5 minute read
Carte blanche
Fruchtbare Vielseitigkeit
Iris Kretzschmar Die Galerie Maison 44 widmet sich zum Jubiläum der griechischen Antike.
Advertisement
20 Jahre lang hat die Maison 44 die Basler Kultur- und Kunstszene mit einem Programm aus mehreren Sparten bereichert und sich damit einen wohlklingenden Namen gemacht. Bild, Klang und Wort fanden hier in fruchtbarer Weise zusammen. Mit viel Herzblut hat Ute Stoecklin den Kulturbetrieb geführt, die internationale Musikszene nach Basel geholt und ein Spektrum an künstlerischem Ausdruck ermöglicht.
Geboren und aufgewachsen in Norddeutschland, waren es die Musik und die bildende Kunst, die Stoecklin durch eine vom Zweiten Weltkrieg überschattete Kindheit getragen haben. Mit dem Umzug nach Basel 2002 beginnt sie ihren Traum in der Villa am Steinenring 44 zu verwirklichen. Bis zu sieben interdisziplinäre Ausstellungen pro Jahr organisiert sie. Als Pianistin mit Konzerterfahrung ermöglicht sie musikliterarische Projekte, Radio- und CD-Einspielungen, vertritt Werke zeitgenössischer Komponisten in Uraufführungen und erstellt auch das Werkverzeichnis des Bündner Komponisten Meinrad Schütter (1910–2006). Die aufwendige Arbeit im Hintergrund, Sponsorensuche und Administration kosten viel Zeit und Energie. Mit 85 Jahren möchte die Powerfrau nun kürzertreten und ihre Konzert-Galerie in ruhigere Wasser geleiten.
Herbstausstellung mit fünf Kunstschaffenden.
Zum 20-jährigen Jubiläum wird nochmals ein reichhaltiges Kunst-Buffet aufgetischt: Kunstschaffende, die Ute Stoecklin über die Jahre begleitet haben, bespielen die Herbstausstellung. Andreas Frick und Gert Handschin zeigen eine kollaborative Installation. Marianne Flurys schwarzweisse Skizzen mit Kohle, Tinte und Druckfarbe sind erfüllt vom Licht- und Schattenspiel der Natur. Die Tuschezeichnungen von Suzanne Daetwyler, ganz der konkreten Kunst verschrieben, spielen mit der Wahrnehmung und lassen geometrische Formen aufscheinen. Franz Goldschmidt ist mit seinem raumfüllenden Objekt «Clouds, for CDF» vor Ort. In der Hommage an Caspar David Friedrich lösen sich wolkenartige, organische Formen aus einer rechtwinkligen Fläche, dringen in den Raum vor und spielen mit der Leerform.
Die Antike mit ihren prägenden Figuren und Erzählungen, die quasi als kollektives Unbewusstes den Boden für die Kunst bereitet, ist für Stoecklin eine Herzensangelegenheit. Während sich die Ausstellungsexponate in der Villa nicht auf die Ilias beziehen, setzt die Musik das homerische Heldenepos in Szene und schlägt einen Bogen zur Gegenwart. So findet der krönende Abschluss der Herbstausstellung mit einer mehrteiligen literarisch-musikalischen Performance gleich während zweier Tage in den Räumlichkeiten der Skulpturenhalle und der Maison 44 statt. Gratulation zu diesem aussergewöhnlichen Schlussbouquet!
«… und immer wieder Troja. Achill und der Trojanische Krieg»: So 16.10., 11 h (Vernissage) bis So 6.11., Maison 44 und Skulpturenhalle, Basel, www.maison44.ch → S. 33
«Clouds, for CDF» (oben), Objekt, Dispersion/Bleistift auf Wabenplatte, 2013, Foto: Regine Flury
Tilo Richter
Drei Basler Bauprojekte kündigen sich an – eines mit wirtschaftlicher, eines mit öffentlicher und eines mit privater Nutzung.
Basel sei eine einzige Baustelle, heisst es immer wieder in den Medien und noch mehr in den Kommentarspalten. Doch bevor tatsächlich gebaut wird, wird entworfen und geplant. Drei aktuelle Projekte werden das Gesicht von Basel in den nächsten Jahren verändern.
Herzog & de Meuron bauen auf dem Dreispitz.
Das renommierteste Basler Architekturbüro wächst seit Jahren und plant nun den Neubau einer Dependance auf dem Dreispitz. Bereits vor einigen Jahren kauften Jacques Herzog und Pierre de Meuron das Transportunternehmen BurkhardtJundt AG samt Fahr- zeugen und Baurecht für die Firmenparzelle an der Ecke Mailand-/Frankfurt-Strasse auf dem Dreispitz-Areal. Der bis 2025 entstehende neue Firmensitz wird circa. 350 Mitarbeitenden auf 4 500 Quadratmetern auf neun Etagen unter- und oberirdisch Platz bieten. Die Baukosten sind mit knapp 20 Millionen Franken veranschlagt. Die Fassaden des Neubaus über fünfeckigem Grundriss sind geprägt von strenger Horizontalität, die den Baubestand des Logistikareals zeitgenössisch zitiert.
Der Dreispitz ist für Herzog & de Meuron alles andere als Neuland: Ihre städtebauliche Untersuchung «Vision Dreispitz» datiert auf 2001 /03, das Wohn- und Gewerbehochhaus «Helsinki Dreispitz» steht seit 2013 am Frei lager-Platz und für die Nordspitze mit dem M-Parc entstand 2017 eine Studie für die Christoph Merian Stiftung und die Genossenschaft Migros Basel.
Architecture Club entwirft die Musik-Akademie.
Die aus Polen gebürtigen Karolina Slawecka und Pawel Krzeminski sind mit ihrem Büro Architecture Club in der Basler Architekturszene angekommen. Abgeräumt haben sie beim selektiven Studienauftrag für den «MAB Campus 2040», dem ambitionierten Bauprojekt der Musik-Akademie. Neben der Sanierung historischer Gebäude wird vor allem der Neubau im Innenhof mit der dringend benötigten Salle Modulable für Aufmerksamkeit sorgen. Der über der bestehenden Vera-Oeri-Bibliothek aufgeständerte Kubus, das künftige «Herz» der Akademie, soll neuen performativen Kunstformen Raum und Technik bieten und mit seinen 28 Metern Höhe einen städtebaulichen Akzent setzen. Mit dem Vorhaben führt die Musik-Akademie ihre Strategie der baulichen Erneuerung fort, die zuletzt 2014 mit dem Jazzcampus von Buol & Zünd an der Utengasse im Kleinbasel starke Spuren hinterlassen hat.
Felippi Wyssen mit neuem Wohnbau.
Bereits im Bau ist ein Punkthaus in einem Hinterhof der Kleinbasler Oetlingerstrasse von Felippi Wyssen Architekten (2009 gegründet, 2021 aufgenommen in den Bund Schweizer Architekten). Im Auftrag der Zürcher Anlagestiftung Pensimo haben die Architekten bereits das benachbarte Eckhaus saniert und umgebaut, nun folgt der Neubau im Innenhof – hervorgegangen aus einem Wettbewerb. Auffallend ist die grosse Transparenz des viergeschossigen Hauses; neben dem luziden Beton-Holz-Stahl-Glas-Bau ragt ein freistehender Liftturm auf. Dieser sowie die ins Freie verlegten Treppen und Laubengänge sind in Stahl ausgeführt. Die Auslagerung der Infrastruktur beruhigt die Grundrisse der acht 3,5-Zimmer-Maisonette-Wohnungen mit je 63 Quadratmetern. Felippi Wyssen leisten mit diesem Projekt einen hochwertigen Beitrag zum kontrovers
1
2
3
diskutierten Thema Nachverdichtung in der Stadt. Zugleich verleihen ihre formalen Zitate dem Wohnhaus seinen besonderen Charakter, so das an Gewerbebauten der Umgebung erinnernde Dach.
www.herzogdemeuron.com, www.architectureclub.ch, www.felippiwyssen.ch ArchitekturBar mit Felippi Wyssen: Mi 16.11., didi:offensiv, Erasmusplatz, Basel, www.didioffensiv.ch
1 Visualisierung Neubau Architekturbüro, Dreispitz-Areal © Herzog & de Meuron Ltd. 2 Visualisierung Umbau und Erweiterung Musik-Akademie Basel «Campus 2040» © Architecture Club 3 Modell Neubau Wohnhaus Oetlingerstrasse © Felippi Wyssen Architekten
50 Jahre Institut Architektur
Seit 1972 bildet die heutige Fachhochschule Nordwestschweiz Architektinnen und Architekten aus. In den Anfangsjahren prägten Persönlichkeiten wie Michael Alder oder Dolf Schneebeli die im Vergleich kleine Institution, die sich selbst als «Schule des Lebens» verstand. Zum Jubiläum gibt es drei öffentliche Anlässe: eine Buchvernissage zu den Publikationen «Beyond Concrete» und «Casa Kalman – Luigi Snozzi», Stadtspaziergänge zu Basler Bauten von aktuellen und ehemaligen Studierenden und Lehrpersonen sowie eine Podiumsdiskussion über Architekturausbildung gestern, heute und morgen.