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The Last Duel
SCHIEF LAGE
THE LAST DUEL KINOSTART 14.10., USA/UK 2021, REGIE Ridley Scott, MIT Matt Damon, Adam Driver, Jodie Comer, Ben Affleck, Harriet Walter, Alex Lawther, FILMLÄNGE 142 Min., © The Walt Disney Company
Duell zu dritt
Ben Affleck, Matt Damon, Adam Driver und Jodie Comer in einem Film von Ridley Scott: „The Last Duel“ erzählt hochaktuell von der Suche nach Gerechtigkeit aus drei Perspektiven. Finstere Ritterburgen und brachiale Schlachten inklusive.
The Last Duel ist der erste Film von Ridley Scott seit 2017. Zwar steht der Regisseur vor allem für stilprägenden Horror (Hannibal) und Kultwerke im Sci-Fi-Genre (Alien), doch dieser Film erzählt eine Geschichte von Verrat und Untreue, die deutlich in der Realität widerhallt.
Frankreich im 14. Jahrhundert: Die Knappen Jean de Carrouges (Oscar Preisträger Matt Damon, Good Will Hunting) und Jacques LeGris (Adam Driver, Marriage Story) haben in den 1370er-Jahren gemeinsam im Krieg für den französischen König gedient. Aber während der nicht allzu helle Jean immer wieder aufs Neue aufs Schlachtfeld ziehen muss, um die Abgaben für seine Ländereien bezahlen zu können, macht der intellektuell und gesellschaftlich bewanderte Jacques schnell Karriere am Hof des lebenslustigen Grafen Pierre d‘Alençon (Ben Affleck, Argo). Nur einmal fällt das Glück Jean in den Schoß, als er nämlich die schöne und intelligente Marguerite de Carrouges (Jodie Comer, Killing Eve) heiraten kann.
Als Jean für einige Tage nach Paris reisen muss, stattet Jacques Marguerite einen Überraschungsbesuch ab. Bei Jeans Rückkehr beschuldigt sie Jacques, sie vergewaltigt zu haben, und Jean bringt die Klage bei Pierre d‘Alençon vor. Der ist aber eng mit Le Gris verbandelt und will die Sache unter den Tisch kehren. Er weist den Anspruch ab und verkündet am Hof, dass Marguerite die Vergewaltigung nur geträumt habe.
Der herkömmliche Rechtsweg scheint für Jean (eine Frau darf im 14. Jahrhundert nicht selbst klagen) versperrt, da der Recht sprechende Graf Pierre ohnehin nie gegen seinen hochgeschätzten Buchhalter und Orgienfreund Jacques entscheiden würde.
So sieht Jean de Carrouges nur eine Chance und fordert vor dem jungen französischen König (Alex Lawther) ein Duell zwischen ihm und Le Gris auf Leben und Tod. Dieses soll nach alter und eigentlich schon lange nicht mehr ausgeübter Tradition über die Wahrheit entscheiden. Denn der Glaube ist, dass Gott demjenigen, der die Wahrheit spricht, zum Sieg verhelfen wird. Dabei riskiert er aber nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das seiner Frau. Wenn Jean verliert, wird sie wegen falscher Anschuldigungen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
WAHRE BEGEBENHEIT Für Ridley Scott und den zweifach Oscarnominierten Adam Driver war The Last Duel bereits die zweite Zusammenarbeit innerhalb kurzer Zeit. In House of Gucci, Scotts Biopic über den Aufstieg des gleichnamigen Modehauses, spielt Driver den Enkel des Gründers, der vor seinem Büro von einem Attentäter ermordet wird, der von seiner eigenen Frau angeheuert wurde. Und auch mit Oscar-Preisträger Matt Damon hat Scott bereits sehr erfolgreich gedreht: Für Der Marsianer, bei dem Damon die Hauptrolle spielte, erntete der Regisseur 2016 ganze sieben Oscarnominierungen.
Auch Matt Damon und Ben Affleck haben für The Last Duel ihr erstes gemeinsames Drehbuch seit dem Oscar-Gewinn für das Skript von Good Will Hunting geschrieben – und zwar gemeinsam mit der Indie-Regisseurin Nicole Holofcener (Can You Ever Forgive Me?). Basierend auf Eric Jagers Buch „The Last Duel: A True Story of Trial by Combat in Medieval France“ („Das letzte Duell: Eine wahre Geschichte des Kampfes im mittelalterlichen Frankreich“) konzentrieren sie sich für den Film auf das letzte gerichtlich angeordnete Duell, das in Frankreich stattfand. Bei der Adaptierung für die Leinwand hat sich das Trio aber
nicht auf das Aufzeigen historischer Ungerechtigkeiten verlassen, wie etwa den Umstand, dass eine Vergewaltigung damals lediglich als Verletzung des Eigentums des Ehemanns galt. Stattdessen legen sie den Figuren immer wieder Dialoge in den Mund, die aus einer sehr heutigen Debatte zu stammen scheinen.
So mag The Last Duel zwar im Frankreich des 14. Jahrhunderts spielen, aber die Themen, die er behandelt, beschäftigen uns auch in der Gegenwart: die #MeToo-Bewegung, Vergewaltigungsvorwürfe und die Art und Weise, wie Opfer behandelt werden, sobald sie sich entscheiden, ihre Geschichte zu erzählen. DREI PERSPEKTIVEN Der besondere Kniff: Die Vergewaltigung und die Ereignisse darum herum werden aus drei Perspektiven erzählt, einmal Jeans, einmal aus Jacques‘ und einmal aus der Sicht von Marguerite. Sie hat mit ihrer Version das letzte Wort, und gerade bei der Vergewaltigungsszene selbst zeigt Scott brutal genau, wie Nuancen alles verändern: Auf dem Papier sind ihre Schilderung und die von Jacques, der sich einredet, sie habe sich nur zum Spaß gewehrt, fast gleich. Die großartige Jodie Comer trägt die schauspielerische Hauptlast in diesem Film gekonnt auf ihren Schultern. In ihrem Kapitel kommen keine neuen Details hinzu, stattdessen geht es um die oft nur minimalen Details, die sich von den anderen Kapiteln unterscheiden: Ist ihr Lächeln eine Höflichkeit oder eine Anmache? Wie genau klingt ihr „Nein“? Comer geht dabei mit einer unglaublichen Präzision vor. Die Männer tragen auf ihrem Rücken ihren Zwist aus, aber sie riskiert am meisten: Verliert Jean den Kampf, wird sie wegen falscher Beschuldigung auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Das Buch über die Legende des Duells erzählt übrigens zwei Theorien: Eine behauptet, dass Marguerites Mann die Geschichte mit ihr erfunden hat, um sich an Le Gris zu rächen, ihrem ehemaligen Freund, der zum Rivalen am Hof geworden war. Andere, die sich auf die populärere Theorie berufen, erkennen die Vergewaltigung an, sagen aber, dass Marguerite fälschlicherweise den falschen Mann beschuldigte, ein tragischer Fehler, der Le Gris seines Vermögens und seines guten Namens beraubte.
Adam Driver (Annette) jedenfalls führt seine Rolle des intellektuellabgründigen Verführers aus Girls, die ihm den Durchbruch bescherte, nun als Knappe im Frankreich des 14. Jahrhunderts fort. Und in den kurzen Schlachtensequenzen ist Ridley Scott, der Robin Hood- und Königreich der Himmel-Regisseur, voll in seinem Element. Brachiales Sounddesign lässt die Hiebe klirren, die Rüstungen krachen und die Pfeile gnadenlos durch die Luft surren. Die französischen Ritterburgen zeichnet Scott so, dass man nicht dabei gewesen sein möchte – zugig und kalt, umgeben von einer Art Permafrost.
Von den männlichen Darstellern stiehlt am Ende aber Ben Affleck seinen Kollegen die Show: Als wasserstoffblondierter Graf Pierre torkelt er von Orgie zu Orgie und ist in dieser dunklen Geschichte über Gewalt und Willkür der unmögliche „comic relief“.
Es waren finstere Zeiten. Aber es war immerhin das letzte Duell. #thelastduel