Evagrius Ponticus - Worte an die Mönche, Worte an eine Jungfrau - Sententiae ad monachos, sententiae

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INHALT

WILFRIED EISELE

Vorwort

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Leben und Werk des Evagrius Pon!cus

"

Das Leben des Evagrius " Das Werk des Evagrius ##

FIDELIS RUPPERT

Hinführung zu den Worten »an die Mönche« und »an eine Jungfrau« #$ Die Adressaten der beiden vorliegenden Schri!en #% Hinweise zu einzelnen Themen #& Mönche/Nonnen und Weltleute #' Höhen und Tiefen gemeinscha!lichen Lebens #" Umgang mit dem inneren Chaos, mit den »Gedanken« (# Gehorsam gegen den Vater und die Mu"er (% Zorn und San!mut (' Lesung und Gebet $( Askese und Fest $$


WILFRIED EISELE

Evagrius Pon!cus und die an!ke Spruchweisheit

$!

Literarische Formen $) Aussage und Mahnung $" Verfasser von Sprüchen %# Sitz im Leben %( Wege der Spruchüberlieferung %$ Grundüberzeugungen %&

EVAGRIUS PONTICUS

Worte an die Mönche

%!

Senten!ae ad monachos

EVAGRIUS PONTICUS

Worte an eine Jungfrau

!#

Senten!ae ad virginem

Anhang Anmerkungen: Vorwort )$ Anmerkungen: Leben und Werk des Evagrius Pon!cus )% Anmerkungen: Hinführung zu den Worten »an die Mönche« und »an eine Jungfrau« )& Anmerkungen: Evagrius Pon!cus und die an!ke Spruchweisheit "* Anmerkungen: Worte an die Mönche "% Anmerkungen: Worte an eine Jungfrau #*&

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Vorwort Die vorliegende Übersetzung der Worte des Evagrius Ponticus an die Mönche und Jungfrauen beruht auf dem griechischen Text der kritischen Ausgabe von Hugo Greßmann.1 Sie entstand im Rahmen meiner Forschung am Thomasevangelium und den Sextussprüchen, die den Überlieferungswegen antiker Sprüche und Spruchsammlungen in den ersten christlichen Jahrhunderten nachgeht.2 Ausgehend von Texten wie den Worten Jesu in der Spruchquelle Q (rekonstruktiert aus dem Matthäus- und dem Lukasevangelium) und den ethischen Weisungen der Haus- beziehungsweise Gemeindetafeln (zum Beispiel Kol 3,18–4,1; 1 Tim 3,1–13) des Neuen Testaments lassen sich formale und inhaltliche Entwicklungslinien bis ins frühe Mönchtum ziehen. Die hier vorgelegten Texte des Evagrius sind die einzigen, in denen er sich an Mönche und Nonnen wendet, die in Gemeinschaften leben. Sie repräsentieren damit die frühe Tradition klösterlicher Gemeinschaften, die bis in die Gegenwart hinein auf vielfältige Weise lebendig ist. Deshalb bin ich froh und dankbar, dass der ehemalige Abt der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, P. Dr. Fidelis Ruppert OSB, mit seinem Beitrag eine monastische Sicht auf Leben und Werk des Evagrius Ponticus eröffnet. Die ersten Adressaten unserer Texte waren zwar Mönche und Nonnen, aber die darin enthaltenen Sprüche haben gleichwohl allen Menschen etwas zu sagen. Der Reiz ihrer verdichte-

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ten Lebens- und Glaubensweisheit liegt f端r den heutigen Leser auf seiner spirituellen Suche sicher darin, dass er sich in manchen Erfahrungen wiederfinden kann, an anderen Stellen aber auch Provozierendes findet, das ihn zum Weiterdenken ermutigt. In diesem Sinne w端nsche ich allen Leserinnen und Lesern eine erfrischende und anregende Lekt端re. M端nster, im Oktober 2011 Wilfried Eisele

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Schriften seit der Antike normalerweise in einem Atemzug genannt und in Handschriften gemeinsam überliefert.

Hinweise zu einzelnen Themen Die einzelnen Themen dieser beiden Schriften sind nicht systematisch zusammengestellt, sondern die verschiedenen Sprüche scheinen gelegentlich wie zufällig aneinandergereiht zu sein, dann wieder gibt es kleine Gruppen von Sprüchen, die um dasselbe Thema kreisen. Dennoch hat Jeremy Driscoll in den »Worten an die Mönche« eine Zweiteilung in der Reihe der Sprüche ausgemacht, sodass die Sprüche 3 bis 106 um das »praktische« Leben kreisen, also um das normale asketische Leben mit dem Kampf gegen die Laster, dagegen erläutern die Sprüche 107 bis 136 verschiedene Aspekte des »gnostischen«, des kontemplativen Lebens. Allerdings ist diese Zweiteilung nicht absolut, sondern im »praktischen« Teil wird oft auch auf die kontemplativen Aspekte verwiesen, und im »gnostischen« Teil stehen Hinweise auf das »praktische« Leben des Kampfes gegen die Laster.7 Dies entspricht auch der Überzeugung des Evagrius, dass diese beiden Stufen des geistlichen Lebens nicht strikt nacheinander durchlaufen werden, sondern sich ständig gegenseitig durchdringen. Deshalb ist es wichtig, die einzelnen Sprüche nicht absolut zu nehmen, sondern sie im Zusammenhang des ganzen Textes zu betrachten, und natürlich auch auf dem Hintergrund des evagrianischen Konzeptes des geistlichen Lebens überhaupt. Im Blick auf den konkreten Umgang mit den einzelnen Sprüchen lässt sich sagen, dass auch für den in der evagrianischen Literatur noch ungeübten Leser viele Sprüche unmittelbar ein-

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leuchten, so wie auch sonst ein Sprichwort, das wir hören, unmittelbar verständlich ist oder gar ein Aha-Erlebnis auslöst. Andere Sprüche können befremdlich sein, wenn etwa eine übertrieben klingende asketische Meinung vertreten wird, und manches ist schlicht unverständlich, weil es ein größeres Wissen um die damalige Zeit und die spezielle Lebenswelt der Mönche voraussetzt. Viele Sprüche werden den besinnlichen Leser nachdenklich machen. Es ist gut, solche Worte einfach mitzunehmen, sie innerlich wirken zu lassen, damit sie allmählich ihren Geschmack und ihre Leuchtkraft entfalten. Weisheitsliteratur ist keine billige oder schnelle Lektüre. Sie will besinnlich und geduldig gekaut und verdaut und ergründet werden. Nachfolgend einige Verständnishilfen für den Leserkreis, der mit solchen Texten noch nicht sehr vertraut ist. Leser, die die einzelnen Themen noch weiter vertiefen wollen, finden in den Anmerkungen weiterführende Literatur.8

Mönche/Nonnen und Weltleute Mönche und Nonnen waren sehr geachtet und bewundert. Sie waren auch selber von ihrem Weg und dem Reichtum ihrer Erfahrungen so begeistert, dass sie die Dinge dieser Welt hinter sich lassen konnten. Die Gefahr, deshalb stolz zu werden und sich für besser zu halten als die Menschen, die »in der Welt« leben, war oft naheliegend. Evagrius warnt mehrfach vor dieser Überheblichkeit und bringt das Thema mit einigen flott formulierten Gegenüberstellungen auf den Punkt, wobei Laien jeweils die bessere Position erhalten:

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»Besser ein sanftmütiger Weltlicher als ein hitziger und zorniger Mönch.«9

Und parallel dazu formuliert er im Blick auf die Nonnen: »Besser eine sanftmütige Frau als eine jähzornige und hitzige Jungfrau.«10

Evagrius meint das nicht nur theoretisch, sondern hat wohl entsprechende Erfahrungen mit zornigen Mönchen und Nonnen gemacht, und offensichtlich auch mit Laien, die die Sanftmut erlangt haben und damit weit höher zu schätzen sind als so mancher zornige Mönch. Das Thema von Zorn und Sanftmut taucht in diesen beiden Schriften erstaunlich oft auf, weil es offenbar ein wichtiges Thema war, das auf dem geistlichen Weg bearbeitet werden musste. Evagrius bringt noch eine andere Gegenüberstellung: »Besser ein Mann, der schläft, als ein Mönch, der wacht bei unnützen Gedanken.«11

Dahinter steckt eine deutliche Kritik. Wachen und beten bei Nacht spielte im frühen Mönchtum eine wichtige Rolle.12 Und wenn einer dann zwar aufsteht, aber sich nur unnützen Gedanken und Phantasien hingibt, oder sich mit leerem Geschwätz unterhält,13 dann taugt das nichts, und er macht sich und anderen etwas vor. Ein schlafender Laie ist Evagrius dann lieber als ein Mönch, der nur so tut, als ob er wache und bete. Und mancher Laie, der sich um einen kranken Mitmenschen kümmert, ist besser als ein Einsiedler, der sich nicht um seinen Nächsten sorgt.14

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Evagrius Pon!cus

Worte an die Mรถnche Senten!ae ad monachos


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Als Erben Gottes hört auf die Worte Gottes, und als Miterben Christi nehmt die Reden Christi an, damit ihr sie den Herzen eurer Kinder gebt und sie Worte von Weisen lehrt. "

Ein guter Vater erzieht seine Söhne, ein schlechter Vater aber wird sie verderben. #

Der Glaube ist der Anfang der Liebe, das Ziel der Liebe aber ist Gotteserkenntnis. $

Furcht vor dem Herrn wird die Seele bis zum Ende bewahren, gute Enthaltsamkeit aber wird sie kräftigen. %

Die Ausdauer eines Mannes gebiert Hoffnung, gute Hoffnung aber wird ihn verherrlichen. &

Wer sein Fleisch knechtet, wird ohne Schmerzen sein, wer es aber großzieht, wird seinetwegen Schmerzen haben. '

Der Geist der Unzucht herrscht in den Leibern der Unbeherrschten, der Geist der Besonnenheit aber in den Seelen der Enthaltsamen.

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