eins zu x
eins zu x von Prof. Jo Achermann
Alle Dinge, die wir sehen, stehen erstmals in Relation zum eigenen Körper. Ob ich vom Flugzeug aus die unter mir liegende Landschaft überblicke oder etwas durch die Lupe betrachte, zeigt, dass wir die eigene Körpergröße als Maß nehmen, um das Gesehene zu begreifen. Erscheint das zu Beobachtende groß oder klein, hat es mit der Distanz des Betrachters zum Wahrgenommenen zu tun. So bieten sich im Laufe des Tages stetig unterschiedliche Zusammenhänge, welche fortlaufend der Situation angepasst das Auge des Betrachters treffen. So hatten die Studierenden im 2. Semester im Studiengang Architektur und Stadtplanung die Aufgabe, in Zeichnungen und in plastischen Arbeiten diese Zusammenhänge zu verstehen und sie in den vorgegebenen Medien umzusetzen. Schon in der ersten Zeichnungsübung „Bewegungsspuren“ wurde das Maß des eigenen Körpers als Grundvoraussetzung genommen, um unter anderem die Begriffe nah und fern auf das Blatt zu bringen. Ein schönes Beispiel ist auch die Übung „Zoom“, in der beispielsweise der Wecker auf dem Tisch in der nachfolgenden Zeichnung im Raum nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Im dreidimensionalen Plastischen wird die Oberfläche der Frottage durchdrungen und nur ein kleines Stück herausgenommen und in einer vergrößerten Form dargestellt. Ein weiteres Thema, in vieler Hinsicht eine Verdichtung der Aufgabe, war die Beschäftigung mit der Kinderfilmserie aus den 1970er Jahren „Pan Tau“. Es ist eine Figur, welche sich der Situation entsprechend klein wie eine Puppe oder in menschlicher Gestalt anpassen konnte. Das führte zur Endarbeit, in der Objekte und Figuren in transparenter Folie in Übergröße ebenfalls zeichnerisch gestaltet zur Aufführung kamen.
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eins zu x
Zeichnen und Malen - Gastprof. Veronike Hinsberg / Arno Bojak
Bewegungsspuren In dem Seminar 1 zu x (Zeichnen und Malen) ging es darum, sich selbst mit der Größe seines eigenen Körpers und seinem Standpunkt im Raum als festes Maß und Referenz zeichnerisch zu untersuchen. Begriffe wie nah und fern, rechts und links, groß und klein sind Angaben, die nur in Relation zum eigenen Körper und der Ausrichtung des Körpers im Raum begreifbar sind. Ausgegangen sind wir in dem Seminar von dem Prozess des Zeichnens als Hinterlassen einer Bewegungsspur. Diese Form des Zeichnens aus einer gestischen Bewegung heraus, aus Finger-, Handgelenk oder Ellenbogen mit unterschiedlichem Druck, mit rechter oder linker Hand bildet die Gegebenheiten des Körpers mit ab. Aufgabe war es, die Vielfalt der möglichen Lineaturen zu erproben. Durch verschiedene Strichlängen und -intensitäten, helle und dunkle sowie vereinzelte Linien und überlagernde Strukturen sollte eine räumliche Wirkung auf dem Blatt erzeugt werden. Gleichzeitig ist das nicht abbildende Zeichnen eine Möglichkeit, einen großzügigen Strich zu erüben und das Blatt als zweidimensionalen Raum zu gestalten.
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Pr채sentation der Arbeiten zum PIN UP
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Frottage + Muster Durch die Frottagetechnik, das Abreiben unebener Flächen durch Papier, entstehen Spuren, welche die tatsächlichen Größenverhältnisse des Untergrundes abbilden. Es ist also eine Technik, die 1 zu 1 die Struktur der Oberfläche grafisch sichtbar macht. In vorausgehenden zeichnerischen Studien von gemusterten Stoffen sollte anhand genauer Wiedergabe des Linienverlaufs der Stoffmuster die „Landschaft“ der Oberfläche deutlich werden. Die Falten, Knitter und Verwerfungen der textilen Fläche stellt sich so durch den Linienverlauf und die optische Verzerrung der Muster dar. In einem zweiten Schritt war es die Aufgabe der Studierenden, die plastisch wirkenden Frottagen mit farbigen Zeichnungen von gemusterten Stoffen zu überlagern. Anhand der flächigen Grafit-Strukturen und der eher linearen Musterzeichnungen sollte das Blatt als Ganzes gestaltet werden.
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ZOOM Die Begriffe „groß“ und „klein“ sind relative Größen. Abhängig von ihrer räumlichen Umgebung und der Relation zu unserem eigenen Körper, jedoch auch von der Distanz des Betrachters zu einem Gegenstand wird dessen Größe ermessen. Ausgehend von einem persönlichen Gegenstand ging es in dieser Lehrveranstaltung darum, das Gesehene in unterschiedlichen Abständen zeichnerisch darzustellen. Angefangen von einer „Nahaufnahme“ des Gegenstandes sollte dieser aus sich vergrößernden Abständen gezeichnet werden, so dass nach und nach der Umraum des Gegenstandes, der Zeichensaal und letztendlich das Gebäude von außen im Bildausschnitt sichtbar werden. Wesentlich war hierbei, dass Bildelemente aus der vorhergehenden Zeichnung in die nächste Zeichnung übernommen werden, damit eine kontinuierliche Bewegung des Blickpunktes vom Gegenstand weg lesbar wird.
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Vertikale Panoramen Unser Umraum umgibt uns 360 Grad. Wir erleben den natürlichen Horizont rings um uns herum, mit unserem Standpunkt als Mittelund Bezugspunkt. Um etwas darzustellen, wählen wir einen Ausschnitt aus dem, was wir sehen. Für eine zentralperspektivische Darstellung ist es wesentlich, dass dieser Ausschnitt nicht zu groß ist, um Verzerrungen zu vermeiden. Der (Blick-)Horizont hat hier eine wesentliche Funktion als Linie, auf den alle waagerechten Kanten und Linien fluchten. Senkrechte Linien und Kanten hingegen laufen in ihrer Verlängerung in unserem Zenith und Nadir zusammen. Die Bedingungen der perspektivischen Darstellung ergeben sich u.A. daraus, dass der uns allseitig umgebende Raum auf eine Ebene übertragen werden soll. Aufgabe einer Lehrveranstaltung des Seminars 1 zu x war es, einen Standpunkt zu wählen und von dort aus ein vertikales Panorama zu zeichnen. Angefangen von dem Boden unter unseren Füßen, den sichtbaren Teilen des eigenen Körpers über den Horizont bis hin zu der Raumdecke oder dem Himmel über uns sollte ein vertikaler Ausschnitt dessen gezeichnet werden, was uns umgibt. Dieses sollte sich über mehrere aneinander gelegte Blätter erstrecken, so dass jeder Ausschnitt des Gesehenen mit seinen steigenden und fallenden Linien für sich untersucht werden konnte. Ebenso sollten die Größenverhältnisse dessen, was uns umgibt, in Relation zueinander gesetzt werden. Teile des eigenen Körpers, wie z. B. die zeichnende Hand, konnten als Referenzgröße zu einem entfernten Baum oder am Horizont liegenden Architekturelement dienen.
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eins zu x
Plastisches Gestalten - Sven Kalden / Prof. Jo Achermann
Frottagen-Objekte (10:1) Organische und künstlich erzeugte Materialen wurden von den Studierenden zur ersten Lehrveranstaltung mitgebracht. Durch die Technik der Papierfrottage wurden diese Materialen hinsichtlich ihrer Struktur und Oberfläche untersucht. Die Frottagen wurden so angefertigt, dass es immer wieder zu Überlagerungen von organischen und künstlich erzeugten Strukturen als Spuren auf dem Blatt gab. Im nächsten Schritt waren die Studierenden dazu aufgefordert, einen Ausschnitt von 4 x 4 cm auf einem der Blätter festzulegen und diesen Bildausschnitt räumlich zu interpretieren. Die Umsetzung der zweidimensionalen Vorlage erfolgte in Wellpappe. Die realisierten Objekte hatten eine ungefähre Größe von 40 x 40 x 40 cm.
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Papp-Objekt_Frottagen
Schnittmuster und Drahtgebilde (1:1) Die Studierenden nahmen einen persönlichen Gebrauchsgegenstand mit in die Lehrveranstaltung, zum Beispiel einen Hut, eine Tasche oder einen Fahrradsattel. Die Aufgabe bestand darin, die Gegenstände sowohl in ihren Proportionen zu erfassen als auch die genaue Größe zu übernehmen. Die räumliche Umsetzung erfolgte mit ein- und zweimillimeter Eisendraht. Die Verbindungen der Stäbe wurde allein durch Drahtwicklungen realisiert. Weiterhin ging es darum, die Oberfläche des Objekts als Schnittmuster zu interpretieren. Es galt sich vorzustellen, dass der Draht das Gerüst und das Schnittmuster die Körperhülle des Objekts ist. Die Oberfläche wurde von dem mitgebrachten Objekt maßstabsgerecht abgenommen und in ein Schnittmuster übersetzt. Die Formen konnten soweit vereinfacht werden, dass sie sich als Zylinder, Kegel o.ä. vereinfachen ließen. Das Ziel war es, das Schnittmuster wie eine Haut der skeletthaften Drahtarbeit gegenüber zu stellen.
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Basecap
Stiefelette
Topf
Hut
Wanderschuh
Basecap
Der Pan Tau Effekt (1:10) - Ich als Knetfigur Ausgehend von der Kinderfilmserie Pan Tau, die in den 1970er Jahren im Fernsehen ausgestrahlt wurde, hat jeder Student, jede Studentin versucht ein kleines SELBST in Knete zu modellieren. Bei dieser Knetfigur ging es weniger um das Ein端ben von Proportion und Physiognomie, sondern vielmehr um eine gedankliche Vorstellung von der eigenen Person als verkleinerte Figur. Es wurden so fotografische Bildergeschichten entwickelt, die ihren Ausgangspunkt in dem Erleben von Stadt aus der Perspektive der verkleinerten Figur hatten. Es galt, die Geschichte in wenigen Fotos so zu gestalten, dass die Erlebnisse sich optisch auf die Figur auswirkten und ein klarer Handlungsstrang erkennbar war.
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Fotoerz채hlung: Der Pan Tau Effekt
Fotos aus: Der Pan Tau Effekt
Inflatables (30:1) Die Endarbeit des Seminars brachte auf konkrete Art und Weise die Themen der Lehrveranstaltungen zusammen. Figur, Textur, Objekt und Schnittmuster flossen in die Umsetzung einer aufblasbaren Figuration. Wir stellten den Studierenden zwei Ventilatorenkästen zur Verfügung, die genug Wind erzeugten, um ein etwa 300 x 200 x 200 cm großes Gebilde mit Luft zu füllen. Die Studierenden bildeten vierer Gruppen, um jeweils an der Verbindung eines Gegenstands (Hut, Tasche, Fahrradsattel) und einer Pan Tau Figur zu arbeiten. Da die verwendete Folie transparent war, galt es, mittels breiter Folienstifte Strukturen zu applizieren, die die Figur-Objekt Verbindung unterstützen sollte.
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Für die Präsentation „Pin Up“ wurde eine der Arbeiten ausgewählt und mit einem Bewegungsmelder ausgestattet. Sobald sich Personen dem Objekt näherten, wurden die Ventilatoren in Gang gesetzt und die Folien füllten sich mit Luft.
Die Arbeit wurde mit einem PIN UP Preis ausgezeichnet. Eine Videodokumentation der Arbeiten sind auf unserer Internetseite zu finden.
IMPRESSUM Brandenburgische Technische Universität Cottbus - Senftenberg Fakultät II, Lehrstuhl Plastisches Gestalten Seminar eins zu x Grundstudium Architektur, Stadt- und Regionalplanung 2. Semester, SoSe 2013
Lehrstuhlleitung:
Prof. Jo Achermann
Künstlerische Mitarbeit:
Sven Kalden
Plastisches Gestalten
Gastprofessur:
Veronike Hinsberg
Zeichnen und Malen
Lehrauftrag:
Arno Bojak
Zeichnen und Malen
Werkstattleiter:
Stephan Kaiser
Druckwerkstatt:
Marko Kliem
Sekretariat:
Marleen Minde
Fotos: Lehrstuhl Plastisches Gestalten Irina Hoppe Studierende www: tu-cottbus.de/fakultaet2/de/plastisches-gestalten/ E-Mail: plast.gestalten@tu-cottbus.de Video: https://www-docs.tu-cottbus.de/plastischesgestalten/public/13_
sommer/1zux_PlaGe/1%20zu%20x_PinUp.mp4
Weitere Publikationen des Lehrstuhls Plastisches Gestalten: Gegenteile/ Kehrseite, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2014 eins plus eins gleich drei, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2013 Out of Balance, Der Berliner Platz, 2013, ISBN 978-3-9814236-5-5 Schattendasein/ Schattenwelten, 2012, ISBN 978-3-981-4236-4-8 Best of Papa Jo‘s, Verlag Martin Wallimann, 2011, ISBN 3-905969-02-5 Akute Poesie, Yvonne Wahl, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2009 Die Welt ist Schwarz/Weiss, Verlag Martin Wallimann, Alpnach 2006, ISBN 3-908713-60-9 Die Welt ist rund, Verlag Martin Wallimann, Alpnach 2004, IBSN 3-908713-33-1 Apfelorange, Lilahelden, Steinrot, Verlag Martin Wallimann, Alpnach 2003, IBSN 3-908713-32-3 Kaffeefahrt 3000, Verlag Donaukurier Ingolstadt 2000, ISBN 3-920253-47-7
© 2014 LS Plastisches Gestalten an der BTU Cottbus - Senftenberg
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Beteiligte Studierende: Florian Arnold, Adam Dzhanaraliev, Paul Heinz Fieseler, Michael Georg Zetzmann, Dilara Oezseven, Torben Schattling,Thi My Van Tran, Tim Zander, Hayo Behrends, Daniel Deinege, Nils Lampen, Sebastian Seckler, Alexander Goetze, Moritz Florian Haeusler, Inga-Lisa Nuck, Baris Oezyalcin, Katharina Auerswald, Justus Blaesi, Niklas Spork, Kaspar von Ditfurth, Almudena Calderon Piriz, Emanuela Di Paolo, Comert Ece, Ilkim Er, Philipp Betge, Phillip Braune, Stefan Polzer, Shiqi Sun, Aaron Petereit, Tobias Pritzschke, Jan Julius Siekora, Daniel Thomas, Leonard Dickow, Markus Grèbner, Matti Gramsch, Julia Loeser, Wencke Niedziella, Patrick Notzon, Anne Wendland, Maria Herzog, Katharina Sinnigen, Julia Theuer, Lisa Thor, Elisabeth Budke, Nina Mersmann, Nathalie Schmidt, Julia Weniger, Vasco Kantowski, Siska Lestiani Lukito, Lisa-Marie Prochnow, David Weiss, Caroline Margret, Anneliese Alf, Laura Bader, Veronika Halbert, Elisabeth Thiele, Robert Hoffmann, Patrick Riskowsky
BTU Cottbus - Senftenberg Lehrstuhl Plastisches Gestalten