rara DAS MAGAZIN VON PROSPECIERARA AUSGABE 2 /2015
RENAISSANCE DER HISTORISCHEN BALKONGERANIEN Seite 5
BOCK AUF EINEN NEUEN BOCK ? Seite 10
SETZLINGSMÄRKTE SCHAFFEN ZUGANG Seite 12
DAS PERFEKTE BACKUP AUS DER TIEFKÜHLTRUHE ? Seite 15
Schweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren 1
ProSpecieRara sorgt dafür, dass die alten Balkongeraniensorten, die zu unserem kulturhistorischen Erbe gehören, überleben. Mehr dazu ab Seite 4.
JAHRESBERICHT Erfahren Sie, was im vergangenen Geschäftsjahr bei ProSpecieRara gelaufen ist. Ab Ende Mai finden Sie den detaillierten Jahresbericht auf www.prospecierara.ch /de /jahresberichte.
DANKESCHÖN ! Ihre Unterstützung bringt unsere Arbeit voran: Gönnerschaft Plus à CHF 120.– /Jahr Gönnerschaft à CHF 70.– /Jahr Paargönnerschaft à CHF 90.– /Jahr Juniorgönnerschaft (bis 25 Jahre) à CHF 35.– /Jahr Tier-Patenschaft à CHF 150.– bis CHF 450.– /Jahr Baum-Patenschaft à CHF 250.– /Jahr Für Spenden: PC 90 -1480-3 IBAN CH29 0900 0000 9000 1480 3 BIC POFICHBEXXX
Online spenden Neu können Sie Ihre Spende auch per Kreditkarte oder PostFinance-Karte tätigen. Auch das Einrichten von Daueraufträgen ist möglich.
Die Organisation ProSpecieRara
ist seit 1997 ZEWO-zertifiziert. www.prospecierara.ch/de/spenden
2
Editorial
Gertrud Burger, Bereichsleiterin Pflanzen
Zierpflanzen sind – genauso wie Nahrungspflanzen – ein wertvolles kulturhistorisches Erbe. Weil der Mensch nie vom Brot allein leben wollte, schmückte er seine Gärten und Fenstersimse schon früh mit prächtigen Zierstauden und leuchtendem Sommerflor. Nun ist es an ProSpecieRara, den Schatz von damals zu bewahren. Und so vermehren unsere Zierpflanzen-Aktiven sorgfältig ihre Schützlinge. Sie überwintern beispielsweise, wie einst unsere Gross mütter, ihre ProSpecieRara-Geranien und lassen diese jeden Frühling von neuem erblühen. Umsichtig gehen auch unsere Tierhalter ans Werk. Sie wägen verantwortungsvoll zwischen traditionellen und modernen Zuchttechniken ab – immer auf der Hut, die genetische Vielfalt innerhalb der einzelnen Rassen zu bewahren. Dank Ihrer Unterstützung ist es uns möglich, auf verschiedenen Ebenen sorgfältig und verantwortungs bewusst zu handeln. Wir danken Ihnen für Ihre Treue ! 3
Die Sorte ’Regina’ erfreut mit ihrem hellen, warmen Rosa. Sie wurde 1964 an der Internationalen Gartenschau in Wien mit einem Ehrenpreis in Gold für besondere Leistung ausgezeichnet und ist heute Ursprungssorte für zahlreiche Züchtungen. 4
Fokus
Sie blühen natürlich zu spät … Martina Föhn, Projektleiterin Zierpflanzen, Text: Nicole Egloff
Auch des Schweizers liebste Balkon pflanze, die Geranie (bzw. Pelargonie), hat ihre regionale Vielfalt eingebüsst. Gründe dafür gibt es einige, nicht zuletzt ist die Entfremdung des Konsumenten von der Pflanze dafür verantwortlich. Lassen Sie sich in unserer neuen PelargonienAusstellung in Bern von den alten Sorten begeistern und lernen Sie diese besser kennen. Ein Blütenmeer aus Weiss, Rosa, Rot und V iolett in den unterschiedlichsten Schattierungen eröffnet sich uns, als wir im ver gangenen Sommer das Gewächshaus von Stadtgrün Bern besuchen. Martina Föhn, unsere Zierpflanzenexpertin, ist zusammen mit Manfred Wyss und Erica Häderli, zwei ausgewiesenen Pelargonien-Kennern, auf Entdeckungstour. Das Ziel: möglichst viele der hier wachsenden Pelargonien bekannten Sorten zuzuordnen. Manfred und Erica gehören selber zu einer raren Spezies. Sie sind leidenschaft liche Pelargonien-Sammler und pflegen ihre Schützlinge sorgfältig. Erica hat für ihre 900 Pelargonien-Sorten eigens einen doppelstöckigen Wintergarten gebaut, 5
um sie alle gut überwintern zu können, und Manfred richtet seine Gärtnerei in Zell /LU immer mehr auf Pelargonien aus.
BLUMEN ALS WEGWERFWARE Während früher die familieneigenen Pflanzen wertvoll waren und von Mutter zu Tochter stets weitergegeben wurden, kompostiert man heute im Herbst seine Pelargonien und kauft im Frühling für wenig Geld neue. «Dauertiefpreis 1.45 CHF /Stück» so werben Landi und Co. für ihr Sortiment. «Selbst Pflanzen unterliegen der heutigen Wegwerfmentalität. Ich finde es ethisch und öko logisch fragwürdig, Pflanzen, die von Natur aus mehrjährig sind, jedes Jahr zu ent sorgen und wieder neu zu kaufen», gibt Zierpflanzenexpertin Martina zu bedenken. «Die Erinnerungen an eigene Vorfahren, die mit den weitergegebenen Pflanzen einst lebendig geblieben sind, gehen so ebenfalls verloren.»
Einen zweistöckigen Wintergarten, wie Erica ihn ihr Eigen nennt, ist nicht Voraussetzung, um Pelargonien zu überwintern. Ein kühler Keller oder eine frostfreie Garage sind gute Überwinterungsplätze (siehe Box). Zugegeben, im Winter sind die Pelargonien keine Schönheiten. «Aber wenn aus den paar halb vertrockneten Zweigen im Frühling sattgrüne Blätter zu spriessen beginnen und sich langsam die Blüten bilden, ist das ein ungemein schönes Gefühl. Die Beziehung zu einer solchen Pflanze ist viel intensiver als zu einer, die ich schon in voller Blüte kaufe und dann lediglich noch irgendwo in ein Blumenkistchen pflanze» – die Frühlingsgefühle sind in Martinas Worten förmlich zu spüren.
GROSSE SÜDAFRIKANERINNEN Die Konsumenten sind sich gewohnt, ab Anfang April blühende Pelargonien im Verkauf zu finden. Dank der Produktion auf den
Wunderbarer Arbeitsort: Martina Föhn, ProSpecieRara-Zierpflanzenexpertin, mit Erica Häderli und Manfred Wyss, Pelargonien-Experten, beim Bestimmen der eingeschickten Sorten. 6
kanarischen Inseln oder in holländischen Gewächshäusern, wo sie entsprechend gepusht werden, ist dies möglich. In der Schweiz produzierte Pelargonien kommen rund drei Wochen später in den Verkauf. Die alten Sorten, welche noch näher mit ihren aus Südafrika stammenden Vorfahren verwandt sind, blühen noch später. Auch wachsen sie deutlich höher als moderne Sorten (wilde Pelargonien können bis zu 2 m hoch werden). Um dieses vermarktungs technische Manko auszugleichen, produziert nun das Gartenhaus der Firma Wyss in Ostermundigen die ProSpecieRara-Sorten als Solitärpflanzen, die einzeln in grössere Töpfe gepflanzt werden – ein wahrer Blickfang. Dies wird der Pflanze gerecht und ermöglicht den Verkauf auch später im Jahr, wenn alle Balkonkistli bereits bepflanzt sind. Abgesehen von Nischenprodukten wie ProSpecieRara-Sorten, wo der Konsument etwas Spezielles sucht und deshalb bereit
INTERN PELARGONIEN ÜBERW
•V or dem ersten Frost die Pelargonien im Kistchen oder im Topf in einen kühlen, frostfreien (5 bis 10°C) Raum stellen (z. B. Keller, Treppenhaus, Garage). • Alle Triebe mit einer scharfen Gartenschere auf ca. 10 cm zurückschneiden, pro Trieb 2 – 3 Knoten stehen lassen. • Aus den abgeschnittenen Trieben können auf der hellen, warmen Fensterbank neue Pflanzen gezogen werden. • Welke Blätter entfernen (möglicher Krankheitsherd). • Je dunkler das Winterquartier ist, desto niedriger sollte die Temperatur sein. Stehen sie zu warm und zu dunkel, treiben sie vorzeitig aus und bilden lange, dünne Triebe. • Die Pelargonie leicht feucht halten, die Erde darf nie komplett austrocknen, keine Staunässe ! • Im Frühling die Pelargonie in frische Blumenerde umsetzen und ab Mitte Mai ins Freie stellen (in Frostnächten ins Haus nehmen). • Zu Beginn vor direkter Sonnenein strahlung schützen ( Sonnenbrand ! ) und wieder giessen.
7
ist, einen etwas höheren Preis zu bezahlen, sind heute nur noch Angebote aus inter nationaler Produktion konkurrenzfähig. So ist es nicht erstaunlich, dass es keine Schweizer Zuchtbetriebe mehr gibt, die lokale Sorten vermehren und weiterentwickeln.
BERN = ZÜRICH ? In der Pelargoniensammlung in Bern wird derweil gefachsimpelt. Denn hier wachsen alle Pelargonien, die 2009 nach einem Suchaufruf an ProSpecieRara eingeschickt wurden. Meist war der Sortenname unbekannt, so dass man die Pflanzen erst mal nach ihrer Herkunft benannte, z. B. ’von Egliswil’, ’Berta von Staufen’ oder ’von Wildegg’. Um nun die eigentlichen Sorten herauszufinden, ist Martina mit den beiden
ONIE ? GERANIE ODER PELARG
Experten zum Blütenmeer gereist. Einfach ist diese Aufgabe nicht. Die erste Sorte ist jedoch identifiziert, bevor Martina ihr Schreibzeug ausgepackt hat – die ’von Herrenschwanden’ entpuppt sich rasch als ’Queen of Denmark’, eine alte Sorte, die der dänischen Königin Louise (1817– 1898) gewidmet ist. Bei anderen wird länger diskutiert und in den mitgebrachten Büchern nachgeschlagen: Ist nun die ’Stadt Zürich’ identisch mit der ’Stadt Bern lachs’ und ’Grosser Garten’? Der Verdacht liegt nahe, dass die stolzen Berner und Zürcher die Pelargoniensorte, welche über Jahre ihre Strassen säumte, kurzerhand nach ihrer Stadt benannten, auch wenn vom Züchter ein anderer Name vorgesehen war. «Diese häufigen Umbenennungen machen die Sortenbestimmung nicht einfacher – aber sie zeigen die regionale Bedeutung ein zelner Sorten und somit auch ein Stück Zeitgeschichte auf», so Martina.
Bild: Markus Walti
ZURÜCK ZU DEN WURZELN
Geranien und Pelargonien sind zwei verschiedene Gattungen innerhalb der Familie der Storchenschnabelgewächse (Geraniaceae). Was wir umgangssprachlich als Geranien bezeichnen, sind aber Pelar gonien. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist die Blüte. Bei den Geranien (links) sind die fünf Blütenblätter gleichmässig radiär angeordnet, bei den Pelar gonien hingegen sind die oberen zwei Blütenblätter länger als die unteren und oftmals gezeichnet. Von den Pelargonien gibt es zudem viele Sorten mit gefüllten Blüten. Die bei uns verwendeten Geranien sind winterhart, während die Pelargonien nur in frostfreien Räumen überleben.
8
«Glücklicherweise gibt es Leute wie Erica und Manfred», zeigt sich Martina erfreut, «und glücklicherweise findet auch im Bereich der Zierpflanzen langsam ein Umdenken statt, so dass den natürlichen Lebenszyklen und Bedürfnissen einer Pflanze wieder mehr Beachtung geschenkt wird». Manfred bestätigt diesen Eindruck: «In meiner Gärtnerei bemerke ich einen klaren Trend zurück zu mehr Swissness, weg von der massenhaft produzierten Einheitsware.» Und so werden heute auch bei Coop wieder einzelne alte Schweizer Pelargonien sorten unter dem ProSpecieRara-Label angeboten. Eine schöne Auswahl gibt es zudem am ProSpecieRara-Zierpflanzenmarkt in Bern (17. Mai) und am Berner Granium märit (23. und 24. April). Die Pelargonienausstellung ist von Mai bis Oktober jeden ersten Freitag im Monat (ausser Feiertagen) von 13 – 16 Uhr geöffnet. Stadtgrün Bern, Elfenauweg 94d, 3006 Bern
Der Garten im Kreuzgang des Zürcher Grossmünsters bietet Inspiration für eher schattige Bepflanzungen. Zu Ehren des dort begrabenen Universalgelehrten Conrad Gesner wurden die vier Beete nach den vier Elementen bepflanzt.
LEBEN HISTORISCHE ZIERPFLANZEN ER In ProSpecieRara-Schaugärten können Sie die historischen Zierpflanzensorten hautnah erleben. Alle Gärten sind öffentlich zugänglich (Öffnungszeiten beachten ! ), es finden auch Führungen statt. •K reuzganggarten im Grossmünster Zürich (Führung: 9. 6. 2015, 17 Uhr) •S chaugarten in der Berner Elfenau (Führungen: 27. 5., 19. 8. und 23. 9. 2015, jeweils 18 Uhr) •S taudengarten im neuen Wenken, Riehen (Führungen: 7. 6., 5. 7., 9. 8., 6. 9. und 4. 10. 2015, jeweils 11 Uhr) •H ortensiensammlung im Schloss Meggenhorn (Führung: 30. 6. 2015, 19 Uhr) •P elargonienausstellung bei Stadtgrün Bern (Führung: 23. 6. 2015, 17.30 Uhr) Alle Adressen und weitere Infos finden Sie unter: www.prospecierara.ch/de/zierpflanzengaerten
9
Tiere
Bock auf einen neuen Bock ? Philippe Ammann, Bereichsleiter Tiere
Wenn sich im Herbst die Auen nach einem Zuchtwidder sehnen oder im Frühsommer der Jungbock seine Mutter zu nerven beginnt, dann ist die Tiervermittlung gefragt. Die ProSpecieRaraRassevereine leisten hier seit langer Zeit wertvolle Dienste. Um die Verbreitung der gefährdeten Rassen gemeinsam noch stärker fördern zu können, hat ProSpecieRara die Plattform tierische-raritäten.ch gegründet. Der Nera-Verzasca-Ziegenbock Athos hat seine Arbeit zur vollsten Zufriedenheit seines Besitzers erledigt. Das Resultat seiner Liebesdienste hüpft als quirlige Gitzi-Bande zwischen den Beinen der Mütter herum. Dass einige seiner Töchter in der Herde bleiben sollen, hat allerdings einschneidende Konsequenzen für Athos. Er muss weg, denn wenn er bliebe, würde er über kurz oder lang ein Auge auf seine Töchter werfen. Und mit Inzucht ist in der Erhaltungszucht nicht zu spassen.
«Die neue Platt-
form erleichtert
das Vermitteln von Tieren enorm. Philippe Ammann 10
»
Wollte ein Halter ein Tier verkaufen, so informierte er bisher die Tiervermittlungsstelle seines Rassevereins oder inserierte in Fachzeitschriften und auf verschiedenen Internetmarktplätzen. Für den Tiervermittler war es nicht immer einfach, erfolgreich zu vermitteln. Er konnte zwar Angebote und Wünsche entgegennehmen, hatte aber nur beschränkte Möglichkeiten, diese zu veröffentlichen. Unbefriedigend war zudem, dass auf dem freien Inseratemarkt immer wieder unseriöse Angebote kursierten. Mit etwas Pech wurden einem reinrassige Enten angeboten, die in Wirklichkeit Mischlinge sind, oder Zuchtziegen, die noch nie ein Junges hatten. Auch bestand keine Garantie dafür, dass die Tiere in einem Zuchtbuch erfasst sind, was aber für seriöse Erhaltungs zucht unerlässlich ist.
EINE PLATTFORM FÜR ALLE PROSPECIERARA-RASSEN Der Wunsch nach einem Marktplatz mit ausschliesslich seriösen Angeboten war daher gross. Um den Käufern diese Garantie geben zu können, hat ProSpecieRara mit Unterstützung des Bundesamtes für Landwirtschaft tierische-raritäten.ch ins Leben
Verkäufer und Käufer von gefährdeten Nutztierrassen finden sich künftig leichter.
gerufen. Die Kernidee dieser Plattform ist, dass der Tierhalter das Inserat gleich selber erfassen kann und dieses anschliessend von den Rassevereinen geprüft und freigegeben wird. Weil die Inserate nach drei Wochen aktiv verlängert werden müssen, bleibt das Angebot, ohne grosse Aufwände für Anbieter und Tiervermittler, immer à jour. Dass alle ProSpecieRara-Rassen auf einer gemeinsamen, zweisprachigen (d & f ) Seite angeboten werden, macht die Plattform attraktiv und soll dabei helfen, wert volle Zuchttiere erfolgreicher an neue Plätze vermitteln zu können. So wird man bei der Suche nach einem neuen Stier en passant auch noch auf eine Gruppe rarer Junghennen aufmerksam, die auf diese Weise rascher ein neues Zuhause finden.
Die Tiervermittler des Zuchtvereins können die Angebote mit weiteren Infos aus dem Herdebuch ergänzen. Ein kleines Blutströpfchen-Symbol heisst z. B., dass es sich um ein Tier mit besonders seltener und damit besonders förderungswürdiger Genetik handelt. Es freut uns, dass sich bereits zahlreiche Tiere auf der Plattform tummeln – und der rabenschwarze Athos dank tierischeraritäten.ch seine Gene nun in einer neuen Nera-Verzasca-Herde weitergeben darf.
www.tierische-raritäten.ch
11
Vermarktung
Setzlingsmärkte schaffen Zugang Interview Nicole Egloff mit Nadja Kalmbach-Wyss
Die Nachfrage nach alten Obst- und Gemüsesorten und damit nach Saat- und Pflanzgut von ProSpecieRara-Sorten ist in den letzten Jahren stark gestiegen. An den Setzlingsmärkten von ProSpecieRara finden interessierte Gärtnerinnen die begehrten Raritäten. Bis dato war dies alljährlich in Zürich, Wildegg, Wil /SG und Bern der Fall, ab diesem Jahr neu auch in Chur. Jeden Frühling strömen tausende Garten enthusiasten an die ProSpecieRara-Setzlingsmärkte in der ganzen Schweiz. Alleine 13’000 sind es in Wildegg. Weil die Nach frage nach solchen Märkten stetig steigt und das Thema «Zugang schaffen» ein Kernelement unserer Arbeit ist, hat ProSpecieRara 2014 eine eigene Stelle für die Organisation der Märkte geschaffen. Nadja Kalmbach-Wyss hat als neue Projektleiterin Vermarktung sogleich den Setzlingsmarkt in Chur ins Leben gerufen.
Nadja Kalmbach-Wyss, ausgebildete Marketingfachfrau, organisiert nicht nur die ProSpecieRara-Märkte, sondern ist als Präsidentin des Verband Schweizer Skuddenzüchter auch privat für die seltenen Rassen im Einsatz. 12
WARUM GERADE CHUR ? Pro Natura Graubünden ist mit der Anfrage auf uns zugekommen. Sie wollten einen Setzlingsmarkt, der die Vielfalt im Garten widerspiegelt – wo also sowohl Wild- als
auch Kulturpflanzen-Setzlinge angeboten werden. Dieses Ansinnen passt gut zu unserem Bestreben, Zugang zu alten, raren und samenfesten Sorten zu schaffen.
«ZUGANG SCHAFFEN»: WAS HEISST DAS GENAU ? Gerade ein Bergkanton wie Graubünden hat viele lokal angepasste, alte Sorten, die im Handel kaum mehr zu finden sind. Sie gedeihen in ihrer Ursprungsregion aber oftmals besser als moderne Sorten, die weit weg gezüchtet wurden. Somit ist es für den Gärtner interessant, diese Sorte anzubauen. An unseren Setzlingsmärkten findet man diese Raritäten. Wer sie anbaut, tut aber nicht nur sich Gutes, sondern auch der Sorte. Denn je häufiger sie angebaut wird, desto lebendiger bleibt sie erhalten – genetisch und kulturell gesehen.
WAS BRAUCHT ES, UM EINEN NEUEN SETZLINGSMARKT INS LEBEN ZU RUFEN ? Einen geeigneten Austragungsort, Infra struktur, Kontakte zu Behörden und lokalen Partnern, Kommunikation, Helfer und vieles mehr. Am wichtigsten sind natürlich die Produzenten, die Setzlinge kultivieren und auf den Markt bringen. Wir möchten die Markt-Plattform möglichst Produzenten aus der Region anbieten. Im Bündnerland gibt es bereits Gärtnereien und Private, die alte Sorten kultivieren und diese damit erhalten. Andere entdecken die Möglichkeit erst neu und sehen darin auch einen potentiellen zusätzlichen Betriebszweig. Fast alle haben jedoch Anfang Mai saisonbedingt wenig freie Kapazität – da liegt die grösste Herausforderung für uns. Denn wir möchten den Marktbesuchern ein vielfältiges Angebot zeigen können und zu möglichst vielen alten Sorten Zugang schaffen.
DIE ZUKUNFT : PROSPECIERARASETZLINGSMÄRKTE IN ALLEN STÄDTEN ? Das wäre schön – und nicht nur in den Städten –, ist aber in der aktuellen Form sicher nicht realisierbar. Denn Setzlingsmärkte ergeben nur in einem Zeitfenster von Ende April bis ca. Mitte Mai wirklich Sinn – also an vier Wochenenden. 2016 werden wir in der Innerschweiz noch einen neuen Setzlingsmarkt lancieren, damit haben wir die Grossregionen der Deutschschweiz abgedeckt. Die Märkte in Vevey, Vernier, San Pietro di Stabio und Giubiasco decken die Nachfrage in der Romandie und im Tessin. Noch mehr Märkte werden wir selbst kaum veranstalten können, aber vielleicht gemeinsam mit Partnern, so wie wir dies seit vier Jahren in Wil /SG umsetzen. www.prospecierara.ch/de/veranstaltungen
1. SETZLINGSMARKT IN CHUR
Rare Gemüsesorten mit Geschmack und Geschichte, nektarreiche Wildpflanzen und Zierpflanzen, die nicht jeder hat: Willkommen auf dem Churer Setzlingsmarkt mit dem Motto «Vielfalt für Ihren Garten», organisiert von ProSpecieRara und Pro Natura Graubünden. Samstag, 9. Mai 2015, 10 – 16 Uhr Arcasplatz 7000 Chur
13
Agenda
TAGE DER OFFENEN BEERENSAMMLUNG
Spezielle Gemüsesorten, Zierpflanzen wie sie schon unsere Grosseltern kannten oder Kräuter, die nicht an jeder Ecke zu finden sind. Das bieten die verschie denen ProSpecieRaraSetzlingsmärkte. Tomatensetzlingsmarkt 24. April 2015, 14 – 19 Uhr 25. April 2015, 9 – 13 Uhr Stadtgärtnerei Zürich Sackzelg 25 /27, 8047 Zürich Setzlingsmarkt Wildegg 2. und 3. Mai 2015, 9 – 17 Uhr Schloss Wildegg 5103 Wildegg /AG Setzlingsmarkt Chur 9. Mai 2015, 10 – 16 Uhr Arcasplatz, 7000 Chur Setzlingsmarkt Wil 9. Mai 2015, 9 – 17 Uhr Gärtnerei der Psychiatrischen Klinik, Zürcherstrasse 30 9500 Wil /SG Zierpflanzenmarkt Bern 17. Mai 2015, 9 – 17 Uhr Stadtgrün Bern, Elfenauweg 94d 3006 Bern An all diesen Setzlingsmärkten können die Stadt-TomatenGutscheine eingelöst werden. www.stadt-tomaten.ch
14
Dass Stachelbeeren nic ht unbedingt sauer sein müssen, Himbeeren au ch in Gelb und Schwarz existie ren und Amazonen wahrlich süsse Früchtchen sein können, das entdecke n Sie in der Nationalen Beere nsammlung. Von Ende Mai bis Mitte Juli nimmt Sie der Beeren-Experte Martin Frei jeden Samstagmorgen mit auf spannende Exp edi tionen durch die Welt der Beeren – Degusta tion inklusive. 23. Mai bis 11. Juli 201 5 Jeden Samstag von 9 – 12 Uhr Ecke Mohrhaldenstras se / Dinkelbergstrasse 4125 Riehen /BS
WEITERE ANLÄSSE 1 JAHR ARCHE-HOF RÜE GG 30. und 31. Mai 2015, 10 – 17 Uhr 8734 Ermenswil /ZH ENUSSVOLLE G GARTENFÜHRUNGEN 18. Juni, 13. August, 10. September 2015, 18 – 20 Uhr 4052 Basel BRUNCH IM CENTRO PROSPECIERARA SAN PIETRO 26. Juli und 16. August 2015 ab 10.30 Uhr 6854 S. Pietro di Stabio /TI
SONNTAGS FÜHRUNGEN
Im ProSpecieRara-Garten auf Schloss Wildegg und im Gar ten rund um den ProSpecieRara-Hauptsitz in den Merian Gärten bei Basel finden in den Sommermonaten jeden Sonntag öffentliche Führungen statt. Lassen Sie sich hier für den eigenen Gar ten inspirieren und staunen Sie über blühende Salate und viele aussergewöhnliche Arten wie Gar tenmelde, Haferwurzel & Co. Juni bis September 2015 Jeden Sonntag um 11, 12, 14 und 15 Uhr Schloss Wildegg 5103 Wildegg /AG Die Führ ung ist kostenlos, der Eintritt in den Garten kostet CHF 7.– Juni bis September 2015 Jeden Sonntag um 15 und 16 Uhr Hauptsitz ProSpecieRara Merian Gärten Unter Brüglingen 6, 4052 Basel Kostenlos
© iStock.com/sorendls
UNSERE SETZLINGSMÄRKTE
Tiere
Das perfekte Backup aus der Tiefkühltruhe ? Philippe Ammann, Bereichsleiter Tiere
Minus 196 Grad Celsius ist das Mass aller Dinge bei der Lagerung von Spermien und Embryonen von Nutztieren. Untergetaucht in flüssigem Stickstoff können die Zellen lebend gelagert und bei Bedarf viele Jahre später in der Zucht wieder eingesetzt werden. Ein Segen für die Absicherung gefährdeter Nutztierrassen ? Oft schon kam mir bei der Betrachtung der Samen von über 1400 Gemüse- und Ackerpflanzen in der ProSpecieRara-Samen bibliothek der Gedanke, wie schön es wäre, wenn wir im Tierbereich die Genetik ebenfalls so einfach einlagern könnten. Ein zwischenzeitlicher Rückgang der Nachfrage nach Tieren könnte ohne genetische Verluste einfach mit «Saatgut» umschifft werden. Pflanzensamen bieten effektiv eine gewisse Flexibilität in der Sortenerhaltung, denn sie lassen sich meist über längere
Zeit lagern. Dennoch setzt ProSpecieRara bei der Absicherung der Sorten nicht auf eine Genbank, wo Saatgut möglichst lange eingefroren wird. Vielmehr verfolgt die Stiftung mit der Samenbibliothek eine so genannte in situ (on-farm) Strategie, d. h. die Sorten werden immer wieder auf Feldern und in Gärten angepflanzt und bleiben so an die Umgebung angepasst. Letzteres ist bei den Tieren nicht anders: Die in-situ-Erhaltung hat verglichen mit der Absicherung in einer Genbank gewichtige
«Die relative
einfache Haltung von Widdern und Böcken ist ein Segen für die Erhaltungszucht. Bei Schafen (im Bild Bündner Oberländer Lämmer) ist die künstliche Besamung kein Thema.
»
Philippe Ammann
15
Vorteile. Die Rassen können sich über Gene rationen laufend an Umweltveränderungen anpassen, und die Menschen können das Wissen rund um die Haltung sowie die Zucht der alten Rassen entwickeln und weiter geben. So fügen sich Genetik, Fachwissen und kulturelle Werte zusammen und defi nieren die Rassen gesamtheitlich. Die Tiefkühllagerung spielt bei den gefähr deten Rinderrassen dennoch eine gewisse Rolle. Das Bundesamt für Landwirtschaft ist daran, zwecks Absicherung Sperma reserven anzulegen, damit z. B. durch Seuchen verlorene Vatertiere ersetzt werden können, sofern dies nötig werden sollte.
DAS EINE TUN UND DAS ANDERE NICHT LASSEN Das Angebot an Tiefkühlsperma von gefährdeten Rinderrassen hat auch dabei geholfen, Betriebe für die Erhaltungszucht zu gewinnen, die keine eigenen Stiere halten können. So weit, so gut. Die Herausforderung steckt jedoch im Detail. Aus Kostengründen konnten nur wenige Stiere abgesamt werden. Zur kleinen Auswahl an Sperma kommt verschärfend hinzu, dass nicht regelmässig neue Stiere abgesamt werden konnten und man darum über längere Zeitspannen immer wieder auf dieselben Stiere zurückgreifen musste. Würde man ausschliesslich auf künstliche Besamung setzen, dann führte dies unweigerlich zu einer gefährlichen genetischen Verarmung innerhalb einer Rasse. Der Einsatz vieler verschiedener Stiere im Natursprung ist für die genetische Breite und somit für die Erhaltung einer Rasse auf jeden Fall ein Segen. Weil die künstliche Besamung aber heute dazugehört, ist es wichtig, dass regelmässig genügend viele Stiere abgesamt werden. Darum fördert ProSpecieRara z. B. im aktuellen Projekt für die Evolèner Rinder sowohl die Aufzucht junger Stiere für den Natursprung wie auch das Absamen von neuen Stieren für die künstliche Besamung. 16
Die Stierenhaltung (im Bild der Rätische-Grauvieh-Stier Sylvester) ist immens wertvoll in der Erhaltungszucht, denn jeder lebende Stier vergrössert den Genpool. Wo kein Natursprung möglich ist, kann für die Zucht gefrorenes Sperma eingesetzt werden. 17
Kolumne
Tipps
Ein gutes Gespann Beatrice Tobler Ballenberg, Mitglied der Geschäftsleitung a. i.
Im Freilichtmuseum Ballenberg leben während der Saison über 200 Bauernhof tiere. In den zahlreichen Gärten werden alte Gemüse- und Blumensorten liebevoll gehegt und gepflegt. Dieses Jahr erhalten die Tiere und Pflanzen besondere Aufmerksamkeit. Das Jahresthema lautet: «Ein gutes Gespann – Landwirtschaft im Freilichtmuseum». Das Team des Museums erledigt so viele Arbeiten wie nur möglich im traditionellen Stil. Auf den Wiesen, Feldern und in den Gärten zählt die Muskelkraft von Mensch und Tier. Seit Jahren ein gutes Gespann sind das Freilichtmuseum und ProSpecieRara. Der Ballenberg will nicht nur mithelfen, Arten zu erhalten, sondern auch Werte weiter geben. In früheren Jahrhunderten lebte die ländliche Bevölkerung der Schweiz von den lokalen Ressourcen – von dem, was der Wald, das Feld, der Garten und die Tiere hergaben. Pflanzen und Tiere waren an die lokalen Bedingungen angepasst. Die Lebensweisen unterscheiden sich stark von den heutigen, es gibt aber einiges, was wir daraus lernen können. Der Ballenberg will den Museumsgästen Lust machen, den Gedanken von ProSpecieRara im eigenen Garten oder Stall weiterzutragen.
18
Eine Entdeckungsreise in die Welt der Gemüsesamen. Auf spielerische Art wird die Gemüsevielfalt entdeckt, selber gesät, Gemüse geerntet und verarbeitet – und Samen vermehrt. ProSpecieRara hat die Autorin Andrea Frommherz beim Entstehungsprozess dieses Buches begleitet. Das Buch ist neu im AT Verlag erschienen und für CHF 32.90 erhältlich. Bestellung: www.prospecierara.ch/de/shop ➔ Kinder Telefon 061 545 99 11
RTEN TAG DER OFFENEN GÄ
Den ganzen Sommer über, insbesondere am 13. und 14. Juni, öffnen diverse Privatgärten in der Schweiz ihre Tore. Mitglieder von verschiedenen Institutionen rund um das Thema Garten, darunter auch ProSpecieRara, sind eingeladen, ihre Gärten zu öffnen. Lassen Sie sich inspirieren, oder öffnen Sie gar selbst Ihren Garten, um die Besucher von den traditionellen Sorten zu überzeugen. www.offenergarten.ch
IMPRESSUM Das Magazin «rara» für Gönnerinnen und Spender von ProSpecieRara erscheint viermal jährlich in deutscher, französischer und italienischer Sprache. Herausgeberin: Stiftung ProSpecieRara, Basel, Schweiz Redaktion: Nicole Egloff, Anna Kornicker Texte: Gertrud Burger, Nicole Egloff, Philippe Ammann Fotos: ProSpecieRara Gestaltung: Reaktor AG, Kommunikationsagentur ASW, Aarau Druck: SuterKeller Druck AG, Oberentfelden Papier: Cocoon 100 % Recycling 90 g /m2 Auflage: 26 800 Ex. deutsch, 6450 Ex. französisch, 1350 Ex. italienisch Weiblein und Männlein: Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, verwenden wir jeweils entweder die weibliche oder die männliche Form, selbstverständlich sind immer beide Geschlechter gemeint.
RARA BESTELLEN Gefällt Ihnen unser Magazin rara ? Falls Sie es nicht bereits zugeschickt b ekommen, können wir dies künftig gerne tun. Melden Sie sich für ein unverbindliches Probeabo an. info@prospecierara.ch, Telefon 061 545 99 11
STIFTUNG PROSPECIERARA Schweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren. ProSpecieRara Hauptsitz Unter Brüglingen 6 4052 Basel Schweiz Telefon +41 61 545 99 11 Fax +41 61 545 99 12 info@prospecierara.ch www.prospecierara.ch
ProSpecieRara Suisse romande c/o Conservatoire et Jardin botaniques de Genève Case postale 60 1292 Chambésy Suisse Téléphone +41 22 418 52 25 Fax +41 22 418 51 01 romandie@prospecierara.ch www.prospecierara.ch
ProSpecieRara Svizzera italiana Via al Ticino 6592 S. Antonino Svizzera Telefono +41 91 858 03 58 Fax +41 91 858 03 03 vocedelsud@prospecierara.ch www.prospecierara.ch
19
Besuchen Sie unsere Setzlingsm채rkte!
Setzlingsmarkt Wildegg 2. & 3. Mai 2015
hur kt C r a sm ling z t e 5 S i 201 9. Ma
kt Wil / SG Setzlingsmar 9. Mai 2015
www.prospecierara.ch/de/veranstaltungen
Schweizerische Stiftung f체r die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren
20
Zierpfl anzenm arkt Be 17. Mai rn 2015
F체r Spenden: PC 90-1480-3 IBAN CH29 0900 0000 9000 1480 3