Johannes cassian unterredungen mit den vätern 1 10 (collationes patrum)

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Inhalt

GEORGES DESCOEUDRES

Johannes Cassian und die Mönchssiedlungen in der nitrischen und sketischen Wüste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literarische Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Lokalisierung der Siedlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Die Kellia als willentliche Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Theodor von Pherme und sein Schüler Isaak . . . . . . . . . . . . . 22

GABRIELE ZIEGLER

Die Collationes des Johannes Cassian . . . . . . . . . . . . . . . . . Christusnachfolge mitten in Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Erfahrung und sprachliche Meisterschaft . . . . . . . . . . . . . . . 26 Collationes Patrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Theoria und Praktikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Weshalb eine Neuübersetzung der Collationes? . . . . . . . . . . . . 30 Hinweise zur Lektüre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

JOHANNES CASSIAN

Unterredungen mit den Vätern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Collatio 1

Abbas Moyses spricht über Sinn und Ziel des Lebens als Mönch. . . . Collatio 2

Abbas Moyses spricht über die Diskretio . . . . . . . . . . . . . . . . .


INHALT

Collatio 3

Abbas Paphnutios über die drei Berufungen und die Absagen an die Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Collatio 4

Abbas Daniel spricht über die Gier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Collatio 5

Abbas Serapion spricht über die acht Hauptlaster der Menschheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Collatio 6

Abbas Theodor spricht über das Sterben der Heiligen . . . . . . . . Collatio 7

Abbas Serenus spricht über die Angriffe der Dämonen und den geistlichen Kampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Collatio 8

Abbas Serenus spricht über Engel, Mächte und Gewalten . . . . . . Collatio 9

Abbas Isaak lehrt die Beharrlichkeit im Gebet . . . . . . . . . . . . . Collatio 10

Abbas Isaak lehrt das immerwährende Gebet . . . . . . . . . . . . .

ANHANG

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Verzeichnis der Namen und Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Ausgewählte Begriffe der Collationes . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Verzeichnis der Schriftstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Abkürzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Weiterführende Internetseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366


G E O RG E S D E S C O E U D R E S

Johannes Cassian und die Mönchssiedlungen in der nitrischen und sketischen Wüste1 Nach zögernden Anfängen im 3. Jahrhundert verbreitete sich seit der konstantinischen Wende eine neue Lebensform im christlichen Erdkreis: Das Mönchtum. Männer und auch einzelne Frauen verließen Haus und Familie und zogen sich in die Unwirtlichkeit der Wüste zurück, um ihr Dasein ausschließlich auf die Nachfolge Christi auszurichten. Das Herrenwort »Wenn du vollkommen sein willst, geh und verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach« (Mt 19,21), war der Anstoß für Antonios (um 252–356), die Welt zu verlassen und Mönch zu werden. Wie wir aus seiner Vita wissen, war er nicht der erste, der diese Lebensform wählte, aber Antonios war zweifellos einer der bekanntesten Mönche der Spätantike und genoss schon zu Lebzeiten ein hohes Ansehen. Als »Eremos«, Einsiedelei, Einöde galt in Ägypten die weitgehend vegetationslose Einöde außerhalb des bewässerten Kulturlandes im Niltal und in den Oasen. Um Eremiten, Einsiedler scharten sich Mönche, sodass lose Siedlungen als Wohnstätten solcher Männer entstanden, die mit Gebet und Arbeit ihre Tage verbrachten. Das benediktinische »Ora et labora« (das so nirgends in der Regel erscheint) hatte seinen Ursprung in der Lebensweise der Wüstenväter. Neben dem Eremitentum entstanden in Ägypten weitere Formen des Zusammenlebens: Etwa das Koinobion, das nach den Anweisungen des Pachomios (um 287–347) durch gemeinsames Gebet, gemeinsame Arbeit und einen gemeinsamen Tisch gekennzeichnet war und unserer Vorstellung von »Kloster« recht nahe kommt. Es dauerte nicht lange, bis diese neuen Lebensformen in eremo auf die gemeinschaftlichen Lebens-


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weisen (Oikumene) zurückzuwirken begannen. »The desert«, schreibt Peter Brown, »became the powerhouse of a new culture«.

Literarische Überlieferung Obwohl davon ausgegangen werden kann, dass das christliche Mönchtum gleichzeitig und unabhängig voneinander in Ägypten, im syrischmesopotamischen Raum und in Kleinasien entstanden ist, war das ägyptische Mönchtum besonders hinsichtlich seiner Wirkungsgeschichte weitaus das Wichtigste. Suso Frank spricht vom »monastischen Musterland Ägypten«. Die vorbildhafte Bedeutung der ägyptischen Wüstenväter beruht hauptsächlich auf einer breiten literarischen Überlieferung mehrheitlich griechischer Sprache, die innerhalb einer kurzen Zeitspanne ins Lateinische sowie in verschiedene orientalische Sprachen übersetzt wurde. Hauptquelle sind die Apophthegmata Patrum, die gewissermaßen eine Innensicht der frühen Mönchsbewegung wiedergeben. Anfänglich nur mündlich tradiert, wurden diese Vätersprüche seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert in verschiedenen Sammlungen aufgezeichnet. In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts entstand eine neuartige Form des Tourismus: Einzelpersonen und ganze Gruppen reisten nach Ägypten, um die neue Lebensform der Mönche kennenzulernen, deren Kunde aus den Wüsten des Nillandes sich schon bald in der gesamten christlichen Welt verbreitet hatte. Teils waren es Bildungsreisen, teils Pilgerfahrten mit der Hoffnung auf Stärkung und gelegentlich auch auf Heilung, und nicht selten waren es Reisen als Initiation und zur Unterweisung für eine eigene Anwartschaft auf diese Lebensform. Der Kappadokier Basileios der Große, Palladios von Helenopolis, Johannes Moschos und Sophronios, der spätere Patriarch von Jerusalem, aus dem griechischen Osten sowie der im Bethlehem ansässige Hieronymus, Rufinus von Aquileia und Johannes Cassian aus dem lateinischen Westen waren einige der prominentesten Besucher, von denen etliche, etwa Palladios oder Johannes Cassian, lange Jahre als Mönche in Ägypten geblieben sind. Offenbar gehörte auch Alypius zu den Besuchern, ein Vertrauter des Augustinus, der 394


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vom nordafrikanischen Thagaste zu einer Reise ins Heilige Land aufgebrochen war und nach der Rückkehr in seine Heimat den Ordo monasterii, die erste lateinische Mönchsregel, niederschrieb, die sich weitgehend am Tageslauf der Mönche in den Kellia orientierte. Unter den Besuchern waren auch hochgestellte Frauen, Melania die Ältere, Kusine des Paulinus von Nola, und ihre Enkelin, Melania die Jüngere, sowie Paula und Eustochium aus dem geistlichen Kreis des Hieronymus. Möglicherweise gehörte auch die Jerusalempilgerin Egeria dazu, deren Reisebericht zu den Mönchen Ägyptens leider nicht erhalten ist. Die Zahl der weiblichen Besucher scheint nicht unbeträchtlich gewesen zu sein, was den berühmten Wüstenvater Arsenios (gestorben 445) zur unwirschen Bemerkung veranlasste, man wolle wohl »das Meer zu einem Weg für Weiber machen, die zu mir kommen wollen«. In der Ende des 4. Jahrhunderts in Griechisch aufgezeichneten Historia monachorum in Aegypto hat sich der Reisebericht einer Gruppe von Personen geistlichen Standes erhalten, welcher von Begegnungen und Gesprächen mit Mönchen erzählt und innerhalb weniger Jahre von Rufinus von Aquileia, der selber wohl an dieser Reise teilgenommen hatte, ins Lateinische übersetzt wurde. Eine aufschlussreiche Sammlung von Begebenheiten und kurzen Viten verschiedener Mönche hat uns auch Palladios in seiner Historia Lausiaca hinterlassen. In diesen Kontext gehören die Schriften des Johannes Cassian, welche nun erstmals eine in Latein verfasste Darstellung der ägyptischen Wüstenväter boten und die sich an ein monastisches Publikum richteten. In seinen auf persönlichen Begegnungen beruhenden Collationes Patrum vermittelte er eine tiefgehende Anschauung des vorbildhaften ägyptischen Mönchtums. Die wichtigsten und am häufigsten besuchten Mönchssiedlungen befanden sich im Hinterland Alexandriens in der nitrischen und sketischen Wüste. Es waren dies in erster Linie die Siedlung Nitria, die Rufinus in seiner Übersetzung der Historia monachorum als die berühmteste aller monastischen Siedlungen Ägyptens bezeichnete (famosissimum in omnibus Aegypti monasteriis locum), sowie die als Ableger von Nitria gegründeten Kellia, wörtlich Zellen. Zum Kreis dieser Eremitenkolonien


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gehörte ferner die abgelegene Sketis, die allerdings weit weniger häufig als die beiden anderen Mönchssiedlungen besucht wurde. In der Historia monachorum in Aegypto ist uns eine idealisierend überhöhte Beschreibung der Mönche in Nitria überliefert: »Wir sind auch nach Nitria hinuntergezogen, wo wir vielen und großen Anachoreten begegneten, einheimischen ebenso wie fremden, die sich gegenseitig in ihrer Tugend und in der Askese überboten. Sie offenbarten vollkommene Tugend und übertrafen sich gegenseitig in ihrer Lebensführung. Die einen richteten ihr Streben auf die Kontemplation, die anderen auf die tätige Nächstenliebe. Als einige von ihnen uns von weitem durch die Wüste kommen sahen, brachten die einen Wasser zur Begrüßung, andere wuschen uns die Füße, wieder andere reinigten unsere Gewänder. Es gab solche, die uns zu einer Mahlzeit einluden, andere zur Unterrichtung in den Tugenden und wieder andere zur Kontemplation und zur Unterrichtung in der Erkenntnis Gottes. Jeder versuchte nach seinem Vermögen, uns nützlich zu sein.« Im Milieu dieser Mönchssiedlungen in der nitrischen und sketischen Wüste ist der Kern der Apophthegmata Patrum entstanden, und hier fanden auch die ersten zehn Unterredungen Cassians mit den Wüstenvätern statt. Bei Johannes Cassian ist erwähnt, dass es in der Sketis vier Kirchen gab (coll. 10,2), was heißt, dass vier verschiedene Mönchsgemeinschaften nebeneinander existierten, die jede einen eigenen Vorsteher und Priester hatte. Eine dieser Gemeinschaften wurde von Moyses geleitet (ihm sind coll. 1 und coll. 2 gewidmet) und von Johannes Cassian mit der Ortsbezeichnung Calamus (coll. 7,26) in Verbindung gebracht. Als Priester einer weiteren Gemeinschaft wird in coll. 10,2 Paphnutios genannt, dessen Hoffnung, seinen Diakon Daniel als Nachfolger in der Vorsteherschaft der Gemeinschaft zu installieren, durch den frühzeitigen Tod seines Schülers zunichte gemacht wurde. Ein Name fehlt in den Aufzeichnungen: Evagrios Pontikos, der wie Cassian über einen Zwischenhalt im Heiligen Land nach Ägypten gekommen war und in den Kellia lebte. Die Schriften des Griechen Evagrios, der einer der bedeutendsten Theoretiker des Mönchtums war, haben Johannes Cassian nachhaltig beeinflusst. Dennoch erscheint sein Name nirgends in Cassians Schriften, wie auch


CASSIAN UND DIE MÖNCHSSIEDLUNGEN

Evagrios selbst seinen geistigen Mentor Origenes in den eigenen Schriften nicht erwähnt. Zu sehr waren die beiden Namen in der Polemik um den Anthropomorphismus (vgl. coll. 10) belastet, war Evagrios doch der führende Kopf der als Origenisten verschrieenen Gegner in der theologischen Auseinandersetzung mit den Anthropomorphiten. Diese wuchs sich bald nach dem Tod des Evagrios an Epiphanie des Jahres 399 zu einem gewalttätigen Streit aus und führte zur Vertreibung vieler Mönche aus Nitria und den Kellia. Cassian berichtet, dass drei Priester und Vorsteher der vier Mönchsgemeinschaften in der Sketis den Vorstellungen der Anthropomorphiten zugeneigt waren und sich allein Paphnutios diesen Ansichten widersetzte (coll. 10). Diese unerfreulichen und schließlich sogar gewaltsamen Auseinandersetzungen dürften Anlass für die Abreise Cassians und übrigens auch des Palladios aus Ägypten gewesen sein, die sich beide nach Konstantinopel wandten.

Lokalisierung der Siedlungen Obwohl die literarischen Quellen, von denen hier nur die wichtigsten erwähnt wurden, im 4. und 5. Jahrhundert ungewöhnlich reichhaltig sind, bot die Lokalisierung der einzelnen Orte erhebliche Schwierigkeiten. So wurde die Siedlung Nitria aufgrund der Namensaffinität lange Zeit im Wadi Natrun (Natrontal) vermutet. Erst in der umfassenden und in den wesentlichen Teilen bis heute gültigen Studie von Evelyn White über die Klöster im Wadi Natrun wurde erkannt, dass nicht die Siedlung Nitria, sondern die Sketis im Bereich des Natrontals zu situieren ist, wo noch heute vier koptische Klöster bestehen, darunter dasjenige des Makarios des Ägypters, Gründervater der Sketis. Wichtiges Indiz in der Beweisführung von Evelyn White war die Identifizierung der Kellia mit der in jüngeren arabischen Quellen als al-Muna bezeichneten Örtlichkeit, deren koptisches Equivalent MONH eine Übersetzung von Kellia ist. Gestützt auf diese Schlussfolgerung gelang es Anthony de Cosson im Jahre 1936, die Siedlung Kellia erstmals im Gelände zu lokalisieren. Er berichtet von mehr als hundert kleinen Erhebungen, unter denen Überreste von Ge-


EINFÜHRUNG

bäuden lagen, und aufgrund von Oberflächenbeobachtungen zeichnete er einen Teilplan einer Eremitage auf. Da die archäologischen Überreste, wie er schrieb, keinerlei Gefährdungen ausgesetzt waren und sich somit eine Ausgrabung nicht aufdrängte, gerieten die Kellia und deren Lokalisierung im Gelände wiederum in Vergessenheit. Ein neuer Abschnitt in der Erforschung dieser Mönchssiedlung setzte im Jahre 1964 ein, als Antoine Guillaumont, Herausgeber der Schriften des Evagrios Pontikos, und der Koptologe Rodolphe Kasser von der Universität Genf erneut die Kellia vor Ort lokalisierten. Da sie deren archäologischen Überreste bereits zu einem erheblichen Teil durch neu angelegte Felder zerstört vorfanden und weiterhin eine akute Gefährdung durch eine intensive Urbarmachung der Wüste bestand, gelangte man zum Entschluss, Rettungsgrabungen in den Kellia einzuleiten. Von 1965 bis 1990 wurden vom Institut français d'archéologie orientale in Kairo und von der Mission suisse d'archéologie copte der Universität Genf mit zeitweiligen Unterbrechungen Ausgrabungen durchgeführt, die zu »einem, wenn nicht zu dem bedeutendsten archäologischen Unternehmen geworden (ist), das byzantinisch-christlichen Stätten in Ägypten in der Nachkriegszeit gewidmet wurde« (Stefan Timm). Mit diesen Ausgrabungen konnten erstmals materielle Überreste aus den Anfängen des christlichen Mönchtums beigebracht werden. Ferner ließ sich die architekturgeschichtliche Entwicklung der Wohn- und Sakralbauten dieser bis ins 8. Jahrhundert bestehenden Siedlung nachvollziehen sowie ein allmähliches Auftreten von Wandmalereien und Inschriften seit dem 6. Jahrhundert beobachten. Die von einer Textstelle der Vita Antonii abgeleitete Formulierung »Die Wüste wurde zur (Himmels-)Stadt«, die Derwas Chitty als Titel seiner berühmten Studie »The Desert a City« wählte, erwies sich in überraschender Weise als zutreffend, denn die Kellia zeigten sich als eine im Laufe der Zeit gewachsene, großflächige Siedlung von Eremitagen in der weiten Wüste im Westen des Nils. Bei diesen Ausgrabungen konnte zudem der sichere Nachweis erbracht werden, dass es sich bei der untersuchten Siedlung tatsächlich um die Kellia handelte. Neben einer nicht geringen Anzahl von Keramikgefäßen und -fragmenten, welche die Bezeichnung


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»EK« als aufgemalte Inschrift oder als Graffito aufwiesen, wurde im Jahre 1976 auf dem Hals einer Amphore erstmals die ausgeschriebene Version als ENKLHCIAC KELLIN (Kirche [Gen. sing.] der Kellia) fassbar, die als Destinationsbezeichnung des Gefäßes und dessen Inhalt zu verstehen ist. Seit dem Auftreten dieser und ähnlicher Inschriften kann die geographische Zuschreibung der drei wichtigsten Mönchssiedlungen im Hinterland Alexandriens, wie sie von Evelyn White postuliert wurde, als gesichert gelten. Danach lässt sich die um 330 entstandene Siedlung Sketis in der im Süden an das Wadi Natrun angrenzenden Wüstenregion situieren (Abb. 1). Die etwas ältere Siedlung Nitria lag unfern der heutigen Stadt el-Barnugi, wo ebenso wie im Wadi Natrun bereits in der Antike Natron gewonnen wurde. Während die Sketis zur inneren, von den Siedlungsgebieten weit abgelegenen Wüste zu zählen ist, lag Nitria am Rand in der sogenannten äußeren Wüste nahe der bewohnten Gegenden des Nildeltas.

Die Kellia als willentliche Gründung Das Anachoretentum in seinem ursprünglichen Sinn und Verständnis als Absonderung eines Einzelnen von der Oikumene, das heißt von den bewohnten Gegenden im Niltal, und der damit verbundene Rückzug in die vollkommene Abgeschiedenheit unbewohnter Gegenden hat sich in der geschichtlichen Wirklichkeit nicht als stabile Einrichtung erwiesen. Bedeutenden Persönlichkeiten unter den Anachoreten haben sich alsbald Männer angeschlossen, die deren Beispiel folgten, und wo sich Schüler um einen Meister zu scharen begannen, war die Anachorese im strikten Sinne bereits aufgehoben. Man wird Amun und Makarios dem Ägypter deshalb nicht unterstellen dürfen, sie hätten die Gründung von Mönchssiedlungen in Nitria und in der Sketis beabsichtigt. Diese sind dadurch entstanden, dass ihnen Männer in die Wüste gefolgt sind, die unter ihrer Anleitung Mönche werden wollten. Die Entstehung der Kellia im Jahre 338 war insofern ein Novum, als dabei erklärtermaßen eine Ansiedlung von Eremiten geplant wurde. Die Kellia stellten eine von Amun und Antonios Eremita bewusst vollzogene Gründung dar, die bereits nach dem


EINFÜHRUNG

Abbildung

Übersicht Mareotis-See bis Sketis: Mönchssiedlungen in der nitrischen und sketischen Wüste westlich des Nildeltas; mutmaßliche spätantike Ausdehung von See und Verlandung. Olivia Aloisi, Kunsthistorisches Institut der Universität Zürich, nach Vorlagen von Franz Wadsack


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späteren Muster byzantinischer Klostergründungen mit der Errichtung eines Kreuzes, der sogenannten Stavropegia, vollzogen wurde. Es handelt sich dabei um den ältesten überlieferten Gründungsakt einer monastischen Niederlassung. Von den Kellia gibt uns die Historia monachorum in Aegypto eine anschauliche Beschreibung: »Neben diesem Ort [Nitria] gibt es noch einen anderen in der inneren Wüste, etwa zehn Meilen von jenem entfernt, den man Kellia nennt wegen der großen Zahl von Zellen, die dort in der Wüste verstreut liegen. Dorthin haben sich jene zurückgezogen, die zuerst in Nitria als Mönche gelebt haben und die ein Leben in größerer Zurückgezogenheit führen wollen. Die Wüste dort ist riesig und die Zellen liegen so weit auseinander, dass sie sich weder sehen, noch die Stimme des anderen hören können. Jeder lebt in einer Zelle. Tiefes Schweigen und eine große Ruhe herrschen dort. Nur am Samstag und Sonntag versammeln sie sich in der Kirche, und dort treten sie einander gegenüber, als ob sie vom Himmel zurückkämen. Wenn einer von ihnen bei der Versammlung fehlt, so nehmen sie an, dass er krank sei, und sie besuchen ihn, aber nicht alle aufs Mal, sondern nacheinander, und jeder bringt ihm etwas mit, was er zur Hand hat und was dem kranken Bruder angenehm sein könnte. Aber sonst stört keiner die Ruhe seines Nachbarn, außer er wüsste ihm einen Rat, um ihn wie einen Wettkämpfer zu ölen durch den Trost seiner Worte. Es gibt manche unter ihnen, die haben drei oder vier Meilen zur Versammlung in der Kirche zu gehen, so weit sind die Zellen, wo sie wohnen, auseinander gelegen.« Aus der Anachorese eines einzelnen Mönchs wie Amun und Makarios oder aus der gezielten Ansiedlung von Mönchen wie bei den Kellia entwickelten sich lose Gemeinschaften von einzeln oder in kleinen Gruppen zusammenlebenden Eremiten mit einer Kirche als Zentrum. Die Woche verbrachten die Mönche getrennt von ihren Mitbrüdern in ihrer Eremitage; nur am Samstag und am Sonntag versammelten sie sich in der Kirche zu einer gemeinsamen Mahlfeier sowie zum eucharistischen Gottesdienst. Guillaumont hat das Leben dieser Eremiten treffend als eine ausgewogene Verbindung von Abgeschiedenheit und Gemeinschaftlichkeit charakterisiert.


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Abbildung Typischer Grundriss einer Eremitage, Qusur el-Izeila (QIz ), erste Hälfte des . Jahrhunderts; Wohn- und Arbeitsbereich für einen Altvater und seinen Schüler. Cassian überliefert die Kritik an immer größeren Kellia in coll. , . Grundriss entnommen aus: Georges Descoeudres, Zur Entstehung einer Repräsentationshaltung im monastischen Gebet am Beispiel der Kellia, in: Ägypten und Nubien in spätantiker Zeit, Akten des . Internationalen Koptologenkongresses Münster , Bd , Wiesbaden , S.


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Hof und Garten – Vestibül Gang Oratorium Wohn- und Schlafraum des Abbas Kleine Kammer zusätzlicher Raum, nach Bedarf genutzt Wohn- und Schlafraum des Schülers Kleine Kammer Arbeitsraum Küche Toiletten


EINFÜHRUNG

Die Behausung der Mönche wird in den Quellen als monasterion oder als kellion bezeichnet; die Benennung als Eremitage ist hingegen neuzeitlich. Der griechische Begriff monasterion meint im 4. und 5. Jahrhundert die Behausung eines Einzelnen und leitet sich von monachos, Mönch, ab. Johannes Cassian verwendet die latinisierte Form monasterium in gleicher Weise. Die Bedeutung im Sinne der Wohnstätte einer gemeinschaftlich (koinobitisch) lebenden Mönchsgemeinschaft, was wir heute unter einem Kloster verstehen, entwickelt sich erst im Mittelalter. Der Begriff Kellion meint eine Zelle. Das kann eine Höhle sein – Felshöhlen gibt es allerdings nur in der Sketis – oder ein von den Mönchen erbautes Lehmhaus, das zumeist mehrere Räume umfasste (Abb. 2). »Wenn es sich traf, dass die Zahl derjenigen, die gekommen waren, um gerettet zu werden [die Mönche werden wollten], groß war, so versammelte sich die ganze Gemeinschaft der Brüder, und der eine schaffte Ziegel herbei, der andere Wasser, so dass die Zellen in einem Tag fertiggestellt waren.« Diese Darstellung aus Nitria in der Historia monachorum in Aegypto ist etwas verkürzt, denn der Bau einer Eremitage mit der Herstellung und Trocknung der Lehmziegel dürfte deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen haben. Wie wir aus den Ausgrabungen in den Kellia wissen, waren die Räume zur Zeit des Johannes Cassian in den Boden eingetieft und mit flachen Gewölben überdeckt, die an der Oberfläche der Wüste sichtbar waren. Vor dem Eingang gab es einen offenen Hof, der zum Schutz vor Wind und Sand von einer Lehmmauer umgeben war. Topographische Aufnahmen in den Kellia haben gezeigt, dass sich in der anfänglich aus weit verstreuten Eremitagen bestehenden Siedlung in Laufe der Zeit mehrere Agglomerationen herausbildeten (Abb. 3). Diese wurden – aus mangelnder Kenntnis möglicher historischer Bezeichnungen – von den Archäologen mit den geläufigen lokalen Flurnamen beduinischen Ursprungs benannt. Die beiden größten Siedlungsteile sind die Qusur er-Rubaiyat (QR) im Westen und die Qusur Isa (QIsa) im Osten, an deren Rand sich kleinere Gruppierungen von Eremitagen befinden. Dazwischen ist die mittelgroße Agglomeration der Qusur el-Izeila (QIz) situiert, welche im Laufe ihres Bestehens insgesamt rund 150 Eremitagen umfasste.


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