Paisij velickovskij lilien des feldes über die gebote gottes und die heilien tugenden

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INHALT

Vorwort des Übersetzers

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I. Wer war der Begründer dieser großen geistlichen Bewegung? ͥ II. Die Grundzüge der geistlichen Unterweisung im paisianischen Starzentum ͟͞ Die Leidenschaften ͟͞ Umkehr ist Kampf ͟​͟ Der Weg der Reinigung und die Hilfsmittel ͟͡ Memento mori ͟͡ Das Fasten im rechten Maß ͟͢ Das unaufhörliche Gebet, die andauernde Vereinigung mit Gott im Heiligen Geist ͤ͟

Vorwort der russischen Ausgabe

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Lilien des Feldes, oder: Herrliche Blumen, mit kurzen Worten aus der Heiligen Schrift gesammelt

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Vorwort des Übersetzers »Wo der Mensch nur auf Durchsetzungskraft, nützliche Leistung und Wohlverhalten ausgerichtet wird, bleibt sein eigentliches Menschsein im Schatten. Heute drängt nun der Mensch, der eigentlich gemeint ist, ans Licht und verlangt nach Anerkennung und Führung. Wer aber kann die Führung übernehmen? Nur wer in eigener Erfahrung um den himmlischen Ursprung des Menschen weiß und dieses Wissen im anderen zu bestätigen oder zu wecken und zur Antriebskraft zu einem neuen Leben zu machen vermag!«1 Auch in unserer Zeit ertönt der Ruf nach geistlicher Führung, der Ruf nach dem Meister, der sein eigenes Leben gemeistert hat. Das vorliegende Buch, das als deutsche Ausgabe lange vergriffen war, ist der Versuch, einen Zugang zu den Grundlagen der asketischen Unterweisung des Starzentums zu eröffnen. Ein Starez (wörtlich übersetzt »der Alte«) ist ein Meister, der aus eigener Erfahrung durch lange intensive Bemühung im geistlichen Leben jungen Mönchen wie auch Laien den Weg zu Gott weisen kann. Diese Einrichtung der »geistlichen Vaterschaft« gab es wohl immer schon in den Klöstern, besondere Bedeutung erlangte sie aber durch die von Paisij Veličkovskij hervorgerufene Renaissance. Sein eigentliches Erbe übernahm die Optina-Einsiedelei bei Kaluga in Russland, in der eine ganze Reihe berühmter Starzen bis in das beginnende 20. Jahrhundert wirkte. Welchen Einfluss, abgesehen von den unzähligen namenlosen Bauern, die 1

Karlfried Graf Dürckheim, Vom doppelten Ursprung des Menschen, Herder-Bücherei Nr. 480, Freiburg im Breisgau 1973, 216

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oft sogar aus Sibirien ihren Weg dorthin suchten, die Starzen dieses Klosters hatten, sehen wir, wenn wir nur einige der bekannten Persönlichkeiten nennen, die mehr oder weniger in Verbindung mit dem Kloster waren: Die Dichter A. K. und A. N. Tolstoij, Kireevskij und Chomjakov, die Begründer des Slavophilentums, die Philosophen Solovev, Bulgakov, K. Leontev, die Dichter Dostoevskij, dessen Starez Sosima im sechsten Buch der »Brüder Karamasov« den Starez Amvrosij (1812–1891) beschreibt und Lev N. Tolstoij, der 1910 auf der Reise zu Starez Iosif, dem Schüler Amvrosijs, unweit der Optina-Einsiedelei starb.

I. Wer war der Begründer dieser großen geistlichen Bewegung? Petr (wie Paisij mit seinem weltlichen Namen heißt ) Veličkovskij war ein äußerst moderner Mensch. Sensibel, innerlich am Anfang zerrissen, geht er doch den langen Weg geistigen Suchens unter großen Schwankungen. Geboren am 21. Dezember 1722 in einer Priesterfamilie in der Stadt Poltava, wuchs er im Familienkreise auf. Nach den Vorschriften seiner Zeit begann er sein Studium mit dem Lesen des Psalters und der Stundenbücher. Er vertieft sich aus Interesse immer mehr in die Heilige Schrift und die Lebensbeschreibungen und Werke der heiligen Väter. Von diesen asketischen Texten ist er schon stark geprägt, als er mit dreizehn Jahren in der »Brüderschaftsschule« in Kiev zum Studium aufgenommen wurde. Seine Mutter wollte, dass der jüngste Sohn wie seine Ahnen auch Priester werde, damit er die Pfarrei seines verstorbenen Bruders, wie es damals Sitte war, übernehmen konnte. Petr lernt an der Kiever Schule die humanistische Bildung nach westlichem Vorbild kennen und ist von dieser »heidnischen Weisheit« zutiefst enttäuscht. Nach drei Jahren flieht er von der Schule ͥ

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nach einem dramatischen Abschied von der Mutter, die sich von ihm die Altersversorgung erhofft hatte. Er sucht nun in den verschiedenen Klöstern Kleinrusslands und der Moldau, was er an der Schule nicht fand – einen Führer in das geistliche Leben. Er selbst schreibt über diese Zeit: »In der jetzigen schlimmen Zeit, die des Flehens und Weinens wert ist, fehlt es an solchen Führern, und wenn im Gemeinschaftsleben ein Mönch das Wohlgefallen Gottes erringen will, ist ihm Gott selbst und das Lesen in den Büchern der heiligen Väter Lehrer und Führer ... Du musst wissen, lieber Freund, als ich die Welt hinter mir ließ, um mit ganzem Eifer zu Ehren Gottes mich dem Mönchsleben zu weihen, wurde ich in jungen Jahren weder einer gesunden und richtigen Unterweisung noch auch nur eines Rates oder Hinweises von irgendjemandem nach der Lehre der heiligen Väter gewürdigt. In einem einsamen Kloster nahm meine Mönchslaufbahn nach der unaussprechlichen Barmherzigkeit Gottes ihren Anfang. Aber weder empfing ich den erforderlichen Unterricht, noch begriff ich überhaupt, was Gehorsam ist, wie und in welchem Sinne er erzeigt werden soll und welchen verborgenen Nutzen er in sich schließt. Nicht der Hegumenos selbst und nicht mein geistiger Taufvater und Starez haben mir dabei eine nützliche Belehrung gegeben. Sie haben mich geschoren und eingekleidet ... und haben mich ohne jede geistige Führung gelassen. Mein Taufvater blieb, nachdem ich eingekleidet war, nur noch eine Woche im Kloster, dann ging er fort – wohin, ist mir bis heute unbekannt –, und er sagte nur: ›Bruder, du bist im Lesen erfahren – lebe, wie Gott dich lehrt!‹«2 1746 geht Paisij auf den Berg Athos, um einen Lehrmeister zu finden – und findet auch dort keinen mehr. Vielleicht klingt diese bittere Erfahrung nach, wenn er in den »Lilien des Feldes« sagt:

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Brief Paisijs an den Priester Dimitrij, zit. bei I. Smolitsch, Leben und Lehre der Starzen, Köln, 2. Auflage 1952, 101

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»In den heutigen Zeiten muss der Mensch sich selbst lehren, er muss sich selbst zu jeder Tugend führen ... Wenn wir uns selbst retten, dann ist es für uns schon genug ... Anstatt um viele sollen wir uns um uns sorgen. Heutzutage nehmen manche Leute nicht die gute Lehre an und das Leben nach Väterart; noch mehr, sie lachen über die, die sich bemühen: sie leben nach ihrem eigenen Willen und wählen sich ihnen ähnliche Führer. Manche haben daher sich selbst dadurch zugrunde gerichtet, dass sie andere unterwiesen: durch eine solche Unterweisung anderer zerstören wir die eigene Grundlage und lassen die Wärme des Geistes erkalten.« (Wort 33) Das ernsthafte Bemühen Paisijs (wie er von nun an mit dem Mönchsnamen heißt) wird bekannt, und nach und nach sammeln sich um ihn Schüler, die im geistlichen Leben unterwiesen werden wollen. Auf ihr Drängen hin lässt er sich zum Priester weihen.1763 verlässt er mit 60 Brüdern den Athos und geht in das Kloster Dragomirna in der Moldau. Das Chorgebet ist zweisprachig, rumänisch und russisch, während des Winters, Advent bis Karwoche, werden abendliche geistliche Konferenzen gehalten: Lesung asketischer Schriften mit anschließender Auslegung. Nach dem russisch-türkischen Krieg 1774 fällt das Gebiet an Österreich, und Paisij übersiedelt mit der Brüderschaft in das Kloster Secu. 1779 überlässt man Paisij zudem noch das reich begüterte Kloster Neamt. In den nun folgenden letzten fünfzehn Jahren seines Lebens wächst die Gemeinschaft ungemein stark an. 700 Mönche leben in Neamt, 300 in Secu. Beide Klöster werden von Paisij geleitet. Ein ganzer Stab von Mitarbeitern, Abschreibern und Kritikern arbeitete unter Paisij an der Durchsicht asketisch-mystischer Schriften aus den Glanzperioden byzantinischer Literatur und deren Übertragung die in kirchenslawische Sprache.3 3

Die wichtigste Errungenschaft war wohl die Übersetzung der »Philokalie«, einer umfangreichen Zusammenstellung geistlichen Literatur, die 1793 in St. Petersburg erschien und heute noch große Bedeutung hat.

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Das mystisch-asketische Leben zeigt sich aber auch sozial in einer umfassenden karitativen Tätigkeit, der Errichtung von Hospitalen und Asylen. Die Schüler Paisijs tragen diese Erneuerung des geistlichen Lebens weiter, ein ganzes Netz von Schülern überzieht Russland. Paisij selbst arbeitet unermüdlich, obwohl er schwer erkrankt ist. Weithin bekannt und verehrt wegen seiner Wahrgesichte, Wundertaten und Heilungen stirbt er am 15. November 1794.

II. Die Grundzüge der geistlichen Unterweisung im paisianischen Starzentum Um andere zu retten, muss man selbst gerettet sein. Die Starzen besaßen diese ungeheure Ausstrahlung, weil sie selbst Entsagende waren und vom Leben nichts verlangten. Sie liebten selbstlos, ohne Berechnung. Sie verzichteten auf sich selbst und verweilten andauernd bei Gott. Ihr Geheimnis war das andauernde geistige Stehen vor dem Antlitz des Herrn in Furcht und Liebe, begleitet von der Wärme des Herzens. Sie lebten in der ununterbrochenen Gegenwart Gottes und waren selbst ein Tempel des Heiligen Geistes. Alle asketischen Übungen, alle Tugenden, alle Gebete sind nur Mittel, um das Ziel des christlichen Lebens zu erreichen: den Heiligen Geist zu bekommen. Welchen Weg gingen die Starzen zu dieser unmittelbaren Gottesbeziehung? Die Leidenschaften

Am Beginn des Weges zu Gott findet sich der Mensch von den Leidenschaften gefesselt vor. Leidenschaften sind nicht bloße Gefühle, Ausdruck der Zuneigung oder Abneigung, sie sind vielmehr Zwänge, Süchte, alle jene Zustände, die den Menschen versklaven und ihn auch gegen seinen Willen zum Bösen treiben. Nur aber ͟͞

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wer ein reines Herz hat, wird Gott schauen und ähnlich werden: »Vor allem muss man das Haus des Königs von jeglicher Unsauberkeit reinigen und es mit Schönheit schmücken, dann erst kann man den König hereinführen. Mit einem ähnlichen Bild muss man zuerst die Erde des Herzens reinigen und das Dornengestrüpp der Sünde – die Werke der Leidenschaft – ausreißen, sie durch Leiden und Mühen erweichen, den Samen der guten Werke säen und mit Tränen und Weinen begießen. Dann beginnt die Frucht emporzuwachsen, die Freiheit von der Herrschaft der Leidenschaften und das ewige Leben. Denn der Heilige Geist nimmt nicht Wohnung, solange der Mensch nicht von den Leidenschaften der Seele und des Körpers befreit ist. Nur einer kann im Innern des Menschen leben: der Heilige Geist oder die Leidenschaften ... Vor allem aber muss man die Selbstsucht, die sich in allen möglichen Wünschen nach Dingen dieser Welt zeigt, davonjagen und sein egoistisches Ich durch jede mögliche Art von Reue vernichten.« (Wort 19) Die Leidenschaft, die Abhängigkeit von Süchten, wird als Prozess geschildert, langsam verändert sie wie eine schleichende Krankheit den ganzen Menschen. Tugend und Leidenschaft werden als Wege gesehen. Schon im 4. Jahrhundert wird von Evagrius Ponticus ein eigenes Schema entwickelt, wie die Leidenschaften zusammenhängen. Dieses Schema wird auch von Paisij getreu wiedergegeben: Unmäßigkeit, Unzucht, Habgier, Zorn, Traurigkeit, Trägheit, Eitelkeit, Überheblichkeit. Umkehr ist Kampf

Gegen die Leidenschaften gibt es nur den Kampf in Demut, Gehorsam und Gebet. Nicht umsonst wird der Aufstieg zu Gott ein Kampf genannt, der Weg der Tugend ist eine »Heldentat«, der Asket ist ein »Gotteskämpfer«, ein Held. Das größte Hindernis auf diesem Weg zu Gott ist das Selbstmitleid im Kampf. Man muss ͟​͟

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sich Zwang antun, man muss sein eigensüchtiges Ich zurückdrängen, man muss sich Mühe geben, man muss unablässig kämpfen. Man muss sich auch zum Gebet zwingen. Dieser Weg beginnt gleichsam mit dem Todeskampf des Weizenkorns, das in die Erde fallen muss, um Frucht zu bringen. »Wer stirbt, ehe er stirbt, der stirbt nicht mehr, wenn er stirbt.« Dieser Kampf umfasst jeden Tag, besonders den Alltag. Auch in den kleinsten Einzelheiten des Lebens muss man versuchen, sich treu zu erweisen, auch seinen Alltag muss man in den Dienst des Herrn stellen. Einen großen Raum nimmt in diesem Kampf der Kampf gegen die Dämonen ein. Vermutlich wird sich gerade an diesem Punkt der Widerspruch des modernen Lesers entzünden. Die Worte über den Kampf mit den Dämonen wollen keine theoretischen Reflexionen sein, sie sind Hilfsmittel und Anleitung. Unbestreitbar bleibt aber, dass für die Starzen die Dämonen erfahrbare Realitäten waren. Vater Serafim von Sarov, einer der berühmtesten Starzen, erzählte selbst seinen Mitbrüdern, wie er oft mitten in der Nacht während des Gebetes sah, dass die Wände der Hütte verschwanden und wilde Tiere sich unter Brüllen auf ihn stürzten. »Ein Mönch fragte ihn einmal: ›Väterchen Serafim, hast du die bösen Geister gesehen?‹ ›Schauerlich sind sie ...‹ – sagte der Starez lächelnd. ›Wie es dem Sünder nicht möglich ist, das Licht der Engel zu ertragen, so ist es auch furchtbar, die bösen Geister anzusehen.‹«4 Die gleichen Phänomene finden wir übrigens im Leben des Pfarrers von Ars, Johannes Vianney, der sich sogar noch an die Uhrzeit erinnert, als er das erste Mal dem Bösen von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Paisij betont allerdings immer wieder, wie machtlos und schwach die Dämonen gegenüber dem Beter sind. Gerade an diesem schmutzigen Kontrast zeigt sich die Größe der Liebe Gottes: »Freut euch nicht darüber, dass die Dämo4

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nen euch untertan sind, freut euch vielmehr, dass eure Namen in den Himmeln aufgeschrieben sind.« (Lk 10,20) Der Weg der Reinigung und die Hilfsmittel

In diesem Kampf beschreibt Paisij zehn Hilfsmittel: Glaube, Liebe, Fasten, Enthaltsamkeit, Wachen, Demut, Schweigen, Uneigennützigkeit, das rechte Urteil, das Jesus-Gebet. Das sind die Werke, die von uns verlangt werden, die Hauptsache ist jedoch die Gnade Gottes, die in und an uns wirkt. »Wo die Gnade ist, die Quelle des Lebens, dort fließen die Tugenden aus dem Herzen selbst. Wenn der Heilige Geist gekommen ist, dann wird jede Mühe leicht und das unaufhörliche Gebet geht vom Herzen aus, die Augen vergießen andauernd Tränen, dabei wird der Geist ganz durchleuchtet, es kommt das klare und nüchterne Urteil, denn der Heilige Geist wirkt dann im Innern des Menschen. Wer sich aber den Leidenschaften überlässt, bei dem vermehren sich auch die Leiden ...« (Wort 4) Memento mori

Der Weg der Reinigung des Herzens und der Seele beginnt bei Paisij mit einem Memento mori. Der Mensch muss die Relativität und Vergänglichkeit der Welt erkennen, er darf sich nicht in diese Welt verlieren und an sie verkaufen, dann erst kann sie ihm ein Weg zu Gott werden: »Umsonst verliert sich der Erdbewohner in seinen Sorgen ... Meine Brüder, wir wollen um die Kürze unseres Lebens wissen und um die Nichtigkeit unserer Zeit ... Wir wollen das Geschwätz dieser Welt hinter uns lassen und die nutzlosen Sorgen dieses Lebens ... Nichts begleitet uns ins Grab, nur die guten Werke werden kommen und uns verteidigen ...« (Wort 3)

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Das Fasten im rechten Maß

Das Fasten soll den Leib nicht bekämpfen und unbrauchbar machen, sondern ihn zum rechten Werkzeug gestalten: »Ist der Leib kraftlos, dann muss man Nahrung zur Sättigung zu sich nehmen und selbst gar nicht auf die anderen Asketen achten, ob sie nun viel oder wenig fasten. Schau und beurteile selbst deine Schwäche, wie viel du aufnehmen kannst. Für jeden ist das Maß und der innere Lehrer – sein eigenes Gewissen.« (Wort 8) Das ausgewogene Maß ist überhaupt die Richtlinie dieses Kampfes: »Es können nicht alle eine Regel und dieselbe Askese halten, die einen sind stark, die anderen kraftlos. Lerne daher dein Maß gut kennen!« Demut und Bescheidenheit, Ruhe und Schweigen retten den Menschen, denn wer »sich in der Hand hat und die Zunge in seiner Gewalt, der beherrscht auch seinen ganzen Körper ... Mit viel Mühe erbaut der Mensch das Haus des Geistes, du aber Zunge, reißt es mit einem Wort, in einer Stunde nieder« (Wort 13). Die Uneigennützigkeit bewahrt den Menschen vor der »Angeberei unseres Jahrhunderts, vor Zorn und Gemütskälte, die den Menschen zu einem reißenden Tier macht« (Wort 14). Sehr wichtig ist das »wohl abgewogene Urteil in jeder Sache, denn der Mangel an Urteilsfähigkeit führt das Gute zum Bösen und verdirbt es« (Wort 15). Man darf sich nicht in den Sorgen dieser Welt verlieren: »Nirgends steht geschrieben, dass verlassen wurde, wer auf Gott vertraut. Wenn wir in der Hoffnung auf Gott leben – und sei es nur einen Tag, so ist es doch besser, als jahrelang mit geteilter Seele zu leben.« (Wort 25) Das mächtigste Hilfsmittel aber ist das Gebet. Das Gebet hat verschiedene Stufen. Am Anfang stehen das Bemühen und das Hören auf den Meister. Der Weg führt weiter über das in Aufmerksamkeit vollzogene offizielle Gebet der Kirche, über die »Gebetsregel«. Erst darüber hinaus eröffnet sich das unaufhörliche ͟͢

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Gebet durch das Jesus-Gebet. Diese verschiedenen Gebetsstufen sind dem geistlichen Wachstum vergleichbar. Sie müssen ähnlich der körperlichen Reife Schritt für Schritt durchlaufen werden, denn auch im geistlichen Leben gibt es keine geheimen Abkürzungswege. Paisij mag seine Belehrungen an verschiedene Hörerkreise gerichtet haben. Manche seiner »Worte« setzen viel Verständnis und Kenntnis voraus, während andere ganz allgemeine Belehrungen sind. Eine besondere Rolle spielt im Gebetsleben das Jesus-Gebet.5 »Das Jesus-Gebet befreit uns von allem, nur nicht von Jesus selbst«, lautet ein oft zitierter Spruch der Väter. Es ist die mächtigste Waffe gegenüber Dämonen, Krankheiten und Leidenschaften, wird doch hier Gott selbst, der Allmächtige, der Vater angerufen. Man soll das Gebet in der Nüchternheit des Herzens sprechen, ohne sich von anderen Gedanken ablenken zu lassen. Das ist das eigentliche Tun des Geistes: Seine Aufmerksamkeit auf Gott zu richten von Angesicht zu Angesicht: »Wenn jemand mit den Lippen betet, im Verstand aber nachlässig ist, dann müht er sich umsonst, denn Gott achtet auf den Geist, nicht auf die vielen Worte. Das verständige Gebet erlaubt dem Geist kein Herumträumen oder unreine Gedanken ... Wer sich nicht an das verständige Jesus-Gebet gewöhnt, der kann das unaufhörliche Gebet nicht haben. Wenn sich aber einer so an das Gebet gewöhnt, dann fließt einer Quelle gleich dieses Gebet jeden Orts, bei jeder Tätigkeit, zu jeder Zeit, ob er schläft oder wacht.« (Wort 11)

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Berichte über Erfahrungen mit dem Jesus-Gebet siehe zum Beispiel in: Sergej N. Bolšakov: Auf den Höhen des Geistes – Beter des Jesusgebetes in den Klöstern und in der Welt, Quellen der Spiritualität, Band 7, Münsterschwarzach 2012.

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Das unaufhörliche Gebet, die andauernde Vereinigung mit Gott im Heiligen Geist

Hier verlassen wir den Weg der Reinigung, denn das unaufhörliche Gebet ist ein reines Geschenk von Gott: es ist das Gebet des Geistes Gottes selbst, der in uns Abba, Vater ruft (Röm 8,15), der selbst für uns in unaussprechlichen Seufzern eintritt, wenn wir nicht wissen, wie wir beten sollen (Röm 8,26). Es ist spürbare Gegenwart des Heiligen Geistes, die sich in den Früchten zeigt: Friede, Freude, Liebe, Sanftmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Selbstbeherrschung (Gal 5,22). Über dieses Erleben allerdings hüllen sich die meisten Beter in Schweigen. Es sei nur ein Zeugnis angeführt, das Gespräch Gregor des Sinaiten (gestorben 1346) mit Maximus dem Hagioriten. Maximus der Hagiorite berichtet: »An einem Tag kam ich wie gewöhnlich in die Kirche und betete zu ihr [der Gottesmutter, Anmung des Übersetzers] mit der grenzenlosen Glut meines Herzens. Als ich voll Liebe ihre heilige Ikone küsste, da spürte ich plötzlich in der Brust und im Herzen eine sonderbare Wärme und ein Feuer, das von der heiligen Ikone ausging, mich aber nicht brannte, vielmehr erfrischte und meine Seele ergriff. In diesem Augenblick begann mein Herz aus seinem tiefsten Grund heraus das Gebet zu sprechen und mein Geist empfing neue Kraft. Auch jetzt verbleibt mein Herz immer in diesem Gedenken. Seit jener Stunde hört das Gebet in meinem Herzen nicht mehr auf.«6 Das Erstaunliche an diesem Gespräch im weiteren Zusammenhang ist, dass sich Maximus eigentlich verteidigt – er ist nämlich Laie. Er beruft sich auf Joel 2,28f. Der Geist Gottes wird sich in den Endzeiten auf alle ausgießen. Es ist Pfingsten, das neu und persönlich erlebt wird!

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Vielleicht sollte man die »Lilien des Feldes« auch unter diesem Gesichtspunkt lesen. Wohl richten sich viele der Anweisungen an Mönche, aber gerade die berühmtesten geistlichen Väter haben den Wirkungskreis des Klosters weit überschritten. Das Ziel eines jeden christlichen Lebens ist das Erlangen des Heiligen Geistes. Vater Serafim von Sarov hat in seinen Unterweisungen gerade dies immer betont: »Vater Serafim sagte mir, dass die Klöster der Ort für die ›höchste geistliche Vollkommenheit‹ seien, das heißt für die Leute, die das Gebot erfüllen wollen: ›Wenn du vollkommen sein willst, verlass alles und folge mir nach‹.« Aber die Erfüllung aller anderen vom Herrn genannten Gebote ist eine Verpflichtung für jeden Christen, mit anderen Worten, ein geistliches Leben zu führen ist sowohl für den Mönch als auch für den Menschen im Familienstand eine unbedingte Notwendigkeit. Der Unterschied in der Stufe der Vollkommenheit, der sehr groß sein kann, kann auch nur sehr klein sein ... Das geistliche Leben besteht in der Erlangung des Heiligen Geistes Gottes durch den Christen und es beginnt erst von dem Augenblick an, wenn Gott der Herr, der Heilige Geist, vielleicht nur wenig und kurz, den Menschen zu besuchen beginnt. Bis zu dieser Zeit führt der Christ, ob Mönch, ob Laie, nur das Leben eines Durchschnittschristen. Obwohl im Evangelium gesagt wurde, sprach Vater Serafim, dass »es unmöglich ist, für Gott und den Mammon zu arbeiten« und »es für den Reichen schwer ist, in das Himmelreich einzugehen« – so eröffnete mir doch der Herr, dass durch den Sündenfall Adams der Mensch vollkommen verwirrt wurde und in seinem geistlichen Urteil ganz einseitig wurde, denn ebenso wird im Evangelium gesagt: »Was für den Menschen unmöglich ist, ist für Gott möglich.« Darum wird der starke Gott den Menschen belehren, wie er ohne Untergang der Seele im Geiste Gott dienen und sich doch in den Bedingungen des weltlichen Lebens befinden kann. »Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.«7 7

Gespräch des hl. Serafim von Sarov über das Ziel des christlichen Lebens, San Francisco, 1968, 60

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Der Heilige Geist ist der Jubel zwischen Vater und Sohn, der Geist der Gemeinschaft, die Gott jedem schenkt, der ihn darum bittet (Lk 11,13). »Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich zu ihm hineingehen und das Mahl mit ihm halten und er mit mir.« (Offb 3,20) Die vorliegenden Unterweisungen wollen die Augen und Ohren des Geistes schärfen, um Gott besser finden zu können, sie wollen zeigen, wie man die Tür öffnen kann. Freilich muss man den Weg zu Gott auch leben, um Gott selbst zu erleben – und hierin liegt der Grund, dass die Starzen lehrten, dass man Gott in Freude dienen kann. P. Bonifaz Tittel OSB, Wien am Todestag Paisijs, 15. November 2013

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Archimandrit Paisij Veličkovskij

Lilien des Feldes oder: Herrliche Blumen, mit kurzen Worten aus der Heiligen Schrift gesammelt Über die Gebote Gottes und die heiligen Tugenden

Паисий Величковский

Крины сельные или цветы прекрасные, собранные вкратце от Божественного Писания. О заповедях Божиих и о святых добродетелях

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WORT 1

Kurze Darlegung der Gedanken, die zur Buße hinführen sollen Gedenke, meine Seele, dieses furchtbaren und entsetzlichen Wunders, dass dein Schöpfer deinetwegen Mensch wurde, deiner Rettung wegen leiden wollte. Vor Ihm zittern Engel, geraten die Cherubim in Schrecken und die Seraphim in Angst. Alle Gewalten des Himmels preisen Ihn unaufhörlich, du aber, unglückliche Seele, verharrst in deiner Trägheit. So stehe doch wenigstens jetzt auf und verschiebe nicht, meine liebe Seele, die heilige Buße, die Reue des Herzens und die Genugtuung der kirchlichen Buße um deiner Sünden willen. Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag um Tag schiebst du es auf, willst gar nicht von Herzen umkehren und findest doch keinen, der sich deiner erbarmte. Mit welcher Mühe beginnst du umzukehren, doch ohne Erfolg. Hast du heute die Möglichkeit, etwas Gutes zu tun, dann schiebe, meine liebe Seele, die Buße nicht auf morgen, da du ja nicht weißt, was der heutige Tag noch bringt, oder welches Unglück dir in dieser Nacht zustößt. Du weißt ja doch nicht, was dir Tag oder Nacht bringen: steht dir ein langes Leben bevor oder empfängst du plötzlich, ganz unerwartet, in Bälde einen bitteren Tod? Jetzt, meine liebe Seele, ist die Zeit zur heiligen Buße; jetzt, meine Seele, ist die Zeit der Geduld; jetzt ist die Zeit, Mühen zu ertragen; jetzt ist die Zeit, die Gebote zu bewahren und die guten Werke zu tun; jetzt ist die Zeit des wohltuenden Weinens und des tränenreichen Klagens. Wenn du wirklich gerettet werden willst, meine Seele, dann fange an, die Mühen zu lieben, das Aufstöhnen, wie du vorher die Ruhe geliebt hast; lebe, als ob du täglich sterben würdest; bald ist ja dein Leben vorbeigegangen wie der Schatten der Wolke vor der Sonne und keine Kunde bleibt von dir; die Tage unseres Lebens lösen sich wie ͢͠

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in Luft auf; weiche nicht auch vor schwerstem Leid. In der Beziehung zu den Leuten, sei es in bewussten wie unbewussten Leiden, überlass dich nicht der Traurigkeit, lass dich nicht verwirren, fliehe nicht, halte dich wie für Staub unter ihren Füßen. Ansonsten kannst du nicht gerettet werden und der ewigen Qual entfliehen. Bald geht unser Leben zu Ende, wie ein Tag vorübergeht. Wenn ein Mensch sich nicht ganz für die guten Werke aufreibt oder sein Leben nicht für die Erfüllung der Gebote Gottes und der Überlieferung der Väter opfert, kann er nicht gerettet werden. Meine liebe Seele, erinnere dich doch aller heiligen Propheten, Apostel, Märtyrer, Bischöfe, der Heiligen und Gerechten, der Narren in Christo und aller, die seit Ewigkeit den Willen Gottes getan haben. Wo hast du Heilige gefunden, die nicht das Fleisch dem Geist unterworfen haben oder unter schwerer Not und grausamen Leiden gelitten hätten? Sie haben die Dunkelheiten des Elends angenommen, Leidenschaft und Begierde erduldet, Tag und Nacht in Wachen und Gebet verbracht, besaßen ein demütiges und zerschlagenes Herz, kindliche Offenheit, ein Herz voll Güte, sie halfen den anderen in Leid und Not, nach Möglichkeit schenkten sie ihre Gaben her. Was sie für sich selbst nicht wollten und was sie verabscheuten, das taten sie auch dem anderen nicht. Wie gekaufte Leibeigene arbeiteten sie im Gehorsam nicht wie für einen Menschen, sondern wie für Gott. In weiser Einfachheit schienen sie doch nicht weise, unwissend, und doch richteten sie ihre Aufmerksamkeit nur auf ihre Rettung. O Mensch! Der Tod steht vor dir. Wenn du kämpfst, wirst du des ewigen Lebens in der Zukunft würdig sein. Durch nur jede mögliche Anstrengung erwirbt man sich die Tugend. Wenn du daher die Leidenschaften besiegen willst, dann wirf die süßen Genüsse weg. Wenn du nur dem Essen nachläufst, dann wirst du dein Leben in Leidenschaften verbringen. Die Seele kommt nicht zur Ruhe, wenn dem Leib nicht das Brot entzogen wird, man kann die Seele nicht vor dem Untergang retten, wenn man seinen ͣ͠

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Leib vor Unangenehmen bewahrt. Kehren wir daher zum Anfang zurück. Wenn du, meine Seele, dich retten willst, den schon gezeigten mühevollen Weg gehen willst, in das Reich der Himmel eintreten willst, das ewige Leben empfangen willst, dann mach deinen Körper schmal, koste die ungezügelte Bitterkeit, ertrage die schweren Leiden, wie alle Heiligen sie gekostet und ertragen haben. Wenn ein Mensch sich dazu bereitet und sich als Gesetz auferlegt, alle ihm zustoßenden Leiden um Gottes willen zu ertragen, dann zeigen sich ihm die Mühen als leicht und ohne Schmerz, auch alle Unannehmlichkeiten und Fallstricke der Dämonen und Leute. Den Tod fürchtet er nicht und nichts kann ihn von der Liebe Christi trennen. Hast du schon gehört, meine liebe Seele, wie die heiligen Väter ihr Leben verbracht haben? Ach, meine Seele! Wenn auch nur wenig, so ahme sie doch nach: hatten sie nicht viele Tränen? Ach, Leid, meine Seele! Waren sie nicht traurig, schwach, hatten einen ausgemergelten Körper? Ach, Leid, meine Seele! Litten sie nicht unter Krankheiten des Körpers, großen Wunden und klagten im Geiste unter Tränen? Ach, Leid, meine Seele! Waren sie nicht, wie auch wir, mit einem kraftlosen Körper beschwert? Ach, Leid, meine Seele! Hatten sie denn nicht diese Wünsche nach einem herrlichen, süßen und leichten Leben in dieser Welt und nach jeder Ruhe für den Körper? O ja, sie wünschten es, ihre Leiber waren aber in Wahrheit krank. In Geduld tauschten sie ihre Leiden gegen die zukünftige Freude. Ein für alle Mal schlugen sie alles ab. Sie zählten sich unter die Toten, schonungslos quälten sie sich im Kampf des Geistes ab. Siehst du nun, meine liebe Seele, wie sich die heiligen Väter mühten. Sie gönnten sich, als sie Böses erlitten, keine Ruhe, brachten Körper unter die Herrschaft des Geistes, erfüllten alle übrigen Gebote Gottes und wurden gerettet. Du aber, Arme, willst dich auf keinen Fall bezwingen, fliehst vor jeder kleinen Mühe davon, verlierst den Mut, denkst überhaupt nicht an ͤ͠

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die Stunde des Todes und weinst nicht über deine Sünden. Du bist gewöhnt, unglückliche Seele, dich krank zu essen, zu betrinken und faul zu sein. Weißt du nicht, dass du dich freiwillig der Qual übergibst? Nichts kannst du ertragen, wie willst du gerettet werden? So steh doch wenigstens jetzt auf, meine liebe Seele, tu, was ich dir sage. Wenn du dich nicht wie die heiligen Väter mühen kannst, dann fange wenigstens gemäß deiner Kraft an. Diene jedem mit Demut in der Weite des Herzens. Tadle dein Unvermögen, klage dich an und sprich: Kummer dir, meine Seele, du verfluchte, Kummer dir, du ekelhafte; Kummer dir, du ganz verdorbene, faule, oberflächliche, verschlafene, grausame; Kummer dir, du bist tot. Langsam, ganz langsam wird sie zur Ruhe kommen, die Tränen werden ihr aufsteigen, sie wird zu sich kommen und umkehren.

WORT 2

Der Kampf gegen Mutlosigkeit, Faulheit und Schwäche Wenn solches geschieht, dann erfülle deinen Geist mit Gedanken an den Tod. Gehe in Gedanken zum Grab, schau dort auf den Toten nach vier Tagen: wie er schwarz und aufgedunsen wird, unerträglichen Gestank verbreitet, von Würmern zerfressen wird, jegliche Gestalt und Schönheit verloren hat. Schau dich an einem anderen Ort um: Dort liegen im Grab Knochen von Jungen und Alten, von schönen und hässlichen Menschen. Urteile selbst: wer von ihnen war schön, wer hässlich, wer hat gefastet, war beherrscht und ein Asket und wer lebte oberflächlich dahin. Welchen Nutzen hat es den Reichen gebracht, dass sie in dieser Welt ohne Sorgen und genusssüchtig lebten? Denke dann an die endlosen Qualen, von denen die heiligen Bücher berichten: das Feuer der Hölle, die Schatten der Unterwelt, das Knirschen mit den ͥ͠

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Zähnen, der Tartarus, der unermüdliche Wurm. Stell dir vor, wie die Sünder unter bitteren Tränen aufschreien und niemand rettet sie, laut weinen, über sich klagen, aber niemand bedauert sie. Sie stöhnen aus der Tiefe ihres Herzens auf, aber niemand bemitleidet sie. Sie bitten um Hilfe, beklagen ihre Leiden, aber niemand beachtet sie. Denke daran, wie das Geschöpf auf jeden Fall, jedes zu seiner Zeit, dem Herrn, seinem Schöpfer dienen muss. Denke doch an die herrlichen Wunder, die Gott von Anfang der Ewigkeit an seinen Knechten gewirkt hat, besonders daran, wie der Herr zum Knecht wurde und um unserer Rettung willen litt und das Menschengeschlecht gesegnet und heilig machte. Für all das hebe zu dem menschenfreundlichen Gott deinen Dank empor. Denke doch an das kommende ewige Leben und an das Reich der Himmel, an den Frieden und die unaussprechliche Freude. Lass nicht ab, halte am Jesus-Gebet fest. Wenn du an all das denkst und es überlegst, wenn du all das auch tust, dann fliehen Mutlosigkeit, Faulheit und Schwäche und deiner Seele wird wie den Toten durch die Gnade Gottes neues Leben geschenkt.

WORT 3

Zu Herzen gehende Ermahnung, die jegliche Überheblichkeit und jeglichen menschlichen Stolz zunichtemacht und die Seele zu den Quellen der Tränen umkehrt Wenn du diese Ergriffenheit suchst, dann nimm diese köstliche und der Seele nützliche Belehrung über das Aushauchen deiner Seele an. Jetzt erfreust du dich an der Schönheit, Mensch, an angenehmen Äußeren, du verbringst dein Leben in wertlosem Schmuck und hoffst, angenehm so weiterzuleben, Stunde für Stunde, Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Ach Mensch! Deine Zeit geht dem Ende zu, das Leben wird weniger, langsam, ͦ͠

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