbar - für jede Reise gültig!
Auch alle Fluglinien, nationalen & internationalen Reiseveranstalter buchbar! Frühbucherbonus nutzen! Zur Person Dr. Robert Koch ist stationsführender Oberarzt der Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin.
Information & Buchung
0810/208030 idealtours.at
59
AUFSCHIE B
EN
GILT NICH T. Finden Sie heraus, welcher Vorsorgetyp Sie sind! Im Gespr채ch mit Ihrem Raiffeisenberater.