Materialist 02 2016

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möbeldesign Roberto Minotti über das Erfolgskonzept

GEWINNE MIT GUTEM GEWISSEN LITHIUM, SANDELHOLZ, WASSER & MEHR

seiner Familie

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SammlerPOTENZIAL

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_editorial

SAUBERE SACHE

GELD AUSGEBEN HAT NICHTS VERWERFLICHES. ES SOLLTE NUR FÜR DIE RICHTIGEN DINGE SEIN.

von//thomas garms

Das Thema Nachhaltigkeit liegt im Trend – insbesondere auch bei der Kapitalanlage. Gerade die sogenannten Digital Natives wollen ihr Geld heute so anlegen, dass es nicht nur attraktive Renditen bringt, sondern auch einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leistet. Auch in der zweiten Ausgabe unseres neuen Magazins zeigen wir an verschiedenen Beispielen, dass es mittlerweile ein ebenso großes wie vielfältiges Angebot an Investments gibt, die den Schutz der Umwelt ebenso berücksichtigen wie soziale oder ethische Aspekte. Zahlreiche Studien wie zum Beispiel der aktuelle Marktbericht des Forums Nachhaltige Geldanlage (FNG) zeigen: Nachhaltig gemanagte Unternehmen wachsen stärker als der Markt. Ende 2015 waren hierzulande Vermögen von insgesamt 69 Milliarden Euro in ­Investmentfonds und Mandate geflossen, die im engeren Sinne nachhaltig

­ emanagt werden. ­Das sind 30 P g ­ rozent mehr als im Jahr 2014 und mehr als doppelt so viel wie 2013. Natürlich gibt es auch bei solchen G ­ eldanlagen Risiken und keine Renditengarantie. Aber wenn bedeutende Investoren wie die H ­ arvard-Stiftung, der Staatsfonds von Abu Dhabi oder die Church of England in australische ­Sandelholzplantagen investieren, könnte das ein Grund dafür sein, solche und andere ­Forstinvestments mal genauer anzuschauen.

teuer sind, am Ende aber einfach auch nachhaltiger weil generationenüberdauernd. Insofern eine sehr moderne Betrachtungsweise. Übrigens ist auch gute Mode ein ­Investment in uns selbst, unsere ­Haltung, unseren Stil, unser Wohlbefinden. Und ein schönes Sofa aus einer italienischen Designermanufaktur ist letztlich in seiner Ökobilanz vielfach besser als ein ­Wegwerfsofa vom Discounter.

Thomas Garms, Editor Wenn es um das Investieren geht, gethomas.garms@materialist.media hören auch besondere Sammlerstücke dazu. Gerade in den letzten Jahren haben solche Sachwerte ihren Besitzern oft viel Freude bereitet, auch im Sinne der Wertsteigerung. Am Beispiel von zwölf ­Uhrenklassikern demonstrieren wir, wie sehr sich der Kauf bestimmter Modelle gelohnt hat. Sogar mit besonderen Handtaschen lässt sich heute trefflich spekulieren. Um es an dieser Stelle klar zu sagen: Materialist ist kein Luxusmagazin. Es zeigt nur auf, dass bestimmte Produkte zwar



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Anregungen ­für e ­ ine kreative und nachhaltige Vermögensbildung.

100 RISIKO, RENDITE, WIRKUNG Investieren, um damit Gutes zu bewirken, gewinnt an Bedeutung. ­

104 DAS BESSERE BENZIN

Elektrofahrzeuge, grüner Strom: Lithium ist ein wichtiger Rohstoff und eine gute A ­ nlagemöglichkeit. ­

108 HEILIGER BAUM

Indisches Sandelholz ist äußerst wertvoll – und ein lohnendes Investment.

Benchmark 014 Gimmicks Ungewöhnliche Produkte, die den Alltag bereichern. 016 It-Bags Die Gucci-Handtasche Dionysus als Investition. 018 Perfumes Personalisierte Düfte von Lorenzo Villoresi. 020 Kitchen Kücheneinrichtung für stilvolles Wohnen und ­Kochen.

108 112 MEHRWERT MIT MORAL Nachhaltigkeitsorientierte Investmentfonds liegen im Trend. ­

116 SPANIEN? OLÉ!

Die Wirtschaft erholt sich und der Immobilienmarkt bietet aussichtsreiche Optionen. ­

120 SCHÖNER SCHWINDEL

Silke Marefkas Kunstwerke entstehen aus Lagen von Erinnerungen, Stimmungen und Sehnsüchten.

022 Classic Car Die Sportwagenikone Porsche 911 S 2.2 Targa.

124 KLASSIKER MIT POTENZIAL

024 Tableware Accessoires, die jedes Tischgedeck aufwerten.

Bewegen und gestalten.

026 Storage Guter Wein braucht einen anständigen ­Gewölbekeller. 028 Rocker Neues Design verleiht dem Schaukelstuhl frischen Schwung. 032 Interior Rechtzeitig zum Winter hält das Grobmaschige daheim Einzug. 034 Places Beste Bedingungen, um Himmelsereignisse zu beobachten.

Standards 098 Impressum 162 Kolumne Mike Ziegler verdächtigt Fitnessarmbänder der Spionage.

Foto//Frances Andrijich

Inhalt

Werte schaffen und be­wahren.

Wer bei Armbanduhren die richtige Entscheidung trifft, freut sich über eine ordentliche W ­ ertzunahme.

Der Zeit voraus sein, Erkenntnisse in Chancen verwandeln, von Vordenkern profitieren.

008 Geld Bringt Freiheit Katja Eckardt will Frauen helfen, eine Finanz-Diva zu werden.

054 „DAS SETZEN DER STEINE IST DAS ­HEILIGSTE“ Fotograf Thomas Kierok über Zengartenkunst und Shunmyo Masuno.

076 VISIONÄRE THERAPIE Vom Steinbruch zum Thermalbad: architektonische Entwürfe, die neue ­Denkansätze spiegeln.

088 DER ZELLENVERSTEHER Topmanager, Sportler und Popstars: Sie alle setzen auf die Behandlung von Harry Finneisen.

138 MIT ALLEN WASSERN Skipperin Nadia Megonn kennt die Grenze zwischen Mut und Tollkühnheit.


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Foto//Autumn Sonnichsen

_content

062 TRAUMHAFTE ANLAGESTRATEGIE Die schwedische Manufaktur Hästens erschafft das Bett der Extraklasse.

068 VOM WINDE VERWEHT Wärmende Must-haves für die kalte Jahreszeit.

082 GEBORENE FÜHRUNGSKRAFT Der neue Porsche Panamera Turbo ist ein Chamäleon.

092 JUWEL MIT KASKADENDUSCHE Ziel für den distinguierten Citytrip: The Savoy.

132 MYSTISCHE KRAFT Meer und Edelsteine in ihrer faszinierenden Urgewalt: die Schmuckkollektion von Brahmfeld & Gutruf.

144 FÜR DIE GROSSEN MOMENTE IM LEBEn Mallorquinischer Wein: Sebastian Keller setzt auf Qualität.

148 „WIR GEHEN AUF TUCHFÜHLUNG“ Roberto Minotti über familiären Zusammenhalt und den hohen emotionalen Wert von Stil.

152 AUS DEM ALTEN NEUES SCHAFFEN Frank Leder interpretiert Handwerkstradition durch moderne Konzepte neu. ­

156 REVOLUTION AUF BREITEN REIFEN Vintage-Bikes als Sammlerobjekte.

Entdecken und Geniessen.

Glücksmomente entdecken, schöne Dinge finden u ­ nd erlebte Freude teilen.

036 EINTRACHT IN BANGKOK Ein Doppelhaus in Thailand, das die unterschiedlichen Persönlichkeiten zweier Brüder verbindet.

044 ZEIG HER DEINE SCHUHE 30 Stunden und 170 Arbeitsschritte: Santoni setzt auf Handarbeit und Tradition.

050 DIE FOIE GRAS DES SÜSSWASSERS Was Fischzucht mit Hardcore gemeinsam hat.

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Foto//Louis Vuitton Archives

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Foto//Photogenika

GELD BRINGt Freiheit

INTERVIEW//Andreas Höss

Freche Anlagestrategin: Die Münchner Autorin Katja Eckhardt.


_guru Katja Eckardt

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Mit dem Ratgeberbuch „Reichtum ist Frauensache“ macht die Betriebswirtin Katja Eckardt Frauen Mut, das Thema Vermögensaufbau nicht länger den Männern zu überlassen. Frech, unbekümmert und von Zeit zu Zeit vielleicht auch etwas daneben: Die Münchnerin Katja Eckardt (36) hat sich zum Ziel gesetzt, Frauen für das Thema Geld zu begeistern und dafür, sich aktiv eine unabhängige Zukunft aufzubauen. Im lockeren Plauderton und garniert mit Checklisten und Ankreuztests gibt sie Tipps, wie man zur „Finanz-Diva“ wird. Das Gespräch fand an einem für Börsenexperten eher ungewöhnlichen Ort statt: dem McDonald’s am Münchner Harras. Die Finanz-Diva bestellt McChicken, los gehts. Frau Eckardt, McDonald’s ist nicht jedermanns Sache. Essen Sie oft hier? Ja, man darf sich hier wie ein Kind fühlen. Das ist die große Stärke von McDonald’s. Ich hatte hier sogar mal ein Date mit meinem jetzigen Freund. Außerdem sieht man hier, was die Jugend so macht und welche Klamotten, Handys oder Computerspiele gerade in sind. Da kann man sich einige Ideen fürs Investieren holen. Welche Ideen kamen Ihnen denn hier? Ich hab mal beobachtet, wie ein etwa Achtjähriger auf seinem Handy „Candy Crush“ gespielt hat. Da war klar: Das Spiel macht verdammt süchtig. Ich hab mir die Aktie von Activision Blizzard gekauft, dem Unternehmen, das das Spiel vertreibt. In den vergangenen zwölf Monaten hat die Aktie in Euro gerechnet etwa 60 Prozent an Wert gewonnen.

Ihre Mission ist es, Frauen für die Börse zu begeistern. Muss man dafür gleich ein Buch schreiben, in dem es vor Klischees und Elementen aus Frauenmagazinen wie Ankreuzfragen, Checklisten oder Typentests nur so wimmelt? Die meisten Bücher über Geld sind doch stinklangweilig. Und sie richten sich vor allem an ältere Männer. Ich wollte einen Ratgeber schreiben, der sich gezielt an Frauen richtet, der locker und verständlich geschrieben ist und bei dem man nicht das Gefühl hat, dass da jemand von oben herab doziert. Ich will Frauen ermutigen, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen. Ich will nicht, dass sie schon auf den ersten Seiten das Gefühl haben, dass sie von Geld und Börse sowieso keine Ahnung haben. Dennoch beschreiben Sie in Ihrem Buch Männer als Machos, die an der Börse mit extremem Risiko rumzocken, um ihr Geld dann später doch nur für Frauen und Yachten rauszuwerfen. Frauen skizzieren Sie als eher vorsichtig, risikoscheu und umsichtig. Sind das nicht völlig überholte Rollenbilder, über die sich Feministinnen wie Alice Schwarzer bei Ihnen beschweren müssten? Mit Alice Schwarzer will ich sowieso nicht in Verbindung gebracht werden. Erstens versteuere ich mein Einkommen ordentlich und zweitens habe ich auch kein Konto in der Schweiz.

Gute Antwort. So einfach können Sie sich aber nicht um die Frage drücken. Es gibt Unterschiede zwischen Mann und Frau - woran das liegt, mögen andere beurteilen. Fakt ist: Frauen fahren mit smarter Vorsicht gut, ein bisschen mehr ­Risikofreude würde ihnen aber nicht schaden. ­Testosteronbedingt gehen Männer nun mal größere Risiken ein. Sie sind Jäger, ­Kämpfer, Versorger. Frauen sind vorsichtiger und häufig von Männern abhängig. Das ist auch bei den Finanzen so. In Beziehungen entscheidet meist der Mann über Geldfragen, schon allein, weil er oft besser verdient. Ist es ein Emanzipationsschritt, wenn Frauen ihre Finanzen selbst regeln? Auf jeden Fall. Eine Freundin – nennen wir sie Barbara – hat ein Kind und einen Freund. Die Zukunft ihrer Partnerschaft sieht sie aber skeptisch, sie will im Alter allein sein. Deshalb fragte sie mich, was sie heute tun kann, um sich das später leisten zu können. Man muss sich vor Augen halten: Frauen sind eine finanzielle Risikogruppe. Sie geben oft ihren Job auf, wenn sie Kinder kriegen. Das macht sie abhängig. Geld bringt jedoch Unabhängigkeit und Freiheit.


Katja Eckardt guru_

Wer heute um die 30 ist, Verbindet Börse in erster Linie mit Crashs und Krisen. “

Trotzdem halten viele Frauen die Börse entweder für langweilig, kompliziert oder für eine Zockerbude. Wie erklären Sie sich das? Das liegt auch daran, wie das Thema vermittelt wird. Gehen Sie mal in einen Buchladen und schauen Sie sich die Buchcover der Finanzbücher an. Meistens blicken Sie vom Buchdeckel Männer mit Anzug und Krawatte an. Das ist eines der Hauptprobleme der Finanzbranche: Ihr Gesicht ist männlich und elitär. Wie sollen sich junge Frauen damit identifizieren? Wie sollen sich junge Leute überhaupt damit identifizieren? Fällt Ihnen eine Frau ein, die als Vorbild passen würde? Aus Deutschland nicht. Aus den USA vielleicht Oprah Winfrey, die früher eine Talkshow moderiert hat. Sie ist mittlerweile eine erfolgreiche Investorin, Selfmade-Milliardärin und hat einen eigenen Fernsehsender. Ende letzen Jahres ist sie übrigens bei Weight Watchers eingestiegen. Das hat der Aktie, die davor im freien Fall war, etwas geholfen. Der Grund, weshalb die Deutschen B ­ örsenmuffel sind, ist doch nicht nur eine fehlende Integrationsfigur. Wer heute um die 30 ist, verbindet Börse mit Crashs und Krisen: Schuldenkrise, ­Finanzkrise und davor noch das Debakel mit der ­Telekom-Aktie, für die Manfred Krug geworben hatte. Manfred Krug war der Typ von dieser Truckersendung „Auf Achse“, davon war ich als Kind ein großer Fan. Ich kann mich noch gut

daran erinnern, als er für die Volksaktie Werbung gemacht hat. Dann verschwand er aus den Medien, die Telekom-Aktie stürzte ab und das Vertrauen der Deutschen in die Börse schwand. Auch ich kenne Leute, die sich die Telekom-Aktie blind gekauft haben. Viele, die sich nie über Börse Gedanken gemacht hatten, haben naiv Kapital investiert – und dann viel Geld verloren und damit die Lust auf Börse. Das ist ja das Traurige. Die Menschen vertrauen der Werbung und Bankberatern blind, weil sie keine Ahnung haben. Ist das so? Ja, deshalb sollte man schon in der Schule lernen, wie man mit Geld umgeht. Abiturienten können Gedichte in vielen Sprachen interpretieren, wissen, wie man Geld ausgibt oder welche Marken cool sind. Aber sie haben keine Ahnung von Versicherungen, Steuern oder Börse. Schüler haben viele Jahre Religionsunterricht, aber nur wenig Wirtschaftsunterricht. Kein Wunder, dass viele Menschen glauben, Vermögen bilde sich von selbst auf dem Sparbuch. Seit wann interessieren Sie sich eigentlich für das Thema Geld? Schon immer. Als Kind wollte ich mehr in meiner Sparbüchse haben als mein Bruder. Ich hab auch viele Comics gelesen und fand Dagobert Duck cool, den reichen Onkel von Donald, der immer in seinem Geldspeicher gebadet hat.

Wirklich? Als junges Mädchen ist man doch eher Fan von Daisy, oder? Um mal das Klischee zu bedienen ... Nein, dann schon eher die Hexe Gundel Gaukeley. Die versucht dauernd, Dagobert seinen Glückstaler abzujagen. Man könnte sagen: Das war die erste Frau in meinem Leben, die sich um das Thema Finanzen gekümmert hat. Wie ging es weiter, nachdem Sie dem Comicalter entwachsen sind? Ich habe BWL mit Schwerpunkt Finanzmanagement studiert und schon während des Studiums mit einem Freund eine Art Musterdepot mit Aktien aufgebaut, in dem aber noch kein echtes Geld steckte. Nach der Finanzkrise bin ich dann an der Börse eingestiegen. Gutes Timing. War das Können oder Zufall? Auf dem Tief einzusteigen ist jedenfalls schwierig, das stimmt. Außerdem muss man in dem Moment nicht nur Mut, sondern auch das nötige Geld übrig haben. Das hat sich bei mir aber ganz gut ergeben. Ich hatte gerade einen ersten Job im Marketing und habe dafür exzessiv das Onlinekarriereportal Xing genutzt. Xing hat mir jeden Monat fünf Euro dafür abgeknöpft. Das hat mich erst genervt, dann habe ich gemerkt: Moment, wenn das alle zahlen, die Xing professionell nutzen, ist das ein gutes Geschäft. Ich hab mir die Aktie für 30 Euro gekauft, heute notiert sie bei über 150.


Foto//Photogenika

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Alles im Griff: Katja Eckhardt hat BWL mit Schwerpunkt Finanzmanagement studiert.


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Katja Eckhardt guru_

Früher habe ich Zockeraktien gekauft, etwa aus der computerspiel-Branche. seit ich ein Kind habe, ist das anders.“

Einsteigern hatten Sie vorher zu ETFs geraten. Sie selbst investieren aber eher in Einzelaktien? Für Einsteiger sind ETFs passender: Man muss sich weniger auskennen, das Risiko ist auf mehrere Aktien verteilt und die Gebühren sind geringer als bei Fonds. Ich selbst habe neben ETFs und Immobilien auch einzelne Aktien. Spannend ist, dass ich dabei in letzter Zeit eine Wandlung durchgemacht habe. Welche denn? Früher hab ich Zockeraktien gekauft, etwa aus der Computerspielbranche, weil mein Freund viel Zeit mit der P ­ layStation verbracht hat. Das hat sich geändert, seit wir ein Kind haben. Die täglichen Einkäufe sind jetzt Windeln und solche Dinge. Deshalb interessiere ich mich nun für Aktien von Unternehmen wie Procter & Gamble, The C ­ hildren’s Place oder Johnson & Johnson. Das sind Kinderbedarf- und Konsumgüterhersteller mit stabilem Geschäft. Zahnpasta, Windeln oder Babyklamotten werden immer gebraucht. Mit solchen Aktien macht man nicht die schnelle Mark, baut langfristig aber ein Vermögen auf.

In Ihrem Buch schreiben Sie, das größte Problem käme erst mit dem Reichtum: nämlich, reich zu bleiben. Frauen seien darin besser als Männer.Was bringt Sie eigentlich zu dieser Annahme? Seit ich das Buch veröffentlicht habe, haben mir auch einige Männer geschrieben. Viele von ihnen wollen wissen, wie sie aus den Schulden rauskommen. Ich fühle mich schon wie der Fernseh-Schuldenberater Peter Zwegat - nur in weiblich. Auch in der Pleite-Top-Ten finden sich nur Männer, der Musiker MC Hammer zum Beispiel. Der hatte mal Hunderte Millionen Dollar, hat sein ganzes Geld aber verprasst: für Villen, für Helikopter, für Autos, für Frauen. Noch heute hat er Schulden beim Finanzamt. Jetzt versucht sich MC Hammer unter dem Namen „Man of Christ“ als Priester. Ziemlich schräg, oder?

Sollten sie das? Vielleicht. Der ­McDonald’s-Gründer Ray Kroc hat einmal gesagt, er sei im Immobiliengeschäft und nicht im Burgergeschäft. Trotzdem ist seine Firma wohl die bekannteste Fast-Food-Kette der Welt. McDonald’s verlangt hohe Mieten, Franchise-Lizenzgebühren und sogar eine Beteiligung an den Werbemaßnahmen. Die Fast-Food-Kette freut sich deshalb über stabile Geschäfte, betreibt exzellente Kurspflege durch Aktienrückkäufe und zahlt eine gute Dividende. Außerdem hat McDonald’s ein hervorragendes Markenimage und mit Ronald McDonald ein überall bekanntes Gesicht. Das ist wichtig. Zudem versteht jeder das Geschäftsmodell, kennt die Produkte und die Zielgruppe. In Asien ist es übrigens gerade ziemlich angesagt, bei ­McDonald’s zu heiraten.

Weshalb gehen so viele Stars pleite? Weil sie tolle Sänger oder Sportler sind, ihnen aber der finanzielle IQ und das Interesse an Geld fehlt. Sie kümmern sich einfach nicht um ihre Finanzen. Und wenn sie Geld ausgeben, dann für teure Statussymbole und nicht für Aktien von beispielsweise McDonald’s.

Das wäre was für Sie, oder? Sie haben dort ja schon Ihren Freund gedated. Ich befürchte, da würden meine Eltern nicht mitspielen. Es sei denn, meine Tochter übernimmt die Auswahl der Location ... __________________

F IN A N Z T IPPS

M A L

A NDE R S

Katja Eckardt (36) ist studierte Betriebs- und

Checklisten („Seid ihr bereit für mehr Geld?“),

Volkswirtin. Mit ihrem Buch „Reichtum ist

Ankreuztests („Habt ihr das Zeug zur Superrei-

Frauensache – Werde eine Finanz-Diva“ will

chen?“) und Typenvergleiche (Pennystocks sind

sie Frauen finanziell weiterbilden und zeigen,

Womanizer wie Ashton Kutcher, Nestlé-Aktien

wie man Aktien, Fonds oder ETFs zum Vermö-

Langweiler wie Richard Gere, ein Festgeldkonto

gensaufbau in Zeiten von Niedrigzinsen nutzen

ist ein „Vollpfosten“). FinanzBuch Verlag, 256

kann. In dem Werk finden sich jede Menge

Seiten, 16,99 Euro

Mit ihrem Bestseller will Katja Eckardt Frauen helfen, eine Finanz-Diva zu werden.


DISCOVERY SPORT

ABENTEUER LIEGT IN UNSERER DNA.

Auch wenn die Straße endet: Das Abenteuer geht weiter – mit Terrain Response* für optimale Traktion. Im Innenraum bieten Ihnen die 5+2 Sitze* dabei jede Menge Platz für weitere Abenteurer, oder auch bis zu 1.698 Liter zusätzlichen Stauraum. Diese sowie viele weitere Features machen den Discovery Sport zu einem der vielseitigsten Kompakt-SUV. Ab 33.250,00 €**. landrover.de *Modellabhängig. Weitere Informationen erhalten Sie bei Ihrem Land Rover Partner. **UVP ab Lager der Jaguar Land Rover Deutschland GmbH, Am Kronberger Hang 2a, 65825 Schwalbach/Ts.

Verbrauchs- und Emissionswerte Discovery Sport 2.0l eD4: Kraftstoffverbrauch (l/100 km) innerorts 5,5, außerorts 4,2, kombiniert 4,7; CO2-Emissionen 123 g/km; CO2-Effizienzklasse A+. Alle Angaben wurden nach dem Messverfahren RL 80/1286/EWG ermittelt. Abb. zeigt Sonderausstattung.


_benchmark gimmicks

Elegant Der niederländische Produktdesigner Dick van Hoff hat einem ausgeprägten Sinn für Material und Form. Sein Ansatz führt zu klaren und verständlichen Alltagsgegenständen, die mit handwerklichen Techniken hergestellt werden. Ein schönes Beispiel: Die markante Kaminholztasche aus Leder für die Kollektion von Thomas Eyck. 990 Euro. www.thomaseyck.com

Fabelhaft Mit zwei spektakulären Figuren realisiert die Porzellanmanufaktur Nymphenburg ihre erste Edition mit Damien Hirst. Hinter dem handgefertigten Einhorn Myth mit enthäuteten Beinen und Legend, einem geflügelten Pferd, das wie bei einem chirurgischen Eingriff Muskeln und Knochen offenbart, steckt die Absicht, ein mythologisches Wesen zu sezieren und zu zeigen, dass es sich in nichts von einem sterblichen unterscheidet. Preis auf Anfrage. www.nymphenburg.com

Klangstark Das Design der Sonderedition Naim for Bentley Mu-so besticht durch eine dezent strukturierte Oberfläche aus eloxiertem Aluminium sowie durch einen Lautstärkeregler mit der Bentley-typischen Rändelung. Die Farbe der Lautsprecherabdeckung entspricht dem Portland-Leder, das in vielen Bentley-Interieurs zu finden ist. Sämtliche StreamingOptionen sind integriert. Um 1.199 Britische Pfund. www.naimaudio.com


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Imposant Die Konsole Rebus von Fratelli Boffi ist halb Möbel, halb Kunstwerk. In einem Tragrahmen, gewissermaßen wie eine Museumsvitrine gestaltet, hängt ein imposanter, asymmetrisch geformter Holzkörper, dessen Gestaltung von der Kuppel des römischen Pantheons inspiriert wurde. Preis auf Anfrage. www.fratelliboffi.it

Ikonisch

Zur selben Zeit, als Leo Fender seine legendäre E-Gitarre Stratocaster auf der Markt brachte, entwickelte auch S.T. Dupont seine Kultfeuerzeuge, nämlich 1954. Die charakteristische Sunburst-Lackierung der Gitarre findet sich neben dem Fender-Logo jetzt auf einer Jubliäumsedition des französischen Accessoire-Unternehmens wieder. Ab 2017 im Handel. www.st-dupont.com

Gestochen scharf Mit dem Zusatzmodul True Zoom von Haselblad lassen sich die Smartphones Moto Z in eine Digitalkamera mit zehnfachem optischen Zoom und Xenonblitz verwandeln, die auch RAW-Aufnahmen machen kann. Der Vorsatz wird magnetisch befestigt. Um 299 Euro. www.motorola.de

Auf Trab Seilspringen ist ein uraltes Fitnesskonzept, das noch dazu ohne viel Aufwand umgesetzt werden kann und ziemlich günstig ist. Die App Tangram Smart Rope sorgt dafür, dass akkurat gezählt werden kann, und schafft Überblick über die Trainingserfolge. 79,95 US-Dollar. www.tangramfactory.com


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_benchmark it-bags

Göttlicher Funke Die Gucci-Handtasche Dionysus wurde innerhalb kürzester Zeit zu einer der beliebtesten It-Bags überhaupt. Valeria Schneider von „Luxussachen“, einem Onlineshop für Vintage-Designerstücke, schildert die Gründe.

S

eit Alessandro Michele neuer Kreativdirektor von Gucci wurde, erlebt die Marke ein bemerkenswertes Revival. Was ist der Grund? Es ist nicht ungewöhnlich, sondern oft auch gewollt, dass in der Modebranche mit dem Wechsel des Designers ein kompletter Umbruch ins Haus steht. Allerdings kann das immer auch mit einem Risiko für die Firma behaftet sein. Dieses Risiko ist Gucci eingegangen und wurde belohnt, da das Unternehmen mit der veränderten Ausrichtung durch Alessandro Michele eine neue Generation Kunden gewinnen konnte. Der Boom war sicher nicht vorherzusehen, da die Marke in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund gerückt war, aber Michele hat mit seinen kreativen und frechen Ideen den Trend der Zeit getroffen und somit alles richtig gemacht.

Die aktuellen Gucci Bags werden derzeit stark nachgefragt. Welches Modell besitzt das Potenzial als Icon und Sammlerobjekt? Für mich hat die Dionysus GG Supreme definitiv das Potenzial, ein Icon zu werden. Guccissima-­ Muster, die dekorative Tigerkopfspornschnalle und ihre klassische, tolle Form machen die Tasche zu etwas Besonderem mit Wiedererkennungswert. Welche Gucci-Tasche ist zurzeit Ihr Favorit? Mein absoluter Favorit unter den Gucci-Taschen ist ganz klar das Modell Dionysus GG Supreme mit ganz vielen Patches und Stickereien. Es ist ja bekannt, dass die Modebranche zurzeit total auf Patches, knallbunt und auffällig, steht und von daher darf auch meine Tasche individuell herausstechen. Alessandro Micheles Entwürfe sind teilweise recht exzentrisch. Einige Taschen aus der aktuellen Kollektion sind mit Graffiti besprüht oder mit bunten Applikationen versehen.Welchen Stellenwert hat dieser Trend zur Personalisierung? Der Modemarkt ist so übersättigt mit neuen Designern und Kollektionen, dass sich ein wachsendes Bedürfnis abzeichnet, sich von der Masse abzuheben.

Die Vintage-Spezialistin Valeria Schneider (www.luxussachen.com) im Interview.

Innovatives Design, Potenzial als Sammlerstück: die Gucci Dionysos GG Supreme mit Patches, Stickereien und Kettenschulterriemen.

Daraus entwickelt sich der Trend, möglichst individuelle und personalisierte Produkte zu besitzen. Bekannt ist dies ja auch schon von Louis Vuitton mit dem Service, die eigenen Initialen auf die Taschen prägen zu lassen. Und diese Individualität bietet Alessandro, indem er die Gucci-Taschen kreativ und unterschiedlich gestaltet.

Wie beliebt sind Gucci-Taschen in Ihrem Geschäft? Welches Modell verkauft sich am besten? Auch wir spüren natürlich, dass Gucci entstaubt wurde und die Nachfrage im Vergleich zu vorher deutlich gestiegen ist. Auch im Vintage-­ Bereich hatten die Kundinnen das Interesse an der Marke leider verloren, was sich nun wieder geändert hat. Durch die Präsenz in den Medien merken wir auch, dass sich unsere Kunden wieder mehr für Gucci interessieren. Welches Modell sich am besten verkauft, ist schwer zu sagen, denn die Klassiker gehen immer, aber sobald wir eine Gucci-Tasche aus der aktuellen Kollektion anbieten können, ist diese auch sofort verkauft. ______


Spielen lassen. Zuhören. Feiern. W E LT K L A S S E P I A N I S T E N L I V E E R L E B E N .

L a d e n S i e d i e g r ößt e n P i a n i s t e n z u I h re r n ä c h s t e n Pa r t y e i n u nd ve r z au b e r n S i e I h re G ä s t e m it D a r bi e t u n ge n , d i e e i ne m L i ve Au f t r it t i n n ic ht s n a c h s t e he n . S i e f r a ge n s ic h , w i e d a s mö g l ic h i s t? M it spi r io, d e m e r s t e n ho c h au f lö s e nd e n S e l b s t s pi e l s y s t e m von s t e i n way & s ons . Ü b e r r a s c he n S i e I h re G ä s t e m it d i e s e m Me i s t e r we r k au s H a nd we r k u nd Pe r fe k t ion . S i e l a s s e n e s s pi e le n , S i e höre n z u u nd we rd e n b e s t e n s u nt e r h a lt e n – u nd we n n S i e mö ge n , s pi e le n S i e s e l b s t . S P I R I O @ S T E I N WAY. D E | S T E I N WAY S P I R I O . C O M

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_benchmark Perfumes

Duft nach Maß Fotos//panoramawerk.ch / Peter Nyfeler, Savos

Personalisierte Parfüme liegen im Trend. Lorenzo Villoresi gehört zu den Pionieren der Branche.

K

eine Frage: Das Atelier unter dem Dach des alten RenaissancePalazzos in der Via de Bardi in Florenz hat Flair. Hunderte von Apothekerfläschchen, mit feinsten Essenzen und ätherischen Ölen gefüllt, drängen sich in den alten Holzregalen. Sie umrahmen den Arbeitsplatz des italienischen Independent-Parfümeurs Lorenzo Villoresi. Der Nachkomme einer alten toskanischen Aristokratenfamilie stellt seit 25 Jahren exquisite Düfte jenseits des Massenmarktes her. Neben seinen eigenen Kollektionen komponiert er Parfüme und Raumdüfte für Modemarken, Hotelketten und Kaufhäuser. Doch seine eigentliche Spezialität sind individualisierte Düfte für Privatpersonen. Während unten in der Boutique der Parfümmanufaktur die hauseigenen Kollektionen in modernelegantem Ambiente präsentiert werden, empfängt der Maestro in seinem Laboratorium eine distinguierte Klientel, die auf einen individuellen Duft ebenso viel Wert legt wie auf maßgeschneiderte Anzüge. Wer wollte hier nicht inspiriert

sein? Über den Dächern der Stadt, den Duomo im Blick und den Ponte Vecchio einen Steinwurf weit weg, fühlt man sich zurückversetzt in die Zeit der Medici, als Florenz ein Mekka der europäischen Parfümproduktion war. Durch das Terrassenfenster steigt ein Lufthauch aus den Gassen herauf und weht die Erinnerung an die Karawanen der Seidenstraße, an die Gewürzmärkte Indiens und die edlen Rosenwasser des Orients herein. Das ist der Stoff, aus dem

Träume gemacht werden, und die Kulisse, die Lorenzo Villoresis Hand- und Nasenwerk den gebührenden Rahmen verleiht. Sting, das Ehepaar Blair und Billy Joel saßen schon hier und ließen sich von dem studierten Philosophen und Bibelwissenschaftler ein Parfüm nach ihren eigenen Vorstellungen kreieren. Ist dies eine subtile Form der Porträtmalerei? „Ganz und gar nicht“, winkt Villoresi ab. Er erstelle mit dem Duft kein Persön-

In de r Vi llo r e s i -M a n u fa k tu r werden die kostbaren Kreationen von Hand a bg e fü llt – r u n d 4 0 . 0 0 0 F la ko n s i m J a hr.

lichkeitsprofil. „Es geht vielmehr darum, einem Wunsch, einem Verlangen nach einer bestimmten Emotion Gestalt zu geben“, erläutert er. Denn der älteste unserer Sinne ist direkt mit den Gehirnstrukturen verknüpft, die unsere Emotionen verarbeiten.


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Ein Duft kann schlagartig eine Erinnerung auslösen oder eine ganze Szenerie vor unserem geistigen Auge entstehen lassen. Der Geruch der Großmutter, wenn sie sonntags für die Familie den Apfelkuchen buk, mischt sich mit den Düften aus dem Ofen, der heiteren Stimmung am Kaffeetisch und dem kindlichen Gefühl der Geborgenheit. Voilà – eine Erinnerung proustscher Dimension, die zum Duft synthetisiert werden kann. „Daher mache nicht ich das Parfüm – der Mensch führt mich auf dem Weg zur Komposition.“ Villoresi nimmt die Stimmungen und Empfindungen auf, die dem Kunden vorschweben, und übersetzt sie in eine Duftformel.

I m Ve r k a u f s r au m i n der Via d e Bar d i s i nd d i e P r êt - àpo r te r - D ü f te d e r Maiso n Vi llor e s i e r hä l tl i c h.

Während der Sitzung mischt er die Essenzen zusammen, lässt den Kunden schnuppern und nachspüren, korrigiert und fügt etwas hinzu, lässt ihn wieder probieren – so lange, bis das Werk vollendet ist. Zuhause soll der Duft dann „nachreifen“, denn die Umgebung, der emotionale Zustand, aber auch die körperliche Verfassung und sogar unsere Nahrung nehmen Einfluss auf die Duftentfaltung. Einen Duft zu erleben, ist schließlich eine ganzheitliche Erfahrung: „Die Kunst der Parfümerie besteht aus vielen Einzelkünsten. Der Flakon, der Name, die Verpackung – alles bildet eine Einheit, aus der heraus erst ‚das Parfüm‘ entsteht“, so der Essenzgelehrte. Vertraut mit der jahrtausendealten Geschichte der Duftherstellung, sind seine Kollektionen auch eine Hommage an die alte Florentiner Handwerkskunst. Der sechseckige Flakon aus Kristall­ glas mit dem auf Silber geprägten Namensschild und dem feinen Lederetui evoziert die klassische Eleganz antiker Kosmetikkultur.

Wo hlr i e c he n de R o hs to ffe : Lo r e n z o Vi llo r e s i v e r w e n de t zw i s c he n 3 0 0 u n d 4 0 0 Es s e n z e n fü r s e i n e Dü fte.

Ebenso wie die Duftnoten: Amber, Incensi, Patchouli, Vetiver oder Sandalo stehen für die wesentlichen Essenzen, die von Beginn an in der Duftproduktion Verwendung fanden. „Wer weiß heute schon noch, wie Magnolien riechen?“ Angesichts von 300 bis 400 neuen Parfümen, die jährlich auf dem Markt lanciert werden, sei es für Laien unmöglich, zwischen Massenware und edler Komposition zu unterscheiden, glaubt Villoresi. „Wir müssen das Alphabet der

Düfte wieder erlernen.“ Was läge näher, als in den geschichtsträchtigen Mauern seiner Vorväter ein Museum für Parfümeriekunst mit angeschlossener Akademie zu gründen? Für den Parfümeur und Kulturforscher eine perfekte Symbiose seiner beiden Leidenschaften. Ab Frühjahr 2017 soll das Museum eröffnen. _____________ www.lorenzovilloresi.it


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_benchmark kitchen

Prunkstück

Hier können sich Gourmets nach Herzenslust austoben: Drei Backöfen, ein achtflammiges Gaskochfeld mit sieben Kochzonen plus Schubladenstaufach sind die Ausstattungs­ merkmale dieses Kochzentrums von SMEG, das jeder Küche zum Schmuck gereicht. Das Spitzenmodell TR4110 ist in fünf verschiedenen Farben und alternativ auch mit Induktionstechnik lieferbar. Um 4.199 Euro. www.smeg.de

Tea Time

Die Zubereitung von Tee lässt sich mit der Tea Tall Unit von Toncelli zu einem besonderes Ritual machen. Koloniale Stilelemente standen Pate bei dieser Einbaulösung aus kostbarem Ziricoteholz. Im Inneren findet sich ein ausziehbares Tischchen, das mit einer Stahlschale ausgestattet ist, um das zum Waschen der Teeblätter verwendete Wasser zu sammeln. In der unteren Schublade findet das Geschirr seinen Platz, in Seitenauszügen die Teesammlung. Preis auf Anfrage. www.toncelli.it

Klare Linie

Entscheidend sind die Details. Dazu gehört bei Küchen ein durchdachtes Konzept für Schubkästen und Auszüge. Das SieMatic-Innenausstattungssystem aus Aluminium sorgt für zahllose Einteilungsmöglichkeiten: ein Block für scharfe Messer, eine integrierte USB-Ladestation oder eine Kleinteilewelle. Kein technisches Detail stört die minimalistische Ästhetik, die wie in diesem Beispiel „Pianist“ durch dunkle Rauchkastanie einen schönen Kontrast bekommt. Preis auf Anfrage. www.siematic.com

Designikone Zum 333. Firmenjubiläum bringt Gaggenau eine aktualisierte Version seines 90 Zentimeter breiten Backofens – umbenannt in EB 333. Die Neuinterpretation zeigt als markantes Merkmal eine ganzflächige drei Millimeter starke Edelstahltür. Diese sorgt für eine besonders glatte und elegante Erscheinung. Auch der emaillierte Garraum wurde überarbeitet und ein aktualisiertes Lichtkonzept integriert. Die Funktionen des Backofens können über ein TFTTouch-Display intuitiv gesteuert werden. Um 6.998 Euro. www.gaggenau.com


DER NEUE MASERATI LEVANTE DER MASERATI UNTER DEN SUVS AB 70.500,– € * 100 % SUV, 100 % MASERATI Ein reinrassiger Maserati. Das sieht man am Design und merkt es an der Technik. Serienmäßig besitzt der Levante das intelligente Allradsystem Q4 für Traktion und sportliche Agilität. Auch die Luftfederung gehört zur Serienausstattung. Sie sorgt für mehr Komfort und hohe OffroadTauglichkeit. Vor allem bürgt sie auf der Straße für jenes dynamische Handling, das man von einem Maserati erwartet. Dazu passen auch die effizienten Motoren des Levante: • 202 kW (275 PS) Diesel mit Active Sound System oder • 316 kW (430 PS) Benzinaggregat mit Hochdruckdirekteinspritzung *unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers inkl. 19 % MwSt., zzgl. Überführungskosten; Informationen zu Finanzierungsmöglichkeiten erhalten Sie bei Ihrem Maserati-Vertragspartner. Verbrauch (l/100km) kombiniert: 10,9 – 7,2; CO2-Emissionen (g/km): 253 – 189; Effizienzklasse: F – B; Ermittelt nach EG-Richtlinie 1999/94/EG; Abbildung enthält Sonderausstattung.

Mehr erfahren: www.maserati.de/levante oder Infoline 0800 88 11 808 Gebührenfrei aus dem deutschen Festnetz


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_benchmark classic car

Stiller Groove ls der Porsche 911 Baujahr 1970, auch Urmodell genannt, das Licht der Welt erblickte, war der schwäbische Autobauer vom SUV so weit entfernt wie Clint Eastwood von den Brücken am Fluss. Hergestellt wurden schnelle, filigrane, zuverlässige Zweisitzer mit Boxermotor. Der 911 war fleißig auf Rennstrecken unterwegs, die zweite Ausbaustufe des Urmodells war mit einem 2,2-Liter-Motor auf Tour und man wollte den US-Markt mit einem offenen 11er beglücken. Das ging nur mit der Targa-Lösung, bei der ein Teil des Daches mit ein paar Handgriffen im Kofferraum verstaut werden kann. Ein Bügel schützt die Insassen bei einem Überschlag. So wollten und bekamen es die US-Behörden. Der Name Targa leitet sich aus der berühmten Rallye auf Sizilien, der Targa Florio ab. Man dreht den kleinen Schlüssel im Uhrzeigersinn, der Boxer meldet sich zu Wort. Kurz vorher das Zuschlagen einer kleinen Tür, dann die Drehzahl auf 2.000, ungefähr. Kupplung, Gas, erster Gang hinten links. Der linke Fuß gewöhnt sich recht schnell an die Widerstände der Kupplung, die rechte Hand sucht die Gänge und das wird auch erst mal so bleiben. Der 2.2-Liter Boxer-Motor arbeitet sauber und lange nicht so laut wie spätere Modelle. Der Käfer klingt ein wenig durch, aber das ist nicht das Thema. Viel wichtiger: Was macht diesen 911 so begehrenswert?

Fotos//Porsche AG

A

Unterwegs im Porsche 911 S 2.2 Targa.

Es ist die einfache, klare und vor allem zeitlose Sprache dieses Autos. Der Motor, mit 180 PS stark genug für die Rallye-Marken-WM. Das Coupé des 911 S wurde einer Diät unterzogen, mit Plexiglas, Leselampe und so weiter rannte der 2.2 durch Dick und Dünn. Dieser Porsche kann also was. Der Vorgänger war noch mit Vergaser unterwegs, der 2.2 wird mit mechanischer Saugrohreinspritzung auf Touren gebracht. Das Getriebe mit seinen fünf Gängen erlaubt den stillen Groove und den harten Beat. Bis 225 Stundenkilometer konnte man den S damals treiben, dabei ist die Charakteristik dieses Sportwagens eben eine besondere. Er lässt sich untertourig fahren, dann ist der 911 in Lauerstellung. Die 1.100 Kilo Leergewicht und der Radstand von 2.268 Millimeter fühlen sich bei kleiner Fahrt wunderbar bequem und komfortabel an. Die fünf Uhren schauen hinter dem einfachen Lenkrad hervor, ein winziges Radio könnte jetzt 70er-Rock ausspucken. Irgend-

Sp or tw a g e n i ko n e a u s Zu ffe n ­ hausen : de r 9 11e r Ta rg a a u s de m Jahr 1 970 i n G e mi n i me ta lli c mi t de n charakte r i s ti s c he n F u c hs fe lg e n .

was von Led Zeppelin oder Deep Purple. Die Straße ist trocken, die Bahn ist frei und der 2.2 kann durchatmen, die ersten vier Gänge nahezu ungehindert ausfahren. Die Lenkung ist präzise genug, die Scheibenbremsen sind hellwach und kraftvoll. Der Motor liefert und liefert. Die Fuchsfelgen, auf denen der Targa sitzt, erinnern an Ferdinand Alexander Porsche. Butzi, so wurde F.A. Porsche genannt, hat den Elfer plus seine Felgen gezeichnet. Beides ein Werk für die motorisierte Ewigkeit. So darf sich, wer einen 911 Baujahr 1970 sein Eigen F A K T EN nennt, gleich doppelt freuen: über pures FahrPorsche 911 S 2.2 Targa vergnügen in einem bildBaujahr 1970 Motor 6-Zylinder-Boxer schönen Auto. Und weil Hubraum 2.195 Kubikzentimeter Porsches dieser GatLeistung 132 kW/180 PS bei 6.500 Umdrehungen pro Minute tung eine beträchtliche Drehmoment 199 Newtonmeter bei 5.200 Steigerung ihres Wertes Umdrehungen pro Minute erfahren haben und die Leergewicht 1.110 Kilogramm Wahrscheinlichkeit, dass Höchstgeschwindigkeit 225 km/h diese Reise zu Ende ist, Beschleunigung 0-100 km/h 8,0 Sekunden gegen null tendiert. ____



_benchmark TABLEWEAR

Ice, Ice Baby Gold ist das neue Silber: Richard Hutton entwarf den kurvigen Champagnerkühler für den italienischen Hersteller Double O mit den für ihn typischen Rundungen. Ghidini1961, eigentlich Spezialist für Kleinteile und Zulieferer der Möbelindustrie, stellte in diesem Jahr seine erste eigene Kollektion vor. Thema: Gold, ganz ohne Kitschfaktor. www.ghidini1961.com

Rosa Wolken

Plötzlich ist es überall: Befreit vom Schweinchen-, Barbieoder Baby-Image und saisonaler Einschränkung finden sich, gern in pudrigem Ton, rosafarbene Sofas, Bürostühle, oder Sideboards. Scheint, als brauche es gerade einen Hauch von Rosa! Mindestens in Form von Blumenvasen. www.nudeglass.com

Dolle Dose

Inspiriert von japanischen Urushi-Objekten (Urushi ist eine natürliche, schier ewig haltende Lackierung), kreierte Glaskünstler Rony Plesl eine Serie kleiner Behältnisse für alles, was einen hübschen Aufenthaltsort benötigt – ob Schmuckstück, Wattebausch oder Praline. Die mundgeblasenen Dosen aus verspiegeltem und gefärbten Glas plus Metallknauf stellt Verreum in Nový Bor her, seit jeher Hochburg böhmischer Glaskunst. www.verreum.com


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Two in one

Die kupferne Haube kann sich auch in eine zweite Schale verwandeln, das marmorne Brett auch als Servierteller oder Deckel dienen – Wahllondonerin Grace Souky interessiert sich für den Umgang der Menschen mit Gegenständen. Der Material- und Farbenmix der gebürtige Venezolanerin, verleiht ihrer Kollektion Domestic Collectables (insgesamt zwölf Teile) eine optimistische Eleganz. www.gracesouky.com

Goldstück

Purismus auf Dinnertafeln war gestern. Statt weißem Einerlei tischt man heute mit jedem Gang auch porzellanene Statements auf. Die goldenen Platzteller der Kollektion TAC Gropius versprühen Märchenflair und dezente „nicht Kleckern ... “-Stimmung. www.rosenthal.de

Zackig Wenn schon nicht mit dem entsprechenden Löffelchen geboren, dann eben die Kupfervariante von Designer Maarten Baas. Der Niederländer bewahrt seinen Entwürfen etwas Kindliches. Hier sind es die unregelmäßigen Zacken der Messer. www.valerie-objects.com


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_benchmark Storage

Kellermeister O

b als Wertanlage, Sammlerobjekt oder aus purer Leidenschaft – eine Weinsammlung ist nur so gut wie ihre Lagerung. Dies umso mehr, als es in modernen Untergeschossen oft am passenden Klima für die alten und kostbaren Bouteillen fehlt. Einer, der dabei nicht nur den richtigen, sondern auch einen einzigartigen Rahmen schafft, ist Jörg Tobler. Der gelernte Maurer aus dem Schweizer Dorf Malans hat vor rund zehn Jahren sein Maurergeschäft verkauft und dafür eine Manufaktur für Weinkeller eröffnet. Und das sehr erfolgreich. Zahlreiche große Weinsammler und Promis gehören zu seinen Kunden. Bei der Umsetzung eines Kellers gilt für Jörg Tobler: Selbst ist der Mann. Alle verbauten Elemente sind von Hand maßgefertigte exklusive Kunstwerke, die in seiner Manufaktur entstehen. Unterstützung holt er sich nur im Bereich der Klimatechnik durch einen renommierten Techniker und bei besonders komplizierten Details

zieht er den Kunstschmied seines Vertrauens zu Rate. Diese Ganz-oder-gar-nicht-Mentalität ist übrigens auch der Grund, dass in seiner Produktionshalle nicht Modulausstellobjekte, sondern ein voll eingerichteter und bestückter Weinkeller steht, der im Verkauf mit seinen 24

Quadratmetern rund 150.000 bis 200.000 Euro kosten würde. An dem davor platzierten Massivholztisch entstehen im persönlichen Gespräch mit dem Kunden die Pläne für dessen Gewölbe. Dabei ist jedes Projekt so individuell wie die Sammlung des Kunden selbst. Denn ein Keller wird um eine Sammlung herumgebaut. Es wird geschaut, was an Flaschen und vor allem in welcher

Größe und Form vorhanden ist, sodass entsprechende Lagermöglichkeiten eingeplant werden, immer mit ein bisschen Ausbaufläche natürlich. Die Größe beginnt bei wenigen Quadratmetern bis hin zu einem Bau, in dem 100 Menschen am ebenfalls aufgestellten Tisch Platz nehmen können.

Links: Weinkellerspezialist Jörg Tobler. Oben: Gewölbekeller aus handgefertigten Ziegeln.

Die Planung selbst kann natürlich gern auf Wunsch mit einem guten Glas Wein aus Jörg Toblers Keller untermalt werden. Denn die rund 400 Flaschen darin sind zum Trinken und nicht Anschauen gedacht. Die meisten Kunden wählen übrigens ein klassisches Kreuzgewölbe. Und Jörg Tobler gehört zu einem ganz kleinen Kreis an Maurern, die diese Kunst im Sichtmauerbau in der Schweiz noch beherrschen. Er ist aber auch in der Lage, Tonnen- und Klostergewölbe zu fertigen. Nicht zuletzt, weil er über eine exklusiven Vertriebspartnerschaft mit der belgischen Firma Vandersanden verfügt, die jeden nur erdenklichen Ziegel in allen Formen, Größen und Farben produzieren kann. ___

www.weinkellerbau-tobler.ch

Fotos//panoramawerk.ch / Peter Nyfeler, Savos

Guter Wein braucht einen anständigen Gewölbekeller.



_benchmark ROCKER

Relax Das Antwerpener Designteam Klein Agency hat bei diesem Rocker dem gemütlichen Wippen jeglichen Großpapacharme entzogen und mittels zeitgenössischminimalistischem Design stilsicher in die Gegenwart gebeamt. In Handarbeit in Belgien hergestellt. www.klein.agency

Verschaukelt Laissez-Faire mit Westerncharme: Den Hut tief ins Gesicht gezogen, den Colt, wenn nötig, im Bruchteil einer Sekunde zur Hand. Auch der Franzose Noé Duchaufour-Lawrance spielt mit Bildern vergangener Zeiten. Eine Filmszene dieser Art diente dem Designer als Inspiration, als US-Hersteller Bernhardt ihn bat, einen Schaukelstuhl zu entwerfen. Entstanden ist daraus ein überaus elegantes Möbelstück. www.bernhardtdesign.com

Move Sleepy ist ein Vorreiter des „Schaukeln ist cool“-Trends. Schon 2005 entwarf das türkische Architektur- und Designstudio Autoban diesen kessen Wippstuhl, den es in verschiedenen Hölzern und dazu farblich passenden Lederpolstern gibt. „Wenn wir älter werden, sollte die Erinnerung vergnüglich sein“, kommentiert das Studio seinen Entwurf. Also gleich mit dem Vergnügen beginnen … www.delaespada.com


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Dream Wiege statt Chaiselongue? Bei Jungdesignerin Jeannett Hojer Hansen verschmolz die Erinnerung an den im Schaukelstuhl lesenden Großpapa mit einem Produkt des Meisters aller Stühle. Ihre Liege Nonno (italienisch für Großvater) „ist ein Möbelstück, das dich beruhigt – eine Kombination aus meiner Vorliebe für Hängematten mit ihren schwingenden Bewegungen und meiner Interpretation des ‚Circle Chair‘ von H. J. Wegner.“ Leider nur ein Prototyp.

Yeehaa! Wilder Ritt im Wohnzimmer oder kleiner Ausritt in Richtung Traumland? Schaukeln ist gesund, Stillsitzen oldschool. Und weil es jetzt draußen bitterkalt wird, freuen sich angehende Cowgirls- und boys über das IndoorPferdchen namens Furia mit Ledersattel zwecks Zappelstunde. Das Beste: Die Spielzeuge, aus gebogenem Buchenholz, sind so hübsch, dass sie gar nicht in den Stall (Schrank?) gebracht werden müssen, sondern immer herumstehen dürfen. www.gebruederthonetvienna.com

Swing Ergonomie trifft Tradition: „Es ist klar, dass das Retrogefühl eine wichtige Rolle in dieser Produktentwicklung spielte“, sagt das Designteam Neuland. Paster & Geldmacher über seinen ElephantSchaukelstuhl für den italienischen Hersteller Kristalia. Und ja, lauschige Stunden am Kamin hatten sie auch vor Augen. Das haben sie dann jedoch mit bestmöglichem Sitzkomfort gemixt: Die Schale des Stuhles ist komplett mit Leder bezogen. Probiers mal mit Gemütlichkeit … www.kristalia.it


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_advertorial

Bodenständig IN DER PARKETTMANUFAKTUR BY HARO ENTSTEHEN BÖDEN VON ERLESENER SCHÖNHEIT.

I

mmobilien sind ein immer stärker nachgefragtes Investment. Besonderen Mehrwert erhalten diese durch die außergewöhnlichen Böden der parkettmanufaktur by HARO. Die hohe Kunst des Parketthandwerks bringt hier Kreationen von besonderer Schönheit hervor. Ein Boden aus der parkett­manufaktur by HARO wertet nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Immobilie auf, sondern bietet auch viele Möglichkeiten, um Räume auf sehr persönliche Weise zu inszenieren. Die XL-Dielen geben sich besonders großzügig. Auf dem warm schimmernden Eichenholz der Ur-Eiche verlaufen natürliche Risse, die sorgfältig per Hand ausgefugt werden und so die Ursprünglichkeit des

Bodens betonen. Wer den Kontrast liebt, schmückt sein Wohnzimmer mit dem Stirnholz-­ Parkett Carré. Das traditionelle Design gibt beispielsweise modernen Möbeln eine solide Grundlage. In der Meisterwerkstatt entstehen Holzböden mit hoher individueller Ausstrahlung, ganz nach den Wünschen des Kunden. Wurmlöcher, geschroppt mit dem Handhobel, strukturiert oder sägerau: Mittels fast vergessener handwerklicher Techniken aus früheren Epochen erhalten die Parkettdielen individuelle Oberflächen. Die Achateiche kommt besonders extravagant daher: In

Schöner Kontrast, ind i v i du e lle r Sti l: Land hausd iel e in Buc he k a s ta n i e n ­ b raun, exp ressiv stru k tu r i e r t.

Gold oder Silber gekalkt zieht sie die Blicke auf sich. Der luxuriöse Metallic-Effekt entsteht durch speziell entwickelte hochwertige Naturöle, die ebenfalls per Hand aufgebracht werden. Die Landhausdiele Eiche Barrique verleiht mit ihrer lebendigen Maserung auch einem puristischen Interieur eine warme Stimmung. Sie erhält ihre außergewöhnliche Optik mittels eines speziell entwickelten Produk­

tionsverfahrens. Dabei wird der Deckbelag komplett durchgefärbt. Kratzer sind so kaum sichtbar. Das macht sie zum idealen Boden für Bereiche mit höherer Belastung sowie für Räume mit starker Sonnen­einstrahlung, da sie wesentlich farbstabiler ist als beispielsweise unbehandelte Hölzer. So präsentieren sich die Böden der parkett­ manufaktur by HARO wertbeständig, individuell – und zeitlos schön. ___ www.parkettmanufaktur.de

F r e i he i t, G r ö ße, G r e n z e n lo s i g ke i t: di e XL-L a n dha u s di e le n .

Ei n B o d e n au s d e r p ar kett manuf akt ur by H AR O in s z e ni e r t u n d p r ä gt R äume gemäß de r P e r s önl i c hke i t i hr e s Bew o h ners.


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_benchmark INTERIOR

Strickstrumpf

Die Leuchte Granny von Casamania hat einen mit Stick bezogenen Schirm, diesen gibt es in verschiedenen Farben und Längen. www.casamania.it

Flechtmuster

Dieser Loungesessel aus der Kollektion Knit von Ethimo wurde von Patrick Norguet gestaltet. Er eignet sich für drinnen und draußen. www.ethimo.com

Grobmaschig

Die Designerin Claire-Anne O´Brian entwarf ebenso bequeme wie farbenfrohe Strickhocker in verschiedenen Mustern mit Holzbeinen. www.gan-rugs.com

Wandschmuck Beim englischen Tapetenhersteller Murals gibt es vom Mauerstein bis hin zur Unterwasserwelt so gut wie jedes Muster. Für einen besonders verblüffenden Effekt sorgt die Stricktapete namens Cream Knitted Jumper. www.muralswallpaper.co.uk


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2

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Die neue revolutionäre Parkettoberfläche: naturaDur Schön und matt wie eine Naturöloberfläche, pflegeleicht und strapazierfähig wie eine Versiegelung www.haro.com


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_benchmark places

Sterngucker Das Ressort Elqui Domos in Chile ist perfekt für astrologische Beobachtungen.

H

ol mir die Sterne vom Himmel ... Wem dieser Wunsch schon einmal in romantischer Stimmung ins Ohr geflüstert wurde, sollte eine Reise ins nördliche Chile unternehmen. Wegen des extrem trockenen Klimas bietet die Region ausgezeichnete Voraussetzungen für die Beobachtung des Sternenhimmels. Ein perfekter Platz dafür ist das Elqui Domus. Es gehört zu den sieben astronomischen Hotels weltweit, und es ist das Einzige in der südlichen Hemisphäre, rund 110 Kilometer von der Provinzhauptstadt La Serena und 580 Kilometer von Santiago entfernt gelegen. In der Nacht zeigt sich, welche Schätze der Himmel bieten kann. Man kann nicht aufhören, mit dem Fernrohr die Planeten und Himmelsformationen abzuwandern. Durch die Lichtverschmutzung in den Ballungsräumen Europas schien die Vorstellung fast vergessen, welche gigantischen Naturgemälde warten können, wenn man von der richtigen Stelle aus nach oben blickt. Es gibt zwei verschiedene Formen von Unterkünften, die sogenannten Dome Rooms und die Observatory Rooms. Die sieben Dome Rooms sind geodätische Kuppeln aus einem Metallrahmen mit einer PVC-Hülle bedeckt. Im Inneren bestehen sie aus zwei Ebenen: Unten befindet sich ein Wohnraum und ein Bad und oben ein Doppelbett. Das Dach über

dem Bett lässt sich abnehmen. Jede der Kuppeln besitzt eine weitläufige Terrasse, die ganz herumläuft, und auch ein Teleskop gehört dazu. Die Kuppel lässt sich mit maximal vier Personen belegen – zusätzlich zum Doppelbett kann man zwei Einzelbetten buchen. Die vier Observatory Rooms sind architektonisch interessant gestaltete Holzhütten. Sie bestehen aus drei Ebenen. Auf der ersten Ebene gibt es ein Wohnzimmer und ein Bad. Auf der zweiten Ebene ist das Doppelbett platziert. Darüber ein Panoramafenster, um liegend den Himmel zu beobachten. Auf der dritten Ebene befindet sich eine Dachterrasse. Nur wenige Schritte von den

Unterkünften entfernt befindet sich ein professionelles astronomisches Observatorium, ausgestattet mit Schmidt-Cassegrain-Teleskopen. Die Kuppeln sind motorisiert und es Das nörd l ic he Chi le bi e te t ist eine digitale Kamera für Aufnah- p erfekte Bedi n g u n g e n men des Mondes und der Planeten für Beob ach tu n g e n de s Sternenhim me ls . vorhanden. Speziell ausgebildete Astronomie-Guides weisen in die Geräte ein, helfen den Gästen bei den Himmelsbeobachtungen, geben Tipps und F A K T EN Orientierung auf der unDie Nacht kostet pro Doppelzimmer je nach übersehbaren Landkarte Saison ab 155 US-Dollar. der Sterne. Auch Ausritte Kontakt reservas@elquidomos.cl tagsüber und während der +569 7709 2879 Nacht sind möglich – wer www.elquidomos.cl will, kann darüber hinaus Erkundungsfahrten mit dem Bike unternehmen. ___


MATILDA BY BRETZ ICO N IC AWA R D 2016 W I N N E R

A L E XA N D E R - B R ETZ- ST RASS E 2 · D - 5 5 457 GE NS INGE N · TEL. 06727-895-0 · CULTSOFA @B R ETZ.DE F L AG S H IP S : ST ILW E R K BE RLIN | NIED E RWALL 41 BIELEFELD | HOHE STR . 1 DORTMUN D | STI LWER K DÜSSELDORF | ALTE GASSE 1 FRANKFURT | STILWERK HAMBURG | HOHENSTAUFENRING 62 KÖLN | REUDNITZER STR.1 LEIPZIG | Q3,5 MANNHEIM | HOHEN ZOLLERNSTR. 100 MÜNCHEN | VERSPOEL 6 MÜNSTER | HALLPLATZ 37 NÜRNBERG | KÖNIGSTR. 26 STUTTGART | UNTERE DONAUSTR. 27 WIEN | WWW.BRETZ.COM


ICONIC PLACES ARCHITECTURE_

Eintracht in Bangkok text//Norman Kietzmann FOTOS//Ketsiree Wongwan


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Ein ganz und gar nicht banales Doppelhaus für einen Sonnenanbeter und eine Nachteule, wo atmosphärische Vielfalt und gestalterische Konsequenz zusammentreffen.

Der jüngere Bruder betreibt einen Nachtclub und kommt oft erst in den Morgenstunden nach Hause. Bei ihm dominieren dunkle, erdige Töne.


ICONIC PLACES ARCHITECTURE_

Ein schmales, langes Schwimmbecken schließt an den Wohnraum des älteren Bruders an. Die hölzernen Planken lassen die Grenze zwischen Innen und Außen verschwimmen.

,,Zwischen den Häusern sollte eine Art Dialog entstehen.

(Kraipol Jayanetra)

In den Erdgeschossen fungieren Küchen, Bäder, Gästeschlafzimmer und Korridore als Pufferzone zwischen den Hauseingängen.


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Die Planung übertrugen die Brüder dem Architekturbüro Alkhemist aus Bangkok. „Sie wollten, dass jedes der beiden Häuser einzigartig ist und ihre unterschiedliche Persönlichkeit widerspiegelt. Zwischen den Häusern sollte eine Art Dialog entstehen“, beschreibt Alkhemist-Gründer Kraipol Jayanetra die Vorgabe. Das Knifflige dabei: Der Baugrund ist mit einer Größe ie sind ein ungleiches Paar – und von 815 Quadratmetern reichlich knapp halten dennoch stets zusammen. Als bemessen, um zwei voneinander losgelöszwei Brüder aus Bangkok ein eigenes Wohnhaus bauen wollten, mussten sie te Solitäre zu errichten. Eine unmittelbare, nicht lange überlegen: Anstatt voneinanräumliche Verflechtung der beiden Häuser war damit vorprogrammiert. Dennoch der getrennte Wege zu gehen, machten sollte genügend Privatsphäre gewahrt sie gemeinsame Sache. Und so erwarwerden, damit keiner dem anderen auf ben sie ein Grundstück im Norden von die Nerven fällt. Thailands pulsierender Millionenstadt und errichteten dort ein Doppelhaus. Keinen Bau von der Stange wohlgemerkt, sondern eine ausgeklügelte Raumkomposition, bei der sich unterschiedliche FarbDas Wohnhaus des älteren Bruders ist und Lichtstimmungen auf geradezu an der Nord- und Ostseite mit großzüsymbiotische Weise ergänzen. gigen Öffnungen versehen, um noch mehr Tageslicht ins Innere zu holen.


ICONIC PLACES ARCHITECTURE_ Der ältere Bruder ist Profigolfer. Die weißen Böden und Wände seines Wohnraums korrespondieren mit einer hellgrauen Ziegelwand.


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Die Architektur funktioniert wie eine BĂźhne, die den Akteuren den nĂśtigen Freiraum bietet.


ICONIC PLACES ARCHITECTURE_

F A Auf den ersten Blick folgen beide Häuser demselben Aufbau: Die Eingangsbereiche und Parkplätze liegen auf der Westseite. In den Erdgeschossen definieren Küchen, Bäder, Gästeschlafzimmer und Korridore eine Pufferzone zwischen den Hauseingängen und den nach Osten ausgerichteten Wohnräumen. Die Schlafzimmer der Eltern und Kinder sind jeweils im ersten Obergeschoss untergebracht, das sich über die Vorfahrt hinwegschiebt. Die Verbindung zwischen den beiden Bauten Auf diese Weise entsteht eine erfolgt auf Höhe der Wohnbereiche, die sich natürliche Überdachung, um über die gesamte Höhe von Erd- und Oberauch während der langen Regeschoss erstrecken. Verschiebbare Glastüren verstärken den großzügigen Raumeindruck, genzeiten trockenen Fußes zu indem sie die Innenräume ins Freie hinaus Hause anzukommen. erweitern und einen fließenden Übergang zwischen beiden Baukörpern erzeugen. Für das Gelingen dieser räumlichen Verschmelzung spielt die Gestaltung der AußenbereiDas Haus des jüngeren Bruders ist ein atmosphärischer Rückzugsort che eine entscheidende Rolle. Ein schmales, für heimgekehrte Nachteulen. langgezogenes Schwimmbecken sowie ein von Goldfischen bevölkerter Teich werden von hölzernen Planken eingefasst, die unterschiedliche Höhenstufen überwinden. Die wohnliche Materialität lässt die Grenze zwischen innen und außen ebenso verschwimmen wie eine klare Trennung zwischen beiden Häusern.

K T

EN

Design Alkhemist Architects Location Pak Kret District, Nonthaburi, Thailand Größe 430 Quadratmeter Nutzfläche Designteam Kraipol Jayanetra, Tongjai Tetiwong, Prueksakul Kornudom www.alkhemistarchitects.com

Trotz einer verbindenden architektonischen Sprache haben Kraipol Jayanetra und sein Team unterschiedliche Atmosphären in den Innenräumen geschaffen – ausgelöst durch den Einsatz von Farbe und eine veränderte Ausrichtung zum Sonnenlicht. Das südlich gelegenere Haus wird vom älteren Bruder bewohnt und folgt einem frischen, weiß-blauen Farbschema. Im anderen Haus hingegen dominieren dunkle, erdige Töne. Der Grund für diese Trennung liegt im geradezu konträren Lebensstil der beiden Brüder. Der Ältere ist professioneller Golfer und verbringt am Tag viel Zeit in den heimischen vier Wänden. Auf seinen Wunsch hin haben die Architekten den Wohnraum an der Nord- und Ostseite mit großzügigen Öffnungen versehen, um noch mehr Tageslicht ins Innere hineinzuholen. Weiße Böden und Wände korrespondieren mit einer hellgrauen Ziegelsteinwand und verstärken den weitläufigen Charakter des Salons.


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Der Wohnbereich lässt sich mit Schiebetüren zum Außenraum öffnen, wo ein Teich sowie tropische Vegetation bis nah an das Gebäude heranrücken.

Genau in die umgekehrte Richtung zielt das Haus des jüngeren Bruders. Er betreibt einen Nachtclub und kommt fast jeden Tag erst in den Morgenstunden nach Hause. Anstatt den Wohnraum zum Sonnenlicht zu öffnen, sorgen schmale Fensterbänder für eine gedämpfte Lichtstimmung – vergleichbar mit den wandelnden Licht- und Schattenspielen alter Laternen. Die Möbel, Wände, Böden und Vorhänge

sind in dunklen Grau- und Brauntönen gehalten, die die Augen vor Überblendung schützen und somit einen atmosphärischen Rückzugsort für heimgekehrte Nachteulen bieten. Dennoch lässt sich auch dieser Wohnbereich mit gläsernen Schiebetüren zum Außenraum hin öffnen, wo dichte tropische Vegetation bis nah an das Gebäude heranrückt und das Sonnenlicht auf natürliche Weise filtert.

Mit diesem Entwurf haben die Architekten genau ins Schwarze getroffen – obwohl ihnen dafür nur ein Budget von 420.000 US-Dollar zur Verfügung stand. Das Doppelhaus der beiden Brüder ist ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Lebenswelten, die sich gegenseitig ergänzen. Die Architektur funktioniert dabei wie eine Bühne, die den Akteuren den nötigen Freiraum bietet, ohne sich selbst in den Vordergrund zu drängen. Atmosphärische Vielfalt und gestalterische Konsequenz sind damit keine Gegensätze, sondern zwei Seiten von ein und derselben Medaille. Eine Symbiose der Vielfalt, in der sich Sonnenanbeter und Nachteulen gleichermaßen zu Hause fühlen. ___________


santoni

Zeig her deine Schuhe Text//Wilma Fasola

Die italienische Schuhmanufaktur Santoni setzt auf Handarbeit und Tradition. Etwas, was Liebhaber guter Lederwaren begeistert und Ăźberzeugt, richtig Geld auf den Tisch zu legen.

BRANDS to have_


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Finish: Kunsthandwerklich geschulte Arbeiterinnen tragen die Farbe per Hand auf.


santoni

BRANDS to have_

Pantolette aus der neuen Damenkollektion im marrokanischen Style.

Schuhe von Hand bemalt Eine Kakofonie aus Rattern, Tackern und Während zum Beginn ausschließlich HerQuietschen ist es, die einen beim Betreten der renschuhe gefertigt wurden, produziert man Werkshallen der Schuhmanufaktur Santoni in seit einigen Jahren auch verschiedene DamenEmpfang nimmt. Gewissenhaft, voller Leidenkollektionen. Und das ebenfalls nach alter, italienischer Tradition. Für Serienproduktionen schaft gehen hier die rund 400 Mitarbeiter des braucht es bei allen Schuhen rund 170 ArbeitsFamilienbetriebs ihrer Arbeit nach und sie lassen sich auch von einem Besucher schritte. Diese verteilen sich auf Kein Wunder also, dass Geschäftsführer nicht ablenken, der neugierig von 30 Stunden Arbeit und werden Giuseppe Santoni nonchalant zugibt, dass einem Arbeitstisch zum nächsten von 100 Paar Händen durchge„man seine Schuhe nicht braucht, sondern geht. Ihre Handgriffe sind routiführt. Nach dem Zuschnitt des Leders werden die einzelnen niert und die Schuhe, die sie ferti- haben will“. Und das ist so, seitdem sein Vater Andrea die Manufaktur vor mehr als 40 Jahren Stücke vernäht, wobei die Klassigen, schön. Schön und verdammt gegründet hat. Auch dieser glaubte fest daran, teuer. Santoni steht nämlich für ker ein Futter im Santoni eigenen dass man seine Schuhe einfach lieben muss. handgefertige Lederwaren, die Orange erhalten. Über den Leisten Denn zeitloses Design kombiniert mit höchssich bezahlfreudige Ästheten gezogen folgt im nächsten Schritt gönnen. Denn ein Paar aus der die Mittelsohle, dann eine Schicht ter Qualität, darauf legt man in der besseren italienischen Manufaktur kostet in Gesellschaft Wert. Also setzte er sich Mitte der Kork, die für Geschmeidigkeit der Basisversion bereits mehrere 1970er-Jahre in den Flieger Richtung Amerika. trotz der harten Ledersohle sorgt, Hundert Euro und kann bei einer und abschließend wird die äußere Im Gepäck: die ersten Schuhe, die er zusamMaßanfertigung den Neupreis Sohle befestigt. Dabei wird die men mit Ehefrau Rosa im eigenen Wohnzimeines Kleinwagens erreichen. gesamte Sohle am Rand rund mer produziert hatte. Und sein Plan ging auf: einen Zentimeter eingeschnitten, Die amerikanischen Connaisseure rissen ihm aufgeklappt und nach dem Vernädie elegante, italienische Ware aus der Hand. Es dauerte daher auch nicht lange, bis auch hen wieder zugeklebt, sodass am die Asiaten und Europäer von der Marke hörEnde keine einziges Stück weißes ten und ebenfalls einen Santoni haben wollten. Spezialgarn sichtbar ist. Und das selbst auf dem mit Schuhunternehmen überschwemmten italienischen Markt.

Kostbares Schuhwerk: Schlangenledersandale mit farbigen Riemchen.


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Schuhe nach alter Tradition

Handarbeit ist bei Santoni Trumpf. Oben: Holzleisten und traditonelles Schusterwerkzeug. Unten: Arbeiter beim Färben der Sohle.

Als Andrea Santoni seine Manufaktur Ende 1990 an seinen Sohn übergab, war die Fortsetzung des konsequenten Handwerks jedoch keine Voraussetzung. Für Giuseppe, der in den Produktionshallen aufgewachsenen war, stand es aber nie zur Diskussion, auf maschinelle Verarbeitung umzusteigen. „Ich sperre mich nicht gegen Maschinen und sie kommen zum Einsatz, wo sie sinnvoll sind“, erklärt der heute 48-Jährige. „Aber unser Qualitätsanspruch fußt auf absoluter Präzieinem Santoni-Stempel. Bei er Auslieferung sion und Erfahrung.“ Es braucht in über das Ohr hauen lässt sich ein Italiener seinen Augen Fingerspitzengefühl nämlich nicht. Dabei werden die exotischen von Genies, die ihr Handwerk Häute wie Krokodil, Schlange oder Strauß verstehen. Er will keine Menschen, ausschließlich von zertifizierten Farmen aus die etwas tun, weil sie müssen. Er Singapur, Louisiana und Afrika gekauft. will, dass jeder Schuh mit dem Streben nach Perfektion oder um Auch wenn der Schwerpunkt der Produkes mit seinen Worten zu sagen tion bei Herrenschuhen liegt, kam mit der „verrückt nach Details“ produZeit neben Damenschuhen auch eine Auswahl an Accessoires wie Gürtel, Reise- und ziert wird. Bei Santoni bedeutet Handtaschen sowie andere Lederwaren hinzu. das auch, dass jeder im UnterDie Entwürfe für die ausgesprochen feminin nehmen tut, was er am besten wirkende Damenkollektion 2017 bestechen kann. In seinem persönlichen Fall durch raffinierte Details, die inspiriert sind bedeutet das, dass er sich auf die vom Kunsthandwerk Marokkos mit Stickereien, Entwicklung neuer Modelle sowie Intarsien, Nickelapplikationen aus winzigen die Vermarktung und Präsentation Perlen und Münzen. Einerseits findet sich ein der Marke kümmert. raffinierter Mix an Farben und Materialien, andererseits treffen flache Wildlederpantoffeln auf Riemchenschuhe mit markanten Blockabsätzen.

Nach entsprechender Trocknungszeit bekommt jeder Schuh abschließend seinen individuellen Anstrich. Stück für Stück tragen die zu großen Teilen von der Mailänder Kunstschule stammenden Frauen die Farben auf, um am Ende mit dem Einfärben der Sohle in Orange abzuschließen. „Patina“ hat Andrea Santoni dieses Verfahren getauft und lässt es sich auch heute mit seinen fast 80 Jahren nicht nehmen, regelmäßig einen kritischen Blick auf das Ergebnis zu werfen. Gleiches gilt übrigens auch für seine Frau Rosa, die ebenfalls noch immer in den Produktionshallen unterwegs ist und genau darauf achtet, dass die Liebe zum Detail und das konsequente Qualitätsdenken nicht auf der Strecke bleiben. Der kostbare Rohstoff für die Fabrikation lagert im Keller. Einmal pro Saison werden die Regale des Depots mit neuen Ledern aufgefüllt. Die enge Zusammenarbeit mit den Zulieferern gibt dabei Sicherheit über Herkunft und Qualität. Direkt vor Ort bei den Produzenten wählen die Einkäufer die Ware aus und kennzeichnen die Lederstücke mit


santoni

BRANDS to have_

Moderne Architektur prägt den Firmensitz im italienischen Corridonia.

Er weiß um die Qualität seiner Produkte und er hat ein Unternehmen am Laufen zu halten. Investitionen fließen in Zeiten der Digitalisierung daher unter anderem auch in die Erweiterung des Vertriebsangebots. Der jüngst Im letzten Jahr lag der Umsatz bei rund 65 initiierte digitale und über die Webseite nutzbare Millionen Euro. Davon floss ein nicht unbe­„Customizer“ ist ein Ergebnis. Hier kann jeder achtlicher Teil in ein Rebranding des Designs. Parallel baut Giuseppe Santoni mit wenigen Klicks das Modell zudem sein Netzwerk aus und Carter Doppelschnalle in seiner sucht nach Partnern, die mit gleiLieblingsfarbe kolorieren und auf Schuh für Persönlichkeiten Wunsch auch die eigenen Initialen in cher Leidenschaft und demselben Zeit nimmt sich der Geschäftsführer ebenso die Schuhsohle gravieren lassen. Vier hohen Qualitätsanspruch fertigen für gute Kontakte zu internationalen High bis sechs Wochen später wird dann wie seine Manufaktur. Fündig ­Society. Schließlich kann einer Marke kaum für etwa 790 Euro geliefert. _______ wurde er unter anderem bei der Besseres passieren, wenn bekannte Persönlich­Schweizer Uhrenmanufaktur www.santonishoes.com keiten aus eigenen Stücken zu MarkenbotschafIWC und der Sportwagenmarke tern werden. So soll George Clooney seinem Mercedes AMG. Mit beiden FirWerbepartner Nespresso eindeutig klargemacht men verbindet ihn mittlerweile eine haben, dass er beim Werbedreh alles mache, aber nur in Santoni-Schuhen. Und auch Sylvesschon jahrelange Partnerschaft, die gern auch in Form limitierter ter Stallone lässt es sich auf seinen Besuchen der Editionen ihren Ausdruck findet. Heimat seines Vaters – sein richtiger Nachname ist ja Staglione – nicht nehmen, sich mit einigen neuen Tretern einzudecken. Dass Giuseppe Santoni für diese prominente Vermarktungsunterstützung aber bezahlen würde, käme dem italienischen Unternehmer nicht in den Sinn.

Für die Herstellung eines Schuhs braucht es 170 verschiedene Schritte, die sich auf 30 Stunden Arbeit verteilen.

Als exklusiven Service bietet Santoni die Möglichkeit, Herrenschuhe nach persönlichen Vorlieben färben zu lassen.


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Ein ganzer Waller auf Eis, da­neben Filets, Leber und Rogen. Rechts: Whiskey-Balsam, ein im FreiluftHolzfass-Speicher gereifter Essig.


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_food to taste fish

die foie gras des süßwassers Waller hatten eigentlich keinen allzu guten Ruf. Bis Torsten Pistol aus dem Speisefisch wieder eine gefragte Delikatesse machte.

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Fotos//Nils Lackner und Thorsten Pistol

Text//Nils Lackner

Es war auf der legendären Küchenparty des Sylter Gourmet Festivals, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Plötzlich stand er neben mir. Hagerer Typ mit Rockabilly-Frisur, Lederjacke und Logo einer Rockband auf dem T-Shirt. Er hielt mir die Hand hin. „Ich bin Pistole“, stellte er sich vor. Hatte er gerade die Bezeichnung einer Handfeuerwaffe als seinen Namen genannt? Ja, hatte er. Was mir damals noch komisch vorgekommen sein mag, ist heute für mich ganz normal. Pistole ist einer der neuen Rockstars der deutschen kulinarischen Szene. Und sein Name passt. Kaum einer ist so gradlinig, energiegeladen und allgegenwärtig wie er.

Dabei entsprang er keiner Hoteliersfamilie, hat in keiner Sterneküche gelernt und gehört nicht zur neuen Riege der hippen Sommeliers. Seine Waffe ist seine Vision, das Idealbild von der Wertschätzung dessen, was auf unseren Tischen landet. Die lebt er mit seiner Firma Hardcore-­ Food so kompromisslos, dass es schwerfällt, ihm nicht zuzuhören. Sein Erfolg kommt nicht von ungefähr, ist eigentlich sogar nachvollziehbar. Dennoch liest sich die Geschichte von Pistole ein wenig wie ein modernes Märchen. Eigentlich hatte Torsten Pistol, so sein bürgerlicher Name, einen ganz anderen Karriereweg eingeschlagen und im Jahr 2000 seine Ausbildung zum Krankenpfleger abgeschlossen. Da hierzulande im Gesundheitssystem aber keine Spitzenlöhne bezahlt werden, musste noch ein Nebenjob her. So kam er zum ersten Mal in Berührung mit der Produktion von Lebensmitteln, genauer gesagt mit der Zucht von Waller, dem europäischen Süßwasser­wels. Damit hat alles begonnen.

Pistole war von Anfang an begeistert und stieg kurzerhand als Gesellschafter mit in die Zuchtstation ein. Das ist typisch für ihn. Er ist ein Macher, der nicht lange redet, sondern Dinge umsetzt. Die Wallerstation sollte Pistoles Startschuss sein für eine rasante Reise in die Welt der Gourmets und Fine-Dining-­Restaurants. Eine Reise, welche noch lange nicht zu Ende ist. Kaum ein hoch­karätiges Kulinarikfestival, bei dem man ihn nicht antrifft. Begleitet von lauter Rockmusik und namhaften Köchen sieht man ihn kleine Köstlichkeiten zaubern, welche seine Sprache sprechen. Schonungslos ehrliche Küche, faszinierend einfach und komplex zugleich. In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit wieder en vogue ist, ist Pistole weit voraus. Denn er lebt seit Jahren das, was andere predigen. Schon lange hatte er mich eingeladen, ihn zu besuchen. Immer wieder hatten sich unsere Wege geschäftlich gekreuzt, aber für eine Visite hatte die Zeit einfach nicht


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Gebratenes Wallerfilet mit Gewürzen. Rechts: Torsten Pistol in seinem Element.

gereicht. Umso neugieriger bin ich an diesem Mittwoch­vormittag, als ich auf den Hof der Firma Pistole Hardcore-Food rolle. Leicht zu finden war sie nicht, selbst mein Navi musste sich ein paar Mal neu orientieren. Nördlich von Osnabrück fährt man über Wiesen und Felder, biegt mal rechts ab, dann wieder links und findet schließlich eine Schotterpiste, welche zu einem wunderschön gelegenen Fachwerkhaus führt. Später soll ich erfahren, dass Pistole das Haus selbst gebaut hat. Er selbst steht schon wartend vor der Tür und begrüßt mich freudestrahlend. Wie immer ist er voller Energie, kann es kaum erwarten, seine Geschichte zu erzählen und mir alles zu zeigen. Seine Firma wirkt überhaupt nicht so, wie man sich einen mittelständischen Betrieb vorstellt. Schnell wird klar, dass man bei Pistole Berufliches und Privates nicht so einfach trennen kann. „Was wir mit Hardcore-Food machen, geht weit über den Verkauf von Lebensmitteln hinweg. Es geht darum, eine Kultur zu schaffen und den Respekt an dem, was wir essen. Nur darum geht es, das ist Hardcore.“ Pistole ist weder Hippie noch Öko. Batikhemden und Peace-Zeichen sucht man hier vergebens. Vor der Tür steht sein schwarzer VW-Bus, der so böse aussieht, dass er auf jeder GTI-Messe Preise gewinnen würde. Aus einem Lautsprecher schallt die harte Musik seiner

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to taste_

Sie liegt nur einige Gehminuten entfernt und steht unter dem Motto „Mutter Natur dachte zuerst daran!“ Überfüllte Zuchtbecken? Abgeschafft. Zufütterung mit Soja? Weg damit! Chemie? Natürlich nicht! „Wir wollen unsere Waller so glücklich machen, dass sie gar keinen Bock haben, krank zu werden.“ Was klingt, wie das leere Versprechen einer Werbeagentur, hat für Pistole eine tiefe Bedeutung. Mit der Philosophie wurde aus dem einstigen Krankenpfleger einer der wichtigsten Fischhändler in Deutschlands gastronomischer Landschaft. Und das mit Waller, einem Fisch, der eigentlich gar keinen guten Ruf mehr hatte. Viele Becken stehen in mehreren Hallen. Die Fische sind nach Alter sortiert und wirken nicht sonderlich gestresst. Das Wasser scheint extrem sauber zu sein. Lieblingsband Agnostic Front. Aus Zeiten, als Brooklyn, New York noch gefährlich war und es keine Hipster gab. Hinten im Garten findet Kontrastprogramm statt. Im gigantischen Gemüsebeet wächst genug, um eine Armee zu versorgen. Brokkoli, Karotten, selbst eigene Kartoffeln. Daneben Kräuter, von denen ich noch nie gehört habe. Alles ohne Chemie, versteht sich. Ein weiterer Punkt, der in der Szene für großen Respekt sorgt. Da steht ein Lebensmittelhändler, der nicht nur Bioware verkauft, sondern über ihre Herkunft und Produktion mehr weiß als manch ein Landwirt. Durch die Idylle im Garten läuft hin und wieder ein Huhn. „Wenn ich mein Wallerfilet mal panieren möchte, kann ich doch keine Eier aus Legebatterien verwenden, das passt nicht. Also haben wir uns eine kleine Hühnerzucht aufgebaut“, erklärt Pistole. Und einen Bienenstock für eigenen Honig gleich dazu. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, doch es kommt noch besser. In einer großen Voliere nebenan wohnt Tussi, ein Habicht, mit dem Pistole regelmäßig auf Jagd geht. Lebensmittelhändler, Rocker, Gemüsebauer, Falkner. Es fällt schwer, ihn zu kategorisieren. Umso leichter aber, ihn für seine Vision zu schätzen. Fast hätte ich vergessen, warum ich hier bin. Natürlich will ich die Wallerstation sehen, eine der Kernsäulen seines Geschäfts.

Oben: Der Hof von Torsten Pistol. Unten: Rocker und Gemüsebauer.


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„Biologisches Gleichgewicht, da haben Para­ siten keine Chance“, erklärt mein Gastgeber und, wie um es zu beweisen, trinkt einen Schluck davon. Gut, hätten wir das also geklärt. Als Sommelier finde ich das alles zwar sehr spannend und beindruckend, möchte aber wissen, wie es sich auf meinem Teller zusammenfügt. Pistole hat sich bereiterklärt, mir einen kleinen Lunch zuzubereiten. Kochen hat er auf den vielen Messen und Foodshows gelernt, sich vieles bei den Topjungs der Branche abgeguckt. Da bin ich mal gespannt, was er zaubert. Aber vorher geht es noch in die heiligen Gemächer der Hardcore-Food GmbH. Ein Schuppen, wie das Haus als Fachwerk ausgebaut, dient als Bar und Lager zugleich. Hier stehen edle ­Balsamico, Destillate und ein paar Schätze aus der Weinwelt. Immer wieder findet Pistole interessante Produkte, die den Weg in sein Sortiment schaffen. „Hier finden auch unsere Events statt. Wir kochen, essen und trinken zusammen. Es gibt eine kleine Moderation und jede Menge frische Zutaten auf den Teller“, erklärt mir Pistole, der sich eine Flasche des von ihm vertriebenen Produkts Whiskey Balsam schnappt und mir den Auftrag gibt, einen Wein auszusuchen. Ich entscheide mich für einen Riesling eines österreichischen Winzers. Natürlich ein Biowein, was sonst? Es gibt Menschen, denen schaut man einfach gern beim Kochen zu. So auch heute. Pistole ist eindeutig in seinem Element. Der Waller wird filetiert und in Stücke zerschnitten, die in einer Salz-Zucker-Beize eingelegt werden. Das macht ihn angeblich noch zarter. Während das Filet so vor sich hinbeizt, präpariert mein Gastgeber unseren ersten Gang. „Es gibt Leber vom Waller.“ Bitte was? „Lass dich überraschen. Wallerleber ist reich an natürlichen Fetten, sodass sie zart und geschmackvoll wirkt. Die Foie gras des Süßwassers sozusagen“, grinst er. Die Leber wird in Olivenöl mit etwas Rosmarin gebraten und mit Whiskey Balsam, einem edlen Essig aus einem Tradi­ tionsbetrieb am Rande des Schwarzwaldes, abgelöscht. Nur ein wenig Meersalz und voilà, ein ­Geschmackserlebnis wie im ­Sternerestaurant. Mir wurde nicht zu viel versprochen, Wallerleber schmeckt sensationell. Das Filet kommt ebenfalls mit Öl in die gusseiserne Pfanne, dazu gibt P ­ istole Zitronenverbene, natürlich aus dem eigenen Garten. Immer wieder löffelt er heißes Öl auf den Fisch, um ihn von allen Seiten zu garen. Und zum Schluss kommt seine Waffe, ein kleines Fläschchen mit Pipette. „Echtöl vom Koriander, mehr als ein paar Tropfen brauchst du nicht.“

Geschmacklich auf den Punkt: Waller-Ceviche Hardcore-Style.

Das Gericht ist unglaublich geschmacksintensiv. Der Fisch zart und leicht, mit einer eleganten Zitrusnote und der grünen Frische des Korianders. Und das alles mal eben so aus dem Ärmel geschüttelt, in nicht mal einer halben Stunde. Mit einem Lächeln im Gesicht und ein paar Produkten im Kofferraum verlasse ich das Paradies, das den Geschäftssitz von Pistole Hardcore-Food darstellt. Es ist schön, zu sehen, dass jemand seinen Traum lebt und seine Vision durchzieht. Umso schöner, wenn er dabei so konsequent durchgeknallt ist wie der Typ, der den Namen einer Waffe trägt. ____

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Pistole Hardcore-Food ehrliche Lebensmittel und Events info@pistole.co +49 177 5775806 www.hardcorefood.de Sommelier Nils Lackner können Sie buchen nl@nilslackner.com +49 152 28759836 www.nilslackner.com


Das Setzen der Steine ist das Heiligste

Interview//Ursula Richard Fotos//Thomas Kierok


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Oben: Rechtwinklige Formen im Garten des Tōfuku-ji-Tempel in Kyoto. Links: Myō shin-ji-Tempel.

Thomas Kierok über seine Begegnung mit dem berühmten japanischen Priester und Zengartendesigner Shunmyo Masuno.


ngela Merkel, Karl Lagerfeld oder Boris Becker standen schon vor seiner Kamera. Die geheime Leidenschaft des Berliner Fotografen Thomas Kierok jedoch gilt der japanischen Zengartenkunst. Im Interview berichtet er von seiner Begegnung mit der Jahrtausende alten Kultur Japans und der Gartenkunst des Shunmyo Masuno.

Wie sind Sie auf Shunmyo Masuno und seine Zengärten aufmerksam geworden? Vor einigen Jahren besuchte ich erstmals einen Zengarten in den Berliner „Gärten der Welt“. Das Thema hatte mich schon lange interessiert. Vorletztes Jahr fuhr ich dann zum ersten Mal nach Japan, um in einem Zenkloster zu meditieren. Durch Zufall lernte ich eine japanische Köchin kennen. Sie erzählte mir von Saigaku, einem japanischen Mönch, der in Berlin lebt. Kurze Zeit darauf fuhr dieser mit einer kleinen Gruppe nach Tokio und von dort in ein kleines Kloster nahe Eihei-ji, dem berühmten, vom Begründer der Soto-Zen-Tradition, Eihei Dogen, etablierten Tempel. Ich schloss mich dieser Gruppe an und verbrachte fünf Tage in Eihei-ji. Da es in der Nähe von Kyoto lag, schaute ich mir natürlich auch Zengärten in Kyoto an. Ohne dass ich viel über sie wusste, berührten mich diese Gärten seht stark. Kurz vor meinem Rückflug erfuhr ich, dass Shunmyo Masuno auch den Berliner Zengarten gestaltet hatte. Ich kannte ihn also schon, ohne ihn zu kennen. In diesem Augenblick wusste ich, dass ich nach Japan zurückkehren würde. Ich begann,

Zengärten zu fotografieren, und setzte dies bei meiner zweiten Japanreise fort. Ich konnte Shunmyo Masuno während einer Privataudienz persönlich kennenlernen. Er ist Zenpriester der 18. Generation und lebt und arbeitet an seinem Geburtsort Yokohama im Kenkohji-Tempel, der mit seinen alten Holzbauten wie eine zeitlose Oase der Ruhe und Besinnlichkeit anmutet. Er arbeitet zum einen als Architekt und Zengartendesigner und zum anderen als Priester. Ist die Beschäftigung mit Zengärten Teil seiner Familientradition? Masuno fuhr als kleiner Junge oft mit seinem Vater nach Kyoto, um sich Gärten anzuschauen, und war früh davon fasziniert. Bereits in jungen Jahren begann er auch zu zeichnen und ging schließlich in die Lehre bei einem der berühmtesten japanischen Zengartenarchitekten. Dieser blieb sein Vorbild. Gleichzeitig trat er in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Priester. Seitdem arbeitet er vornehmlich an den Wochenenden als Priester und wochentags als Architekt. Auch wenn die Arbeit als Architekt den Großteil seiner Zeit beansprucht, ist er doch emotional vorrangig als Priester tätig.

Wie muss man sich das konkret vorstellen? Er lebt im Tempel. In dessen Empfangshaus befindet sich sein Büro. Er hat um die zehn Angestellte, mit denen er an acht bis zwölf Projekten weltweit parallel arbeitet. Die Entwicklungszeit der Projekte differiert zwischen zwei und zehn Jahren. Zudem ist er Professor an einer japanischen Universität. Shunmyo Masuno hat als ältester Sohn die Tradition der Zenpriesterschaft weitergeführt. Sein jüngerer Bruder Yoshi ist sein Manager im Projektentwicklungsbereich. Er organisiert seine Reisen und betrachtet ihn als einen wahrhaften Künstler.

Der Garten des Hotels Ceulean Tower besticht durch den Dualismus von Wasser und roh behauenen Steinen.


_things to do ZEN Garden

Polygonalplatten und verschiedene Ebenen sind ein wichtiges Strukturelement.

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Sie erzählten, dass Shunmyo Masuno sich als Letzter seiner Art weltweit betrachtet. Shunmyo Masuno betrachtet Zenphilosophie, Zenpraxis und die Gestaltung der Gärten als eins. Er sieht sich als den Letzten, der aus dieser religiösen Inspiration heraus Gärten gestaltet. Früher gehörte es zu den Aufgaben der Priesterschaft, die Gärten der Tempel zu entwerfen und zu pflegen. Heute ist er der Einzige, der dies in Japan und damit auch weltweit tut. Unter seinen Angestellten befindet sich kein Zenpriester. Es sind Studenten von der Universität, an der er unterrichtet. Er ist 63 Jahre alt und vermutlich wird diese Tradition mit ihm aussterben. Shunmyo Masuno hat Angestellte, die seine Entwürfe umsetzen. Doch die Steine setzt er selbst. In Masunos Leben sind die spirituelle und die berufliche Seite fest miteinander verbunden. Er ist Priester, aber eben auch Architekt mit Angestellten und einem Manager. Seine Projekte haben mitunter ein Budget von mehreren Millionen Euro und treten in Wettbewerb mit anderen Architektenbüros.

Seine Zenphilosophie macht seine Entwürfe einzigartig und bedingt auch, dass er die wichtigsten Entscheidungen, zum Beispiel die Auswahl der Steine, selbst fällt. Diese Auswahl erfolgt nach dem Bau von Modellen intuitiv vor Ort. Das Setzen der Steine ist das Heiligste. Dabei ist er immer vor Ort. Die Steine können Tonnen wiegen und werden mit einem Kran bewegt. Shunmyo Masuno entscheidet dann in dem Moment, wie die Energie fließt, und lässt den Stein gegebenenfalls umsetzen. Dabei ist er aufgeregt wie ein Kind. Woher kommen die Steine? Aus der ganzen Welt. Shunmyo Masuno richtet sich gerade seinen eigenen Tempelgarten ein und hat dafür Steine aus Kanada importiert. Sie sind so groß, dass sie zerkleinert werden mussten, um auf Zug und Schiff zu passen.

Oben: Kiesmeer im Garten des Hōsen-ji-Tempels. Mitte: Der Fotograf Thomas Kierok.

Mazumo sagt, dass in der Zenmeisterschaft der japanische Sinn für Schönheit steckt. Aber dann stammen die Steine für seinen eigenen Garten aus Kanada. Ist das nicht seltsam? Die Globalisierung ist auch bei ihm angekommen. Seine Gärten finden sich an vielen Orten der Welt. Sie sind teuer, transportieren aber auch etwas jenseits des Geldes. Seine Mission ist es auch, mit seinen Gärten Zenphilosophie und japanische Kultur in die Welt hinauszutragen. Er betrachtet sich selbst als Künstlerpersönlichkeit, dessen Entwürfe umgesetzt werden. Sie selbst haben alte und neue Zengärten fotografiert. Während meiner ersten Reise fotografierte ich vorrangig traditionelle Gärten in und um Kyoto sowie im Eihei-ji. Mich haben dabei die Eigenheiten der alten, traditionellen Zengärten in Kyoto besonders fasziniert. Mit der Zeit spezialisierte ich mich auf die Architektur der Gärten. Nachdem ich Shunmyo Masuno kennengelernt hatte, fotografierte ich seine Gärten, die sich in Tokio und Kyoto befinden. Ich bin an diese Gärten ganz unvoreingenommen herangegangen und habe zunächst beobachtet, ob sie mich berühren.

Blickfang: Perfekt gestaltete Formkiefer im Garten des Tenryū-ji-Tempels.


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Links: Shunmyo Masuno. Rechts: Baum und Gebetstafel im Hōsen-ji-Tempelgarten.

Zengärten sind Orte, an denen die Menschen sich intensiv selbst wahrnehmen können. Da ist die Schönheit des Gartens, doch die Menschen sollten den Garten, der sich vor ihnen erstreckt, nicht als etwas Objektives ansehen, sondern als Teil von ihnen selbst.“ Shunmyo Masuno

Mit welchem Ergebnis? Während des Fotografierens wurde mir bewusst, dass mich die alten Gärten tiefer berühren. Das mag daran liegen, dass sie immer Teil von Tempeln sind, während seine Gärten sich im städtischen, zubetonierten Raum befinden. So zum Beispiel der circa 100 mal 100 Meter große Garten auf dem Dach der kanadischen Botschaft in Tokio oder ein anderer an einem bekannten Tokioter Hotel im Zentrum der Stadt, zu dem ein interessanter Weg von der Straße führt. Ich spürte, dass diese neuzeitlichen, urbanen Gärten nicht die Kraft und Energie der alten Gärten besitzen. Andererseits strahlen sie etwas Besonderes aus, das ich nur schwer in Worte fassen kann. Ein Garten hat immer auch etwas Mystisches und Emotionales.

Sie sprechen im Zusammenhang mit Zengärten von Natur. Aber Zengärten bestehen größtenteils aus Steinen, die nicht unbedingt zu unserem Naturverständnis gehören. In Zengärten hat man zwar das Gefühl, Natur vor sich zu haben, doch es ist eine vollkommen kultivierte Natur. Zengärten sind eine Visualisierung der Zenphilosophie. In diesen Gärten findet man tatsächlich keine Natur. Sie sind eine Art Paradiesgarten, erschaffen aus dem Geist und mit der Hand des Menschen. Ein Zengarten ist so perfekt natürlich inszeniert, dass man die Inszenierung nicht ahnt. Sowohl das Erschaffen als auch die Pflege eines solchen Gartens erfordert Achtsamkeit, erfordert, im Hier und Jetzt zu sein. Für mich als Fotografen bedeutet das, langsamer, weniger und bewusster zu fotografieren. Darin liegt das Glück. Irgendwann brauchte ich die Fotografie gar nicht mehr und musste nichts mehr schaffen.

Was lösen traditionelle Zengärten in Ihnen aus? Es ist etwas Magisches. Ich begegne in ihnen der Ruhe und Schönheit. Mein Lieblingsgarten ist der berühmte Ryoan-ji, ungefähr so groß wie ein Tennisplatz und bestückt mit einer Anzahl von Steinen, von denen man nie alle gleichzeitig sehen kann. Ich übernachtete in der Nähe in einem Tempelhotel und besuchte den Garten regelmäßig frühmorgens. Nach dem zweiten Mal ging ich nur noch dorthin, um dort zu sein, nicht mehr, um zu fotografieren. Ich setzte mich hin, fühlte und guckte. Ein unaufgeregtes Glücksgefühl machte sich in mir breit. Ganz unspektakulär und trotzdem besonders empfand ich Gelassenheit, Ruhe und ein Bei-mir-Sein.


ich auf meinen bisherigen Reisen Sommer und Herbst eingefangen habe, möchte ich noch zwei Mal, während des Winters und besonders zur Kirschblüte im Frühling dort sein. In meinen Bildern habe ich eine eigene Farbigkeit entwickelt. Meine Arbeit an den Fotografien kann ich erst beenden, wenn ich alle vier Jahreszeiten erlebt habe. Das Kennenlernen der modernen Gärten war für mich berührend und inspirierend, doch ich werde sie nicht weiter fotografieren.

Der Garten des Genku-anTempels, mit dem „Window of Enlightenment“.

Warum, meinen Sie, hat sich die Wahrnehmung von Proportionen und Größe in der Erinnerung so verschoben? Einerseits verändert sich unsere Wahrnehmung, aber auch unsere Erinnerung permanent. Andererseits habe ich beim ersten Mal vielleicht auch noch gar nicht richtig hingesehen.

Spärlich bewachsen: eine Felsinsel im Garten des Hoshun-in-Tempels.

Welche Herausforderungen stellen Zengärten für Sie als Fotograf dar? Zengärten fordern einen ganz individuellen Blick. Perspektiven zu entwickeln. Das ist etwas Intuitives und ein Prozess. Meine beiden Reisen fanden während unterschiedlicher Jahreszeiten statt. Das ermöglichte mir verschiedene Blickwinkel. Auf meiner zweiten Reise waren die Gärten in natura viel kleiner als auf meinen Bildern und in meiner Erinnerung. Das überraschte mich sehr. Ich hatte ein Lieblingsbild vom Garten im Tenryu-ji, einem der berühmtesten Gärten. Das Bild ist durch einen Gang hindurch fotografiert. Ich ging bei meinem zweiten Besuch den gleichen Weg wie ein halbes Jahr zuvor und hätte schwören können, dass der Baum darauf den Umfang von einem Meter hat. Doch sein Umfang beträgt nur 30 Zentimeter. Nachdem

Beim zweiten Mal hatte ich Hintergrundwissen und habe präziser geguckt. Der vom Garten im Tenryu-ji ist zum Beispiel richtig in die Landschaft eingebettet. Ich bin gespannt, wie ich ihn auf der nächsten Reise wahrnehme. Einige Gärten besuche ich immer wieder, andere nur ein Mal. Ich nehme einen Garten nicht aus der gleichen Perspektive zu unterschiedlichen Jahreszeiten auf, sondern wechsle auch die Perspektive. Man denkt, man sieht die Dinge, wie sie sind, aber es ist nicht so. Haben die Erfahrungen Sie verändert? Ich habe mich gefragt, wo mein Interesse dafür herkommt und was in mir berührt wird. Ich habe bemerkt, dass ich im Alleinsein ein großes Glück empfunden habe. Durch das Alleinreisen habe ich die Verbundenheit mit der Natur stark gespürt.

Zu leben und sich in jedem Augenblick der Vergänglichkeit bewusst zu sein ist sehr wichtig. Vergänglichkeit – mujo –, das ist das Wesen der Welt. Mujo zu empfinden ist für uns Menschen sehr wichtig, um auch den Reichtum des Lebens erkennen zu können. Die jahreszeitlichen Veränderungen lassen uns dies unmittelbar empfinden.“ Shunmyo Masuno


_things to do ZEN Garden

Ursprünglich komme ich aus der Hamburger Gartenstadt in Wandsbek und fand jüngst ein Foto, auf dem der kleine Schrebergarten unserer Familie abgebildet ist. Ich kann mich kaum erinnern, kann mir aber vorstellen, dass dadurch für mich ein Garten schon früh mit Glücksgefühlen verbunden war. Eigentlich bin ich der totale Stadtneurotiker, habe in Hamburg und Berlin gelebt und mich auf Reisen durch Asien die meiste Zeit in Großstädten bewegt. Ich war einige Wochen lang in Indien und Mumbai. Meine Eltern hingegen kommen vom Land. Ich war selbst überrascht, was diese Gärten in mir auslösen.

Oben: Wald am Giō-ji-Tempel. Unten: Garten des Tenryū-ji-Tempels.

Was fotografieren Sie außer Zengärten? Ich bin eigentlich ein Menschenfotograf. Ich mache Porträts von Geschäftsleuten, Politikern, Künstlern oder Kindern. Das Fotografieren von Zengärten ermöglicht mir, eine ganz andere Seite auszuleben und ganz allein unterwegs zu sein. An einem Sonntag war einmal mein Foto des Tages einfach nur ein Stein. Denn auch das Fotografieren der Gärten macht etwas mit mir. Es ist auch Arbeit und Anspannung und erfordert eine gewisse ergebnisorientierte Konzentration. __________


Traumhafte Anlagestrategie Text//Olivia Palamountain


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_Crafts to enjoy Hästens

Unsere Testschläferin wollte es genau wissen: Kann ein Bett wirklich 128.000 Euro wert sein?

Hier entstehen die schwedischen Luxusbetten: Werkhalle von Hästens in Köping.


Hästens

Crafts to enjoy_

Dieses Biest ist eine Weltneuheit, ein Triumph der Ingenieurskunst, ein Designdurchbruch. Es tut mir leid, dass ich Ihnen das eröffnen muss, aber Deutsche sind in der Regel nicht besonders gut im Bett. Wie eine weltweite Studie der National Sleep Foundation herausgefunden hat, können nämlich nur klägliche 40 Prozent nachts gut schlafen. Das ist der niedrigste Länderwert, der in der Studie gemessen wurde. Eine beunruhigende Statistik, hat doch der Schlaf einen entscheidenden Einfluss auf unsere Gesundheit. Wer andauernd schlecht schläft, hat tagsüber daran zu knabbern. Schlafmangel wirkt sich negativ auf alle Lebensbereiche aus – auf den gesundheitlichen Allgemeinzustand, das Gewicht, die Leistungsfähigkeit und die Lebensdauer. Bevor Sie nun anfangen, Walgesänge herunterzuladen oder wie verrückt Schafe zu zählen, greifen Sie lieber zu den bedeutend praktischeren Lösungen eines Mannes aus Zentralschweden. Marcus Ryde leitet in der sechsten Generation die Firma Hästens, ein Unternehmen, das seit 1852 Betten produziert. Wissenschaft und handwerkliche Tradition wirken hier einträchtig zusammen, um Schlafträume in blau-weißem Karomuster wahr werden zu lassen. Ryde hat eine Mission: Die Welt soll den Schlummer wieder richtig wertschätzen. Und das beginnt bei den Basics. „Ein Bett ist das wichtigste Möbelstück, das Sie jemals anschaffen werden“, erklärt er mit gewichtigem Bariton und schwedischem Freimut. „Und das richtige Bett wird Ihr Leben verändern.“

Bei Preisen, die sich von 6.000 Euro bis zu einem sechsstelligen Betrag hochschrauben, will ich das auch hoffen. Tatsächlich liegt das neueste Topmodell Vividus bei schlappen 128.000 Euro und entspricht somit dem dreifachen durchschnittlichen JahresIn der Hästens-Traumfabrik in Köping einkommen eines Bundesbürgers. Dieses Biest ist eine Weltneuheit, ein geschieht das Wunder. 150 Handwerksmeister fertigen hier die elf Modelle buchstäblich in Triumph der Ingenieurskunst, ein Handarbeit. In einem Raum türmt sich ein Designdurchbruch, das Rock­stars, gigantischer Haufen fest gespulten Rosshaars, Royals und Holywoodikonen ihr das darauf wartet, entflochten und in Lagen Eigen nennen. „Vividus begann als geschichtet zu werden – von Hand. In einer kreatives Experiment, das eigentlich anderen Abteilung setzen Möbelschreiner die nicht von der Startrampe abheben Bretter von langsam wachsenden nordischen sollte“, gibt Ryde zu. „Wir sprengKiefern zusammen und fixieren sie mit wunten alle Grenzen und ließen unserer Vorstellungskraft freien Lauf, um das derschönen Schwalbenschwanzverbindungen. beste Bett der Welt zu erschaffen.“ Daneben werden Matratzen ganz exakt mit endlosen Lagen von Baumwolle, Rosshaar und Flachs gefüllt. Im ersten Stock nähen, steppen und schneiden Frauen mit flinken Fingern den ganzen Tag und machen nur eine Pause, um sich von Zeit zu Zeit gegenseitig eine wohlverdiente Massage zu geben.

Das Modell Auroria: Natur­ materialien sorgen für ein perfektes Schlafklima.


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Im Schnitt verbringen wir 229.961 Stunden unseres Daseins mit Schlafen, was ungefähr 26 Jahren entspricht.

Links: Die Sprungfedern werden von Hand festgeknĂźpft. Unten: Das neue Spitzenmodell Vividus.


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Sorgfältige Handarbeit: Ein Mitarbeiter bespannt die Unterseite eines Bettes.

Doch selbst diese erfahrenen Handwerker kommen nicht einmal in die Nähe des Vividus. Nur die fähigsten Mitarbeiter, die über ein Jahr von Handwerksmeister Jan-Erik Leander ausgebildet wurden, dürfen sich an dieses Bett heranwagen. Vividus ist Leanders Werk. Er verbrachte drei Jahre damit, jedes Detail genauestens abzustimmen und duldete keine Kompromisse und keine Einschränkungen bei der ultimativen Bewährungsprobe aus „Geduld, Praxis und Disziplin.“ Das Vividus-Bett ist ein Promi, eine Berühmtheit, die mit Ehrerbietung behandelt wird, und eine eigene Abteilung in der ­Bettenwerkstatt beansprucht. Jan-Erik und seine Elitetruppe wenden 320 Mann-Stunden für jedes Bett auf, was der Arbeit von vier Monaten entspricht. Als Einzelanfertigung nach Kundenwunsch aus 210 Kilogramm Naturmaterialien gefertigt, ist Vividus gleichsam ein Kunstwerk. Ich will Ihnen eine Vorstellung von dieser obsessiven Detailverliebtheit vermitteln: Der Bezugsstoff für jedes Vividus-Bett muss von ein und derselben Rolle stammen. Er wird genau drei Tage zum „Atmen“ aufgehängt. Die Sprungfedern werden von Hand siebenfach festgeknüpft. Und das fertige Produkt wird von dem letzten Handwerker, der daran Hand angelegt hat, mit seinem persönlichen Signet verziert. Kommt es nur zu einer Minute Verzögerung im gesamten Prozess, wird wieder ganz von vorn angefangen. „Sie werden es nicht oft erleben, dass Dinge auf diese Weise hergestellt werden“, sagt Jan-Erik liebevoll, und ich muss ihm zustimmen. Die Leidenschaft, die handwerkliche Fertigkeit und die Integrität, die hier zum Tragen kommen, scheinen schier unfassbar – und ich bin schon hin und weg. Wenn Ihnen der Gedanke, 128.000 Euro für ein Bett zu bezahlen, schlaflose Nächte bereitet, dann bedenken Sie: Im Schnitt verbringen wir 229.961 Stunden unseres Daseins mit Schlafen, was ungefähr 26 Jahren, also einem Drittel unseres Lebens entspricht.

Da schläft man sich am besten von „unten“ hoch. Zwar bin ich versucht, nach dem Vorbild von Linda Evangelista in kein Bett unter 100.000 Euro zu steigen, dennoch füge ich mich der Anordnung. Bei gedimmtem Licht (ganz auf meine Bedürfnisse abgestimmt) und ausgerüstet mit einer Schlaf-Playlist von Audio Architects springe ich von einem Bett zum anderen. Und während ich mich auf zehn verschiedene Betten mit unterschiedlichen Matratzeneigenschaften (fest, medium und weich) lege, beobachten die Verkäufer den Rhythmus meines Körpers in verschiedenen Schlafpositionen und geben mir Ratschläge, welche wohl die optimale Kombination für mich sei. Jedes Bett ist auf seine Art göttlich und entlockt mir Geräusche, Zählt man den ungeheuren gesundheitlichen die eigentlich anderen SchlafzimNutzen dazu, den wir aus tiefem Schlummer ziehen, dann wirkt die Rendite dieser Investimeraktivitäten vorbehalten sind. Und dann knacke ich den Jackpot! tion nicht mehr ganz so absurd. Nun, da ich Zusammengerollt auf dem 2000T überzeugt bin, dass mir Vividus Superkräfte mit Medium-Matratze habe ich verleihen wird, würde ich meine Großmutter das Gefühl, die Schlafstatt ist mein verkaufen, um eines dieser Betten in die Finger inkarnierter Seelenverwandter. Ich zu bekommen. Absoluter Wahnsinn, aber das verlasse sie mit einem ­Stoßseufzer ist es, was eine Fabrik voller leidenschaftlicher für eine letzte Ruhestätte im Handwerksburschen in einer Frau auslöst. ­Vividus. Glauben Sie mir, dieses Im Hästens Flagshipstore in Stockholm Bett hat seine eigene Energie. ist es nun endlich Zeit für mich, selbst das Wie eine Umarmung, in der Bett auszuprobieren. Vividus ist bei Weitem sich Kraft, Verführungskunst das teuerste Modell, aber das bedeutet nicht, und Stil vereinigen, ist Vividus „dass es das beste Bett für dich ist“, wie der reinste ­Casanova, ein echter Ryde meint, der selbst auf einem Superior schläft. Alle Kunden werden dazu ermuntert, ­Schwerenöter. Ich winde und wälze mich darin, denn dieses Bett soll auf den Modellen Probe zu liegen, bevor sie es sein. Immerhin habe ich einen ihre endgültige Entscheidung treffen. teuren Geschmack. Nach zehn Minuten ­Gewissensprüfung fällt meine Entscheidung: Vividus, du bist wundervoll, aber Baby, mein Herz gehört 2000T (ein ­Sc­ hnäppchen für 38.500 Euro). Während ich mich wieder in die Arme meines Liebsten fallen lasse, werde ich mit einem neuen Problem geschlagen. Hästens mag ja die Lösung haben, welches das perfekte Bett für mich ist, ich fürchte jedoch, es wird eine viel schwierigere Aufgabe sein, mich da wieder herauszubekommen. _____ www.hästens.com

Das Bett entlockt mir Geräusche, die eigentlich anderen SchlafzimmerAktivitäten vorbehalten sind.


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Mantel und Kleid, beides von Rochas (über www.net-a-porter.com); Stiefel von Jérôme Dreyfuss (www.jerome-dreyfuss.com).

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verweht Fotos//William Garrett Styling//Anat Dychtwald

Mäntel im Oversize-Format, grobmaschiger Strick und Rollkragenpullis: Wenn es drauSSen frostig wird, braucht man was Warmes zum Anziehen.


Wollpullover mit Turtleneck von BOSS (www.hugoboss.com); ärmelloser Pullover, Hose und Schuhe von Stella McCartney (www.stellamccartney.com); Schal von COS (www.cosstores.com).


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Pullover von PINKO (pinko.com); Hose von DVF (www.dvf.com); Mantel und Schuhe von POA (über www.marni.com).


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Mantel, Pullover und Sandalen von BOSS (www.hugoboss.com).

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Mantel von David Koma (www.davidkoma.co.uk); Rollkragenpullover von BOSS (www.hugoboss.com); Pullover von PINKO (www.pinko.com).

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Strickjacke von Zadig & Voltaire (www.zadig-et-voltaire.com); Rollkragenpullover, Hose und Schuhe von Ralph Lauren Collection (www.ralphlauren.com).

Model Maria (www.firstmodelmanagement.co.uk) Haare Shukeel Murtaza (www.untitledartistsldn.com) Make-up Gia Mills (www.untitledartistsldn.com) Fotoassistenz Andrew Goss Produktion Paper Moon Productions Location Camber Sands, East Sussex, Großbritannien, mit freundlicher Unterstützung von „The Gallivant Hotel“ (www.thegallivant.co.uk) www.luxurylondon.co.uk


Vision채re Therapie Text//Silvia Dominguez L처pez

Der Marmorabbau 체ber dem kleinen Ort Carrara hat eine 체ber 2.500 Jahre alte Tradition.


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Was Anstellen mit Alten Marmorsteinbrßchen? Die Verwandlung in ein Thermalbad wäre eine Idee.


Es scheint, als liege ewiger Schnee über ­ arrara. Der berühmteste Marmor der Welt, C wegen seines strahlenden Weiß und seiner unglaublichen Reinheit seit über 2.000 Jahren begehrt, leuchtet von Ferne an den Hängen der Apuanischen Alpen. Beim Näherkommen erkennt man die geometrische Blockstruktur, die der Tagebau dem Berg aufgezwungen hat. Wie eine antike Pyramide aus der Flanke der Gipfel über Carrara gehauen, heben sich die treppenartigen, geraden Kuben von der amorphen Oberfläche der Berghänge ab. Bizarr und surreal wirken diese mächtigen weißen Felsen – Relikte einer Abbauarchitektur, in der Mensch, Natur und Geschichte ihre Unschuld verloren haben. Was geschieht mit den Orten, aus denen wir die Werkstoffe für unsere luxuriösen Innenräume gewinnen? Was kommt nach dem exzessiven Abbau, der Dekonstruktion, der Einverleibung und Zerstörung? Und wie könnte eine Architektur diese gewaltsam geschaffene Gestalt des Naturraums neu beleben, ohne seine Geschichte verschwinden zu lassen? In der andalusischen Stadt Sevilla werden solche Fragen mit großer Leidenschaft diskutiert. Hier hat das Büro reThinking seinen Sitz: drei junge spanische Architekten mit hochfliegenden kreativen Antworten auf bleischwere Fragen der Gegenwart. Vicente Pérez Hernández, Julia Molina Virués und David Moreno Rangel kreieren seit zwei Jahren Ideenwettbewerbe. Sie treffen damit den Nerv einer Generation, die sich ihres Idealismus mehr und mehr beraubt fühlt.

„Wir hatten die üblichen Wettbewerbe und Ausschreibungen mit ihren vorhersagbaren Ergebnissen einfach satt“, erzählt Vicente. Zumal es nach dem großen Einbruch in der spanischen Baubranche schlichtweg kaum Möglichkeiten für junge Architekten gab, ihr Können unter Beweis zu stellen. Krisengeschüttelt und von den etablierten Klüngelzirkeln ausgeschlossen drehte das Trio den Spieß kurzerhand um. Sie begannen, Wettbewerbe zu entwerfen, „an denen wir selbst gern teilgenommen hätten“, so Julia. Sie wollten Architektur anders denken. Vernetzt, verantwortungsvoll und verrückt. Etwa mit einen Kletterpark unter Mammutbäumen im Sequoia National Park in ­Kalifornien. Oder mit der Frage, wie man auf New Yorks Wolkenkratzern Campingplätze erschaffen kann oder neues Wohnen an Osakas Hochstraßen. Sie lieben das Luftige, Schwebende, bleiben aber auch auf dem Boden der sozialen Tatsachen. „Der Architektenberuf ist nicht banal. Mit seinem Entwurf schafft der Architekt räumliche Fakten, die eine Atmosphäre schaffen, soziale Beziehungen beeinflussen, Natur und Umwelt verändern“, erklärt Vicente. Nachhaltigkeit spielt daher bei der Konzeption der Wettbewerbe eine zentrale Rolle.

Wie kann man die Fußballstadien nach der WM in Südafrika weiter nutzen? Welche Stadtplanung brauchen Megacitys wie Mexico-Stadt, um die wuchernden Vorstädte einzufassen und lebenswerter zu gestalten? Wie wird man des Smogs und der Luftverschmutzung in Shanghai Herr? „Wir haben eine Vorliebe für kontroverse Themen und suchen Fragestellungen, die so noch nicht aufgeworfen wurden“, ergänzt Julia. „Und wenn es gelingt, die Gesellschaft, in der wir leben, durch Architektur zu verbessern, dann hat das Applaus verdient.“ Mittlerweile ist der Beifall, den die ­Wettbewerbs-Freischärler von reThinking mit ihren Preisen spenden, einiges Wert. Das kleine Büro hat sich ein Renommee erarbeitet und ein hohes Qualitätsniveau erreicht. Junge Architekten und Studenten aus der ganzen Welt beteiligen sich an den Ausschreibungen. Für sie ist eine besondere Erwähnung durch die Jury oder gar die Preisträgerschaft eine Referenz, die das Curriculum aufwertet. „Und umgekehrt gibt es für uns nichts Befriedigenderes, als wenn ein Wettbewerb neue und außergewöhnliche Ideen hervorbringt, von denen wir selbst ungeheuer viel lernen“, schwärmt Julia.

David Moreno Rangel, Julia Molina Virués und Vicente Pérez Hernández (von links) wollen Architektur neu denken.


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Wettbewerb:

3. Platz

„Carrara Thermal Baths“

Zwischen Lucca und La Spezia liegen die Apuanischen Alpen in der nördlichen Toskana – und eines der größten Marmorvorkommen der Welt. Die Toskana ist reich an heißen Quellen, sodass die Wettbewerbsidee von reThinking gar nicht so absurd wirkt: ein Thermalbad in den Steinbrüchen von Carrara.

C arrara I n s i d e Kuben, Schächte, Stufen: Für das französische Architektenteam stand die Wucht des Materials, seine Schönheit und Monumentalität im Mittelpunkt. Das Erlebnis des Marmors und der Strukturen, die der Abbau hinterlassen hat, gibt hier die Linie des Entwurfs von Benjamin Nicaud, Romain Spagnoli und Victor Trosset aus Frankreich vor.

Baden im Schacht: Der klaustrophobische Eindruck ist gewollt, denn der Besucher soll die Architektur des Abbaus erleben.


Renovation

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2. Platz Pro

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Den Besucher in das Innere des Berges zu führen, ihm ein sinnliches Erlebnis des Naturraumes zu ermöglichen, ist die Absicht dieses Entwurfes. Er stammt von Arnold Toth und Attila Pall aus Ungarn.

Eine Gitternetzstruktur aus Metallstangen rekonstruiert in abstrakter Form, was vom Berg verschwunden ist.

Dass das Trio dabei kein Geld verdient, schmälert nicht ihren Enthusiasmus. „Am Anfang haben Freunde für uns plakatiert und mit ihren E-Mail-Verteilern die Wettbewerbe bekannt gemacht“, erinnert sich Vicente. Auch die Jurymitglieder rekrutierten sie unter ihren Professoren und deren Freunden. Doch inzwischen ist reThinking für die Frische und Unkonventionalität seiner Aufgabenstellungen bekannt. Mit dem Wettbewerb „Carrara Thermal Baths“ konnte das Interesse des Architektur- und Designzentrums MArch in Valencia geweckt werden. Hier lehren Architekturgrößen wie Álvaro Siza und Eduardo Souto de Moura. Den ersten Preis und damit ein Stipendium für den Masterstudiengang am MArch gewann der brasilianische Architekturstudent Luiz Eduardo Lupatini. Er gilt bei seinen Dozenten als Ausnahmetalent. Ihn entdeckt zu haben, macht die Architekturrebellen von ­reThinking schon ein wenig stolz.


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1.Lo Platz s t La

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Der Siegerentwurf des Brasilianers Luiz Eduardo Lupatini beleuchtet das Verhältnis zwischen dem ungezügelten Konstruktionswillen des Menschen und den Naturräumen, die das Baumaterial dafür liefern. Diese Landschaft des Verlusts wird von Lupatini nur wenig modifiziert, um den Kontrast zwischen menschlicher Größe und der Monumentalität des Ortes herauszustellen.

Durch die Ausschreibung von reinen Ideenwettbewerben gewährt reThinking den Teilnehmern große Freiräume bei der Suche nach Lösungen. Das ist Programm. Nur ohne den Druck von Baubestimmungen, genauen Maßvorgaben und topografischen Einschränkungen entstünden radikal neue Ansätze, führt Vicente aus. „Als die kürzlich verstorbene Architektin Zaha Hadid ihre ersten Entwürfe vorstellte, glaubte man, man könne ihre Archi­tektur nicht bauen, sie werde nicht halten.“ Hadid habe alle eines Besseren belehrt und mit ihren „fließenden“ Konstruktionen die Welt begeistert. Einen bahnbrechenden neuen Weg einzuschlagen, der dennoch umsetzbar ist, wäre daher auch für Julia das Ideal. Der aktuelle Wettbewerb „Hornachuelos Downtown Reacti­ vation“ könnte dazu eine Gelegenheit bieten. Der Gemeinderat des historischen Örtchens Hornachuelos in der Provinz von Córdoba hat sich an reThinking gewandt: Die Ideenschmiede soll Vorschläge für eine kreative Stadt­entwick­ lung sammeln, die – erstmals – auch umgesetzt werden sollen. __________________________

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reThinking – Initiative für unabhängige Architekturwettbewerbe Calle José Laguillo 27 Bloque 7 Local 1B Sevilla 41003, Spanien contact@rethinkingcompetitions.com Wellness als monumentales, quasireligiöses Raumerlebnis. Wer hier badet, wird vom Berg geduldet.

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Porsche Panamera Turbo cars

Am Gesicht erkennt man die Familie. Der neue Panamera ist eindeutig ein Porsche.

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Geborene FĂźhrungskraft

text//Ralf Bernert

Der neue Panamera ist ein Chamäleon, eine Sportmaschine mit Strahltriebwerk, ein rollender Computer mit Lounge und Biss.


Das neue Heck strahlt. Vor allem das Leuchtband oberhalb des Schriftzuges hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

D Der Vorgänger ist noch lebhaft im Gedächtnis unterwegs. Vor allem der Hintern. „Brehms Tierleben“ wurde bemüht, Jacques-Yves Cousteau war auch dabei. Das ist Schnee von gestern. Der neue Panamera ist da, und dem nähert man sich mit großer Freude. Das Heck wurde bearbeitet oder besser: Es strahlt in neuem Glanz. Die Rückleuchten sind wichtig. Und die Leuchtspange dazwischen, als Verbindung und ästhetischer Bogen. Um Ästhetik geht es beim Thema Automobil irgendwie immer, bei Gefährten der Kategorie Panamera natürlich noch mehr. Deshalb läuft man um den neuen Panamera ein paar Extrarunden. Man schaut genauer hin und entdeckt weit mehr als nur die Heckpartie mit ihrer Leuchtkraft und der sportlich-ruhigen Note.

Im Innenraum dominiert modernste Bedientechnik. Porsche hat die Zeichen der Zeit erkannt. Das Zauberwort heisst Connectivity.

Ganz weit vorn ist dieser Porsche eben ein Porsche. Nur sportlicher und drahtiger als sein Vorgänger. Die Augen plus Öffnungen darunter wirken jünger, stärker in die Mitte gezogen, damit ist der gesamte Vorderwagen nun um eine klare Nummer markanter. An der Seite zählen wir zwei sehr starke Linien, eine oberhalb des Schwellers und eine auf Höhe der Griffe. Beide verwandeln die fast drei Meter lange Flanke zwischen den Achsen in eine lebendige Landschaft. Der Seitenwagen ist nun Teil eines Sportlers mit vier Sitzen und dem Anspruch, genau diese Sitze im Eiltempo von A nach B zu tragen. Oder besser: Wir sehen einen reinrassigen Sportwagen mit reichlich Raum für Komfort und Spaß am Kurventango.


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_cars to drive Porsche Panamera Turbo

Im Innenraum sitzt es sich sehr gut. Egal ob vorn oder hinten. Im Fond werden Limousinenfreunde bestens bedient. Man hat Raum, man hat Leder und vor allem Ruhe. Die Dämmung ist außergewöhnlich gut, selbst wenn man den V8 so richtig zur Arbeit ruft, werden die Ohren nicht über Gebühr durch pubertäres Geschrei belästigt. Kurz, der Panamera Turbo kann ein rollendes Office sein. Es sei denn, man sitzt vorn und hat den Alphaknopf unter Kontrolle. Der Alphaknopf ist eigentlich ein flaches, rechteckiges Ding unter dem Lenkrad, auch Gaspedal genannt. Damit lässt sich trefflich spielen und vor allem kann man damit die Limousine ruckzuck in einen Sportwagen verwandeln.

Aus einem Guss: Porsche hat dem Panamera Sportlichkeit und Eleganz auf den Leib geschneidert.

Wir haben das ausprobiert. Irgendwo zwischen Gmund und Holzkirchen. Natürlich immer unter strengster Beobachtung und Einhaltung aller relevanten Regeln. Der 550-PS-Panamera mag zwar die Kräfte eines Zehnkämpfers auf Weltklasseniveau haben und er kann die Nordschleife immerhin in eindrucksvollen sieben Minuten und 38 Sekunden umfahren. Aber wo notwendig, begegnet er seinem Umfeld mit angemessener Zurückhaltung.

Ein reinrassiger Sportwagen mit reichlich Raum für Komfort und SpaSS am Kurventango.


Ein Augenblick von kurzer Dauer. Der neue Panamera Turbo auf dem Sprung.

Jetzt aber erst einmal Blick in den Rückspiegel, nichts zu sehen. Limit 100. Bremsen bis zum Stillstand und dann ein fröhliches Vollgasintermezzo. Die zarten zwei Tonnen plus jeweils 75 Kilo Insassen werden innerhalb von dreieinhalb Momenten nach vorn getrieben, gleichzeitig fühlt man sich nicht nur in den Sitz gepresst, man wird es auch. Die Lesebrille rutscht gefährlich schnell in Richtung Haaransatz, weiter vorn kommt man mit dem Zählen der Sekunden nicht wirklich zurande und wenn dann die 100 Kilometer pro Stunde erreicht sind, fliegt einem die erste Kurve vor die Windschutzscheibe. Einbremsen, einlenken, mitten in der Kurve wieder aufs Gas, der Viertürer swingt locker mit, das Heck bleibt stabil, die Lenkung ist superpräzise und der Schwabe schwingt sich hinauf auf den Hügel, der nächsten Kurve entgegen. Wir hören Wagner. „Ritt der Walküren“. Francis Ford Coppola hat uns mit seiner berühmten Hubschrauberszene animiert und der Porsche ist gut dabei.

Wir stürmen mit erhobener Schwabenfahne und lernen etwas. Diese Limousine ist ein Chamäleon, eine Sportmaschine mit Strahltriebwerk, ein rollender Computer mit Lounge und Biss. Nach dem Ritt kommt die Erholung, die Ruhephase. Zwischen Fahrer und Beifahrer sitzt der dritte Mann. Das Thema Vernetzung ist eingezogen. Bei Porsche insgesamt und beim ­Panamera ganz besonders. Man hat einen schönen, großen Monitor in die Mittelkonsole gesetzt. Hinter dem Monitor leben viele gute Geister und die können nicht nur Musik einspielen, Navi-Daten verwalten oder den Radiosender einstellen. Mit dem Service Porsche Car Connect lassen sich Fenster und Türen

Selbst wenn man den V8 so richtig zur Arbeit ruft, werden die Ohren nicht über Gebühr belästigt.

Das neue Bedienkonzept. Direkt neben dem Knauf finden sich sensitive Schalter.


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_cars to drive Porsche Panamera Turbo

Zwischen Fahrer und Beifahrer sitzt der dritte Mann. Das Thema Vernetzung ist eingezogen. per App öffnen, man kann sich per Spracheingabe zur nächsten Tankstelle führen lassen. Bei einem Notfall wird automatisch das nächste Porsche-Zentrum benachrichtigt und wenn wir ein wenig weiter in der Zeit laufen, stellen wir fest, dass dieser Porsche ganz offensichtlich die Zeiten des automatisierten Fahrens ansteuert. Dann werden die zahlreichen Sensoren des neuen Panamera beim automa-

tischen Einparken hilfreich sein und wir werden mit einem einfachen Kommando die Sportlimousine aus Zuffenhausen vor die Haustür rufen. Bis dahin vergeht zwar noch ein Weilchen, aber so lange freuen wir uns über den sehr, sehr agilen, sportlichen Panamera Turbo, dessen Doppelleben, als Sportler und Limousine, wirklich überzeugen kann. __________________

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Vorbild für alle zukünftigen Modelle aus Zuffenhasuen. Das Cockpit als hochmoderne Schaltzentrale.

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Porsche Panamera Turbo

Leergewicht 1.995 Kilogramm

Motor V8 Biturbo

Zulässiges Gesamtgewicht 2.585 Kilogramm

Hubraum 3.996 Kubikzentimeter

Leistungsgewicht 3,6 Kilogramm pro PS

Leistung 404 kW/550 PS bei 5.750 bis 6.000

Tank 90 Liter

Umdrehungen pro Minute

Fahrleistungen

Drehmoment 770 Newtonmeter bei 1.960 bis

0-100 km/h 3,6 Sekunden

4.500 Umdrehungen pro Minute

0-200 km/h 12,7 Sekunden

Maße

Topspeed 309 km/h

Länge 5.049 Millimeter

Verbrauch

Breite (mit Spiegel) 1.937 Millimeter (2.165

kombiniert 9,3 bis 9,4 Liter auf 100 Kilometer

Millimeter)

CO2 212 bis 214 Gramm pro Kilometer

Höhe 1.427 Millimeter

Effizienzklasse D

Radstand 2.950 Millimeter

Preis in Deutschland inkl. Steuer ab 153.011 Euro

Gepäckraum 495 bis 1.304 Liter

(Alle Angaben laut Hersteller)


Der Zellenversteher Text//Martin Häusler Fotos//Sarien Visser


_People to know Harry Finneisen

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Für Unternehmer, sportler und Popstars zählt ein Besuch bei Harry Finneisen zu den wichtigsten Investitionen in Die Gesundheit. Der Toxikologe erkennt verblüffend genau, was im Körper los ist.

sitzen und sich am eigenen Ego berauschen. Aber das tut er nicht. Darauf pfeift er, wie er sagt. Denn zum einen ist Finneisen überaus bodenständig und bescheiden. Zum anderen ist er überhaupt kein Arzt, sondern Biochemiker und Toxikologe, der eher sein Labor liebt als die Bühne. Auf seinem Gebiet jedoch hat er es zu besonderem Ruhm gebracht. So gilt der gebürtige Hamburger vielen als Papst der Vitalstoffdiagnostik. „Bodychecker“ nennen ihn die einen, „Zellenversteher“ die anderen. Wer wissen will, was in seinem Körper gerade schiefläuft, bei welchem Organ es hakt und wie er seinen ständig auf Reserve laufenden Akku wieder aufladen kann, der konsultiert Harry Finneisen. Finneisen studierte Biochemie in Freiburg, forschte beim Pharmakonzern Böhringer, war viele Jahre Dozent an der Universität Oldenburg. Anfang der 90er-Jahre entscheidet er sich für einen radikalen Schnitt und erfüllt sich einen Traum. Finneisen, der in den Semesterferien in seiner norddeutschen Heimat das Kapitänspatent gemacht hatte, baut sich einen Fischkutter zum Topp-Gaffelschoner um und sticht in See. Viereinhalb Jahre fährt der verhinderte Meeresbiolog mit seiner Frau um die Erde – und wird dafür auch noch bezahlt, indem er Redaktionsteams der ARD für Dreharbeiten in die schönsten Winkel des Planeten schippert. 1995 geht Finneisen wieder an Land, verkauft das Boot und investiert den Erlösin ein Labor, mit dem er anfangs den Ursachen von Magen- und Darmerkrankungen auf die Spur kommen will. Es ist das Herzstück seiner neuen Firma, die er „Hamburger Institut für Regenerationsmedizin“ nennt. Finneisen baut seine Expertise aus, diagnostiziert mittels Blutanalysen die Defizite und Unverträglichkeiten seiner Patienten, wird mit seiner Beratung und den Heilerfolgen (sein Mutmachslogan lautet: Es wird alles wieder gut!) über

Mal wird die schmale Nobelgasse Hohe Bleichen in der Hamburger City schlagartig von schwarzen Limousinen versperrt, aus denen dann Sicherheitspersonal sowie ein recht bekannter russischer Milliardär steigen. Mal schleicht da ein Typ in die Hausnummer 18, der eigentlich kein anderer sein kann als einer der letzten großen Rock-Dinos. Wer sich für Fußball interessiert, erkennt den ein oder anderen Star diverser Nationalmannschaften, und Polit-Junkies dürften sofort ehemalige Minister und Regierungschefs identifizieren können. Sie alle kommen nicht etwa in die Hansestadt, um sich zu vergnügen oder einen Deal klarzumachen. Der gemeinsame Grund ist die Sorge ums körperliche Wohl. Und weil die Praxis von Harry ­Finneisen nun mal da liegt, wo sie liegt, dezent und unscheinbar zwischen Boutiquen und Cafés, bemüht sich auch ein Oligarch hierher. Man könnte nun meinen, Harry Finneisen sei bei dieser Art von Klientel einer der Promi-Ärzte, die gern in Talkshows

die Hansestadt hinaus bekannt. Heute vertraut sich ihm die Prominenz genauso an wie der ausgelaugte Topmanager und der auf Höchstleistung getrimmte Athlet. Zudem kommen viele Patienten, die meinen, dass über viele der von den Krankenkassen getragenen Verfahren nur unzureichende Aussagen über den Gesundheitszustand zu treffen sind. Bei seinen Analysen greift Harry Finneisen in seiner Praxis inzwischen auch auf elektronische Hilfsmittel zurück, digital arbeitende Apparate, die die Größe eines Laptops haben, aber den Wert eines nagelneuen Oberklassewagens. Vitalscan heißt so eine Wunderkiste, Cardioscan eine andere. Laut ihrer Entwickler ermöglichen sie in geradezu rasender Geschwindigkeit präzise Einblicke in den menschlichen Organismus, wie sie vor wenigen Jahren noch nicht möglich gewesen sind. Beim Vitalscan sitzt der (übrigens völlig bekleidete) Patient mit Finneisen vor einem Flachbildschirm. In der geschlossenen Hand hält er dabei einen metallenen Zylinder von der Größe eines dickeren Eddings, der über ein Kabel mit dem Computer verbunden ist. Was dann passiert, ruft bei Finneisens Besuchern regelmäßig verblüffte Reaktionen hervor: Ein Knopfdruck, und der komplette Körper wird innerhalb von nur 60 Sekunden gescannt. Auf dem Bildschirm erscheinen knapp 40 analysierte Komponenten – von Lunge und Leber über die Knochen, die Prostata bis hin zur Haut und zum Immunsystem. „Jede Zelle in unserem Körper ist einem Organ zugeordnet“, erklärt der Biochemiker den Prozess. „Es gibt Knochenzellen, Schleimhautzellen, Herzzellen, diese Zellen werden von der Software über ihre individuelle Frequenz erkannt, über die elektromagnetischen Wellen, die jede von ihnen aussendet.“ Gleichzeitig ist in der Software das hinterlegt, was heute „Big Data“ genannt wird: Unmengen an Patientendaten. Die in der Hamburger Praxis gemessenen Werte können so blitzschnell mit den hochgerechneten Werten von gesunden Menschen abgeglichen werden.


Harry Finneisen People

überrascht, denn die neue digitale Medizintechnik würde man bei einem Vertreter der alten Schule (Jahrgang 1952, Studium in den 70ern) nicht unbedingt erwarten. Und dann sagt der Hamburger etwas ganz Entscheidendes: „Es ist schon gewaltig, was alles in den Geräten steckt. Wir sind gerade an einem Punkt wie vor 120 Jahren Konrad Röntgen. Mit seiner Erfindung konnte er zum ersten Mal in unseren Körper hineinblicken. Mit der Digitalisierung tun wir das jetzt wieder, nur viel tiefer.“ Der Vitalscan, der von einem Frankfurter Geschäftsführerduo auf Grundlage russischer Weltraumtechnik – mit ihr kann im All der Gesundheitszustand der Kosmonauten blutlos ermittelt werden – kontinuierlich weiterentwickelt und vor zwei Jahren zur Marktreife gebracht wurde, ist nur ein Beispiel für den Aufbruch in der Digitalmedizin. Der gewaltige Goldsuchertrek Tausender Glücksritter wird angeführt von Google, einem Unternehmen, das längst mehr ist als der Suchmaschinenbetreiber. Zusammen mit Novartis entwickelt Google gerade eine intelligente Kontaktlinse, die ständig den Blutzuckerspiegel von Diabetikern überwacht. Ein Herkulesprojekt ist die Entwicklung eines Detektors, der am Handgelenk getragen wird und über eingenommene magnetische Nanopartikel Krebszellen aufspüren sowie rechtzeitig vor Herzinfarkten warnen soll. Durch eine Kooperation mit der Genetikfirma AncestryDNA sollen über die Analyse von Millionen von Familiendaten Rückschlüsse

Über die auf dem Monitor angezeigte Abweichung erkennt Harry Finneisen, in welchen Bereichen des Körpers nach der Ursache eines Symptoms (beispielsweise eines Erschöpfungszustands) zu suchen ist. Zusammen mit seiner Blutuntersuchung kommt er so zu einer Anamnese, die entweder zu unmittelbaren Handlungsanweisungen führt („Bitte gehen Sie zum Facharzt!“, „Meiden Sie geschwefelte Lebensmittel!“) oder zu Medikationen in Form individuell zusammengestellter Vitalstoffe wie Vitamine und Aminosäuren. Die werden von speziellen Apotheken in Granulatform abgemischt, per Post zugesandt und stehen danach bei Finneisens prominenten und weniger prominenten Patienten in Küche und Büro. Ähnlich faszinierend wie der Vitalscan ist für viele ­Hilfesuchende der Cardioscan, an den man wie an ein EKG angeschlossen ist. „Aber es wird nicht nur das Herzkreislaufsystem erfasst, sondern die gesamte Verstoffwechslung. Alles wird angezeigt“, sagt Finneisen, der die deutsche Technik vor allem bei der Betreuung von Hochleistungssportlern wie der isländischen Fußballnationalmannschaft einsetzt. „Wenn ein Spieler zu einseitig trainiert wurde, kann der Muskel das Skelett nicht richtig halten. Die Folgen sind erhöhtes Verletzungsrisiko und langsamere Regeneration. Die falsch trainierten Muskeln mit geringer Durchblutung kann ich sofort am Bildschirm identifizieren. Ich kenne keinen Spieler aus der Bundesliga, der richtig trainiert ist. Ziel ist es, die Trainer dazu zu bringen, ein gerades, ausgewogenes Training zu konzipieren.“ Wenn Finneisen von seiner Arbeit erzählt, wird jeder Satz von Begeisterung getragen, eine Begeisterung, die

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Am Monitor untersucht Harry Finneisen die per Vitalscan erfassten Daten auf Abweichungen und erkennt so mögliche Ursachen für Krankheitssymptome.

auf die Lebensdauer und damit auf lebensverlängernde Therapien gezogen werden können. Und mit der Tochterfirma Calico Labs hat es sich Google zur ungeheuerlich klingenden Aufgabe gemacht, einen der größten Menschheitsträume zu erfüllen – den Alterungsprozess aufzuhalten und Zivilisationskrankheiten wie Krebs und Alzheimer schlicht abzuschaffen. Mit dem Milliardeninvestment, das vor drei Jahren verkündet wurde, ging ein Ruck durch die gesamte Forschung. Google-Chef Larry Page damals: „Ausnahmslos jede Familie hat mit Krankheiten und dem Älterwerden zu kämpfen. Ich glaube, dass wir auf lange Sicht mit Moonshot Thinking im Bereich von Gesundheitsfürsorge und Biotechnologie Millionen von Leben verbessern können.“ Moonshot Thinking nennen die Amerikaner die Umsetzung großer Visionen, die sich an nichts weniger orientieren als der Mondmission von 1969. Die Krankenkassen bekommen diese Innovationsoffensive längst zu spüren. „Praktisch täglich erreichen uns Anfragen und Angebote“, sagt Hermann Bärenfänger, E-Health-Fachmann bei der Techniker Krankenkasse. „Zugleich gehen wir auch aktiv auf ­Start-up-Unternehmen zu. Im Fokus steht dabei die Frage: Hat das Angebot einen Nutzen? Bietet es einen Mehrwert? Unsere Experten aus dem Bereich Versorgungsinnovation beschäftigen sich Tag für Tag mit der Frage. Viele sinnvolle Angebote haben so schon den Weg in den Versorgungsalltag gefunden.“ Viele aber eben noch nicht. Wie der Vitalscan, für dessen Ganzkörpercheck der Patient bislang 420 Euro überweisen muss. Die entscheidende Frage ist: Wie schnell kann das deutsche Gesundheitssystem durch die IT-Industrie modernisiert werden? „Mit zehn Jahren ist ein Auto alt“, sagt Harry Finneisen. „In der Medizin sind zehn Jahre aber jung. Das erste Mal erfuhr ich vor sieben Jahren von dem Vitalscan. Erst jetzt ist er da. Jedes neue Verfahren, das auf den Markt kommt, wird eine Zeit zu kämpfen haben. Auch Wilhelm Conrad Röntgen wurde anfänglich erst einmal als Scharlatan beschimpft. Hauptsächlich steckt die jahrelange Lobbyarbeit der Pharmaindustrie dahinter. Es werden Dinge für schlecht erklärt, die eigentlich gar nicht schlecht sind. Aber die Computerisierung werden auch die Pharmavertreter nicht mehr aufhalten können. Gut möglich, dass der Gigant Google manche Blockade zum Einsturz bringen wird, gegen die kleinere Entwickler zuvor keine Chance gehabt haben. Dann wird endlich auch der Normalbürger von den Innovationen profitieren.“ Das Problem bislang sei, so Finneisen, dass die Krankenkassen in den vergangenen Jahren kaum Neuerungen in ihre Leistungskataloge aufgenommen hätten.


91 Sensibler Therapeut: Für Harry Finneisen ist die menschliche Zuwendung ein wesentliches Element seiner Arbeit.

Zwar wird das entstandene Spannungsfeld zwischen Pharma und IT von den Kassen als positiv Was den Vitalscan angeht, begründet das die Techniker bewertet, weil durch digitale Krankenkasse damit, dass die Technik „zu ungenau“ sei. Diagnostik tatsächlich manch Scansysteme, so die Experten, seien immer dann sinnvoll, teure Fehlbehandlung abgewenwenn die Messungen exakt sind und der Absicherung det werden kann. Zwar werden von Unsicherheiten dienen. „Ungenau ist unser Vitalscan viele nette Gesundheits-Apps höchstens dann, wenn man ungenaue Patientendaten wie fürs Smartphone auch von den Alter, Größe und Gewicht eingibt“, kontert Dervis Culfa, Kassen als sinnvoll angesehen. Das ­Geschäftsführer der Vitalscan medX GmbH. „Ansonsten Geschäft mit vielen der teureren trifft das Gegenteil zu. Wir erheben mit dem Vitalscan insge- IT-Erfindungen wird aber vorerst mit den besserverdienenden samt 270 Parameter, die sich mit einer klassischen BlutSelbstzahlern gemacht. Bei aller untersuchung im Labor abgleichen lassen. Und wir haben Hoffnung, die Kranke, Gestresste sogar noch den Vorteil, dass wir sofort erkennen können, welches Organ es gerade ist, das schwächelt und Hilfe benö- und Ausgepowerte in die digitale tigt. Eine bessere Prävention gibt es nicht.“ Entwickler Culfa Medizinrevolution setzen: Ängste ist Gegenwind gewohnt, nicht nur von den Kassen, auch aus davor sind überall zu spüren. Im vergangenen Jahr redete Günther der Ärzteschaft und der Pharmaindustrie. „Die Verfahren Oettinger, EU-Kommissar für Dides Nichtinvasiven sind für viele noch Hokuspokus, weil die meisten aus der Schulmedizin kommen und etwas anderes gitale Wirtschaft und Gesellschaft, gelernt haben, nämlich, sich nur auf Blutparameter zu verauf der Jahrestagung des Deutschen lassen“, sagt er. „Aber der Zulauf gibt unserer Firma recht.“ Ethikrates zum Thema „Die VerInzwischen haben rund 50 Apotheken in ­Deutschland messung des Menschen – Big Data den Vitalscan im Laden stehen. Unter ihnen ­Christina und Gesundheit“. Was hängen ­Betzler, die im niedersächsischen Buxtehude die blieb, waren neben dem Jubel über ­Engel-Apotheke führt und gegen 19,90 Euro in einem Badie technischen Triumphe die zahlreichen Warnungen und offesischeck ermittelt, ob es ihren Kunden an Aminosäuren, Vitaminen und Spurenelementen fehlt und ob Schwermetalle nen Fragen. „Ein Markt entsteht, im Körper stecken.150 Messungen hat sie so im ersten Jahr und der bedarf einer Ordnung“, durchgeführt. „Viele sind erst einmal skeptisch, weil sie sich sagte Oettinger. „Was bezahlen nicht vorstellen können, wie das funktionieren soll“, sagt die Krankenkassen und was nicht? Betzler. „Aber wenn sie sehen, dass sich die ermittelten Werte Kommt es zu einer Spaltung der nach Einnahme der Vitalstoffe verbessern oder die MessunGesellschaft? Wird einer, der viel bezahlt, sich digital alles leisten gen mit ihren mitgebrachten Blutwerten übereinstimmen, können? Oder wird das System sind sie plötzlich sehr interessiert. Jeder Hausarzt müsste so ein Gerät in der Praxis stehen haben, um einen ersten Check sozialverträglich entwickelt, sodass die Anwendungen jedem, der zu machen. Denn oft wird ins Leere therapiert.“ behandlungsbedürftig ist, auch von den Krankenkassen bezahlt werden können?“ Auch hinsichtlich des Umgangs mit Big Data hatte Oettinger vor allen Dingen Mahnungen dabei. „Wenn eine Cloud nicht sicher ist, wird dadurch ein funktionierendes Gesundheitssystem in Gefahr gebracht oder lahmgelegt werden können. Es muss ein europäischer Verhaltenskodex entwickelt werden. Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung. Wenn wir uns da nicht einmischen, bestimmen die anderen die Regeln. Ich glaube, dass auch hier unser europäisches, christliches, humanes Menschenbild einen Beitrag leisten soll und nicht alles nur China und den USA überlassen werden darf.“

Bei aller Hoffnung, die Kranke, Gestresste u n d A u s g e p o w e r t e i n d i e D i g i ta l e M e d i z i n s e t z e n : Ä n g s t e d av o r s i n d ü b e r a l l z u s p ü r e n .

Auch Harry Finneisen weiß um die Schattenseiten. Er führt noch eine ganz andere Gefahr ins Feld, nämlich die Vorstellung, eines Tages von Androiden behandelt zu werden. „In den Arm nehmen können, in die Augen schauen können, das ist für mich enorm wichtig“, sagt der Mediziner. „Fiele das weg, würde es verdammt kalt werden. Kälte können wir Menschen nicht gebrauchen, wir brauchen Wärme. Und wenn wir nur noch mit Maschinen zu tun haben, wird es auch immer mehr Ärzte geben, die selbst gar nicht mehr diagnostizieren können.“ Dass jedoch perfekt programmierte Algorithmen allein nicht in der Lage sind, das Vertrauen der Patienten zu gewinnen, dafür kann das Phänomen Finneisen stehen. Denn natürlich könnten sich seine Milliardäre einen voll ausgestatteten Vitalscan für über 100.000 Euro auf die Megayacht stellen – Peanuts. Tun sie aber nicht. Sie konsultieren Harry Finneisen, der auf ein ganzes Forscherleben zurückblicken kann. Nur das hat ihn erst zum Zellenversteher gemacht. ___

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Hamburger Institut für Regenerationsmedizin +49 4035714450 www.hir-praxis.com


Juwel mitKaskadendusche text//thomas garms


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Für den distinguierten Citytrip ist „The Savoy“ in London die erste Adresse.


Wohnst du angemessen oder übernachtest du nur? Was Hotels betrifft, lässt sich diese Frage in der Regel bereits im Eingangsbereich beantworten. Dieser vermittelt durch seine Architektur, Möblierung, Dekoration und Größe schon im ersten Augenblick, wo man zu Gast ist. Das gilt für Hotels im Allgemeinen, spezieller für Grand- und Palasthotels und besonders auch für „The Savoy“ in London. Wer sich im Glanz vergangener Epochen sonnen möchte, der steigt hier ab. Man schreitet durch die hölzerne Drehtür hinein auf den polierten Marmorboden im klassischen schwarz-weißen Schachbrettmuster, der seit dem 18. Jahrhundert in den reichen Haushalten Londons in Mode war, nimmt die prächtigen Säulen wahr, spürt die Patina der Mahagonipaneele an den Wänden, alles in weiches Licht getaucht von golden schimmernden Stofflüstern. Kaum hat man die Halle betreten, ist das Treiben der britischen Finanzmetropole wie weggeblendet. Man fühlt sich angekommen in einer Oase der Entspannung mitten im betriebsamen Herzen Londons. Wie in einem prächtigen Privathaushalt vermitteln Polstermöbel, dekorative Beistelltische und sorgsam platzierte Kunstgegenstände schon im Eingangsbereich ein Gefühl von Behaglichkeit, das durch aufwendige Blumenarrangements abgerundet wird. Es gibt keinen Tresen, an dem eintreffende Gäste sich anstauen – Anmeldung und Check-out erfolgen diskret im Nebenraum an verschiedenen Schreibtischen aus Edelholzfurnier. Eine Sünde, hier seinen Trolley selbst hindurchbugsieren zu wollen. In Palasthotels wie dem Savoy zu wohnen, heißt, den ganzen Service völlig selbstverständlich in Anspruch zu nehmen, und der beginnt stilgerecht schon vor der Tür bei der Versorgung des Gepäcks.

Im Prinzip ist es ganz einfach: Je mehr sich die gleichförmigen und auf Effizienz getrimmten Kettenhotels auch im Luxussegment breitmachen, desto interessanter wird als bewusst gewähltes Kontrastprogramm der Aufenthalt in einer der Juwelen jener Zeit, als man noch mit Schrankkoffern zu reisen pflegte. Die Fairmont-Gruppe als Betreiber des Savoy setzt darauf, dass eine bestimmte Kundschaft immer genau das will, was es kaum noch gibt. Flachbildschirme, Designermöbel und sprechende Minibars auf den Zimmern sind inzwischen genauso wenig etwas Besonderes wie die aufgeplusterten Fashion-Hotels mit den Namen von Modeschöpfern, in denen das Personal oft besser gekleidet ist als die Gäste, aber nicht weiß, wie das Verdeck eines Morgan Plus 4 ordentlich geschlossen oder ein Lamborghini Aventador LP 750-4 Superveloce gestartet wird. Im Savoy kann man davon ausgehen, dass man hier fachkundig Hand anlegt an automobile Kronjuwelen und das Fahrzeug entsprechend achtsam in eine gesicherte Parkgarage verbracht und nötigenfalls auch noch penibel ausgesaugt wird. Kurzum: Was einst die gekrönten Häupter zu schätzen wussten, kann heute nicht verkehrt sein, nämlich eine Bühne zu bieten mit Glanz und Gloria, auf der sich ein jeder mit genügend Cash fühlen darf wie ein Fürst auf Urlaub. Gleichzeitig musste aber so modernisiert werden, dass das Haus bezüglich Komfort, Ausstattung und Architektur Schritt halten kann mit den Errungenschaften des 21. Jahrhunderts, die da vor allem heißen: ­Klimaanlage, Spa und WLAN. Energiesparlampen und Duschköpfe mit reduziertem Wasserdurchlauf sind auf jeden Fall tabu.

Die Suite im Stil von Eduard VII. bietet einen herrlichen Blick auf die Themse. Rechts: Marlene-Dietrich-Cocktail.

Wie in einem prächtigen Privathaushalt vermitteln Polstermöbel, Dekorative Beistelltische und Kunst ein g e f ü h l v o n B e h a g l i c hk e i t .


_PLACES TO BE THE SAVOY LONDON

Das 1889 eröffnete Savoy hat einst Könige, Staatsmänner und Legenden aus der Welt der Bühne und des Films beherbergt und damit genügend „Heritage“, um als eines der ersten Häuser in London zu gelten. Es hat einige der bekanntesten Bars und Restaurants der Stadt zu bieten, darunter die American Bar und den Savoy Grill. Viele der insgesamt 268 Zimmer und Suiten bieten einen schönen Blick auf die Themse und die City of London.

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Bereits 1246 sprach König Heinrich ­III. den Streifen zwischen dem Strand und der Themse dem Onkel der Ehefrau des Königs, Peter Graf von Savoyen, zu. Der Graf hat den Savoy Palace am Ufer errichtet und seither verbindet sich sein Name mit diesem Ort. Über 600 Jahre später wählte der Impressario Richard D’Oyly sich diese Stätte für ein neues Theater, um dort die berühmten Opern seiner Freunde Gilbert und Sullivan aufzuführen.


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Er wählte den Namen Savoy Theater für das neue Gebäude und fortan waren die Produktionen als die Savoy-Opern bekannt. D’Oyly hat seine Shows lange Zeit in Amerika produziert. Er war von den neuen Hotels, in denen er dort wohnte, so beeindruckt, dass er sich entschloss, bei seiner Rückkehr nach London ein eigenes Hotel zu errichten. Nach einer Bauzeit von fünf Jahren wurde das neue Savoy am 6. August 1889 eröffnet. Es war eine Sensation. Das erste echte Luxushotel Londons, The Savoy, war auch das erste mit elektrischem Licht. Es hatte die ersten elektrischen Aufzüge, die Gästezimmer waren über Sprachrohre mit dem Diener, dem Zimmermädchen, den Etagenkellnern sowie mit dem anderen Teil des Hotels verbunden. Später war das Savoy das erste Hotel, das die meisten seiner Zimmer mit privaten Badezimmern en Suite anbieten konnte. Das Savoy-Badezimmer war für die Kaskadendusche und die sich schnell

Oben: Doorman Tony am Haupteingang. Unten: Der Savoy-Tea-Shop.

füllende Badewanne berühmt. D’Oyly gelang es, den bekannten Hotelmanager César Ritz für sein neues Wunderhotel zu begeistern. Dieser brachte Auguste Escoffier mit, den besten und gefeiertsten Koch jener Tage, der die Herrschaft über die Küchen übernahm. In den frühen Jahren zählten Sarah Bernhardt und Dame Nellie Melba zu den Gästen; für sie kreierte Escoffier den berühmten Toast Melba, als sie Diät hielt, und die Pfirsiche Melba, als sie es nicht tat. Oscar Wilde wohnte hier mit seinem Freund Lord Alfred Douglas. Häufig war auch der Prinz of Wales mit seiner Entourage hier zu Gast. Im Jahr 1904 war das Hotel ein solcher Erfolg, dass es um das neue von Thomas Colcutt gestaltete Gebäude am Strand erweitert wurde; die American Bar und der Savoy Grill zogen in diesen neuen Teil des Hotels um. Der Jugendstil hielt Einzug und das Edelstahlschild, eine Ikone, wurde 1929 über dem Savoy Court angebracht.

Film- und Theaterstars wie Elizabeth Taylor, Sophia Loren und Marilyn Monroe haben das Savoy geliebt. Mit Gästen wie Louis Armstrong, Marlon Brando und Jane Fonda bis hin zu den Beatles und Bob Dylan swingte das Savoy in die 1960er-Jahre. Noch heute gibt es die Tafeln, auf denen die besonderen Wünsche dieser Gäste notiert sind – Lieblingsgetränke, Lieblingsblumen, Lieblingsspeisen. Im Dezember 2007 schloss das Savoy die Pforten, um sich einer kompletten Renovierung zu unterziehen; und am 10. Oktober 2010 wurde das Haus in neuem prachtvollen Glanz wieder geöffnet. Die aufwendigste Renovierung der britischen Hotelgeschichte hat sich gelohnt: Viele alte Stilelemente wie Zierleisten, Einbauten und Beschläge wurden erhalten und sind in das neue Design eingeflossen. Über 400 Einrichtungsstücke wurden ausgebaut, restauriert und wieder eingebaut. Zudem gibt es jetzt ein modernes Spa mit einem Pool.

Stars wie Marlon Brando, Elizabeth T ay l o r , S o p h i a L o r e n u n d M a r i ly n Monroe haben das S av o y g e l i e b t.


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Unten: High Tea. Rechts: Das Spa mit Pool und Therapieräumen.

In den luxuriösen Zimmern und Suiten wurde den beiden Stilrichtungen des Hotels – das Zeitalter Edward VII. und Art déco – Rechnung getragen, und Tradition und modernste Technologien dezent miteinander verwoben. Der Designer Pierre Yves Rochon hat für die Einrichtung ausschließlich beste Materialien gewählt, von den Muranolüstern über italienische Bettwäsche bis hin zu den Wandaccessoires aus Seide und Marmorfußböden. Die Badezimmer sind mit den berühmten Savoy-Regenduschen und Signatur-Accessoires aus dem Haus Miller Harris ausgestattet. Im Rahmen der Renovierung wurden auch die Restaurants und Bars wieder glanzvoll ins Leben gerufen. Für den Savoy Grill hat der Designer Russell Sage die Original-Art-décoEinrichtung aus den 1920er-Jahren restaurieren lassen. Auf der Karte finden sich auf der Holzkohle gegrilltes Chateaubriand mit Pommes Soufflés, Krabben- und Garnelencocktail, Limonen- und Schokoladensoufflé und die Pfirsich-Melba-Eiskreation. Leger und gleichzeitig luxuriös – so lässt sich das Konzept des neuen Restaurants Kaspar’s

­Seafood Bar & Grill beschreiben. Das Interieur im Stil der 20er- und 30er-Jahre hält die Erinnerungen an die glamouröse Vergangenheit des Hotels wach: Eine Decke aus Blattsilber, Art-déco-Spiegel an den Wänden, kupferne Geländer, Säulen aus Muranoglas und Marmorböden erzeugen ein elegantes und leichtes Ambiente. Die American Bar war Heimat legendärer Barkeeper wie Ada ­„Coley“ Coleman und Harry Craddock, der das „Savoy Cocktail Book“ geschrieben hat, welches noch heute als die Bibel der Barkeeper gilt. Jeden Abend tritt in der Bar ein Livepianist auf, der American Jazz zum Besten gibt. Die Beaufort Bar hingegen verbreitet altmodischen Glamour. In theatralischem Schwarz und geprägtem Gold gehalten, dreht sich in diesem Art-déco-Interieur alles um Champagner, Cocktails und Kabarett. Der Wurzelgrund für das Bedürfnis, ein solches Hotel ein paar Nächte lang als Domizil zu wählen, liegt in der Möglichkeit, damit der glatten durchdeklinierten Effizienz zu entfliehen. Bei einem Hotel wie dem Savoy geht es nie allein um die Übernachtung,

es geht vor ­allem um das Ambiente, das ganze Drumherum, das Wohnen als Erlebnis an sich. Daher sollte man genügend Zeit einplanen für Mußestunden und die besonderen Angebote. Einfach den späten Nachmittag vertrödeln beim High Tea im Thames Foyer, von den mit köstlichen Sandwiches und Törtchen gefüllten Etageren zu probieren und währenddessen das bunte Treiben der Gesellschaft zu beobachten kann genauso lohnend sein, wie die Teilnahme an einer Whisky Masterclass mit dem Experten Joseph Lewis White. __________________

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Preis Doppelzimmer ab 559 Euro Kontakt The Savoy Strand, London WC2R 0EU, Großbritannien Telefon + 44 20 7836 4343 Fax + 44 20 7836 2398 E-Mail savoy@fairmont.com www.fairmont.com/savoy


Impressum

Materialist ist ein Hybrid aus Anleger- und Lifestylemagazin. Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich als Co-Produktion der Pracimamedia GmbH und der OCEAN.GLOBAL GmbH & Co. KG in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist in ausgewählten Pressefachgeschäften sowie dem Bahnhofs- und Flughafenbuchhandel erhältlich. Außerdem wird Materialist im Rahmen von exklusiven Partnerschaften mit Luxusunternehmen und Premium-Retailern vertrieben. Dazu gehört auch der Versand des Magazins zu exklusiven Kunden direkt nach Hause. Executive Editor Dr. Thomas Garms thomas.garms@materialist.media Executive Publisher Alexander Lehmann al@ocean.global Editorial Design Outline-Graphix UG (haftungsbeschränkt) Telefon: +49 431 6473173 www.outline-graphix.de info@o-graphix.de Redaktion und Autoren Senior Staff Writer: Silvia Domínguez López Fashion & Style: Georgia Garms Food & Wine: Nils Lackner Motor: Ralf Bernert Architektur: Norman Kietzmann Design: Esther Strerath Gisbert L. Brunner, Wilma Fasola, Martin Häusler, Carsten Krüger, Milly Lacombe, Claudia Lindenberg, Astrid Lipsky, Eva Mackensen, Christine Mortag, Olivia Palamountain, Ursula Richard, Oliver Ristau, Florian Spieth, Jan Meyer, Tim Jacobsen, Sarah Zahorsky, Alexandra Dinter, Sandra Willmeroth, Mike Ziegler. Redaktionsanschrift Pracimamedia GmbH Redaktion Materialist Elbchaussee 168b 22605 Hamburg Telefon: +49 40 368 56 239 office@materialist.media Lektorat Alexandra Dinter, Ina Krug, Kirsa Stoltenburg Fotografen William Garrett, Thomas Kierok, Nils Lackner, Peter Nyfeler, Ulrike Myrzik, Autumn Sonnichsen, Sarien Visser, Michael Wissing, Ketsiree Wongwan, Peter Zizka. Covershot: Getty Images / South_agency

Verlagsanschrift OCEAN.GLOBAL GmbH & Co. KG Klausdorfer Weg 167, 24148 Kiel Telefon: +49 431 9969977 Fax: +49 431 996 9986 info@ocean.global www.ocean.global Geschäftsführer: Alexander Lehmann al@ocean.global Sales & Marketing Alexander Lehmann Telefon: +49 431 9969977 Fax: +49 431 9969986 al@ocean.global Premiumpartnerschaften: Jan Meyer jm@ocean.global Repräsentanten Italien Studio Villa Media Promotion S.r.l. Via Luca Comerio 1 I-20145 Milano Telefon: +39 02 31 16 62 Fax: +39 02 33 10 38 48 www.studiovilla.com studio.villa@studiovilla.com Abonnement & Einzelheftbestellungen OCEAN.GLOBAL GmbH & Co. KG Klausdorfer Weg 167, 24148 Kiel Telefon: +49 431 9969977 Fax: +49 431 9969986 www.ocean.global abo@ocean.global ISSN 2190-1171 Vertrieb IPS Gruppe Carl-Zeiss-Straße 5, 53340 Meckenheim, www.ips-d.de Hinweis Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit des Inhalts keine Haftung übernommen werden. Die in Materialist gemachten Angaben in Artikeln, Empfehlungen oder Tabellen dienen der Unterrichtung und sind keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren. Die Interviewpartner und die von der Redaktion beauftragten Experten und Autoren können in Institutionen tätig sein, die bezüglich der besprochenen Wertpapiere Long- oder Short-Positionen halten oder die betreffenden Wertpapiere kaufen oder verkaufen. Sie können eventuell als Investment- oder Geschäftsbank tätig und/oder in den Organen der Emittenten vertreten sein beziehungsweise als Marketmaker fungieren. © MATERIALIST is a publication produced under license from Pracimamedia GmbH, the creator and owner of the Materialist brand. All rights belong to Pracimamedia GmbH and may not be reproduced, whether in whole or in part, without prior written consent.


_invest Strategy

Visionen brauchen Vertrauen Texte//Gisbert L. Brunner, Carsten Kr端ger, Claudia Lindenberg, Astrid Lipsky, Eva Mackensen, Oliver Ristau, Sandra Willmeroth

Gr端ner STrom, Sandelholz足plantagen oder Wasser: nachhaltige Investments versprechen ordentliche renditen und sind ein positiver beitrag f端r die gesellschaft.

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1. G

Risiko, Rendite, Wirkung

Geld an sich hat keine Wirkung und keinen Wert – solange man nicht etwas damit kauft oder tut. Wer sein Vermögen investiert, verleiht es über die Zwischenhändler der ­Finanzindustrie letztlich an Unternehmen oder Staaten. Wie die dann mit dem Geld umgehen, hat durchaus eine Wirkung und hinterlässt Spuren in der Welt. Und diese werden mehr und mehr vom heutigen Anleger hinterfragt. Große Stiftungen und Pensionskassen wollen wissen, was sie mit ihrem Vermögen in der Welt bewirken und drängen auf das Thema Impact Investing. Sie üben regelrechten Druck auf die Finanzintermediäre aus, erzählt Oliver Oehri, Direktor und Gründer der CSSP, einer unabhängigen Beratungsagentur im Bereich nachhaltiger Investitionsstrategien. Hinzu kommt die Nachfrage der Millennials und Digital Natives – einer Generation, für welche die Digitalisierung ebenso gelebte Normalität ist wie der Nachhaltigkeitsgedanke.

Die Klimavereinbarung zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad stellt die Wirtschaft vor große Herausforderungen.

Text//Sandra Willmeroth

Foto//Juozas Cernius/IFRK

Investieren, um damit Gutes zu bewirken, gewinnt an Bedeutung. Beim Impact Investing ist die Dekarbonisierung des Portfolios etwa ein groSSes Thema.

Verschiedene Studien und unsere Erfahrungen zeigen, dass diese Generation ihr Vermögen so anlegen will, dass es nebst ansprechenden Renditen auch einen positiven Beitrag für die Gesellschaft erzielt, weiß Lucas van Berkestijn, Spezialist für ­Sustainability-Investing-Anlagelösungen bei RobecoSAM in Zürich. Es geht nicht mehr nur um Risiko und Rendite der Geldanlageprodukte, sondern auch um deren Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft. Beide Kundengruppen sind Treiber einer steigenden Nachfrage nach Impact-­InvestingStrategien, die dementsprechend einen starken Zulauf und großes Potenzial haben. Gemäß einer Erhebung der Global ­Sustainable Investment Alliance (GSIA) aus dem Jahr 2014 sind die nachhaltig verwalteten Vermögen zwischen 2012 und 2014 um insgesamt 61 Prozent auf 21,4 Milliarden US-Dollar gewachsen. Damit sei Sustainable Investing eines der am schnellsten wachsenden Gebiete im Finanzsektor, sagt Lucas van Berkestijn. J.P. Morgan schätzt, dass das Volumen von Geldern, die nach Kriterien des Impact Investing am Markt angelegt werden, in den nächsten acht Jahren bis zu einer Billion US-Dollar erreichen könnte.

Sustainable Investing ist zu einem Überbegriff geworden, und Impact Investing ist die dank Big Data ermöglichte Fortsetzung des nachhaltigen Investierens, die einen logischen Schritt weiter geht und die nachhaltige Wirkung einer Investition konkret messbar machen will. Akteure in diesem Gebiet verfügen über große Datensätze zu Energieverbrauch, CO2-Ausstoß, Wasserverbrauch und zu vielen anderen ESG-Aspekten (Environment Social Governance) börsenkotierter Unternehmen. „Dank unseres großen Datenschatzes sind wir heute in der Lage, Firmen und Portfolios zu vergleichen und letztlich ein Portfolio bezüglich eines oder mehrerer gewünschten ESG-Aspekte, zum Beispiel starke Governance, Kindswohl oder Geschlechtergleichheit, zu optimieren, ohne Einbußen bei der Rendite oder ohne, dass wir ein höheres Risiko eingehen“, erklärt van Berkestijn.


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Foto//Thorsten Klose / DRK

_INVEST impact investing

Der CO2-Ausstoß ist ein Aspekt bei der Berechnung des Impacts, den ein Unternehmen auf die Umwelt hat.

M i krof i n a n zfo n d s Sie ermöglichen vornehmlich

ökonomisch benachteiligten Menschen in Entwicklungsländern den Zugang zu

Kapital. Im Zentrum stehen die Bemühungen, Armut und Hunger in den Zielländern zu

reduzieren, einen verbesserten Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung zu

ermöglichen, das Kindeswohl zu verbessern

und die Selbstorganisation zu fördern. Meist

handelt es sich um Kleinstsummen, mit denen beispielsweise eine Frau in Indien eine

Nähmaschine anschaffen oder eine Familie in Thailand erstmalig Saatgut kaufen und einen eigenen Erwerbszweig aufbauen kann.

GroSSe Stiftungen und Pensionskassen wollen wissen, was sie mit ihrem Vermögen in der Welt bewirken und drängen auf das Thema Impact Investing.

C o m m u n i ty I n v e s t i n g Hier geht es primär um die Unterstützung von lohnenswerten Projekten im sozialen Bereich. So haben beispielsweise in einem britischen Pilotprojekt Investoren die Summe von fünf

Millionen Pfund aufgeworfen. Mit dem Geld hat eine soziale Einrichtung ihre Präventionsarbeit mit den Insassen eines Gefängnisses verstärkt. Ziel der Aktion war es, die Rückfallquote von Insassen nach der Entlassung zu senken. Bleibt diese künftig unter einer zuvor vereinbarten Rate, zahlt der Staat – der letztlich davon profitiert – den ursprünglichen Investoren ihre Rendite aus.

Der Druck kommt nicht nur von der Nachfrageseite, sondern auch seitens der Politik. Die an der UN-Klimakonferenz in Paris Ende letzten Jahres getroffene Klimavereinbarung zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei, möglichst 1,5 Grad stellt die Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Wenn wir dieses Ziel wirklich erreichen wollen, müsse der Finanzmarkt mithelfen, sagt Oliver Oehri. Schon heute sei es möglich, jedes Portfolio zu dekarbonisieren. Unternehmen, die im

„Low Carbon“-Index gelistet sind, haben im Schnitt einen Ausstoß von 60 Tonnen CO2, jene im MSCI World hingegen 180 Tonnen, und bei den Emerging Markets liegt der Ausstoß bei durchschnittlich 250 Tonnen pro investierte Million. Darüber hinaus sind Länder wie Frankreich und Schweden dazu übergegangen, die Unternehmen zum Rapport über ihren CO2-Fußabdruck zu verpflichten. Etwas, das nach Einschätzung der Experten in den kommenden Jahren in allen Ländern Pflicht sein wird.


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Foto//Andrea Kehrwald / DRK

Foto//Gero Breloer / DRK

impact investing INVEST_

Vermögen so anlegen, dass es nebst ansprech­ enden Renditen auch einen positiven Beitrag für die Gesellschaft erzielt.

Neue Kennzahlen fürs Portfolio

künftig jedes Portfolio und jeder Anlagefonds nebst Rendite und Risiko zusätzlich eine ebenso berechenbare Kennziffer für die Wirkung ausweist, sagt Olivier Oehri. Er ist davon überzeugt, dass ein Reporting über exakt berechenbare, extra-finanzielle Kennziffern schon in fünf bis zehn Jahren fester Bestandteil jedes Anlagefonds und Portfolios sein wird. Privatanleger, die schon heute wissen wollen, was ihr Geld in der Welt bewegt, sind bislang

noch auf Anlagefonds im Bereich Nachhaltigkeit oder Mikrofinanz limitiert (siehe Tabelle). Zwar existieren bereits dezidierte ­Impact-Invest-Fonds, wie beispielsweise der Impact Investing Private Equity Fund für KMUs in Schwellenländern und in Frontiermärkten der UBS, allerdings sind solche Anlageprodukte aufgrund der eingeschränkten Liquidität und der hohen Komplexität bislang institutionellen Investoren vorenthalten gewesen. _________________

Gutes Gewissen, gute Rendite Die 20 bestbewerteten Fonds Rang Name ISIN 1

Ethos – Eq Europe ex CH

CH0023568139

2

Pictet-European Sustainable Equities

LU0144509717

3

Petercam Equities Europe Sustainable

BE0940002729

4

PHZ Nachhaltigkeitsfonds

LI0042307384

5

PARVEST Sustainable Equity Europe

LU0212189012

6

Mirova Europe Sustainable Equity

LU0552643339

7

Candriam Sustainable Europe

BE0173540072

8

Candriam Equities L Sustainable

EMU LU0344047559

9

Mirova Europe Life Quality

LU0914733059

10

BL Equities Horizon

LU0093570173

11

AXA WF Framlington Human Capital

LU0316218527

12

Sarasin Sustainable Equity Europe

LU0058891119

13

DNB Fund Scandinavia

LU0083425479

14

LGT Sustainable Equity Fund Europe

LI0015327906

15

Ethos – Eq Europe ex CH indexed Corp Governance

CH0023568246

16

CSF (Lux) Global Responsible Equities

LU0395641813

17

BGF New Energy Fund

LU0124384867

18

Vanguard SRI European Stock

IE00B76VTL96

19

Cadmos Fund Management-Guile Europ Engagement

LU0269642889

20

Robeco European Equities

LU0187077218

I m p act I n v e s t i n g Impact Investing ist der Versuch, mit einer Investition einen unmittelbaren, positiven, sozialen und umweltbezogenen Effekt bei gleichzeitigem Gewinn zu erzielen. Neues und zentrales Element beim Impact Investing ist das Ziel der quantitativen Messung der Wirkung jedes investierten Betrags auf die Umwelt und/ oder Gesellschaft. Dazu zählen die Bereiche des Community Investings, der Mikrofinanz und sozial verantwortliche Anlagen (SRI). SRI wenden bei der Wahl ihrer Investments einerseits vordefinierte Ausschlusskriterien an und schließen damit unethische Branchen wie Rüstung oder Tabak aus dem Anlageuniversum aus. Andererseits investieren SRI-Fonds in Unternehmen, die im Bereich SRI vorbildlich agieren (Best-in-Class-Konzept).

© Handelszeitung

Quelle//www.yoursri.com

Der CO2-Ausstoß ist allerdings nur ein messbarer Aspekt bei der Berechnung des Impacts, den ein Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft hat. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl der sogenannten extra-finanziellen Kennziffern die Aspekte der Umwelt-, Sozialund Unternehmensführung in die traditionelle Aktienbewertung, Titelauswahl und Portfolioanalyse integrieren. Das Ziel müsse sein, dass


Johann Baptist Dallinger von Dalling, Detail aus «Der Hof des Reitstallgebäudes in Eisgrub», 1819 © LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

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2. E

Das bessere Benzin

E-Bikes erobern überall die Straßen. Nach Expertenschätzungen soll der weltweite Absatz von E-Bikes, der 2014 noch bei rund 31,7 Millionen lag, bis 2023 auf 40,3 Millionen Einheiten anschwellen. Navigant Research geht davon aus, dass allein in China rund 170 Millionen Menschen im Alltag ein E-Bike einsetzen. Einer der Gründe für den anhaltenden Trend sei in der zunehmenden Urbanisierung und den steigenden Transportkosten zu sehen – E-Bikes bieten da einen vergleichsweise günstigen Einstieg in die Elektromobilität. Doch damit das für die Masse keine Vision bleibt, braucht es leichte, leistungsstarke und günstige Batterien, für die wiederum der Rohstoff Lithium benötigt wird. Das ist auch Tesla Motors bestens bekannt. Der Elektromobilpionier will bis 2018 eine halbe Million Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb auf die Straße bringen. Zwei Jahre später sollen es bereits doppelt so viele sein. Um das zu erreichen, lässt die Firma aus Palo Alto, im US-Bundestaat Kalifornien gelegen, unter Leitung des japanischen Panasonic-Konzerns in der Wüste von Nevada gerade die größte Batteriefabrik der Welt errichten. Das Ziel: Durch Massenproduktion und technischen Fortschritt sollen die Kosten für Lithiumionenbatterien so stark sinken, dass Tesla sein Versprechen halten kann, den Mittelklassewagen Tesla 3 für günstige 30.000 Euro anbieten zu können.

Text//Oliver Ristau

Lithium ist wichtiger Rohstoff für eine Zukunft, in der Elektromobilität und grüner Strom dominieren. Auch Anleger können sich elektrisieren lassen.

Welche Sprünge bei der Effizienz dafür nötig sind, haben das Paul Scherrer Institut aus Villigen und die ETH Zürich vergangenen Sommer gezeigt. Ihnen ist es durch Materialverbesserungen gelungen, die Leistung bestehender Lithiumbatterien um 50 Prozent zu steigern. Mit der zu erwartenden Batterienachfrage brechen für das Alkalimetall Lithium, das leichteste aller festen Elemente, neue Zeiten an. „Um eine halbe Million Autos im Jahr zu produzieren, müssten wir die gesamte gegenwärtige Lithiumförderung absorbieren“, sagt Tesla-Chef Elon Musk. Und Tesla ist damit nicht allein. Auch General Motors mit seinem Chevy Bolt und Chinas Autobauer setzen auf die leistungsstarken Batterien. Hinzu kommt noch der Bedarf der Energieversorger, die die wachsenden Energiemengen von Windund Solarkraftwerken mit Großbatterien auf ­Lithiumbasis speichern wollen.

Revolution der Elektrofahrzeuge Somit dürfte sich der Bedarf vervielfachen. „Wir rechnen damit, dass die Nachfrage von Lithiumkarbonat von heute 200.000 Tonnen auf 500.000 Tonnen bis 2025 ansteigen wird“, sagt Analyst Dan Scott von der Schweizer Großbank Credit Suisse. Und Goldman-Sachs-Analyst Bob Koort prognostiziert: „Lithium wird das neue und bessere Benzin, das die Revolution der Elektrofahrzeuge erst möglich macht.“ Verfügbarkeit und technischer Fortschritt bei den Batterien werden den Anteil von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen an den Neuzulassungen weltweit von derzeit drei auf 20 Prozent bis 2025 wachsen lassen. Zwar ist Lithium nicht der einzige wichtige Batterierohstoff. Analyst SN Scott verweist auf Kobalt und Grafit, die für die Speicher ebenfalls gebraucht werden.

Doch bei Anlegern konzentriert sich der Hype auf Lithium. „Wir erhalten sehr viele Anfragen von Anlegern, wie man in Lithium investieren kann“, berichtet Norbert Rücker, Rohstoffanalyst von Julius Bär (JB). Direkt geht das allerdings nicht, weil der Rohstoff an keiner Börse gelistet ist. Möglichkeiten bieten aber Rohstoffproduzenten und Firmen entlang der Wertschöpfungskette. Wurde das weiße Alkalimetall noch vor wenigen Jahren


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_invest Technology

überwiegend als Nebenprodukt etwa beim Kaliumabbau für die Düngemittelindustrie gewonnen, stammt es mittlerweile aus Primärminen, also eigens zum Zwecke der Lithiumgewinnung angelegten Abbauprojekten. Die befinden sich an zwei Hotspots der Welt. Im westlich-zentralen Südamerika entlang der chilenischen Atacamawüste kommt das Element als Lithiumkarbonat in weit ausgedehnten Salzseen vor. In der zweiten Zentralregion Australien ist das Metall in Gestein gebunden. 2013 kam der Kontinent im Pazifik auf knapp 40 Prozent und die südamerikanischen Länder auf über 45 Prozent der weltweiten Förderung.

Vier große Produzenten Die Lithiumproduktion konzentriert sich im Wesentlichen auf vier Chemieunternehmen: Die chilenische Sociedad Química y Metalúrgica (SQM), Albemarle und FMC aus den USA sowie Orocobre aus Australien. Das Lithiumgeschäft macht zwar bei keinem mehr als 30 Prozent des Umsatzes aus. Dafür lief es in den letzten Monaten auf Hochtouren. So hat sich der Lithiumumsatz bei SQM im ersten Halbjahr 2016 fast verdoppelt – wegen „höherer Absätze und Verkaufspreise“, wie Vorstandschef Patricio de Solminihac erklärt. Zuletzt kostete Lithium etwa 7.200 Dollar die Tonne – zwölf Prozent mehr als im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2015. Allein im zweiten Quartal legten die Preise „angetrieben von der Batterienachfrage“ um 30 Prozent zu.

Reserven bald erschöpft? Zwar ist Lithium auf der Welt nicht knapp und die Unternehmen investieren viel Geld in die Förderung. Doch Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung aus Stuttgart halten es für möglich, dass die Nachfrage so hoch ausfällt, dass sich die Reserven – also die zu aktuellen Marktpreisen erschließbaren Vorräte in der Erde – bis Mitte des Jahrhunderts erschöpfen könnten. JB-Analyst Rücker ist da skeptisch: „Wir schätzen eher, dass der Lithiumpreis mittelfristig wieder nachgeben wird“, sagt er. Das würden die Produzenten verkraften können. Die Margen waren zuletzt so hoch, dass sie auch mit geringeren Verkaufspreisen gut leben dürften. Ähnliches gilt für die Batteriehersteller wie Panasonic und Samsung. Auch wenn sie die Investitionen in neue Werke erst einmal verdienen müssen und die Preise tendenziell sinken, zählen sie zu den Profiteuren des Lithiumbooms. Rücker sieht aber auch andere interessante Werte am Aktienmarkt. „Mit der Elektromobilität wird auch die Nachfrage nach IT-Systemen im Auto ansteigen“, erwartet er. So gesehen können auch spezialisierte Anbieter wie Infineon und die in Genf ansässige STM Microelectronics indirekt von steigender Lithiumnachfrage profitieren. Ein Risiko bleibt aber für alle: Das Scheitern der Pläne von Tesla und Co. Denn ohne die Nachfrage der Elektroautopioniere bräuchte erst einmal keiner so viel Lithium oder Batterien – auch nicht die E-Bikes.

Das Alkalimetall Lithium ist zentraler Rohstoff für die Produktion von ­­Hochleis­­tungsbatterien.

Tesla will bis 2018 eine halbe Million Fahrzeuge mit reinem ElektroAntrieb auf die Stassen bringen.


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Technology invest_

Foto//FaroNK/Photocase.de

FIRMEN IM FOKUS Swatch Group – Superbatterie

Albemarle – Pionier Nachdem das US-Unternehmen mit der Akquisition von Rockwood im letzten Jahr das bis in die 1950er-Jahre zurückreichende Lithiumgeschäft der früheren deutschen Metallgesellschaft erworben hat, zählt Albemarle zu den größten Playern im Markt. Die Firma aus Baton Rouge, die sonst auch Chemikalien für die Öl- und Gasindustrie anbietet, bereitet unweit des Standorts, an dem Tesla seine Batteriefabrik aus dem Boden stampft, die Erschließung eines umfangreichen Lithiumvorkommens vor. Die räumliche Nähe zur größten Speicherproduktionsstätte der Welt könnte das Lithiumgeschäft bei Albemarle in neue Dimensionen befördern. Die Aktie ist bereits gut gelaufen; bei Rückschlägen könnte sie wieder interessant werden, zumal sie Anlegern eine Dividendenrendite von rund 1,5 Prozent verspricht.

Durch Massenproduktion und technischen Fortschritt sollen die Kosten für Lithium­batterien stark sinken.

Panasonic – Tesla-Produzent Kein zweiter Batteriehersteller setzt stärker auf Elektromobilität und Lithiumspeicher als der japanische Elektronikspezialist Panasonic. Das Unternehmen ist inzwischen mit rund 3,8 Milliarden Dollar am Aufbau von Teslas Batteriefabrik beteiligt. Das sind hohe Investments, mit denen sich Panasonic aber einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen kann. Denn die Firma strebt Kostensenkungen an, die nach eigener Auskunft bisher in der Batteriefertigung wegen mangelnder Größe nicht möglich gewesen seien. Nach verlustreichen Jahren schreibt der Elektronikpionier seit 2014 wieder schwarze Zahlen und rechnet im laufenden Geschäftsjahr mit erneut steigendem Gewinn. Die Gesellschaft profitiert dabei auch von anderen elektronischen Zulieferdienstleistungen für Automobile.

FMC – Viele Standbeine Während die anderen Geschäftssparten stagnierten, konnte der Chemiekonzern aus Philadelphia im Segment Lithium eine Verdreifachung des Gewinns melden. Im Gesamtjahr soll sich dieser im Vergleich zu 2015 auf bis zu 60 Millionen Euro versechsfachen. Daneben ist die eigenkapitalstarke Firma im Geschäft mit Lebensmittelzusätzen und in der Agrochemie vertreten, die auch das Gros der Umsätze einspielen. Anleger können damit bei FMC neben der Elektromobilität auf den Wachstumssektor Nahrungsmittelproduktion setzen. Der weckt zugleich Übernahmefantasien bei der Aktie, die im laufenden Jahr schon 30 Prozent zulegen konnte. _______________

© Handelszeitung Schweiz

Die Firma aus Yverdon-les-Bains schreibt zwar immer noch rote Zahlen, doch mit der Umstrukturierung zu einem Anbieter für moderne Energiespeicherlösungen könnte Leclanché den richtigen Weg gefunden haben. Denn nicht nur Lithiumbatterien für die Elektromobilität werden zunehmend gefragt, auch Systeme, um regenerative Energien speichern zu können, stehen speziell in den USA und in Europa vor steigendem Bedarf. Der dank einigen Kapitalspritzen finanziell wieder solidere Speicherspezialist entwickelt solche Batterielösungen auf Basis von Lithium und spürt bereits das anziehende Geschäft, wie die Zahlen zum ersten Halbjahr 2016 zeigen. Anleger müssen Geduld mitbringen, denn operativ verspricht Leclanché-CEO Anil S­r ivastava die Rückkehr in die schwarzen Zahlen erst für 2018.

Foto//lkpro/Photocase.de

Leclanche – Turnaround

Der Schweizer Uhren- und Batteriespezialist will mit seiner Hitechforschungstochter Belenos nichts Geringeres, als eine neuartige Lithiumbatterie zu entwickeln, die noch leichter und leistungsstärker sein soll als die Konkurrenzprodukte von Tesla und Panasonic. Swatch-Chef Nick Hayek will die Massenproduktion Mitte 2017 und damit früher als die Wettbewerber aufnehmen. Swatch könnte sich so als weltweit erster großer Batterieanbieter für Elektromobilität etablieren. Mit der Kombination aus edlen Uhren und Clean Tech ist Swatch am Kapitalmarkt etwas Besonderes. Dem Konzern, der zuletzt unter dem rückläufigen Uhrengeschäft gelitten hat, könnte das aussichtsreiche Segment mittelfristig ebenso guttun wie den Aktien, die Anlegern in jüngster Zeit nur wenig Freude bereitet haben.

auch general Motors und Chinas Autobauer setzen auf die neuen Hochleistungsbatterien.


Dein tag, unser Beitrag. Heute ein Kรถnig.


3. S

Heiliger Baum

Sandelholz – damit verbindet mancher eher Räucherstäbchen als Rendite. Dabei ist Indisches Sandelholz ein kostbarer und auf verschiedenen Absatzmärkten global stark nachgefragter Rohstoff. Nicht nur das Tropenholz: „Neben den traditionellen Verwendungen im asiatischen Raum nutzen in der westlichen Welt die Kosmetikindustrie und jüngst die Pharmabranche das wertvolle Sandelholzöl für ihre Produkte“, sagt Peter Jäderberg. Der Gründer der Hamburger Unternehmensgruppe Jäderberg & Cie. war selbst anfangs skeptisch, als er sich Ende 2009 erstmals mit diesem Asset beschäftigte, denn „es passte in keins der typischen Investmentraster“. Doch bald erkannte er das erhebliche Potenzial und die Vorteile, von denen er einige mit den Stichworten umreißt: „Nachwachsender Rohstoff, dazu Monopolstellung im Markt. Langfristiger Nachfrageüberhang und Wettbewerbsvorsprung. Diversifizierte, wachsende Absatzmärkte und rezessionsresistent. Unternehmerische Renditen bei stark kontrollierten Naturrisiken. Und last, but not least: ein exklusiver Zugang und ein Investment jenseits der Kapital- und Währungsmärkte.“

Plantage im tropischen Norden Australiens mit über 4,5 Millionen Sandelholzbäumen.

Text//Claudia Lindenberg

Forstplantagen bieten interessante Chancen. Besonders wertvoll ist indisches Sandelholz.

Seit 2010 ist Jäderberg & Cie. auf Indisches Sandelholz fokussiert und bietet das Investment in regulierten Produkten sowie als individuelle Lösung für größere Vermögen an.

Weltweit knappes Angebot Der immense Nachfrageüberhang von indischem Sandelholz ist über Jahrhunderte durch Raubbau der natürlichen Bestände in Südostasien entstanden. Dort ist der „heilige Baum“ der Hindu und Buddhisten vom Aussterben bedroht. Im tropischen Norden Australiens konnte man jedoch nach 15 Jahren staatlicher Forschung den anspruchsvollen Baum kultivieren. Jäderberg: „Indisches Sandelholz ist ein sogenannter Hemi-Parasit, der diverse Wirtspflanzen benötigt, um gut zu wachsen. Daher wird ein Mischwald als perfekte Umgebung angelegt.“ Das dafür gegründete australische Unternehmen Tropical Forestry Services (TFS) hat 1999 die erste kommerzielle Plantage gepflanzt. Inzwischen sind die ersten Ernten eingefahren, da TFS die Wachstumsphase von ursprünglich 25 bis 50 Jahren auf 14 bis 16 Jahre verkürzen konnte. Derzeit bewirtschaftet das börsennotierte Unternehmen rund 4,5 Millionen Bäume auf einer Fläche von rund 105 Quadratkilometern. Jährlich kommen rund 1.500 Hektar hinzu, was einer Fläche von rund 2.000 Fußballfeldern entspricht.


Fotos//Frances Andrijich

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Das Öl aus Indischem Sandelholz ist ein global stark nachgefragter Rohstoff. Links: Jungpflanze. Unten: Saatgut und Keimlinge.

Pharmaceuticals hat bereits dermatologische Produkte in der klinischen Prüfung. Das erste wurde 2015 in USA zugelassen und an einen Weltmarktführer lizenziert, ein auf Anhieb sehr erfolgreiches Aknepräparat (Benzac). „Zur Verfestigung der Monopolstellung hat TFS letzten Sommer Santalis Pharmaceuticals übernommen. Zudem stellt TFS als einziger Anbieter das Öl in pharmazeutischer Qualität her, wie es die US-Gesundheitsbehörde FDA fordert“, sagt Jäderberg.

Das pharmazeutische Öl erzielt heute um die 5.000 Dollar je Kilo – eine Verdopplung seit 2010. Jäderberg: „Die Marktreife der erforschten Medikamente wird noch vor der Ernte unserer Plantagen zu weiteren Preissprüngen führen, was wir in unseren Investmentkalkulationen aber nicht berücksichtigt haben. Zusätzlich beruhigt, dass weder die religiös motivierte oder die Verwendung in der Pharmaindustrie besonders konjunkturanfällig sind. Nachfrageeinbrüche dürften daher eher unwahrscheinlich sein.“ ____

© Das Investment

Nachhaltiger Mehrwert Und die wirtschaftliche Bedeutung wächst stetig: Knapp die Hälfte aller Parfüme seit 1750 enthalten dieses Sandelholzöl – darunter auch der Klassiker Chanel No. 5. „Eine besondere Absatzsdynamik erwarten wir von der Pharmaindustrie, denn auch die Schulmedizin nutzt mittlerweile die heilenden Eigenschaften des Öls, die seit Jahrtausenden in der ayurvedischen und traditionellen chinesischen Medizin bekannt sind“, so Jäderberg. Das US-Forschungsunternehmen Santalis


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INTERVIEW „Investment mit Impact” „Jäderberg & Cie.“-Gründer Peter Jäderberg über die Chancen von Sandelholz-Investments mit den aktuellen Beteiligungs­ möglichkeiten JC Sandalwood 5 und JC Eagle Park 4.

Wie sind Sie auf das Asset Indisches Sandelholz gekommen? Wir haben 2009 auf einem Investorenkongress TFS, den australischen Weltmarktführer für Sandelholz, kennengelernt. Anfang 2010 haben wir uns in Australien angesehen, was dort seit 1999 geschaffen wurde. Die Professionalität von TFS und der Impact des Investments haben uns überzeugt. Seit 2010 sind wir ausschließlich auf dieses Investment fokussiert. Gibt es weitere Investoren? Ja, einige professionelle Institutionen gehören dazu. Unsere ­Plantagennachbarn sind die Harvard-Stiftung, der wohl größte Forstinvestor der Welt, sowie der Staatsfonds von Abu Dhabi und die Church of England. Ein Drittel der Plantagen hält TFS selbst. Nur dieser kleine Kreis von Investoren hat den Zugang zu diesem einzigartigen Asset. Wir waren der erste internationale Investor, der mit TFS zusammengearbeitet hat: Das hat uns die exklusive Möglichkeit verschafft, hier mit dabei zu sein.

Für den Unternehmer Peter Jäderberg ist Sandelholz ein einzigartiger, wertvoller Sachwert und kostbares Handelsgut.

Wie können Anleger bei Ihnen einsteigen? Wer als Stiftung oder als Privatanleger eine mit diesem einzigartigen Sachwert solide unterlegte jährliche Verzinsung sucht, kann ab 10.000 Euro in unser Beteiligungsangebot JC Indian Sandalwood 5 investieren. Wir prognostizieren hier ab dem ersten Jahr fünf Prozent Zinsen jährlich, ab dem sechsten Jahr auf sechs Prozent ansteigend. Hinzu kommt ein erfolgsabhängiger Bonus von bis zu 67 Prozent am Ende der Laufzeit, die flexibel zwei bis zwölf Jahre beträgt. Und wer unternehmerisch bei Ihrem JC Eagle Park 4 anlegen möchte? Der Spezial-AIF richtet sich an semiprofessionelle Anleger und sieht eine Mindestanlage von 200.000 Euro vor. Vom Grundsatz her geht es um die Ernteerlöse, die bis 2028 von der Plantage Eagle Park erwirtschaftet werden. Wir prognostizieren eine Gesamtausschüttung von 508 Prozent, damit eine jährliche Effektivverzinsung von 14,1 Prozent – nach Steuern. Hält die Preisdynamik beim Sandelholzöl an, umso mehr. Darüber hinaus gestalten wir individuelle Lösungen für größere Vermögen. __________

Zu Unseren Plantagennachbarn zählen die Harvard-Stiftung und die Church of England.


4. N

Mehrwert mit Moral

Nachhaltigkeit ist in der Investmentwelt längst nicht mehr nur ein Trend, sondern hat sich fest etabliert. Wie stark der Wunsch mittlerweile verankert ist, bei der eigenen Vermögensanlage ökologische, ethische und soziale Aspekte berücksichtigt zu wissen, zeigt ein Blick auf die Zahlen des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG). Demnach hat sich das Volumen von Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigenden Investmentfonds in den vergangenen zehn Jahren mehr als verzehnfacht. Beispielsweise setzt die Schweizer Bank ­J. Safra Sarasin bereits seit 25 Jahren nicht nur in der Vermögensverwaltung, sondern auch im Fondsmanagement auf das Verantwortungsbewusstsein und nachhaltige Wirtschaften von Unternehmen. Der JSS Sustainable Equity – Europe fügt sich konsequent in diese Logik ein. „Ein rigoros mithilfe unserer ‚Sarasin Sustainability Matrix‘ analysiertes und durch klare Ausschlusskriterien definiertes Anlageuniversum bildet die Ausgangslage, aus der wir die Portfoliokonstruktion vornehmen“, sagt Christian Mosel, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Bank J. Safra Sarasin. Sektoren wie Rüstung, Gentechnik in der Landwirtschaft oder Kernenergie kommen demnach überhaupt nicht infrage. Im Rahmen der Branchenanalyse stufen die Schweizer die verschiedenen Sektoren gemäß ihren ökologischen, sozialen und Corporate-Governance-Risiken ein. Dieser sogenannte Best-of-Classes-Ansatz, mit dem sich Risiken effizient vorfiltern lassen, wird um einen Best-in-Class-Ansatz ergänzt, bei dem

Text//Carsten Krüger

Die Themen Nachhaltigkeit und Wasser sollten im Portfolio nicht fehlen.

einzelne Aktiengesellschaften im Verhältnis zum Branchendurchschnitt analysiert werden. Da sich auch jedes nachhaltige Investment für den Anleger lohnen sollte, wird im nächsten Schritt über eine nachhaltige Finanzanalyse mithilfe von Kennzahlen wie dem RoIC (Return on Invested Capital) der nachhaltig faire Wert einer Aktie ermittelt. „Aktien, bei denen diese Kennzahl oberhalb des aktuellen Marktwerts liegen, bieten die Möglichkeit, ein nachhaltiges Alpha zu erzeugen, und kommen deshalb als Zielinvestments für unsere Portfolios infrage“, sagt Mosel. „Durch die kombinierte Analyse erhalten wir ein umwelt- und sozialverträgliches Aktienportfolio, das gleichzeitig attraktive ­Renditechancen wahrnimmt.“ Als Ergebnis dieses Ansatzes finden sich aktuell Titel wie Nestlé, Roche, Siemens und Henkel in den Top Five des europäischen JSS-Aktienportfolios.

Sensible Ressource Wasser Während der JSS Sustainable Equity – Europe in die jeweiligen europäischen Branchenführer investiert, die das Konzept der nachhaltigen Entwicklung als strategische Chance nutzen, setzt der JSS Sustainable Equity – Water gezielt auf Unternehmen, die sich zukunftsgerichtet und innovativ mit der Ressource Wasser auseinandersetzen und dabei ökologische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen.

Bei den Investments wird die gesamte Wertschöpfungskette des Wassermarktes abgedeckt.


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_invest Sustainability

Beim Thema Wasser ist Nachhaltigkeit längst ein „Muss“, denn die weltweite Verknappung dieser wertvollen Ressource ist mittlerweile dramatisch. Gerade Wasser ist von zentraler Bedeutung für Gesundheit, Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung. Der Markt, der sich im Zuge eines nachhaltigen Umgangs mit Wasser ergibt, ist riesig, und dementsprechend auch die Chancen, darin zu investieren. Mosel: „Wir rechnen mit einem überdurchschnittlichen und lang anhaltenden Wachstum der ­Wasserindustrie im Vergleich zu anderen Branchen, und das besonders in den Schwellenländern.“ Bei der Auswahl der Einzeltitel achtet das Managementteam darauf, dass die gesamte Wertschöpfungskette des Wassermarkts abgedeckt wird – von der Aufbereitung über Infrastruktur und Versorgung bis hin zu effizienter Nutzung. Dazu zählen Technologien und Dienstleistungen, wie zum Beispiel Planung und Beratung, Anlagenbau, Pumpen, Rohre, Filter, Installationstechnik, wassersparende Geräte, Verbrauchsmessung, Chemikalien zur Wasseraufbereitung und Analytik.

Überregionaler Ansatz Durch Investitionen in verschiedene Technologien und Regionen kann zusätzlich ein optimaler Diversifikationseffekt im Fondsportfolio erzielt werden. „Wir fokussieren auf spezialisierte Unternehmen, deren durchschnittliches Wasser-Exposure gemessen an den Erträgen 56 Prozent beträgt. Doch wir investieren nicht in Unternehmen, welche nicht die allgemeinen Ausschlusskriterien der Nachhaltigkeitsanalyse erfüllen“, betont Mosel. Für das Thema Wasser bedeutet dies: keine Investition in K ­ onsumgüter (Flaschenwasser), Wasserkraftwerke und Rüstung. Größter Wert im Fonds ist derzeit Xylem. Das in den Bereichen ­Abwassertransport und Wasseraufbereitung tätige ­US-Unter­­nehmen hat auch sich selbst strenge ­Nachhaltigkeitsregeln auferlegt. Im Portfolio vertreten ist aber zum Beispiel auch California Water Services, ein Unternehmen, das sich im dürregeplagten ­US-Sonnenstaat um die effiziente Nutzung der immer knapper werdenden Wasser­ vorräte bemüht. _________________

Fotos//Marko Knopp

Gerade wasser als wertvolle Ressource ist von zentraler Bedeutung Für Gesundheit, Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung.


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Sustainability invest_

INTERVIEW „Wachsendes Interesse einer breiten Zielgruppe“

Sie bieten auch gemischte Fonds an, die Ihr Nachhaltigkeitsprinzip verfolgen.Wie sieht hier die Nachfrage aus? Auch bei unseren vermögensverwaltend gemanagten Strategien sehen

Christian Mosel von der Bank J. Safra Sarasin setzt konsequent auf Nachhaltigkeit.

Lassen sich Nachhaltigkeitskriterien also über alle Anlageklassen hinweg durchsetzen? Auf jeden Fall. In allen Assetklassen finden wir passende Investitionsmöglichkeiten.

Da wir weltweit investieren, nutzt unser Sustainable-Investment-Team eine Vielzahl von Anbietern und Quellen für Nachhaltigkeitsinformationen, die auch eine lokale Präsenz etwa in den USA, in Südamerika oder in Asien haben. Vor Kurzem hat Morningstar ein ­ achhaltigkeits-Rating eingeführt. Sehen Sie N darin Ihren Investmentansatz bestätigt? Ja, unsere Nachhaltigkeitsfonds schneiden hier sehr gut ab, und wir begrüßen die Einführung der Ratings von Morningstar ausdrücklich. Sie verbessern die Transparenz für Kunden. ____

© Das Investment

Die Bank J. Safra Sarasin setzt seit ihrer Gründung auf das Prinzip Nachhaltigkeit. Was ist der Hintergrund? Die Gründer haben sich stark für Naturschutz eingesetzt. In den 1980er-Jahren hat die Bank dann erkannt, dass Umwelt-, Sozial- und Governance-­ Aspekte nicht nur an Bedeutung für die Gesellschaft zunehmen, sondern auch für Investoren relevant sind.

wir ein deutlich wachsendes Interesse einer breiten Anlegerzielgruppe. Zu den beliebtesten Produkten gehört beispielsweise der Sarasin FairInvest Universal-Fonds I, der eine Aktienquote von rund 25 Prozent vorsieht. Der JSS Sustainable Portfolio – Balanced wiederum kann die Aktienquote deutlich höher ansetzen, was die Chance auf entsprechend höhere Erträge mit sich bringt.

Foto//trojana1712/Photocase.de

Christian Mosel, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender bei der Bank J. Safra Sarasin in Deutschland, über den Investitionsansatz seines Hauses.


Photography by Warren & Nick

PERRIER-JOUËT, THE ALLURING CHAMPAGNE Since its foundation in 1811, the champagne house Perrier-Jouët has crafted elegant, f loral wines of rare finesse with a Chardonnay hallmark. The elegance of the cuvees echoes that of the Art Nouveau anemones adorning the Belle Epoque bottle and offers moments of pure delight and beauty. www.perrier-jouet.com

PLEASE DRINK RESPONSIBLY


Spanien ist nicht nur eines der beliebtesten Reiseziele deutscher Touristen. Auch Immobilieninvestoren haben das Land seit rund zwei Jahren wieder auf dem Radar. Denn seit Mitte 2014 zeigt die spanische Wirtschaft deutliche Zeichen einer Erholung. Die Arbeitslosenquote sinkt, die Exporte steigen, der Inlandskonsum ist stabil. Der internationale Währungsfonds rechnet 2016 mit einem Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent, 2017 mit 2,3 Prozent. Die Eurozone wächst im Schnitt nur mit jeweils 1,7 Prozent. Das größte Risiko ist die politische Unsicherheit. Nach zwei Wahlen und Monaten ergebnisloser Gespräche bekam Spanien erst Ende Oktober eine neue Regierung – mit dem Konservativen Rajoy an der Spitze. Möglich gemacht haben das ausgerechnet die Sozialisten – unter Protest aus den eigenen Reihen. Spaniens Notenbank hat jüngst Alarm geschlagen und davor gewarnt, dass sich die politische Unsicherheit negativ auf die Konjunktur auswirken könne, hieß es in ihrem Finanzstabilitätsbericht. Als weitere Wachstumsbremsen nannte sie die Abkühlung der Weltwirtschaft und Schwierigkeiten der heimischen Banken, die mit den niedrigen Zinsen und vielen faulen Krediten zu kämpfen haben. Außerdem hagelte es Kritik von der ­EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank. Die Neuverschuldung des Landes gehöre zu den höchsten in der Eurozone, hieß es in der gemeinsamen Stellungnahme.

Text//Astrid Lipsky

Spaniens Immobilienmarkt ist wieder ein beliebtes Reiseziel für Investoren. Wo man sich noch schnell eine Liege reservieren sollte. Foto//Touza_Arquitectos

5. S

Spanien? Olé!


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_INVEST REAL ESTATE

Der notwendige Fortschritt bei der Haushaltskonsolidierung stocke. Das Land habe den Rückwärtsgang eingelegt. Ministerpräsident Mariano Rajoy will 2016 statt der geplanten 2,8 Prozent eine öffentliche Verschuldung von 3,6 Prozent der Wirtschaftsleistung zulassen. 2017 soll das Minus in der Staatskasse mit 2,9 Prozent knapp unter der in den EU-Verträgen erlaubten Höchstgrenze von 3 Prozent liegen. Über den künftigen Kurs der Wirtschaftspolitik kann derzeit allerdings nur spekuliert werden. „Man tut Spanien aber unrecht,

wenn man das Land als extrem risikobehaftet bezeichnet. Spanien ist mit Abstand das stabilste Land im Mittelmeerraum“, sagt Thomas Beyerle, Geschäftsführer von Catella Property Valuation Beyerle. Die Wohnungsblase wird zumindest langsam abgebaut. Rund 700.000 Häuser und Wohnungen wurden vor der Krise Jahr für Jahr gebaut – so viele wie in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen. 2008 fand der Bauboom ein jähes Ende. Seitdem ist kaum noch Neues entstanden. Das macht sich nun bemerkbar. Ähnlich wie hierzulande in Berlin, Hamburg oder München ist es auch in Madrid und Barcelona nicht einfach, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Madrid ist mit 6,5 Millionen Einwohnern die drittgrößte Metropolregion Europas. Barcelona zählt mit 3,5 Millionen Menschen ebenfalls zu den Top Ten. Hier ist sogar noch weniger gebaut worden als in Madrid. Aber auch die Katalanen haben in den vergangenen Jahren Geld gespart und möchten gern eine Wohnung kaufen. Beyerle: „Wohnungen in Barcelona und Madrid im mittleren Preissegment sind in den kommenden zehn Jahren definitiv eine Gelddruckmaschine.“ 28 Mitarbeiter arbeiten für Catella in Madrid. Spanien hat dem Unternehmen im vergangenen Jahr – hinter den nordischen Ländern – die höchsten Umsatzzahlen geliefert. Eines der größten Wohnungsbauprojekte in Spaniens Hauptstadt Madrid setzt derzeit Aquila Capital um: das Villaverde. „1.200 Wohnungen im Stadtgebiet von Madrid. Das gibt es nicht noch mal“, sagt Rolf Zarnekow, Leiter des Immobilienbereichs von Aquila Capital.

Seit über zwei Jahren sind die Hamburger in Spanien investiert. In Madrid sitzen drei Leute, die sich vor Ort um die Projekte kümmern. Seinen Kollegen Sven Schoel kennt Zarnekow noch aus Zeiten bei Union Investment. „Er hat 14 Jahre in Spanien gelebt und währenddessen über 40 Projekte für US Venture Capital entwickelt.“ Erst vor eineinhalb Jahren hat Zarnekow ihn zurück nach Hamburg geholt. „Nun sitzt er mir im Büro gegenüber, wenn wir nicht gerade jede zweite Woche in Spanien sind.“ Das Wohnungsprojekt in Madrid zählt zum Portfolio des Aquila Real Estate Opportunities Spain. Der Spezial-AIF ist aktuell noch in der Platzierung. „Wer jetzt einsteigt, beteiligt sich noch zu Projektpreisen, die wir vor eineinhalb Jahren gezahlt haben. Das ist über entsprechende Optionen möglich“, erklärt Zarnekow. Ein durchaus attraktives Angebot, denn wer jetzt noch einsteigt, zählt nicht mehr zu den Frontrunnern. Spanische Family Offices haben sich schon drei, vier Jahre nach dem Kollaps 2008 wieder in den Immobilienmarkt gewagt. Es folgten opportunistische Investoren aus Europa und Übersee, darunter Castlelake, Lone Star, Soros oder auch Blackstone. Nun ist das Risiko so weit gesunken, dass sich auch defensive Investoren auf den Markt trauen. Darum schließt sich das Fenster für den günstigen Einkauf langsam. Zarnekow: „In den kommenden zwölf bis 18 Monaten sehen wir aber noch attraktive Opportunitäten am spanischen Markt.“ Im Umkehrschluss heiße das aber nicht, dass sich das Zeitfenster für Spanien dann komplett schließe, „aber insbesondere bei Wohnungsbauentwicklungen dürfte das Preisniveau dann deutlich höher sein als heute“. Investoren müssen für den Fonds mindestens fünf Millionen Euro auf den Tisch legen. Wem das zu viel ist, der kann über die an der Börse München notierte REO Spanien ­Projektentwicklungs-Anleihe (WKN: A13 SH2) einsteigen, die in dieselben Projekte investiert wie der Fonds. Kupon: 2,5 Prozent pro Jahr; Laufzeit: bis November 2019; Stückelung: 10.000 Euro.

Wohnungen in Madrid und Barcelona sind in den kommenden Zehn Jahren Eine Gelddruckmaschine.“ Thomas Beyerle


REAL ESTATE INVEST_

Vor allem im Bereich Wohnen und Einzelhandel sieht auch Wolfgang Speckhahn, Leiter des Bereichs Strategie und Geschäftsentwicklung von Patrizia Immobilien, Potenzial. Die Augsburger haben Anfang 2015 eine eigene Tochtergesellschaft in Madrid gegründet. Speckhahn: „Spanien ist ein sehr lokaler Markt. Um Zugang zu Investmentopportunitäten, insbesondere im Off-Market-Bereich zu erhalten, ist lokale Expertise unbedingt notwendig.“ Das Erste, was Patrizia Activos Immobiliarios España gekauft hat, sind die Einzelhandelsflächen des Wohn- und Geschäftshauses Plaza de Félix Sáenz in Málaga. Die 1.824 Quadratmeter im denkmalgeschützten Eckgebäude aus dem Jahr 1912 sind langfristig an H&M vermietet und landeten in einem von Patrizia aufgelegten Fonds für ein berufsständisches Versorgungswerk in Deutschland. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Für ein Value-addMandat ergatterte Patrizia Anfang dieses Jahres zudem ein Wohngebäude in Salamanca, einem der besten Wohnviertel Madrids, für knapp 22 Millionen Euro. Das neunstöckige Gebäude aus dem Jahr 1963 hat eine Nutzfläche von rund 5.000 Quadratmetern, 14 hochwertige Wohnungen und 25 Stellplätze. Das derzeit leer stehende Gebäude soll saniert und die einzelnen Wohnungen anschließend verkauft werden. Und Büroobjekte? Die hält Zarnekow beispielsweise nur „ganz selektiv für interessant“. Schon seit einigen Jahren gebe es keine Risiko-Rendite-Prämie mehr. „Da muss man sich fragen, warum man zu fünf Prozent in ein Büro in Madrid investieren soll und nicht lieber für 4,5 Prozent in Deutschland.“ In diesem Segment gebe es einfach zu viel Wettbewerb mit den großen institutionellen Investoren. Spannend findet er hingegen Hotels, vor allem in Madrid. „Der Markt wurde von der Wirtschaftskrise sehr stark getroffen, weil die spanische Hauptstadt, anders als das sehr touristische Barcelona, deutlich mehr von Geschäftsreisen lebt“, so Zarnekow. Das ändere sich derzeit aber gerade. „2015 hatte Madrid so viele Touristen wie noch nie.“ Vor zwei Jahren hat Aquila Capital das erste ­Hotel-Investment in Madrid umgesetzt. „Wir haben 2014 ein notleidendes Objekt am Nordbahnhof gekauft, einen neuen Betreiber installiert und alle 380 Zimmer komplett renoviert“, erzählt Zarnekow. In der Altstadt von Madrid hat Aquila Capital zudem ein leer stehendes Wohngebäude erworben und umgebaut. Zarnekow: „Im Oktober dieses Jahres eröffnet da ein Boutiquehotel mit 85 Zimmern und

tollem Gastronomiekonzept. Wir haben einen „98 Prozent der Käufer finanzieren langfristigen Mietvertrag mit Room Mate, nicht.“ Seiner Meinung nach heißt es Finger einem sehr exklusiven Betreiber für trendige weg, wenn man finanzieren muss. „Denn Boutiquehotels, den in Spanien jeder kennt.“ auch wenn man die Finca nicht nutzt, kostet Wer im Urlaub lieber im eigenen Bett statt sie Geld. Ein Hausmeister kostet jeden Moim Hotel schlafen will, kann sich auch eine nat um die 450 Euro. Das ist ein Kleinwagen Ferienimmobilie kaufen. Ibiza und Mallorca im Jahr.“ Wer 500.000 Euro übrig habe, solle sind dabei mit Abstand am beliebtesten. „Auf sich lieber eine Wohnung in einer deutdem Festland sind die Preise noch moderat. schen Großstadt kaufen. Beyerle: „Da ist Auf den Balearen sind sie schon fast wieder die Rendite definitiv auskömmlicher.“ Der auf dem Stand von vor der Finanzkrise“, sagt klassische Käufer auf den Balearen oder dem Philipp Niemann, verantwortlich für den Wirtspanischen Festland kauft Niemann zufolge, weil er die Immobilie für sich nutzen will. schaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika „Die Renditeerwartung steht weniger im (Emea) bei Engel & Völkers: „Die Preisrally Vordergrund.“ geht weiter, aber wer rein renditeorientiert investiert, muss schon sehr stark suchen. Und Mit welchen Renditen Investoren ansonsdas nicht mehr in der Toplage, sondern eher ten in Spanien rechnen können? „Im Bereich da, wo sich neue Hotspots entwickeln und die Büro liegen die Renditen derzeit bei vier bis Nachfrage anzieht.“ Den einen Hotspot gebe fünf Prozent, im Bereich Wohnen unterhalb es nicht. „Links und rechts der beliebten Lagen von vier Prozent. Im Segment Einzelhandel entwickelt sich derzeit aber gerade einiges.“ Auf gibt es im Nachbarschaftsbereich noch sechs Ibiza beispielsweise zähle der Norden dazu. bis sieben Prozent, in High-Street-Lagen Auf Mallorca gibt es Niemann zufolge zudagegen deutlich unter vier“, so Speckhahn von Patrizia Immobilien. Bei Projektentwickdem einen relativ neuen Trend: „Viele der Käufer verlegen ihren Erstwohnsitz auf die Insel, lungen mit anschließender Privatisierung vor allem viele Familien.“ Gute Infrastruktur, im Bereich Wohnen können aber auch noch Einkaufsmöglichkeiten, hohe QualitätsstanRenditen von sieben bis zehn Prozent realisiert werden. Wer ein noch höheres Risiko eingehe, dards, internationale Schulen und Ärzte mabekomme auch noch bis zu 15 Prozent. „Für chen die Insel attraktiv. „Außerdem geht fünf-, unser Wohnungsbauentwicklungsprogramm sechsmal am Tag ein Flieger aus den deutschen bekommen Investoren über die kommenden Großstädten“, so Niemann. Die Insel ist günstig und schnell zu erreichen. Auf Ibiza hingegen vier Jahre zwischen 13 und 17 Prozent pro Jahr nach lokalen Steuern und Kosten“, sagt gebe es diesen Trend nicht. „Das ist eher die Zarnekow. Für die Hotels, die Aquila Capital Lifestyleinsel. Da sind deutlich mehr Singles für deutsche Pensionskassen, Versorgungsunterwegs.“ Und der internationale Jetset: Alle dreißig Minuten landet ein Privatjet auf Ibiza. werke und Versicherungen projektiert hat, gab In der Hochsaison ist es manchmal so voll, dass es eine laufende Verzinsung, insgesamt rund die Flieger ihre Kunden nur absetzen und dann 20 Prozent. Damit kann man sich auch einen aufs Festland fliegen müssen, um zu parken. Platz an der Sonne finanzieren. ____________ Das teuerste Haus, das Engel & Völkers derzeit in Spanien im Angebot hat, steht allerdings nicht auf Ibiza, sondern liegt an der „Goldenen Meile“ Marbellas. Die Villa an der Costa del Sol hat 3.400 Quadratmeter Wohnfläche, zwölf Schlafzimmer, zehn Badezimmer, acht Garagen und zehn Stellplätze. Sie kostet 85 Millionen Euro. Lohnt sich eine Finca überhaupt als Kapitalanlage? „Nein, eine Ferienimmobilie ist ein Luxusgut. Da macht man in der Regel keine klassische Kalkulation. Die will man einfach haben“, „Spanien ist das stabilste Land im Mittelso Beyerle von Catella. meerraum“ – Thomas Beyerle, Geschäftsführer von Catella Property Valuation.


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„Wir haben sogar die Preise erhöht“ – Rolf Zarnekow, Leiter des Immobilien­bereichs von Aquila Capital.

INTERVIEW

© Die Immobilie

1.Welche Art von Wohnungen baut Aquila Capital in Madrid? Aufgrund der Bevölkerungsstruktur der Umgebung hatten wir die Standardwohnung mit drei Schlafzimmern geplant. Wir waren etwas überrascht, dass aber vor allem Wohnungen mit zwei Schlafzimmern gefragt sind. Wir haben schon eine Warteliste für Interessenten an ­Zwei-Schlafzimmer-Apartments für den nächsten Bauabschnitt. Da haben wir einen großen Vorteil: Wir können nicht nur entsprechend der Nachfrage die zeitliche Realisierung der Bauabschnitte, sondern auch die Aufteilung der Immobilien dem Bedarf anpassen.

2. Sie haben Ende 2015 mit der Vermarktung der Wohnungen begonnen. Ende Januar waren 50 Prozent verkauft.Wie ist der aktuelle Stand? Inzwischen sind im ersten Bauabschnitt fast 80 Prozent verkauft, vom zweiten Bauabschnitt knapp 25 Prozent. Wegen der hohen Nachfrage haben wir die Verkaufspreise sogar leicht erhöht, um acht Prozent. Wir setzen einen sehr hohen Qualitätsstandard um, liegen aber immer noch deutlich unterhalb des gesetzlich maximal zulässigen Höchstpreises für geförderten Wohnraum von 1.950 Euro pro Quadratmeter.

Foto//lkpro/Photocase.de

Aquila Capital setzt eines der größten Wohnungsbauprojekte Madrids um. Drei Fragen an Rolf Zarnekow, Leiter des Immobilienbereichs.

3.Wie schaffen Sie das? Wir haben das Grundstück günstig gekauft. Aber auch dank der Skaleneffekte können wir mit sehr ­moderaten Verkaufspreisen kalkulieren. Das ist der große Vorteil an der Projektgröße und unserem weit reichenden Netzwerk aus erfahrenen ­Projektpartnern. _____________________

Chancen in Madrid. Mutige Investoren haben sich bereits vor drei, vier Jahren wieder in die spanische Hauptstadt gewagt.

Inzwischen sind im ersten Bauabschnitt fast 80 Prozent verkauft. Rolf Zarnekow


6. D

Schöner Schwindel

Oben: Silke Markefka. Rechts: Ohne Titel (aus der Serie „von Vorhängen“), 2010, Pastell und Öl auf Leinwand, 200 mal 180 Zentimeter.

Silke Markefka versetzt Gegenstände auf der Leinwand in Bewegung. Ihre Gemälde wirken wie aus einer Traumwelt – die Malerin indes entschlossen und zielgerichtet.

Man merkt Markefka die Leidenschaft an, wenn sie über ihre Arbeit spricht. Die Lüstergemälde sind zu ihrem Markenzeichen geworden, seitdem sie 2008 ihr Diplom an der Münchner Akademie der Künste gemacht hat. Bereits während ihres Studiums erhielt sie erste Auszeichnungen, darunter den renommierten Villa Romana-Preis. 2014 folgte der nächste wichtige Karriereschritt: Die Münchner Galeristin Karin Wimmer nahm sie in ihr Programm auf. In der Eröffnungsausstellung „First“ zeigte Markefka Werke aus ihrer Lüsterserie. Aber auch andere Motive finden den Weg auf ihre Leinwand – meist die, die ihr besonders prägnant vor Augen treten. Im Garten der Villa Romana in Florenz waren das die Zypressen, vor den Uffizien die Touristenströme. Trotzdem sind ihre Gemälde keine präzisen Abbilder, sondern reflektieren subjektive Wahrnehmung. In ihren Werken erscheinen die Dinge überlagert von Erinnerungen, Stimmungen, Sehnsüchten.

Das verleiht ihnen etwas Melancholisches, eine Atmosphäre wie aus einer Schnitzler-Novelle. Markefka selbst ist jedoch keine Träumerin. Sie weiß, was sie will, ist zielstrebig ihren Weg gegangen. Früh nahm sie sich vor, sich an den Werken der Größten der Kunstgeschichte zu messen, an Diego Velasquez oder Andrea Del Sarto. Fasziniert habe sie vor allem, wie diese Meister es schafften, Stoffe zu malen. Ärmel, Faltenwürfe, Halskrausen. Markefka eiferte ihnen nach. „Zuerst gab es auf meinen Gemälden noch Körper“, erzählt die Künstlerin. Dann nur noch Stoffe. So hat sich ihre Serie „Von Vorhängen“ entwickelt, ein weiterer wichtiger Werkteil. Gaze erscheint auf diesen Gemälden transparent wie ein Hauch, Samt träge, schwer und dunkel. Markefka arbeitet meist mit Acryl. Um die Beschaffenheit der Stoffe, die Lichtreflexe der Lüster auf Leinwand zu bringen, entwickelt sie die Gemälde Schicht für Schicht – mit mehr oder weniger verdünntem Farbauftrag. Manche dieser Schichten löst sie mit dem Pinsel wieder an, bevor sie ganz durchtrocknen. So wirkt es, als würde der Gegenstand aus dem Bildhintergrund aufscheinen. Und alles in Bewegung versetzen: das Licht, den Raum, die Konturen. _________________

Fotos//Silke Markefka / VG Bild-Kunst

Das Gefühl, das sich einstellt, wenn man sich schnell und immer schneller um die eigene Achse dreht. Dieser Schwindel, dieser Taumel, in dem sich die Konturen der Dinge in Farbflächen auflösen. Zustände wie diese spiegeln sich in Silke Markefkas Gemälden wider. Die 42-jährige Malerin aus München bannt ein ungewöhnliches Motiv in zahlreichen Variationen auf ihre Leinwand: ­Lüster. Hell leuchten sie aus zumeist dunklem Hintergrund. Aber die Glaskristalle haben sich ineinander verschoben. So, als hätten sie sich einem vorübergehenden Beobachter in einem flüchtigen Augenblick auf die Netzhaut gebrannt. „In Lüstern fallen Licht und Raum für mich zusammen“, erklärt Markefka ihre Faszination für das Motiv. Von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet steht die zierliche Künstlerin in ihrem Atelier im Münchner Stadtteil Obersendling. An der Wand hinter ihr hängt eines ihrer großformatigen Acrylgemälde aus der Serie „Lüster“. Zarte weiße Konturen holen die Umrisse des ornamentalen Leuchters aus einer Dunkelheit, die in tiefem Schwarz versinkt. Markefkas grüne Augen leuchten, während sie ausladende Bewegungen in Richtung des Gemäldes macht.

Text//EVA MACKENSEN


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die Gemälde entstehen Schicht für Schicht – mit mehr oder weniger verdünntem Farbauftrag.


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art invest_

Die Werke im Uhrzeigersinn: Ohne Titel (aus der Serie „Lüster“), 2013, Acryl auf Leinwand, 180 mal 150 Zentimeter; Ohne Titel (aus der Serie „Lüster“), 2011, Acryl auf Leinwand,190 mal 220 Zentimeter; Ohne Titel (aus der Serie „Archiv“), 2015, Öl auf Leinwand, 30 mal 40 Zentimeter; „Love“, 2016, Acryl auf Leinwand, 190 mal 220 Zentimeter.

zur

P

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r

s

o

n

1974 geboren in Mühldorf

2013 Villa Romana 1905 bis 2013,

am Inn, lebt in München.

Das Künstlerhaus in Florenz,

2002 bis 2008 Studium der Malerei an

Bundeskunsthalle Bonn.

der Akademie der Bildenden Künste

2012 Sir Pomp Deluxe presents,

München bei Prof. Günther Förg,

Schloss­ausstellung Dachauer Schloss, Dachau.

Diplom als Meisterschüler. 2007 Villa Romana-Preis.

Galerie

2010 Debutanten-Förderung BBK München.

Karin Wimmer, Amalienstraße 14, 80333

2013 Bayrischer Kunstförderpreis.

München +49 8950 006940 - Austellung goodbye/welcome/change Europe: Vom 8. Dezember 2016 bis 27. Januar 2017

2016 „Love“, Ausstellung in der Galerie

www.karinwimmer.com

Contemporary Art, Karin Wimmer. 2014 „First“, Ausstellung in der Galerie

Preise in Euro

Contemporary Art, Karin Wimmer.

Kleine Größe (30 x 40 cm): 1.600 – 2.200

2014 Bayerische Kunstförderpreise Bildende

Mittlere Größe (165 x 140 cm): 7.000 – 10.000

Kunst, Galerie der Künstler, München.

Großformate (190 x 220 cm): 10.000 – 14.000

Silke Markefka weiß, was sie will: die 42-jährige Malerin in ihrem Atelier in München. © Artcollector

Ausstellungen



7. W

Klassiker mit Potenzial

Was Sache ist, wusste Søren Kierkegaard schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts: „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird rasch Witwer.“ Armbanduhren waren damals noch kein Thema. Dennoch trifft die Erkenntnis des dänischen Philosophen auch auf die ans Handgelenk geschnallten Begleiterinnen zu. Solche für ein langes gemeinsames Leben müssen natürlich richtig ticken. Analog zu Immobilien, bei denen die Lage und nochmals die Lage zählt, spielt beim zukunftsorientierten Uhrenkauf die Marke eine entscheidende Rolle. Und dazu das Modell. Hier besitzen echte Klassiker, welche sich Zeitgeistströmungen beharrlich widersetzen, das Zeug für eine anhaltende, von tiefer Freundschaft geprägte Ehe. Naturgemäß bleibt bei Uhren jene Zeit nie stehen, deren Merkmal unter anderem Wandel heißt. Aber, und das zeigt sich bei Betrachten dieser Zeitmesser, 20 Jahre oder mehr hinterlassen im Gegensatz zum menschlichen Antlitz nicht zwangsläufig tief greifende Spuren alterungsbedingter Veränderung. Hingegen sind die Preise in den vergangenen Jahren merklich geklettert. Wer beispielsweise 1996 die richtige Uhrentscheidung getroffen hat, kann sich freuen. Zwei Jahrzehnte Spaß und Stolz beim Blick aufs Handgelenk sowie ganz nebenbei auch einen ansehnlichen Wertzuwachs. Überdies dürfte die Freude auch in den nächsten Jahren anhalten, denn Armbanduhren wie diese werden aller Voraussicht nach nicht wirklich alt.

Text//Gisbert L. BrunneR

Das Angebot reizvoller Uhren ist schier unübersehbar. Doch welches Modell lohnt das Sammeln? Zwölf Zeitmesser und deren Wertentwicklung von 1996 bis heute.


125

_INVEST Watches

1. Die Royal Oak von Audemars Piguet (*1972) 1972 war das Feixen der Mitbewerber weder zu überhören noch zu übersehen. Während der Basler Uhrenmesse wartete Audemars Piguet mit einer sportlich-eleganten Stahlarmbanduhr im Bullaugendesign auf, die mehr kostete als massivgoldene Lederbandmodelle dieser Marke. Für das Design debütierte der begnadete Produktgestalter Gérald Genta. Das hämische Lachen verging den Konkurrenten bald. Die Royal Oak, ausgestattet mit dem Automatikkaliber 2121, entwickelte sich nicht nur zum Trendsetter für Luxussportuhren, sondern auch zum weltbekannten Leader der Familienmanufaktur aus dem Vallée de Joux. Daran hat sich bis in die Gegenwart nichts geändert. Das Synonym für Audemars Piguet heißt schlicht und einfach Royal Oak. Als Dauerbrenner kann auch das ultraflache, nur 3,05 Millimeter hoch bauende Automatikwerk gelten. 1996 schlug das 36-Millimeter-Modell mit rund 7.400 Euro zu Buche. Das ­Investment für die inzwischen auf 39 Millimeter Durchmesser gewachsene Ikone: 22.000 Euro. Fazit: Unsterblicher Leader der Audemars-­ Piguet-Kollektion und dazu unaufdringlicher Luxus in Edelstahl.

2. Der Armbandchronograph Type XX von Breguet (*1954) Man schrieb das Jahr 1954, als Breguet unter der Ägide des damaligen Eigentümers Georges Brown die ersten Fliegerchronographen Type XX lieferte. Empfänger war unter anderen das in Frankreich für die Prüfung und Zulassung aller neuen Flugzeuge zuständige Centre d‘Essai en Vol (CEV), Bretigny. Besondere Kennzeichen: griffige Drehlünette, Retour en vol, besser bekannt als Flyback-Mechanismus zum unmittelbaren Neustart des Chronographen ohne vorherige Nullstellung und großer, gut ablesbarer 15-Minuten-Zähler. 1995 präsentierte das heutige Mitglied der Swatch Group eine zeitgemäße Version mit Automatikwerk. In Edelstahl mit Stahlband kostete der 39 Millimeter große Stopper umgerechnet rund 4.600 Euro. Das damals verbaute Kaliber Lémania 1377 heißt heute Breguet 582, entstammt jetzt eigener, im abgeschiedenen Vallée de Joux angesiedelter Manufaktur und beseelt auch die aktuelle Breguet Type XX Aéronavale für 10.500 Euro.

Fazit: Großer, traditionsreicher Name, markante Optik, exklusives Innenleben und Zukunftspotenzial.

Wer 1996 die richtige Entscheidung Traf, kann sich heute über einen schönen Zuwachs freuen.


4. Der Regulateur von Chronoswiss (*1988)

3. Der Navitimer von Breitling (*1952) Kaum ein Uhrenname wird so oft falsch ausgesprochen wie „Navitimer“. 1955 rechtlich geschützt, leitet er sich ab von Navigation und hat mit Navy nicht das Geringste zu tun. Die Produktion des innovativen Fliegerchronographen mit Handaufzugswerk und multifunktionaler Rechenscheibe hatte der einschlägig erfahrene Spezialist Breitling indes schon 1952 aufgenommen. Im ­Vor-Computer-Zeitalter half er Piloten unter anderem bei der Ermittlung von Reichweiten unter Berücksichtigung des verfügbaren Kraftstoffs sowie der Wetterbedingungen oder bei der Umrechnung von Meilen in Kilometer und umgekehrt. Im Laufe der Jahrzehnte erlebte dieser Klassiker zahlreiche technische Metamorphosen. Die Optik und Funktionalität blieben. Vor 20 Jahren gab es den stählernen, 38 Millimeter großen Navitimer ’92 mit Eta 2824-Automatik und Chronographenmodul von Kelek für rund 2.430 Euro. Der sehr ähnliche Navitimer 01 unserer Tage ist auf 43 Millimeter gewachsen, besitzt das Automatikkaliber B01 aus eigener Manufaktur und kostet 7.150 Euro. Fazit: Der zeitschreibende Klassiker von ­ reitling schlechthin. Hoher Wiedererkennungswert. B Wird vermutlich nie unmodern.

Die Idee zu dieser Chronoswiss-signierten Armbanduhr basierte auf den präzisen Regulatoren, welche in Observatorien und Uhrenfabriken für die Bewahrung der genauen Zeit sorgten. Weil es hier primär auf die Sekunde ankam, verfügten sie über ein sogenanntes Dreikreis-Zifferblatt. Der exzentrisch positionierte Stundenzeiger konnte das ebenfalls außermittig angeordnete Pendant für die Sekunden nicht überdecken. Die limitierte und deshalb von Sammlern gesuchte Erstedition von 1988 ist mit einem nicht mehr produzierten Handaufzugswerk versehen. Im 1990 lancierten Regulateur Automatique mit 38-Millimeter-Stahlgehäuse tickte das exklusive, auf einem alten Enicar-Kaliber basierende C.122. Dafür wurden vor 20 Jahren umgerechnet 1.700 Euro fällig. Seit 2016 heißt dieser Edelstahlzeitmesser mit nunmehr 40 Millimetern Durchmesser Regulator Classic. Beim verwendeten Automatikkaliber C.291 handelt es sich um ein modifiziertes Eta 2892A2. Zu haben für 3.860 Euro. Fazit: Die Chronoswiss-Ikone lebt in alter Frische weiter. Ein Muss für Liebhaber des Regulator-Looks.

5. Die Fliegeruhr von IWC (*1948) Ab 1948 erhob sich die Fliegerarmbanduhr schlechthin in die Lüfte. Der legendären Mark 11 von IWC vertrauten nicht nur Militärpiloten ihre kostbare Zeit an, sondern auch Kapitäne ziviler Airlines. In die Konstruktion von Werk und Gehäuse hatte die Schaffhauser Manufaktur IWC ihre einschlägigen Erfahrungen einfließen lassen. Dazu gehörte auch ein Magnetfeldschutz für das Kaliber 89. Zudem musste jedes Exemplar vor der Lieferung ein 44-tägiges Testprogramm für Navigator Wrist Watches durchlaufen. Kein Wunder, dass die 1984 eingestellte Mark 11 zur teuer bezahlten Kultuhr avancierte. 1996 debütierte ihre Nachfolgerin mit dem Automatikkaliber 889 der Schwester Jaeger-LeCoultre. In Stahl wurden dafür rund 2.000 Euro fällig. Weil 36 Millimeter nicht jedermanns Sache sind, wuchs die legendäre Fliegeruhr im Laufe der Jahre. Anfang 2016 ging die auf 40 Millimeter gewachsene Mark XVIII mit Edelstahlschale, amagnetischem Weicheisen-Innengehäuse und zuverlässigem Automatikkaliber Eta 2892-A2 an den Start. 4.490 Euro. Fazit: Traditionsreiche Kultuhr. Besonders begehrt: die 2016er-Edition „Le Petit Prince“ mit blauem Zifferblatt.


127

_INVEST Watches

6. Die Reverso von Jaeger-LeCoultre (*1931) Polospielende Kolonialisten waren es, die sich in Indien bei César der Trey darüber beklagten, dass die Kristallgläser ihrer Armbanduhren allzu leicht zerbrachen. Der Schweizer Uhrenhändler packte das Problem zusammen mit Jacques-David LeCoultre, Edmond Jaeger und dem französischen Ingenieur René Alfred Chauvet an. Letzterer kreierte ein Wendegehäuse, das 1931 seinen Einstand gab. Wenn es hart hergeht, wandert die widerstandsfähige Metallseite durch simplen Dreh nach oben. Seit der Wiedergeburt im Jahr 1983 hat J­ aeger-LeCoultre die Reverso in nahezu unzähligen Varianten produziert. Der ­Klassiker besitzt weiterhin eine geschlossene und eine verglaste Seite, lediglich Zeitzeiger und ein mechanisches Innenleben. Vor 20 Jahren schätzten Männer die stählerne Reverso Grand Taille mit Formhandaufzugswerk für circa 3.200 Euro. Wer es nicht zu groß mag, schnallt sich heute die Reverso Classic Medium aus dem gleichen Gehäusematerial ans Handgelenk, ausgestattet mit einer Manufaktur­ automatik. Das Investment: 7.950 Euro. Fazit: Der Leitspruch „Wenn du Zeit hast für jemanden, schau nicht auf die Uhr!“ lässt sich mit der Reverso sehr leicht beherzigen.

7. Die Max Bill von Junghans (*1962) Die Philosophie des Architekten, Bildhauers und Produktgestalters Max Bill, „das Nützliche, das auf schöne Art Bescheidene“ zu schaffen, äußerte sich zu Beginn der 1960er-Jahre in einer Serie von vier Armbanduhr-Zifferblättern. Der Auftrag stammte von Junghans in Schramberg. Auf die Gestaltung des Gehäuses nahm der Publizist und Hochschullehrer ebenfalls Einfluss. Diese klar und sachlich gestalteten Zeitmesser demonstrierten das, was Max Bill als „Produktform“ bezeichnete. 1962 gelangten sie für ungefähr 75 Mark in den Fachhandel. Das Comeback dieser Designikonen vor knapp 20 Jahren erwies sich als echter Glückgriff. Das stählerne Handaufzugsmodell mit 34 Millimetern Durchmesser und dem Eta-Kaliber 2801-2 war damals für rund 250 Euro zu haben. Seitdem ist Max Bill by Junghans aus der Kollektion nicht mehr wegzudenken. Derzeit kostet die unveränderte Version mit Eta-Handaufzugswerk und bombiertem Plexiglas 625 Euro. Neben dem hellen Zifferblatt sind auch Versionen in Grau oder Blau erhältlich.

Fazit: Puristisches Design und robuste Mechanik für bemerkenswert kleines Geld.

Bei zukunftsorientierten Uhren spielt die richtige Marke eine entscheidende Rolle.


9. Die Tangente von Nomos (1992*)

8. Die Lange 1 von A. Lange & Söhne (*1994) 1994 ging A. Lange & Söhne nach rund 50-jähriger Zwangspause wieder an den Start. Eine Brücke zwischen Tradition und Innovation schlug dabei die vielfach ausgezeichnete Lange 1. Ersteres repräsentieren Dreiviertelplatine, handgravierter ­Unruhkloben sowie in Goldchatons gefasste Lagersteine. Für Innovation stehen Doppel­ federhaus, G ­ angreserveindikation und ­72-Stunden-Gangautonomie. Hinzu gesellt sich die patentierte Großdatumsanzeige, welche dem asymmetrisch gestalteten Zifferblatt besonderen Reiz verleiht. Wer sich gleich in den Anfangsjahren eine Lange 1 zulegte, kann sich freuen. Die mit dem Glashütter Handaufzugskaliber L901.0 ausgestattete Gelbgoldversion gab es 1996 für umgerechnet 13.800 Euro. Seit 2015 tickt in diesem deutschen Klassiker das neu entwickelte, nur beim Blick durch den Sichtboden erkennbare Handaufzugskaliber L121.1. Gleich geblieben sind hingegen die erfolgreiche Zifferblattarchitektur und 38,5 Millimeter Gehäusedurchmesser. Der Preis 2016: 31.700 Euro. Fazit: Sächsische Uhrmacherkunst für Menschen mit viel Zeitgefühl und Lust an ­handwerklicher Vollendung.

„Kunst und Technik, eine neue Einheit“, postulierte der Bauhaus-Gründer Walter ­Gropius im Jahr 1922. Nach der Wende erfasste dieses Ideal auch eine Armbanduhr. Die schlichte Tangente der kleinen Glashütter Piratenmarke Nomos geht auf einen Entwurf von Susanne Günther zurück, welche sich an einem Zeitmesser aus den 1930er-Jahren orientiert hatte. Zahlreiche Auszeichnungen und seit Anfang der 1990er-Jahre auch kontinuierlich wachsende Umsätze belegen, dass die Verantwortlichen mit der gestalterischen Rückbesinnung ins Schwarze getroffen haben. Von Manufakturarbeit und hoher Fertigungstiefe, wie Nomos sie heute pflegt, war vor 20 Jahren noch nicht die Rede. In der 36 Millimeter großen Edelstahl-Tangente für circa 500 Euro tickte das in Glashütte merklich aufgewertete Handaufzugskaliber Eta 7001. Seitdem erfolgte eine zielgerichtete Mutation zum selbst gefertigten „α“ (Alpha), dem ein 37,5 Millimeter großes Stahlgehäuse Schutz bietet. Manufakturarbeit hat ihren Preis. Daher werden für diese Tangente jetzt 1.540 Euro verlangt. Fazit: Preiswerte Manufakturmechanik aus Sachsen, die trotz oder gerade wegen ihres Retrolooks schwerlich unmodern wird.

10. Der Chronograph Speedmaster Professional von Omega (*1957) Es war ein ganz normaler ­„Speedmaster“-Chronograph von Omega, den die US-amerikanische ­Raumfahrtbehörde NASA nach extremen Tests zur offiziellen Armbanduhr für ihre Weltraummissionen erkor. Am 23. März 1965 absolvierte der Stopper an Bord der Kapsel Gemini 3 seinen ersten Flug ins ferne All. Er begleitete die ­Astronauten am 21. Juli 1969 bei ihren Schritten auf dem Mond und rettete im April 1970 der Apollo-13-Besatzung das Leben. Die Bewährung im Orbit führte zum Beinamen „Professional“. Erfolg und steigende Nachfrage zogen die Verwendung des in größeren Quantitäten herstellbaren Handaufzugskalibers Lémania 1873 mit kostengünstigerer Kulissenschaltung des Chronographen nach sich. So und nicht anders gibt es den Omega Speedmaster Professional bis in die Gegenwart. Gewachsen über die Jahrzehnte sind der Durchmesser des Stahlgehäuses und der Preis. Vor 20 Jahren war der 40 Millimeter große Chronograph für 1.400 Euro wohlfeil. Heute ist er es mit 42-Millimeter-Schale für 4.300 Euro. Fazit: Die legendäre Monduhr war, ist und bleibt eine chronographische Ikone.


129

_INVEST Watches

11. Die Nautilus von Patek Philippe (*1976) 1974 sprach Gérald Genta, dem Audemars Piguet das Design der unerwartet erfolgreichen Royal Oak verdankte, bei Patek Philippe vor. Skizziert hatte er eine Armbanduhr im Bullaugenlook, die sorgfältig geformten und verarbeiteten Stahl in den Rang edlen Goldes heben sollte. Die Idee gefiel. Durch gemeinsame Anstrengungen mündete sie in die 1976 vorgestellte Nautilus. Für 4.250 Mark, den damaligen Preis dieser Uhr, gab es schon einen Kleinwagen. Bis die Nautilus bei den eher konservativen Patek-Philippe-Kunden richtig punktete, zogen 20 Jahre durch die Lande. 1998 überstieg die Nachfrage bei der 37,5 Millimeter großen Referenz 3800/1A mit dem Automatikkaliber 330SC erstmals das Angebot. Ab 1996 lag ihr Publikumspreis bei rund 6.700 Euro. Das 30. Jubiläum im Jahr 2006 bescherte der Nautilus einen Sichtboden. Seit 2008 ringt die Referenz 5711/1A mit 40 Millimeter Gehäusedurchmesser und dem Automatikkaliber 324 SC derart erfolgreich um die Käufergunst, dass Ungeduldige im Parallelmarkt gern mehr zahlen als aktuellen Publikumspreis von 22.344 Euro. Fazit: Kein Senkrechtstarter, aber seit Jahren eine extrem erfolgreiche Luxus­ armbanduhr in Edelstahl.

12. Der Cosmograph Daytona von Rolex (*1964) Seinen Beinamen „Daytona“ erhielt der 1963 vorgestellte Rolex Cosmograph durch das Sponsoring eines Autorennens in Florida. Das Handaufzugswerk mit Stoppfunktion bezogen die Genfer, wie zahlreiche andere Topmarken auch, vom Spezialisten Valjoux. 1988 brach das Automatikzeitalter mit dem Kaliber 4030 an, einem modifizieren Zenith El Primero. Die damit ausgestattete Referenz 16520 mit 40 Millimeter großen Stahlgehäuse entwickelte sich auf Anhieb zum Verkaufsschlager. Auch 1996, als die Rolex-Techniker bereits am eigenen Automatikwerk arbeiteten, zahlten Daytona-Freaks am Graumarkt immer noch mehr als die offiziell verlangten 3.180 Euro. Mit dem 4130 schloss Rolex 2000 die letzte Lücke im breiten Kaliber-Portfolio. Umgerechnet 5.000 Euro kostete die stählerne Daytona-Referenz 116520 bei ihrem Debüt. Seit der Baselworld 2016 gibt es die 116500LN. Der Unterschied äußert sich im kratzfesten Cerachrom-Glasrand aus schwarzer Keramik. Für 11.300 Euro bietet Rolex zusätzlich auch noch fünf Jahre Garantie.

Fazit: Wer diese heiß begehrten Chronographen möchte, muss sich in die Wartschlange einreihen oder einfach mehr bezahlen.

Klassiker, die sich zeitgeistströmungen beharrlich wider­ setzen, sind eine sichere Wahl.


Foto//manu_hau/Photocase.de

Watches INVEST_

Marke

Modell

Geburtsjahr Modell 1996

Material

Durchmesser

Kaliber

Aufzug

Preis (DM)

Preis (€)

Modell 2016

Material

Durchmesser

Kaliber

Aufzug

Preis (€)

Zuwachs (%)

Audemars Piguet

Royal Oak

1972

ST 15002

Stahl

36 mm

2121

automatisch

14.500

7.414

ST 15202

Stahl

39 mm

2121

automatisch

22.000

296,75

Breguet

Type XX

1954

ST 3800, Launch 1995

Stahl

39 mm

Lémania 1377 automatisch

8.980

4.591

ST 3800

Stahl

39 mm

Breguet 582 automatisch

10.500

228,69

Breitling

Navitimer

1952

Navitimer '92 Ref. A30022

Stahl

38 mm

Breitling 30 Eta 2824 mit automatisch Kelek 14882

4.750

2.429

Navitimer 01

Stahl

43 mm

Breitling 01

automatisch

7.150

294,40

Chronoswiss Regulateur

1988

RegulateurAutomatique

Stahl

38 mm

C.122 exklusiv

automatisch

3.350

1.713

Regulator Classic

Stahl

40 mm

C.291 Basis automatisch Eta 2892-2

3.860

225,36

automatisch

3.950

2.020

Mark XVIII

Stahl/Leder

40 mm

IWC 30110 Eta 2892-2

automatisch

4.490

222,32

manuell

6.200

3.170

Classic Medium

Stahl

40,1 x 24,4 mm

JLC 965

automatisch

7.950

250,79

manuell

490

251

Junghans Max Bill Handaufzug

Stahl

34 mm

Eta 2801-2

manuell

625

249,47

manuell

27.000

13.805

Ref. 191.039

Gelbgold

38,5 mm

L121.1

manuell

31.700

229,63

manuell

980

501

Tangente 38

Stahl

37,5 mm

α Alpha Manufaktur

manuell

1.540

307,34

manuell

2.750

1.406

Speedmaster Stahl/Stahl Professional

42 mm

Omega 1861/ Lemania 1873

manuell

4.300

305,82

automatisch

13.100

6.698

Ref. 5711/1A

Stahl

40 mm

324 SC

automatisch

22.344

333,60

4030 automatisch Basis Zenith

6.225

3.183

Ref. 116500LN

Stahl/ Keramik

40 mm

4130 automatisch Manufaktur

11.300

355,03

IWC

Fliegeruhr

1948

Mark XII

Stahl/Leder

36 mm

IWC 884 = JLC 889

JaegerLeCoultre

Reverso

1931

Grand Taille

Stahl

36,6 x 26,1 mm

JLC 822

Junghans

Max Bill

1962

Max Bill Handaufzug (1997)

Stahl

34 mm

Eta 2801-2

A. Lange & Söhne

Lange 1

1994

Ref. 101.001

Gelbgold

38,5 mm

L901.0

Nomos

Tangente

1992

Tangente

Stahl

36 mm

Peseux 7001

Omega

Speedmaster Professional

1958

Speedmaster Stahl/Stahl Professional

40 mm

Omega 1861/ Lemania 1873

Patek Philippe

Nautilus

1976

Ref. 3800/1A

Stahl

37,5 mm

330 SC

Rolex

Daytona

1960

Ref. 16520, Launch 1988

Stahl

40 mm

Die Klassiker in der Übersicht: Die Tabelle zeigt die Modelle von 1996 und 2016 und die jeweilige Preisentwicklung auf zehn Jahre.

Es Zählen Tradition, hoher Wiedererkennungs­wert und die handwerkliche Vollendung.


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ROSA//ROSENQUARZE

Die zarte rosarote Farbe steht für Umbrüche und den Neubeginn.

Collier: Roségold, Topase, Amesthyste, Rosenquarze, Prasiolithe (6.680 Euro).

Meer und Edelsteine in ihrer gemeinsamen Urgewalt – eine schöne Symbolik für den Schmuck von Brahmfeld & Gutruf.


Möwen kreisen in der Luft, die See zeigt weiße Flecken auf Blau, während die von den Felsen zurückgeworfene Gischt goldene Tropfen vor die Sonne schleudert und direkt vor unseren Füßen eine grüngefranste Anemone ruht: Der Schönheit des Meeres und seiner Tiere kann sich niemand entziehen – stattdessen macht sie uns weich vor Sehnsucht nach den großen Momenten im Leben. In der feinen Ausgestaltung seiner Fotos hat Michael Wissing eben diese Assoziationen eingefangen, um der Schmuckkollektion von Brahmfeld & Gutruf den passenden symbolischen Rahmen zu geben. Den Schmuck seines Auftraggebers, der sich auf kostbare Edelsteine spezialisiert hat, könnte man kurz und knapp mit den Attributen klar, farbenprächtig und elegant belegen. Natürlich sind es keine Allerweltsstücke, die hier inszeniert wurden, sondern besondere Kreationen, welche durch die Qualität und Seltenheit der verarbeiteten Steine gleichermaßen überzeugen wie durch die detailverliebte Wendigkeit, mit der die Materialien von den Schmuckhandwerkern kunstvoll vermählt worden sind. Die Tansanite, Rubine oder Smaragde dürfen gern in voller Farbe stehen mit Leuchtkraft und Frische, nur eines ist nicht erlaubt: das Gebot von Noblesse zu verletzen.

Caroline und Benjamin Freisfeld.

GRÜN//KOLUMBIEN-SMARAGD

Grün sorgt für Heiterkeit und Harmonie, symbolisiert die schier endlos wirkende Üppigkeit und Vielfalt der Natur. Ring: Weißgold, kolumbianischer Smaragd, Baguette-­ Diamanten (23.640 Euro). Ohrhänger: Weißgold, ­Baguette-Diamanten (5.280 Euro). Abnehmbarer Einhänger: Weißgold, Smaragd (7.960 Euro). Ring: Weißgold, Smaragd, Ceylon-Saphir, Brillanten (39.660 Euro). Ring: Weiß- und Gelbgold, Smaragd, Trapez-Diamanten (18.780 Euro). Ring: Weiß- und Gelbgold, Smaragd, Brillanten (18.880 Euro).

1743 im kreativen Zeitalter der Frühaufklärung von Hinrich Brahmfeld gegründet, gehören die Rechte an der ältesten deutschen Schmuckmarke seit 2010 der westfälischen ­Juwelierfamilie Freisfeld. Ihre Mission: ­Hinrich Brahmfelds Prinzip „überraschend ­hanseatisch“ ins 21. Jahrhundert zu überführen. „Der Gründer war kein Hofjuwelier“, erklärt Benjamin Freisfeld im Gespräch, ­„sondern ein Gold- und Silberschmied des freien hanseatischen Großbürgertums. Das macht einen ziemlich großen Unterschied.“ Der Gründer habe sich frei von höfischer ­Ästhetik etwas Neuem zugewandt, nämlich dem Stil der Bürger einer stolzen Kaufmannsstadt. Nicht pompös, nicht protzig, aber dennoch in jedem Detail einzigartig und als generationenüberdauernder Wert erkennbar. Bis heute spiegelt sich das wider in jenem Angebot an erlesenen Kreationen, die man im Laden auf dem noblen Neuen Wall in Hamburg zeigt. „Hoflieferanten waren vielfach auch Ordensmacher und in ihrer Gestaltung abhängig von den Vorlieben bei Hofe“, erklärt Freisfeld: „Für Kronjuwelen gelten andere Regeln als für die bürgerlichen Kunden.“ Man sehe dies als historische Verpflichtung und arbeite daran,

in vornehmer Zurückhaltung an diese große hanseatische Tradition anzuknüpfen. Unter anderem geschieht dies durch den immer wiederkehrenden Bezug der Kollektionen zur Natur. Während sich im Katalog für die Edition 33 die kostenbaren ­Edelsteingeschmeide zuletzt ein Stelldichein gaben mit feurigen Chilis und grünen Bohnen, zeigen sich die Schmuckstücke der Edition 34 im besten Einvernehmen mit Muschelschalen, Treibholz und Krebsen. Thematisch der mystischen Kraft des Meeres verschrieben, steht die Bandbreite kostbarer Edelsteine unverrückbar im Zentrum, wiederum spielerisch interpretiert, aber selbstverständlich ohne übertriebene Symbolkraft und modische Attitüde. Die Kontinuität dieser Strategie ist überzeugend. Durch das jeweilige Motto und die inhaltliche Klammer sorgt das Unternehmen für klare Bezugssysteme, schafft einen eindeutigen Zusammenhalt der Schmuckstücke innerhalb einer Kollektion, in dem jeweils aktuelle Materialtrends wie derzeit Roségold oder faszinierende Spezialitäten wie etwa Paraiba-Turmaline ihre Verführungskraft entfalten dürfen. Hat man den Schmuck in den Händen, teilt sich die haptische Weichheit des Materials ebenso bruchlos mit wie der unvergleichliche Tragekomfort – Stern­ schnuppen am Firmament der Schmuckgestaltung. Das Vermögen, gestalterisch nicht auf der Stelle stehen zu bleiben, verknüpft sich mit dem Streben nach Zeitlosigkeit und damit einer spürbaren Beständigkeit des Entwurfs, der in jeder Facette schlüssig und selbstverständlich scheint – vom Schliff der Steine bis hin zur perfekten Fassung und Positionierung.


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_special Jewellery

ROT//BURMA-RUBINE

Das Rot steht für Liebe und Leidenschaft, bringt Leuchtkraft und Feuer. Ohrschmuck: Weißgold, Burma-Rubine und Diamanten (33.200 Euro).

BRAUN//TAHITI-PERLEN

Braun erdet uns, sorgt für Stabilität und Ausgleich. Kette: Tahiti-Perlen, chocolate, mit Mittelteil aus Roségold und Rauchquarz (13.860 Euro und 3.440 Euro). TÜRKIS//PARAIBA-TURMALINE

Türkis gilt als die Farbe des klaren schöpferischen Ausdrucks, der Gestaltungskraft und der Kommunikation. Es ist die als am kühlsten empfundenen Farbe, da sie in Meeres- und Gletschereis vorkommt. Kette: Tahiti-Perlen, multicolor, mit Mittelteil aus Weißgold und Paraiba-­Turmalin (25.800 Euro und 24.600 Euro).

GOLD//GOLD

Gold steht für Sonne, Wärme und Weisheit, vertritt den höchsten Punkt der spirituellen Entwicklung. Drei-Band-Ring: Roségold, Brillanten (ab 5.260 Euro). Drei-Band-Ring: Weissgold (ab 4.860 Euro). Collier: Roségold, ein Brillant (10.980 Euro).


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Jewellery special_

„ E s i s t d i e S e lt e n h e i t, d i e s c h ö n e E d e l s t e i n e s o b e g e h r e n s w e r t u n d a l s A n l a g e at t r a k t i v m a c h t. Ob R u b i n e a u s B u r m a , S a p h i r e a u s C e y l o n o d e r Sm a r a g d e a u s K o l u mb i e n . S c h ö n h e i t, d i e G e n e r at i o n e n ü b e r d a u e r t. “ Benjamin Freisfeld

Schmuck darf trotz seiner Schönheit und Pracht nie eines sein: kalt und dominant. Diese Regel hält man bei Brahmfeld & Gutruf meisterlich ein, obwohl dem Verspielten und der Emotionalität genügend Interpretationsspielräume zugestanden werden. Oft genügt allein das Rauschen der Brandung und das Glitzern der Sonne auf dem Wasser, damit dieses Gefühl ausgelöst wird – die Sehnsucht nach Unendlichkeit, dem Ursprünglichen, Unverfälschten. Im beständigen Mahlen der Wellen und der Weite des Horizontes liegt der Ursprung allen Seins. Die gestalterische Philosophie von Brahmfeld & Gutruf greift dies auf. Sie überträgt den Wunsch nach vollkommener Sinnlichkeit auf die Welt des Schmucks. Den Weg dorthin sieht Benjamin Freisfeld als Prozess. „Ähnlich wie Mode ist Schmuck ein sehr persönliche Angelegenheit“, sagt er. Nicht jeder wisse gleich, was er wolle, und manchmal würden Mensch und Schmuckstück nicht wirklich zusammenpassen.

Mit diplomatischem Feingefühl versuche man deshalb, im Gespräch die Wünsche der Kundin oder des Kunden zu ergründen, und könne dann auch die richtigen Stücke vorlegen. Dies sei ein spielerischer, vergnüglicher Vorgang, abhängig vom Temperament und auch vom Vorwissen des Käufers. Aber am Ende entscheide meist das Gefühl, nicht die Ratio. Der Kunde müsse sich eins fühlen mit dem neuen Schmuckstück, fühlen, dass er bei sich angekommen ist, hineingefunden habe in seine ganz persönliche Königsklasse. Schmuck habe immer ein Geheimnis, glaubt man deshalb aus gutem Grund bei Brahmfeld & Gutruf. „Es liegt verborgen in unseren Wurzeln. Wir vereinigen rheinisches und westfälisches Blut, unser Kopf denkt hanseatisch klar, unser Herz schlägt romantisch.“ Genau das sei es, was man den Mitarbeitern, Schmuckhandwerkern und nicht zuletzt den Kunden zeigen wolle: „Beides sein. Frech und vornehm. Nobel zurückhaltend und mutig expressiv.“ ________ www.brahmfeld-gutruf.com

Edelsteinkauf – die wichtigsten Regeln TRANSPARENT//BRILLANT

Reinheit, Klarheit, Magie und Offenheit markieren die Transparenz des Brillanten. Collier: Roségold, Brillanten (20.750 Euro).

• Qualität Nur seltene Steine von erstklassiger Güte haben gute Aussichten auf Wertsteigerungen. • Quelle Nur bei seriösen Händlern kaufen. Keine spontanen Käufe auf Urlaubsreisen im Erzeugerland. • Schönheit Vertrauen Sie Ihrem persönlichen Empfinden. Bei gleichen Qualitätsfaktoren wie Fundort und Originalität entscheidet immer die Schönheit über den Wert. • Preise Die Einstiegssumme für Anleger, die einen Edelstein als Langfristanlage wollen, liegt bei 25.000 Euro. • GröSSe Statt mehrere kleine Steine auszuwählen, sollte man lieber einen großen Stein erwerben.

BLAU//TANSANIT

Blau beruhigt, gleicht aus und sorgt für eine leichte Heiterkeit. Historisches Collier aus ­Weißgold mit feinen Saphiren und Diamanten. Dazu passende Ohrringe (Preis auf Anfrage).

• Zertifikate Keine Steine kaufen ohne Zertifikat von einem vertrauenswürdigen gemmologischen Labor, in dem die Identität, Echtheit und eventuell auch Herkunft eines Edelsteines angegeben sind (Liste über www.lmhc-gemology.org). • Geduld Der Zeithorizont von Edelsteinanlegern sollte in Jahrzehnten gerechnet werden, nicht in Jahren.


Premiumpartner

Materialist ist nicht nur in ausgewählten Pressefachgeschäften sowie Bahnhofs- und Flughafenbuchhandlungen erhältlich, sondern wird auch über exklusive Partner­schaften mit Unternehmen und Premium-Retailern vertrieben. Wollen Sie gern Teil dieses Netzwerkes werden und Ihren Kunden einen besonderen Lesestoff bieten? Je nach Art und Umfang der Zusammenarbeit bieten wir Ihnen hierfür viele attraktive Möglichkeiten. Dazu kann unter anderem auch eine werbliche Präsenz auf dieser Seite gehören. Interesse? Wir beraten Sie gern. Bitte schreiben Sie an Jan Meyer unter jm@ocean.global.

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MITALLEN WASSERN

Text//Milly Lacombe Fotos//Autumn Sonnichsen


_Experiences Sailing

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Ihr Job: einen Riesenkatamaran von Bordeaux nach Brasilien zu überführen. Als Profiskipperin springt Nadia Megonn immer dann ein, wenn es den Eignern an Zeit oder Können fehlt.


Sailing Experiences

40 Tage Frontalwind, brutale Nässe und Kälte, ohne je den Himmel zu sehen.

Als sie vor 32 Jahren São Paulo hinter sich ließ, wusste sie nicht, dass es für immer sein würde. Damals konnte sie nicht ahnen, dass sie später in der ganzen Welt von Hafen zu Hafen unterwegs sein würde. Heute ist sie eine der wenigen Kapitäninnen weltweit, die hochseetaugliche Segelboote segeln kann. Aber Nadia Megonn hat immer noch einen großen Traum.

Die Gewaltverbrecher kamen in ihr Elternhaus, als Nadia 18 Jahre alt war. Ihre Familie lebte zu dieser Zeit in São Paulo, in dem zu dieser Zeit noch dünn besiedelten Stadtteil Alto de Pinheiros. Es klingelte an der Tür. Die Putzfrau öffnete. Drei Unbekannte stürmten herein und wollten zur Hausherrin geführt werden. Geistesgegenwärtig führte die Putzfrau die Männer jedoch direkt zu den scharfen Haushunden, zwei Labradoren. Diese sprangen sofort einen der Männer an und zerfleischten ihn. Die beiden anderen ergriffen die Flucht. Nadia musste alles von ihrem Zimmer aus beobachten. Nach diesem Ereignis wollte sie nur

noch weg. Die Entscheidung, in das Strandhaus der Familie in Ilhabela an der Nordküste von São Paulo zu ziehen, fiel sehr schnell. Sie hatte gerade das Gymnasium beendet und wollte sich ohnehin eine Auszeit nehmen, um in Ruhe über einen passenden Studiengang nachzudenken. Nadia, behütetes Einzelkind eines Staatsanwaltes und einer Managerin, konnte ihre Eltern zunächst nur schwer überzeugen. Schließlich willigten sie ein. Die junge Frau versprach, bald wieder nach São Paulo zurückzukommen. Doch daraus wurde nie etwas. Nadia entdeckte ihre Liebe zum Meer und schlug einen völlig anderen Weg ein.

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Ein Absacker nach getaner Arbeit im Hafen.

Ich treffe Nadia am Anleger der Fähre. Dort will sie mich abholen mit ihrem blauen Suzuki. Sie hat lange Haare, ist braun gebrannt, trägt ein Poloshirt, eine weite Hose und Havaianas. Mit einem warmen Lächeln kommt sie auf mich zu. „Heute bin ich von Beruf Skipper“, sagt sie. Nach dem Überfall und ihrem Umzug nach Ilhabela hatte sie zur Ablenkung sehr schnell mit dem Segeln begonnen. Sie war täglich auf dem Wasser und nahm schon bald erfolgreich an Regatten teil. „Ich lernte jeden Trick und kannte das Revier nach kurzer Zeit wie meine Westentasche“, erzählt sie. „Aber der Druck meiner Eltern, möglichst bald nach São Paulo zurückzukehren und endlich ein Studium zu beginnen, wuchs von Tag zu Tag.“ Dann aber traf sie einen Segler, der eine Crew zusammenstellte, um gemeinsam die Küste hoch nach Salvador zu segeln. „Ich musste nicht lang überlegen“, sagt Nadia. „Ein Studium kann man immer beginnen, einen Törn nach Salvador antreten aber nur selten. Es war ein großes Abenteuer. In den frühen 80er-Jahren war das Segeln viel ursprünglicher als heute“, erklärt sie. „Es gab kein GPS. Wir mussten auf klassische Weise navigieren. Mit der modernen Elektronik ist es heute nicht sehr schwer, sich vom Wind irgendwo hinschieben zu lassen.“

Wie auch auf dem Meer folgte nach dem Sturm die Ruhe. „Ich fand recht schnell einen Job bei einer Segelschule und fing an, Urlauber auf Jollen zu unterrichten. Das machte mir großen Spaß. Während dieser Zeit haben sich meine Eltern um Ananda gekümmert. Mal in São Paulo, mal auf Ilhabella. Ohne meine Eltern hätte ich Ananda nicht großziehen können.“ 1996 kaufte Nadia gemeinsam mit dem Chef der Segelschule Als sie von dieser Reise nach Salvador in eine 28-Fuß-Yacht. Es war ein den Süden zurückkehrte, wusste sie, was ihr robustes hochseetaugliches Schiff, künftiges Lebensziel war: möglichst viel Zeit perfekt geeignet für Leute, die das auf dem Wasser zu verbringen. Aber zuerst Dickschiffsegeln lernen wollen. musste sie sich dem Druck ihrer Familie „Mit dem Wirtschaftsboom in beugen und studierte Sport an der UniversiBrasilien gab es immer mehr Leute, tät von Campinas. Gleich nach dem Examen die sich plötzlich eine Yacht leisten kehrte Nadia zurück zur Insel Ilhabela und konnten und lernen wollten, ein unterrichtete an einer öffentlichen Schule. Doch anstelle von Fußball oder Handball brach- solches Schiff selbst zu segeln“, sagt Nadia. Außerdem wurde sie immer te sie ihren Schülern Schwimmen und Klettern häufiger mit Überführungstörns bei. „Ich unterrichtete überwiegend Kinder aus beauftragt, hatte millionenschwere einfachen Familien“, erzählt sie. „Heute ist der Kunden, die während des Urlaubs eine Polizeichef und ein anderer Skipper.“ Auf in der Karibik segeln wollten und der Insel mit ihren 28.000 Ein­wohnern ­trifft sie jemanden brauchten, der das Schiff immer wieder ehemalige Schüler. vorher dort hinbringt und anschlieEines Tages lernte Nadia auf der Insel einen deutschen Schiffsingenieur kennen, ßend auch wieder in den Heimatder sechs Monate im Jahr auf See und sechs hafen zurücksegelt. „Ich hatte öfter Monate auf Ilhabela verbrachte. „Es war auch den Auftrag, ein neues Schiff der Vater meiner Tochter, der da vorbeilief“, aus der Werft in Europa über den sagt sie lachend. Die Beziehung entwickelte Atlantik nach Ilhabella zu bringen.“ sich schnell. „Wir trafen uns immer wieder Dieses Geschäft wurde für Nadia auf der Insel. Er war ein sehr freies Leben. nach und nach zur wichtigsten 1995 wurden wir ein festes Paar und ich Einnahmequelle. brachte Ananda auf die Welt.“ Die Geburt fand zu Hause statt, so wollte es Nadia. Dabei waren ihr Kinderarzt, ihre Eltern und ihr Partner. 
Die Nabelschnur durchschneiden durfte der Vater. „Für mich war es fast eine Prophezeiung“, erinnert sie sich. Kurz nach der Geburt und der durchschnittenen Nabelschnur war die Beziehung beendet und der ­Schiffsingenieur zog nach Ibiza. „Ich sah ihn nie wieder“, sagt sie.


„Um den Job auf einer groSSen Yacht bist du in direkter Konkurrenz mit den Männern.“Nadia Megonn

Begegnungen auf offener See: Delfine begleiten das Schiff.

ten kosten oft mehrere Millionen und müssen ihren künftigen Heimathafen unbeschädigt erreichen. Ich bin als Frau eher vorsichtig, habe nicht dieses Machoding in mir drin. Meine Törns bereite ich gründlich vor und ich weiß, dass die Grenze zwischen Mut und Tollkühnheit oft sehr schmal ist. Viele Skipper sind auf See ums Leben gekommen, weil sie unvorsichtig und überheblich agierten.“ Andere Frauen, die ebenfalls als Skipper tätig sind, kennt sie nur zwei. „Einer meiner Vorteile sind die vielen Jahre, die ich Regatten gesegelt bin “, sagt Nadia. „Wettkampfsegeln bedeutet, dass du das Boot bis an die physikalischen Grenzen ausreizt, wohl wissend, dass am Abend eine heiße Dusche und gutes Essen im örtlichen Yachtklub auf dich warten. Mitten auf dem Atlantik sollte man sich immer noch Reserven vorbehalten, nie am Limit segeln. Als Skipper auf einer der größten Segelyachten in Südamerika (110 Fuß) konnte sie viel Erfahrung mit Mechanik sammeln: „In der Mitte des Ozeans musst du alles selbst reparieren können.“ Aber sie überquert den Ozean nicht gern allein, gibt sie zu. „Ich weiß, dass ich es könnte, aber das ist nicht der Punkt. Mein Ding ist es mehr, die schönsten Küsten der Welt kennenzulernen in netter Begleitung. Ob es der Eigner ist, der Freund oder gute Freunde. Es macht viel Spaß, eine gute Mannschaft zusammenzustellen und mit ihr unterwegs zu sein“, sagt sie.

Die erste Atlantiküberquerung war die komplizierteste. 1999 sollte sie als Skipperin gemeinsam mit zwei weiteren Seglern einen 54-Fuß-Katamaran mit 207 Quadratmetern Segelfläche nach Portugal überführen. Da die Fertigstellung des neuen Schiffs zu lange dauerte, wurde der Katamaran erst im Dezember fertig – die schlimmste Zeit auf dem Atlantik. „Das waren 40 Tage Frontalwind, brutale Nässe und Kälte, ohne je den Himmel zu sehen“, erinnert sich Nadia. „Während dieses Törns habe ich endgültig gelernt, die Umwelt zu respektieren und geduldig zu warten, bis der Sturm vorbeizieht.“ Bald musste sie sich zwischen der Segelschule und den Überführungstörns entscheiden. Nadia entschied sich für die langen Törns, was aber negativen Einfluss auf ihr Liebesleben hatte. „Heute Salvador, morgen die Seychellen, die Karibik am Neujahrstag. Meine Beziehungen waren immer zu Ende bei der Rückkehr von einer langen Reise.“ Ich frage Nadia, ob es nicht eine Art von sexistisch geprägtem Konkurrenzkampf zwischen den Skippern gibt. Ihre Antwort ist ganz klar: Ja. „Um den Job auf einer großen Yacht bist du in direkter Konkurrenz mit den Männern“, sagt sie. „Es bedeutet eine ziemliche Verantwortung, ein solches Schiff von Europa nach Brasilien zu bringen. Ziel muss auch sein, das Material zu schonen. Diese Yach-

Auf langen Passagen wie über den Atlantik von Europa nach Brasilien sei man meist 40 Tage unterwegs und segele 24 Stunden täglich. Da sei es wichtig, jemanden zu haben, mit dem man die Wachen teilen kann. Einmal musste sie einen nagelneuen Katamaran von Bordeaux nach Ilhabella bringen. Mit an Bord auf dieser Reise war die Fotografin Autumn Sonnichsen, von der die Fotos zu dieser Story stammen. Außerdem dabei: Catherine Jenlis, eine Freundin von Nadia aus Frankreich, die die Rolle der Köchin übernahm, und ein junger Matrose. „Drei Frauen, ein Mann, das war eine ungewöhnliche Zusammenstellung“, lacht Nadia. „Wichtig ist, dass bei einer solchen Reise jeder Verantwortung übernimmt für die anderen und das Ganze.“ Man muss auf engstem Raum miteinander auskommen und leben können. Catherine sagt, dass Nadia eine der erfahrensten Kapitäninnen sei, mit der sie je gesegelt ist. „Wir sind eine Hochseeregatta und zwei Atlantiküberquerungen gemeinsam gefahren. Sie besitzt enorme navigatorische Fähigkeiten und weiß, wie man ein Team stärkt.“ Inzwischen gehört Nadia zu den bekanntesten Skippern in Brasilien. Sie betreut zwei Hochseeyachten, die ihren Heimathafen in Ilhabela haben, und bereitet für die Eigner die Törns vor. „Ich habe meinen Traumjob gefunden“, sagt sie. „Ich fühle mich frei und kann alles tun, was ich will.“ Was ihr fehlt? „Eigentlich nur noch eine große Liebe, die mit mir die ganze Welt bereisen will.“ ________________


_Experiences Sailing

Köstlichkeiten aus dem Meer, guter Wein, Landausflüge und eine Regendusche sorgen für Abwechslung während der langen Reise.

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Das Weingut Ses Talaioles in der mallorquinischen Sonne.

Für die groSSen Momente im Leben

text und FOTOS//Niels Lackner

Sebastian Keller gilt als einer der besten Winzer und Kellermeister Mallorcas - Ein Hausbesuch.

Rechts: Sebastian Kellers Weine sind für lange Reifezeit gemacht. Daher auch der zusätzliche Wachsschutz.


_BEST WINE Atlan & artisan

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Die Epistem-Serie bezieht ihren Namen von der philosophischen Erkenntnistheorie.

Um uns herum herrscht eine lebendige Stimmung, Autos hupen, Touristen knipsen Bilder und die Straßen füllen sich langsam. Die Siesta ist vorbei und Palmas Innenstadt macht sich bereit für den Abend. Wir sitzen auf der Terrasse eines Szenecafés und genießen die warme Nachmittagssonne zusammen mit einem Glas Champagner. Mir gegenüber hat es sich Sebastian Keller gemütlich gemacht. Seit 14 Jahren lebt er nun schon auf Mallorca. Mit blau kariertem Hemd, legeren Jeans und lässig zurückgestyltem Haar strahlt er eine innere Gelassenheit aus. Das kann er auch, denn trotz seines jungen Alters gilt Sebastian als einer der besten Winzer und Kellermeister, die die Baleareninsel zu bieten hat. Das von ihm betriebene Weingut Ses Talaioles in Manacor gilt als einer der absoluten Vorzeigebetriebe in Sachen qualitativ hochwertige Weine. Sebastians Philosophie, dass „beste Lagen, ideale geologische Gegebenheiten und passendes Mikroklima die wichtigsten Voraussetzungen sind“, scheint aufzugehen. Die Szene liebt ihn und seine Weine. Doch wie kommt es überhaupt dazu, dass ein gebürtiger Siegerländer als Winzer Erfolge auf Mallorca feiert?

Wir drehen die Uhr zurück. 1981 erblickt Sebastian in Siegen das Licht der Welt. Als Sohn zweier Weinhändler wird ihm die vinophile Welt sozusagen in den Schoß gelegt. Von klein auf ist er fasziniert davon, mit seinen Eltern befreundete Winzer und deren Weingüter zu besuchen. Er liebt die Atmosphäre in den Kellergewölben genauso wie die Natur im Weinberg. Schon im Alter von acht Jahren beschließt Sebastian, Winzer zu werden. Diesen Wunsch äußert er selbstbewusst auch gegenüber einem der ganz Großen der Branche, Bernd Philippi. Der Ausnahmewinzer scheint von dem entschlossenen Knirps sehr beeindruckt, soll später sogar sein Mentor werden. 1999 lässt Sebastian sich dann tatsächlich vom fränkischen Weinbetrieb Paul Fürst ausbilden. Die Prüfung besteht er mit Bravour und einer Karriere in der Weinwelt steht nichts mehr im Weg. An der Seite von Bernd Philippi lernt er das Handwerk noch einmal ganz anders kennen. Der damals schon als einer der besten Weinproduzenten Deutschlands gefeierte Pfälzer hat weltweit Beraterverträge und gehört zur ersten Garde der sogenannten Flying Winemakers.

Diese Zeit sollte Sebastian und seine Herangehensweise an die Weinproduktion noch einmal stark prägen. Immer wieder wird er mit neuen Bedingungen und Herausforderungen konfrontiert, lernt schnell, welche Parameter für einen herausragenden Wein wichtig sind. Immer wieder zieht es ihn auch nach Portugal, ein Land, in dem stark mit autochthonen und internationalen Rebsorten gearbeitet wird, teilweise unter sehr traditionellen Bedingungen. Hier entwickelt er seine Theorie dass „die Traube nur eine Plattform für den Boden und das Land darstellt“.


Atlan & artisan BEST

Eine Ideologie, welche ihn bis heute begleitet. 2002 bekommt das Mentor-Protegé-Duo einen Auftrag für die Baleareninsel Mallorca. Ein Hamburger Unternehmer hat dort ein Stück Land erworben, welches er für Weinbau nutzen möchte. Sebastian ist sofort begeistert von Lage und Boden, sieht das Potenzial. Ich hatte das Glück, das Weingut selbst besuchen zu dürfen. Eigentlich empfängt Ses Talaioles keine Besucher, aber wenn man als Gast empfangen wird, nimmt sich der Hausherr auch Zeit für einen Rundgang. Karg und steinig mit hohem Anteil von Kalk sind die Weinberge, zwischen den Rebzeilen sieht man blanken, weißen Stein als Bodenbelag. Wo ein Laie nur dürres, trockenes Land erblicken würde, sehen Topwinzer wie Sebastian Keller die Möglichkeit für hochmineralische Weine. Zusätzlich nimmt der Stein die Wärme der ersten Sonnenstrahlen am Morgen auf und gibt diese an die Rebstöcke ab. Das Weingut liegt im Osten der Insel, in den Ausläufern des Llevant-Gebirges. Nachmittags strömen frische Meereswinde die Hänge hinauf und kühlen die Trauben ab. Somit können auch feinste Aromen langsam reifen und sich entwickeln. Wie alle Projekte, welche Sebastian umsetzt, ist auch Ses Talaioles komplett ökologisch ausgerichtet. Nur Handarbeit und nachhaltig betriebener Weinbau kommen infrage. Die Rebzeilen werden eng bepflanzt, um eine Konkurrenz zwischen den Pflanzen zu fördern. Nur so werden sie dazu motiviert, ihre Wurzeln immer tiefer in den steinigen Boden zu treiben. Zusätzlich ergibt sich dadurch eine Regulierung des Ertrages auf nur wenige Trauben, welchen aber sämtliche Energie zuteil wird.

Die Weine bekommen eine ungewöhnliche Tiefe und Komplexität. Nach dem Modell der Weine des Bordeaux produziert auch Ses Talaioles einen Haupt- und einen Zweitwein. Genau wie im Bordeaux sind es Cuvées aus verschiedenen Trauben. Hier setzt das Weingut auf eine Mischung aus französischen und einheimischen Rebsorten. Sestal, der Hauptwein, gilt als einer der besten Rotweine der Balearen. Dunkelrot und mit starken Aromen von Schwarzkirsche und Brombeere ist er ein perfekter Begleiter auch für opulentere Speisen. Zwei Jahre im Barriquefass gönnt Sebastian Keller seinen Weinen, was ihnen die Zeit gibt, die präsente Gerbstoffstruktur einzubinden und mit den vanillig-rauchigen Noten des Holzes zu einer runden Komposition zu verschmelzen. Seit einiger Zeit setzt Ses Talaioles noch einen drauf. Na Pujola heißt die in minimalen Stückzahlen produzierte separate Abfüllung der besten drei Fässer. Wer eine Flasche möchte, sollte sich beeilen, denn die Nachfrage ist groß. Es ist ein Wein für die großen Momente im Leben. Einer, der zu Zigarre und Kamin genauso gut passt wie zur Abendstimmung auf einer der vielen Finca-Terrassen. Er braucht Zeit, will atmen und freut sich auch über das ein oder andere Extrajahr im Weinkeller. Ses Talaioles hat seinen Platz in der mallorquinischen Weinwelt gefunden und sich frech an die Spitze der Hierarchie gesetzt. Kritiker und Weintrinker gleichermaßen lieben die Weine und eigentlich könnte sich der junge Siegerländer jetzt ein entspanntes Leben auf seiner Wahlinsel gönnen.

Oben: Morgenstimmung in den Ausläufern des Llevant-Gebirges. Mitte: Monastrell-Reben von Atlan & Artisan kurz vor der Ernte. Unten: Erntezeit bei Ses Talaioles.

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Atlan & Artisan durchforsten Wie Trüffelschweine die Gegend auf der Suche nach den besten Reben, Böden und Winzern.

Doch das wäre nicht Sebastian Keller. Motiviert von einer inneren Unruhe absolvierte er erst seinen Weinbautechniker und sucht dann nach neuen Aufgaben. Er erinnert sich an seine Erntehelfer vom spanischen Festland, welche ihm mehrfach von tollen Weinbergen rund um Murcia erzählt haben. Kurzentschlossen besucht er die Gegend und findet tatsächlich Bedingungen vor, die ihn reizen. Wieder einmal schlägt sein Gespür für perfektes Terroir an. Hoch gelegene Felder mit kargem Boden und einer ständigen leichten Brise kommen seiner Stilistik sehr entgegen. Zusammen mit einem Partner, dem Schweizer Philippe Bramaz, startet er das Projekt Atlan & Artisan. Die Gegend rund um Murcia ist geprägt durch die Arbeit der großen Weingenossenschaften. Diese legen ihren Fokus und Herangehensweisen auf schnell und preiswert produzierte Weine für den breiten Massenmarkt. Die Weinbauer werden nach Menge bezahlt, was der Qualität der Trauben natürlich eher abträglich ist. Atlan & Artisan geht einen völlig anderen Weg. Wie Trüffelschweine durchforsten sie die Gegend auf der Suche nach den besten Reben, Böden und Winzern. Finden sie einen, bieten sie den Farmern einen Preis, der auch nach Ertragsminderung noch fair ist. Bedingung ist allerdings, die Parameter für Anbau und Ernte bestimmen zu dürfen.

Dadurch erhalten Philippe und Sebastian überdurchschnittlich gesundes Lesegut, aus dem in penibler Handarbeit kleinste Mengen edler Weine entstehen. Das Wissen vieler Weinbauern über ihren Boden und die darauf wachsenden Pflanzen sowie die Kombination aus traditionellen und modernen Weinbautechniken kommen zusammen, um diese Weine zu produzieren. Von diesem Zusammenspiel leitet sich auch der Name der Weine ab: Epistem, eine Referenz an die philosophische Erkenntnistheorie. Zum zweiten Mal in Folge ist Sebastian Keller damit ein großer Erfolg in der Weinwelt gelungen. Auch die Weine von Atlan & Artisan genießen hohes Ansehen und stoßen auf gute Resonanz. Für den jungen Winzer bedeutet das mehr Arbeit. Weltweit wird er als Berater gebucht, schläft selten mehr als zwei Nächte am selben Ort. Doch die Energie scheint ihm nicht auszugehen. Neben Ses Talaioles, Atlan & Artisan und seinen Consulting-Aufträgen findet er noch genug Zeit für neue Ideen. Kroatien hat es ihm momentan angetan. Da sei noch viel Potenzial für spannende Weine. Weshalb er immer öfter auch dort auf die geht Suche nach neuen Lagen und Weinbergen. Unsere Champagnerflasche ist leer, Palma hat sich mit Leben gefüllt und wir planen den weiteren Abend. Was macht man mit jemandem, der in der Weinwelt so viel erreicht hat? Welche Edelrestaurants und Szenebars stehen auf seiner Agenda? Wer Sebastian mal persönlich kennengelernt hat, weiß, dass ihm der Erfolg nicht zu Kopf gestiegen ist. „Der FC Köln spielt doch gleich. Lass doch einfach Spiel gucken und Kölsch trinken gehen“, lautet sein Vorschlag. Wer möchte dazu schon nein sagen? ________

Sebastian Keller mit dem neuen Jahrgang des Epistem No. 3.

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Ses Talaioles Sestalino (16,50 Euro), Sestal (26 Euro), Na Pujola (47 Euro) Atlan & Artisan Epistem No. 3 (18 Euro), Epistem No. 5 (110 Euro) Hierzulande gibt es die Weine von Sebastian Keller unter anderem im Shop seiner Eltern. www.wein-keller-freudenberg.de Sommelier Den freiberuflichen Sommelier Nils Lackner können Sie für Ihre eigene Weinprobe über nl@nilslackner.com buchen.


Wir gehen mit den Menschen auf Tuchfühlung

Interview//Silvia Domínguez López

Roberto Minotti über familiären Zusammenhalt, Mannschaftsleistung und den hohen emotionalen War das eine strategische Wert von Stil.

Zeige mir dein Sofa und ich sage dir, wer du bist: Kann man anhand der Modelle, die Sie in über 70 Länder verkaufen, eine Mentalität der Käufer ablesen? Unter den Ländern, in die wir unsere Möbel liefern, ist Deutschland der wichtigste Markt. Ein Markt, der wie kein anderer Qualität, Ästhetik, Präzision und Seriosität fordert. Diesen Test bestanden zu haben, war für uns ein wichtiger Schritt. Unsere deutschen Händler haben uns bescheinigt, wir seien beinahe „deutscher“ als die Deutschen. Dennoch gibt es in unseren Kollektionen keine Produkte, die in bestimmten Ländern besser ankommen. Wir hatten das Glück oder vielleicht war es mehr eine Intuition oder Fähigkeit, einen stilistischen Nerv und Geschmack zu treffen, der nicht geografisch definierbar ist, sondern global funktioniert. Wie in der Mode ... So ist es. Denken Sie beispielsweise an eine Kelly-Bag von Hermès. Sie gefällt den Chinesen genauso wie den Amerikanern oder Europäern, weil sie ein ikonografisches Objekt ist, das einen globalen, übertragbaren Lebensstil verkörpert. So ist es auch uns gelungen, Objekte zu gestalten, die einen gewissen Mood erzeugen, der international vollkommen übertragbar ist.

Entscheidung oder hat sich diese Ausrichtung im Laufe der Zeit ergeben? Es hat sich natürlich ergeben. Meinem Bruder Renato und mir war es immer wichtig, Dinge zu gestalten, die uns beiden gleichermaßen gefallen. Wir sind viel gereist und haben unseren persönlichen Geschmack entwickelt. Bis heute treffen wir gemeinsam alle Designentscheidungen. Als wir uns entschlossen, mit Rodolfo Dordoni zusammenzuarbeiten, wollten wir jemanden, der unser Verständnis teilt. Einen Designer, der nicht auf Teufel komm‘ raus nach der Innovation strebt, sondern jemanden mit einem klassischen Hintergrund, der diese Klassizität ins Moderne zu übertragen weiß. Genau das ist unser Prinzip.

Ist diese Treue ein charakteristisches Merkmal eines Familienunternehmens? Ganz klar ja. Wir gehen mit den Menschen auf Tuchfühlung. Wir suchen den persönlichen Austausch, wie wir es mit Dordoni praktizieren. Und wir denken nicht in isolierten Projekten. Was genau heißt das? Wenn wir eine Kollektion fertigstellen, dann ist das für uns wie der Cliffhanger in einer Fernsehserie, der die Spannung aufbaut, wie es weitergeht. Wir haben eine lange Geschichte zu erzählen. Welchen Aspekt haben wir bei dieser Kollektion noch nicht erzählt? Wie kann sich die Geschichte noch weiter entwickeln? Was ist noch ungesagt geblieben? In diesem sozusagen „unendlichen“ Prozess arbeiten wir eng mit Dordoni zusammen. Wir sind in einem ständigen Brainstorming, in dem wir uns über Ausstellungen, Messen, Kunst, Design, Zeitgeist austauschen, ein kontinuierlicher Gedankenstrom, der nicht abreißt und der sich gerade nicht auf die einzelne Kollektion beschränkt. Darüber hinaus unterhalten Sie ein internes Designstudio ... Es ist mehr als das. Das Minotti-Studio hat den Charakter eines Open Space für Kreativität. Wir haben darin die Grafikabteilung, die Produktentwicklung, den Bereich Innenarchitektur und Messestanddesign, Presse und Kommunikation zusammengefasst – insgesamt 20 Mitarbeiter – und so die gesamte Kreativität des Unternehmens gebündelt. Hier entwickeln wir natürlich auch selbst Produkt- und Designideen, die wir dann mit Dordoni diskutieren. Letztlich ist es immer eine Mannschaftsleistung, aber Dordoni ist unser Resonanzkörper. Mit ihm wählen wir aus, was realisiert wird.

Wie haben Sie Rodolfo Dordoni kennengelernt? 1997 beschlossen Renato und ich einen Designer oder Innenarchitekten ins Haus zu holen, mit dem wir fünf Jahre an der strategischen Weiterentwicklung der Produkte und Kollektionen arbeiten wollten. Wir wollten die Firma breiter aufstellen, neue Märkte erschließen und unsere Designsprache erweitern. Wir schauten uns vier bis fünf Designer an, die zu diesem Zeitpunkt schon Erfolge vorzuweisen hatten, aber noch keine Superstars waren, und die unsere Idee eines modernen, zeitlosen Klassizismus umsetzen konnten. Unsere Wahl fiel auf Rodolfo Dordoni, und aus fünf wurden 20 Jahre, weil wir glücklicherweise den richtigen Menschen getroffen haben.


_Interview Roberto Minotti

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Ist es überhaupt noch möglich, zwischen ­ ordoni und Minotti zu unterscheiden? Heute D kann man das nicht mehr trennen. Unsere Verbindung ist von gegenseitigem Vertrauen getragen, von Einvernehmen und persönlicher Wertschätzung. Wenn wir eine Designfrage diskutieren, kommen wir sehr schnell zu einem Ergebnis. Andere Hersteller gehen einen anderen Weg und arbeitenv mit vielen verschiedenen Designern zusammen. Es gibt im Grunde zwei Ausrichtungen. Einige Firmen entwickeln ihre Produkte, indem sie sich auf die Suche nach neuen Ideen begeben, die von einander völlig losgelöst sein können. Sie machen Trendscouting, präsentieren ihre Produkte wie in einer Kunstgalerie, in der jedes Stück einzigartig und von unterschiedlichen Designern entworfen ist. Das ist eine mögliche Strategie. Andere Unternehmen, so auch wir, verfolgen eine einheitliche Linie, den Gedanken, dass alle Produkte zueinander in Beziehung stehen und eine erkennbare Einheit bilden sollen. Unsere Strategie ist daher die Kompatibilität. Wie würden Sie den USP von Minotti beschreiben? Was uns sicher einzigartig macht, ist, dass wir keine einzelnen Möbelstücke herstellen. Wir entwerfen Kollektionen. Und diese Kollektionen stellen wir in einen architektonischen Kontext. Wir schaffen Raumerlebnisse mit einer spezifischen Anmutung. Unsere Kollektionen werden immer in einem Ambiente präsentiert, in dem Farben, Materialien, Oberflächen und Einrichtungsdetails aufeinander abgestimmt sind. Wir schaffen das Bild eines Interieurs, das eine bestimmte Stimmung, einen Mood, ausstrahlt. Dieser Mood stärkt das Produkt und färbt auf ihn ab. Auf diese Weise ist es uns gelungen, ein starkes Image aufzubauen. Wir sind in dieser Hinsicht sehr penibel gewesen und haben dieses Markenbild in jedem neuen Markt, den wir angesteuert haben, implementiert.

Wer sind Ihre Kunden? Wie viele Unternehmen der italienischen High-End-­ Unser Kunde gehört zur Möbelindustrie sind Sie ein Familienbetrieb. Hat das Vorgehobenen bis hohen Einkomteile gegenüber managementgeführten Unternehmen? Nun, mensklasse. Es sind Menschen, inzwischen arbeitet auch die dritte Generation im Betrieb mit – die beiden Söhne meines Bruders, Alessio und die reisen, die sich in interAlessandro, sowie meine Tochter Susanna. Auch hier zeigt nationalen Kontexten bewesich eine große Kontinuität und Stabilität. Durch die frühe gen, Kunst und Architektur Einbindung der jüngeren Generation gibt es keinen Bruch, lieben, Designerrestaurants sondern wir arbeiten der Zukunft direkt in die Hand. Ich und Boutiquehotels besuchen, will nicht pathetisch werden, aber unsere Familie ist sehr Menschen also, die sich für einig und emotional verbunden. Ästhetik begeistern und ihr in ihrem Leben eine wichtige Rolle zuschreiben. Wenn Sie sich vorstellen, dass ein Amerikaner ein Minotti-Sofa wählt, dafür eine hohe Summe zahlt und bereit ist, zwei Monate auf das Möbel zu warten, dann tut er das nicht, weil es ein schönes Sofa ist, sondern weil er eine Wahl getroffen hat für Roberto und Renato Minotti ein Möbel und einen Stil, der einen hohen (von links) führen Minotti seit den 90er-Jahren. emotionalen Wert hat.


Roberto Minotti

Die Entwicklung von neuen Stoffen in besonders weichen, aber stra­pa­zier­ fähigen Qualitäten ist ein wichtiger Aspekt des Designkonzepts.

Woher kommt das? Unsere Eltern haben uns ein tiefes Verständnis für geschwisterlichen Zusammenhalt vermittelt, für Verbundenheit, schlicht, weil wir uns alle sehr mögen. Wenn wir bei einer Entscheidung verschiedene Standpunkte vertreten, geschieht das dennoch auf der Grundlage von Loyalität und Respekt und mit der Gewissheit, dass wir eine Einigung erzielen werden. Und das klappt? Es muss klappen und es ist fundamental wichtig in einem Familienunternehmen, da Konflikte sehr stark ins Persönliche ausschlagen und die Betriebsführung beeinträchtigen können. Diese Leidenschaft und die persönliche Betroffenheit sehe ich allerdings auch als Vorteil. Wir stehen mit unseren Gesichtern und unseren Namen für das Unternehmen ein. Und natürlich haben wir eine direkte Kontrolle und Entscheidungsgewalt in allen Firmenbereichen und können viel schneller agieren und reagieren als ein managementgeführtes Unternehmen.

Interview_

Auf der anderen Seite greift die Modeindustrie immer mehr in den Möbelsektor über. Das ist richtig. Noch vor einigen Jahren hat ein Modelabel einfach nur Kleidung produziert. Heute geht man dazu über, die textile Home Collection zu lancieren, dann wird die Modefotografie in spezifische Wohnambiente verlagert, die einen gewissen Status transportieren, bis dahin, dass Modelabel beginnen, aufwendigen Details den Eindruck vermitteln, Möbel zu entwerfen, um ihre dass dies kein industrielles Produkt ist, sondern Markenanmutung zu stützen. Das ein Exemplar reinster Handwerkskunst, das wir heißt, die Mode übernimmt eine von Hand gefertigt haben. Diese handwerkArchitekturattitüde, um das eigene liche Präzision, mit der alle ­Einzelelemente Produkt zu stärken. Die Möbeausgeführt werden, überführen wir in den industriellen Prozess, um auf der Ebene großer lindustrie hat dagegen nur einige Stückzahlen eine Art industriell gestützte Details aus der Modewelt überHandwerkskunst zu realisieren. nommen. Im Grunde genommen können wir uns nur ästhetisch Sie betreiben viel Forschung, um neue Materiinspirieren lassen, denn selbst wenn man einen schönen Stoff alien oder Oberflächen zu entwickeln. Auf welche sieht, ein ansprechendes Muster, Probleme stößt man dabei? Die Schwierigkeit kann man ein Möbel nicht einfach besteht nur darin, innovativ zu sein, ohne unser damit beziehen. Er muss ja eine Erbe zu verraten. Es ist wunderbar, jedes Jahr bestimmte Strapazierfähigkeit andere Stoffe, Muster, Lederarten, verschiedehaben, eine Abriebsfestigkeit, und ne Natursteine, Metalle, Oberflächenveredemuss verschiedene technische lungen, Hölzer et cetera vorzustellen. Aber wir Tests bestehen. Auf reine Modedürfen dabei die Verbindung zu dem, was die Seele Minottis ausmacht, nicht verlieren. werkstoffe können wir von daher nicht zurückgreifen. Gibt es Ähnlichkeiten in der Markenführung zwischen einer Möbel- und einer Modemarke? Industriell gesehen sind das zwei Welten. Aber es gibt Parallelen, weil man ähnlich arbeitet, das heißt, die Prozesse ähneln sich in Bezug auf die Produktentwicklung, die ästhetische Forschung, die Kreativität, Kommunikation und das Timing. Aber es sind sehr unterschiedDie Fabrik in Meda bei Mailand. liche Produktfelder. Ein Kleid ist ein Kleid, ein Möbel hingegen ist die Außenhülle plus sein Innenleben. Das ist viel komplexer. Wir entwerfen einen Rahmen, eine Struktur, bauen Formschaumteile und dann beziehen wir sie, wir bekleiden sie, wenn Sie so wollen.

Wie viel Handwerkskunst und Handarbeit steckt noch in einem Minotti-Sofa? Wir setzen industrielle Technik dort ein, wo es angebracht ist. Beispielsweise fertigen wir unsere Polsterschäume selbst. Aber wir tun dies nicht im Sinne einer Serienproduktion, sondern immer auf das Einzelstück bezogen. Wenn Sie einen Minotti-Sessel kaufen, dann werden Ihnen die minuziöse Verarbeitung und die


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Und wie wäre es umgekehrt, wenn Minotti beispielsweise eine Jackenkollektion entwerfen würde? Ist Brand Extension eine Strategie für Minotti? Vorläufig nicht. Wir fühlen uns an das Haus beziehungsweise an Wohnräume gebunden. Dazu gehört für uns auch der Outdoorbereich und in gewissem Umfang auch Hotel- und Gastronomie­ einrichtung beziehungsweise Firmenausstattung. Wir konzentrieren uns darauf, alle „Bedürfnisse“ im Wohnkontext zu erforschen und zu erfüllen. Beispielsweise haben wir in diesem Jahr zum ersten Mal Outdoorteppiche vorgestellt. Eine Ausweitung der Produktlinie auf Bereiche, die nichts mit Einrichten zu tun haben, kann ich mir, im Moment zumindest, nicht vorstellen. Wir wollen uns lieber weiter in unserer Welt spezialisieren.

Wie wird sich die Wohnkultur in den nächsten Jahren verändern? Entwicklungen vorherzusagen ist schwer. Ich glaube, dass sich die aktuellen Trends fortsetzen werden in dem Sinne, dass sich die Diversifizierung von Stilen und Geschmacksrichtungen weiter ausbreiten wird. In den letzten Jahren sind organische Formen, Weichheit und Rundungen, also weibliche Formen, sehr stark gewesen. Wir hatten das mit unserer Kollektion Aston schon aufgenommen und einladende, fast umarmende Sesselelemente kreiert. Diese Kollektion war sehr erfolgreich, möglicherweise weil sie im Kontrast steht zu unserer üblichen geometrischen Ausrichtung, als sei das Ying zum Yang gekommen. Ich denke, diese Tendenz wird sich fortsetzen. Genauso wie in der Mode kein Stil mehr einen anderen vollkommen ablöst, sondern als weitere Option dazukommt. Überlagerung und Gleichzeitigkeit sind die Grundtendenzen, die wir erleben. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Stile, Materialien und Epochen. „Made in Italy“ ist ein Versprechen, mit dem Ihre Branche gern wirbt.Welche Bedeutung hat diese nationale Marke im Haus Minotti? Wir sind zu 100 Prozent made in Italy, dafür steht unsere Familie ein. Wir lassen nichts außerhalb von Italien herstellen und kontrollieren direkt in unseren Zulieferbetrieben die Ausführung und Qualität der Teile. Das ist bei anderen Herstellern anders, aber für uns kann ich sagen, wir sind really made in Italy. Mehr noch: Sie finden hier im Umkreis

Der aktuelle Zeitgeist ist vom Krisendenken geprägt. Ist das für Ihre Branche von Vorteil? Unser Stil hat uns in diesem Zusammenhang „gerettet“. Denn in Krisenzeiten tendieren die Menschen natürlich dazu, weniger zu konsumieren. Aber wenn sie etwas kaufen, dann wollen sie eine sichere Bank, eine Triple-A-Bewertung haben. Und hier kommt das Thema Zeitlosigkeit ins Spiel. Ich kaufe keine schrille, gelbe Jacke, sondern ich kaufe etwas Klassisches, Qualitätsvolles, mit einem guten Schnitt, das ich zu verschiedenen Anlässen tragen kann. Und weil ich statt drei nur noch eine Jacke kaufe, will ich sicher sein, dass ich eine gute Investition gemacht habe. Dieser Aspekt ist wesentlich für die Minotti-Philosophie. Insofern hat uns das in einigen Krisenzeiten geholfen, sodass wir nie Umsatzeinbrüche erlebt haben.

Der Minotti-Flagship-Store in München.

von 100 Kilometern rund um Mailand ein Know-how und eine Fertigungskompetenz, die weltweit an der Spitze steht. Ich reise viel und kenne auch die Produktionsstandorte in anderen Ländern, sodass ich Ihnen garantieren kann, die Handwerkskunst der Produzenten und Zulieferer, die Sie hier vorfinden, gibt es nirgendwo anders. Selbst Mercedes und BMW lassen Komponenten hier von kleinen Handwerksbetrieben fertigen, die in Deutschland keiner kennt. Dieser Qualitätsanspruch ist für uns entscheidend. Darüber hinaus gibt es noch einen anderen Aspekt. Ich war neulich in Los Angeles und dort gelten wir Italiener als die Kreativen schlechthin. Die Italianitá steht für Stil, Geschmack und Kreativität. Ich muss mich mit der amerikanischen Aussprache nicht abmühen, weil die Amerikaner unseren italienischen Akzent toll finden. Daher brauche ich keinen Gedanken daran zu verschwenden, ob ich irgendein Teil in China billiger produzieren könnte. Ich würde weniger verkaufen! Deshalb bleiben wir bei „Made in Italy“ und bei unserer Italianitá. _____________________

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Minotti ist ein italienischer Hersteller von Luxusmöbeln und befindet sich in zweiter Generation im Familienbesitz. 1948 von Alberto Minotti als Handwerksbetrieb gegründet, wurde das Unternehmen in den 80er- und 90er-Jahren von seinen Söhne Renato und Roberto Minotti rasch zu einer weltumspannenden Marke mit 31 Flagshipstores und Händlern in 70 Ländern weiterentwickelt. Der Hauptsitz ist in Meda bei Mailand. Dort entstehen Sessel, Sofas, Stühle, Tische, Wohntextilien und Wohnaccessoires. www.minotti.com


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Aus dem Alten Neues schaffen text//Christine Mortag fotos//Ulrike Myrzik

Bei seiner Mode und Einrichtung setzt Frank Leder auf traditionelle Materialien. Die Berliner Altbauwohnung ist Werkstatt und Laden zugleich.

WORKING SPACE INTERIOR_


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Seltsam, was sich manche so in die Wohnung stellen: Auf dem langen Holztisch hat Frank Leder unzählige Einmachgläser aufgetürmt, gefüllt mit Erdbeeren, Birnen, Mirabellen. Eingelegt vor über 50 Jahren. Er hat sie einem Antiquitätenhändler abgekauft, der sie bei einer Haushaltsauflösung im Keller entdeckte. Eigentlich wollte Frank Leder die Gläser auf dem Fensterbrett bis nach oben stapeln, damit es wie ein Kirchenfenster aussieht, in dem sich das Sonnenlicht bricht. Das hat er lieber gelassen: „Zu gefährlich.“ Die große Charlottenburger Altbauwohnung, in der Frank Leder hauptsächlich arbeitet, ist das reinste Kuriositätenkabinett: „Hier, da wollte ich mal sehen, was passiert, wenn man T-Shirts in Brotteig einbackt“, erzählt er. Das Ergebnis hat er gerahmt und in Frakturschrift „Unser Täglich Brot“ darübergeschrieben. Ein anderes Mal hat er Hemdsärmel in die Schreibmaschine eingespannt und bedruckt. Lauter so schräge Sachen, doch wenn man genau hinguckt, fällt auf: Brotbacken, Einwecken, das erinnert vor allem an früher, an den Alltag aus vergangenen Zeiten. Und eigentlich hat Frank Leder einfach nur das Alte genommen und etwas Neues daraus gemacht.

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Die Einrichtung zeigt Leders Begeisterung für natürliche Werkstoffe wie Holz, Ross­­ haar oder Wolle.

Genau das ist das Prinzip seiner Männermode. Ihn inspirieren jedoch nicht die feinen Dandys von damals, sondern Handwerker und Arbeiter, Metzger, Bergarbeiter, Seeleute, Wandergesellen. Seine Kollektionen heißen „Vagabund“ oder „Turnvater“. Seine Tätigkeit beschreibt Frank Leder auf seiner Website altmodisch, aber grundehrlich, als „handwerkliche Fertigung von Tages- und Abendgar­ derobe für den Herrn“. Dazu passt, dass er als Material nur traditionelle Stoffe verwendet wie Deutschleder – kein Leder, sondern derber Baumwollstoff – oder Schladminger Loden, die er aus kleinen, oft jahrhundertealten ManufakIst der Mann im Gestern stehengeblieben? turen bezieht. Statt mit Daunen füttert Überhaupt nicht. „Ich nehme ja nur Versatzstüer seine Winterjacken mit Rosshaar, mit dem ursprünglich Matratzen auscke aus der Vergangenheit und interpretiere sie neu, durch moderne Schnitte. Alles andere wäre gestopft wurden. Die Werktreue geht Kostümierung“, sagt er. Frank Leder kreiert bis in die Details: Selbst Knöpfe oder Heimat neu, und wie zeitgemäß das aussehen Gürtelschnallen sind von früher. Es kann, macht er selbst vor: Er trägt ein dunkel­ sei denn, Frank Leder experimentiert blaues Sakko aus Deutschleder, dazu Jeanshose mal wieder: So verwendet er für seine und Jeanshemd, Wildlederboots von Ed Meier. Dufflecoats Knebel aus Holzkohle Studiert hat Frank Leder in London am von der japanischen Steineiche. „Die Central Saint Martins College of Art and sind leicht und halten trotzdem was Design, wo schon Alexander McQueen oder aus“, sagt er. Darum hat er jetzt auch seine Bügel aus verkohlten, abgesägten Stella McCartney ihr Handwerk lernten. Er hätte einer von ihnen werden können, doch er Stuhlbeinen hergestellt. hält sich fern vom Modezirkus und von spektakulären Fashionshows. „Ich bin nicht so der Glamourtyp“, sagt der gebürtige Nürnberger mit fränkischem Dialekt. Lieber zeigte er eine seiner Kollektion, die sich am Stil seines Vaters, ein Architekt, orientierte, in dessen böhmischem Heimatdorf oder lässt die Modenschau in einem Lkw stattfinden.

Links: Einmachgläser als Deko. Rechts: Frank Leder in einem Jackett aus Deutschleder.


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Die Vertikaljalousie aus einer Werkhalle wurde mit Baummotiven bedruckt.


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_INTERIOR WORKING SPACE

Ein Kajak und andere Kuriositäten im „Berliner Zimmer“. Das Regal enthält Leders neue Kosmetiklinie „Tradition“.

Besonders in Japan kommt sein Arbeiterund Bauernstil gut an. Dort mag man das geschichtsträchtige, handwerklich Perfekte. Weltweit verkaufen über 80 Läden seine Mode, nur in Deutschland kein einziger. Die Jugendstilwohnung, erbaut 1898 von dem Architekten F. Gottlob, ist deshalb nicht nur Arbeitsplatz und Atelier, sondern auch Showroom und Shop. Hier kann man Frank Leder einfach besuchen, sich seinen verrückten Kosmos anschauen und seine Kleidung kaufen. „Als Designer hat man ja meist keinen Kontakt zu seinen Kunden. Aber ich schaue mir gern an, wer die Sachen kauft und wie sie jemand kombiniert.“ Viele Schauspieler, Sänger und Maler tragen seine Entwürfe. Mit Letzteren geht er oft ein Tauschgeschäft ein: Mode gegen Bilder. Darum hängen bei ihm zwischen all den Fotos und alten Zeichnungen wie selbstverständlich Originalwerke von Jonathan Meese oder Martin Eder.

Weil die Arbeit immer mehr Raum einnahm, hat Frank Leder seinen Hauptwohnsitz verlegt und zog mit seiner japanischen Frau und Tochter Ume, japanisch für „Pflaume“, an den Prenzlauer Berg. Die meiste Zeit verbringt er trotzdem hier. Und wenn es abends mal später wird, hat er immer noch ein kleines Zimmer zum Übernachten. Da schläft er dann auf dem Boden auf einer Rosshaarmatratze, zieht die Gardinen aus dickem Loden zu und hängt seine Sachen in den Soldatenspind – der aber nicht aus Metall ist, sondern aus edlem Nussholz. „Hab ich mir extra anfertigen lassen, nach Originalmaßen“, erzählt er. Natürlich haben ihn auch die Einmachgläser zu etwas Neuem inspiriert: Seit Kurzem vertreibt Frank Leder eine eigene Kosmetiklinie mit dem schönen Namen „Tradition“. Da gibt es dann das Haarshampoo „Weizenbier“, die Handseife „Roter Preßsack“, das Badeöl „Deutsche Eiche“ und das Duschgel „Eingemachtes“. Alles hübsch abgefüllt in gläsernen Flaschen mit echtem Bakelitverschluss und handgeschriebenen Etiketten. _____________ www.frank-leder.com

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Homestories Wie sieht es eigentlich bei Mode­ schöpfern zu Hause aus? In persönlichen Porträts und anhand exklusiver Fotos von Anja Frers und Ulrike Myrzik zeigen die Modejourna­listen Christine Mortag und Dennis Braatz in ihrem Buch „Fashion at Home“ die privaten Räume stilprägender Designer aus Deutschland und der Schweiz. Von einer Altbauwohnung in Berlin über ein Wasserschloss im Fränkischen bis hin zur Villa im Bauhausstil ist alles dabei. Kreative wie Mafalda von Hessen oder Adrian Runhof und Johnny Talbot gewähren private Einblicke in ihre Häuser und öffnen sogar die Kleiderschränke. Als besonderes Extra sind dem Buch zwei Schnittmuster (ein Mantel von Talbot Runhof und eine Tunika von 0039 Italy / Aysen Bitzer) beigelegt. „Fashion at home – Wo die deutsche Mode zu Hause ist“ Christine Mortag, Dennis Braatz Callwey Verlag, 192 Seiten, 319 Fotos, 23 mal 29,7 Zentimeter, gebunden mit Schutzumschlag, 39,95 Euro


Revolution auf breiten Reifen Text//Florian Spieth Fotos//Nico Wallfarth

Centurion-Elite mit spezieller Fillet-brazed-Nachbearbeitung, Sinergy-Laufrädern, Cook-Brothers-­ Kurbeln, Campagnolo-Delta-­Bremsen und Lite-Tech-Hebeln.


_Collectables Vintage Bikes

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Schicke, neue Mountainbikes gibt es genug. Aber was ist mit den alten? Die Bike-Sammlung von Peter Zizka ist die faszinierende RĂźckbesinnung auf eine hĂśchst rebellische Epoche.


Vintage Bikes Collectables_

Autoersatz, Freizeitgegenstand, Sportgerät oder Sammlerstück, Fahrräder können vieles sein. Durch Muskelkraft angetrieben, ermöglichen sie Mobilität ohne Abgase und Motorenlärm, schaffen unmittelbare Naturerlebnisse mit nur wenigen begrenzenden Faktoren. Peter Zizka besitzt gleich 32 dieser Fluchtfahrzeuge aus dem heute von Blechlawinen geprägten Mobilitätsgefüge.

BMW-Bike mit Televerfederung, Spengle-Karbon-Laufrädern, Syncros-Kurbeln und PaulBremsen (Vorläufer der V-Brake).


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Auf der Straße kommen sie allerdings nicht häufig zum Einsatz. Der Designer aus Frankfurt sammelt aus einer tieferen, unkonventionelleren Motivation heraus edle Drahtesel. Fast ausschließlich Mountainbikes, die er in Eigenregie aufbaut. Für ihn sind es Symbole einer rebellischen Fahrradbewegung, die Individualität, Aussteigertum und Feinmechanik abseits von industrieller Massenproduktion verkörpern. Der Ursprung seiner Leidenschaft für Mountainbikes liegt einige Jahrzehnte zurück. Genauer gesagt in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als das Fahrrad Imageträger einer ganzen Generation war. Die Frage danach, ob man nun Komponenten wie Campagnolo Record oder Shimano Dura-Ace an seinem Rad montierte, spaltete die Gemüter. „Ein Wettbewerb zwischen Old Europe und Modern Japan bestimmte den Konflikt und das Rennrad stand im Zentrum dieses kleinbür-

Oben: Biria Carbon. Unten: Breezer Lightning mit Syncros-Kurbeln und Onza-Bremsen.

gerlichen Reihenhausmaterialismus“, sagt der hochgewachsene Sammler schmunzelnd. Peter erzählt, wie zu Beginn der 70er-Jahre eingeschworene Enthusiasten und Zweiradfreaks das Mountainbike zum Symbol einer revolutionären Fahrradbewegung erhoben hatten. Chris Chance, Joe Breezer oder Gary Fisher hießen die Protagonisten dieser Ära. Rennradfahren war für sie gleichbedeutend mit der Bejahung des ­Establishments und all seiner engstirnigen Ansichten, zu dem sie bewusst nicht gehören wollten. Vom Verlangen getrieben, die Stadt mit dem Fahrrad auf einer anderen Ebene zu erobern, auszubrechen in die Natur, weit weg von „Bullen, Blechkisten und Beton“, wie es Chris Chance seinerzeit ausdrückte, entwickelten sie die ersten Mountainbikes. In zeitintensiver Handarbeit wurde geschweißt, geschraubt, gefräst und unter Hinzunahme von Motorradteilen das erste geländegängige Bike entworfen.


Neudeutsch würde man den Urvater des Mountainbikes, Chris Chance, und seine Mitstreiter heute wohl als Nerds bezeichnen. Wobei das Erscheinungsbild dieser Jungs mit ihren langen Haaren und Zottelbärten sowie das leidenschaftlich praktizierte Aussteigertum eher an die Rebellen der ­68er-Bewegung erinnerten. Mit diesen hatten sie auch deutlich mehr gemein. Das Aufbrechen einer konservativen und einseitigen Fahrradwelt motivierte Tüftler in den USA und Europa, Kleinstmanufakturen zu gründen. Unbeeinflusst von industriellen Traktaten entstanden so Rahmen, Naben und Schaltungen, die auseinandergebaut und reversibel mit anderen Teilen kombiniert werden konnten. „Das hat mich sehr fasziniert“, sagt Peter, der sich die bis zu 10.000 Mark teuren Bikes damals allerdings nicht leisten konnte. „Von einem Tag auf den anderen waren Teile erhältlich, die eine Authentizität besaßen, wie es sie in der Geschichte des Fahrrads womöglich noch nie gegeben hatte.“ Mit einem Leuchten in den dunklen Augen und der Begeisterungsfähigkeit eines kleinen Jungens unter dem Weihnachtsbaum blickt der heute 55-Jährige auf diese Umbruchphase zurück.

Oben: Gianni Motta mit C-Record von Campagnolo. Links: Dekerf Revolution. Rechts: Softride-Zeitfahrrad mit Shimano Dura Ace.

Über den Postweg mussten sämtliche Einzelteile bestellt werden, was unter Umständen auch mal ein halbes Jahr dauern konnte. Abschrecken sollte das den schon damals findigen Tüftler aber nicht. „Die neuen Möglichkeiten der Kombinatorik, aus etlichen Einzelteilen ein Fahrrad nach den eigenen Vorstellungen zusammenzubauen, waren eine Herausforderung und ein enormer Reiz“, sagt er. Für einen kleinen Kreis von Bekannten begann Peter Zizka, Fahrräder aufzubauen und zu verkaufen. Handsignierte Yo-Eddy-Rahmen, Paul-Schaltungen und White-Industries-Naben gingen tagtäglich durch seine Hände und legten den Grundstein für eine bis heute ungebrochene Passion. Durch den schnell eintretenden Erfolg der neuartigen Zweiräder wurde binnen weniger Jahre allerdings auch die Industrie auf den Plan gerufen. Das Mountainbike setzte sich in urbanen Bereichen gegenüber dem Rennrad durch. Es war einfach praktischer, einen Randstein oder eine Treppe herunterfahren zu können, ohne immer Angst vor einem Plattfuß haben zu müssen. Ganz abgesehen von den innovativen Gangschaltungen, die das Schieben am Hang erübrigten. So wurde das Bild des urbanen Entdeckers geboren, das Mountainbike zum Massenprodukt. Der fortan veränderte Markt, mit industriellem Überangebot, ließ die einstigen Schmuckstücke veralten. Sie boten keine Federgabeln und folgten auch keinen brachialen Modewellen. Das Verbrauchsgut, technische

Innovationen und ständige Modellwechsel traten an ihre Stelle. „All das machte die Räder, die ich den Leuten gebaut hatte, sukzessiv zu Stehenbleibern in der Garage“, sagt Zizka und legt die Stirn unter den braunen Haarspitzen dabei in Falten. Unverständnis schwingt in seiner ruhigen Stimme mit, wenn er an die inflationäre Entwertung der Objekte seiner Begierde zurückdenkt. Fahrräder, die zuvor 8.000 Mark kosteten, konnten schlagartig für lächerlich niedrige Preise erstanden werden. Für Peter hatte sich das Wertesystem aber nie verschoben. „Ich bin nicht auf den Zug aufgesprungen, dass mich die Dimension permanenter Erneuerung bei diesen Mountainbikes der Neuzeit angefixt hätte.“ Dass sie immer besser liefen, war ein entscheidender Pluspunkt für die massengefertigten Bikes, aber allein die Tatsache, dass 90 Prozent aller Rahmen aus nur noch drei großen Fabriken in Taiwan kamen, zerstörte für ihn den einzigartigen Charakter der Fahrräder. Eine Entwicklung, die sich schon bei den Rennrädern in ähnlicher Form abgespielt hatte. Beim Stöbern im Internet entdeckte er dann vor gut zehn Jahren, dass ein riesiger Markt entstanden war, auf dem die einstigen Edelbikes und entsprechende Einzelteile zu Schleuderpreisen angeboten wurden. „Das waren zum Teil einfach Kids, die von ihrem Vater ein Fahrrad bekommen hatten, aber überhaupt keine Vorstellung davon besaßen, welche Schätze sie da anboten.“ Seine heutige Sammlerleidenschaft gründet aber nicht nur darauf, dass die Räder Jahre nach ihrer Blütezeit nunmehr auch für ihn erschwinglich waren. Vielmehr war es die Auseinandersetzung mit den einzelnen Komponenten, die eine alte Liebe erneut aufflammen ließ. „Es war für mich wie eine Art Entspannungsübung, für ein bis zwei Stunden an den ­Wochenenden


_Collectables Vintage Bikes

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JEDES DER FAHRRÄDER HAT EINEN GANZ EIGENEN CHARAKTER UND SYMBOLISIERT DIE SEHR SPEZIELLEN ÄSTHETISCHEN UND KREATIVEN VORSTELLUNGEN SEINES BESITZERS.

Fahrräder zu restaurieren. Der überschaubare und mechanisch zu bewältigende Aspekt sowie das Gefühl, einen mechanisch durchkonstruierten, gleichzeitig aber auch nachvollziehbaren Gegenstand wieder zurück ins Leben zu holen, hat mir in hohem Maße Befriedigung verschafft“, erklärt er seinen Drang, ein Rad nach dem anderen aufzubauen. Seine Finger, mit denen er sonst gezielt und schnell die Tatstatur seines Computers bearbeitet, wirken dabei gar nicht wie die eines Schraubers. Keine schwarzen Ränder unter den Nägeln, keine Ölflecken und auch keine Schwielen. Im wirklichen Leben ist der Kopf sein Arbeitsgerät und die Auseinandersetzung mit den Rädern vielmehr eine Ausgleichshandlung, die im starken Kontrast zur immer stärkeren Virtualisierung seines Berufs als Konzeptkünstler und Designer steht. Wie Ausstellungsstücke zieren 32 Fahrräder die hellen, großzügig geschnittenen Räume der Frankfurter Gestaltungsagentur ­Heine/ Lenz/Zizka, die früher als Mercedes-Werkstatt fungierte. Jedes der Fahrräder hat einen ganz eigenen Charakter und symbolisiert die sehr speziellen ästhetischen und kreativen Vorstellungen ihres Besitzers. Besuchern und Geschäftskunden erzählt Peter Zizka daher gern die Geschichten der aufsehenerregenden und teils futuristisch anmutenden Räder. Besonders in Fahrradku-

rieren findet er häufig fachkundige Gesprächspartner, die vor den Schätzen mit der gleichen Faszination stehen, die ihn ereilte. Nostalgische Streifzüge durch die letzten Jahrzehnte der Fahrradgeschichte können dann auch mal eine Tasse Kaffee länger ausfallen. In letzter Zeit hat die Intensität der Beschäftigung mit den Oldies etwas nachgelassen. Investierte Peter vor zehn Jahren noch viel Zeit in aufwendige Recherchen auf Auktionsplattformen, beschränkt er sich heute darauf, Freunden und Bekannten mit seiner Erfahrung zur Seite zu stehen. Beispielsweise wenn Ersatzteile benötigt werden oder Reparaturen anfallen. Ewiges Streben nach immer neuen Fahrrädern und Teilen, das ist nicht das, was er möchte. Genauso wenig will er mit Sammlungen wie der von Julius Embacher konkurrieren, der seine Räder schon im Wiener Museum für angewandte Kunst ausgestellt hat. Ihn reizt die Ästhetisierung, die aus der Kombination der einzelnen Teile entsteht. Gleichermaßen die Kompensation von Bedürfnissen, die er sich früher nicht erfüllen konnte. Museale Ausmaße mit der Sammlung zu erreichen, gehört nicht dazu. Genauso wenig wie ein monetärer Hintergedanke. „Ich habe noch nie wirklich darüber nachgedacht, was die Fahrräder wert sind. Ein Verkauf stand bisher nie zur Debatte“, sagt er.

Oben: Fat Chance Wicked. Unten: Merlin Titan (Ubrake Version).

Die Pflege einer historischen Aussteigermaxime, das ist es, was Peter mit den klangvollen Markennamen verbindet, deren Schriftzüge ihm täglich entgegenprangen: „Meine Räder sind für mich Synonyme für den damaligen Aufbruch, die Auflehnung gegen die Welt, für die die Rennräder standen.“ Auch wenn es heute nahezu umgekehrt ist, Peter mit Kurzhaarfrisur im Büro sitzt und die Mountainbikes das kompetitive Image womöglich noch stärker repräsentieren, als die Rennräder es jemals taten, bleiben sie für ihn stille Zeitzeugen einer sich aufbäumenden Generation, an die er gern zurückdenkt. _______


_kolumne sport

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Spion am Handgelenk

N text//mike ziegler

Fitnessarmbänder wollen Ansporn sein für Couchpotatoes, aber in Wahrheit sind sie unkontrollierbare Datenjäger.

Aber ich frage mich, wie es um den Schutz der Daten bestellt ist auf dem Weg vom Armband zum Smartphone. Bei der allgemein grassierenden Sammelwut persönlicher Daten habe ich da so meine Bedenken, ob die Dinger nicht unbemerkt nach Hause telefonieren und meinen unsteten Lebensstil irgendeinem Computer rapportieren. Auch wenn die Fitnessdaten noch ohne persönliche Informationen wie Name und Anschrift verwaltet werden, so

munitys. Es dauert nicht lang, dann bombardieren sie einen mit halbgaren Tipps zur Ernährung, schlagen jeden Tag ein anderes innovatives Work-out vor und fangen an, den AlkoholkonNeuerdings legen sich immer mehr sum schlechtzureden. Ja, ja, natürlich Leute aus meinem Bekanntenkreis soll man nicht zu viel saufen. Aber diese merkwürdigen Fitnessarmbänder es muss auch mal erlaubt sein, statt zu, um sich von einem weiteren digitadem 100-Meter-Lauf, 100 Sit-ups und 100 Kniebeugen ganz entspannt am len Helferlein quälen und beobachten Tresen zu stehen, ein wohlverdientes zu lassen. Diese Tracker verfolgen 24 Feierabendbier zu zischen und Stunden am Tag den Kaloriendarüber spekulieren, welche verbrauch, zählen Schritte und Wie ist es um den Schutz der erheben zurückgelegte Distanzen. Daten bestellt auf dem Weg vom Konsequenzen das hätte, wenn diese Armbänder früher oder Angeblich soll das alles dazu dieArmband zum Smartphone? später auch über Nikotin- und nen, persönliche Fitnessziele mit Alkoholsensoren verfügen würden, mit sind sie für manche eine lohnende Beute. Spaß zu erreichen und die Motivation festeingebauten Magensonden komWenn man etwa in den USA durch den hochzuhalten. Der Großteil der Geräte Tracker eine gute Fitness nachweist, kriegt munizierten oder aufzeichnen könnten, übermittelt die Daten via USB-Stecker man bei seinem privaten Krankenveroder Bluetooth an einen Computer oder wie viel Sex man hat. ein Smartphone. Dort kann man dann sicherer günstigere Tarife. Warum sollte großartige Auswertungen vornehmen man da nicht kurzerhand die Daten des Zu Ende gedacht wäre die Miund in Diagrammen abspeichern. Und gleichaltrigen Nachbarn mit erheblich bes- schung aus dumpfen Facebook-­ wer sich irgendeiner Community anPartybildern und zweifelhaften serer Fitness nutzen? Und wenn Tracker Fitnessdaten eine verheerende sich manipulieren lassen, ist es nur eine schließt, kann seine Trainingsergebnisse Kombination, sobald Arbeitgeber daFrage der Zeit, bis Hacker zum Spaß dem online „teilen“ und die Erfolge anderer ehrgeizigen Freizeitjogger einen schömitverfolgen. Mit allerlei Nachteilen: rauf Zugriff hätten, um vermeintlich Die tückischen Dinger speichern auch, ungeeignete Bewerber auszusortieren. nen Schreck einjagen, indem sie seinen wann man das letzte Mal joggen war und Blutdruck und die Pulsdaten mal etwas Am Ende sind wir nur noch dressierte schon wieder den Aufzug benutzt hat ­Äffchen am Gängelband der Elektroin die Höhe schieben. Ganz schlimm sind statt der Treppe. für mich diese angeschlossenen Comnik. Wollen wir das wirklich?_________



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