„global“ MONIKA HUMM
ISBN 978-3-938442-87-6
MONIKA HUMM „global“
MONIKA HUMM
„global“
mit Texten von Cornelia Gockel und Erika Wäcker-Babnik
„global“ – Malerei und Fotografie im Dialog Der Tod der Malerei ist vielfach beschworen worden, und sie ist regelmäßig wieder zum Leben erwacht. Von der Malerei deshalb als einer anthropologischen Konstante zu sprechen, die außerhalb der Geschichte steht, ist aber genauso falsch, wie die Malerei auf die Selbstbefragung des Mediums zu reduzieren, wie es Johannes Meinhardt in seinem Buch „Das Ende der Malerei und die Malerei nach dem Ende der Malerei“ vorschlägt. Im Zeitalter der modernen Massenkommunikation kann man wohl schwerlich über die Bedeutung der Malerei reden, ohne ihr Verhältnis zu anderen Medien, wie Fotografie, Video und Computerkunst, zu beleuchten. Seit der Erfindung der Fotografie ist die Malerei befreit von der Aufgabe der mimetischen Wiedergabe der Wirklichkeit. Aber spätestens seit der Einführung der digitalen Bildbearbeitung ist auch der Fotografie der Dokumentationswert abhanden gekommen. Im Zeitalter der neuen Medien hat sich unsere Wirklichkeitserfahrung gewandelt. Der sichtbaren Welt begegnen wir heute nicht
mehr unmittelbar, primär und unschuldig, sondern vermittelt. Gemeint sind damit nicht allein die Bilder in den Massenmedien, sondern auch die Abbildungen von Kunstwerken in Büchern oder als projiziertes Bild auf einer Leinwand. Streng genommen ist auch das gemalte Tafelbild eine mediatisierte Form der Visualität, da es einer bestimmten Technik, Pinsel und Farbe bedarf. Bei der Malerei bleibt aber noch der handwerkliche Schaffensakt sichtbar, der im Gegensatz zu der Welt der glatten Oberfläche von Hochglanzfotografien und Computer-Displays steht. Diesen Diskurs trägt Monika Humm auch in den Bildern ihrer neuen Serie „global“ aus. Eine Fotoserie mit Überseecontainern, die sie in großen Hafenanlagen und Containerdepots aufgenommen hat, bildet hier den Ausgangpunkt für ihre Überlegungen. Turmhoch stapeln sich die riesigen Metallbehälter und verdichten sich vor den Augen des Betrachters zu einer undurchdringlichen Wand. Humm hat diesen Eindruck durch die Wahl des
Ausschnitts noch verstärkt, so dass sie in ihrer Struktur an ein abstraktes Bild erinnern. Der Vergleich liegt nahe, wenn man sich die älteren Arbeiten von Monika Humm anschaut. Auch hier geht es um das Schichten von Farbflächen, das Übereinanderlegen von Lasuren, bis sich schließlich ein in sich geschlossenes Bildgefüge ergibt. Stabilität bekommen diese Bilder durch eine gitterartige Struktur, die sie mit kräftigen Pinselstrichen in den Bildgrund schreibt. In ihrer neuen Serie „gobal“ hat sie die Fotografien mit ihrer Malerei verbunden. Ausgewählte Bildausschnitte, die sie auf Holztafeln aufkaschiert, geben eine Struktur vor, auf die sie mit ihrer Malerei reagiert. In den ersten Bildern der neuen Serie geben sie nicht viel mehr als einen Rhythmus vor, der die Malerei strukturiert und belebt. Dicke Farbschichten überdecken sie und lassen das fotografische Abbild nur noch erahnen. Die Bildkomposition wird dominiert durch gestisch bewegte Pinselstriche und die Spuren dünnflüssiger herabtropfender Farbe. Doch
nach und nach erobert sich die Fotografie einen nahezu gleichberechtigten Raum neben der Malerei. Die gitterartigen Strukturen werden gleichsam zu Fenstern, die den Blick auf den fotografischen Ausschnitt freigeben. Monika Humm beleuchtet seit vielen Jahren in ihren Bilden das Verhältnis von Fläche und Raum, von Vielfalt und Einheit, von Gegenständlichkeit und Abstraktion. In ihrer neuen Serie „global“ gelingt es ihr, die Flüchtigkeit des fotografischen Abbilds in einem malerischen Gefüge einzufangen, ohne ihr die Leichtigkeit zu nehmen. Malerei und Fotografie stehen sich nicht als Konkurrenten des Visuellen gegenüber, die um die Aufmerksamkeit des Betrachters buhlen, sondern treten in einen spannungsreichen Dialog. Cornelia Gockel
global / 3 2008 Mischtechnik auf Holz 50 x 56 x 2 cm
global / 4 2008 Mischtechnik auf Holz 34 x 44,5 x 2 cm
global / 6 2008 Mischtechnik auf Holz 35 x 47,5 x 2 cm
global / 18 2009 Mischtechnik auf MDF 113 x 186 x 3 cm
The Container – Pictorial Symbol of Globalisation On the Photographs of Monika Humm
A revolution in goods transport took place on the 26th of April 1956. It was on this day that the „Ideal X“ left Port Newark as the first container ship of its kind with a cargo of 58 containers en route to Houston. The big idea began with son-of-a-farmer, Malcolm McLean, the “father of containerisation“, who first began shipping whole trucks and their cargoes on ships and later moved on to only trailers, and finally independent containers. After two thousand years of sacks, baskets and boxes, the steel container changed the world of transport and turned the loading and unloading of ships into a highly efficient technological act. About a hundred million containers are on the move around the World at any one time. As common as the sight of them is on trucks, ships and trains, they still hold a puzzling fascination. For the beholder the
colourful building blocks tower in stacks as high as houses in depots and on ships. The complicated numbers and letters on their sides that identify origin, destination, size and manufacturer of the containers seems to be a secret code; the interior and contents a deep and worrying secret. Monika Humm has also come across the fascinating phenomenon of the haulage container. In 2006, on the search for material for her photographic ouevre, that she intensifies with her painting and self-developed images, she travelled to three hubs of container activity, namely, Istanbul, Hamburg and Feldkirchen. That’s right, Feldkirchen, hundreds of kilometres from the sea, in the East of Munich, lies a huge container hub. While Hamburg offered grand industrial scenery of 13-stories-high stacks of steel on gargantuan ships and stone quays, the
land depot allowed for a more close-up view. Here things are about something new; structures, colours, identification codes. The pictorial language of her photography nears her painting in these images and even comes to influence it. Ever since her artist’s academy training, Monika Humm has been interested in structures. In her early collections, often occupied by landscapes, surfaces and lines dominate through space and composition with the latter often in varying states of prominence. In containers, with their colours and grid textures, she has found a subject that corresponds to her painting. A documentation of global trade is not necessarily centre-stage here, but more an inspiration to create abstract colour and structural forms. The container, as an element in pictorial form, represents a cipher.
What about Istanbul? This series of pictures seperates itself somewhat from the container pictures. Here a shared theme sees Monika Humm, against expectations, explore decaying ships. Empty freighters navigate the Bosphorus, rusting shipwrecks litter the Asian side, containers are orphaned in the depot. The finds here exhibit a mortality that is a rich seam, but also provide intricate lines and structures that give a contrast in their chaos to the orderliness of the horizontal and vertical lines of the containers. Within the series “global“, Istanbul becomes a symbol of a global crisis. Erika Wäcker-Babnik
Übersetzung: Sergio Anton Poggio
Container / I – 6 2009 C-Print 24 x 30,5 cm
MONIKA HUMM 1962 geboren in Bad Griesbach im Rottal, lebt und arbeitet in München Ausbildung 2007 Diplom // 2003 – 2007 Studium der Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste München bei Sean Scully // 2002 – 2003 Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität, München Stipendien / Förderungen 2009 – 2012 Atelier in der PLATFORM3, München // 2008 Projektstipendium der Erwin und Gisela von Steiner-Stiftung, München // 2008 Projektförderung der LfA Förderbank Bayern // 2007 Projektstipendium der Prinzregent-Luitpold-Stiftung, München // 2006 – 2009 Otto-Steidle-Ateliers, München Ausstellungen und Projekte (Auswahl) 2009 Produzentenkunstmesse 2009 – whiteBOX, München (G) Katalog // 16. Kunstpreis – Kunstverein Aichach, Aichach (G) // some kind of vacuum – Galerie Royal, München (G) // Bewegungen im Strom Rathausgalerie, Wolnzach (E) // open studios – PLATFORM3, Räume für zeitgenössische Kunst, München // Gefüge und Netze (mit Susanne Hanus) – Kulturwerkstatt Haus 10, Kloster Fürstenfeld, Fürstenfeldbruck 2008 Bewegungen im Strom – kunstraum münchen, München (E) Katalog // 15. Kunstpreis – Kunstverein Aichach, Aichach (G) // under the bridge – Otto-Steidle-Ateliers, München (G) Katalog // Altbau oder Neuland – Neuland, München (G) Katalog 2007 crossbreeding – Hattyúház Galéria, Pécs, Ungarn (G) // Produzentenkunstmesse 2007 – Praterinsel, München (G) // made in munich – Staby & Schütz, München (G) // shifting borders – Projekt für die BMWWelt, München (G) Katalog // Klasse Scully 2007 – Kunsthalle whiteBOX, München (G) Katalog Bibliographie monikahumm – Bewegungen im Strom, ISBN 978-3-937082-92-9, 2008 // Altbau oder Neuland – Ausstellungskatalog 2008 // Shifting Borders, Junge Kunst in der BMW-Welt, Hrsg. Rehm / Scherf, 2007 // Klasse Scully 2007 – Ausstellungskatalog, Kunsthalle whiteBOX, München, 2007
Impressum Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung MONIKA HUMM „global“ Bildersaal, Artothek – Galerie und Kunstverleih der Stadt München vom 29.11. bis 01.12.2009 mit freundlicher Unterstützung der Erwin und Gisela von Steiner-Stiftung, München
Herausgeber: Monika Humm monika.humm@onlinehome.de www.monika-humm.de Verlag: Plöttner Verlag GmbH & Co. KG www. ploettner-verlag.de ISBN: 978-3-938442-87-6 Auflage: 1000 Konzeption: Monika Humm Fotos: Susanne Hesping Text: Dr. Cornelia Gockel, Dr. Erika Wäcker-Babnik Übersetzung: Sergio Anton Poggio Druck: Druckhaus Kastner, Wolnzach © Monika Humm und Autoren © Plöttner Verlag GmbH & Co. KG 2009
„global“ MONIKA HUMM
ISBN 978-3-938442-87-6
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