Respekt! Magazin für kulturellen Austausch
Nr. 001 01.10.2013 Deutschland 5,50
Alles, was wir nicht wissen Wie sich Gläubige und Atheisten über das verständigen, was nicht beweisbar ist. Die gemeinsame Basis Im Gespräch mit „Manieren“-Autor Asfa-Wossen Asserate
Wo ist Molly Norris? Die Schöpferin des „Everybody Draw Mohammed Day“ ist untergetaucht
Der digitale Djihad Pierre Vogel, die Salafisten und ihr Bekehrungsfeldzug via youtube
Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und ...
... seine Liebe ist in uns vollendet. 1. Johannes 4, 12
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illkommen zur ersten Ausgabe von Respekt – Magazin für kulturellen Austausch. In unserem Magazin werden Sie mit jeder Ausgabe einen neuen Teilbereich der Kommunikation mit anderen Kulturen kennenlernen. In unserer Debütausgabe beschäftigen wir uns mit einem der grundlegendsten Themen aller menschlichen Kulturen: Mit dem Glauben an Gott. Die Religion ist das, was all unsere verschiedenen Kulturkreise gemeinsam haben – und was sie dennoch seit jeher teilt. So sehr die Weltreligionen uns menschliche Verhaltensregeln wie Friede, Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft lehren, so sehr sind sie auch Ursache für Ausgrenzung, Diskriminierung, Unterdrückung und Krieg. Die Fragen, die wir uns stellen, sind klar: Wie müssen Anhänger verschiedener Religionsgruppen miteinander umgehen? Wie haben sich Atheisten gegenüber Glaubigen zu verhalten – und umgekehrt? Und wie können wir unsere unterschiedlichen religiösen Vorstellungen nutzen, um ein funktionierendes Miteinander zu erreichen? Abseits davon noch eine kleine Anmerkung: Bei diesem Magazin handelt es sich um ein Semesterprojekt, das sich mit Design beschäftigt – nicht mit Journalismus. Die wenigsten der enthaltenen Texte sind selbst geschrieben, die meisten der Artikel sind aus Zeitungen und Zeitschriften zusammenkopiert. Vieles stammt aus glaubwürdigen Quellen, vieles aber auch aus Internetblogs, Wikipedia und anderen Horten des Halbwissens. Darum: Genießen Sie den Inhalt, aber genießen Sie ihn mit Vorsicht. Was Sie in Händen halten, ist ein Designprojekt, keine sauber recherchierte journalistische Arbeit. Die enthaltenen Artikel müssen nicht zwangsläufig meiner Meinung entsprechen. Sie sollen nur eins: Zum Denken anregen. Dabei wünsche ich viel Spaß.
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Inhalt In der heutigen Ausgabe gibt es antifundemantalistische Nudelgerichte, Mohammed zum Selbermalen, eine burkatragende Popgruppe, Weltuntergangsprophezeihungen, beschnittene Penisse und Neuigkeiten aus der Homo-Hölle.
10 Benehmt euch! 14..............................Respekt? Ja, wovor denn? Michael Schmidt-Salomon fordert mehr Kritik und Satire für Islamisten 20.............„Manieren beginnen, wo die religiöse Übereinstimmung aufhört.“ Asfa-Wossen Asserate über Religion und Manieren
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28...................................Die gemeinsame Basis Interview mit Asfa-Wossen Asserate 30 ............Miteinander reden statt übereinander Interview mit Guiseppe Pinuzzu 32.......Die 10 Gebote des interreligiösen Dialogs
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Hat Gott Selbstironie?
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Im Anfang war der Teig..................................38 Wie Pastafreunde fundamentalistischen Christen die Stirn bieten 38 Wo ist Molly Norris?.......................................44 Die Schöpferin des „Everybody Draw Mohammed Day“ ist untergetaucht „Wir waren die afghanischen Dieter Bohlens“50 Popmusikalische Revolution in Burkas 44
Du sollst nicht denken Mit offenen Fangarmen..................................58 Jeannette Schweitzer über ihre Zeit in der Psycho-Sekte Scientology 58
Rufmord an den Aussteigern..........................64 Die Zeugen Jehovas und ihr radikaler Umgang mit Abtrünnigen Beten, bis die Welt untergeht.........................68 Lukas L. und sein Leben mit den Zeugen Jehovas
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Und wer sagt sonst noch das Harmagedon voraus?...............................73 Die verpassten Weltuntergangstermine seit 500 n. Ch. im Überblick
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76 Kreuzritter 2.0 80.....................................Ab in die Homo-Hölle kreuz.net und das pseudochristliche Hetzprogramm 88.........................................Persona non Grata David Berger über sein Zeit als schwuler Theologe in der katholischen Kirche
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90.........................................Der digitale Djihad Pierre Vogel, die Salafisten und ihr Bekehrungsfeldzug via youtube 94 .................Wie unschuldig sind die Muslime? Der umstrittene Hetzfilm im Faktencheck
100 Der schmale Grat
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104......Die Tradition ist stärker als alles andere Riad Sattouff im Gespräch über seinen autobiographischen Beschneidungs-Comic 108................................Deutschlands Vorhäute Wie viele Menschen sind in Deutschland beschnitten – und warum?
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110...............................................Prozessmüde Die Lehrerin Iyman Alzayed hat es aufgegeben, für ihr Recht zur Verhüllung zu kämpfen 118........Der Tod, der in den Regelbüchern steht Deutschlands Debatte um das Schächten
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Benehmt euch! Schon im Kindergarten wurden uns die grundlegendsten Umgangsformen gelehrt: Seid friedlich! Keine Beleidigungen! Niemand ist ein schlechter Mensch, nur weil er anders ist! Wenn Anhänger unterschiedlicher Religionen aufeinandertreffen, ist das Kindergartenniveau aber oftmals näher, als man denkt. Gibt es Verhaltensregeln für den interreligiösen Dialog?
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Respekt vor religiösen Gefühlen!, heißt es allenthalben. Michael Schmidt-Salomon hält es für falsch, auf die Befindlichkeiten von Gläubigen groß Rücksicht zu nehmen.
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s wirkt wie ein bedingter Reflex: Kaum gehen religiöse Fanatiker auf die Barrikaden, sind westliche Politiker und Journalisten zur Stelle, um Respekt für religiöse Gefühle einzufordern. So war es vor sechs Jahren im Zuge des Karikaturenstreits, so ist es heute bei den Protesten gegen das trashige YouTube-Filmchen Die Unschuld der Muslime. Im ersten Moment mag die Forderung sogar vernünftig erscheinen: Denn wäre es nicht schön, wenn wir alle etwas respektvoller miteinander umgehen würden? „Respekt“ (von lateinisch „respectus“: Zurückschauen, Rücksicht) bezeichnet eine Form der Achtung und Ehrerbietung gegenüber einer anderen Person, ihren Handlungen oder Überzeugungen. Keine Frage: Für aufgeklärte Zeitgenossen ist es eine pure Selbstverständlichkeit, Menschen als Menschen wertzuschätzen. Doch gilt dies auch für alle Überzeugungen, die Menschen an den Tag legen? Ganz gewiss nicht.
rechnet jenen gegenüber eingefordert wird, die hinlänglich bewiesen haben, dass ihnen jeder Respekt gegenüber Andersdenkenden fehlt. Verwunderlich ist dieses Defizit nicht, wenn man die Heiligen Schriften kennt. So erwartet „die Ungläubigen“ laut Koran nicht bloß das „ewige Feuer“, sie werden in der „Hölle“ mit „Eiterfluss“ und „Jauche“ getränkt (Suren 14,16 und 78,25), erhalten einen „Trunk aus siedendem Wasser“ (Sure 6,70), der ihnen die „Eingeweide zerreißt“ (Sure 47,15), werden mit „eisernen Keulen“ geschlagen (Sure 22,21), müssen Kleidungsstücke aus flüssigem Kupfer und Teer tragen (Sure 22,19) und vieles andere mehr. Immer wieder wird im Koran betont, wie sehr Allah „die Ungläubigen“ hasst – sie gelten ihm gar als die „schlimmsten Tiere“ (Sure 8,55) – und dass es für den gläubigen Muslim eine heilige Pflicht sei, den Zorn Gottes an ihnen zu vollstrecken (Suren 8,15-16). Eine gute Grundlage für den respektvollen Umgang mit Andersdenkenden ist dies sicherlich nicht.
„Der Klügere gibt nach – was der Dummheit schon Wie etwa könnten wir aus einer aufklärerischen Perspektive heraus Glaubensüberzeugungen respektieren, die noch immer – im 21. Jahrhundert! – gegen Schwule und Ehebrecherinnen agitieren? Nein, hinter solchem Respekt verbirgt sich meist bloß Ignoranz beziehungsweise Feigheit, die sprichwörtlich geworden ist: Der Klügere gibt nach – was der Dummheit schon häufig zum Sieg verholfen hat. Respekt für Respektlose? Die Absurdität der gegenwärtigen Debatte zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Respekt ausge-
häufig zum Sieg verholfen hat.“ (Deuteronomium, 7,16-17). Auch im Neuen Testament wird die Bestrafung „der Bösen“ immer wieder in schillerndsten Farben ausgemalt. So verkündet das Matthäus-Evangelium, dass der „Menschensohn seine Engel aussenden“ wird, die diejenigen, die „Gottes Gesetz übertreten haben, (…) in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen“ (Mt. 13,41-43). Nicht besser kommen die Fehl- und Nichtgläubigen bei Paulus weg: Die, die sich weigern, (den christlichen) Gott anzuerkennen, sind, so der Apostel, „voll Ungerechtigkeit,
Schlechtigkeit, Habgier und Bosheit, voll Neid, Mord, Streit, List und Tücke, (…) sind überheblich, hochmütig und prahlerisch, erfinderisch im Bösen (…) Wer so handelt, verdient den Tod“ (Römer 1,28-32).Führt man sich vor Augen, wie vehement „Ungläubige“ in den Grundlagenschriften der Religionen verunglimpft werden, wirken sämtliche Religionssatiren, die in den vergangenen Jahrzehnten veröffentlicht wurden, wie harmlose Späßchen. Bei Licht betrachtet hätten religionsfreie Menschen also weit triftigere Gründe, sich in ihren weltanschaulichen Gefühlen verletzt zu sehen. Offenkundig jedoch sind ihre weltanschaulichen Empfindungen weit weniger verletzungsanfällig als religiöse Gefühle. Sollte man also Rücksicht auf die besondere Befindlichkeit der Gläubigen nehmen? Keineswegs, denn das würde das Krankheitsbild nur noch verschlimmern.
„Hüten wir uns also vor der Ideologie des falschen Respekts!“ Es ist wie bei einer Spinnenphobie: Wer unter der wahnhaften Angst leidet, beim Anblick einer Spinne sterben zu müssen, kann seine Angst nur dadurch überwinden, dass er mit dem Auslöser seiner Angst konfrontiert wird. Ähnlich ist es bei der Kritikphobie der Hardcore-Religiösen, auch hier hilft im Grunde nur systematische Desensibilisierung: Wir sollten sie daher mit so viel Kritik und Satire versorgen, bis sie irgendwann von selbst erkennen, wie irrsinnig es ist, wegen einer harmlosen Zeichnung in die Luft zu gehen oder schlimmer noch: andere in die Luft zu sprengen.
Umkehrung des Täter-Opfer-Prinzips Die Ideologie des falschen Respekts ist, wie ich meine, gleich in mehrfacher Hinsicht schädlich: Erstens verstärkt sie die religiöse Kritikphobie durch das Ausblenden des aversiven Reizes. Zweitens ermutigt sie Fanatiker dazu, noch heftiger zu protestieren, um künftig jede Form von Religionskritik zu unterbinden. Drittens stellt sie weltanschauliche Borniertheit unter „Denk-malSchutz“, indem sie den Fundamentalisten das „Geschenk der Kritik“ vorenthält. Viertens ist sie paradoxerweise besonders respektlos gegenüber den Gläubigen, weil sie diese wie kleine Kinder behandelt, denen man bestimmte Dinge nicht zumuten darf. Fünftens führt sie zu einer Überbetonung der Interessen jener Personenkreise, die in ihrem Denken und Handeln noch nicht im 21.
Zur Person Jahrhundert angekommen sind. Sechstens verführt sie Politiker dazu, das Täter-Opfer-Prinzip umzudrehen, indem sie die Schuld für die Störung des öffentlichen Friedens den betroffenen Künstlern zuweisen – statt den Fanatikern, die nicht angemessen auf Kritik reagieren können. Siebtens hat die Ideologie des falschen Respekts eine Aushöhlung der Meinungs-, Presse-, Kunstund Forschungsfreiheit zur Folge. Und achtens ist sie mit dem Verrat der Prinzipien der Streitkultur der Aufklärung verbunden, die ja gerade deshalb so produktiv ist, weil sie Debatten fördert, in denen tradierte Sichtweisen schamlos verletzt werden können. Hüten wir uns also vor der Ideologie des falschen Respekts! Nicht auszudenken, wo wir heute stünden, wenn die Aufklärer der Vergangenheit größere Rücksicht auf religiöse Gefühle genommen hätten: Womöglich würden in Europa noch immer die Scheiterhaufen brennen…
Michael Schmidt-Salomon (* 14. September 1967 in Trier) ist freischaffender Philosoph, Autor, atheistischer Aktivist und Humanist. Von 2004 bis 2006 war Schmidt-Salomon geschäftsführendes Vorstandsmitglied, seit 2006 ist er Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung. 2007 leitete er die Kampagne „Wir haben abgeschworen!“ des Zentralrats der Ex-Muslime.
Wie etwa könnten wir aus einer aufklärerischen Perspektive heraus Glaubensüberzeugungen respektieren, die noch immer – im 21. Jahrhundert! – gegen Schwule und Ehebrecherinnen agitieren?
„Manieren beginnen, wo die religiöse Übereinstimmung aufhört.“ Dürfen Atheisten überhaupt auf das Recht pochen, von Gläubigen mit Respekt behandelt zu werden? Asfa-Wossen-Asserate, Autor des Bestsellers „Manieren“ findet das nicht.
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er wird künftig deinen Kleinen lehren / Speere werfen und die Götter ehren?“ In diesem Vers ist das pädagogische Programm enthalten, das alle alten Gesellschaften miteinander gemeinsam haben. Diese beiden „Unterrichtsfächer“ enthielten die wichtigsten sozialen Funktionen; alles Weitere entfaltete sich aus der Pflicht, die Gemeinschaft zu verteidigen und die Gebote der Religion zu respektieren. Während man auch zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts in Afrika noch auf viele Milieus stoßen kann, in denen die Erziehung auf diesen beiden Säulen ruht, hat sich Europa inzwischen vollständig anderen Idealen zugewandt. Weder das Speere-Werfen noch das Götter-Ehren begründen hier die Gesetze des Zusammenlebens. Das Speere-Werfen ist an den Staat de-
legiert, der das Gewaltmonopol besitzt und den Bürgern die handgreifliche Verteidigung der eigenen Interessen, aber auch den bewaffneten Schutz ihrer Ehre verbietet. Das republikanische Pathos, mit dem den Monarchien das Bürgerrecht auf das Waffentragen und auf die Teilnahme an der Landesverteidigung einst abgetrotzt wurde, ist sehr leise geworden. Heute wünschen die meisten Bürger in den westlichen Ländern die Rückkehr zum Berufsheer, das unter dem gefürchteten Namen „Söldnerheer“ doch eben noch als höchst bedenklich galt. Die Religion hingegen ist strikte Privatsache und im öffentlichen Raum der Gesellschaft nur geduldet; keinesfalls begründet sie Gemeinsamkeiten, oft noch nicht einmal unter ihren Mitgliedern, die auf den gesellschaftlichen Druck, unter den
die Religion geraten ist, höchst unterschiedlich reagieren. Dennoch wäre es falsch, in einer Betrachtung über die europäischen Manieren den Umgang mit religiösen Verhaltensweisen ausschließen zu wollen. Wie wir schon mehrfach gesehen haben, sind es religiöse Verhaltensweisen, die das Fundament vieler unserer Umgangsformen bilden. Obwohl die Religion im europäischen Westen an einem nun schon mehr als zweihundertjährigen Schwächeanfall leidet, betrachten sich viele Leute als gläubig. Die Verhältnisse in Deutschland bringen es mit sich, dass sich beständig Anhänger verschiedener Religionsgemeinschaften begegnen. Inzwischen verhalten sie sich bei solchen Begegnungen überwiegend friedlich. Die Zeiten, die regelrechte Feindseligkeiten zwischen den Konfessionen auch im alltäglichen Nebeneinander ausbrechen ließen, sind vorbei. Keinem Gelehrten wird der Ruf auf einen Lehrstuhl mehr verweigert, weil er Katholik oder Protestant ist. Die seit meiner Ankunft in Deutschland mir häufig vorgetragene Anekdote (so häufig, dass ich inzwischen an ihrer Wahrscheinlichkeit zweifle), am katholischen Fronleichnamsfest hätten die protestantischen Bauern Mist gefahren, um die Prozession zu stören, am Reformationstag hingegen hätten die Katholiken ein heftiges Teppichklopfen angefangen, beschreibt schon geradezu legendär gewordene Verhältnisse. Es gibt immer noch Milieus, in denen es mit Missvergnügen aufgenommen wird, wenn die Tochter einen Mann außerhalb des eigenen Bekenntnisses heiratet, aber sie sind selten geworden. Hochzeiten sind denn auch der Regelfall, bei dem Protestanten und Katholiken in einer Kirche zu einem Gottesdienst zusammenzukommen pflegen. Solche Fälle sind es, in denen sich die Manieren mit der
Religion berühren, und diese ausschließlich sollen hier betrachtet werden. Das ist eine bedeutende Einschränkung.Allen Religionen ist es eigen, für ihren Gottesdienst, aber auch außerhalb des gemeinschaftlichen Gottesdienstes, Verhaltensmaßregeln für ihre Gläubigen zu entwickeln. Wie bereits erwähnt, ist nach der Überzeugung des französischen Moralisten Joubert die eigentliche Schule der Manieren die Liturgie, und man könnte mühelos darlegen, wie sich aus dem liturgischen Dienst der lateinischen und der griechischen Kirche die wesentlichen Formen der Ehrfurcht und des Respekts ableiten lassen, die in den europäischen Manieren so lange bestimmend waren. Indessen fehlt mir die erforderliche distanzierte Kälte, um das Knien und Weihwassernehmen eines frommen Katholiken oder die ungezählten Kreuzzeichen und das Küssen der Ikonen eines andächtigen Orthodoxen, die Bedeckung des Hauptes eines Juden, die unablässigen Verneigungen eines Muslims und das Ablegen der Schuhe in Moschee und HinduTempel unter dem profanen Begriff der Manieren zu behandeln. Ich siedele die Manieren einige deutliche Stufen unter diesen das Gebet begleitenden Verhaltensweisen an. Sie beginnen, wo die religiöse Übereinstimmung aufhört, das heißt, wenn der Fall eintritt, der für den religiös Überzeugten eigentlich gar nicht eintreten dürfte. Wer einer Religion anhängt, tut dies im besten Fall, weil er von ihrer Wahrheit durchdrungen ist. Wer dieser Religion nicht folgt, muss sich also im Irrtum befinden. Wir machen es uns mit unserer inzwischen allgemeingültig gewordenen Auffassung des Begriffes der Toleranz etwas zu leicht, wenn wir diese Tugend als Konsequenz eines mild auf- und abge-
klärten Indifferentismus pflegen. Ihre Stärke entfaltet die Duldsamkeit erst, wenn sie gegenüber dem als zutiefst irrig und falsch Erkannten geübt wird. Gerade unter diesem Aspekt der Manieren ist Toleranz in religiösen Fragen niemals ein Recht, auf das der Nichtreligiöse pochen darf, sondern eine beträchtliche moralische Leistung, die mit Dankbarkeit quittiert zu werden verdient. Vielmehr hat die Hindu- oder Muslim- oder Sikh-Gemeinschaft, die Andersgläubigen den Zutritt zu ihren heiligen Stätten verbietet, ein Recht zu einem solchen Ausschluss, und keine kunsthistorischen Interessen und kein Bildungsbedürfnis des kamerabewehrten Weltreisenden können diesem Recht etwas abhandeln. Unter den Christen glauben inzwischen nur noch die Orthodoxen – keineswegs alle, aber doch in Russland und Griechenland nicht wenige – das Recht zu besitzen, Andersgläubigen die Teilnahme an ihren Riten zu verweigern. Wer Religion ernst nimmt, wird daran nichts auszusetzen finden, und wer es nicht tut, hat keine andere Behandlung verdient. Und auch wer die Religion nicht ernst zu nehmen imstande ist, sollte zu-
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nächst stets damit rechnen, dass der Angehörige einer Religionsgemeinschaft das tut. Seine Speisegesetze, seine Fastenzeiten, seine Gottesdienste und Gebetsgewohnheiten müssen durchaus unkommentiert bleiben. Religiöse Ehrfurcht ist ein empfindliches und leicht zu störendes Gefühl. Gelassenheit und Überlegenheit gegenüber verständnisloser Verletzung der Ehrfurcht zu fordern obliegt allein den Gläubigen – der Außenstehende hat dazu kein Recht. Es wäre eine Verdoppelung des Hohnes, wenn jemand, der die religiöse Überzeugung eines anderen verletzt hat, auch noch triumphierend darauf hinwiese, solche Angriffe müssten eben mit dem Geist der Liebe ertragen werden. Eine wachsende Unsicherheit der Amtsträger der Religion hat im Westen die Gewohnheit entstehen lassen, anderer Leute Religion, der man selbst weder angehört noch anzugehören wünscht, vor ihnen dreist und ungefragt ausführlich zu kritisieren und sogar mit Verbesserungsvorschlägen nicht zu geizen. Liegt nicht eine ungeheure Komik darin, wenn sich Leute über die Moralauffassungen des Papstes entrüsten, die weder Christen sind noch sich
Und es begab sich, da er zu Tische saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tische mit Jesu und seinen Jüngern. 11 Da das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isset euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? 12
Da das Jesus hörte, sprach er zu ihnen: Die Starken bedürfen
des Arztes nicht, sondern die Kranken.
dem Papst im mindesten verpflichtet fühlen? Immer wieder erleben wir Wellen von Forderungen, die religiösen Bücher aller möglichen Religionsgemeinschaften sollten dem politischen Konsensus der gerade eben herrschenden Verhältnisse angepasst werden – sie dringen bis in die Tischgespräche vor, wo sie im Rahmen der Manieren jedenfalls nichts zu suchen haben. Wer die Kirche einer Religionsgemeinschaft betritt, der er nicht angehört, muss es in dem Bewusstsein tun, dass dieser Ort den Leuten, die ihn zu ihren Gottesdiensten aufsuchen, heilig ist. Wer kein Katholik ist, braucht kein Weihwasser zu nehmen und keine Kniebeugen zu machen, aber er muss wissen, dass der Altar und der mit einer roten Lampe gekennzeichnete Schrein mit den gewandelten Opfergaben für Katholiken Zonen der Ehrfurcht bilden. Hier wird nur mit gedämpfter Stimme gesprochen, und es wird vermieden, mit dem Rücken vor Altar oder Tabernakel zu stehen, um ausführliche kunstgeschichtliche Betrachtungen abzuhalten. Nach christlichem Brauch nehmen Männer in der Kirche den Hut ab, auch wenn es beinkalt ist und Erkältungen drohen – der Hut muss herunter. Frauen hingegen sollen nach einer vom Apostel Paulus ausgesprochenen Regel im Kirchenraum ihr Haar bedecken. Auch wenn die schwarzen Kirchenschleier aus Spitze, die früher vor allem im Süden üblich waren, heute nur noch selten zu sehen sind, befolgen gerade die eleganten Damen, selbst wenn sie der Kirche gleichgültig gegenüberstehen, keines ihrer Gebote mit mehr Phantasie und Begeisterung. Wenige werden frei-
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lich wissen, wenn sie sich für eine Mariage à la mode ein winziges Gebilde aus rosa Tüll ins Haar stecken, dass sie soeben dabei sind, die paulinische Anweisung, die Frauen mögen „mit Rücksicht auf die Anwesenheit der Engel“ den Schleier tragen, zu befolgen. Anständig bekleidet sein soll, wer eine Kirche betritt. Was anständig ist, unterliegt dem Zeitgeschmack; vielerorts ist man sich wenigstens noch darüber einig, dass Badekleidung jedenfalls nichts in der Kirche zu suchen hat. Die Kirchen sollten ermutigt werden, in dieser Hinsicht fest zu bleiben und den kurzen Hosen auch weiterhin den Eintritt zu verwehren, durchaus in ihrem eigensten Interesse: Für viele ist heute ein solches Hindernis die erste Begegnung mit dem Heiligen und damit ein unschätzbares Bildungserlebnis, das gerade dem aufgeklärten Proletariat nicht vorenthalten werden sollte. Es unterliegt doch keinem Zweifel, dass die staunenden Urlauber aus Manchester oder Zwickau, denen in einer andalusischen Kirche das Eislutschen verboten wird, mehr über die betreffende Kirche erfahren haben, als ihnen der beredteste Fremdenführer hätte mitteilen können. Wer an heiligen Handlungen teilnimmt, die ihm nichts bedeuten, versuche sich im Hintergrund zu halten. Es gibt bei Katholiken und Orthodoxen Augenblicke in der Liturgie, in denen die Gläubigen sich tief verneigen oder knien. Wer das aus gutem Grund nicht mitvollziehen möchte, bleibe aber keinesfalls sitzen, sondern stelle sich irgendwo am Rand des Geschehens auf, wo sein
Gehet aber hin und lernet, was das sei:
„Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.“
Rücken nicht aus der Schar der Knienden einsam herausragt. Sitzen gilt in solchen Momenten als demonstrative Ehrfurchtslosigkeit. Ich muss in diesem Zusammenhang immer an Goethe denken, für den „Ehrfurcht“ ein Schlüsselbegriff war und der in Rom bei der Begegnung mit dem ihm verdächtigen Katholizismus doch so wenig davon besaß, wenn er etwa beschreibt, wie er sein Mittagsschläfchen auf dem Papstthron in der Sixtinischen Kapelle machte. Ich bin der Überzeugung, dass kein gerecht Denkender ein ernsthaftes Vergnügen an solchen Tabuverletzungen empfinden kann. Die Unverschämtheit, die Unfähigkeit, Grenzen zu akzeptieren, ist vielleicht der eigentliche Charakterkern der Vulgarität. Zur Anerkennung solcher Grenzen gehört auch, allfällige Segnungen, heilige Handlungen, die Kommunion: alles, was für den Gläubigen von sakramentalen Eigenschaften besetzt ist, als Außenstehender nicht einfach auch für sich verlangen zu wollen. Man sollte sich immer aufs neue klarmachen, dass in sakraler Sphäre niemand und schon gar nicht der Außenstehende die mindesten Ansprüche besitzt. Selbstverständlichkeit, Unbekümmertheit und Ungezwungenheit, sonst so schöne und anmutige Gaben, sind hier fehl am Platz. Der heilige Ort, sei er Kirche oder Tempel oder Moschee, ist locus terribilis, schrecken- und ehrfurchtgebietender Ort; wer sich solcher Auffassung grundsätzlich verschließt, sollte davon absehen, solche Orte zu betreten. Man muss nicht überall sein wollen.
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Das eigene Besser- und Mehr- und Neueres- Wissen ist nicht der Maßstab für den Rest der Welt. An der leichten Gereiztheit, die in diesen Bemerkungen unversehens mitklingt, ist zu erkennen, dass in diesen Fragen im europäischen Westen längst Verworrenheit herrscht. Bilderstürmerei und Säkularisation haben die Entweihung von Kirchenräumen als vom kunsthistorischen Standpunkt beklagenswert, vom politischen aber erfreulich und fortschrittlich erscheinen lassen. Die nackte Göttin der Vernunft auf dem Altar von Notre-Dame de Paris räumte ihren Thron zwar bald wieder, ließ die Priester und Gläubigen aber eingeschüchtert zurück. Von nun an war es der Glaube, der sich immerfort zu rechtfertigen hatte. Seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts sehen die verbliebenen Gläubigen sich nun auch noch durch einen antisakralen Affekt ihrer eigenen Theologen attackiert. Wie soll man sich etwa verhalten, wenn die Gemeinde nach Musikstücken oder gar einer Predigt oder einer Begrüßung in der Kirche unter Anleitung der eigenen Priester zu klatschen beginnt? In Bayreuth darf nach dem ersten Akt des Parsifal nicht geklatscht werden, und moderne Prälaten baden sich mit törichter Selbstzufriedenheit beim Einzug in ihre Kathedralen im Applaus der Frommen. Hier sind die Dinge derart aus dem Lot geraten, dass an die Verse Robert Gernhardts erinnert werden muss: „Paulus schrieb an die Apatschen / Ihr sollt nicht nach der Predigt klatschen.“ Das Klatschen gehört ins Theater und auf den Parteitag, in der Kirche ist es ein Zeichen
Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner?
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von Nichtachtung. Vom Standpunkt der Manieren aus gesehen, ist es das Angemessenste, sich von allen demonstrativen Zeichen der Nichtachtung fernzuhalten, was immer man in diesen Fragen denken mag.
den gesellschaftlichen Fähigkeiten der Anwesenden ein trauriges Zeugnis aus. Warum sollten nicht auch heikle Themen in einer Form besprochen werden können, die für jeden am Tisch akzeptabel ist?
Wer nicht imstande ist, in der Religion die Wahrheit zu erkennen, der kann sie um ihres Alters willen verehren. Das sehr Alte ist immer verehrungswürdig. Was sich über die vielen tiefen Brüche in der Kultur über Jahrtausende am Leben erhalten konnte, verdient auch jenseits religiöser Einsicht Bewunderung wie ein riesiger Baum. Uns Afrikanern ist der leichtfertige Umgang westlicher Großstädter mit der Religion ohnehin unheimlich. An einem der heiligsten Orte Äthiopiens, in Kulubi Gabriel, kommen Christen, Muslime und heidnische Animisten zusammen, um den Erzengel Gabriel zu verehren. Wir hängen nicht alle demselben Glauben an, aber „religionsfreier Raum“ ist uns fremd.
Das Religionsthema vermag allerdings mehr als heikel zu sein: unversehens öffnet es Schluchten zwischen Personen, die bis dahin glaubten, sich in allen wichtigen Fragen einig zu sein. Ein Religionsgespräch kann in heftige Feindschaft münden, die auch geschliffenen Gesellschaftsmenschen nur noch schwer zu verbergen gelingt. Das Religionsthema ist womöglich noch gefährlicher als das politische, weil es nicht nur Meinungen streift, sondern die Fundamente der Person berührt; hier werden Unvereinbarkeiten sichtbar, und das ist für die Manieren schwer zu verwinden, die den Gedanken des Irreversiblen scheuen und immer Ausschau nach letzten verbindenden Strohhalmen halten.
In Bezug auf die Religion bewährt sich für uns eine Regel, die für die Manieren ganz allgemein gilt: lieber zu respektvoll sein als ein klein wenig zu respektlos. In England hatte man wahrscheinlich schon aus den Tagen der Religionskriege zu der Übereinkunft gefunden, die Religion zu den verbotenen Themen in der gesellschaftlichen Konversation zu zählen, da immer einer anwesend sein könne, der sich durch die Behandlung religiöser Fragen so oder so verletzt fühlen würde. Verbotene Themen in der Unterhaltung bei Tisch sind natürlich eine praktikable, aber doch etwas unbehaglich stimmende Lösung. Sie haben für sich, dass in dieser Hinsicht jedenfalls keine Missstimmung aufkommen kann, aber sie stellen
Nicht allen Religionen, aber der christlichen und auch der islamischen etwa ist es eigen, dass sie von ihren Anhängern das offene Bekenntnis und auch ein apostolisches Wirken verlangen. Das Bekenntnis „Ich bin Christ“ werden die Manieren noch gestatten, wenn auch widerstrebend, denn Bekenntnisse sind nicht so recht nach ihrem Geschmack. Was die Manieren wahrscheinlich verbieten, ist das Werben für den Glauben, das Missionieren, das den Christen aber ganz ausdrücklich aufgegeben ist. Dies ist einer der Fälle, die zeigen, dass mit den Manieren nicht jedes erdenkliche Lebensverhältnis zu lösen ist. In England hört man allein mit dieser Überlegung bereits auf, ein Gentleman zu sein, denn das Gen-
Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes?
tleman-Sein besteht in der Überzeugung, dass die Manieren einen Raum umgrenzen, der in einem ganzen Leben nicht ein einziges Mal verlassen werden muss. Deshalb sagt man in England auch: „Ein Baptist kann kein Gentleman sein“ – denn als Mitglied einer Sekte empfindet er das eigentlich allgemeingültige Missionsgebot als noch frisch und verbindlich, während die Mitglieder der Staatskirche sich der Segnungen der Religion nur in entspannter Beiläufigkeit bedienen. In der katholischen Kirche gab es in ihrer Weltzugewandtheit übrigens gelegentlich Versuche, das Missionsgebot mit den Manieren zu versöhnen.
François de Sales, der Bischof von Genf, und der englische Kardinal Newman, beide unter protestantischer Majorität wirkend, stehen in dem Ruf, ihr Apostolat mit den Geboten der Weltläufigkeit vollendet verbunden zu haben. Wer unter den Freunden der Manieren Bedürfnis nach geistlicher Lektüre empfindet, schlage die Werke dieser Herren auf. Asfa-Wossen Asserate, „Manieren - Warum Manieren“ (in „Die Manieren und der Protestantismus - Annäherungen an ein weithin vergessenes Thema“, EKD Texte Nr. 79, 2004, S.17-40)
Asfa-Wossen Asserate: „Manieren“ Deutscher Taschenbuch Verlag (1. Oktober 2005) Sprache: Deutsch ISBN-10: 3423133872
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Denn wenn es auch sogenannte Götter gibt im Himmel oder auf Erden – wie es ja viele Götter und viele Herren gibt –, 6 so ist doch für uns ein Gott, der Vater, von dem alle Dinge sind.
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Prinz Asserate, vielen Dank für Ihre Lesung. Sie haben an dem Szenenapplaus bemerkt, dass Sie in vielen Punkten den Zuschauern aus der Seele sprechen. Sie fassen ja auch einige ökumenisch betrachtet heiße Eisen an. Ich fange mal vorsichtig an: Wenn ein Moslem oder ein orthodoxer Christ sieht, wie respektlos Christen selbst mit ihrer eigenen Religion umgehen, oder respektlos gekleidet, oder selbst nicht mehr wissen, wie man sich in der Kirche verhalten soll, kann man dann von einem Andersgläubigen tatsächlich noch diesen Respekt erwarten, wenn die eigene Fraktion ihn selbst nicht mehr hat? Asserate: Das ist natürlich das größte Problem, vor dem wir im 21, Jahrhundert stehen. Ich glaube, das ist auch einer der Gründe, warum in den letzten Wochen und Monaten diese Affäre, nennen wir es mal, über die Cartoons, die MohammedCartoons, überhaupt entstehen konnte. Wir haben in Europa leider Gottes so sehr unsere Religiosität verloren, dass wir es nicht fassen können, dass es in anderen Erdteilen Menschen gibt, für die ihre Religion alles ist. Sie mögen zwar Men-
schen sein, die die Segnungen der europäischen Revolutionen nicht gehabt haben. Aber das sind immer noch Menschen, deren gesamntes Dasein mit der Religion zu tun hat. Es gibt keinen religionsfreien Raum im Islam. Und dann kann man doch, wenn man dieses weiß, kann man doch nicht da hingehen und sagen „Nur weil ich die Errungenschaften dieser großen Revolutionen wie der französischen Revolution erfahren habe, kann ich in der Lage sein, ein Tabu zu brechen, was vielen religiösen Menschen weh tut.“ Ich glaube, es hat mit der Pressefreiheit sehr wenig zu tun. Ich glaube, was uns in Europa am meisten ärgert, ist die Tatsache, dass die Religion im 21. Jahrhundert überhaupt thematisiert wird. Ich glaube, darin liegt der Hund begraben, dass viele Leute sagen „Wie kommen Sie dazu, dass man heute überhaupt noch über ein religiöses Thema spricht?“ Und da müssen wir sehen, dass wir bald einen anderen Weg gehen, wenn wir wirklich den Kampf der Kulturen vermeiden wollen.
Basis
ten n Manieren-Exper te h ec en n ei ir w age haben dieser wichtigen Fr ess ieren“ beim Kongr an „M r le el ts es B seinem einer Lesung aus lturen und warum u K r de pf am K n olutionen, de er europäische Rev . fordern zu können n ei n ge bi äu gl rs n Ande
Was würden Sie den Christen empfehlen bezüglich ihrer Verhaltensweisen, um diese so zu ändern, dass auch andere Religionen wieder mehr Respekt vor ihnen bekommen? Asserate: Also wir müssen uns zuerst ein mal wieder zu unserer Religion bekennen. Glauben Sie mir, ein Moslem hat mehr Respekt vor uns, wenn er weiß, dass wir Menschen sind, die in dieser großen Tradition der drei monotheistischen Religionen leben und dass wir uns dazu bekennen. Denn das bedeutet für ihn, dass ich ja wenigstens eine kleine gemeinsame Basis mit ihm habe – als Vertreter einer Religion, die aus einer abrahamitischen Tradtion herauskommt – so wie seine. Und ich glaube, das ist der Weg meiner Ansicht nach, um überhaupt zu einem christlichmuslimischen Dialog zu kommen. Dass wir sagen „Wo liegen denn unsere Gemeinsamkeiten? Lass uns zuerst ein mal darüber sprechen, und dann können wir sehen, was wir weitermachen.“ Ich will nicht sagen, dass unser Gottesbegriff gleich dem Allahs ist. Aber ich will sagen, dass sowohl der Tempel als auch die Moschee und unsere Kir-
che die gleichen Wurzeln haben un den gleichen Gedanken eines einzigen Gottes, eines unsichtbaren Gottes, den wir als Gott Abrahams, als Gott Isaaks, meinetwegen auch als Gott Ishmaels und vor allem als Gott Moses betrachten.
Zur Person Asfa-Wossen Asserate, der Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers, wurde 1948 in Addis Abeba geboren. Nach der äthiopischen Revolution von 1974 ließ er sich in Deutschland nieder. In Tübingen und Cambridge hat er Jura und Geschichte studiert und in Frankfurt a. M. promoviert. Er war als Journalist und als Pressechef der Düsseldorfer Messegesellschaft tätig und arbeitet heute als Unternehmensberater in Frankfurt. Für ›Manieren‹ erhielt er den Adelbert-von-ChamissoPreis 2004.
Miteinander reden statt übereinander Giuseppe Pinuzzu ist Urheber der facebook-Seite „Dialog zwischen Christen und Muslime“. Über 2000 User verfolgen seine Beiträge, die Beispiele für Toleranz und Verständigung geben. Wir haben ihn zum Gespräch gebeten. Von Philipp Herrmann Hallo, Guiseppe! Auf deiner facebookseite „Dialog zwischen Christen und Muslimen“ veröffentlichst du regelmäßig Fotos, Artikel oder links, in denen Beispiele für den Austausch zwischen den Religionen gegeben werden. Du forderst deine Abonnenten zur Meinungsäusserung und zu Fragen auf – ein Konzept, das funktioniert. Wie kamst du auf die Idee, die Seite ins Leben zu rufen? Ich habe leider oft gemerkt, dass der Dialog zwischen Christen und Muslime sehr schlecht ist. Der Dialog wird leider oft von Hass und Kriegen getrennt, obwohl wir eigentlich an denselben Gott glauben. Wir haben natürlich viele Unterschiede, aber auch viele Gemeinsamkeiten und das vergessen wir oft und darauf sollten wir gemeinsam schauen. Ich denke auch, dass der Dialog uns hilft voneinander zu lernen, um Vorurteile abzubauen. Was sind die positivsten Erfahrungen, die du bisher mit deiner Seite gemacht hast?
Ich habe viele Menschen kennen gelernt, die gesagt haben: „Endlich, auf so eine Seite haben wir schon lange gewartet“. Viele Menschen sind von dieser Seite begeistert, weil es hier darum geht, den Dialog zwischen beiden Religionen zu fördern und um Vorurteile abzubauen, womit viele leider zu leben haben. Es freut mich sehr, wenn ich durch diese Seite vielen Menschen helfen kann. Das Internet wird gerne als rechtsfreier Raum betrachtet – musst du auch mit Beleidigungen und Drohungen von islamfeindlichen facebookNutzern leben? Ich habe leider oft die Erfahrungen gemacht, dass Menschen mich angeschrieben und beleidigt haben, weil ich als Christ mich für einen Dialog mit Muslimen einsetze. Viele Menschen sehen den Islam als Gefahr und fürchten sich davor. Ich lasse mich trotzdem nicht davon abschrecken und mache weiter damit.
In einer deiner Statusmeldungen schreibst du, dass nach einer Studie des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ an der Universität Münster 57,7 Prozent der Westdeutschen und 62,2 Prozent der Ostdeutschen islamkritisch sind. Woher, glaubst du, kommt diese Abneigung gegen den Islam? Die Anschläge vom 11. September in den USA haben das Klima zwischen Muslimen und NichtMuslimen auch in Deutschland stark verändert. Hinzu kommen die Salafisten, die mit Ihren Hasspredigten ständig Hass auf Andergläubige vermiteln. Die meisten Menschen kennen den Islam aus den Medien, das heißt, meistens nur aus negativen Schlagzeilen. Was ist deiner Ansicht nach das Hauptproblem beim Umgang zwischen Christen und Muslime?
Das Hauptproblem ist, dass viel übereinander und wenig miteinander gesprochen wird. Sehr oft wird über die Unterschiede disktutiert und die führen oft zu Streit. Wenn wir uns auf die Gemeinsamkeiten konzentrieren würden, wie es leider nur wenige schaffen, dann würden wir ein besseres Ergebnis erreichen. Es fällt auf, dass viele Deutsche im Gespräch Ausdrücke gebrauchen wie „Die Deutschen und die Muslime...“ oder sogar versehens „Die Türken“ statt „Die Muslime“ sagen. Glaubst du, dass die Angst vor dem Islam in Wirklichkeit nur eine Angst vor einer fremden Kultur ist? Ich denke, dass die Kultur eine große Rolle spielt. Die Kultur wird oft als ein Teil der Religion gesehen. Frauendiskriminierung und Zwangsehe werden sehr oft mit dem Islam in Verbindung gebracht, obwohl Sie damit nichts zu tun haben. Viele Menschen haben ein ganz falsches Bild vom Islam. Sie kennen den Unterschied zwischen der Kultur, der in vielen Islamischen Ländern herrscht, und der Religion nicht. Seit den großen Bekehrungsaktionen einiger salafistischer Gruppen wird der Islam deutlich kritischer und sorgenvoller betrachtet als bisher. Der Salafisten-Prediger Pierre Vogel greift in seinen Videos den christlichen Glauben scharf an und verteidigt körperliche Strafen wie die Steinigung oder das Handabhacken. Wie kann man junge Muslime davon abhalten, auf seine Redekunst hereinzufallen – und wie kann man Nicht-Muslimen klar machen, dass man streng zwischen Salafismus und Islam unterscheiden muss? Die Salafisten wollen einen Islam, der sich aus-
schließlich an der Zeit seiner Entstehung orientiert und das verlangt der Koran von den Muslimen nicht. Es gibt viele Muslime, die Respekt vor Andersgläubigen haben und sich sogar an einem interreligiösen Dialog beteiligen. Salafisten dagegen werfen den übrigen Muslimen vor, einen falschen Islam zu praktizieren, wenn Sie sich an einen Dialog mit Andersgläubigen beteiligen. Islamische Pflicht des Muslims ist, Andersgläubige (besonders Christen und Juden) zu respektieren und zu schützen. Die Geschichte des Propheten und seiner Gefährten hat immer verdeutlicht, dass er ausdrücklich diese schützen ließ, die an Gott glauben. Der äthiopische Prinz und Schriftsteller AsfaWossen Asserate forderte in einem Interview, dass man sich als Christ zuerst einmal wieder zu seiner Religion bekennen muss, um Respekt von einem Moslem zu bekommen – weil er der Ansicht ist, dass Muslime und Christen sich gegenseitig mehr respektieren können, wenn ihnen bewusst wird, dass sie eine Gemeinsamkeit haben: Sie bekennen sich zu einer Religion aus abrahamitischer Tradition. Wie stehst du dazu? Ist das Bekennen zur eigenen Religion eine Grundlage für den religiösen Dialog? Ich finde es ist sehr wichtig, dass man sich mit der eigenen Religion befasst. Wenn z.B ein Christ und ein Moslem einen Dialog führen und beide über ein großes Wissen der eigenen Religion verfügen, können Sie voneinender lernen und was auch ganz wichtig ist, sie können die vielen Gemeinsamkeiten feststellen, die uns verbinden. Du zitierst öfters aus der Bibel und aus dem Koran und zeigst dabei, wie stark sich beide Bücher oft ähneln. Worin sie sich leider auch
ähneln, ist die Verurteilung von Ungläubigen. In beiden Schriften wird gegen sie zum Krieg aufgerufen, ihnen wird mit dem Höllenfeuer gedroht. Wie müssen wir heutzutage mit solchen Texten umgehen?
Hebdo hat die Mohammed-Karikaturen genutzt, um deren Verkaufszahlen zu steigern. Als das Magazin die Mohammed Karikaturen veröffentlichte, wurden alle Exemplare am Erscheinungstag verkauft.
Ich denke, das Problem liegt darin, dass man oft die Bibel oder den Koran wortwörtlich nimmt. Es ist ganz wichtig, dass wir manchen Stellen richtig interpretieren und auch die Zusammenhänge verstehen. Wer die Bibel kennt, der weiß, dass Gott gegen Kriege und Gewalt ist. Gott lässt uns freie Wahl, ob wir zu ihm gehören möchten oder nicht. Übrigens: Die Bibel lehrt uns über die Nächstenliebe; das zählt sogar zu den wichtigsten Geboten und wer das umsetzt, der weiß, dass Gewalt und Kriege diesem Gebot widersprechen.
Ein Streitthema zwischen Christen und Muslime ist immer noch die Frage, ob eine Lehrerin in Deutschland ein Kopftuch tragen darf. Was dabei oft unter den Tisch fällt, ist die Tatsache, dass auch in türkischen Schulen Kopftücher tabu sind – und dass in Deutschland auch weiterhin Nonnen im vollen Ornat unterrichten und Kruzifixe an den Wänden hängen dürfen. Was ist deiner Ansicht nach der richtige Weg? Jegliche religiösen Symbole an Schulen verbieten? Alle erlauben?
Der Philosoph Michael Schmidt-Salomon fordert, dass wir uns trotz religiöser Fanatiker nicht scheuen sollten, den Islam offen zu kritisieren. Dies begründet er damit, dass Kritikphobiker so lange mit Kritik und Satire versorgt werden müssen, „bis sie irgendwann von selbst erkennen, wie irrsinnig es ist, wegen einer harmlosen Zeichnung in die Luft zu gehen oder schlimmer noch: andere in die Luft zu sprengen.“ Wie stehst du dazu? Sind Mohammed-Karikaturen Öl ins Feuer oder der richtige Weg zur Desensibilisierung? Ich denke, dass jeder gerne Kritik ausüben sollte und auch seine Meinung vertreten sollte. Das ist ein Recht, was wir alle haben sollten. Unter Mohammed-Karikaturen verstehe ich aber kein Kritik-ausüben; das ist reine Provokation. Viele Menschen versuchen dadurch, die Islamische Welt anzugreifen. Das Satirenmagazin Charlie
Ich habe nichts dagegen, wenn Lehrerinnen in der Schule ein Kopftuch tragen. Jeder Mensch sollte das Recht auf Religionsfreiheit haben. Meiner Meinung nach sollten Kreuzfixe weiterhin an den Wänden hängen und Nonnen auch in vollem Ornat unterrichten. Deutschland ist ein christliches Land und ich würde es sehr schade finde, wenn christliche Werte verloren gehen würden. Zum Abschluss noch die wahrscheinlich wichtigste Frage: Welche Regeln würdest du Menschen für den interreligiösen Dialog ans Herz legen? Wer sich an einen interreligiösen Dialog beteiligen möchte, sollte vor allem Respekt gegenüber Andersgläubigen zeigen. Das ist die wichtigste Regel. Giuseppe, vielen Dank für das Interview!
Die 10 Gebote für den 1 2 3 4 5
Man sollte zunächst nach dem schauen, das möglicherweise gemeinsam ist. Unterschiede sollten dabei aber nicht relativiert werden. Andersgläubige sollten zunächst nicht als Repräsentanten einer Religion oder einer Weltanschauung gesehen werden, sondern als Mitmenschen. Viele Unterschiede wurzeln in kulturellen und biographischen Unterschieden. In einem fairen Umgang mit Menschen anderer Religionen sollten niemals die Ideale des eigenen Glaubens gegen die Schwachstellen der religiösen Praxis des Gegenübers ausgespielt werden, sondern unsere Ideale mit denen der anderen, und unsere Praxis mit der Praxis der anderen. Jeder Teilnehmer des Dialogs muss sich bewusst machen, dass keine Glaubensvorstellung beweisbar ist – auch nicht seine eigene. Der eigene Standpunkt sollte klar benannt werden. Andersgläubige zu verstehen ist nur möglich, wenn man seine eigene religiöse Voraussetzung offen darlegt. Dies setzt auch den Dialog innerhalb der eigenen religiösen Gemeinschaft voraus.
interreligiösen Dialog 6 7 8 9 10
Es sollte versucht werden, mit den Augen der anderen zu sehen und zu verstehen. Dadurch werden die eigenen Glaubensinhalte selbstkritisch hinterfragt. Man beschäftigt sich neu mit ihnen und der eigene Glaube kann sich vertiefen. Der Dialog kann nur bei wechselseitiger Anerkennung der Gleichrangigkeit und auf der Basis gegenseitiger Achtung und des Vertrauens stattfinden. Verzichte darauf, den anderen „bekehren“ zu wollen. Aber mute ihm zu, deine Überzeugung zu erfahren – so wie auch du erkennen möchtest, welches seine Überzeugung ist. Bleibe nicht hängen an Klischees oder Vorurteilen, sondern versuche, die Mitte, das Wesentliche der Religion zu begreifen. In jeder Religion gibt es rätselhafte und schuldhafte Erscheinungen – auch in deiner. Lass dich nicht in Verteidigungshaltung drängen. Auch dann nicht, wenn dein Partner zentrale Punkte deines Glaubens nicht versteht oder falsch deutet. Mache dir immer klar: Es geht nicht um „richtig“ oder „falsch“, sondern um besseres gegenseitiges kennen lernen und verstehen.
Hat Gott Selbstironie? „Lachen tötet die Furcht und ohne Furcht kann es keinen Glauben geben.“, so heißt es in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose.“ Und tatsächlich gilt das Lachen über Gott als Sakrileg – und ist daher auch ein beliebtes Mittel zur Religionskritik. Aber sieht Gott das überhaupt so eng wie seine Anhänger?
?
Im Anfang war der Teig n kalen Kreationiste di ra de n eu fr ta as Oder: Wie P
die Stirn bieten
Im US-Bundesstaat Kansas drängen die Verfechter einer neuen „Religion“ auf Aufnahme in den Schul-Lehrplan: Ihr Glaube an eine Schöpfung durch ein fliegendes Spaghetti-Monster konkurriert direkt mit den Theorien fundamentalistischer US-Christen.
A
ls im Frühsommer dieses Jahres die Schulbehörde von Kansas beschloss, neben Darwins Evolutionslehre im Biologieunterricht gleichberechtigt auch das fundamental-religiöse „intelligent design“ zu lehren, nahm der 25-jährige Physiker Bobby Henderson das mit Humor: Nach eigener Aussage „um vier Uhr am Morgen“ begründete er eine eigene Religion, die an die Stelle Gottes ein fliegendes Spaghetti-Monster setzt, und verlangte ebenfalls die Aufnahme in den Bio-Lehrplan von Kansas. Seine Webseite ging im Juni online - und wurde zum Auslöser für einen regelrechten Internet-Kult.
einem fliegenden Spaghetti-Monster geschaffen wurde. Es war es, das alles geschaffen hat, was wir sehen und fühlen. Wir sind überzeugt, dass die überwältigenden wissenschaftlichen Beweise für einen Evolutionsprozess nichts als Zufall sind, die Es hinterlegt hat.“ Die Absicht hinter all diesem höheren Blödsinn ist klar: Die FSM-Satire zielt darauf ab, die vor allem in den USA, zunehmend aber auch schon in Großbritannien geführte, von Kreationisten erzwungene Debatte über die darwinsche Evolutionslehre der Lächerlichkeit preiszugeben.
Global Average Temperature (˚C)
Global Average Temperature Vs. Number of Pirates 16,5 16 15,5 15 14,5 14 13,5 13 35000
45000
20000
15000
5000
400
Number of Pirates (Approximate)
Auf über 51.000 Webseiten finden sich - laut Google-Zählung - inzwischen Verweise auf das „Flying Spaghetti Monster“, kurz FSM. Die Anhänger der neuen Religions-Parodie nennen sich „Pastafarians“ und legen Zeugnis ab von ihren Überzeugungen. Die fasste Henderson in einem offenen Brief an die Schulbehörde von Kansas zusammen: „Ich und viele andere Menschen in aller Welt glauben fest daran, dass das Universum von
In einer E-Mail an seine Unterstützer erklärte Henderson, dass er prinzipiell nichts gegen Religion oder sogar gegen „intelligent design“ habe, nur im wissenschaftlichen Unterricht habe so etwas nichts zu suchen. „Dogmen, und ich meine nicht nur religiöse, zerstören die Welt und machen uns alle dümmer“, schrieb Henderson.
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Damit steht Henderson auch im Gegensatz zum Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn, der sich dagegen ausgesprochen hatte, nicht über das Thema „intelligent design“ zu diskutieren. „Natürlich darf über ‚intelligent design‘ diskutiert werden. Das wird in der Physik gemacht, erst Recht in der Biologie“, hatte Schönborn im Juli in einem Radiointerview betont. Zuvor hatte der Kardinal in einem Beitrag in der „New York Times“ scharfe Kritik an „neo-darwinistischen“ Evolutionstheoretikern geübt.
Linke Seite, rechtes Bild: Ein von Henderson entworfenes Schaubild soll nachweisen, dass die sinkende Zahl von Piraten seit Beginn des 19. Jahrhunderts Grund für die globale Erwärmung ist. Links unten: Der österreichische Pastafari-Anhänger Niko Alm ließ sich für sein Führerscheinfoto mit einem Nudelsieb auf dem Kopf fotografieren – und berief sich auf das Gesetz, nach dem konfessionelle Kopfbedeckungen auf Führerscheinfotos erlaubt sind. Unten: Erste Darstellung des Spagghettimonsters durch den Propheten Bobby Henderson
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Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest dich nicht wie ein oberheiliger Heuchler aufspielen, wenn du meine nudlige Güte beschreibst. Wenn irgendwelche Leute nicht an mich glauben, ist das echt okay. Ich bin nicht so eitel. Außerdem: Es geht nicht um diese, also weich nicht vom Thema ab. Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest nicht meine Existenz als Mittel benutzen, zu unterdrücken, jemanden zu deckeln, zu bestrafen, fertigzumachen und/oder du weißt schon. Ich verlange keine und benötige keine Opfer. Und Reinheit ist was für Trinkwasser, nicht für Menschen. Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest nicht Leute wegen ihres Aussehens beurteilen oder was für Klamotten sie anziehen oder wie sie reden oder wie auch immer – sei einfach nett, okay? Oh, und kriegt das mal in eure Dickschädel: Frau = Person. Mann = Person. Klar? Klar. Eine ist nicht besser als der andere, solange wir nicht über Mode reden. Tut mir leid, aber ich hab’ das den Frauen überlassen und einigen Kerlen, die den Unterschied zwischen dunkeltürkis und scharlachrot kennen. Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest nichts tun, das Dir selbst oder Deinem bereitwilligen, volljährigen und geistig gesunden Partner peinlich sein müsste. Wem das nicht passt, der kann mich mal – ich glaube, die Formulierung lautet: am A**** lecken. Wem das auch nicht passt, der sollte am besten die Glotze ausmachen und zur Abwechslung ein Stück spazieren gehen.
Die 8 „Mir wär‘s wirklich lieber,
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Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest Dir die verklemmten, frauenfeindlichen Vorstellungen anderer nicht auf nüchternen Magen anhören. Esst etwas, dann macht euch über die Idioten her. Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest nicht MultimillionenDollar-Kirchen, Moscheen, Tempel und Schreine für Meine Nudlige Güte erbauen. Das Geld kann man nun wirklich sinnvoller anlegen. Sucht euch etwas aus: – Armut zu beenden – Krankheiten zu heilen – in Frieden leben, mit Leidenschaft lieben und die Kosten von Kabelfernsehen senken. Mag ja sein, dass ich ein komplexes, allwissendes Kohlenwasserstoffwesen bin, aber ich mag die einfachen Dinge im Leben. Ich muss es wissen, ich bin der Schöpfer. Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest nicht rumgehen und Leuten erzählen, ich würde zu dir sprechen. Du bist nicht SO interessant. Nimm dich mal zurück. Und ich sagte dir bereits, dass du deine Mitmenschen lieben sollst, kannst du keinen Hinweis erkennen? Mir wär’s wirklich lieber, Du würdest andere nicht so behandeln, wie du nicht selbst gern behandelt werden möchtest, es sei denn, du bist mit Sachen zugange, in denen, ähm, eine Menge Leder, Gleitcreme und Las Vegas eine Rolle spielen. Sollte die andere Person auch darauf abfahren, dann macht es, siehe auch Punkt 4, macht Fotos und bei der Liebe Mikes, benutzt KONDOME! Hätte ich nicht gewollt, dass es sich gut anfühlt, dann hätte ich Stacheln oder so drangebastelt.
du würdest nicht“s der Pastafari
Wo ist Molly Norris? Sie hat ihre Existenz aufgegeben, weil der jemenitisch-amerikanische Hassprediger Anwar al Aulaqi gegen sie eine Todes-Fatwa erlassen hat. Jetzt lebt die Cartoonistin Molly Norris unter einem anderem Namen an einem unbekannten Ort. Von Matthias R端b
I
st es Schockstarre, Lethargie oder Verdrängung? In Seattle im Bundesstaat Washington ist seit der vergangenen Woche die Karikaturistin Molly Norris verschwunden. Es werden nicht nur ihre Arbeiten in der alternativen Wochenzeitschrift „Seattle Weekly“ nicht mehr gedruckt. Molly Norris gibt es nicht mehr, buchstäblich: Eine Frau dieses Namens hat aufgehört zu existieren. Andernfalls hätte sie mit ihrer Ermordung rechnen müssen. Die Ungeheuerlichkeit und Beispiellosigkeit des Vorgangs trifft die amerikanische Öffentlichkeit offenbar unvorbereitet. Die Medien berichten über das Verschwinden der Karikaturistin, aber aus vielen Kommentaren spricht Hilflosigkeit angesichts eines zuvor unvorstellbaren Geschehens. Ihre örtlichen Fans haben eine Vermisstenanzeige für Molly und die Meinungs- und Redefreiheit aufgegeben.
bekam von der Sache Wind. Man nennt den 1971 in Las Cruces im Bundesstaat New Mexico geborenen hochgewachsenen Mann nicht umsonst den „Bin Laden des Internets“. Aulaqi stammt aus einer angesehenen jemenitischen Familie. Der Vater Nasser al Aulaqi arbeitet im Auftrag der jemenitischen Regierung in Amerika, als Anwar al Aulaqi im Südweststaat New Mexico geboren und damit auch amerikanischer Staatsbürger wird. Die Familie kehrt 1978 in den Jemen zurück, dort wird Nasser al Aulaqi Landwirtschaftsminister und später Rektor der Universität in der Hauptstadt Sanaa. 1988 erhält Anwar al Aulaqi seinen ersten amerikanischen Pass. 1990 kehrt er zum Studium in die Vereinigten Staaten zurück, allerdings mit seinem jemenitischen Pass und einem Visum für Austauschstudenten. An der Colorado State University studiert er mit einem jemenitischen
Der Hassprediger zieht die Strippen Molly Norris hatte Ende April in der „Seattle Weekly“ einen Cartoon mit der Darstellung des Propheten veröffentlicht und den 20. Mai 2010 zum Tag erklärt, an dem alle Welt Mohammed zeichnen solle. Mit dem ironischen Aufruf hatte sie auf einen Streit um die Zeichentrickserie „South Park“ von Comedy Central reagiert. Darin war der Prophet (vermeintlich) in einem Bärenkostüm dargestellt worden, woraufhin die Produzenten Drohungen erhalten hatten. Die Aktion von Molly Norris fand Verbreitung im Internet, auf einer Facebook-Seite äußerten sich Befürworter und Gegner der Idee. Auch der jemenitisch-amerikanische Hassprediger Anwar al Aulaqi Die facebook-Seite „Everybody draw Mohammed Day“, die Norris-Fans nach der Veröffentlichung ihres Cartoons ins Leben riefen
Stipendium und schließt 1994 als Diplomingenieur ab. 1996 zieht Aulaqi nach San Diego in Kalifornien, wo er Imam an einer Moschee wird, obwohl er in islamischer Theologie nur Autodidakt ist. Zudem nimmt er an der Universität in San Diego ein Studium in Pädagogik auf. Eng mit dem Leben im Westen vertraut Die amerikanische Bundespolizei FBI wird in dieser Zeit erstmals auf Aulaqi aufmerksam, weil er Verbindungen zu radikalen islamischen Organisationen unterhält, die das Terrornetz Al Qaida unterstützen. In San Diego und später in Washington kommen drei der späteren Attentäter der Anschläge vom 11. September 2001 zu ihm in die Moschee: Khalid al Midhar, Nawaf al Hazmi und Hani Handschur. Manche TerrorismusFachleute sind überzeugt, Aulaqi habe frühzeitig Kenntnis von den Anschlägen gehabt.
Nach gut einjährigem Aufenthalt in Washington folgt Ende 2002 die Übersiedlung nach London. Bis Ende 2003 predigt er in Moscheen und muslimischen Gemeindehäusern in verschiedenen Städten Großbritanniens. Dank seiner ausgezeichneten Englischkenntnisse und weil er mit dem Leben im Westen eng vertraut ist, sammelt er eine wachsende Gefolgschaft unter jungen radikalen Muslimen. Anfang 2004 kehrt Aulaqi in den Jemen zurück, ist dort an der Imam-Universität in Sanaa tätig. Mitte 2006 wird er wegen mutmaßlicher Unterstützung terroristischer Organisationen festgenommen und bis Ende 2007 festgehalten. Nach seiner Freilassung verliert sich die Spur Aulaqis in der Südprovinz Schabwa, wo er mit seiner Frau und fünf Kindern unter dem Schutz des einflussreichen Stammes der Aulaqi lebt. Er gilt bald als geistlicher Wortführer von „Al Qaida der Arabischen Halbinsel“, dessen Stimme dank Verbreitung im Internet in aller Welt gehört wird. Das Weiße Haus gegen den Staatsfeind Aulaqi Aulaqi ist nach Ansicht der amerikanischen Behörden der gefährlichste Anstifter des „homegrown terrorism“ in Amerika und in anderen westlichen Staaten, weil radikalisierte junge Muslime dort auf sein Mordkommando hören. Im Frühjahr autorisierte das Weiße Haus deshalb den Auslandsgeheimdienst CIA, den Staatsfeind Aulaqi mit gezielten Schlägen zu töten, wogegen amerikanische Menschenrechtsorganisationen Klage erhoben haben. Im Juli veröffentlichte Aulaqi einen Aufruf, wonach Molly Norris „das wichtigste Ziel für einen Mordanschlag“ sei, weil sie „den Propheten des
Oben: Szene aus der Folge 201 der Cartoon-Serie South Park. Mohammed tritt auf, ist allerdings durch sein Bärenkostüm verdeckt. Die Folge rief Morddrohungen gegen die Macher hervor. Rechts: Norris‘ Originalcartoon
Als diese Selbstbeschreibung erschien, gab es die Karikaturistin Molly Norris noch. Inzwischen fehlt von ihr jede Spur.
... Mohammed zu malen. Aber selbst getraut haben wir uns nicht. Jedoch finden wir, es sollte jeder selbst entscheiden können, ob er den Propheten darstellen will oder nicht. Wer es also tun will, muss nur diese 222 Punkte miteinander verbinden.
Wir wollen ja niemanden dazu anstiften ...
Islams hasst und der Lächerlichkeit preisgibt“. Die amerikanische Bundespolizei FBI hat die Warnungen so ernst genommen, dass sie Norris dringend geraten hat, die Wohnung zu wechseln, ihren Namen zu ändern und ihre alte Identität auszulöschen. „Sie ist praktisch in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden, allerdings ohne dass die Regierung die Rechnungen zahlt“, heißt es in der Meldung zum Abschied von Molly Norris in der „Seattle Weekly“. Man muss den Namen Molly Norris nun in einem Atemzug mit jenen von Theo van Gogh, Lars Vilks und Kurt Westergaard nennen, besser herausschreien. Nur dass es keine Frau mehr gibt, die aus Angst um ihr Leben diesen ihren Namen noch tragen kann.
Info: Der Everybody Draw Mohammed Day Norris‘ umstrittener Cartoon basierte auf dem Gedanken, dass es islamistischen Terroristen nicht möglich wäre, jeden zu ermorden, der ein Bild von Mohammed zeichnen würde und rief mit ihrem Bild zu einem Boykott auf. Innerhalb einer Woche wurde Norris’ Idee auf Facebook weit verbreitet, von zahlreichen Bloggern unterstützt und ebenso von großen US-Zeitungen aufgegriffen. Kurze Zeit später wurde der 20. Mai von einer großen Menge von Facebook-Nutzern zum Everybody Draw Mohammed Day erklärt, von dem sich Norris jedoch distanziert. Als Reaktion von der pakistanischen Regierung wurden sowohl Facebook als auch YouTube, Flickr und Wikipedia zum 19. Mai gesperrt. Mehr über den Everybody Draw Mohammed Day finden Sie bei facebook unter Everybody Draw Mohammed Day (The Original), Everybody Draw Muhammad Day (Redux) oder unter der facebookSeite Citizens against Citizens against Humor.
„Wir waren die afghanischen Dieter Bohlens“ Drei vermummte Frauen sorgen mit „Burka Blue“ für den Szene-Sommerhit der Saison: Afghanistans erster Pop-Export, die Burka Band, spielt ironisch mit gesellschaftlichen Traditionen und Konventionen und ist das Resultat eines kleinen, unbürokratischen Hilfsprojektes des Düsseldorfer Labels AtaTak. Von Mario Sixtus
Die Wahl zum SzeneSommerhit des Jahres 2003 ist offensichtlich gelaufen. Seit Wochen wird der Song „Burka Blue“ nun zwischen In-Clubs, Indie-Zeitschriften und Videoclip-Sendestationen hin und her gereicht, und auch so mancher Feuilletonist fühlte sich mittlerweile zur Stellungnahme berufen. „You give me all your love, you give me all your kisses, and then you touch my Burka and do not know who is it“ wird in „Burka Blue“ von einer Frauenstimme radebrechend über ein holpriges Schlagzeug geabzählreimt, während ein flockiger Knurpsel-Bass eifrig hüpfend damit beschäftigt ist, das fragile Konstrukt am Auseinanderfallen zu hindern. Das dazugehörige Video zeigt harsche Handkamera-Schwenks, enge Proberaumsituationen und triste Wüstenkulissen, angereichert mit drei Figuren, deren Körper hinter traditionellen blauen Ganzkörper-Gewändern verborgen bleiben. Die Burka, Pflicht-Uniform für Frauen zu Zeiten des afghanischen Taliban-Regimes, mutiert hier zu einer Requisite im Spiel mit Verkleidungen und Masken, das seit jeher zum Popmusik-Universum gehört. „Darf man das?“, fragen einige miesepetrige Multikulti-Moralisten besorgt, beschwören bereits einen Ausverkauf des Morgenlandes durch abendländischen Kulturimperialismus und rufen entsetzt „Medien-Hype“, während der Rest der Republik sich in
den Szene-Discos der Metropolen mit den BurkaBeats durch das Sommerloch tanzt. Die Entstehungsgeschichte des ironischen PopJuwels hat dann auch ausgesprochen wenig mit Kommerz, Medien- und PR-Maßnahmen zu tun, dafür umso mehr mit praktischer Aufbauhilfe und einem kleinen Spaß unter neuen Freunden. „Der Song spiegelt natürlich nicht die Spannung wider, die dort in der Bevölkerung herrscht,“ erklärt Frank Fenstermacher, einer der Geburtshelfer der Burka-Band, „aber das ist auch gut, und ist auch so gewollt. Immer nur ausschließlich auf die Abgründe und die gesellschaftlichen Katastrophen zu schauen verbaut einem auf Dauer den Blick in die Zukunft.“ Fenstermacher befand sich mit seinem Musikerund Label-Kollegen Kurt Dahlke und der Schlagzeugerin Saskia von Klitzing im Oktober 2002 für einige Wochen auf Vermittlung des GoetheInstitutes in Kabul, um mittels eines Workshops für das afghanische „Department of Music“ die einheimischen Popmusiker mit modernen Produktions- und Aufnahmetechniken vertraut zu machen. Die Herren Fenstermacher und Dahlke braucht man Freunden intelligenter deutscher Elektronik- und Popmusik wohl nicht mehr vorzustellen, für alle anderen sei hier auf die Projekte Der Plan, Pyrolator, und a certain frank verwiesen, um nur die bekanntesten zu nennen. Auf dem gemeinsamen Düsseldorfer Label AtaTak tummelten sich so illustre Zeitgenossen wie Wirtschaftswunder, Holger Hiller, Andreas Dorau und Element Of Crime, und ganz nebenbei bilden die beiden gemeinsam mit von Klitzing einen guten Teil der aktuellen Fehlfarben-Besetzung.
Doch zurück nach Kabul: Existiert überhaupt eine Popmusik-Szene in einem Land, in dem jahrelang jegliche Form von nichtreligiöser Musik verboten war und in dem selbst der Besitz von Musikinstrumenten mit der Todesstrafe geahndet wurde? „Die meisten Musiker haben die Zeit der TalibanHerrschaft im Ausland verbracht und kehren jetzt langsam zurück“, berichtet Kurt Dahlke. „Ein Problem ist sicherlich, dass der gesamte Tonträger-, sprich: Audiokassetten-Markt durch indische und pakistanische Importe überschwemmt wird, da die afghanischen Musiker weder über Aufnahmenoch über Vervielfältigungs-Geräte verfügen. Das ist ungefähr so, als würden in Deutschland auf einmal nur noch französische Chansons oder italienische Schlager laufen.“ Das eigentliche Ziel der germanischen musikalischen Eingreiftruppe war es dann auch, vor Ort eine kleine Produktionsstätte aufzubauen. Ein Kassettenkopiergerät, ein kleines Mischpult, ein Mehrspur-Kassettenrekorder und ein HarddiscRecording-System wurden dort installiert und die Musiker im Umgang damit geschult. „Der Burka-Song war genau genommen eine Test-Produktion, ein Beispiel-Track um den Leuten dort die Möglichkeiten der Mehrspurtechnik zu veranschaulichen“, sagt Dahlke. Die rhythmische Grundlage von Burka Blue besteht dann auch aus den geloopten Anfängerübungen einer jungen afghanischen Frau, die sich zu spontanem Schlagzeugtraining entschloss, inspiriert durch die ungewöhnliche Situation, dass mit Saskia von Klitzing ausgerechnet eine Frau den jungen Männern Instrumentalunterricht gab. Eine weitere junge Afghanin, die als Dolmetscherin fungierte, bemächtigte sich des Mikrofons und
als schließlich ein drittes Mädchen zu den Instrumenten griff, war die „erste afghanische Frauenpopband“ komplett. „Wir waren halt die afghanischen Dieter Bohlens“, witzelt Fenstermacher, „sozusagen die Anti-Star Searchers.“ „Eines Abends unterhielten wir uns mit einem afghanischen Mann, der uns vorschwärmte, dass das schönste Blau der Welt das Blau des Himmels über Kabul sei“, erinnert sich Dahlke, „Das sei auch die Farbe der Burkas. Burka-Blue. Das fanden wir so toll, dass wir alle gemeinsam kurz darauf den Text geschrieben haben.“ Der Videodreh gestaltete sich allerdings hindernisreicher als erwartet. Obwohl sich mittlerweile eine gewisse Liberalität in dem Wüstenstaat ausbreitet, ist das Filmen einer Frau, die eine Burka trägt, immer noch ein absolutes gesellschaftliches Tabu. So musste der ursprüngliche Plan, die Mädchen in den blauen Umhängen über den Basar tanzen zu lassen, schnell wieder fallen gelassen werden, da dies für alle Beteiligten zu gefährlich gewesen wäre. Die Außenaufnahmen wurden daher kurzerhand vor die Stadt verlegt. Aber auch die Filmsequenzen, die die Mädchen in Burkas an den Instrumenten zeigen sollten, kamen nicht ohne Schwierigkeiten in den Kasten. Frank Fenstermacher: „Wir hatten den Proberaum abgeschlossen, um in Ruhe filmen zu können, alle drei Minuten trommelten nun aber die draußen stehenden jungen Männer gegen die Tür, da ihre Vorstellungen, was ein paar Männer mit ein paar Mädchen hinter verschlossenen Türen wohl treiben würden, doch sehr eindimensional waren. Wir mussten sie also alle paar Minuten
hereinschauen lassen, damit sie sich vergewissern konnten, dass alles in Ordnung war.“ Letztlich war das Spaßprojekt um die blauen Gewänder aber nur ein kleiner Teil des Know-howTransfers am Hindukusch: Afghanische Musiker wurden im Crash-Kurs zu Musikproduzenten geschult und erlernten das Schneiden und Arrangieren von Tonstücken an modernen HarddiscRecordern, obwohl sie niemals zuvor an einem Computer gesessen hatten. „Das war mit mehr Aufwand verbunden, als ich gedacht hatte“, gesteht Kurt Dahlke. Zurück in Deutschland übergab man die Aufnahmen von Burka Blue schließlich dem befreundeten Label Monika Enterprise, das eine Serie Vinyl-Singles davon pressen ließ, und eigentlich hätte die Geschichte hier zu Ende sein können, wenn die Aufmerksamkeitsökonomie nicht doch ab und zu einmal seltsame Wege nehmen würde.
So brodelte und gärte das kleine Liedchen wochen- und monatelang im Untergrund vor sich hin, geriet Club- und Radio-DJs in die Hände und fand seinen Weg schließlich in die Hörerherzen, bis diesen Sommer die Wüsten-Welle schließlich an die Oberfläche schwappte. Bis auf weiteres wird dieses Unikum wohl auch ein Unikat bleiben: Der staatlich geförderte Stabilitätsfond Afghanistan, der Projekte wie den Kabuler Musik-Workshop ermöglicht hatte, läuft dieses Jahr aus. Somit ist Burka Blue zwar ein Beweis für das Funktionieren kleiner, unbürokratischer, kulturübergreifender Aktionen, bleibt aber andererseits auch lediglich ein Souvenir. Gute Popmusik hatte indes noch nie Angst vor großen Gefühlen, und wer genau hinhört, der kann auch bei dieser afghanogermanischen Pop-Miniatur, zwischen Sprechgesang und Stolperrhythmus spüren, wie dort ein großes Gefühl mitschwingt: Hoffnung.
Krieg dem Ton – Das Musikverbot der Taliban Seit den 1980er Jahren wurde die Musik in Afghanistan zunehmend unterdrückt. In den 1990er Jahren wurde die instrumentale Musik und das öffentliche Musizieren von den Taliban in den Städten in der persischen Sprache gänzlich verboten. Die Taliban sind überzeugt, dass Musik schädlich auf die menschliche Psyche wirke. Gott, so heißt es, komme vor allem in die Häuser, in denen am meisten gebetet wird. Musik aber lenke vom Beten ab – deshalb seien Häuser, in denen Musik gehört wird, verdammt. Auf Musikinstrumente hatten es die Taliban daher besonders abgesehen. Razzien wurden veranstaltet, Instrumente, denen ein angeblich teuflischer Charakter zugeschrieben wird, sammelten sie ein und übergossen sie dann bei öffentlichen Versammlungen mit Benzin. „Kommt alle morgen ins Stadion“, wurde die Bevölkerung über Lautsprecher aufgerufen, „wir wollen einige Musikinstrumente, Kassetten, Kassettenrecorder, Fernsehgeräte und‘ Haschischpflanzen verbrennen.“ Seit dem Fall der Taliban bemüht man sich um Ausgewogenheit in Bezug auf die sprachliche, ethnische, religiöse, konfessionelle und musikalische Vielfalt.
Du sollst nicht denken! Die Religion ist ein Produkt des menschlichen Dranges, zu denken. Sie soll unsere grundlegendsten Fragen beantworten: Woher kommen wir? Warum gibt es uns? Was geschieht nach dem Tod? Aber was ist, wenn uns die Religion diesen Drang zum freien Denken raubt?
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Mein Leben f端r die Sekte Scientology
Mit offenen Fangarmen
Jeannette Schweitzer war drei Jahre in der Psycho-Sekte. Das hat sie bis an den Rand des Selbstmordes gebracht. Ein Bericht aus dem Inneren der Organisation. Über Straflager, Manipulation und die ständige Angst davor, etwas Falsches zu sagen. Von Margita Feldrapp
S
chweitzer war von 1989 bis 1992 Scientologin. Dann stieg sie aus. Heute ist sie eine anerkannte Expertin für die Sekte, die sich selbst als Kirche sieht und in Berlin gerade eine Hauptstadtrepräsentanz eröffnet hat. Wenn Schweitzer über Scientology spricht, zwingt sie sich zur Sachlichkeit. Das hilft. Man könnte die Kühle in ihrer Stimme, die Härte als Gefühlskälte deuten. Doch so ist es nicht. Die Distanz macht es ihr nur leichter. Das „Rehabilitationsprojekt“ Jeannette Schweitzer berichtet von anonymen Anrufen: „Das Wasser wird sich mit deinem Blut mischen, wenn du über Scientology sprichst.“ Natürlich hat auch sie Angst. Aber sie redet dennoch. Über gefährliche Psychotechniken, über innere Zwänge und die englische ScientologyZentrale Saint Hill – jenen Ort, den Kritiker der Sekte als Straflager bezeichnen. Bis heute leben dort die scientologischen Hardliner, die sogenannte Sea-Org. Laut Sabine Weber, der Vizepräsidentin von Scientology Deutschland,
ist Saint Hill eine Lehreinrichtung, die Kurse für Scientologen anbietet. Sie bestätigt, dass es dort auch ein „Rehabilitationsprojekt“ für Sea-OrgMitglieder gibt, die die Richtlinien von Scientology verletzt haben. Das könne Gartenarbeit sein, sagt Weber. Schweitzer beschreibt es anders: „Die Sträflinge der Sea-Org leisten stundenlang harte körperliche Arbeit. Ich sah, wie sie Gräben ausschaufelten – schweigend, zwölf Stunden am Tag. Abends mussten sie noch fünf Stunden Bücher von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard studieren. Die Sträflinge tragen mausgraue Overalls, sie gelten als wertlos. Am Arm haben sie ein Band, an dessen Farbe der Strafzustand abzulesen ist. Diejenigen, die ein graues Band tragen, darf man nicht anschauen oder gar ansprechen. Man soll nicht einmal an sie denken. Ein gelbes Bändchen heißt: weniger kritisch gegenüber Scientology, mehr Pausen bei der Strafarbeit.“ „Ich fühlte mich sofort wohl“ Seit über zehn Jahren berät Jeannette Schweitzer nun Polizisten, Lehrer, Sektenbeauftragte und Politiker. Sie gilt als Expertin. Ihr Wissen um
Hintergründe, Strukturen und Ziele der Organisation ist für die staatlichen Stellen von unschätzbarem Wert. Jeannette Schweitzer kam 1989 zu Scientology. Damals arbeitete sie im Management einer saarländischen Baufirma. Sie buchte ein Scientology-Seminar für Führungskräfte, das ihr eine Bekannte empfohlen hatte.
„Ich bekam keine Absolution.“ „Die Leute waren sehr nett, ohne Vorbehalte. Ich fühlte mich sofort wohl. Skeptisch wurde ich jedoch bei einer Übung, bei der ich einer Teilnehmerin regungslos in die Augen schauen musste. Ich sah keinen Sinn darin. Doch alle anderen Teilnehmer – darunter Manager bekannter Unternehmen – waren offenbar begeistert. Da schluckte ich meine Kritik hinunter. Was ich erst viel später erfuhr: Die meisten waren längst Scientologen und besuchten das Seminar nur mit dem Ziel, für gute Stimmung zu sorgen. Später riefen sie mich immer wieder an, bis wir uns zu einem Aufbaukurs verabredeten. Ich buchte Seminare, besuchte die regelmäßigen Treffen, gehörte dazu. Ich habe sogar Kollegen, Bekannte und Freunde zu Scientology gebracht.“ „Mach Geld, mach mehr Geld“ In den 80er-Jahren konnten nur wenige Menschen etwas mit Scientology anfangen. Für viele war das nur ein wissenschaftlich klingender Name. Auch für Jeannette Schweitzer. Sie gab ihren alten Arbeitsplatz auf und wechselte in eine Stahlbaufirma, die zu „Wise“ gehörte, dem Verband scientologisch geführter Unternehmen.
„Mach Geld, mach mehr Geld, mach, dass andere mehr Geld machen“, lautet ein Gebot des Scientologygründers L. Ron Hubbard. Die Stahlbaufirma setzte alles daran, um dem Anspruch gerecht zu werden. Viele Angestellte arbeiteten jeden Tag 18 Stunden. Doch die Geschäftszahlen stagnierten. Der Firmenchef beschäftigte illegale Arbeiter, um den Gewinn zu erhöhen. Der schwere Fehler Da beging Schweitzer aus Sicht ihres damaligen Scientology-Chefs einen schweren Fehler: Sie weigerte sich, Schwarzgelder zu verbuchen. Am nächsten Morgen fand sie einen Zettel auf ihrem Schreibtisch: „Kommen Sie sofort nach Saint Hill“, stand darauf. Sie dachte, es ginge um die illegalen Geschäfte in der Firma. „Ich wurde in eine Zelle gesteckt, eineinhalb Meter lang, genauso breit. Ein Tisch stand drin und ein Stuhl. Ich musste aufschreiben, was sich in der Firma zugetragen hatte. Damit ging ich zu einem der Dutzend Offiziere in marineblauer Uniform. Er sollte den Bericht unterschreiben, dann wäre die Sache beendet gewesen. Aber er tat es nicht. Ich erkannte keine Fehler, fragte nach, bekam keine Antwort, schrieb wieder und wieder auf, was passiert war, stundenlang. Von allen Offizieren musste ich mir eine Unterschrift holen, doch ich bekam diese Absolution nicht. Im Gegenteil: Mir wurde gesagt, ich müsse ‚meine Ethik in Ordnung bringen‘. Das hieß nichts anderes als Strafe: bis in die Nacht HubbardBücher lesen, Werbebriefe falten. Einmal sollte ich 10.000 Mark für eine Wagenladung russischsprachiger Scientology-Bücher von meinem Er-
sparten bezahlen. Ich tat es. Nachts durfte ich oft nicht mehr als vier Stunden schlafen, am nächsten Tag die gleiche Prozedur. Ich war übermüdet, verzweifelt, machtlos. Manchmal war ich nur übers Wochenende in Saint Hill, manchmal länger. Jeden Tag wurde es schlimmer. Und nicht nur für mich. Ich habe dort bekannte Manager kennengelernt, Architekten, Künstler, Immobilienmakler, Ingenieure. Ich habe Männer auf Knien betteln gesehen. Sie haben um Absolution gefleht, geweint wie Kinder. Keiner von ihnen kann mir heute in die Augen sehen.“
„Ich habe Männer auf Knien betteln gesehen.“ Wie ein Sportverein? Jeannette Schweitzer war nicht hinter Gittern. Sie hätte abreisen, sich verweigern oder einfach nicht mehr wiederkommen können. Doch sie tat es nicht – weil sie es nicht konnte, wie sie heute sagt. Es fällt ihr schwer, über diese Zeit zu reden. Sie schafft es nur, indem sie sich zur Sachlichkeit zwingt. Immer noch spricht sie nicht lange von ihrer Zeit bei Scientology. Eine Stunde oder zwei, dann braucht sie eine Pause. Sabine Weber von Scientology sagt, dass man bei ihnen ein- und austreten könne wie in einen Sportverein. Hans-Werner Carlhoff, Scientology-Experte des Landes Baden-Württemberg, entgegnet: „Wer länger Mitglied ist, kann nicht einfach wieder gehen. Dafür ist der psychische Druck viel zu groß.“
600 Mark und das „E-Meter“ Für Jeannette Schweitzer war der Druck besonders in den „Auditings“ groß. Das sind Einzelgespräche mit einem ranghöheren Scientologen, der mit einer Art Lügendetektor arbeitet, dem „EMeter“. Rund 600 Mark zahlte Jeannette Schweitzer für jede Stunde. Die Auditoren sind darauf gedrillt, alles aus einem Menschen rauszuholen. Ihr starrer Blick, ihr monotones Fragen versetzten mich in eine Art hypnotischen Zustand. Ich wurde gefragt, mit wie vielen Männern ich geschlafen habe, ob ich jemals gestohlen oder abgetrieben habe, als Kind geschlagen oder missbraucht wurde – und ich antwortete wahrheitsgemäß. Nach jedem Auditing blieb ein Gefühl von Schuld und Versagen, das wieder ein neues Auditing forderte. Ein Teufelskreis.“ Der Druck wuchs. Jeannette Schweitzer ließ sich stundenlang von einem anderen Scientologen demütigen. „Du Schwein, du wertloses Biest“, schrie er. Sie durfte nicht reagieren, nicht wegschauen.
„Du wertloses Schwein“ „So begann ich meine Gefühle zu ignorieren, nicht mehr zu widersprechen – bis man mich schließlich zu Strafmaßnahmen nach Saint Hill schicken konnte, und ich es noch selbst zahlte.“ 160.000 Mark innerhalb kurzer Zeit Innerhalb von eineinhalb Jahren zahlte Jeannette Schweitzer 160.000 Mark an Scientology. Sie opferte ihr Erspartes, nahm einen Kredit auf. Irgendwann hatte sie selbst das Gefühl, nichts
mehr wert zu sein. Sie brach zusammen, wollte sich umbringen. Hans-Werner Carlhoff sagt, dass es etliche Menschen gebe, denen es ähnlich ergangen sei.
waren sie es, die meine Nachbarn anriefen und ihnen erzählten, was sie mir in meinen Seelenbeichten abgezwungen hatten. Ich fühlte mich nackt und leer.“
Der kanadische Soziologieprofessor Stephen Kent hat die Erfahrungen von Scientology-Aussteigern aus aller Welt gesammelt. In einem amerikanischen Lager sollen widerborstige Scientologen unter Wüstenbedingungen stundenlang um einen Baum oder Pfahl haben laufen müssen. Zudem soll es so wenig zu essen gegeben haben, dass Sträflinge sehr anfällig für Krankheiten wurden.
„Lebensqualität, die ich an die Sekte verloren hatte“
„Ich erhielt Morddrohungen“ Schweitzer selbst spricht nicht über die Erfahrungen anderer Scientology-Aussteiger. Sie bleibt bei dem, was sie selbst erlebt hat. Sie hat gelernt, ihre Gefühle im Griff zu haben, weil sie darauf achten muss, nichts Falsches zu sagen, nicht zu übertreiben. Auch, wenn sie von ihrem Ausstieg spricht. „Ich war körperlich am Ende, wollte eigentlich nur ein paar Tage Ruhe bei meinen Eltern. Und die haben das Beste getan, was sie hätten tun können. Sie haben zugehört, wenn ich reden wollte, fragten nicht nach, machten mir keine Vorwürfe. Nach und nach begriff ich, wo ich hineingeraten war – bis ich schließlich alle Kontakte zu Scientology abbrach. Aber dann ging der Terror erst los. Ich erhielt anonyme Morddrohungen und gehe davon aus, dass es Scientologen waren. Jedenfalls
Schweitzer war von 1989 bis 1992 Scientologin. Dann stieg sie aus.Heute ist sie eine anerkannte Expertin für die Sekte, die sich selbst als Kirche sieht und in Berlin gerade eine Hauptstadtrepräsentanz eröffnet hat.
Immer wieder würden Scientologen versuchen, mit fragwürdigen Methoden, ihre Kritiker mundtot zu machen, sagt Scientology-Experte HansWerner Carlhoff. Er hat es selbst erlebt. „Scientologen verleumden mich beispielsweise öffentlich, ein Menschenrechtsverletzer zu sein. Auch Journalisten, die über Scientology schreiben, werden von der Organisation massiv kritisiert und der Unfähigkeit bezichtigt.“ Jeannette Schweitzer fand schließlich trotzdem in ein normales Leben zurück. „Ich lernte zu meiner Geschichte zu stehen – auch zu meinen Schwächen, zu meiner Zeit bei Scientology. Nur so fand ich innere Ruhe und habe nicht mehr der Zeit, dem Geld und der Lebensqualität nachgetrauert, die ich an die Sekte verloren hatte.“ Globalisierung einer Sekte 1993 gründete Jeannette Schweitzer die Organisation Vitem, die Scientology-Mitgliedern hilft, aus der Sekte auszusteigen. Mehreren Hundert Scientologen konnte sie seither helfen, auch denen, die sie selbst geworben hat. Weil sie weiß, wie Scientology mit seinen Mitgliedern umgeht, sieht sie die neue Offensive der Psychosekte mit wachsender Sorge. Seit Kurzem beobachtet auch der Berliner Verfassungsschutz die Gemeinschaft wieder.
Empfehlung „Bei vielen Menschen hat die öffentliche Aufklärung zwar bereits gefruchtet. Doch längst nicht bei allen. Es gibt immer noch zu viele, die auf Scientology reinfallen.“ In München sucht Scientology zurzeit ein großes Grundstück für ihre neue Bayern-Zentrale. Neue Scientology-Zentren eröffneten jüngst in London, Madrid und Brüssel. In vielen deutschen Städten machen Mitglieder aktiver denn je Werbung in eigener Sache. Bundesweit verschicken sie Propagandabroschüren und DVDs an Schulleiter und Lehrer, um Einfluss auf den Unterricht zu nehmen. In Berlin sorgt derzeit der Schauspieler und Scientologe Tom Cruise, der in einem Kinofilm den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg spielen soll, für Debatten. Dagegen hat sich unter anderen Stauffenbergs Sohn ausgesprochen.
Kontakt zu Vitem, Verein für die Interessen terrorisierter Mitmenschen: 06894/87.04.52
Ursula Caberta: „Schwarzbuch Scientology“ Gütersloher Verlagshaus Deutsch ISBN-10: 3579069748
In ihrem Schwarzbuch Scientology konzentriert sich Ursula Caberta [...] auf die Darstellung von Fakten. Und die sprechen eine eindeutige Sprache. Garniert unter anderem mit zahlreichen Zitaten aus Schriften und Verlautbarungen Hubbards, gibt die Autorin Einblick in die Entstehungsgeschichte der Organisation, ihr Menschenbild und ihren quasi- bzw. pseudo-therapeutischen Stufenplan zur Ausbildung ihrer Mitglieder. [...] Am Ende steht die Erkenntnis, dass gegenüber der Scientology-Organisation in der Vergangenheit eher zu viel als zu wenig Toleranz geübt wurde – „ausgerechnet“ auch in Deutschland. Unbedingt lesenswert! Andreas Vierecke, Literaturanzeiger.de
Rufmord an den Aussteigern
Nach Jahren hat ein Ehepaar die Zeugen Jehovas verlassen. Die Aussteiger berichten von Denkverboten für die Mitglieder. Auf Rufmord und den Verlust des Freundeskreises waren sie nicht vorbereitet. Esslingen Jahrelang war er ein angesehener „Ältester“ der Zeugen Jehovas. Dann stieg er mit seiner Ehefrau aus - und fühlt sich seither geächtet. Für die Erfahrungen von Martin S. (Name geändert) und anderen Aussteigern interessiert sich das Justizministerium in Stuttgart. Es prüft, ob der Glaubensgemeinschaft die beantragte Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts verweigert werden kann. „Wir haben im Laufe der Zeit die Regeln der Organisation nicht mehr akzeptieren können“, sagt S. „Als ich ganz oben war, habe ich lange genug hinter die Fassade schauen können und musste leider feststellen, dass viele Texte aus der Heiligen Schrift anders wiedergegeben werden. Darin werden eigene Meinungen und Ideen der Organisation hineininterpretiert.“ Sein Ausstieg habe zu Missachtung, Ächtung und Rufmord seitens ihrer früheren Bekannten, Freunde und auch der eigenen Familie geführt, erzählt der 42-Jährige aus dem Kreis Esslingen. Auf das Ausmaß dieser Ablehnung waren er und seine Frau nicht gefasst. „Ich dachte nicht, dass sie so mit uns umgehen. Ich dachte, wenigstens die Familienbande bleibt
erhalten“, sagt Sabine S. (40). Sie habe lange an das Gute der Zeugen Jehovas geglaubt. „Ihre Richtlinien haben mir geholfen, mit meinen Ängsten und Sorgen besser fertig zu werden. Heute meidet man mich, weil ich mir herausgenommen habe, freie Entscheidungen zu treffen. Das wird mir immer wehtun.“ Nach Angaben des Justiziars der Zeugen Jehovas, Gajus Glockentin, können Menschen, die die Gemeinschaft verlassen, nur nicht mehr an der engen christlichen Liebes- und Lebensgemeinschaft teilhaben. „Die überwiegende Mehrheit der aus unserer Religionsgemeinschaft ausscheidenden Personen verlässt uns im Frieden. Wir lassen jedenfalls alle, die unsere Religionsgemeinschaft verlassen haben, in Frieden und hoffen, dass sie auch uns in Frieden lassen.“ Seit seinem Ausstieg hat S. keinen Kontakt mehr zu seinem Vater und den Geschwistern. „Das geht nicht von mir aus.“ Eine seiner Schwestern sei ausgeschlossen worden, weil sie Ehebruch begangen habe. „Das verbieten die Zeugen Jehovas ebenso wie das Feiern von Geburtstagen und Fes-
ten wie Ostern oder Weihnachten.“ Übermäßiges Trinken von Alkohol sei auch verpönt. Glockentin: „Nicht Jehovas Zeugen verbieten diese Dinge, sondern Gottes Wort.“ Mit der bewussten Entscheidung für die Zeugen Jehovas habe er sich auch entschieden, sich an diese Gebote zu halten. Gewünscht seien enge Bindungen an die Gemeinschaft, indem man Vorgaben einhält, Geld spendet oder regelmäßig Predigtberichte abgibt, berichtet S.: „Durch Aufseher wird beurteilt, wer aktiv ist und wer nicht. Wenn man angetrieben werden muss, ist das nichts.“ Wenn man nicht mehr funktioniert, bekommt man das schnell zu spüren. Die Familien der beiden Aussteiger waren in den 1970er Jahren mit den Zeugen Jehovas in Kontakt gekommen - durch übliche „Haus-zuHaus-Mission“: Mitglieder der Organisation klingelten an der Tür, stellten die Zeitschriften „Der Wachtturm“ und „Erwachet!“ vor, man kam ins Gespräch und fand Gefallen daran. Mit 25 Jahren wurde S. Dienstamtsgehilfe, mit 28 leitete er als „Ältester“ Zusammenkünfte und hielt Vorträge in anderen Städten. „Frei entscheiden, was ich dort sage, war aber nicht möglich. Alles verlief nach vorgegebenem Konzept aus der Zentrale.“ Dazu sagt Glockentin: „Im Rahmen der Leitlinien sind die Redner in der Gestaltung ihrer Programm-
punkte frei, wenn auch Themen und Inhaltsschwerpunkte vorgegeben werden.“ Irgendwann begann S. in seinem Glauben zu „schwächeln“, wie er heute sagt. Schließlich schrieb er einen Brief an die Zentrale in Selters (Taunus). Als darauf keine zufriedenstellende Antwort kam, schickte er einen zweiten Brief und legte seine Ämter ohne Begründung nieder. „Danach hat man schlecht über mich geredet und Rufmord betrieben.“ Er und seine Ehefrau seien von allen gemieden worden. „Wir haben alle sozialen Kontakte verloren“, sagt die 40-Jährige. „Wenn in der Organisation jemand nicht mitzieht, wird Kontrolle ausgeübt“, ergänzt Martin S.
Martina Schmidt: „Ich war eine Zeugin Jehovas – Protokoll einer Verführung“ Gütersloher VerlagshausDeutsch ISBN-10: 3579068512
Martina Schmidt erzählt ihre Geschichte – eine spannende, eine wahre Geschichte: Zweieinhalb Jahre lang war sie eine Zeugin Jehovas. Ihr authentischer Erfahrungsbericht ermöglicht tiefe Einblicke in eine Organisation, die ihre Mitglieder vereinnahmt, kontrolliert und indoktriniert. Die subtile Mechanismen entwickelt hat, neue Mitglieder zu werben und diese mit allen Mitteln zu halten. Weil sie wieder lernen wollte, eigenständig zu denken, hat Martina Schmidt den Ausstieg aus der Sekte gewagt. Mit ihrem Buch will sie aufklären, helfen und ermutigen!
„Frei entscheiden, was ich sage, war nicht möglich.“
Beten, bis die Welt untergeht Sie leben isoliert, ersehnen das Paradies nach dem Weltuntergang herbei und klopfen ungefragt an jede Haustür – Lukas L. ist Zeuge Jehovas. Christian Fuchs war auf Missionstour mit einem 18-Jährigen, der sich rigiden Regeln unterwirft und später Gottes Gärtner werden will.
R
umms! Die Tür ist zu. Nur einen Spaltbreit hatte der Mann seine Wohnungstür geöffnet, nachdem Lukas L. bei ihm geklingelt hatte. Lukas klappt seine Mini-Bibel wieder zu und steigt die Stufen zum nächsten Stockwerk hinauf. Seit vier Stunden läuft Lukas schon durch Hamburg, um Menschen vom Wort Jehovas zu überzeugen. Bisher ohne Erfolg. „Darf ich Ihnen kurz zeigen, was die Bibel über unsere Zukunft sagt?“, fragt er, wenn sich endlich eine Tür öffnet. Dann schauen die Leute den Schüler mit den strohblonden Haaren verwundert an. Meist steht Lukas jedoch verloren in Hausfluren und vor Klingelbrettern, die Türen bleiben verschlossen. Lukas ist einer von 165.000 deutschen Zeugen Jehovas, einer Glaubensgemeinschaft, die nur in Berlin staatlich anerkannt ist. Er glaubt daran, dass die Welt in Kürze durch ein „Harmagedon“ untergehen wird und im Paradies nur die Zeugen Jehovas erwachen werden, weil sie nach einer strengen Bibelauslegung im Sinne Jehovas, also Gottes, leben. Dafür unterwirft sich Lukas rigiden religiösen Regeln. Um Jehova zu gefallen, versuchen Zeugen wie Lukas, Ungläubige von seinem Wort zu überzeugen; mit dem „Wachtturm“ in der Fußgängerzone oder mit der „Heiligen Schrift“ im Predigtdienst an den Haustüren. „Ich fühle mich wie Noah“ Lukas trägt auf seiner Haustür-Mission einen braunen Anorak, Hemd, Krawatte und einen braun-beigen Wollpullover. Nach drei Stunden hat er das erste Mal Erfolg: Ein Schüler mit Base-
ballcap bleibt im Treppenhaus stehen und hört zu, wie Lukas ihm aus der Bibel vorliest. Dann fragt er: „Spielt Gott in deinem Leben noch eine Rolle?“ „Ähh, ja.“ „Hast du dich in dieser Stelle wiedererkannt? „Hmm, na ja, eher nicht so.“ „Macht ja nichts, ist heute auch alles so komplex in dieser Welt.“ „Hmm.“ „Vielleicht kann ich dich ja noch einmal später besuchen kommen, wenn du mehr Zeit hast und nicht so im Hausflur?“ „Ja, ok.“ Später notiert sich Lukas den Nachnamen des Jungen vom Klingelschild. Nach dem Vornamen hat er nicht gefragt. „Ich fühle mich ein bisschen wie Noah, dem hat auch niemand geglaubt, dass die Sintflut kommen wird“, sagt Lukas. „Aber wir haben es besser, uns hört manchmal noch jemand zu.“ Dreimal haben die Zeugen Jehovas den Weltuntergang bereits verkündet - er kam nicht. Was fasziniert junge Menschen am Glauben an ein baldiges Ende? Bibelkreis und Predigtdienst „Jehova-Gott ist wie ein Freund“, sagt Lukas. Er sitzt am Schreibtisch in seinem Kinderzimmer, an der Wand hängt eine Tafel, auf die er mit Kreide „Bibellesen“ geschrieben hat. Viel mehr kann Lukas hier auch nicht tun. Ein paar Bücher liegen unter dem Tisch, „Steppenwolf“ von Hermann Hesse und „Alles ist erleuchtet“ von Jonathan Safran Foer.
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Siehe, ich komme wie ein Dieb. Selig ist,
der da wacht und hält seine Kleider,
dass er nicht bloß wandle und man
nicht seine Schande sehe.
Es gibt ein Aquarium, aber keinen Computer, keine Musikanlage, keinen Fernseher. Lukas war noch nie in einer Disko, noch ist er auf einer Gartenparty betrunken abgestürzt. „Das ist eine ganz andere Welt, die mich gar nicht reizt.“ 20 Euro Taschengeld pro Monat reichen ihm völlig. Sex vor der Ehe ist ihm nicht erlaubt, er darf sich nicht mal allein in der Nähe eines Mädchens aufhalten. „Wenn ich sie unglaublich toll finden würde, wäre das Risiko zu groß. Denn wenn man einmal in Fahrt ist, geht’s dann auch weiter“, sagt Lukas. Mit 15 hat er sich in der Kieler Ostseehalle taufen lassen. Seine Eltern, die seit seiner Geburt Zeugen Jehovas sind, saßen unter den Tausenden Zuschauern. Die Entscheidung zur Ganzkörpertaufe habe er aber ganz allein gefällt. Seitdem lebt er diszipliniert, um Jehova zu gefallen. „Manchmal sitze ich einfach rum und entspanne“, sagt Lukas. „Ich bin anspruchslos geworden in meiner Freizeitgestaltung.“ Viel freie Zeit hat er sowieso nicht. Während andere 18-Jährige skaten, sich Musik aus dem Internet herunterladen oder verliebt mit ihrer ersten Freundin knutschen, muss Lukas einen strengen Wochenplan befolgen. Sonntag: Gottesdienst im „Königreichssaal“, der Kirche der Zeugen Montag: Predigtdienst an den Haustüren Dienstag: „Theokratische Bibelschule“ Mittwoch: Bibelstudium zu Hause Donnerstag: Bibelkreis Freitag und Samstag: wieder Haustür-Mission und Heimbibelstudien
Auf Ausstieg folgt Ächtung
Mindestens 16 Stunden ist Lukas pro Woche im Auftrag des Herrn unterwegs. Fast 800 Stunden im Jahr.
Die häufigen Treffen, die Bibelstudien, die Rituale sollen die Mitglieder daran hindern, auf falsche Gedanken zu kommen, sagt Melanie Hartmann, 28. Sie ist vor drei Jahren bei den Zeugen ausgestiegen. Heute leitet sie das Netzwerk Sektenausstieg e.V. und sagt: „Wegen der Zeugen habe ich die Leichtigkeit meiner Jugend verpasst.“
„Für Christus endlich kam die Zeit, als König zu regieren. Bald lecken seine Feinde Staub, und er wird triumphieren.“ Lukas schmettert das Eröffnungslied zum „Theokratischen Bibelstudium“ mit seiner Bass-Stimme durch den „Königreichssaal“.
Heute wirft sie der Wachtturm-Gesellschaft vor, sie verbiete ein selbstbestimmtes Leben. „Egal ob Berufswahl, Kleidung, Bildung - man kann nichts selbst entscheiden“, sagt Melanie Hartmann. „Mir wurde tief eingepflanzt, dass die Welt untergehen wird. Aber ich wollte überleben, nicht sterben.“ Trotz Zweifeln blieb sie 15 Jahre lang Zeugin. Heute wird sie als „Abtrünnige“ von anderen Zeugen gemieden.
80 Menschen sind gekommen, wie jeden Dienstagabend. Der Saal ähnelt einem Seminarraum aus den siebziger Jahren, mit schweren Vorhänge an den Wänden und Neonlicht über der holzvertäfelten Bühne. Nur ein Bibelvers an der Wand verrät den Gottesraum. Auf Lukas’ Schoß liegt seine ledergebundene Studienbibel. Zwei „Schwestern“ sitzen vor der Versammlung an einem Tisch und halten ein grünes und ein orangefarbiges Mikro. Eine Frau spielt eine Zeugin, die andere eine kranke Nachbarin. In einem einstudierten Rollenspiel zeigen sie der Gemeinde, wie man andere Menschen in Gespräche über Gott verwickelt. Ähnlich wie beim Gottesdienst am Sonntag sind alle Abläufe formalisiert, niemand widerspricht, zuerst liest einer Bibelpassagen vor, danach fasst die Gemeinde diese zusammen. Der Versammlungsleiter lobt jeden Auftritt. Immer wieder stellt ein Moderator rhetorische Fragen: „Wer eignet sich, die Welt zu regieren?“ Überall auf der Welt sehen Zusammenkünfte der Zeugen gleich aus. Darüber wacht die Wachtturm-Gesellschaft, der Verein hinter dem Glauben. Alles ist festgeschrieben, sogar wann in Zusammenkünften geklatscht werden darf.
Lukas hat keine Freunde außerhalb der ZeugenGemeinde. An den vergangenen beiden Klassenfahrten hat er nicht teilgenommen, im Musikun-
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Und er versammelte sie zu dem Ort,
welcher auf Hebräisch Harmagedon
genannt wird.
(Offb 16,15 – 16)
terricht singt er nie mit, wenn im Advent „Oh Du Fröhliche“ angestimmt wird. Weihnachten ist für ihn ein heidnischer Brauch – genauso wie Ostern und Geburtstagspartys. Darum feiern Zeugen diese Feste nicht. Am Ende der zwölften Klasse wird Lukas das Gymnasium abbrechen, studieren will er nicht. „Predigen ist mir wichtiger als Karriere“, sagt er. Am liebsten würde er nach dem Zivildienst halbtags missionieren und die restliche Zeit als Gärtner arbeiten. „Das stelle ich mir später im Paradies schön vor, die zerstörte Erde wieder aufzubauen und Gärten zu pflanzen.“ Es wirkt nicht merkwürdig, wenn Lukas so etwas sagt, vielmehr strahlt er dabei Gelassenheit aus. Sportunterricht, neunte und zehnte Stunde im „Gymnasium Allee“ in Hamburg-Altona. Lukas hält die Sicherheitsleine, an der ein Mitschüler in sechs Metern Höhe an der Kletterwand unter der
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Und Babylon ward gedacht vor Gott,
ihr zu geben den Kelch des Weins
von seinem grimmigen Zorn.
(Offb 16, 19)
Turnhallendecke hängt. „Ey, Yussuf, Alter“, lärmt ein türkischer Mitschüler; zwei Mädchen in dünnen Leggings und brustbetonten Tops kichern. Lukas hält die Leine straff, er bleibt davon unbeeindruckt - ein bisschen wie ein Erwachsener unter Kindern. „Lukas kenne ich nicht gut“, sagt ein Mitschüler, „aber er ist verdammt nett, freundlich und hilfsbereit.“ Hat er schon einmal nach der Schule etwas mit seinen Klassenkameraden unternommen? „Selten“, sagt Lukas, „ich war immer schon verabredet, wenn die mal gemeinsam ins Kino gehen wollten.“ So wie heute. Nach dem Unterricht stehen alle auf dem Schulhof, rauchen, reden. Nur Lukas verlässt das Gelände schnellen Schrittes. Gleich trifft er sich mit seinem Freund. Mit Jehova. Die Studienbibel liegt zu Hause schon aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch.
Und wer sagt sonst noch das Harmagedon voraus?
Wir erinnern uns an das Millennium: Die Vorhersagen waren d체ster. Chaos
st체nde uns bevor. Als wir am n채chsten Tag auf dieser Welt aufwachten, war
klar, dass es wieder einmal nix geworden ist mit dem Weltuntergang. Wie
oft es den Menschen schon so gegangen sein muss, zeigen wir Ihnen hier.
1533: Das Vertrauen in Michael Stiefel Der Theologe und Mathematiker Michael Stiefel (1487-1567) verkündete in seiner Gemeinde, der kurfürstlichen Residenz Lochau (späteres Annaburg), das Ende der Welt für den 19.10.1533, 8 Uhr errechnet zu haben. Daraufhin lebten die Bürger in Erwartung des Weltuntergangs. Annaburg wurde zum Wallfahrtsort. Wie wir wissen, gibt es den Ort auch heute noch.
1524: Fische als Zeichen für die Sintflut Mehrere Astronomen sagten für den 1. Februar den Weltuntergang voraus. Grund dafür war, dass sich die Planeten Jupiter, Saturn und Mars im Sternbild der Fische trafen und das galt als ein sicheres Zeichen für eine Sintflut.
1033: Rudolfus Glaber und die Johannes-Offenbarung Der Mönch und Geschichtsschreiber Rudolfus Glaber (ca. 985-1047) prophezeite, dass die Welt im Jahre 1033 untergehen würde. Er ging nicht von der Geburt Christi, sondern von seiner Kreuzigung 33 Jahre später als Ausgangspunkt aus. Zuvor hatte der Heilige Johannes (um 1000 n. Chr.) offenbart, 1.000 Jahre nach dem Tode Christi stünde die Welt vor dem Abgrund. Die JohannesOffenbarung, das letzte Buch des Neuen Testaments, hat die Menschen im Glauben an das Jüngste Gericht und an die Apokalypse bestärkt.
500: Bereits 500 Jahre nach Christi Geburt Der römische Kirchenschriftsteller und Gegenpapst Hippolytus (um 170-235 n. Chr.) war davon überzeugt, dass die Erde 5500 v. Chr. erschaffen wurde und insgesamt 6.000 Jahre alt werden würde. Also prophezeite er, das Ende für die Erde werde 500 Jahre nach Christi Geburt kommen.
1874
1844
1532 1533
1524
1186
999 1033
500
1874, 1914, 1925, 1975: Die Vorhersagen der Zeugen Jehovas Die Zeugen Jehovas sagten (mindestens) vier Mal den Weltuntergang voraus. Charles Taze Russell (1852-1916), Gründer der Zeugen Jehovas, sagte den Weltuntergang für 1874 voraus. Als dies nicht eintraf, musste das Jahr 1914 dafür herhalten. Auch die übrigen „Termine“ brachten nicht das prophezeite Ende.
1844: Wobei sich William Miller verechnete Der Adventisten-Gründer und baptistische Prediger William Miller (17821849) gab vor, aus Wörtern und Zahlen der Bibel errechnet zu haben, das Ende komme 1844. Viele Menschen glaubten der Vorhersage und verschenkten ihren Besitz. Nachdem der Tag verstrichen war, gestand Miller, sich verrechnet zu haben.
1532, 1538, 1541: Martin Luthers Prophezeiungen Gleich drei Mal sagte der Reformator Martin Luther (1483-1546) das Ende der Welt voraus. Als auch seine dritte Vorhersage nicht eintraf, verzichtete er auf weitere Prophezeiungen.
1186: Johannes von Toledo beunruhigte die Massen Der Astronom und Übersetzer Johannes von Toledo (12./13. Jahrhundert) sagte für 1186 den Weltuntergang mit verheerenden Erdbeben und Stürmen voraus. Wieder brach eine Massenhysterie aus. Der Kaiser von Byzanz veranlasste, die Fenster seines Palastes zuzumauern. Erst 1187 beruhigte man sich wieder.
999: Der erste Jahrtausendwechsel Papst Silvester II (ca. 950-1003) verkündete, dass um Mitternacht des 31.12.999 die Welt untergehen wird. Daraufhin verfiel die christliche Welt in Hysterie. Als sich die Welt am nächsten Tag, es war der erste Tag des Jahres 1000, noch immer drehte, erklärte der Papst, einzig seine Gebete hätten den Weltuntergang verhindert. Dass der erste Jahrtausendwechsel so unspektakulär verlief, kann damit begründet werden, dass die ungebildete Mehrheit der Bevölkerung noch keine Kenntnis über die Zeitrechnung hatten.
2012: Der Maya-Kalender Am 21.12.2012 endet ein bedeutender Zyklus im Kalender der Maya - der 13. Baktun. Die Zahl 13 war für die Maya eine heilige Zahl. An diesem Tag zieht die Sonne zur Wintersonnenwende mit dem Zentrum der Milchstraße gleich. Das geschieht einmal alle 25.800 Jahre.
2003: Die Voraussage des „Chief“ Black Eagle Malachi York In der ländlichen Gemeinde Eatonton, südöstlich von Atlanta, haben sich 80 Menschen unter der Führung von Black Eagle Malachi York mit Tama-Re einen Zufluchtsort geschaffen, weil ihr „Chief“ voraussagte, dort würde ein Raumschiff landen und 144.000 Auserwählte mitnehmen. Die Besatzung des Raumschiffes hatte an dem Tag vermutlich etwas anderes vor - die Landung blieb aus.
1999: Die Prophezeiung des Michel de Nostredame Michel de Nostredame, genannt Nostradamus (1503-1566), war sich sicher, dass die Welt im Jahre 1999 (Juli/August) vor ihrem Ende steht. Unter anderem sagte er Klimakatastrophen vorher und prophezeite (Vers 10/72): „Jahr Neunzehnhundert Neunundneunzig, im siebten Monat / wird vom Himmel der große Schreckenskönig kommen.“
1984 bis 1999: Nur ausgewählte Städte „gehen unter“ Der Sektenführer Bhagwan Shree Rajneesh (1931-1990), Guru der Neo-Sannyas-Bewegung, sagte für die Städte San Francisco, Los Angeles, New York, Mumbai und Tokio voraus, dass sie in der Zeit zwischen 1984 und 1999 von der Erdoberfläche verschwinden werden. Dieser Untergang werde mit schweren Naturkatastrophen einhergehen.
1910: Der Halleysche Komet Sogenannte „Weltuntergangsexperten“ sagten voraus, im Mai 1910 würde sich der Halleysche Komet der Erde nähern. Das führte zu einer Hysterie: Menschen versammelten sich in Kirchen, um zu beichten oder begingen Selbstmord. Einige verschenkten ihr Hab und Gut. Doch der Halleysche Komet flog vorüber.
2012
2008
2003
1999 2000
1997
1984
1960
1910
2008: Der Teilchenbeschleuniger LHC Eine etwas andere Weltuntergangsprophezeiung ist die einiger Kritiker des Teilchenbeschleunigers LHC in der Schweiz. Sie befürchteten, dass bei der Inbetriebnahme des Geräts Schwarze Löcher im Mini-Format entstehen, die die Erde zerstören könnten. Passiert ist nichts. Bisher.
2000: Alle auf ein Mal! Zum Millenniums-Wechsel übertrumpfen sich Endzeit-Sekten mit Prophezeiungen und schillernden Szenarien zum Weltuntergang. In Deutschland warten vor allem die Anhänger der Sekte „Fiat Lux“ im Schwarzwald auf die nahe Apokalypse. Sektenführerin Uriella, die sich mit ihrem Termin für den Weltuntergang bereits ein paarmal geirrt hat, prophezeit nun das Ende der Welt bis zum Ende des Jahres 1999. Auch verschiedene Esoterik-Gruppen glauben, dass die Erdachse ihren Winkel verändern wird - mit furchtbaren geoklimatischen Folgen.
1997: Keine Menschheit nach 2001 Mehr als 90 Prozent der 120.000 Mitglieder der Internationalen Hellsehervereinigung waren sich einig: Ende 1997/Anfang 1998 soll die Welt ihrem Untergang entgegentreten. Das Wetter würde verrückt spielen, Naturgesetze außer Kraft gesetzt, die Gewalt würde zunehmen und als ausgerottet geltende Krankheiten würden zunehmend auftreten, war die Vorhersage. 2001 sollte die Menschheit endgültig vernichtet sein.
1960: Was Charles Piazzi Smyth aus den Pyramiden las Der Astronom Charles Piazzi Smyth (1819-1900) sagte für 1960 den Untergang der Welt voraus. Er veröffentlichte Mitte des 19. Jahrhunderts ein Buch zur Pyramidenforschung. Smyth glaubte, in den Abmessungen der Pyramiden Botschaften über die Zukunft entdeckt zu haben.
Kreuzritter 2.0 Früher wurden Religionskriege mit Schwert und Lanze ausgetragen, heute ist man auf die Tastatur umgestiegen. Das Internet bietet idealen Nährboden zur Verbreitung demagogischer Ideologien – und wird dabei auch noch als rechtsfreier Raum betrachtet, in dem jede hetzerische Parole ungesühnt bleibt. Doch das Internet bietet auch die Möglichkeit, sich zu wehren.
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Ab in die Homo-Hölle! Der Tod von Dirk Bach war der als rechtsradikal geltenden pseudo-christlichen Webseite Kreuz.net einen Nachruf wert: Bach brenne nun in der „ewigen Homo-Hölle“. Doch diesmal gab es mehr als Empörung, gegen die Betreiber liegen Anzeigen vor. Jetzt müsste man nur noch wissen, wer diese sind.
D
ie Seite hat mit der katholischen Kirche in Deutschland nichts zu tun“: Das ist eine Klarstellung, die Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, nicht zum ersten Mal deutlich aussprechen muss. Kopp hat das Statement in den vergangenen Tagen vermehrt abgegeben, „gerade noch gegenüber dem ZDF. Viel mehr kann ich dazu nicht sagen“. Seit Jahren zetert und hetzt auf der obskuren, aber geschickt benannten Webseite Kreuz.net eine Gruppe anonymer Autoren gegen Muslime, Schwule, „Protestunten“ und alles, was in Kirchenkreisen auch nur ansatzweise fortschrittlich erscheint. Wobei die Maßstäbe der Kreuz.net-Autoren radikaler kaum sein könnten: Die CSU ist für sie eine „Homo- und Abtreibungspartei“. Der erzkonservative Kölner Kardinal Meisner gilt ihnen als „neokonservativer“ und „Schwätzer-Kardinal“, weil er gegen die noch konservativere Pius-Bruderschaft „plappert“ und sich nur „halbherzig“ vom „ökumenischen Holzweg“ distanziere. „Protestunten“ sind für sie gottlose Heiden, Muslime des Teufels. Und natürlich lehnt Kreuz.net auch alles ab, was im Rahmen des zweiten Vatikanischen Konzils beschlossen wurde, um den Katholiken in die Neuzeit zu helfen. Wenn man so will, sind die Kreuznetzer die Taliban unter den Katholiken. Da ist es so abscheulich wie klar, dass eine Figur wie der Entertainer Dirk Bach von ihnen als „reueloser und deshalb gottverlassener HomoGestörter“ beschimpft wird, als „Kinderhasser“, „Perverser“ und „homosexueller Sittenverderber“, der „des Todes würdig“ gewesen sei. Wörtlich heißt es in einem dieser erschreckenden Machwerke, das am Dienstag anlässlich von
Bachs überraschendem Tode veröffentlicht wurde: „Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle“. Rechtsradikale? Katholiken?
Katholiken?
Deutsche Behörden tun sich seit Jahren schwer mit der Bewertung dieser im Gewand einer katholischen Nachrichtenseite daherkommenden Hetzplattform. Beim Verfassungsschutz NRW wird die Seite von der Abteilung beobachtet, der die Observation Rechtsradikaler obliegt. Das passt: Es sind rechtsradikale Glaubensfanatiker, die ihre Nähe zur heftig umstrittenen Pius-Bruderschaft immer wieder zum Ausdruck bringen. Die Pius-Brüder distanzieren sich derweil von der Hetzplattform, wenn auch nur halbherzig: Auf der Seite sei „nicht alles perfekt“, sagte etwa der Pius-Bischof Bernard Fellay in einem Interview 2009, wenn es auch prinzipiell zu begrüßen sei, dass sich da einige bemühten, eine traditionellere Auffassung des Katholizismus zu verteidigen. Nicht, dass die katholische Kirche in akutem Fortschrittlichkeitsverdacht stünde. Sie steht auch intern unter Druck, leidet unter gegenläufigen internen Entwicklungen: Auf der einen Seite stehen die fortschrittlichen Katholiken mit ihren auf Laienebene immer einflussreicheren Organisationen, die mehr Ökumene, eine Aufhebung des Zölibats und mehr Einfluss und Beteiligung für Frauen in der Kirche einfordern. Ihnen steht ein wachsendes Heer gerade im Klerus immer einflussreicherer Fundamentalisten gegenüber, die mit Gott am liebsten wieder auf Latein parlieren würden, statt in für ihre Gemeinden verständlichen Tönen.
Wenn man so will, sind die Kreuznetzer die Taliban unter den Katholiken.
Rechtsradikale
Klar, dass da Absetzungsprobleme zu Radikalen an den Rändern des Glaubensspektrums entstehen. Manche Verteufelung unterscheidet sich zwischen Erzkonservativen und Radikalen nur graduell und im Ton. Wie sehr da auch die offizielle Kirche mit sich ringt, zeigt ihre Auseinandersetzung mit der Pius-Brüderschaft. Zurzeit sind mal wieder alle Kontakte abgebrochen. Ein Propagandaorgan radikaler Pius-Symphatisanten?
Info
2002 angemeldet, begann Kreuz.net ab 2004, zunächst Nachrichten aus stramm konservativ-katholischer Perspektive zu verbreiten. Der Fokus lag stark auf Österreich, davon abgesehen ähnelte die Seite in Aufmachung, Namensgebung und Themenauswahl stark der Seite Kath.net, die sich
Kreuz.net kann seit dem 2.12.2012 nicht mehr aufgerufen werden. Der Koordinator von Stoppt kreuz.net, David Berger, sieht darin eine Reaktion auf den öffentlichen Druck. Denkbar sei, dass die Betreiber eine Weile in Deckung gingen und auf ein Abflauen des medialen Sturms hofften, oder sie planten einen Umzug von Domain und Server oder einen kompletten Neuaufbau unter neuem Namen, sagte Berger der Kölner Zeitung. Auf den Seiten des Portals fanden sich unter anderem Hasstiraden gegen Homosexuelle. Nach Hetzartikeln über den verstorbenen Schauspieler Dirk Bach hatte die Kampagne „Stoppt kreuz.net“ für juristisch verwertbare Informationen über die Hintermänner eine Belohnung von 15.000 Euro ausgesetzt.
ebenfalls „katholische Nachrichten“ nennt, als wirklich kirchennah gilt und ihre Wurzeln ebenfalls in Österreich hat. Ab 2006 begann die Absetzungsbewegung von Kreuz.net, die sich in einer Verschärfung des Tons und einer Radikalisierung in den Inhalten ausdrückte: Sie erfolgte gerade zu dem Zeitpunkt, als ein stark umstrittenes Webangebot der PiusBruderschaft vom Netz genommen wurde. Die Hetze gegen Homosexuelle und Muslime wurde nun neben der Unterstützung für die Pius-Brüder zum Hauptthema der Seite. Mit erheblichem Erfolg: Kreuz.net steht im Alexa-Ranking der populärsten Webseiten Deutschlands inzwischen auf Rang 2660. Das ist nicht gerade Top 10, aber höchst beachtlich, wenn
Inzwischen konnten der Zeitung zufolge die Namen von mindestens einem halben Dutzend Verdächtiger ausfindig gemacht und an die Staatsanwaltschaft übergeben werden. Hinter den anonymen Machern von kreuz.net werden erzreaktionäre, rechtslastige Kirchenkreise vermutet. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Berichte zurückgewiesen, nach denen auch gegen den Betreiber des konservativen österreichischen Portals kath.net, Roland Noé, ermittelt werde. Seine Internetplattform wurde dem Bericht zufolge seit der Gründung 2001 bis 2005 von den österreichischen Bischöfen unterstützt. Danach habe sie unter anderem eine Finanzspritze von jährlich 20.000 Euro von der Organisation „Kirche in Not“ bekommen.
„reueloser und deshalb gottverlassener Homo-Gestörter“ – kreuz.net über Dirk Bach
Einen Antrag des Obersten Gerichtshofs, das Fortpflanzungsmedizingesetz aufzuheben und damit die künstliche Befruchtung zu genehmigen, kommentierte kreuz.net mit „Wenn sich Lesben unbedingt um Kinder sorgen möchten, sei diesen eine der vielen Kinder-in-irgendwo-Aktionen der linkslastigen Caritas ans Herz gelegt.“
Das Ende der seit 2008 in der „Our Lady of Assumption“-Kirche abgehaltenen Messen unter besonderer Einladung von Homosexuellen feierte kreuz.net als „Ende“ eines „Irrweges“.
„Durchdrehen“ von „rasenden Kotstechern“
Werner Königshofer, der aus der FPÖ ausgeschlossene Ex-Abgeordnete, ist ein weiterer Autor von kreuz.net, der dort darüber sinnieren durfte, ob er besser „Schwein“ statt „Landtagsschwuchtel“ zu dem „aufdringlich schwulen Grün-Politiker“ sagen hätte sollen.
Als das Unterhaus des russischen Parlaments mit großer Mehrheit einen Gesetzesentwurf verabschiedete, der die öffentliche ‘Propaganda von Homosexualität’ unter Strafe stellt, feierte kreuz. net die Gesetzgebung als Vorbild für Westeuropa. So heißt es, dass „diese homophoben Entwicklungen “dank der russisch-orthodoxen Kirche” erfolgen und so den “Sittenverfall” stoppen. man die eigentliche, kirchliche „Konkurrenz“ betrachtet: Kath.net rangiert auf Platz 4695 und ist damit noch deutlich populärer als Katholisch.de, die offizielle Webseite der katholischen Kirche in Deutschland. Die liegt auf dem beschämenden Rang 14.552 und konkurriert da mit regionalen Reifenhändlern und Hobby-Bloggern. Da spielt Kreuz.net in einer ganz anderen Liga.
Womöglich ist das Pfeifen im Walde: Eine solche Protestwelle hat die Webseite noch nicht erlebt. Inzwischen sind mehrere Anzeigen gegen Unbekannt eingereicht worden, und auch die zahlreichen Watchblogs, die vor allem in der Zeit von 2007 bis 2009 sehr aktiv gegen die Hetzerseite agiert haben, werden wieder neu belebt. So einige hatten die Hoffnung mittlerweile aufgegeben, gegen Kreuz.net etwas ausrichten zu können.
Protestwelle Mit den Hetzschriften zu Dirk Bachs Tod – inzwischen gibt es mehrere – haben die Kreuznetzer überzogen. Zeitweilig kamen die Betreiber kaum hinterher damit, die zahlreichen Protest-Postings aus ihren Kommentarspalten zu löschen. „Fast eine Million“ Seitenaufrufe, behaupten sie derzeit, habe der Bach-“Nachruf“ erreicht. Die Proteste tun sie als „Durchdrehen“ von „rasenden Kotstechern“ (Kreuznet-Bezeichnung für Homosexuelle) ab.
Denn im Grunde weiß niemand, wer hinter dem skandalösen Angebot steht. Der WHOIS-Eintrag über die Eignerschaft der Webseite ist die Tinte nicht wert, die man zum Ausdruck brauchen würde: Der dort genannte Verein firmierte ursprünglich angeblich in Kalifornien und sitzt inzwischen ebenso angeblich in Panama. Er ist mit einiger Sicherheit völlig virtuell und einem Statement der österreichischen Bischofskonferenz von 2009 zufolge auch „der katholischen Kirche völlig unbekannt“.
Im Grunde weiß niemand, wer hinter dem skandalösen Angebot steht.
Kreuznet ist laut, aber gut versteckt Der deutsche Bischofskonferenzsprecher Matthias Kopp wusste im gleichen Jahr nur, dass dahinter eine „Kämpfertruppe“ stünde, die der katholischen Kirche „das Leben wirklich schwer“ mache. Seitdem hat sich nichts geändert - zumindest nicht zum Besseren. Anzeigen und Beschwerden von Kreuz.net-Gegnern gegen die Provider, auf deren Servern die Webseite gerade gehostet wird, gibt es seit Jahren. Sie sind immer wieder mal erfolgreich, wenn auch nie für lange Zeit: Allein in diesem Jahr wurden die Kreuznetzer mindestens fünfmal zum Umzug gezwungen, hatten ihre Daten zeitweilig in den USA, Rumänien, Frankreich und wieder verschiedenen Orten der USA hinterlegt. Zurzeit liegen sie bei einem Serviceprovider im Raum Chicago, der darauf spezialisiert ist, Webseiten gegen Angriffe zu schützen und den physischen Ort ihrer Speicherung zu verschleiern. Kreuz.net ist überall und nirgends, was auch die per Anzeige gegen Unbekannt zur Tätigkeit verpflichteten Polizeibehörden in den nächsten Wochen erfahren dürften: Unwahrscheinlich, dass alle Ermittler ihre Anfragen an dieselben Adressaten schicken werden. Kreuz.net auszuheben wäre eine Aufgabe für einen Geheimdienst oder eine internationale Kooperation von Fahndern ohne das wird es wohl kaum klappen. Rechtfertigen ließe sich ein juristisches Vorgehen gegen Kreuz.net schon mit der Anklage der Volksverhetzung – Beweismaterial dafür kann man auf der Seite so gut wie täglich sammeln. Dass Kreuz.net durch den selbst vom Zaun gebrochenen Bach-Skandal ins Visier hartnäckigerer Ermittler rückt, ist nach diesem „Erfolg“ wahrscheinlicher geworden. Bisher schien sie
nur eine von vielen mehr oder minder irren Radikalenseiten zu sein, die im eigenen Saft schmorend vor sich hinhetzten. Diese Wahrnehmung hat sich gerade deutlich verschoben: Mag sein, dass Kreuz.net sich so auch Aufmerksamkeit ganz anderer Art verdient hat.
N채chste Seite: David Berger, der Initiator von Stoppt kreuz.net und sein Kampf um Anerkennung in den eigenen Reihen
Persona non grata Für viele ist es ein doppeltes Spiel, ein Spiel mit dem Feuer - oder womöglich mit der Hölle: Schwul zu sein und gleichzeitig Geistlicher der katholischen Kirche. David Berger musste diese Unvereinbarkeit bitter erfahren. Wissenden Geistes lässt er sich anfangs auf ein doppeltes Spiel ein. Dann will er Schluss machen mit der Heimlichtuerei. Doch als er seine Homosexualität offen legt und sich zu seinem Freund bekennt, wird er zur Persona non grata – eine Unperson für die katholische Kirche. Dabei war der Theologe jahrelang im Vatikan ein- und ausgegangen, war an der vatikanischen Akademie ein anerkannter Wissenschaftler. Doch nach dem Outing wird er für die Akademie untragbar. Doppelmoral als übliche Praxis Natürlich ist David Berger nicht der Einzige – Homosexualität ist in der katholischen Kirche weit verbreitet, durch das Zölibat bietet sie Homosexuellen gar einen Rückzugsort. Stets sei man unter sich gewesen, habe wenig Aufheben darum gemacht, so David Berger. So ist es auch bei seinen Besuchen in Rom gewesen. In einschlägig bekannten Parks und Schwulentreffs trifft er oft Geistliche, die er aus dem Vatikan kennt. Dennoch wird über das Offensichtliche nicht gesprochen, vermeintliche Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Männern werden im Vatikan nicht in Frage gestellt: „Es war so, dass mein Partner hier als mein Cousin dabei war, das hatte ich bei anderen Mitgliedern der Akademie gesehen, bei anderen Monsignori, die im Vatikan gearbeitet haben, die dann den jugendlichen Liebhaber als Verwandten oder Sekretär vorgestellt haben.“
David Berger hat sich geoutet: Der Theologe und Wissenschaftler an der vatikanischen Akademie ist schwul – und damit eine Persona non grata. Über die Doppelmoral in der katholischen Kirche.
Diese Doppelmoral ist laut Berger gang und gäbe unter katholischen Geistlichen. Doch was für den äußeren Schein einst hingenommen wurde, kann inzwischen erhebliche Konsequenzen haben. Denn gemäß der katholischen Kirche ist praktizierte Homosexualität Sünde. Seitdem Papst Benedikt im Amt ist, sei der Umgang mit den schwulen Geistlichen problematischer und strenger geworden, berichtet Berger. Bereits 2003 hatte sich Joseph Ratzinger in einer Erklärung vehement gegen Homosexualität und die Schwulen-Ehe ausgesprochen und sie als Verstoß gegen das Sittengesetz bezeichnet. Als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche legte Ratzinger dann fest, was katholischer Glaube ist. Wie viele Geistliche tatsächlich praktizierende Homosexuelle sind, darüber gibt es freilich keine Zahlen. Denn wer sich outet, fliegt aus der katholischen Kirche und würde damit in den meisten Fällen seinen Lebensunterhalt verlieren. Das kann auch Peter Priller bestätigen. Er wurde 1991 zum Priester geweiht. Schon während der Ausbildung stellt er fest, dass er schwul und damit nicht alleine ist: „Man hat natürlich engere Freunde, man kennt sich besser, da spricht man drüber, und da verlieben sich ja auch Menschen, das kommt vor. Auch im Priesterseminar.“ Drei Jahre halten Peter Priller und sein Partner ihre Beziehung geheim. Dann macht Priller beim Kardinal reinen Tisch. Dieser reagiert zunächst neutral, doch dann: „Dann musste ich innerhalb kurzer Zeit aus dem Verkehr und dann hat er mich zwangsbeurlaubt und später suspendiert“, sagt Priller. Mittlerweile arbeitet der 52-Jährige Bad Tölzer als Therapeut – aber auch wieder als Priester. Er hat die reguläre katholische Kirche verlassen und ist Priester bei den Altkatholiken, eine Reformkirche, die staatlich anerkannt ist
und in der alle gleichberechtigt sind. Hier kann Peter Priller wieder seinen Beruf ausüben. Dass er homosexuell ist, wissen alle. Öffentliches Mobbing und Drohungen Zu dem Rauswurf aus der Kirche hatte das Outing für David Berger weitere herbe Konsequenzen. Denn neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit hatte der 43-Jährige auch Religionsunterricht am Gymnasium erteilt. Auch dafür verliert er die Lehrerlaubnis, obwohl seine Schüler protestieren. Noch dazu wird er im Internet übel attackiert. Insbesondere auf der Seite kreuz.net, von der sich die katholische Kirche distanziert. Die Verfasser dort geben vor, konservativ katholisch zu sein und hetzen gegen Schwule, Juden und Migranten. Dazu kommen Drohungen: „Da wird dann eine Adresse veröffentlich bei Google Earth wie man das Haus findet, wo ich wohne, und es wird direkt zum Mord an mich aufgerufen“, sagt Berger. Dennoch ist er froh, dass sein Doppelleben ein Ende hat. Über seine Erlebnisse hinter den Kulissen der Kirche hat er ein Buch geschrieben, spricht offen über seine Ansichten: „Nur durch radikale Ehrlichkeit wird man den Teufelskreis aus Lügen und Unterdrückung durchbrechen können.“ Doch bisher stehen nur die wenigsten zu ihrer Homosexualität. Der Großteil schweigt weiter.
David Berger: „Der heilige Schein – als schwuler Theologe in der katholischen Kirche“ List Taschenbuch Sprache: Deutsch ISBN-10: 3548610986
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e l a t i g i Der d Djihad
Hans ist 80 Jahre alt, Rheinländer und seit April Muslim. Warum er zum Islam übergetreten ist? „Das hat sich so ergeben“, sagt Hans lakonisch im Singsang-Dialekt seiner Heimat. Hans ist die Hauptfigur eines der unzähligen Videos, mit denen Salafisten im Internet für ihre Sache werben. Pierre Vogel, einer der bekanntesten Anführer dieser fundamentalistischen Bewegung in Deutschland, hat das Video auf seine Webseite gestellt. 15 Minuten lang soll Hans im Interview mit einem Salafisten Auskunft über seinen Weg zum Islam geben. Konkret sieht das so aus, dass der Fragende Suggestivfrage an Suggestivfrage reiht, die Hans meist nur mit einem kurzen „Ja“ beantwortet. Dazwischen spricht Hans das islamische Glaubensbekenntnis, das dem alten Mann nur zögerlich über die Lippen geht. Quintessenz des Gesprächs: Bei Hans im Haus lebt seit mehreren Jahren eine muslimische Familie, deren Oberhaupt Timor ihn schließlich vom Übertritt überzeugt habe. „Das war eine Überraschung auf Gegenseitigkeit“, erzählt Hans, „man hatte sich kennengelernt, und ich kann nur Positives über die Leute sagen.“ Kevin der „super held“ Glaubt man den Salafisten, dann hat Hans großes Glück gehabt. Denn ihrer Ansicht nach kann nur der Übertritt zum Islam ihn und alle anderen Menschen im Diesseits vor dem Weg ins Verderben retten, und ihnen im Jenseits einen Platz im Paradies sichern.
Um möglichst viele Menschen vor der ewigen Verdammnis zu bewahren, wollen die Salafisten die „Kuffar“, wie sie die „Ungläubigen“ nach einem Ausdruck aus dem Koran nennen, zu ihrer Auslegung des Islams bekehren. Wichtiger Teil ihrer Strategie sind Menschen wie Hans, die in Videos ihren Übertritt zur „einzig wahren Religion“ erklären. Hunderte dieser kurzen Filme haben salafistische Aktivisten in den vergangenen Jahren ins Netz gestellt. Darunter ist auch ein Video über den taubstummen Kevin, der schriftlich seinen Übertritt erklärt und dazu schreibt: „ich fühle mich so berfreit als ob ich ein super held wäre“. Doch dabei belassen es die Salafisten nicht: In Predigten und Lehrvideos machen ihre Führungsfiguren andere Glaubensrichtungen und Religionen verächtlich. Auf der Seite der Frankfurter Salafistengruppe „Dawa FFM“ doziert der Prediger Abdellatif Rouali in der Rubrik „Sekten“ über den Irrglauben, dem schiitische Muslime, Angehörige der Ahmadiyya-Gemeinschaft und Christen angeblich folgen. In langatmigen Vorträgen will der Marokkaner die anderen Religionen widerlegen. Bei seiner Predigt gegen das Christentum nimmt er Anleihen bei Hans Küng („Wie kann ein Papst unfehlbar sein?“), anti-christlichen Polemikern („Wie kann Gott ein Kind kriegen?“) und anti-semitischen Hetzern („Die Juden haben die Christen richtig kaputt gemacht.“). Über das Internet erreichen diese Botschaften Tausende potentielle Anhänger. Sie verbreiten ihre Hetze auf Deutsch und sind daher für den inneren Frieden der Bundesrepublik weitaus ge-
fährlicher als die arabischen Videos, die bis vor wenigen Jahren den Großteil der salafistischen Propaganda ausmachten. Die Sicherheitsbehörden sind angesichts dieser Entwicklung äußerst besorgt. Denn sie droht ein Phänomen zu beschleunigen, das Islamismusexperten mit Sorge beobachten: Junge Muslime, die sich aufgestachelt durch Propagandavideos im Netz, im Schnelldurchlauf radikalisieren und schließlich sogar zur Waffe greifen. Drastischstes Beispiel hierfür ist bislang der Kosovare Arid Uka, der sich aufgehetzt durch ein Internetvideo, binnen weniger Wochen radikalisierte, sich auf dem Schwarzmarkt eine Pistole besorgte und im Frühjahr 2011 auf dem Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschoss. Salafisten betrachten sich als Medienopfer Konkrete Gewaltaufrufe vermeiden die salafistischen Prediger zwar in ihren Internetvideos. Aber die deutsche Regierung müsse auch verstehen, wenn sich die Muslime gegen Provokationen verteidigten, erklären sie. Außerdem: Es lebten doch auch deutsche Staatsbürger unbehelligt in Tunesien und Ägypten. Ob Frau Merkel wirklich wolle, dass denen etwas passiere, fragt etwa ein gewisser Abu Abdullah in einem zornigen Videoauftritt. Es ist jedoch keine echte Besorgnis, die aus seinen Worten spricht, als vielmehr eine kaum verhüllte Drohung. Am wohlsten fühlen sich die Internet-Salafisten aber in ihrer Opferrolle. Sie stilisieren sich selbst zu Bürgern zweiter Klasse, deren Rechte vom deutschen Staat mit Füßen getreten würden. Abu Adam, ein Islamkonvertit aus dem Umfeld von Pierre Vogel, beklagt sich etwa, dass an den im
Grundgesetz verankerten Grundsatz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ der Zusatz angefügt werden müsse: „...außer die Würde der Muslime“. Schließlich lasse es der deutsche Staat zu, dass Muslime durch die öffentliche Zurschaustellung der Mohammed-Karikaturen beleidigt und in ihrer Ehre und Würde verletzt würden. Auch von den Medien fühlen sich die Salafisten verfolgt und verunglimpft. Die deutschen Zeitungen und Fernsehsender zeigten angeblich ein völlig falsches Bild ihrer eigentlich so friedlichen Bewegung und würden die Mehrheitsgesellschaft gegen die Muslime aufhetzen. Selbst vor Drohungen gegen kritische Journalisten machen die Radikalen nicht halt. Der Kölner Salafist Sabri Ben Abda drohte vor wenigen Wochen in einem Video mit dem Titel „Operation Schweinebacke“ mehreren Reportern, die kritisch über die kostenlose Koran-Verteilung der Salafisten berichtet hatten. Auch auf den jüngsten Demonstrationen in Nordrhein-Westfalen ging Ben Abda anwesende Journalisten an. Dabei sind nicht die Medien Schuld am unvorteilhaften Bild der Salafisten. Für ihre Internetauftritte sind die Radikalen schließlich selbst verantwortlich.
Eines der bekanntesten Videos des Salafisten bricht die komplexe muslimische Glaubenswelt auf eine 30sekündige Unterteilung der Welt in Gut und Böse herunter. Eine Modernisierung des Islam stellt für Salafisten eine Verfälschung dar. Dass es keinen muslimischen Martin Luther geben darf, bekräftigt Vogel mit einer „Aufklärung“ über den Reformator. „Was jemand behaupten könnte, ist, dass es nicht akzeptabel ist, Körperstrafen einzuführen. Und da fragen wir ihn natürlich: Warum?“ Vogel erklärt, warum Steinigungen zeitgemäß sein sollen. Mit einer fragwürdigen Auslegung der Heiligen Dreifaltigkeit und des Alten Testaments versucht Vogel nachzuweisen, dass Jesus zum Mord an Frauen aufgerufen hat.
Präventionsprojekte in den Bundesländern und eine bundesweite Plakat-Aktion ernten harsche Kritik. Als „unsensibel“ und „ineffektiv“ verspotteten Kritiker die Kampagne „Vermisst“ des Bundesinnenministeriums (BMI), die im August startete. Ziel war es, mit Plakaten auf die Beratungsstelle „Radikalisierung“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufmerksam zu machen.
Die Beratungsstelle Radikalisierung erreichen Sie unter 0911 – 943 43 43 oder unter beratung@bamf.bund.de Mehr Informationen finden Sie auf ww.bamf.de/beratungsstelle
Mehrere muslimische Verbände fühlten sich diffamiert und kündigten daraufhin die Sicherheitspartnerschaft mit dem Bundesinnenministerium. Dennoch wertet man dort die Kampagne als Erfolg. „Wer wirklich betroffen ist, findet diese Plakat-Aktion gut“, sagt Barbara Slowik, veranwortliche Referatsleiterin im Innenministerium. Die Zahl der Beratungsfälle habe zugenommen. Eltern wüssten nun, dass es ein Beratungstelefon gibt.
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1. Mohammed als Zweijähriger Fakt: Er wurde als Waisenjunge aufgezogen. Später erzählte er von Schwangerschaften, die vier Jahre dauern können (Hadith). Das wurde hier verquickt. Insgesamt die faktisch schwächste Stelle des Trailers.
2. Mohammed und Khadija Die Unternehmerin heiratete ihn; bei ihr fand er Ruhe vor den Visionen des Teufels. Korrekt: Khadija tröstete ihn, wickelte ihn bei sich ein und schützte ihn vor dem Teufel. Anlass: Mohammed hatte eine Vision, sah den Engel, der ihn auch in der Höhle von Hira gesehen hatte, auf einem Stuhl zwischen Himmel und Erde. Furchtbar erschrocken kehrte er zu Khadija zurück und bat sie: Umhülle mich. Daraufhin wurde ihm die Koranverse 74:1-5 enthüllt. (74 = Der Verhüllte) Rudi Paret (74:1 bis 5): Der du dich (mit dem Obergewand) zugedeckt hast Stell dich auf und warne (deine Landsleute vor der Strafe Allahs)! Und preise deinen Herrn, reinige deine Kleider und meide die Besudelung (durch den Götzendienst)!
3. Der Esel Ya‘foor Vollkommen richtig! Hadith, über Ibn Kathir überliefert: Der Prophet wandte sich an den Esel und fragte ihn: Wie heißt du? Und der Esel antwortete: “Yazid Ibn Shihab. Allah hat aus meinem Stamm 60 Esel erschaffen, von denen nie einer geritten wurde – mit Ausnahme von Propheten (…). ich erwarte, dass du mich reitest. (…). Der Prophet erwidert: Ich werde dich Ya’foor nennen, Oh Ya’foor. Ya’foor antwortete: Ich gehorche. Darauf fragte der Prophet: Begehrst du Frauen (also Eselstuten, ed.)? Der Esel antwortete: “Nein!”
4. Mohammeds Visionen
5. Mohammed und seine Räuber (Männer töten, Frauen gefangen nehmen, Kinder schänden)
bleiben in seiner Frühzeit als Prophet plötzlich aus, Waraqa stirbt und er will sich deshalb verzweifelt vom Berg stürzen: Vollkommen korrekt! Hadith Bukhari, Volume 9, Buch 87, Nummer 111: Aisha erzählte: “Auch die göttliche Eingebung blieb für eine Weile aus und der Prophet wurde so traurig, daß er, wie wir hörten, sich einige Male von den Gipfeln hoher Berge stürzen wollte.
Korrekt! Koran Sure 8 (die Beute). Ebenfalls im “Buch über Jihad und Raubzüge” (“Kitab al-Jihad Wa’l-Siyar”, 17. Buch der Hadithsammlung von Sahih Muslim).
6. Mohammed kann alle Frauen haben, die er will dazu mehr als alle anderen Gläubigen: Richtig! Steht exakt so in Koran 33:50. Jericho-Episode. Im Kontext die kompletten Suren 2, 3 und 5.
8. Safiya und Kinana 7. Der Tod der 120jährigen Umm Qirfa
vom Stamm der Banu Fazara durch Zerreißen durch zwei Kamele, die an ihr linkes und rechtes Bein gebunden waren, ist vollkommen korrekt! Angeordnet wurde die Hinrichtung 628 durch den Heerführer und Sieger von der “Schlacht bei Wadi-I-Kura”, Zeid bin Haritha, Adoptivsohn Mohammeds; ausgeführt durch Keis bin Almusahhar.
von den aus Medina geflüchteten Banu Nadir: Richtig! Hadith. Kinana als Stammesführer verwahrte den Stammesschatz: Mohammed ließ Kinana, nachdem er den Schatz dank Petzern gefunden hatte, als Strafe für sein Schweigen foltern (u.a. durch ein Feuer auf seiner Brust”). Anschließend wurde Kinana vor Safiyas Augen umgebracht. Safiya wurde Mohammeds persönliche Beute, konvertierte zum Islam, um ihr Leben zu retten.
9. Hafsa erwischt Mohammed im Bett mit ihrer Kopten-Sklavin Maria: Korrekt, wenn auch klamottig dargestellt. Hadith Bukhari 3/43/648. Seine Frau Hafsa bint Umar hat ihn tatsächlich mit ihrer Dienerin, der koptischen Sklavin Maria, im Bett erwischt. Außerdem war Aischa stinksauer und schwerst eifersüchtig auf Mohammed, weil er Hafsa als weitere Frau genommen hatte. Später verbündeten sich die beiden Frauen und krittelten an Mohammed herum. Diese Szene ist sozusagen eine Zusammenfassung. Ihr Kern ist die Hafsa-Maria-Mohammed-Aisha-Beziehung. Außerdem dargelegt in Sure 66:1 bis 6. Ibn Abbas fragte [laut Bukhari 3/43/648] einstmals Umar, den bekannten Gefährten Mohammeds und sein zweiter Nachfolger als Führer der muslimischen Gemeinde, über den Anfang der medinischen Sure 66: “O Herr der Gläubigen! Wer waren die zwei Damen unter den Frauen des Propheten, zu denen Allah sagte: ‘Wenn ihr zwei in Reue zurückkehrt, …’(66:4)” “Der Hintergrund dieser Geschichte ist, dass Hafsa Mohammed mit seiner Konkubine, der Koptin Maria, im Bett erwischt hatte, (und das) an dem Tag, den er mit Hafsa verbringen sollte. Mohammed versprach, Maria fernzubleiben und ersuchte Hafsa, die Sache geheim zu halten, aber Hafsa erzählte sie Aisha. Da schritt Allah ein mit der Offenbarung einer drohenden Scheidung, die wir nun in (66:1-6) finden, und die Mohammed von seinem Schwur befreite, Mariens zu entsagen.”
Der schmale Grat Das Recht auf freie Ausübung der Religion führt uns immer wieder in die Zwickmühle – dann, wenn es mit anderen Gesetzen unvereinbar ist. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Pflicht zur Neutralität, das moralische Verbot der Tierquälerei – wiegen sie weniger als das Recht auf Glaubensfreiheit?
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In der Beschneidungsdebatte sind alle Argumente ausgetauscht. Zeit, einem Künstler das Wort zu erteilen. Der französische Comic-Zeichner RIAD SATTOUF, Sohn eines Syrers und einer Französin, verbrachte seine ersten zehn Jahre in einem syrischen Dorf bei Homs. Wie alle Jungs dort träumte er davon, wie „Conan, der Cimmerier“ zu sein. Mit acht Jahren wurde er beschnitten. Von diesem Erlebnis erzählt sein Comic „Meine Beschneidung“. Im Interview spricht er über seine Kindheit zwischen Ost und West und die Frage, ob man Beschneidung gesetzlich verbieten sollte.
„Die Tradition ist stärker als alles andere“ Wie autobiografisch ist Ihr Comic? Ich habe meine Beschneidung genauso erlebt, wie ich es in dem Buch erzähle. Was hat Sie an diesem Akt besonders geprägt? Die Gewalt. Alle anwesenden Männer schienen traurig, an so einer Sache teilzunehmen. Ich blick sagte: „Wir haben das auch durchstehen müssen. Es war schrecklich. Muss man aber durch. Ist so.“ War Ihr Vater so autoritär, wie Sie ihn in dem Buch zeigen? Er war hart und kompromisslos. Wie hat Ihr Vater reagiert, als er den Comic gelesen hat? Ich weiß nicht, ob er ihn gelesen hat. Wir hatten in den letzten 15 Jahren keinen Kontakt mehr. Er ist vor vier Jahren gestorben. Und der Rest der Familie?
Ich glaube, das Akzeptieren von Traditionen ist etwas Emotionales. Es handelt sich um Kapseln, die im Hirn versenkt werden in einem Alter, wo man noch keine Mittel hat, die Welt zu beschreiben. Diese Kapseln bleiben dort vergraben, und es ist unmöglich, an ihren Inhalt zu kommen, denn von Anfang an hatte man keine Mittel, an sie heranzukommen. Das ist etwas sehr Machtvolles, das einen großen Teil der Menschheit regiert. Neben Syrien haben Sie Ihre Kindheit auch in Lybien und Algerien verbracht. Wie kam es dazu? Mein Vater war Geschichtsprofessor und besessen vom Panarabismus. Nach seinem SorbonneStudium wollte er in die arabische Welt zurück, um sie fortschrittlicher zu machen. Er hat in Lybien und Saudi-Arabien unterrichtet. Schließlich hat er sich in seinem Heimatdorf niedergelassen. Tradition ist stärker als alles andere. In Ihrem Buch erzählen Sie von den Schrecken autoritärer Erziehung. Mit zehn Jahren zogen Sie nach Frankreich. War die europäische Erziehung eine Erleichterung im Vergleich zur arabischen?
Hat ziemlich gelacht. Ihr Vater hatte zwei Sorbonne-Abschlüsse. Und doch war er den Traditionen seines syrischen Heimatdorfes vollkommen ergeben. Wie erklären Sie sich das?
Beides hat sich ergänzt. Die Westler sind überzeugt, besser zu sein. Die Araber auch. Aber keiner hat recht. Beide Erziehungen zu erfahren hat mir erlaubt, jede Vorstellungswelt von einem anderen Standpunkt aus zu sehen.
Jugend ist Ihr Lieblingsthema. Haben arabische Jugendliche zu wenig Freiheiten und westliche zu viele? Jugendliche können niemals genug Freiheiten haben. Aber es müssen vor allem psychologische Freiheiten sein. Freiheit, seine Gefühle zu empfinden: Liebe, Trauer, Freude, Scham. In dem Moment, wo eine Gesellschaft diese Gefühle unterdrückt, gibt es Probleme. Das westliche System unterdrückt die Gefühle genauso wie jedes andere. Ihr nächster Film spielt in einer von Charlotte Gainsbourg geführten Militärdiktatur, wo die Männer gezwungen sind, Schleier zu tragen. Sind Sie vom Islam Ihrer Kindheit traumatisiert? Ich bin überhaupt nicht traumatisiert vom Islam. Ich habe nichts gegen den Islam. Ich spreche nicht vom Islam. Nicht einmal in dem Comic „Meine Beschneidung“. Ich interessiere mich für das Verhalten der Menschen, ihre Art zu leben. Ihre Fähigkeiten, Dinge zu akzeptieren. Denn jeder akzeptiert die Dinge. Die Menschen in meinem syrischen Dorf hatten überhaupt keine Erziehung. Sie sind nie zur Schule gegangen. Davon erzähle ich. Ich erzähle die Fakten.
Ich habe keine Theorien. Ich verallgemeinere niemals. Mich interessiert, wie Menschen fühlen. Sie zeichnen die Beschneidung als brutalen Gewaltakt. Sollte man sie verbieten? Nein. Das wäre kontraproduktiv. Man würde die Beschneidung weiterhin praktizieren, nur unter schrecklichen hygienischen Bedingungen. Ein deutscher Richter hat Beschneidung vor Kurzem als Körperverletzung eingestuft, als einen strafbaren Akt. Wie stehen Sie dazu? Kein Tier entfernt seinem Nachkommen ein Stück Fleisch aus dem Körper. Nur der Mensch. Wenn Menschsein heißt, sich diesem Gewaltakt zu unterwerfen, finde ich das traurig. Das ist alles. Also müssten wir unsere Kinder doch mehr schützen? Es geht hier nicht um Schutz. Sondern um Erziehung. Die Beschneidungspraxis hat seit Langem einen enormen Stellenwert in zahlreichen Kulturen. Sie zu verbieten würde nichts nützen. Man muss die Menschen erziehen, damit sich die Mentalitäten weiterentwickeln. Nach und nach. Das braucht Zeit. Sehr viel Zeit.
Es gibt Stimmen, die schlagen vor, die Beschneidung ins Erwachsenenalter zu verlegen. Das klingt natürlich einleuchtend. Aber wie soll das gehen, wenn dieser Akt für viele Kulturen einen göttlichen Charakter hat? Man kann keine 1000 Jahre alten Kulturen per Gesetz ändern. Durch Erziehung schon, glaube ich. Informieren, erklären, analysieren. Wo muss das Recht des Einzelnen auf freie Religionsausübung enden? Wenn ich eine Antwort auf diese Frage hätte, wäre ich sehr glücklich. Interview: Stephan Maus
Riad Sattouf: „Meine Beschneidung“ Reprodukt Deutsch ISBN-10: 3941099604
Deutschlands Vorhäute 18 bis 24
Aus medizinischen Gründen
65 bis 74
Weil meine Eltern es für richtig hielten Aus religiösen Gründen
45 bis 54 25 bis 34 35 bis 44
36,9 Oben: Alter bei der Beschneidung Rechts: Gründe für die Beschneidung (Angabe in Prozent)
7,5
3,1
Rechtslage in Deutschland
Aus eigener Entscheidung sonstige Gründe
50,6
1,9
Die rechtliche Zulässigkeit einer religiös motivierten Zirkumzision Minderjähriger in Deutschland wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert. In Deutschland ist die Zirkumzision gesetzlich nicht explizit geregelt. Unstreitig ist, dass sie – wie auch ein ärztlicher Eingriff – tatbestandlich eine Körperverletzung ist. Die herrschende Meinung in der Rechtswissenschaft ging aber lange davon aus, dass die religiös motivierte Zirkumzision Minderjähriger durch einen Arzt keine rechtswidrige Körperverletzung darstellt, weil sie durch das Erziehungsrecht der Eltern gerechtfertigt sei. Mit Unterzeichnung und Inkrafttreten der UNKinderrechtskonvention im Jahr 1990 verpflichtete sich Deutschland, gemäß deren Artikel 24 „alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen [zu treffen], um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen“. Nach einem Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 ist eine Beschneidung von Minderjährigen aus religiösen Motiven eine rechtswidrige Körperverletzung, da das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes, konkretisiert u.a. im Recht auf gewaltfreie Erziehung, wegen der Endgültigkeit der Operation schwerer wiege als das Erziehungsrecht der Eltern und deren Religionsfreiheit. Außerdem laufe diese Veränderung dem Interesse des Kindes zuwider, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können. Ob die Beschneidung von Knaben in Deutschland rechtlich zulässig ist, wurde höchstrichterlich noch nicht entschieden (Stand Oktober 2012).
Prozessm端de-
Während sich in Niedersachsen bereits ein neuer Kopftuchstreit anbahnt, kämpft Lehrerin Iyman Alzayed, 46, nicht länger für das Recht, ihr Haar zu bedecken – aus Ohnmacht und Geldnot. Dabei ist die deutsche Muslimin ein gutes Beispiel dafür, dass Kopftücher keineswegs zwangsläufig den Schulfrieden gefährden. Von Jochen Leffers
Kaum hat die niedersächsische Lehrerin Iyman Alzayed im Kopftuchstreit überraschend eingelenkt, zeichnet sich im gleichen Bundesland ein weiterer Streitfall ab. Dabei geht es um eine Beschwerde bei der Braunschweiger Bezirksregierung: „Muslimische Eltern beschweren sich über eine muslimische Lehrerin, die Kopftuch trägt“, sagte Peter Bräth vom niedersächsischen Kultusministerium. Die Zeitschrift „Focus“ berichtet, die Eltern hätten das Symbol als unaufgeklärt abgelehnt; die betroffene Lehrerin sei keine Beamtin und gebe muttersprachlichen Unterricht. Beim Kopftuch-Prozess am vergangenen Donnerstag vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte Iyman Alzayed, eine der beiden Klägerinnen, überraschend eingelenkt und ihr Verfahren beendet, während die baden-württembergische Lehrerin Fereshta Ludin keineswegs aufgeben will. In Leipzig standen die Schulgesetze von Baden-Württemberg und Niedersachsen auf dem Prüfstand. Nachdem das Bundesverfas-
Hidschab
sungsgericht im September 2003 klare gesetzliche Grundlagen für ein Kopftuchverbot an staatlichen Schulen gefordert hatte, beeilten sich beide Länder und verabschiedeten die neuen Gesetze bereits im April 2004. Ausnahmen auch in Baden-Württemberg möglich Baden-Württemberg verbietet darin „politische, religiöse, weltanschauliche oder ähnliche äußere Bekundungen“, die „geeignet sind, den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden“. Allerdings werden christliche und abendländische Symbole davon ausgenommen, weil sie dem „Erziehungsauftrag der Landesverfassung“ entsprächen. Niedersachsen hatte diese Ausnahmeklausel wegen verfassungsrechtlicher Bedenken wieder gestrichen. Dort heißt es im Schulgesetz nun: „Das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften in der
Tschado
• traditionelles islamisches Kopftuch
• traditionelle Frauenbekleidung im Islam
• lässt das Gesicht frei, bedeckt das Haar, die Ohren, den Hals und meistens auch die Schultern
• dunkles Tuch, das die Haare und den Körper bis zu den Fingerspitzen bedeckt; das Gesicht bleibt frei
• tragen muslimische Frauen weltweit
• Viele junge Irannerinnen kleiden sich im Rahmen des staatlichen Verhüllungsgebotes modern. Sie kombinieren Knöchelmäntel und Kopftuch.
Schule darf, auch wenn es von einer Lehrkraft aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewählt wird, keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen, den Bildungsauftrag der Schule überzeugend erfüllen zu können.“
Baden-Württemberg auch Ordensschwestern im Habit normalen Unterricht geben, das Bundesverfassungsgericht aber auf einer Gleichbehandlung der Religionen besteht. Stellenzusage noch im Gerichtssaal
Wie DER SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, ist in Baden-Württemberg das Tragen von Kopftüchern und anderen religiösen Symbolen trotz des Leipziger Urteils nicht generell untersagt. Bei der Verhandlung in Leipzig räumte Ferdinand Kirchhof als Prozessvertreter des Landes ein, es könne „regionale Ausnahmen“ für Kopftuchträgerinnen geben. In einer Stadt mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil etwa könne die Prognose, ob das Kopftuch einer Lehrerin den Schulfrieden störe, anders ausfallen als im katholisch geprägten Schwarzwald, so Kirchhof. Dies gelte allerdings nur für Lehrerinnen, die bereits in den Schuldienst eingestellt sind. Hintergrund ist, dass in
Nikab
Dass sich das Bundesverfassungsgericht abermals mit dem Kopftuchstreit befassen muss, ist nicht ausgeschlossen. Inzwischen hat sich auch die EU-Kommission in Brüssel eingeschaltet und äußert Bedenken, dass die Anti-Kopftuch-Gesetze mehrerer Bundesländer mit dem Diskriminierungsverbot der EU unvereinbar sein könnten. Die Generaldirektion Beschäftigung und Soziales der EU-Kommission hat um nähere Auskünfte gebeten. Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann (CDU) hatte das Leipziger Urteil als „Erfolg auf der ganzen Linie“ gefeiert und sofort nach der Beilegung des Verfahrens mit Iyman Alzayed
Burka
• Schleier, mit dem das Gesicht fast vollständig bedeckt wird, meist kombiniert mit Tschador oder anderem Gewand
• bedeckt Körper und Gesicht vollständig; die Augen sind mit einem schmalen Netz bedeckt
• Ein schmaler Sehschlitz für die Augen bleibt frei
• Die meist blauen Burkas werden traditionell in Afghanistan getragen. Unter den radikalislamischen Taliban mussten alle afghanischen Frauen Burkas tragen.
• hauptsächlich in Saudi-Arabien, Jemen und anderen Regionen der arabischen Halbinsel verbreitet
Ägypten Der Staat macht dem Bürger keine Vorschriften, was er auf dem Kopf zu tragen hat. Seit einigen Jahren jedoch greifen junge, emanzipierte Frauen massenhaft zum Kopftuch. Viele junge Ägypter haben die Religion entdeckt. Islam ist jung, schick, cool – und ein Protest gegen das amerikanische Regime.
bekundet, dass die muslimische Lehrerin nun die notwendigen Voraussetzungen für eine Einstellung in den Schuldienst erfülle - praktisch noch im Gerichtssaal eine Zusage auf Verbeamtung. Und darum ging es Alzayed, 46, offenbar auch. Denn nach jahrelangem Streit um das Kopftuch riskierte sie, ihren Einstellungsanspruch zu verlieren. Den Ausschlag gab laut „Focus“ ihre finanzielle Situation: Nach der Scheidung kämpfe sie um das materielle Überleben und habe sich bisher als Honorarkraft durchgeschlagen. Iyman Salwa Alzayed ist auch Vorsitzende der Deutschen Muslimliga, eines bundesweiten Verbands deutscher Muslime. Während der Islamrat sich von ihrem Rückzug enttäuscht zeigte, gab die Lehrerin selbst ihrer Erleichterung deutlich Ausdruck: „Ich bin sehr glücklich, dass ich den Schlussstrich unter das Verfahren gezogen habe“, sagte sie, „ich bin nun sehr gespannt darauf, wie es sich anfühlt, ohne Kopftuch in die Schule zu gehen. Die Umstellung wird mir sicher nicht leicht fallen.“ Zwar lasse das niedersächsische Gesetz viele Deutungen zu, „aber ich habe nicht mehr die Kraft, die genaue Interpretation durch sämtliche Gerichte prüfen zu lassen“.
Wo die 46-Jährige nach den zermürbenden Prozessen künftig unterrichten wird, ist noch unklar. Ihr Fall ist besonders kurios: Iyman Alzayed ist keine Einwandererin, sondern gebürtige Deutsche. Sie hieß früher Iris Pörtge, wurde in Hamburg geboren und wuchs in einem Dorf nahe Hannover auf. Nach ihrem Studium der Pädagogik für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen sattelte sie noch Waldorfpädagogik und Arabistik drauf. Später heiratete sie einen Syrer und konvertierte 1990 vom evangelischen zum islamischen Bekenntnis. Alzayed unterrichtete an einer Privatschule für verhaltensgestörte Kinder, an Waldorfschulen und an der Volkshochschule. 1999 schien ihr eine Stelle an einer staatlichen Grundschule in Soltau in der Lüneburger Heide bereits sicher. Der Personalrat beschrieb sie als „kompetente, offene und sehr aufgeschlossene Pädagogin, die rasch unsere Herzen gewann“, trotz Kopftuch. Und auch der Schulleiter sagte, Alzayed sei „hervorragend für die Arbeit an unserer Schule qualifiziert“.
Türkei Der türkische Religionsminister der wertekonservativen AKP-Regierung befand kürzlich: „Der Koran spricht nur von Bescheidenheit. Ob man ein Kopftuch tragen muss, ist eine Frage der Interpretation.“ Die Kleiderordnung der Türkei allerdings hat der kemalistische Staat lange vor dem Amtsantritt der AKP festgelegt. Frauen dürfen in öffentlichen Gebäuden kein Kopftuch tragen, nicht in Ministerien, nicht im Parlament, nicht an Universitäten. Theologische Fakultäten? Keine Ausnahme.
Saudi-Arabien „Immer nur positive Resonanz erhalten“ Im Lehrplan war sie bereits für die Klasse 3b eingeteilt, durfte die Stelle dann aber nicht antreten, weil die Lüneburger Bezirksregierung gegen sie entschied. Die Eltern bangten um den geregelten Unterricht. Mitsamt den Drittklässlern reisten Mütter und Väter nach Hannover, wo die Schüler sich Kopftücher aufsetzten und vor dem Kultusministerium demonstrierten.
Grundlage allen Rechts ist in Saudi-Arabien die Scharia. Die ungeschriebene Kostümvorschrift ist der Ganzkörper-Schleier in makellosem Schwarz. Geht in Riad eine saudische Frau ohne Verhüllung auf der Straße, muss sie damit rechnen, von staatlichen Sittenwächtern für ihren schamlosen Aufzug gerügt zu werden. Der Rest ist Sozialkontrolle, und die Frauen passen sich an. Es ist existenzgefährdend, die Sittenwächter öffentlich herauszufordern.
Die Proteste fruchteten nicht. Obwohl es keine Indizien dafür gab, dass Alzayed den Schulfrieden gefährdete, stellte das Land sie vor die Wahl „Kopftuch oder Klassenzimmer“. Die Muslimin wehrte sich gegen das „Berufsverbot“ und kämpfte für ihr „Recht auf Unterricht“. Ob sie Kopftuch trägt oder barhäuptig unterrichtet, hält sie für ihre Privatsache: „Ich habe immer nur positive Resonanz von Seiten der Eltern und Schüler erhalten und nie versucht zu indoktrinieren. Das Kopftuch ist einfach meine Art mich zu kleiden. Dass ich meine Haare nicht zeige, ist selbstverständlich religiös und nicht politisch motiviert.“ In erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg im Jahr 2000 hatte Alzayed noch gewonnen, doch knapp zwei Jahre später kassierte das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung und wies die Klage auf Einstellung als Beamtin auf Probe ab. Seitdem ruhte das Verfahren, man wartete auf die Urteile aus Karlsruhe und Leipzig. Doch nun will Iyman Alzayed im gesamten Schulgebäude auf das Kopftuch verzichten - vom Prozessieren hat sie genug und will mit 46 Jahren endlich eine feste Stelle.
Herkunft Wer unbedingt will, kann unter anderem aus der 33. Sure des Korans ein Kopftuchgebot für die Frau herauslesen: „Prophet, sage deinen Gattinnen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie sollen, wenn sie ausgehen, ein Gewand überziehen. Damit man sie als ehrbare Frauen erkenne und nicht belästige.“ Eindeutig? Na ja.
Kopftuchkarte Deutschland
Noch gibt es in Deutschland keine einheitliche Regelung.
Recht auf freie Religionsaus체bung Gebrauch machen?
Darf eine Lehrerin trotz der Pflicht der Neutralit채t von ihrem
Kopft端cher d端rfen im Schuldienst getragen werden
Kopft端cher d端rfen im Schuldienst nicht getragen werden
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In dem Film, der in den vergangenen Tagen im Internet kursierte, sieht man eine Gruppe von Tierschutzaktivisten, die sich vor der Berliner Sehitlik-Moschee postiert hat. Einer der Männer, verkleidet mit einer muslimischen Gebetskappe, säbelt mit einem Messer ungelenk am Hals eines anderen Aktivisten herum, der ein Schafskostüm trägt; rotes Kunstblut fließt. Auch der Deutsche Tierschutzbund hat anlässlich des islamischen Opferfests in diesen Tagen eine Pressemitteilung herausgegeben, in der von schartigen Messern, schmerzhaftem Nachschneiden und Erstickungskrämpfen die Rede ist. Damit ist die Debatte um das betäubungslose Schlachten in diesem Jahr heftiger wieder aufgelebt als während früherer Opferfeste; vielleicht unter anderem, weil das niederländische Parlament vor wenigen Monaten die Ausnahmeregelung abgeschafft hat, die das Schlachten ohne Betäubung aus religiösen Gründen im Nachbarland erlaubte. Die Gegner des Verfahrens, die sich jetzt hier zu Wort melden, fordern jedenfalls ein ebensolches Verbot.
darum, die gesetzliche Regelung verschärft anzuwenden, die derzeit das Schlachten ohne Betäubung mit Ausnahmegenehmigung zulässt. Niederlande verbieten Schächten Eine solche Genehmigung kann nach Paragraph 4a Abs. 2 Nr. 2 des Tierschutzgesetzes erteilt werden. Im Jahr 2010 verzeichnete der Deutsche Tierschutzbund, der die Lage regelmäßig sondiert, bundesweit 23 Anträge, von denen zwei genehmigt wurden. Ein weiterer Antragsteller erhielt eine Teilgenehmigung zum wöchentlichen Schlachten von dreißig Schafen und zwei Rindern. Insgesamt wurden anlässlich des Opferfestes 271 Schafe mit Erlaubnis betäubungslos geschlachtet. Jüdische Glaubensgemeinschaften stellten 2010 keine Anträge.
Betäubung vor Schnitt 23 Anträge in einem Jahr Auf politischer und wissenschaftlicher Ebene ist die Diskussion längst an einem anderen Punkt angelangt: Zum einen behandelt man die Frage, wie das Gebot des muslimischen und jüdischen Glaubens, das Tier müsse unversehrt sein, wenn der Hals durchschnitten wird, sich möglicherweise doch vereinbaren lässt mit einer vorherigen kurzen Betäubung. Denn damit hätte man einen Kernpunkt der Kritik erst einmal ausgeräumt. Zum anderen geht es einigen Kritikern
Der Begriff „Schächten“ wird in der Debatte inzwischen vermieden, denn er ist nicht mehr eindeutig. Früher bezeichnete man damit generell das Schlachten unbetäubter Tiere, deren Hals mit einem Messer durchschnitten wird, wobei alle darin vorhandenen Strukturen – die großen Blutgefäße, die Luft- und Speiseröhre – miterfasst und durchtrennt werden. „Seit mehreren Jahrzehnten gibt es eine Bewegung für reversible Betäubungsverfahren bei der religiösen Schlachtung“, sagt Jörg Luy, Leiter des Instituts für Tierschutz der Freien Universität Berlin.
Die Tiere werden betäubt, etwa mit einer Elektrozange bei Schafen oder einem elektrischen Wasserbad bei Geflügel, und sind beim Schnitt ohne Bewusstsein. „Würde man nach einer solchen Betäubung den Schnitt unterlassen, wachten die Tiere wieder auf“, sagt Luy. Somit seien die Tiere im Prinzip unverletzt auch noch im Moment der Schlachtung. „Diese Verfahren werden deshalb heute von einem Teil der Muslime und der Juden anerkannt“, sagt Luy.
Ginge es nach den hessischen Behörden, würden Unterschriften nicht ausreichen. „Stattdessen müsste ein betroffener Gläubiger aktiv nachweisen, etwa durch Zeugnisse von Religionslehrern, dass er zwingend auf Fleisch von unbetäubt geschlachteten Tieren angewiesen ist“, sagt Kluge. Ein im Jahr 2010 vom Bundesrat auf Initiative Hessens verabschiedeter Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass nur dann eine Genehmigung erteilt wird, wenn der Antragsteller belegen kann, dass das Tier keine zusätzlichen Schmerzen spürt.
Regelungen in anderen Ländern Die Ausnahmeregelung Doch die Ausnahmeregelung ist geblieben, zumindest in Deutschland. „Derzeit hat sich die Praxis herausgebildet, dass eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird, wenn der Antragsteller Unterschriften von Gläubigen vorweist, die angeben, auf betäubungslos geschlachtetes Fleisch angewiesen zu sein“, sagt der Rechtsanwalt Hans-Georg Kluge, der den hessischen Lahn-Dill-Kreis vor dem Bundesverfassungsgericht 2009 und dem Bundesverwaltungsgericht 2006 vertrat. Dem Kreis, dessen Veterinärbehörde für einen muslimischen Schlachter zuständig ist, wurde dabei nicht gestattet, den Gesetzestext schärfer auslegen zu dürfen.
Betrachtet man die Handhabung weltweit, dann ergibt sich ein vielfältiges Bild. Im vergangenen Jahr ging das von der Europäischen Kommission geförderte Projekt „Dialrel“ zu Ende, mit dem ein „Dialog über religiöses Schlachten“ begonnen werden sollte. Man sammelte Expertenwissen aus zwölf Ländern, um die Praxis religiösen Schlachtens vergleichen zu können. In Österreich etwa ist demnach seit 2005 das sogenannte „Post-cut stunning“ vorgeschrieben: Das Tier wird kurz nach dem Entbluteschnitt betäubt, etwa durch einen Bolzenschuss; ob das Verfahren, bei dem bis zu fünfzehn Sekunden zwischen Schnitt und Betäubung verstreichen können, tierschutzgerecht ist, wird kontrovers diskutiert.
In Australien und Neuseeland wird das reversible Betäubungsverfahren in industrieller Dimension durchgeführt, womit man neue Absatzmärkte in islamischen Ländern erschließen konnte: Nahezu alle neuseeländischen Lämmer und Schafe, 24 Millionen pro Jahr, werden auf diese Weise „halal“ geschlachtet. Erforderlich ist eine Elektrokurzzeitbetäubung, nach der die Tiere theoretisch völlig gesund wieder aufstehen würden. Forderungen der Tierärzte Allerdings wird der alte Konflikt durch dieses Verfahren nicht aufgelöst: Fleisch, das aus Schlachtungen mit Kurzzeitbetäubung stammt, entspricht aus Sicht vieler Gläubiger nicht den religiösen Geboten. „Es gibt eine innerreligiöse Debatte über das Thema sowohl bei den Juden als auch, in größerem Umfang, bei den Muslimen, begleitet von einer politischen Debatte, in der vor allem Tierärzte, aber auch Sozioökonomen
In der Tora heißt es: „Schlachte von deinen Rindern oder Schafen, die dir der Herr gegeben hat, wie ich dir geboten habe.“ (Dtn 12,21 SLT), ohne dass auf die Art, wie die Schlachtung zu erfolgen hat, eingegangen wird. Aus dem Verbot des Blutverzehrs und anderen biblischen Vorschriften abgeleitet, wird auf die Schechita erst im Talmud (Traktat Chulin 1-2) und später in der Mischne Tora (Sefer Keduscha) und im Schulchan Aruch (Jore De‘a 1-28) eingegangen.
und am Rande auch Rechtswissenschaftler um Stellungnahmen gebeten werden“, erklärt Jörg Luy, der als deutscher Experte am Dialrel-Projekt teilnahm. Die Frage, ob die betäubungslose Form der religiösen Schlachtung tatsächlich tierschutzwidrig ist, gilt zumindest für eine Gruppe in dieser Runde als geklärt: „Die Dachorganisationen der Tierärzte in Europa und Nordamerika sind beide der Ansicht, dass diese Frage zu bejahen ist: Ausbluten ohne Betäubung ist ein tierschutzrelevanter Sachverhalt“, sagt Luy. „Aus tiermedizinischer Sicht deutet alles darauf hin, dass es ein hochschmerzhafter Prozess ist.“ Dementsprechend sind die Forderungen der deutschen Tierärzte besonders radikal: Sie wollen keine rigidere Auslegung des Tierschutzgesetzes, sondern fordern vom Gesetzgeber eine Streichung von Paragraph 4a Abs. 2 Nr. 2. Ihre Forderung aus dem Jahr 2007 untermauert die Bundestierärztekammer mit einer Literaturstudie des Beratungs- und
Mit der Schechita wird ein humanes, das Leid des Tieres möglichst gering haltendes Tötungsverfahren angestrebt. Das halachisch korrekte Schächten besteht aus einem Halsschnitt, der bei Säugetieren durch Luftröhre und Speiseröhre, bei Vögeln durch eine von beiden gehen muss. Der Schnitt muss durch Hin- und Herfahren ohne die geringste Unterbrechung mit einem scharfen, glatten und schartenfreien Messer ausgeführt werden.
Schulungsinstituts für schonenden Umgang mit Zucht- und Schlachttieren in Schwarzenbek. Rinder wiesen, heißt es darin etwa, nach einer betäubungslosen Schlachtung deutlich höhere Stresshormon-Pegel im Blut auf als nach einer Schlachtung mit Bolzenschussbetäubung. Die Forderung nach einer Streichung der Ausnahmeregelung hat die Bundestierärztekammer bei ihrer Delegiertenversammlung am vergangenen Wochenende in Form des Tätigkeitsberichtes des Präsidenten noch einmal bestätigt. Historische „Antischächtdebatte“ Die deutschen Veterinärmediziner befassen sich schon seit mehr als hundert Jahren mit der Thematik. Sie waren die treibenden Kräfte in der Antischächtdebatte des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Diese Kampagne war aus der Tierschutzdiskussion der Zeit heraus entstanden, aber auch von antisemitischer
Agitation durchzogen und berufspolitisch motiviert. Im April 1933 schrieben die Nationalsozialisten die Betäubung erstmals in einem nationalen Gesetz vor. Zuvor waren allerdings nicht nur aus religiösen Gründen Tiere unbetäubt geschlachtet worden. Bis in die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hatte man sogar die meisten herkömmlichen Schlachtungen ohne Betäubung vorgenommen, weil es keine ausgereifte Betäubungstechnologie gab. Und die Methode ist auch in gar nicht ferner Vergangenheit noch dort gebräuchlich gewesen, wo religiöse Motive keine Rolle spielten: In Neuseeland etwa, ergab das Dialrel-Projekt, wurden noch bis in die siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts Schafe grundsätzlich unbetäubt geschlachtet; Tierschutzbedenken führten dann dazu, dass die Elektrobetäubung eingeführt wurde.
Was beim Schächten verboten ist: Hagrama: Das Ausführen des Schnitts außerhalb der für Schechita bestimmten Grenzen am Hals
Schehija: Die kleinste Pause bei der Durchführung des Schnitts
Ikur: Das Losreißen der Halsgefäße durch den Schnitt
1 Derassa: Das Drücken des aufliegenden Messers in den Hals
Chalada: Das Verstecken des Messers
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Impressum und Quellen Design, Konzept und Illustrationen von Philipp Herrmann Entstanden im Rahmen des Fachs Kommunikationsprogramme im Studiengang Kommunikationsdesign bei Professorin Judith Grieshaber an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz im Wintersemester 2012/13
„Mit offenen Fangarmen“ von Margita Feldrapp; erschienen am 25.06.07 unter dem Titel „Mein Leben für die Sekte Scientology“ auf www.welt.de
„Respekt? Ja, wovor denn?“: von Michael Schmidt-Salomon, veröffentlicht auf www.zeit.de am 21.09.2012
„Rufmord an den Aussteigern“: veröffentlicht auf www.tagblatt.de am 26.05.2010
„Manieren beginnen, wo die religiöse Übereinstimmung aufhört“: von Asfa-Wossen Asserate aus dem Buch „Manieren“(Deutscher Taschenbuch Verlag, 1. Oktober 2005, ISBN-10: 3423133872) „Die gemeinsame Basis“: Interview mit AsfaWossen Asserate beim Kongress Treffpunkt Weltkirche 2006 „Im Anfang war der Teig“: Erschienen auf www. derstandart.at am 24.08.2005 „Wo ist Molly Norris?“ von Matthias Rüb; erschienen auf www.faz.net am 21.09.2010 „Wir waren die afghanischen Dieter Bohlens“ von Mario Sixtus; erschienen auf www.spiegel.de am 22.07.2003 „Krieg dem Ton“ von Werner Bloch; erschienen in der FAZ am 11. Juli 2001
Rezension zu „Schwarzbuch Scientology“ von Andreas Vierecke; erschienen auf www.literaturanzeiger.de
„Beten, bis die Welt untergeht“: veröffentlicht auf www.spiegel.de am 29.07.2008 „Und wer sagt sonst noch das Harmagedon voraus?“: veröffentlicht auf www.mdr.de am 21.12.2012 unter dem Titel „Ein Abriss – Wie oft sollte die Welt schon untergehen?“ „Ab in die Homo-Hölle!“ von Frank Patalong; veröffentlicht auf www.spiegel.de am 05.10.2012 unter dem Titel „kreuz.net: Scheinheilige Hassprediger“ Info-Box auf Seite 85: veröffentlicht auf www.taz. net am 03.12.2012 „Persona non Grata“: veröffentlicht auf stern. de am 26.09.2012 unter dem Titel „Tabuthema Homosexualität – Schwule Priester in der katholischen Kirche“
„Der digitale Djihad“ von Christoph Sydow; veröffentlicht auf www.spiegel.de am 10.05.2012 unter dem Titel „Islamismus in Deutschland: Salafisten werben im Web um Konvertiten“ „Wie unschuldig sind die Muslime?“: veröffentlicht auf www.pi-news.net am 18.09.2012 unter dem Titel „Faktencheck „Die Unschuld der Muslime““ „Die Tradition ist stärker als alles andere“ von Stephan Maus; veröffentlicht im Stern 2012 „Prozessmüde“ von Jochen Leffers; veröffentlicht auf www.spiegel.de am 29.06.2004 unter dem Titel „Kopftuchkonflikt: Lehrerin Iyaman Alzayed ist prozessmüde“ Infotexte auf den Seiten 116 und 117: veröffentlicht auf www.zeit.de am 25.09.2003 unter dem Titel „Das Kopftuch-Urteil – Emanzipation, islamische Art“ „Der Tod, der in den Regelbüchern steht“ von Christina Hucklenbroich; veröffentlicht auf www. faz.net am 09.11.2011