rara 2 2016 deutsch

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rara DAS MAGAZIN VON PROSPECIERARA AUSGABE 2 /2016

MULTITALENTE IN BEDRÄNGNIS Seite 5

WISSEN WEITERGEBEN – VIELFALT VERMEHREN Seite 10

SORTENERHALTUNG  : WISSENSCHAFT ODER ALLTAGSWISSEN  ? Seite 12

AUF SCHATZSUCHE IN DEN ALPEN Seite 16

Schweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren 1


Bild: Anja Tschannen

Von den eleganten Pommernenten, der einzigen Landentenrasse in der Schweiz, gibt es hierzulande nur noch gut 200 Zuchttiere.

JAHRESBERICHT Erfahren Sie, was im vergangenen Geschäftsjahr bei ProSpecieRara gelaufen ist. Ab Ende Mai finden Sie den detaillierten Jahresbericht auf www.prospecierara.ch /de /jahresberichte.

DANKESCHÖN ! Ihre Unterstützung bringt unsere Arbeit voran: Gönnerschaft Plus à CHF 120.– /Jahr Gönnerschaft à CHF 70.– /Jahr Paargönnerschaft à CHF 90.– /Jahr Juniorgönnerschaft (bis 25 Jahre) à CHF 35.– /Jahr Tier-Patenschaft à CHF 150.– bis CHF 450.– /Jahr Baum-Patenschaft à CHF 250.– /Jahr Für Spenden: PC 90 -1480-3 IBAN CH29 0900 0000 9000 1480 3 BIC POFICHBEXXX

Online spenden Sie können Ihre Spende gerne auch per Kreditkarte oder PostFinance-Karte tätigen. Auch das Einrichten von Daueraufträgen ist online möglich.

Die Organisation ProSpecieRara

ist seit 1997 ZEWO-zertifiziert. www.prospecierara.ch/de/spenden

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Editorial

Gertrud Burger, Mitglied der Geschäftsleitung

Kompetenzen abrufen und entwickeln, Freude an der Fürsorge für seltene Sorten und Rassen wecken – auch dies will unsere Stiftung bewirken. Der Bereich Bildung und Beratung wurde deshalb gestärkt. So können wir sowohl Neulingen als auch unseren ­langjährigen Aktiven Bildung mit dem gewünschten Tiefgang anbieten. Um Wissen zu erlangen, tauschen wir uns immer wieder mit unseren erfahrenen Tierhaltern und Sortenbetreuerinnen aus. Zum Beispiel zur Frage: Wie können wir die Pommernente mit ihrem attraktiven, aber schwierig zu züchtenden Latz erhalten ? Regelmässig arbeiten wir auch mit Studierenden zusammen, die für uns spezifischen Fragestellungen nachgehen. So geschehen im vergangenen Jahr, als eine Studentin der ZHAW für uns im Unterengadin auf Beeren-Schatzsuche ging. Auf dass sich Begeisterung und Fachkompetenz verbinden, um im Dienste des Fortbestands unserer seltenen genetischen Ressourcen zu wirken ! 3


Einen schĂśnen, rassetypischen Latz (linke Ente) zu zĂźchten, ist nicht ganz einfach. 4


Fokus

MultitalEnte in Bedrängnis Erwin Kump, Projektleiter Tiere

Robust, genügsam und kostengünstig: Die Pommernente ist wie geschaffen für Selbstversorger. Diese positiven Eigenschaften gehen aber mit ­einem langsameren Wachstum einher, was bei Wirtschaftsgeflügel negativ punktet und die Ente mit dem weissen Latz an den Rand des Aussterbens treibt. Ein Latz als modisches Accessoire ist nicht nur hübsch, sondern für die Identität der hier vorgestellten Entenrasse auch unentbehrlich. Doch wie für den gepflegten Herrn das Binden seiner Krawatte bisweilen eine echte Herausforderung darstellt, so ist es für den Züchter anspruchsvoll, den Latz der Pommernente hinzukriegen. Aber dazu später.

Bilder: Anja Tschannen

BEDROHTE MIGRANTIN Die Pommernente ist wie viele von uns durch Migration zur Schweizerin geworden. Einst war sie Deutsche; in Chroniken des 18. Jahrhunderts, als Pommern noch nicht zu Deutschland gehörte, tauchte

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Die beiden offiziellen Farbschläge der Pommernente: Schwarz und Blau.

«Die fidelen

Enten belohnen ihre Halter mit bis zu 150 schmackhaften Eiern pro Jahr. Erwin Kump

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sie sogar als Schwedin auf. Damals legte man grossen Wert auf robuste Tiere – sie mussten noch ohne Kraftfutter und Infrarotlampen gedeihen, anständig Eier legen und zur Schlachtreife heranwachsen. Ihrer Genügsamkeit wegen, vielleicht auch dank ihres extravaganten Brustschmucks, wurden Schweizer Entenzüchter um 1920 auf sie aufmerksam und holten sie hierher. Allerdings ist sowohl in ihrer Ursprungs­ region als auch hierzulande ihre Blütezeit längst vorbei. Zu stark wurde die Konkurrenz durch frühreife Mastrassen wie z. B. Rouenoder Pekingenten. Der Bestand der Pommernenten ist heute allzu leicht überschaubar: In der Schweiz leben zurzeit noch ca. 50 Zuchtgruppen mit knapp 70 männlichen und 120 weiblichen Enten. Zusätzlich hart getroffen wurden die Pommernenten, wenn auch indirekt, durch die Vogelgrippe im vergangenen Jahrzehnt. Die damit einhergehenden veterinärge­ setzlichen Sonderregelungen für die Haltung von Wassergeflügel waren so streng, dass manch ein Züchter aufgab, zumal die Pommernentenzucht in der Schweiz weitgehend von Privatzüchtern betrieben wird, die sich bauliche Sondermassnahmen nicht leisten können.


TÜCKEN DER ZUCHT Bei Pommernenten gibt es zwei offizielle Farbschläge: schwarze und blaue (Fach­ jargon für graue) Tiere. Die Zucht des typischen Exterieurs der Pommernente ist eine Herausforderung, denn ein schöner Latz stellt hohe Ansprüche an den Züchter. Harmonisch in der Grösse und klar abgegrenzt soll er sein und dabei nicht zu weit in die Kehlregion heraufziehen. Man braucht ein gutes Händchen bei der Auswahl der Zuchttiere, um den Frack seiner Enten züchterisch perfekt zu schneidern. Da das Weiss für den Latz ursprünglich von reinweissen Tieren stammt, sind diese noch in den Genen der Pommernente vorhanden. Bei der Brut sind denn auch einige der Nachkommen ­wiederum ganz weiss. Da diese Tiere nicht dem Rassestandard entsprechen, werden sie aus der Zucht ausgeschlossen.

Züchterin Anja Tschannen mit einem ihrer Schützlinge.

LANGSAM, ABER OHO ! Die Züchterin Anja Tschannen hat in ihrer Ausbildung zur Agronomin Pommernenten vom Brutei bis zum Braten begleitet. Aus hunderten von Bruteiern hat sie Küken ­gezogen, gewogen, Futtermittel getestet und Absatzmärkte ausgelotet. Das Ziel: der Pommernente bezüglich Vermarktungspotential bessere Karten zu verschaffen, damit sie mit anderen Mastrassen bis zu einem gewissen Grad mithalten kann. Erfreulicherweise schliesst die Pommernente gut ab ! Sie punktet mit besserer Futterverwertung und Fleischqualität. Prompt fanden sich denn auch Gastronomen, die an der Rasse interessiert sind. Die eingangs als Schwäche skizzierte Spätreife ist für das Fleisch nämlich ein Vorteil: Was langsam wächst, hat mehr Substanz. Besonnene Gastronomen erkennen diese Qualität, geben ihr den angemessenen Wert und bieten so der Pommernente eine wichtige Nische. Anjas Arbeit zeigt, dass nachhaltige Produkte, die sich qualitativ von der Masse abheben, einer bedrohten Rasse neue Chancen eröffnen. Aus dieser Arbeit heraus, wird Anja

Vom Schlupf an wurden die «Pommis», wie sie Anja liebevoll nennt, regelmässig gewogen und ihre Fortschritte dokumentiert.

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ENTEN SELBER HALTEN

nun mit Unterstützung durch ProSpecieRara auf ihrem Hof in der Nähe von Freiburg eine Brutstation für Pommernenten und Diepholzer Gänse aufbauen. Damit soll der momentan bestehende Engpass bei der Verfügbarkeit der Jungtiere verkleinert werden. Soll die Pommernente wieder festen ­Boden unter die Paddel bekommen, ist die Förderung von Erhaltungs- und Vermarktungsprojekten entscheidend. Nur so kann das Potential der Ente mit dem weissen Latz breiter bekannt gemacht und neue Züchterin­ nen, die im grösseren Stil Enten züchten möchten, zum Mitmachen motiviert werden.

DER ENTE UNTER DIE FLÜGEL GREIFEN Obschon pflegeleicht, haben auch ­Enten Bedürfnisse, die man kennen muss: • Halten Sie mindestens ein Paar. ­Enten fühlen sich am wohlsten in der Gruppe. • Geben Sie Ihren Tieren genügend Raum, zäunen Sie diesen aber ein; Sie schützen damit auch Ihre Gartenpflanzen. • Als Wasservögel brauchen sie zwingend ganzjährig eine saubere Schwimmöglichkeit mit Ein- und Ausstieg. Regelmässiger Wasserwechsel ist wichtig. • Ein zugfreier Stall mit Einstreu schützt vor Kälte und vor Raubtieren. Am besten verbringen die Tiere zu ihrem Schutz die Nacht jeweils im Stall. • Für Einsteiger vermittelt der ZUN Fachwissen: www.zun-schweiz.ch • Das Buch «Ente, Gans und Schwan» von Alexandra Vogel-Reich, erschienen im Leopold Stocker Verlag, ­bietet umfassende Infos rund um Wassergeflügel.

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Wer Pommernenten ein Zuhause gibt wird belohnt: Bis zu 150 schmackhafte Eier pro Jahr, ab und zu einen Entenbraten und heitere Momente mit den fidelen Haus­ tieren, die den Garten von Schnecken ­befreien sind garantiert. Die Pommernente ist ein klassisches Mehrnutzungstier. Knapp 50 Züchter setzen sich mit Hin­ gabe für ihre Erhaltung in der Schweiz ein. Um solch engagierten Personen zu helfen, hat ProSpecieRara im Jahr 1999 den Züchterverein für ursprüngliches Nutzgeflügel (ZUN) gegründet, der heute als selbständiger Verein die landesweite Zuchtarbeit koordiniert und Kükenaufzuchtkurse organisiert. Letztes Jahr hat ProSpecieRara die Webseite www.tierische-raritäten.ch ins Leben gerufen, die den Kauf und Verkauf von Pommern­ enten und Tieren von anderen ProSpecieRaraRassen erleichtert. Mit Eifer arbeiten Züchter, ZUN und ProSpecieRara gemeinsam ­daran, die Ente mit dem Latz zu erhalten. Helfen kann jeder Entenfreund auf seine Weise: Unterstützen Sie unsere Arbeit finanziell, oder noch besser: Werden Sie selber Entenzüchterin. Die Box links zeigt Ihnen die wichtigsten Punkte, die es dabei zu beachten gilt.


Pommernenten auf Familienspaziergang: Während bei den Gänsen fürsorgliche, achtsame Väter die Regel sind, ist der sich um seine Familie kümmernde Erpel auf diesem Bild rechts keine Selbstverständlichkeit.

ECKDATEN ZUR POMMERNENTE • • • •

nzahl Eier: gegen 150 Eier /Jahr A Gewicht Eier: > 70 g Gewicht: Erpel ca. 3 kg, Ente 2.3 – 2.7 kg Schlachtreife: 3 – 4  Monate

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Bildung

Wissen weitergeben –  Vielfalt vermehren Interview: Nicole Egloff

Vor zwei Jahren entschied sich ProSpecieRara, den Bereich «Bildung und Beratung» zu stärken. Esther Meduna, Biologin und Lehrerin, sorgt seither dafür, dass das wertvolle Wissen rund um Erhaltung und Verarbeitung der seltenen Sorten und Rassen fachgerecht und erlebbar weitergegeben wird.

KANN MAN DURCH KURSE SORTEN ODER RASSEN RETTEN ? Esther Meduna: Ja, durchaus ! Gerade im Samenbau ist es entscheidend, dass man weiss, welche Arten Selbst- bzw. Fremd­ befruchter sind und was das für die Sorten­

Esther Meduna (rechts) gibt ihr Wissen u. a. am Setzlingsanzuchtskurs weiter. 10

erhaltung bedeutet, worauf bei der Selektion geachtet werden muss und vieles mehr. Nur so kann garantiert werden, dass das ­gewonnene Saatgut sortenrein ist und die nötige genetische Breite behält (siehe dazu Seiten 12 – 14). Ähnliche Fragestellungen


gilt es auch im Tierbereich oder beim Obst zu beantworten. Der «Samenbaukurs» und der «Fachkurs Erhaltungszucht für Tiere» gehören denn auch zu den Grundpfeilern ­unserer Wissensvermittlung. Daneben bieten wir Kurse rund um die Verwendung ­unserer Sorten und Rassen an, denn auch dieses Wissen ist entscheidend für deren Fortbestand. Wie unser Obstexperte Frits Brunner zu sagen pflegt: «Es gibt keine ­Apfelsorte, die man nicht brauchen kann. Man muss nur wissen, welche Sorte man wofür am besten einsetzt.»

DESHALB ALSO AUCH KURSE WIE «ALTE GEMÜSESORTEN HALTBAR MACHEN» ODER «KRÄUTERSALZE HERSTELLEN»? Genau. Und dann organisieren wir auch ­Kurse wie «Obst im Hausgarten», «Gemüsevielfalt auf dem Balkon» oder «Samenvermehrung auf dem Balkon». Mit diesen Kursen sprechen wir die Besitzer von kleinen Gärten oder gar Balkonen an und zeigen, wie es auch mit beschränktem Platz möglich ist, seltene Sorten anzubauen.

WAS SIND DEINE HÖHEPUNKTE IN DEINER ARBEIT ? Grosse Freude habe ich z. B. am Hühnerkurs, den wir 2015 lanciert haben. Einerseits kommt er sehr gut an (dieses Jahr wurde er sogar doppelt geführt), und andererseits hat er dazu geführt, dass ich mit meinen Kindern selber Küken aufgezogen habe. Grundsätzlich finde ich es toll, auf all ­diese lernbegierigen, motivierten Menschen zu treffen, die sich den seltenen Sorten und Rassen annehmen. Dies passiert nicht nur in Kursen, sondern auch bei Führungen, die ebenfalls zu meinem Arbeitsbereich gehö­ ren. An unserem Hauptsitz in den Merian Gärten bei Basel, aber auch im Schlossgarten Wildegg, in diversen Zierpflanzenschaugärten und in unserer Beerensammlung ­bieten wir öffentliche Führungen an, um die Freude an den alten Sorten weiterzugeben.

GIBT’S AUCH ANGEBOTE FÜR SCHULEN ? Mit Gartenbaulehrpersonen an Steiner­ schulen machen wir im Moment ein Pilot­ projekt. Sie haben bei uns letztes Jahr einen speziellen Samenbaukurs besucht und ­kümmern sich jetzt zusammen mit ihren Schülern um den Anbau und die Vermehrung von ProSpecieRara-Sorten. In den staatlichen Schulen gibt es leider nur noch selten Schulgärten, so dass wir beim Projekt Gartenkind (www.gartenkind.ch), einem Freizeitangebot für Kinder, den Aspekt Samenbau einbringen. Unser Genfer Büro hat zudem vor zwei Jahren ein Garten-Kit für Schulen entwickelt, welches es inzwischen auch auf Deutsch gibt. Es enthält Ideen und Vorschläge fürs «Gärtnern im Quadrat». Hier geht’s darum, auf kleinem Raum clever kombiniert viel anzubauen. Natürlich empfehlen wir dabei ProSpecieRara-Sorten und lassen die Kinder die Sortenvielfalt entdecken.

WEITERE INFOS

Das erwähnte Garten-Kit für Schulen können Sie kostenlos herunterladen unter www.prospecierara.ch /de /unterrichtsmaterial Die aktuellen Kurse, wie z. B. «Samen­ vermehrung auf dem Balkon» oder «Obstsorten bestimmen», aber auch alle unsere Führungen finden Sie unter www.prospecierara.ch /de /veranstaltungen

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Saatgut

Sortenerhaltung : Wissenschaft oder Alltagswissen ? Philipp Holzherr, Bereichsleiter Garten-, Acker- und Zierpflanzen

«Samenvermehrung» ist mit relativ wenig Aufwand im eigenen Garten machbar. Anders sieht es bei der gezielten, langfristigen «Sorten­ erhaltung» aus. Hier sind Fachwissen und genaues Beobachten nötig. Bei einigen Arten braucht es zudem eine grosse Anzahl Pflanzen – eine weitere ­Herausforderung für den Hausgarten. Gewiefte Lösungen sind gefragt !

Ein Gärtner kann problemlos einige Samen von einzelnen Pflanzen ernten und im nächsten Jahr wieder aussäen. Oft wird er mit ­genau so schönen Pflanzen wie im Vorjahr belohnt. Will eine Sortenbetreuerin aber eine Sorte langfristig erhalten, würde sie mit nur wenigen samenbildenden Pflanzen bald in einer Sackgasse landen.

INZUCHT VORBEUGEN, GENPOOL ERHALTEN Bei manchen Arten – vor allem bei den sogenannten Fremdbefruchtern wie z. B. den verschiedenen Kohlarten – braucht es für jede Vermehrung mehrere Dutzend Pflanzen, die gleichzeitig blühen. Nur so ist sichergestellt, dass die Gene zwischen den Pflanzen ausreichend ausgetauscht werden und keine Inzuchtprobleme auftreten. Ein Anzeichen für Inzucht ist beispielsweise, wenn sich nur wenige Samen ausbilden oder ertragsschwache, anfällige Pflanzen entstehen. Selbstbefruchter wie zum Beispiel Salate oder Tomaten können sich auch als Einzelpflanzen vermehren. Sie bestäuben sich ­innerhalb einer Blüte mit dem eigenen Pollen. Solche Pflanzenarten können also theoretisch jedes Jahr durch eine einzige Pflanze 12

vermehrt werden. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Bei Nachkommen von Selbstbefruchtern können ebenfalls Veränderungen auftreten, etwa dann, wenn ein Insekt ausnahmsweise doch fremden Pollen in die Blüte trägt, oder wenn eine Mutation auftritt. Deshalb empfiehlt es sich dennoch, mehrere Pflanzen der gleichen Sorte anzubauen, damit man gezielt von den sorten­ typischen, vitalsten Pflanzen Saatgut ernten kann.

ALTES HANDWERK – NEUE ERKENNTNISSE Solche Kenntnisse sind die Grundvoraus­ setzung für Sortenbetreuer, welche für

«Samenvermehrung

und Sortenerhaltung sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Philipp Holzherr

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Von der Aussaat bis zum Saatgut dauert es bei den Karotten zwei Anbauperioden, denn sie blühen erst im zweiten Jahr. Nach der ersten Saison werden die sortentypischsten Karotten ausgewählt und im Sand eingeschlagen überwintert. Als Fremdbefruchter, der von Insekten bestäubt wird, darf jeweils nur eine einzige Sorte im Umkreis von 150 Metern blühen.

FACHWISSEN SORTENERHALTUNG Wichtige Voraussetzungen für die langfristige Erhaltung einer Sorte: • Botanische Grundkenntnisse: Was kann womit verkreuzen ? • Einhaltung der Mindestanzahl ­Samenträger • Selektion: Erhaltung der sorten­ typischen Merkmale • Ernte von gesundem Saatgut Tipp: Um Platz zu sparen, muss nicht jede Sorte jedes Jahr vermehrt werden. Im Vermehrungsjahr soll sie aber optimale Bedingungen vorfinden. Da bei der Vermehrung mit vielen Samen­ trägern entsprechend viel Saatgut anfällt, reicht der Vorrat ­wieder für einige Jahre.

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Um Inzucht zu vermeiden, sollten vom Krautstiel rund 60 Pflanzen gleichzeitig blühen. Achtung: Krautstiel verkreuzt mit Randen oder Zuckerrüben, die ebenfalls zur Art beta vulgaris gehören. Da sie durch den Wind bestäubt werden, muss hier sogar eine Isolationsdistanz von 300 Metern eingehalten werden.

­ roSpecieRara Samen vermehren. Sie erlanP gen diese in Kursen und an Fachtreffen. Der Austausch mit den Sortenbetreuerinnen ist auch für uns bei ProSpecieRara wichtig. Wir sammeln dabei wertvolles Erfahrungs­ wissen rund um die alten Sorten und deren fachgerechte Erhaltung. So sind wir, auch im Austausch mit anderen Erhaltungsorganisationen, zum Schluss gekommen, dass die Mindestanzahl Pflanzen für die Samenvermehrung bei diversen Arten angehoben werden müssen. Zum Beispiel braucht es für jeden Vermehrungsschritt einer Karottensorte mindestens 60 Pflanzen, um die Sorte langfristig erhalten zu können. Viele Sortenbetreuerinnen stellt dies vor Herausforderungen. Neben dem benötigten Platz kommen weitere Aspekte wie z. B. ein sicherer Schutz vor Einkreuzung mit anderen Sorten hinzu. Die Kniffe und Tricks, die wir über die Jahre gesammelt haben, ­geben wir deshalb in Kursen und an Treffen weiter. Mag auch die anspruchsvolle «Sorten­ 14

erhaltung» zunächst wie eine komplexe ­Wissenschaft erscheinen, so wird sie in ­diesem Prozess des Austauschs allmählich wieder zu Alltagswissen.

CHT ! GRÜNE DAUMEN GESU

Wir sind auf der Suche nach weiteren Sortenbetreuern, die mithelfen, die rund 1600 Garten-, Acker- und Zierpflanzen­ sorten zu retten. Weitere Infos finden Sie unter www.prospecierara.ch/de/news/ sortenbetreuer-gesucht


Agenda

UNSERE SETZLINGSMÄRKTE

Die Vielfalt unserer Raritäten für Ihren Garten – das finden Sie an unseren Setzlingsmärkten. Tomatensetzlingsmarkt Achtung neues Datum ! 29. April 2016, 14 – 19 Uhr 30. April 2016, 9 – 13 Uhr Stadtgärtnerei Zürich Sackzelg 25 /27, 8047 Zürich Setzlingsmar kt Wildegg 30. April /1. Mai 2016, 9 – 17 Uhr Schloss Wildegg 5103 Wildegg /AG Setzlingsmar kt Wil 7. Mai 2016, 8 – 16 Uhr Gärtnerei der Psychiatrischen Klinik, Zürcherstrasse 30 9500 Wil /SG

In verschiedenen Schaugärten wachsen unsere raren Schönheiten. Auf den Führungen erfahren Sie Wissenswer tes aus erster Hand. Alle Führungen sind kostenlos. 29. 5., 3. 7., 7. 8. und 4. 9. 2016 jeweils 11 Uhr Schaugar ten, Wenkenpark 4125 Riehen /BS 30. 5., 20. 6. und 29. 8. 2016 jeweils 19 Uhr Durch die Pelargonienausstellun g Stadtgrün Bern Elfenauweg 94 d, 3006 Bern 1. 6., 17. 8. und 28. 9. 2016 jeweils 18 Uhr Schaugar ten bei Stadtgrün Bern Elfenau, 3006 Bern 7. Juni 2016, 17 Uhr Pfingstrosensammlung, Berufs­ bildungszentrum Char lottenfels 8212 Neuhausen am Rheinfall

Neu: Setzlingsmar kt Weggis 8. Mai 2016, 10 – 17 Uhr An der Seepromenade bei der Schiffsanlegestelle 6353 Weggis /LU

13. Juni 2016, 17 Uhr Schaugar ten im Kreuzgang des Grossmünsters 8001 Zürich

Setzlingsmar kt Chur 14. Mai 2016, 8 – 16 Uhr Arcasplatz, 7000 Chur /GR

21. 6., 7. 7. und 22. 8. 2016 jeweils 17.30 Uhr Schaugar ten im Erlacherhof Junkerngasse 47, 3000 Bern

Zierpflanzenmarkt Bern 22. Mai 2016, 9 – 17 Uhr Stadtgrün Bern Elfenauweg 94 d, 3006 Bern

28. Juni 2016, 19 Uhr Hortensiensammlung Schloss Meggenhorn 6045 Meggen /LU 16. August 2016, 16 Uhr Eröffnung Schaugar ten beim Grandhotel Giessbach inkl. Führ ung 3855 Brienz /BE

Wer selber Saatgut erntet, gewinnt Unabhängigkeit – und über die Jahre perfekt an seinen Standort angepasste Sorten. Gewisse Arten sind auch auf dem Balkon vermehrbar. In diesem Kurs erfahren Sie, mit welchen Pflanzen dies besonders gut gelingt und welche Kombinationen sich platzsparend anbauen lassen. 29. Juni 2016, 18 – 21 Uhr Hauptsitz ProSpecieRara Unter Brüglingen 6, 4052 Basel CHF 140.–, Gönnerinnen und Aktive profitieren vom Vorzugspreis von CHF 70.– Anmelden bis 29. Mai 2016 an info@prospecierara.ch oder 061 545 99 11

WEITERE ANLÄSSE Tage der offenen Beeren sammlung 21. Mai – 9. Juli 2016 jeweils 9 – 12 Uhr Ecke Dinkelberg-Moorhal denstrasse 4125 Riehen /BS Fachtag Samenbau 18. Juni 2016, 9.30 –  16.30 Uhr Solodaris Stiftung 4500 Solothurn Brunch im Centro Pro SpecieRara 24. Juli und 14. August 2016 Vicolo S. ta. Lucia 2 6854 San Pietro di Sta bio /TI Mehr Infos zu diesen und weiteren Veranstaltung en unter: www.prospecierara.ch / de / veranstaltungen

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© iStock.com/sorendls

FÜHRUNGEN ZIERPFLANZEN

KURS: SAMEN­ VERMEHRUNG AUF DEM BALKON


Beeren

Auf Schatzsuche in den Alpen Claudio Niggli, Projektleiter Beeren

Schweizer Kulturerbe ? Die meisten denken dabei an historische Bauten oder an traditionelle Bräuche. Doch auch alte, regional ­verwurzelte Nutzpflanzen sind ein kulturelles Vermächtnis und als solches schützenswert. Wir können aber nur bewahren, was wir auch erkennen. So ist bei der Suche nach Beerenjuwelen im Alpenraum das geschulte Auge eines Experten unentbehrlich.

DAS VERHEISSUNGSVOLLE LAND Geologen kennen die Bedingungen im Gestein, welche gewisse Erfolgschancen beim Graben nach Bodenschätzen versprechen. Mit unentdeckten Beerensorten verhält es sich ähnlich. Inneralpine Täler mit ihrer Abgeschiedenheit sind mögliche Hotspots, weil sich durch gezielte Auslese über Generationen eigenständige Kulturformen ent­ wickelt haben könnten – unerkannt von der Fachwelt. Das Unterengadin erfüllt diese ­Voraussetzung beispielhaft. Gleichzeitig war das Tal mit seiner Nähe zu Österreich und Italien auch Einzugsgebiet für alte ausländische Sorten, die dann oftmals ­keine weitere Verbreitung in der Schweiz fanden. Ein potentielles Paradies für Beeren­ sucher !

OHNE FLEISS … So wildromantisch eine «Schatzsuche» auf rund 1500 Metern über Meer sich anhört, so viel akribische Vorbereitung steckt in ­einem solchen Unterfangen. Janine Dümel von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat 2015 für ihre 16

Bachelorarbeit während Monaten recherchiert und dann in verschiedenen Gemeinden rund ein Dutzend Hausgärten besucht. Die Umweltwissenschaftlerin hat die Gartenbesitzer ­befragt und alle aktuellen Beerenbestände systematisch dokumentiert. Die Fotos von Blüten und Früchten sowie die Beschreibungsdaten zu den einzelnen Sträuchern wurden anschliessend vom ProSpecieRaraBeerenexperten Martin Frei gesichtet und in Bezug auf ihre Sortenzugehörigkeit beurteilt. Um die Funde richtig zuordnen zu können, braucht es jahrzehntelange Erfahrung mit alten Beerensorten.

ÜBERRASCHUNGEN BEI DEN «MEERTRÜBELI» Von allen Beerenarten waren die Johannisbeeren zahlenmässig am stärksten ver­ treten. Zugleich konnte hier auch die grösste Formenvielfalt beobachtet werden. Zu den vielversprechenden Funden gehören auch Neuentdeckungen: Rund 20 Sträucher konnten keiner bekannten und früher verbrei­ teten Sorte zugeordnet werden. Es handelt sich vorwiegend um Sorten und wohl auch Wildformen der Felsen-Johannisbeere Ribes


In diesem Garten in Sur En ( bei Ardez ) hat Janine Dümel mehrere alte Johannisbeersträucher entdeckt. Die Sorten müssen nun identifiziert werden.

petraeum, welche im Alpenraum heimisch ist. Diese Formen sind besonders gut an die Bedingungen in Höhenlagen angepasst.

PFLEGE UND NUTZEN DER SELTENHEITEN Die bislang unbekannten Johannisbeer­ sorten werden nun vor Ort von Chloé Berli, einer weiteren Studentin der ZHAW, im ­Rahmen einer Nachfolge-Arbeit weiter dokumentiert. Zugleich werden sie über Steckhölzer vermehrt und in den ProSpecieRaraBeerensammlungen in Riehen, BS gepflanzt, damit sie abgesichert sind. In Zukunft könnten diese Sorten weitere Verbreitung in montanen Beerenkulturen oder Eingang in neue Züchtungen finden. Auch Potential für eine Nutzung im Tourismusbereich ist durchaus vorhanden. Da das Engagement der lokalen Bevölkerung im Unterengadin allgemein gross ist, wenn es um die Erhaltung und Nutzung des Gartenkulturerbes geht, ist die wichtigste Voraussetzung für weitere Projekte gegeben. Das motiviert ­ungemein, die Schatzsuche weiterzuführen.

Johannisbeerblüten verraten dem Experten viel über die Sorte. Bilder: Janine Dümel

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Kolumne

News

Ohne Vielfalt keine Ernährungssicherheit Daniel Bärtschi, Geschäftsführer Bio Suisse Eines der Grundprinzipien der biologischen Landwirtschaft ist die Erhaltung einer möglichst hohen Artenvielfalt, modern ausgedrückt: Biodiversität. Dies war schon so, bevor es staatliche Beiträge dafür gab. Dass eine bunte Vielfalt lebensnot­ wendig ist, leuchtet ein. Wenn man in anderen Ländern unterwegs ist, wird dies sehr real. So sind z. B. Kartoffeln auf Märkten in Bolivien oder Peru bunt gemischt: Gelbe, rote, blaue, grosse und kleine liegen nebeneinander. Aber auch beim Anbau werden die Kartoffelsorten durcheinandergemischt. Es geht hier um eine Risikoverteilung, denn wenn eine Sorte nicht gut gedeiht, entwickelt sich eine andere umso besser. Es gäbe noch unzählige weitere Beispiele dafür. Unsere auf Hochleistung getrimmte Landwirtschaft führt zu einer reduzierten Arten­ vielfalt, was letztlich ein hohes Risiko für die Ernährungssicherheit birgt. Aber leider ist dafür wenig Einsicht vorhanden. Immer weniger Sorten sind im Angebot, ökologische Züchtung wird kaum gefördert, und wir verlieren viele wertvolle genetische Ressourcen. Deshalb ist die Erhaltung möglichst vieler Pflanzensorten und Tierrassen nicht nur ein hohes Ziel, sondern überlebenswichtig für uns Menschen. Der Biolandbau geht hier voraus und investiert in die Züchtung neuer und in die Erhaltung alter biotauglicher Sorten – zum Nutzen von uns allen. 18

UFEN MAULBEERBÄUME KA

In den vergangenen Jahren haben wir Maulbeerbäume in der ganzen Schweiz aufgespürt und von den interessantesten Vermehrungsmaterial genommen. Nun sind die daraus entstandenen Jungbäume in speziellen Baumschulen erhältlich. Die beste Pflanzzeit ist von Mai bis September. www.prospecierara.ch/de/news/maulbeer

PROSPECIERARA PUNKTET BEI KNOSPE UND IP-BETRIEBEN

Die Labels Bio Suisse und IP Suisse ­setzen in ihrem Anforderungskatalog auf ProSpecieRara. Bio-Suisse-Betriebe weisen seit 2015 Massnahmen für die Biodiversität nach. Dabei können sie unter anderem ProSpecieRara-Sorten und -Rassen in der Produktion geltend machen. www.prospecierara.ch/de/news/ biodiversitaetspunkte


IMPRESSUM Das Magazin «rara» für Gönnerinnen und Spender von ProSpecieRara erscheint viermal jährlich in deutscher, französischer und italienischer Sprache. Herausgeberin: Stiftung ProSpecieRara, Basel, Schweiz Redaktion: Nicole Egloff, Anna Kornicker Texte: Gertrud Burger, Erwin Kump, Nicole Egloff, Philipp Holzherr, Claudio Niggli, Daniel Bärtschi Fotos: ProSpecieRara Gestaltung: Reaktor AG, Kommunikationsagentur ASW, Aarau Druck: SuterKeller Druck AG, Oberentfelden Papier: Cocoon 100 % Recycling 90 g /m2 Auflage: 25 000 Ex. deutsch, 5600 Ex. französisch, 1130 Ex. italienisch Weiblein und Männlein: Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, verwenden wir jeweils entweder die weibliche oder die männliche Form, selbstverständlich sind immer beide Geschlechter gemeint.

RARA BESTELLEN Gefällt Ihnen unser Magazin rara ? Melden Sie sich für ein unverbindliches Probeabo an. info@prospecierara.ch, Telefon 061 545 99 11

STIFTUNG PROSPECIERARA Schweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren. ProSpecieRara Hauptsitz Unter Brüglingen 6 4052 Basel Schweiz Telefon +41 61 545 99 11 Fax +41 61 545 99 12 info@prospecierara.ch www.prospecierara.ch

ProSpecieRara Suisse romande c/o Conservatoire et Jardin botaniques de Genève Case postale 60 1292 Chambésy Suisse Téléphone +41 22 418 52 25 Fax +41 22 418 51 01 romandie@prospecierara.ch www.prospecierara.ch

ProSpecieRara Svizzera italiana Via al Ticino 6592 S. Antonino Svizzera Telefono +41 91 858 03 58 Fax +41 91 858 03 03 vocedelsud@prospecierara.ch www.prospecierara.ch

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Besuchen Sie unsere Setzlingsmärkte !

NEU -

Setzling smarkt Weggis / L 8. Mai 20 U 16

Setzlingsmarkt Wildegg / AG 30. April & 1. Mai 2016

kt Chur

Setzlingsmar 14. Mai 2016

G

kt Wil / S Setzlingsmar 7. Mai 2016

www.prospecierara.ch/de/veranstaltungen Schweizerische Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren

Zierpfla nzenma rkt Bern 22 . Mai 2 016

Für Spenden: PC 90 -1480 -3 IBAN CH29 0900 0000 9000 1480 3


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