Guido Kreppold
Nachfolge Von ihrem Glanz, der verlorenging
Vier-Türme-Verlag
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Inhalt
Einleitung Mit »Nachfolge« kann man nicht werben . . . 7 I. »Das Leben ist schön, reich und voller Sinn«: Nachfolge vor dem Grauen des KZ . . . . 10 II. Wonach hungert die Zeit? . . . . . . . . . 13 Die Vision vom Kloster . . . . . . . . . . . . 14 Ein alternatives Lebensgefühl . . . . . . . . . 15 III. Der Glanz des Evangeliums . . . . . . . . 19 Eine ungewöhnliche Begegnung . . . . . »Meister, wo wohnst du?« ( Joh 1,38) . . Energie und Dynamik . . . . . . . . . Sauerteig und Feuer . . . . . . . . . . »Ich bin das Brot des Lebens« ( Joh 6,48).
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IV. Der Glanz des heiligen Franziskus . . . . 34 Eine ungewohnte Erscheinung . . . . . . . . . 34 Die Melodie des Sonnengesangs: ein verlockendes Ziel . . . . . . . . . . . . 38 Die Vision vom neuen Menschen . . . . . . . 39 V. Der Glanz der neuen Wege . . . . . . . . 42 Der Heilungsweg der Psychologen . . . . . Spirituelle Aufbrüche – religiöses Neuland . Erleuchtung im Zen . . . . . . . . . . . Ein neuer Denkrahmen . . . . . . . . . .
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VI. Der lange Weg zur Quelle . . . . . . . . . 69 Quellschriften oder Quelle? . . . . Sechs Meter tief graben .... . . . . Orientierung an der Regel? . . . . Der Eifer in der Sackgasse . . . . Die Rückseite der Ideale . . . . . Vorbild: Fremdes oder Eigenes? . . Inspiration vor Imitation . . . . . Und doch Selbstverleugnung . . . Opfer: die falsche Gabe an Gott? . Ohne Opferung keine Wandlung, ohne Wandlung keine Communio Was müssen wir opfern? . . . . .
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VII. Verzicht aus der Fülle . . . . . . . . . . 104 Reizwörter und Tugenden. . . . . . . . . Gehorsam, Armut und Keuschheit. . . . . Armut: von der Unendlichkeit berührt sein Jungfräulichkeit: die Lauterkeit des Seelengrundes . . . . . . . . . . . . . Gehorsam: Harmonie aus der Tiefe . . . . Der nächste Schritt: Der Blick in die eigene Seele – Was macht mich froh? . . . . . .
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Schlussgedanken . . . . . . . . . . . . . . . 122 Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . 128
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Einleitung Mit »Nachfolge« kann man nicht werben
Eine Pastoralreferentin, die das Thema der kirchlichen Berufe in die Gemeinde bringen wollte, bekam auf ihr Bemühen folgendes Echo zu hören: Es sei gut, dass man viel für Kinder und junge Familien, für Senioren und Jugendliche tut, aber Themen wie »Berufung«, ja schon Themen wie »persönlicher Glaubensweg« seien für die normalen Kirchgänger eine fremde Welt. Wenn man es anspricht, bekommt man ein »Oh je, was ist das jetzt?« zu hören. Da herrscht doch unterm Strich der Tenor »Lasst uns lieber über was anderes sprechen«. »Ich habe in letzter Zeit bewusst auf die Predigten zum Tag der geistlichen Berufe geachtet«, sagt eine junge Frau: »Berufung hat so was Besonderes und wir wollen nichts Besonderes sein. Nehmen wir doch lieber den guten Hirten. Den kann man so allgemein verpacken.« Mit der Nachfolge Christi kann man anscheinend nicht werben. Bei der Durchsicht von Prospekten kirchlicher Bildungshäuser kommt dieses Wort nicht vor. Die Veranstalter fürchten, dass sich hier Barrieren auftun. Man vermutet, dass sich bei möglichen Interessierten ein Hauch von Weltfremdheit, Lebensferne, geistiger Enge und emotionaler Verkümmerung einstellt. Bei einer Ausschreibung zum Thema »Nachfolge Jesu« müsse man von vornherein ein totales Fiasko erwarten. 7
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Im Grunde weiß man mit der »Nachfolge Jesu« nichts Rechtes mehr anzufangen. Gewöhnlich wird auf die Heiligen verwiesen. Aber sie sind von einer Gloriole umgeben und werden dadurch in weite Ferne gerückt. Sie werden gerne bewundert, man rühmt ihre außerordentliche Geschichte. Aber man hat sich auch schon so an sie gewöhnt, dass ihr Beispiel nicht mehr aufrüttelt und zum Nachdenken, vielleicht sogar zur Nachfolge anregt. Man muss zugeben: Die Nachfolge Jesu ist mit den Begriffen Selbstverleugnung, Gehorsam, Opfer, Kreuz und Demut verbunden und damit, wie andere Themen aus dem Bereich des Religiösen auch, negativ belegt. Man befürchtet eine Einschränkung der Lebensqualität, Langeweile oder bestenfalls Aufforderungen zu moralischen Kraftakten. Die Ratlosigkeit, die heute die Gesellschaft erfasst hat, hat sich auch auf den kirchlichen Raum übertragen. Der Ordensstand, der einmal als Blüte, ja sogar als Krone lebendigen Glaubens betrachtet wurde, ist davon nicht ausgenommen. Es muss nicht eigens erwähnt werden, dass der Mangel an Nachwuchs das äußere Zeichen dafür ist. Es besteht der Eindruck, dass die Orden nicht mehr so recht wissen, wofür sie da sind, zumindest haben viele Mitglieder diese Gewissheit verloren. Man kann natürlich auf die neu verfassten Satzungen verweisen, um die man sich gewiss viel Mühe gemacht hat. Aber die Frage ist, ob diese Satzungen tatsächlich greifen, der Situation gerecht werden, ob die Ordensmitglieder wirklich 8
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dahinter stehen oder ob sie bloß ein Papier sind, welches das konkrete Leben nicht berührt. Ebenso könnte man die Anstrengungen, Nachwuchs zu gewinnen, die so genannte Berufungspastoral, erwähnen. Auch hier spürt man viel Enttäuschung und Entmutigung. Andererseits lässt die Geschichte von Menschen aufhorchen, die außerhalb des konventionellen Weges zu einer ähnlich menschlichen und spirituellen Größe wie die christlichen Heiligen gelangt sind. Ihr Schicksal erregt eher Aufmerksamkeit, weil es nicht in den herkömmlichen Rahmen von Frömmigkeit und Tugend gepresst ist.
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I.
»Das Leben ist schön, reich und voller Sinn«: Nachfolge vor dem Grauen des KZ
In diesem Zusammenhang steht die Geschichte einer jungen jüdischen Frau, Etty Hillesum aus Amsterdam, erschütternd und bewegend vor uns, die 1943 kurz vor ihrer Deportation nach Auschwitz in ihr Tagebuch schreibt: »Das Leben ist schön, reich und voller Sinn.« Sie war in einer Familie aufgewachsen, in der man zwar die Existenz Gottes irgendwie anerkannte, aber die Religion, in ihrem Fall die jüdische, nicht ausübte. Man hielt weder den Sabbat ein, noch beachtete man irgendein jüdisches Gebot. Ihre psychische Stabilität war angeschlagen. Ihre Eltern waren zerstritten, die Nähe des Vaters eher belastend als willkommen, ein Bruder schizophren. Nach ihrem Jurastudium begann sie deshalb eine Psychotherapie bei Julius Spier, einem aus Berlin ausgewanderten Juden. Daraus wurde ein Verhältnis, das weit über die therapeutische Be10
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ziehung hinausging. Für sie wurde es der Ausgangspunkt einer inneren Entwicklung und Reifung, man kann sogar eines Glaubens sagen, aus dem heraus sie die schon zitierte Eintragung in ihr Tagebuch machen konnte. Julius Spier war eine beeindruckende Persönlichkeit, der sich zuerst für Handlesekunst interessierte und auf dieser Basis bei Carl Gustav Jung (1875–1961) in Zürich eine Ausbildung machte. Er war nicht nur ein sehr erfolgreicher Psychotherapeut, sondern vor allem ein religiös suchender Mensch. Durch seinen Einfluss fand auch Etty Hillesum zu einer vertieften Religiosität. Er hatte in ihr durch sein eigenes Beispiel den Sinn für das Gebet geweckt und sie angeleitet, sich mit der Bibel zu beschäftigen. Er las mit ihr Ausschnitte aus der Nachfolge Christi von Thomas von Kempen (1379/80– 1471), ein Buch, das heute ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Er empfahl ihr auch die Bekenntnisse des heiligen Augustinus (354–430). Seine religiöse Bildung war von der christlichen Tradition geprägt, sein Schicksal äußerst schmerzlich und tragisch. Aufgrund der Rassengesetze musste er sich von seiner nichtjüdischen Frau scheiden lassen, aus Deutschland auswandern und seine Kinder zurücklassen. Als schon die Deportationen in Gang waren, erkrankte er an Lungenkrebs und starb einen Tag bevor ihn die Gestapo abholen wollte. Auf dem Krankenbett hatte er geträumt, dass Christus ihn getauft hat. Auch aus den Briefen Etty Hillesums kurz vor dem Abtransport sind Gebete enthalten, die eine 11
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ähnliche spirituelle und menschliche Größe ausdrücken: »Du hast mich so reich gemacht, mein Gott, lass mich mit vollen Händen davon austeilen. Mein Leben ist zu einem ununterbrochenen Zwiegespräch mit dir, mein Gott, geworden, zu einem einzigen großen Zwiegespräch. Wenn ich in einer Ecke des Lagers stehe, die Füße auf deiner Erde, das Gesicht zu deinem Himmel erhoben, dann laufen mir manchmal die Tränen über das Gesicht, entsprungen aus innerer Bewegtheit und Dankbarkeit, die nach einem Ausweg sucht. Auch abends, wenn ich im Bett liege und in dir ruhe, mein Gott, dann rinnen mir manchmal die Tränen der Dankbarkeit übers Gesicht, und das ist mein Gebet.«1 Vor dem Totenbett ihres verstorbenen Freundes betet sie: »Mit dem, was von den Toten ewig lebt, werde ich weiterleben, und das, was in den Lebenden tot ist, werde ich wieder zu Leben erwecken, bis es nichts mehr gibt als Leben, ein großes übergreifendes Leben, mein Gott.«2 Wer die Nachfolge Christi liest und wer im Angesicht des Todes solches sagen kann, von dem ist anzunehmen, dass er die Nachfolge Christi auf seine Weise verstanden und gelebt hat, außerhalb der Kirche, außerhalb eines Ordens, sogar außerhalb der kirchlichen Moralvorstellungen.
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