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Abteil Nr. 6

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The Libertines

The Libertines

ON THE ROAD

Ein arktisches Roadmovie

Juho Kuosmanen hat Tickets für „Abteil Nr. 6“ gebucht.

Roadmovies erzählen Geschichten der Freiheit – voller Möglichkeiten und ungeplanter Zwischenstationen. Wenn Regisseur Juho Kuosmanen (Der glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki) sich in Bewegung setzt, ist dies keineswegs so: Die finnische Archäologiestudentin Laura steigt in den späten 1990er-Jahren mit der Idee einer beschaulichen Reise (eigentlich: einer Bildungsreise zu Felszeichnungen) in den Zug. Dieses Bild implodiert aber in der Sekunde, in der sie ihr Abteil betritt: Dort hat sich auch Ljoha breitgemacht, ein trinkfester und distanzloser Minenarbeiter. Von Moskau bis Murmansk am nördlichen Polarkreis ist es eine ziemliche Strecke. Bereits in St. Petersburg möchte Laura ihre Pläne über Bord werfen. Sie wird aber nicht umkehren, sondern durch die Auseinandersetzung und Annäherung mit dem Mitreisenden, der sich ungehobelt gibt, einiges über sich lernen. Alles ist anders als geplant: Ursprünglich sollte Lauras Geliebte Irina – eine Intellektuelle aus Moskau – die

Reise mit ihr antreten. Wenn sie ehrlich ist, fühlt sie sich in dieser Welt aber gar nicht besonders wohl. „Um dich selbst zu kennen, musst du deine Vergangenheit kennen“, ist ein Satz, den Laura bei einer Party vor ihrer Abreise aufgeschnappt hat und den sie nun Ljoha gegenüber zitiert. Sie muss erkennen, dass ihre eigene Vergangenheit und Beschaffenheit der Ljohas viel näher ist als der Irinas, die sie eben zurückgelassen hat. Interessiert sie sich tatsächlich für Archäologie, oder gefällt ihr bloß die Vorstellung, eine solche Person zu sein?

KONFRONTATION MIT DEM SELBST Den „Grand Prix“ gab es in Cannes für die melancholische Arbeit, inspiriert von Rosa Liksoms Roman. Das enge Setting ist ein Mikrokosmos mit großem Schauwert; Laura ist hier auf sich selbst zurückgeworfen und kann sich nicht entfliehen. „In Roadmovies geht es oft um Freiheit. In einem Auto kann man fahren, wohin man will, jede Kreuzung ist eine Möglichkeit. Für mich aber bedeutet Freiheit nicht eine unendliche Anzahl von Möglichkeiten, sondern eher die Fähigkeiten, seine eigenen Grenzen zu akzeptieren“, so Kuosmanen. www.polyfilm.at

ABTEIL NR. 6 – HYTTI NRO 6 KINOSTART 01.04., FI/RU 2021, REGIE Juho Kuosmanen, MIT Yuriy Borisov, Seidi Haarla, Yuliya Aug, FILMLÄNGE 107 Min., © Polyfilm

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