PIERRE JUILLERAT 1967 in Bern geboren, lebt und arbeitet in Berlin.
Diese Brochüre erscheint anlässlich der Eröffnungsausstellung der Galerie Schürch & Gonzenbach, 29. Januar bis 4. April 2009. Text: Elodie Forestier Redaktionelle Mitarbeit: Pierre Schwerzmann Übersetzung: alphadoc sàrl, Neuchâtel Fotonachweis: Gérald Friedli, Nyon / Pierre Juillerat Druck: Aquaprint AG, Bern Gestaltung: Pierre Juillerat Unser Dank geht an: Carina Andres Thalmann, Thomas Bachmann, Kevin Bein, Marc Décosterd, Michael Rothenbühler und Ueli Denzler / co.dex production ltd., Sylvain Dreifuss, Bernadette Durham, Regula Freuler, Tanja Gallas, Carole Glauser, Georges Glauser, Ueli Jakob, Angela Jannelli, Urs Jost, Kurt Luder, Gabriele Lutz, Giuliana M. Pè, Esther Roth, Leonidas Sakellaridis, Franziska Schwarzenbach, Ruth Schwegler, Tedy Stürchler, Visarte, Jörg Wiederkehr
© 2009 für die abgebildeten Werke von Pierre Juillerat beim Künstler und Prolitteris, Zürich / Text bei den Autoren / Übersetzung bei den Übersetzern Printed in Switzerland
GALERIE SCHÜRCH & GONZENBACH Wettingerwies 2b CH-8001 Zürich T + 41 (0) 44 262 76 00 F + 41 (0) 44 262 76 10 Info@schuerch-gonzenbach.com www.schuerch-gonzenbach.com
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Die menschliche Wahrnehmung der automatisierten Bewegung, wie beim Instrumentenflug, die feindliche Umgebung grosser Höhen, die den Farben ihre eiskalte und erkaltete Temperatur beschert und die Legierung der Materialien begründet, prägen die Arbeit von Pierre Juillerat. Die für die Geschwindigkeit konzipierten Aluminiumbleche sind einer Dekontextualisierung der Luftfahrt entnommen; sie stossen sich an der Langsamkeit des Malaktes. Es ist eine Technologie in Serie, die der primitiven und einzigartigen Aktion des Malers gegenübersteht. Seine Gemälde versuchen, außerhalb ihrer eigenen Grenzen zu existieren. Über die Kanten fliessende Farben bilden Übergangsbereiche. Nicht-Vorhandenes und Leere sind ebenso bestimmend wie die sichtbaren Partien des Werkes. Was wir hier vor Augen haben, ist eine einzigartige und spezifische Vision der Leere und der Spannung, die von einer augenscheinlichen Ruhe ausgeht.
Kunstharzlacke, Acryllacke, Bodenfarben, Acryldispersionen, Metallschutzfarben, Schlagschnüre und Klebebänder werden auf unterschiedlichen Untergründen wie traditionellen Leinwänden, Acrylgläsern, Papier oder aber galvanisiertem Blech aufgetragen. Die Arbeit zeichnet sich durch Vereinfachung, Serialität und Wiederholung aus, wodurch ein Teil der Subjektivität des Autors bewusst verschwindet. Das Gemälde ist ein Gegenstand an sich, Träger eines Bildes, nicht mehr, nicht weniger. Diese Malerei kommt ohne Symbolik, Illusion und Metapher aus; sie konzentriert sich ausschließlich auf die Verbindung der Bestandteile, aus denen sie sich zusammensetzt. Davon zeugen auch die Titel der Werke: Es sind Dateinummern. Diese stammen aus dem Zuordnungssystem von Ideen und Recherchen und ermöglichen es dem Künstler, eine weitreichende Verbindung mit den Quellen seiner Arbeit zu erhalten.
Das Konzept des Zieles wird hier durch das Sprengen der eigenen Leere überschritten. Die Schwierigkeit, die es für den Künstler zu meistern gilt, liegt in der Gestaltung der im Bild enthaltenen Elemente und der Verbindung letzterer. Diese intuitive und mentale Kartografie verdeutlicht Juillerat’s Drang, den Raum zwischen den Gedanken zu erforschen und zu artikulieren. Er erhellt den kaum beleuchteten Bereich zwischen Intuition und Intelligenz, macht ihn sichtbar und verhindert, dass seine Arbeit in die rein logische Vorführung der Dinge verfällt. Der Geist des Werkes versteht sich als vollständige und konstante Kraft, der nichts hinzugefügt oder entfernt werden kann und in der alles mit allem jederzeit in Verbindung steht. Das, was als „as much as needed, as little as required“ vorhanden ist, verzichtet auf Bekanntes und ermöglicht es, das Gemälde ohne Vorbehalte zu betrachten. Jedes Gemälde entsteht durch ein Ensemble von Entscheidungen, die ineinander übergreifen und es bekräftigen. Daher muss es dem Maler gelingen, nach dem Betreten des Ateliers auch in die Malerei einzutreten, um aus jedem Gemälde einen spezifischen Gegenstand zu gestalten.
Die Malerei von Juillerat wird von den zahlreichen Erfahrungen seines Werdegangs genährt: ausgebildeter Architekt, Bassist und Geiger in Rockgruppen, Fahrradkurier, Plattenverkäufer, ehemaliger Linienpilot und Transporteur. Malerei ist nun seit zwanzig Jahren der Verankerungspunkt seiner Tätigkeit und wurde allmählich zum Gebiet, in dem die verschiedenen Aktivitäten seines Vorgehens im Wesentlichen zusammenspielen können.
Von diesem Zeitpunkt an eignet sich das Gemälde die Aussenwelt durch Spiegeleffekte des Glanzlacks an oder verwirft sie durch das Wechselspiel mit matten Oberflächen. Dieser Bestandteil der künstlerischen Handschrift entstellt und enthüllt zugleich und hebt eine synchrone Wirkung zwischen dem Werk und dem Betrachter hervor. Der gegenwärtige Moment wird unumgehbar, die Zukunft existiert nicht. Die für das Atelier geltenden Lebensregeln organisieren das Chaos des Äußeren neu, indem sie die zeitlosen Formen anders zusammensetzen. Volumen, Oberflächen, Linien, Farben existieren ohne Erklärungen und sind nur in sich selbst begründet. Die Farbe, deren Wahl sich auf wenige Nuancen beschränkt, wird auf glatte, gleichmäßige, einheitliche und schnörkellose Weise aufgetragen und es wird nicht versucht, erzählerische Effekte zu erzielen. Die
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Seite 03 Atelieransicht, Nyon, 2008
Seite 12 Skizzenbuch, 2008
Seite 05 B_15.1, 2008 Kunstharzfarbe, Bodenfarbe und Acryldispersion auf Leinwand 165 x 220 cm
Seite 13 Q_38.335, 2007 Kunstharzfarbe und Acryllack auf Leinwand 220 x 170 cm
Seite 06 Q_305, 2007 Boden- und Zementfarbe / Acryldispersion auf Leinwand 130,5 x 120 cm Kunstsammlung des Kantons Bern
Seite 14 B_76.55, 2008 Kunstharzfarbe, Bodenfarbe und Acryllack auf Leinwand 144,3 x 104,2 cm
Seite 07 (Umschlagabbildung) Q_30.203, 2007 Boden- und Zementfarbe / Acryldispersion auf Leinwand 220 x 170 cm
Seite 08 Q_46.803, 2008 Kunstharzfarbe, Zementfarbe und Acryldispersion auf Leinwand 104,2 x 144,3 cm Privatsammlung
Seite 09 Q_46.37, 2007 / 2008 Kunstharzfarbe, Zementfarbe und Acryldispersion auf Leinwand 170 x 220 cm
Seite 10 B_26.553, B_26.552, B_26.556, 2008 Acryllack und Acryldispersion auf Fachboden B_26.555, 2008 Kunstharzfarbe und Acryldispersion auf Fachboden je 50 x 35 cm
Seite 11 B_26.85, 2008 Acryllack und Acryldispersion auf Leinwand 144,3 x 104,2 cm Privatsammlung
B_76.44, B_76.352, B_76.605, 2008 Kunstharzfarbe, Acryllack und Acryldispersion auf Leinwand je 40 x 30 cm
Seite 15 B_76.703, 2008 Kunstharzfarbe, Bodenfarbe und Acryllack auf Leinwand 144,3 x 104,2 cm
B_76.612, 2008 Kunstharzfarbe, Bodenfarbe und Acryllack auf Leinwand 40 x 30 cm
Seite 16 B_62.6, 2008 Schlagschnur auf Leinwand 69 x 82 cm Sammlung des K端nstlers
Seite 17 B_62.3, 2008 Schlagschnur auf Leinwand 220 x 170 cm
Seite 18 B_14.8, 2008 Kunstharzfarbe und Acryldispersion auf Leinwand 228 x 184 cm 19