Johanna domek , ursula theresa dippel dem benediktinischen geist nahe sein mein leben als oblatin

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Johanna Domek Ursula Theresa Dippel

Dem benediktinischen Geist nahe sein Mein Leben als Oblatin

Vier-T端rme-Verlag

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INHALT

JOHANNA DOMEK OSB

Etwas ist in Bewegung gekommen – Eine Einführung ͩ

URSULA THERESA DIPPEL

Dem benediktinischen Geist nahe sein – Mein Leben als Oblatin ͣͥ Mut zur Gestaltung ͣͥ Interview (1) ͣͦ Leben ist mehr als die Summe seiner Teile ͣͧ Benediktinisch gefiltert ͣͨ Trennschärfe ͣͩ Dipolarität ͣͪ Ein altbackener Dauerbrenner ͤͣ Eines Sinnes sein ͤͦ Eintauchen in die Stille ͤͨ Die zwei Türme ͤͪ Schlicht und ergreifend ͥͣ Stabilitas ͥͨ Arbeitsteilung ͥͫ Missionsbenediktineroblaten ͦ​ͦ Außer Haus ͦͪ

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Im Freibeet ͧ͢ Es soll ja auch Spaß machen ͧͥ Ausnahmen bestätigen die Regel ͧͨ Apfel und Stamm ͧͪ U.i.o.g.D. ͨ͢ Klosterleben wandelt ͨͤ Komm und sieh ͨͦ Schluss mit Worten ͨ​ͨ Interview (2) ͨͪ

JOHANNA DOMEK OSB

Oblaten ͨͫ Darbringen ͩ͢ Die Ortsbezogenheit der Oblaten ͩͦ Oblate werden ͩ​ͩ Das Leben eines Oblaten ͪͣ Gottsuchen im Alltag – Gottsucher im Alltag ͪͥ Lectio Divina ͪͨ Zur Geschichte des Oblatentums ͪͫ Weltweit gesehen ͫͥ Weltkongresse der Oblaten 2005 und 2009 ͫͩ Schlussgedanken ͣͥ͢ Anmerkungen ͣͧ͢

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JOHANNA DOMEK OSB

Etwas ist in Bewegung gekommen Eine Einführung

Es ist eine Freude, zu sehen, wenn Bewegung ins Leben kommt. Ich meine nicht die Bewegung, die geschieht, wenn etwas hin und her gezerrt oder geschoben wird oder in einem Wirbelsturm entwurzelte Bäume umstürzen. Ich meine Bewegungen, die von innen her kommen. Anders als in Bewegung kann das Leben nicht lebendig bleiben und bestehen. Selbst der Tisch, der in meinem Zimmer scheinbar ruhig an seinem Platz steht, bleibt nur so, weil die Moleküle, die ihn ausmachen, nie aufhören zu tanzen. Ohne diesen Tanz der Moleküle würde alles, was überhaupt ist, zerfallen. Aber manchmal wird Bewegung, die von innen kommt, auch äußerlich sichtbar. Wenn ich das irgendwo sehe, bin ich zuinnerst froh. Aber nicht alles, was da von innen her tanzt, tanzt den gleichen Tanz oder in der gleichen Form. Selbst aus dem gleichen Holzstamm kann man ganz verschie-

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dene Figuren schnitzen. So ist im übertragenen Sinn auch die Beziehungsgestalt von Klöstern und Menschen, die ihnen verbunden sind, lebendig vielfältig. Immer aber braucht es, damit eine Beziehung aufgenommen werden kann, irgendwelche Anknüpfungspunkte, über die ein wirklicher Kontakt geschieht oder – um es in einem anderen Bild zu sagen – ein Funke überspringen kann. Für den einen ist das die Teilnahme am Gottesdienst, das Erleben und Mitfeiern der klösterlichen Liturgie in ihrer würdevollen Schlichtheit, oder die Melodien des gregorianischen Chorals. Andere kommen bewusst, um in der Atmosphäre des klösterlichen Betens und Gottsuchens sich selber tiefer ins Gebet hineinzuwagen. Wieder andere treibt eine Not und die Hoffnung um Hilfe im Gebet, den Kontakt zu einem Kloster zu suchen. So viele Bitten um begleitendes Gebet werden in die Klöster getragen, von den Schwestern und Brüdern mitgenommen und Gott ans Herz gelegt. Das ist eine starke Verbindung. Wieder andere Menschen werden von einer Frage, die sich ihnen stellt und die sie jemandem stellen wollen, durch die Klosterpforte getragen. Die Schwellen, über die einer kommt, können – wie die Menschen selbst – verschieden sein. Irgendwie beginnt das Gespräch, irgendwie wird das Kloster ein Bezugspunkt, und etwas kommt in Bewegung im Innern des Menschen. Tanzen, ich greife das Bild von vorhin auf, ist, wenn man sich miteinan-

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der auf je eigenen Füßen bewegt zu einer Musik, die man gemeinsam hört, der man gemeinsam folgt. Das kann ganz bedächtig geschehen oder auch wie im Flug, der eine lebt mehr die stille Annäherung, andere scheinen wie im Sturm genommen zu werden. Wichtig ist in jedem Fall, dass durch die Bewegung und Beziehung eine innere Ordnung spürbar wird und zum Tragen kommt. Gottes Geist senkt in alles eine innere Ordnung ein. Alle seine lebendigen Bewegungen sind davon gekennzeichnet. Im Folgenden soll von einer Form von Bewegung und Beziehung die Rede sein, die sich oft um benediktinische Klöster herum angesiedelt findet: die Bewegung der Oblaten und Oblatinnen. Und im oben beschriebenen Sinne macht es mich froh, wenn ich auf das schaue, was sich mir in den letzten Jahren auf diesem Feld zeigt. Wobei gleich eingeräumt werden muss, dass das, was ich hier eine Bewegung nenne, gar nicht nur eine Bewegung ist, sondern viele Bewegungen, die oft ganz unabhängig voneinander an ganz verschiedenen Orten in Gang gekommen sind. Was sind eigentlich Oblaten? Warum gibt es sie? Was bewegt sie zum Kloster hin, und wie bewegen sie sich in der Welt? Davon wird später noch zu sprechen sein, wie auch von der weltweiten Bewegtheit der Oblaten, von zwei Welttreffen und von neueren, guten Publikationen. Es gibt da nicht wenig zu sagen und zu

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Leben ist mehr als die Summe seiner Teileͳ

Ich weiß nicht mehr, seit wann ich Münsterschwarzach kenne. Als ich zum ersten Mal hier war, kannte ich es jedenfalls schon. Vielleicht war ich als Kind einmal da gewesen, auf einer Durchreise in den Urlaub mit den Eltern. Doch es gibt keine Beweise dafür im 13 000-Dia-Archiv meines Vaters, der eigentlich immer alles fotografiert hat. Später las ich, es sei ursprünglich als Frauenkloster gegründet worden. Das wird es gewesen sein ... Fakt ist, dass die Wurzel meiner Verbindung nach Münsterschwarzach sehr tief geht und irgendwie sehr alt sein muss. So jedenfalls fühlt es sich an. Wenn ich hierher kam, kam ich immer »nach Hause«, und wenn ich irgendwo anders bin, will ich immer nur »heim«. Unruhig ist mein Herz, bis es Ruhe findet ...ʹ

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Benediktinisch gefiltert

Fotografen verwenden kleine Aufsätze an ihren Kameras, wenn sie bestimmte Effekte erzielen wollen. Man nennt so etwas Filter. Das Licht, das immer gleich ist, wird auf bestimmte Weise gefiltert, um bestimmte Dinge sichtbar zu machen. Ein erfahrener Fotograf kann so seine Kamera wie ein verlängertes Auge benutzen, ähnlich wie ein Musiker sein Instrument benutzt, um Stimmungen auszudrücken. Ein Fotografie-Neuling wird eher überrascht davon, welche Effekte ihm gelingen. Im Ergebnis sind sie aber nicht weniger interessant. Benediktinisches Denken filtert auch. Es filtert das Leben hindurch durch die Regel Benedikts. Automatisch erzielt das andere Effekte im Blick auf die Umwelt, die Mitmenschen, die eigene Arbeit. Ich möchte es gar nicht näher beschreiben oder mit Beispielen auffüllen. Man muss es einfach ausprobieren. Es funktioniert. Und öffnet manchen Blick, der verbaut erschien.

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Dipolarität

Wenn’s gut läuft, sind Benediktiner und ihre Oblaten ziemlich mittelmäßige Gestalten. Sehr zur heilsamen Enttäuschung mancher Zeitgenossen, die von außergewöhnlich Lebenden Außergewöhnliches erwarten. Nun, in unserem Fall ist eine gewissenhafte Mittelmäßigkeit durchaus gewollt, sozusagen ein erklärtes Ziel unseres Ordensgründers. Leben, speziell benediktinisches, spannt sich immer wieder zwischen scheinbar entgegengesetzten Polen. Benedikt hat eine Regel geschaffen für Menschen, die in Gemeinschaft einsam leben wollen. Damit fängt schon alles an. Den Tod ständig vor Augen zu haben sei Voraussetzung dafür, wirklich leben zu können, sagt er (vgl. RB 4,46f.). Der Abt solle alles allein entscheiden, dabei aber auf alle Brüder hören (vgl. RB 3). Der Weg nach oben führe über Stufen nach unten (vgl. RB 7,5– 9). Der Höchste unter euch sei der Diener aller (vgl. Lk 22,26: Bei euch aber soll das nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste und der Führende soll werden wie der Dienende.). Benedikt sucht den Ausgleich. Er ist alles andere als ein Extremist. Die Tradition hat sein System auf die Kurzformel »Ora et Labora« gebracht. Sie steht so nirgendwo in dieser Regel, eignet sich aber gut als Eingangstor in sein Denken. Außerdem ist es das, was man

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nach außen hin sieht: Beten und Arbeiten, damit beschäftigen sich Mönche und Oblaten den ganzen Tag. Aber es ist nicht das, worauf es ankommt. Das Wichtigste an der Formel ist das »et«. Benediktinisches Leben besteht aus Einsamkeit und Gemeinschaft und vielen anderen derartigen Begriffspaaren. »Mönche und Oblaten« könnte auch ein solches Begriffspaar sein ... Aus Mitte und Maß setzt sich Benedikts »Mittelmäßigkeit« zusammen. Sie hat also mit Durchschnittlichkeit nichts zu tun. Es soll keine Gleichmacherei betrieben werden, schon gar nicht auf einem niedrigen Niveau à la »kleinster gemeinsamer Nenner«. Das wäre zu einfach. Benediktinisches Mittelmaß wird im Gegenteil meist mühevoll errungen. Die Errungenschaften, die dabei herauskommen, stehen danach allerdings auf starken Fundamenten. Mönchtum stammt aus dem Eremitentum. Um verschiedenen negativen Auswüchsen entgegenzuwirken, sah Benedikt das Zusammenholen dieser Einzelkämpfer und eine klare Struktur für ihr Miteinander als Weg zum Heil an. Die Gemeinschaft dient dem Austausch und gegebenenfalls der Korrektur ihrer Erfahrungen; ihrem Wesen nach bleiben die Gemeinschaftsmitglieder jedoch Einzelne. Auch heute noch betrachten die Menschen einen Eintritt ins Kloster, jedenfalls in ein kontemplatives, vorrangig als einen Eintritt in die Einsamkeit. Allein die Auffassung, Ehe und Kloster als die beiden Alternativen christlicher Lebensformen anzusehen,

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weist der Ehe die »Gemeinschaft«, dem Kloster die »Einsamkeit« zu. Auf entsprechend wenig Verständnis kann ein Eintrittswilliger heutzutage stoßen. In früheren Zeiten muss das anders gewesen sein, irgendwie selbstverständlicher und gesellschaftlich anerkannter. Wir haben wohl ein spezielles Gegenwartsproblem damit. Aber so einsam ist es im Kloster gar nicht. Da erlebe ich außerhalb von Klöstern oft weit mehr Einsamkeit, tragischer- und merkwürdigerweise auch in Ehen. Vor kurzem bekam ich Post von einer gleichaltrigen Benediktinerin. Sie freue sich darauf, in ihrem Urlaub diesmal nicht wegzufahren. »So genieße ich nun meine Zelle, die ich sonst nur zum Schlafen sehe«, schrieb sie. Wie bitte? Da habe ich ja mehr von meiner Wohnung! Aber meiner Beobachtung nach dürfte das kein untypisches Beispiel sein. Vielleicht kann man es auf folgende Formel bringen: Wer in Gemeinschaft benediktinisch leben will, sollte es im Kloster versuchen. Wer mehr die einsame Seite sucht, werde Oblate. Von uns lebt der nächste benediktinische Geist meist ziemlich weit weg. Mindestens ein paar Straßen, Dörfer oder Städte. So gut wie nie jedenfalls hinter der benachbarten Flurtür. Auch wenn sich Einsamkeit in unserer Gegenwart nicht mehr so sehr in abgelegenen Bergregionen, Wäldern oder Wüsten abspielt, scheinen wir dem klassischen Eremitentum manchmal näher zu kommen als die Mönche selbst. Oblaten-»Gemeinschaft« erleben wir jedenfalls nur an vergleichbar wenigen Tagen im Jahr ...

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